Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
Geld für Rettungsschiff im Mittelmeer: Wie der Berner Stadtrat Meloni ärgert
Bern zahlt einem zivilen Rettungsschiff 70’000 Franken. Damit will die Stadt ein Zeichen setzen – und könnte Italien damit vor den Kopf stossen.
https://www.derbund.ch/geld-fuer-rettungsschiff-im-mittelmeer-wie-der-berner-stadtrat-meloni-aergert-404350717745
Erster Einblick in die neue Asylunterkunft
Wenn schutz- oder asylsuchende Menschen in die Schweiz kommen, werden sie als erstes in einer Bundes-Asylunterkunft untergebracht. Nach ein paar Tagen teilt sie der Bund einem Kanton zu. In Bern gibt es ab nächster Woche zusätzlich Platz für 300 Menschen – in der Zivilschutzanlage auf der Berner Allmend.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/erster-einblick-in-die-neue-asylunterkunft-153958931
+++AARGAU
Oftringen und Aarburg – «Weitere Belastung für die Region»: Neue Asylunterkunft sorgt für Unmut
Für die Umplatzierung, Gestaltung, Zinsen sowie Nebenkosten der neuen kantonalen Asylunterkunft in Oftringen hat der Regierungsrat vom Grossen Rat einen Verpflichtungskredit in Höhe von mehreren Millionen Franken beantragt.
https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/weitere-belastung-fuer-die-region-neue-asylunterkunft-sorgt-fuer-unmut-153949456?autoplay=true&mainAssetId=Asset:153960199
+++GLARUS
Nein zum Zugang zu Berufslehre für abgewiesene Asylsuchende
Wie der Kanton Glarus berichtet, wehrt sich der Kanton gegen die bundesweite Vereinfachung des Lehrzugangs für Asylsuchende.
https://www.nau.ch/ort/glarus/nein-zum-zugang-zu-berufslehre-fur-abgewiesene-asylsuchende-66622098
+++URI
Die Asylunterkunft «Bauernhof» in Altdorf wird umgebaut – und soll zukünftig mehr Personen Platz bieten als bisher
Zukünftig sollen in der Asylunterkunft «Bauernhof» in Altdorf 120 statt wie bisher 98 Asylsuchende Platz finden. Die Umbauarbeiten sollen voraussichtlich im Jahr 2024 beginnen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/uri-die-asylunterkunft-bauernhof-in-altdorf-wird-umgebaut-und-groesser-als-bisher-ld.2524887
+++SCHWEIZ
zeit.de 04.10.2023
Familiennachzug aus Afghanistan: Amtshilfe von Terroristen
Als der geflüchtete Afghane Hafiz Taban seine Verlobte in die Schweiz holen will, schicken die Schweizer Behörden Ermittler nach Kabul: Sie sollen die Identität der Frau überprüfen – bei den Beamten des Taliban-Regimes. Die Geschichte einer lebensgefährlichen Prozedur
Von Balz Oertli
In den vergangenen zwei Jahren habe ich graue Haare bekommen vom Stress“, sagt Hafiz Taban. Zwei Jahre hat der 34 -Jährige alles getan, um seine Verlobte aus Afghanistan in die Schweiz zu holen. Jetzt erst durfte sie einreisen. Ständig hatte er Angst: „Da explodieren jeden Tag Bomben und so Sachen. Du rufst jeden Tag an und fragst: ›Bist du gesund? Bist du noch am Leben?‹“
In Afghanistan war Hafiz Taban Journalist, hier in der Schweiz machte er eine Lehre als Montageelektriker und arbeitet heute in Worblaufen bei Bern in einer Wassertechnik-Budä – mit kurzem „u“, wie er in breitestem Berner Dialekt sagt.
Hafiz Taban erfüllte alle Voraussetzungen für den sogenannten Familiennachzug. Also die Möglichkeit, dass Familienmitglieder, in seinem Fall seine Verlobte, in die Schweiz ziehen. Er lebt seit 2011 in der Schweiz, zuerst als Flüchtling, inzwischen hat er eine Niederlassungsbewilligung C und darf sich unbeschränkt lang im Land aufhalten. Er ist finanziell unabhängig und wohnt in einer eigenen Wohnung in Ostermundingen. Der Entscheid hätte eine Formsache sein sollen.
Doch die Schweizer Botschaft in Pakistan benötigte allein mehr als ein Jahr, um die Identität seiner Partnerin zu prüfen und abzuklären, ob die beiden wirklich verlobt sind. Dabei hat sie wissentlich die Sicherheit der Betroffenen aufs Spiel gesetzt, wie Recherchen der ZEIT und des unabhängigen Rechercheteams Reflekt zeigen. Und: Hafiz Taban ist kein Einzelfall.
Um sicherzustellen, dass niemand unter falschen Angaben per Familiennachzug aus Afghanistan in die Schweiz kommt, verlangt die Botschaft in Islamabad von den afghanischen Frauen, dass sie mehrmals nach Pakistan reisen, und schickt private Ermittler zu den Taliban.
Er kenne seine Verlobte, Mirzada Nafisa, schon seit seiner Jugend, sagt Hafiz Taban. Sie waren Nachbarn in Kabul: „Damals war ich noch ganz jung, ich habe immer von ihr geträumt.“ Sie hätten sich dann aber, nach seiner Flucht aus Afghanistan, aus den Augen verloren. Hafiz Taban war mehr als ein Jahr lang auf der Flucht, bis er 2011 in der Schweiz ankam. Erst hier hätten sie sich auf Facebook wiedergefunden und einander dann jeden Tag geschrieben. 2019 verlobten sie sich.
Eigentlich hätten sie erst heiraten wollen, nachdem sie ihr Anglistikstudium abgeschlossen hat, erzählt Hafiz Taban. Doch die Lage in Afghanistan wurde immer unsicherer, die Taliban kamen der Hauptstadt näher. Also entschieden sie, einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen, um in der Schweiz zu heiraten. Das war im Sommer 2021, kurz vor der Machtübernahme der Taliban.
Damit Hafiz Tabans Verlobte zu ihm in die Schweiz ziehen kann, müssen ihre Identität und ihr Zivilstand geklärt sein. So steht es im Gesetz. Zuständig für Gesuche aus Afghanistan ist die Schweizer Vertretung im Nachbarland Pakistan. Dort müssen die afghanischen Gesuchsteller persönlich vorsprechen. Mirzada Nafisa musste also eine lange Liste an übersetzten und beglaubigten Dokumenten in Afghanistan zusammensuchen, etwa ihre Geburtsurkunde, Kopien der Schulzeugnisse oder die Ausweispapiere ihrer Eltern. Mit den Unterlagen musste sie von Kabul ins 450 Kilometer entfernte Islamabad reisen und diese auf der dortigen Schweizer Botschaft einreichen.
„Es gibt eine enorme Überwachung durch die Taliban“
Die Botschaft lässt die Dokumente dann in einem langwierigen Verfahren überprüfen. Diese sogenannte Echtheitsprüfung bezahlen die Antragstellenden selbst. Sie kostet 1000 Franken und sollte gemäß dem Eidgenössischen Aussendepartement (EDA) acht bis zehn Monate dauern. Schließlich schickt die Botschaft alle Dokumente zusammen mit einem Prüfbericht an die Behörden in der Schweiz. Weil Hafiz Taban eine C-Bewilligung hat, ist für ihn der Kanton Bern zuständig. Bei Geflüchteten mit B- oder F-Bewilligung ist der Bund zuständig. Die Migrationsbehörden entscheiden, ob das Gesuch gutgeheißen wird, und erteilen der Botschaft die Ermächtigung, ein Visum auszustellen. Für die Ausreisewilligen heißt das: Sie müssen zweimal in Pakistan auf der Botschaft erscheinen. Zuerst, um den Antrag einzureichen, und dann, um ihr Visum abzuholen.
Das Problem: Der ganze Prozess dauert bis zu zwei Jahre, das berichten Rechtsvertreter und Betroffene. Das ist allerdings länger, als ein Visum für Pakistan gültig ist. Die Antragsteller haben die Wahl: Entweder kehren sie nach Afghanistan zurück und sind wieder der Willkür der Taliban ausgesetzt. Oder sie warten illegal in Pakistan auf den Entscheid der Schweizer Behörden, in ständiger Angst, nach Afghanistan abgeschoben zu werden.
Hafiz Taban erzählt, er und seine Verlobte hätten entschieden, es sei besser, wenn sie in Pakistan bleibe. Weil Frauen in Pakistan keine Wohnung mieten dürften, habe sie zwei Jahre in verschiedenen Hostels gelebt.
Warum dauert dieser Prozess so lange? Das EDA schreibt auf Anfrage der ZEIT, es sei die Aufgabe aller Schweizer Vertretungen, eingereichte Dokumente zu überprüfen. Bei „Ländern mit einem hohen Fälschungsrisiko“, dazu gehört Afghanistan, übersteige dies die internen Kapazitäten. Daher würden in Islamabad in jedem Fall externe Vertrauenspersonen hinzugezogen, EDA-intern auch Vertrauensanwälte genannt. Diese kontrollierten alle Dokumente und deren Inhalt bei den Behörden und im sozialen Umfeld der Antragstellenden – das heißt: im von den Taliban kontrollierten Afghanistan, aus dem Tabans Verlobte wegwill.
Hafiz Taban hat einen dieser privaten Ermittler kennengelernt. Elf Monate nachdem seine Verlobte den Antrag eingereicht hatte, erhielt er einen Anruf. Der Mann am Telefon sagte, er arbeite für die Botschaft und werde seine Eltern aufsuchen. Tatsächlich tauchte der Ermittler wenig später bei Tabans Eltern auf und befragte sie über ihren Sohn. Nach der Machtübernahme der Taliban sind Tabans Eltern aus Kabul aufs Land geflohen. Sein älterer Bruder hatte einen hohen Regierungsposten inne und wird von den Taliban gesucht. Ihre Kämpfer waren wiederholt im Haus der Familie aufgetaucht und hatten nach dem Bruder gefragt. Mehrere Betroffene bestätigen gegenüber der ZEIT, dass eine Person im Auftrag der Schweizer Botschaft ihre Verwandten und Freunde aufgesucht habe.
In der ersten Hälfte 2023 seien in 119 Fällen solche externen Vertrauenspersonen hinzugezogen worden, schreibt das EDA auf Anfrage. Derzeit arbeite die Botschaft dafür mit drei Anwaltskanzleien zusammen. Genaueres könne man zum Schutz der involvierten Personen nicht preisgeben. Nur so viel: Die Vertrauensanwälte erhielten „Anweisungen zum Verfahren und Einreichen des Berichts“, sie würden sorgfältig nach den Grundsätzen der „Diskretion, Verschwiegenheit und Verlässlichkeit“ ausgewählt und müssten über die „nötige praktische und juristische Erfahrung“ verfügen.
Wie ein solch „diskretes“ Vorgehen in der Praxis aussieht, zeigt ein Bericht, den ein Vertrauensanwalt zuhanden der Botschaft erstellt hat und der dieser Zeitung vorliegt. Das Dokument ist mit dem Kommentar „Bitte nicht an Gesuchsteller oder Dritte weiterleiten“ versehen. Der Vertrauensanwalt beschreibt darin im Detail, wie er nicht nur die Eltern und Freunde des Antragstellers ausfragte, sondern wie er auch den lokalen Ladenbesitzer eines kleinen Dorfs über den Gesuchsteller interviewte.
„Ich bin wirklich entsetzt“, sagt Samira Hamidi, als sie das Dokument liest. Die Afghanistan-Expertin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International befasst sich täglich mit der Situation in ihrem Heimatland. Ein solch indiskretes Verhalten könne schwerwiegende Folgen haben, sagt sie: „Es gibt eine enorme Überwachung durch die Taliban.“ Besonders in einem Dorf sei es unvorstellbar, dass die Taliban nicht von solchen indiskreten Ermittlungstätigkeiten erfahren würden. Es laufe ihr kalt den Rücken hinunter, wenn sie das höre: „Wenn das mir als Frauenrechtsaktivistin passiert, bin ich einer direkten Gefahr ausgesetzt. Den Taliban wird dadurch gesagt: ›Sie ist noch da, sie lebt noch im Land.‹“
Kontrollprozess der Schweizer Behörden sei nicht mehr verhältnismäßig
Doch die privaten Ermittler besuchen nicht nur Freunde, Familie und Nachbarn. Ihr Auftrag umfasst auch, sich bei den Taliban-Behörden nach den Ausreisewilligen zu erkundigen. Eine E-Mail der Schweizer Botschaft an die Rechtsvertretung eines Gesuchstellers zeigt, wie weit der Auftrag des Vertrauensanwalts gefasst ist: Er müsse jedes einzelne Dokument bei der jeweiligen Behörde kontrollieren, bestenfalls durch einen Abgleich mit dem Originalregister, steht da. Im bereits zitierten Bericht bestätigt der Ermittler, dass er die Tazkira des Gesuchstellers – einen afghanischen Personalausweis – beim Justizministerium vorgelegt habe. Das EDA sieht darin kein Problem: „Beamte bei den afghanischen Behörden gehören nicht automatisch zu den Taliban“, schreibt es auf Anfrage. Die meisten Behörden würden noch immer mit dem gleichen Personal wie vor der Machtübernahme arbeiten.
Auch hier widerspricht Samira Hamidi von Amnesty International. Selbst wenn der einzelne Beamte der gleiche sei, seien die Taliban nicht mehr einfach eine bewaffnete Gruppe, der man angehöre oder nicht: „Die Taliban sind die De-facto-Regierung. Sie kontrollieren das ganze Land.“ Und ihre Herrschaft sei schlimmer als in den 1990er-Jahren. „Sie sind noch aggressiver, noch brutaler“, sagt Hamidi. Allein schon der Kontakt mit Menschen aus dem Westen könne gefährlich sein. Viele ihrer Bekannten würden den Inhalt ihrer Handys löschen, bevor sie das Haus verlassen. Ein privater Ermittler, der im Dorf verdächtige Fragen stelle und bei den Taliban-Behörden vorspreche, handle geradezu fahrlässig.
Mit diesem Vorwurf konfrontiert, schreibt das EDA: Die Ermittler seien selbst Afghanen und „wissen, wie sie sich in ihrem eigenen Land zu verhalten haben“. Zudem würden sie sehr gut verstehen, „dass Diskretion geboten ist“.
Im Juni verfasste Richard Bennett, der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in Afghanistan, einen Bericht über die Situation der Frauen und Mädchen im Land. Bennett schreibt darin von „Gender-Apartheid“ und davon, dass es „nirgendwo sonst auf der Welt […] einen so umfassenden, systematischen und allumfassenden Angriff auf die Rechte von Frauen und Mädchen wie in Afghanistan“ gegeben habe.
Auch deshalb betrachtet das Staatssekretariat für Migration (SEM) seit Juli alle afghanischen Frauen grundsätzlich als „Opfer diskriminierender Gesetzgebung“. An der Praxis der Echtheitsprüfungen der Schweizer Vertretung in Islamabad ändere das aber nichts, schreibt das EDA. Es bestätigt zwar, dass 80 Prozent der 695 in Islamabad entgegengenommenen und bearbeiteten Familiennachzugsanträge aus Afghanistan Frauen betrafen, 20 Prozent waren Kinder. Dennoch: „Allfällige Änderungen der Asylpraxis für ein bestimmtes Land ändern nichts an den Voraussetzungen für den Familiennachzug“, schreibt das Außendepartement. Es begründet dies wie folgt: Bei einem Familiennachzug könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich die betroffenen Personen in Gefahr befinden. Wenn man die Allgemeinbevölkerung betrachte, würden Berichte aus Afghanistan darauf hindeuten, dass sich „die Sicherheitslage seit der Machtübernahme durch die Taliban allgemein verbessert hat“.
Mei Yi Lew ist Juristin und bei der Rechtsberatungsstelle AsyLex in Zürich für Familienzusammenführungen zuständig. Sie habe sicher 30 Fälle betreut seit der Machtübernahme der Taliban, sagt sie. Angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan sei der Kontrollprozess der Schweizer Behörden „einfach nicht mehr verhältnismäßig“. Zumal er gar nicht zwingend sei. Die Botschaft überprüfe die Dokumente im Auftrag der Kantone. Ein Kanton kann aber auch darauf verzichten. Sie habe schon mehrere Fälle erlebt, sagt Lew, bei denen der Kanton die Dokumente erst hier in der Schweiz geprüft habe. So musste die Antragstellerin nur einmal nach Islamabad reisen, um das Visum für die Schweiz abzuholen.
Familiennachzug aus Afghanistan
Wie das die einzelnen Kantone handhaben, ist nicht bekannt. Der Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden liegen „keine systematischen Angaben zur Praxis der jeweiligen Migrationsämter“ vor. Rückfragen bei den Kantonen zeigen, dass Handlungsspielraum vorhanden wäre. „Für das Migrationsamt St. Gallen erscheint es unsinnig, von Frauen eine zusätzliche Reise nach Pakistan (hin und zurück) zu verlangen“, schreibt Anne Kneer, Leiterin des Rechtsdienstes des kantonalen Migrationsamtes.
Auch der Kanton Waadt bestätigt, dies in Einzelfällen so zu handhaben.
„Obwohl ich ein Recht darauf habe, meine Verlobte in die Schweiz zu holen, musste ich zwei Jahre auf sie warten. Aber wieso?“, fragt Hafiz Taban. Er sei überglücklich, sie seien jetzt endlich zusammen in Sicherheit. Und doch bleibe ein ungutes Gefühl: Für die Schweizer Behörden „zählst du nicht als Mensch“.
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Hinter der Geschichte
Für diesen Artikel haben die ZEIT und das unabhängige Rechercheteam Reflekt etliche Akten eingesehen, mit diversen Juristen gesprochen und mit sechs Afghaninnen und Afghanen geredet, die wie Hafiz Taban Angehörige aus Afghanistan in die Schweiz holen wollten.
(https://www.zeit.de/2023/42/familiennachzug-afghanistan-taliban-schweiz-gefluechtete/komplettansicht)
-> https://reflekt.ch/recherchen/taliban/?fbclid=IwAR3SoAuzbVJFWTHgCNbJah2Axg-fVyPZVW-JjKIi7FcNH773deExQXmHfa8
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Zu wenig Asylbetten – Tagesschau
Für den Fall, dass die Asylgesuche in der Schweiz stark ansteigen sollten, sucht der Bund Unterbringungsplätze. Doch die Kantone stellen weniger Plätze bereit als versprochen. Und diejenigen, die angeboten wurden, seien untauglich oder nicht nutzbar – so die Kritik.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/zu-wenig-asylbetten?urn=urn:srf:video:aa1e23cd-b331-4b6a-8866-6a7c8a74e868
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/ein-bett-aber-keine-dusche-kantone-bieten-bund-unbrauchbare-asylunterkuenfte-an
+++DEUTSCHLAND
Statt Geld für Asylbewerber: Städte warnen vor immensem Aufwand bei Umstellung auf Sachleistungen für Geflüchtete
In der Debatte über Alternativen zu Bargeld für Asylbewerber sorgt sich der Städtetag vor hohem Aufwand für die Kommunen. Sachleistungen seien schon heute möglich, aber eine riesige logistische Herausforderung – selbst mit Karte.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/asyl-sachleistungen-fuer-gefluechtete-staedte-warnen-vor-immensem-aufwand-a-d3f33d5b-dc2a-4ad3-bb18-8fc626fea183
Seenotrettung: Eine scheinheilige Förderung
Als einziges Land in Europa unterstützt Deutschland die private Seenotrettung. Das ist ein wichtiges Signal. Aber manche NGOs wollen das Geld gar nicht.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-10/seenotrettung-staatliche-foerderung-deutschland-europa/komplettansicht
Scholz distanziert sich von Finanzierung der Seenotrettung
Der deutsche Kanzler Scholz hat sich von der öffentlichen Finanzierung der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer durch Hilfsorganisationen distanziert.
https://www.nau.ch/news/europa/scholz-distanziert-sich-von-finanzierung-der-seenotrettung-66622940
+++MITTELMEER
Mittelmeer: Seenotretter nehmen 258 Migranten vor der Küste von Libyen an Bord
Helfer von Ärzte ohne Grenzen haben Hunderte Migranten aus Seenot gerettet. Auf den Kanarischen Inseln sind innerhalb von 24 Stunden mehr als 500 Geflüchtete angekommen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-10/migranten-rettung-mittelmeer-libyen-aerzte-ohne-grenzen
+++EUROPA
Europa ist unhaltbar
Die aktuelle Anti-Migrationsdebatte speist sich aus der verdrängten tiefen Krise westlich-kapitalistischer Vorherrschaft
https://www.akweb.de/politik/europa-ist-unhaltbar-anti-migrationsdebatte-und-die-krise-kapitalitischer-vorherrschaft/
Flucht nach Europa: Wie effektiv sind Grenzkontrollen? – Rendez-vous
In einigen Ländern Europas gibt es wieder Grenzkontrollen, weil wieder Zehntausende Menschen über die Balkanroute nach Europa kommen. Aber halten diese höheren Hürden Asylsuchende davon ab, in die EU zu gelangen? Ein Besuch an der ungarisch-slowakischen Grenze.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/flucht-nach-europa-wie-effektiv-sind-grenzkontrollen?partId=12466971
Migrationspolitik beim EU-Gipfel in Granada – Tagesschau
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder beraten derzeit im spanischen Granada die Migrationspolitik. Polen und Ungarn könnten aber eine gemeinsame Erklärung blockieren. Einschätzungen von SRF-Korrespondent Andreas Reich.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/migrationspolitik-beim-eu-gipfel-in-granada?urn=urn:srf:video:f5a44d99-6ae8-4f63-ac77-5ea653fad144
+++ATLANTIK
«Die Situation ist unhaltbar»: Migranten-Ansturm überfordert kleine Kanaren-Insel
Eine seit Tagen andauernde Zunahme der Ankünfte Hunderter Migranten stellt die Kanaren und vor allem die kleine Insel El Hierro vor grosse Probleme.
https://www.blick.ch/politik/die-situation-ist-unhaltbar-migranten-ansturm-ueberfordert-kleine-kanaren-insel-id19015621.html
-> https://www.tagesschau.de/ausland/europa/kanaren-el-hierro-migranten-ueberlastung-100.html
+++FLUCHT
Flucht vor Wetterbedingungen – 43 Millionen Minderjährige flüchteten wegen Extremwetter
Nach einem UNO-Bericht mussten zwischen 2016 und 2021 Millionen Minderjährige vor extremen Wetterbedingungen fliehen.
https://www.srf.ch/news/international/flucht-vor-wetterbedingungen-43-millionen-minderjaehrige-fluechteten-wegen-extremwetter
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-10/un-unicef-kinder-vertreibung-flucht-klimawandel-duerre-ueberschwemmung
-> https://www.spiegel.de/ausland/klima-migration-laut-uno-43-millionen-vertriebene-minderjaehrige-in-sechs-jahren-a-92cd5f3d-1434-4f0a-a6e6-a5eea12054bf
+++GASSE
Lukas Engelberger im Gespräch: «Unser Eindruck ist, dass die Szene nicht wächst»
Der Vorsteher des Gesundheitsdepartements, Regierungsrat Lukas Engelberger, reagiert im Gespräch auf die offene Drogenszene in Kleinbasel, die er als «hochgradig unerwünscht, illegal und keine gute Entwicklung» bezeichnet – ist seine Präventionsarbeit gescheitert?
https://bajour.ch/a/clnbk909m9369512sg1fo6jg6f1/drogenpolitik-in-kleinbasel
-> https://bajour.ch/a/clnc0ckqd16528952sg1fshb3kop/eine-boese-ueberraschung
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bzbasel.ch 06.05.2023
Drogen im Kleinbasel: Mehr geschützte Konsum-Orte sollen Matthäusquartier entlasten
Die Rufe nach repressiven Massnahmen gegen den offenen Drogenhandel und -konsum im Kleinbasel werden immer lauter. Oliver Bolliger (GAB) und Melanie Nussbaumer (SP) setzen stattdessen auf Schadensminderung und wollen das Angebot der Kontakt- und Anlaufstellen ausbauen.
Maria-Elisa Schrade
«Kleinbasel: Unser Quartier dealerfrei!» fordern 2700 Unterzeichnende in einer gleichnamigen Petition, die vor wenigen Tagen bei der Basler Staatskanzlei eingereicht worden ist. Die unmissverständliche Botschaft: Anwohnende wollen die offene Drogenszene im Kleinbasel nicht länger hinnehmen. Diese Erkenntnis hat mittlerweile auch das linkspolitische Lager erreicht, das sich bislang vor der Debatte um das Sicherheitsempfinden der Quartierbevölkerung im Zusammenhang mit Drogen und Beschaffungskriminalität wegduckte.
Um das zuletzt breit von der SVP bestellte Feld nicht länger allein der politisch Rechten zu überlassen, klinkte sich unlängst die SP mit zwei Vorstössen zu Sicherheit (Kabakci) und Drogen (Seggiani) in die Diskussion ein. Der Tenor: Neben Forderungen nach Massnahmen, die primär den Anwohnenden kurzfristig Erleichterung verschaffen, müsste auch über langfristig wirksame Strategien in der Prävention von Drogenkonsum nachgedacht werden.
Erweiterung der «Toleranzzone»
Wer sich mit Suchterkrankungen vertiefter auseinandersetzt, wird sich allerdings eingestehen müssen, dass es immer Menschen geben wird, die Drogen konsumieren. Davon sind Oliver Bolliger (GAB) und Melanie Nussbaumer (SP) überzeugt. Mit dieser Realität müsse man umgehen können, sagt Nussbaumer. In der Konsequenz bedeutet Suchtarbeit neben Therapie immer auch Schadensminderung. Genau diese wollen Nussbaumer und Bolliger ausbauen.
Konkret geht es den beiden vor allem um eine Verlängerung der Öffnungszeiten der Kontakt- und Anlaufstellen (K+A) am Riehenring und auf dem Dreispitz. Suchterkrankte können dort illegale Drogen im geschützten Rahmen konsumieren. Ausserdem sollen die Vorplätze der K+A auch ausserhalb der Öffnungszeiten als «Toleranzzone» entwickelt werden. In diesem Bereich wird Kleinhandel stillschweigend geduldet, eine Begleitung durch Sicherheitsdienste und aufsuchende Soziale Arbeit findet aber bislang nur tagsüber statt.
Weniger Wohnraum für Suchterkrankte
Von diesen beiden Massnahmen erhoffen sich Bolliger und Nussbaumer auch eine schnelle Entlastung auf dem Matthäuskirchplatz. Denn die Personen, die dort vermehrt nachts illegale Drogen konsumieren, sind den Sozialarbeiterinnen und -arbeitern der Sucht- und Obdachlosenhilfe längst von den K+A bekannt. Neu ist also weniger das Klientel als der Umstand, dass zunehmend an der Öffentlichkeit konsumiert wird.
Horst Bühlmann, Leiter der K+A Riehenring, liefert dafür zwei verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Einerseits habe der Konsum von Kokain, das geraucht werde, in den letzten Jahren deutlich zugenommen. «Bei uns macht das inzwischen 50 Prozent der Substanzen aus», sagt Bühlmann. Die Hürde, eine Droge an der Öffentlichkeit zu rauchen, sei niedriger als diese zu spritzen.
Andererseits stünde suchtbetroffenen Menschen in Basel nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung. Wer nicht allein im privaten Rahmen konsumieren will oder kann, fühlt sich draussen in der Gruppe wohler und sicherer. Ausserdem: «Wer keine Wohnung hat, ist eher nachts unterwegs. Es ist weniger gefährlich tagsüber draussen zu schlafen», sagt Nussbaumer.
Umfeldbetreuung auf Claramatte als Vorbild
Zum Problem in der Wahrnehmung der Anwohnenden wird der öffentliche Konsum vor allem, weil das Rauchen von Kokain aggressiv machen kann und die Drogenabhängigen in Gruppen auftreten. «Die Anwohnenden stören sich primär am Lärm und Abfall», ist Nussbaumer überzeugt. Daher setzt ihr Vorstoss ausserdem auf mehr Streetworker, die nachts in den Quartieren unterwegs sind. Darüber hinaus schweben Bolliger und Nussbaumer eine mobile K+A inklusive aufsuchender Sozialer Arbeit und Sicherheitsdienst als Pilotprojekt vor.
«Das ist alles nicht neu», sagt Nussbaumer. «Auf der Claramatte gab es vor zwölf Jahren ein ähnliches Problem. Das diakonische Werk Elim hat damals eine Umfeldbetreuung gemacht, um das Zusammenleben im Quartier zu verbessern.» Das habe damals gut funktioniert, findet Nussbaumer. Daher spreche nichts gegen eine Neuauflage.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/offene-drogenszene-drogen-im-kleinbasel-mehr-geschuetzte-konsum-orte-sollen-matthaeusquartier-entlasten-ld.2524173)
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Offene Drogenszene in Kleinbasel – Schweiz Aktuell
Im Matthäusquartier in Basel brodelt es. Anwohner und Anwohnerinnen haben eine Petition gestartet. Sie wehren sich gegen die offene Drogenszene im Quartier.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/offene-drogenszene-in-kleinbasel?urn=urn:srf:video:48230f0f-2931-4eb6-bf6a-f621ce4eb210
Drogenprobleme in Schweizer Städten – Schweiz Aktuell
Nicht nur in Basel will man Massnahmen ergreifen gegen die offene Drogenszene. In verschiedenen Schweizer Städten ist der öffentliche Drogenkonsum auf dem Vormarsch. Thilo Beck vom Fachverband Sucht ordnet ein.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/drogenprobleme-in-schweizer-staedten?urn=urn:srf:video:0bb2e40d-6c88-4e4a-9f0b-f55eab2800e4
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
derbund.ch 06.10.2023
Bern: Nause-Wandbild bei der Reitschule bereits übersprayt
Das Wandbild, das seit Donnerstag vor der Reitschule für den Berner Sicherheitsdirektor und Nationalratskandidaten Reto Nause (Die Mitte) wirbt, sieht am Freitag schon anders aus. Das Werk des Berner Künstlers Johannes Lortz wurde übersprayt und teilweise mit Plakaten überdeckt.
Überraschend ist das nicht. Dass es zwischen der Reitschul-Szene und dem Berner Sicherheitsdirektor regelmässig zu Reibungen kommt, ist bekannt. Bereits am Donnerstag schrieb Nause auf X, dass Kunst vergänglich sei. (msc)
(https://www.derbund.ch/news-ticker-bern-region-kanton-polizei-verkehr-politik-kultur-195-290281918894)
-> https://www.20min.ch/story/bern-sprayer-malt-reto-nause-bild-direkt-vor-der-reitschule-272974236200
Strafbefehl wird rechtskräftig: Zürcher Klimaaktivisten erscheinen nicht vor Gericht
Heute Freitag mussten sich zwei Klimaaktivisten von «Renovate Switzerland» vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. Die Strafbefehle werden jetzt aber rechtskräftig. Ein Aktivist zog seinen Rekurs zurück, der andere tauchte nicht vor Gericht auf.
https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/autobahn-in-zuerich-blockiert-klimaaktivisten-stehen-wegen-autobahnblockade-vor-zuercher-gericht-id19014151.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/der-kanton-zuerich-demontiert-auf-der-forch-autostrasse-155-lampen?id=12466992 (ab 02:47)
-> https://www.watson.ch/schweiz/klimastreik/300280752-klimaaktivisten-stehen-wegen-autobahnblockade-vor-zuercher-gericht
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/zurcher-strafbefehle-gegen-klima-aktivisten-werden-rechtskraftig-66622564
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/klimaaktivisten-muessen-sich-vor-zuercher-bezirksgericht-verantworten-00222563/
Für eine Zukunft ohne Kompromisse! Communiqué der Klimademo in Bern!
Heute an der nationalen Klimademo in Bern haben wir uns entschlossen, einen revolutionären Block zu organisieren.
„Aus diesen Gründen entschieden wir uns, beim Bundesplatz nicht Halt zu machen und selbstbestimmt weiter zu gehen. Wir gingen mit 300 Menschen bis zum Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (der Schweizer Vertretung von Frontex) unterstützt die Militarisierung der EU Aussengrenzen, die für Migrant*innen häufig tödlichen Pushback-Operationen, sie kriminalisieren die Seenotrettung und sind verantwortlich für Unterbringung von Geflüchteten in menschenunwürdigen Unterkünften.“
https://barrikade.info/article/6142
„Eindruck von der Kundgebung in Bern gegen die massiven Angriffe der Türkei auf Rojava: „Türkische Armee raus aus Kurdistan!“ #NoFlyZone4Rojava #riseup4rojava #bijiRojava“
https://twitter.com/i/status/1710312140664340833
-> https://sozialismus.ch/international/2023/die-tuerkei-intensiviert-den-krieg-gegen-rojava/
„Das groteske Bild von Nause ist einer bitteren Realität gewichen. Nämlich dem massiven Angriffskrieg der Türkei auf Kurdistan. Türkische Armee raus aus Kurdistan! Geht auf die Strassen um Rojava und die kurdischen Kämpfer*innen zu verteidigen. #bijiberxwedanarojava“
(https://twitter.com/swissfenian/status/1710325683073761395)
+++SPORT
Neuer FCZ-Sicherheitschef: Weil er linker Politiker ist, gibt es noch vor Amtsantritt Wirbel
Die Ernennung von Grünen-Gemeinderat Luca Maggi zum FCZ-Sicherheitschef kommt bei seinen politischen Gegnern gar nicht gut an. Aber das ist Klubboss Ancillo Canepa egal.
https://www.blick.ch/sport/fussball/superleague/neuer-fcz-sicherheitschef-weil-er-linker-politiker-ist-gibt-es-noch-vor-amtsantritt-wirbel-id19013735.html
Grundloser Gummischrot-Einsatz? – YB-Fankurve kritisiert Zürcher Polizei
Die Ostkurve Bern kritisiert in einer Stellungnahme die Zürcher Polizei wegen ihres Verhaltens am 30. September vor dem Match zwischen GC und YB. Die Polizei schiesst zurück.
https://www.blick.ch/sport/fussball/superleague/grundloser-gummischrot-einsatz-yb-fankurve-kritisiert-zuercher-polizei-id19016390.html
-> Stellungnahme Ostkurve: https://www.ostkurve.be/stellungnahme-zu-den-ereignissem-vom-30-september/
+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Angst ist grösser, dass sie bleiben: Amt verweigert Koch und Musiker aus Westafrika Einreise
Die Zürcher Gastronomin Naomi Biaduo wollte für ihr Restaurant einen nigerianischen Koch und einen ghanaischen Musiker für zwei Wochen nach Zürich bringen. Doch diese bekamen kein Visum. Die Gefahr, dass sie in der Schweiz bleiben könnten, haben die Behörden als zu hoch eingestuft.
https://tsri.ch/a/clndbp97k12402222sccdyu15jtk/koch-aus-nigeria-darf-nicht-fuer-zuercher-pop-up-uche-chop-bar-kochen-naomi-biaduo-adaku-marc-spescha-ikenna-akwuebue-frank-osei-sem-schengenvisum
+++BIG BROTHER
Europäische Spyware für Diktatoren – und die Schweiz steckt mittendrin im Sumpf
Ein internationales Recherche-Netzwerk beleuchtet das milliardenschwere Geschäft mit Smartphone-Spionagesoftware aus Europa. Mittendrin: die Schweiz.
https://www.watson.ch/digital/schweiz/983268223-predator-files-smartphone-spyware-kommt-aus-europa
+++POLIZEI AG
aargauerzeitung.ch 06.10.2023
Nach Beschwerde von Juristen: Aargauer Regierung will Polizeigesetz anpassen – diese Änderungen sind geplant
In einer Beschwerde ans Verwaltungsgericht fordern zwei Juristen, dass die automatische Fahrzeugfahndung der Polizei mit Kameradaten massiv eingeschränkt wird. Noch bevor ein Entscheid vorliegt, reagiert der Regierungsrat und will die Vorgaben im Polizeigesetz anpassen.
Fabian Hägler
Im Aargauer Polizeigesetz, das seit 1. Juli 2021 gilt, ist die automatische Erfassung und Abgleichung von Kontrollschildern geregelt. Die Überwachung von Fahrverboten durch Kameras ist verboten, der Abgleich von Kameradaten mit polizeilichen Fahndungsregistern hingegen erlaubt. Die Polizei kann also zum Beispiel Autonummern, die von Verkehrskameras registriert werden, mit den Kennzeichen von gestohlenen Fahrzeugen abgleichen.
Dies geht Jurist Artur Terekhov sowie Rechtsanwalt und GLP-Politiker Andreas Holenstein zu weit. Die beiden haben im März beim Verwaltungsgericht eine Beschwerde eingereicht. Terekhov und Holenstein kritisieren, der automatische Abgleich sei ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre, und verlangen eine ersatzlose Streichung der Bestimmung. Sie verweisen auf ein Urteil des Bundesgerichts, das eine gleichlautende Vorgabe im Kanton Solothurn im Dezember 2022 aufgehoben hat.
Der Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichts über die Beschwerde, die ein sogenanntes Normenkontrollverfahren ausgelöst hat, steht noch aus. Dennoch zeigt die Kritik der Juristen bereits Wirkung: Der Regierungsrat will die Bestimmungen zur automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) im Polizeigesetz anpassen. Dies geht aus der Botschaft an den Grossen Rat zur zweiten Beratung des Geschäftes hervor.
Diese Einschränkungen der automatischen Fahndung sind geplant
– Das Bundesgericht führte bei der Überprüfung der Bestimmung im Solothurner Polizeigesetz aus, dass eine zeitliche Beschränkung nötig ist. Der Regierungsrat schlägt vor, den Einsatz der AFV-Systeme auf 30 Tage zu limitieren– dies soll für mobile und stationäre Kameras gelten. Eine längere Überwachung soll nur möglich sein, wenn Kaderangehörige der Polizei dies anordnen.
– Heute dürfen erfasste Kontrollschilderdaten mit allen polizeilichen Personen- und Sachfahndungsregistern abgeglichen werden. Laut dem Bundesgericht ist ein automatischer Abgleich mit Registerdaten nur zulässig, wenn dies erforderlich und verhältnismässig ist. Voraussetzung dafür ist eine schwere, drohende Gefahr oder ein erhebliches öffentliches Interesse. Der Regierungsrat schlägt vor, dass ein solcher Abgleich künftig nur noch mit den Systemen «Ripol» und «N-SIS» möglich sein soll. «Ripol» ist das Fahndungsregister des Bundesamts für Polizei (Fedpol) und der Kantone, das der Verhaftung von Personen und der Suche nach Verdächtigen dient. «N-SIS» wird vom Fedpol in Zusammenarbeit mit anderen Behörden und den Kantonen betrieben. Es ist das System zur Speicherung internationaler Ausschreibungen und dient ähnlichen Zwecken wie «Ripol». Zu beiden Systemen gibt es Vorgaben im nationalen Gesetz über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes.
– Gemäss dem Bundesgericht muss der Austausch von Fahndungsdaten zwischen verschiedenen Behörden, zwingend protokolliert werden. Eine solche Vorgabe fehlt bisher im Aargauer Polizeigesetz, der Regierungsrat will dies ergänzen.
Ursprünglich sollten die neuen Vorgaben zur automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung in einer Verordnung geregelt werden, nun ist eine Anpassung des Polizeigesetzes geplant. Die Regierung begründet dies unter anderem damit, dass Terekhov und Holenstein gewisse Vorgaben im geltenden Gesetz als bundesrechtswidrig bezeichnen.
Juristen mit Anpassungen nicht vollständig zufrieden
Die beiden Juristen sehen die vorgesehenen Änderungen als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Restlos zufrieden sind Terekhov und Holenstein aber nicht, kritisch sehen sie insbesondere die Speicherung von Daten, wenn keine Übereinstimmung mit einem Fahndungssystem vorliegt. Die Solothurner Regelung sehe schon heute vor, dass bei fehlendem Treffer in einer Datenbank die Autokennzeichen sofort gelöscht werden, halten sie fest.
«Im Aargau soll eine Speicherung weiterhin während 30 Tagen zulässig sein – trotz nachweislich fehlendem Treffer». Auch wenn dies in ihrer Beschwerde kein formeller Antrag, sondern nur ein Nebenargument sei, erwarten die beiden, dass das Aargauer Polizeigesetz auch diesbezüglich angepasst wird. «Eine Vorratsdatenspeicherung würdigt das Bundesgericht im Solothurner Entscheid sehr kritisch», halten Terekhov und Holenstein fest. Sie wollen sich deshalb die Option auf ein weiteres Rechtsmittel nach erfolgter Teilrevision des Gesetzes offenlassen.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/strafverfolgung-fahndung-mit-kameras-regierung-reagiert-auf-beschwerde-von-juristen-und-will-polizeigesetz-anpassen-ld.2522262)
+++POLIZEI TG
Neues Thurgauer Polizeigesetz entschärft
Das neue Thurgauer Polizeigesetz hätte eines der schärfsten der Schweiz werden sollen. In zweiter Lesung waren aber alle Fraktionen des Grossen Rats dafür, das Gesetz zurück an die zuständige Kommission zu geben. Diese hat nun eine neue Version erstellt.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/neues-thurgauer-polizeigesetz-entschaerft?id=12466986
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/textilmuseum-st-gallen-und-akris-eroeffnen-neue-ausstellung?id=12467205
+++RECHTSPOPULISMUS
«Hetzerische Kampagne»: Kommission gegen Rassismus will SVP-Wahlsujets verbieten
Die SVP verbreitete im Wahlkampf Sujets mit Ausländern als Täter und dem Slogan «Neue Normalität». Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus fordert die Partei auf, diese zu stoppen. Stattdessen will die SVP aus der Kritik Profit schlagen.
https://www.baerntoday.ch/schweiz/kommission-gegen-rassismus-will-svp-wahlsujets-verbieten-153949450
-> https://www.20min.ch/story/anti-rassismus-kommission-svp-wird-fuer-hetzerische-und-rassistische-kampagne-geruegt-941730128755
-> https://www.derbund.ch/kommentar-zur-wahlkampagne-die-freiheit-der-svp-ist-nicht-grenzenlos-961244281949
-> https://www.20min.ch/story/anti-rassismus-kommission-svp-wird-fuer-hetzerische-und-rassistische-kampagne-geruegt-941730128755
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/wahlen-2023-svp-schiesst-gegen-anti-rassismus-kommission-66622859
Jagd auf den Wolf – 10vor10
Der Bundesrat will Wolfsrudel stark regulieren. Ab Dezember könnten Abschüsse im grossen Stil beginnen. Die Bergkantone Graubünden und Wallis begrüssen die Pläne –Tierschützer sprechen von Willkür.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/jagd-auf-den-wolf?urn=urn:srf:video:06a44c10-f799-414b-b072-43c1af39f8eb
Parteispitzen zu Wahlen 2023 – Wegen Rechtsextremen: SP greift SVP frontal an
In der «Arena» mit den Parteispitzen gab es reichlich Zündstoff: Zwei Wochen vor den nationalen Wahlen zofften sich SP und SVP über Extremismus. Auch die Top-3-Wahlkampfthemen wurden diskutiert.
https://www.srf.ch/news/schweiz/wahlen-2023/parteispitzen-zu-wahlen-2023-wegen-rechtsextremen-sp-greift-svp-frontal-an
+++RECHTSEXTREMISMUS
Interview mit Pascal Messerli: «Kooperationen mit der Jungen Tat gehen mir auf die Nerven»
Der SVP-Ständeratskandidat Pascal Messerli über zu viele Ausländer*innen und zu wenige Fachkräfte, und weshalb er die Distanz zu Extremist*innen und die Nähe zu Joël Thüring sucht.
https://bajour.ch/a/clnd3wd2c1294382sg10yb7brkg/basler-svp-praesident-pascal-messerli-im-interview
„Gerd Honsik“-Kongress: Neonazis bauen internationale Kontakte aus
Zu der Veranstaltung im Herbst haben sich auch italienische Faschisten von Casa Pound angekündigt
https://www.derstandard.at/story/2000145913027/gerd-honsik-kongress-neonazis-bauen-internationale-kontakte-aus
Vermeintlicher Angriff auf AfD-Chef: Staatsanwaltschaft findet keine giftige Substanz in Chrupallas Blut
Obschon die AfD berichtet hatte, dass ihrem Chef während einer Veranstaltung eine unbekannte Substanz gespritzt worden sei, wurden bei toxikologischen Untersuchungen nichts Derartiges nachgewiesen.
https://www.derbund.ch/vermeintlicher-angriff-auf-afd-chef-staatsanwaltschaft-findet-keine-giftige-substanz-in-chrupallas-blut-817822204434
Rechtsextreme Drohschreibenserie Der NSU 2.0 war nicht allein
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Frankfurter Polizisten wegen Bedrohung. Er ist verdächtig, eine Morddrohung an eine Anwältin verschickt zu haben. Das Schreiben gilt als Beginn der NSU 2.0-Serie.
https://fragdenstaat.de/blog/2023/10/06/der-nsu-20-war-nicht-allein/
-> ZDF Royale: https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale-vom-6-oktober-2023-100.html
Chatgruppe „Itiotentreff“ Wir veröffentlichen den rechtsextremen Frankfurter Polizei-Chat
Frankfurter Polizist*innen schickten sich über Monate menschenverachtende Nachrichten per WhatsApp. Gemeinsam mit dem ZDF Magazin Royale veröffentlichen wir den gesamten Chatverlauf. Wir machen erstmals erfassbar, was es heißt, wenn von rechtsextremen Polizeichats die Rede ist.
https://fragdenstaat.de/blog/2023/09/29/wir-veroffentlichen-den-rechtsextremen-frankfurter-polizei-chat/
-> ZDF Royale: https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale-vom-29-september-2023-102.html
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Warum es Corona-Massnahmen-Kritiker nach Bern schaffen könnten – Echo der Zeit
Neben den etablierten Parteien drängen auch die Kritiker der Corona-Massnahmen in den Nationalrat. Die besten Chancen, einen Sitz im Parlament zu ergattern, haben die Massnahmen-Kritiker in Zürich. Dort kandidiert Mass-Voll-Präsident Nicolas Rimoldi – auf einer vielversprechenden Listenverbindung.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/warum-es-corona-massnahmen-kritiker-nach-bern-schaffen-koennten?partId=12467580
+++FREIRÄUME
derbund.ch 06.10.2023
Übergriffe im Nachtleben: Idealistischer Kampf an Berns Clubtüren
Die Ausgangsszene steckt im Generationenwechsel. Neue Sicherheitskonzepte sollen ein diverses Publikum besser schützen. Das geht einigen zu weit.
Simone Klemenz, Pia Scheidegger, Sabin Gfeller, Martin Erdmann
Das Nachtleben steht für Party und Spass. Doch die Ekstase hat auch ihre Schattenseiten. Diskriminierung und Übergriffigkeit häufen sich oft zu später Stunde. Deshalb beschäftigen sich Teile der Clubszene seit Jahren damit, wie sie ihre Kundschaft auf den Tanzflächen besser schützen können.
Daraus sind sogenannte Awareness-Konzepte entstanden. Auf Deutsch bedeutet Awareness Bewusstsein. Auch einige Berner Clubs haben solche Konzepte entwickelt. Von manchen werden sie als politisch gefärbte Zwängerei empfunden, andere sehen in ihnen die einzige Möglichkeit, um unbelästigt feiern zu können. Wie funktionieren diese Konzepte und welche Bedeutung haben sie für die Zukunft des Nachtlebens?
Das Clubinnere an einem frühen Dienstagnachmittag zu sehen, hat etwas Entzauberndes. Im Kapitel am Bollwerk wird am Wochenende zu elektronischer Musik getanzt, nun herrscht hier die Geschäftigkeit eines Kleinbetriebs. Aufgeklappte Laptops liegen herum, Sitzungen stehen an.
Mahalia Haberthür und Dino Dragic-Dubois sitzen an einem Tisch im Aussenbereich. Sie sind die Awareness-Verantwortlichen des Clubs und haben während der Pandemie ein rund 25-seitiges Konzept entwickelt, das deutlich weiter geht als ähnliche Bestrebungen in der Stadt Bern. Einer der Kernpunkte darin ist ein Begriff, den sie immer wieder nennen: Definitionsmacht.
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Was heisst das genau? Das Prinzip kommt zur Anwendung, wenn dem Awareness-Team übergriffiges oder diskriminierendes Verhalten gemeldet wird: «Wir glauben der betroffenen Person ohne Vorbehalt», sagt Dino Dragic-Dubois. Mit ihr wird dann besprochen, was mit der beschuldigten Person passieren soll. «Das kann von einer Verwarnung bis zum Rausschmiss gehen.»
Mahalia Haberthür bestreitet nicht, dass das System ausgenutzt werden und Unschuldige vor der Tür landen könnten. «Das nehmen wir als Kollateralschaden in Kauf.» Ein anderer Punkt wiegt für Mahalia Haberthür deutlich mehr. «Wir müssen aufhören, Übergriffe von Beginn weg infrage zu stellen und Opfer zu beschuldigen.»
Menschen, die vor der Tür landen, bekommen eine Erklärung mitgeliefert, weshalb für sie jetzt die Nacht im Kapitel endet. Zudem erhalten sie, wie auch die betroffene Person, eine Karte, mit der sie den Club bei Klärungsbedarf im Nachhinein kontaktieren können. «Am Abend sind meist Alkohol oder gar Drogen im Spiel. Diskussionen machen da manchmal keinen Sinn mehr», sagt Dino Dragic-Dubois. Deshalb sei es wichtig, dass das Konzept über die Nacht hinausreiche.
Wer ins Kapitel will, wird vor der Tür mit dem Awareness-Konzept und den Hausregeln konfrontiert. Flyer werden ausgehändigt und verbal nochmals erläutert. Die wichtigsten Punkte: Jegliche Art von Diskriminierung und Übergriffigkeit wird nicht toleriert. Nur Ja heisst Ja. Gegenseitige Akzeptanz gilt als Grundvoraussetzung. Hilfe ist jederzeit erhältlich. Die Besuchenden werden gebeten, aktiv hinzuschauen, die Verantwortung mitzutragen und Übergriffe zu melden.
Das Awareness-Konzept bedeutet für das Kapitel-Team deutlich mehr Arbeit. Ohne ehrenamtliche Einsätze der Inhaber und Inhaberinnen und des Teams wäre das Konzept nicht zu stemmen. Es ist ein Mehraufwand aus idealistischer Überzeugung. «In anderen Clubs hängen irgendwo ein paar Sätze, wie man sich zu benehmen hat, und wenn es zu Zwischenfällen kommt, wird den Betroffenen nicht geholfen. Das darf hier nicht passieren», sagt Dragic-Dubois.
Mehr Awareness bedeutet hier auch ein diverseres Booking. Dadurch konnten zwar über die Jahre neue Besuchende angelockt werden, die sich nach einem möglichst sicheren Partyort in diversem Umfeld sehnen. Die Neuausrichtung hat aber finanzielle Konsequenzen. «Früher kamen angeberische Machos ins Kapitel, die den teuersten Drink bestellt haben. Die kommen heute nicht mehr. Das ist auch gut so», sagt Dragic-Dubois. Aber: Dieses Geld fehlt nun an der Bar.
Mahalia Haberthür ortet darin einen Generationenkonflikt. «Gerade ältere Clubgänger und Clubgängerinnen werfen uns teils vor, wir seien zu radikal geworden.» Deren Kaufkraft versuchen sie nicht zurückzugewinnen. «Wir lieben es, Clubkultur zu veranstalten. Aber zu unseren ideologisch geprägten Bedingungen», sagt Dragic-Dubois.
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«Viele Menschen glauben uns nicht, wie oft solche Situationen vorkommen»
Laura (30) aus Bern und Mafalda (23) aus Portugal
«Wenn wir als Paar in den Ausgang gehen, bevorzugen wir alternative Clubs oder queere Events. An solchen Orten fühlen wir uns viel freier und unbeschwerter. Niemand starrt uns an, wenn wir uns küssen. Ausserhalb der alternativen Szene passiert das eigentlich immer, auch am Gurtenfestival. Sobald uns ein Mann komisch anschaut, berühren wir uns sofort weniger oder gar nicht. Einfach, weil wir schon unzählige Male von heterosexuellen Männern angesprochen wurden. Sie fordern uns meistens auf, wir sollen uns nochmals küssen, oder fragen, ob sie mitmachen dürfen. Es ist auch schon vorgekommen, dass ein Mann dabei seine Hand in seiner Hose hatte. Solche Situationen sind sehr anstrengend. Viele Menschen glauben uns nicht, wie oft sie vorkommen. Ein Awareness-Team verändert unser Sicherheitsgefühl in einem Club völlig.»
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Die Stadt schaltet sich ein
Konzepte wie jenes vom Kapitel rücken immer mehr in Richtung Mitte der Gesellschaft. Das deutlichste Zeichen dafür: Anfang September wurde gar die Stadt Bern in diesem Bereich aktiv. Im Pilotprojekt «Mille Grazie» soll ausgelotet werden, mit welchen Massnahmen Clubbetreibende sexistische, queerfeindliche oder sexualisierte Belästigungen nachhaltig reduzieren können. Neben dem Kapitel sind auch das Bierhübeli, der Dachstock, das ISC und der Gaskessel dabei.
Doch längst nicht alle Berner Clubs fühlen sich verpflichtet, auf der Awareness-Welle mitzureiten. Ein Beispiel dazu findet man wenige Schritte vom Kapitel entfernt.
Freitagabend, 23.20 Uhr. Vor dem Le Ciel tummelt sich das Partyvolk. Zwei Türsteher (gross, stämmig, kurz angebunden) prüfen IDs und Taschen. Während Frauen bis um halb zwölf gratis hereingelassen werden, müssen die Männer zum Portemonnaie greifen – es sei denn, sie stehen auf der Gästeliste.
Dahinter steckt eine Strategie: «Wenn es keine Frauen im Club hat, vergraulen wir die Männer», sagt Jan Kamarys, der Geschäftsführer vom Le Ciel.
Im Innern schlängelt sich eine Wendeltreppe hinab in den Club. Was an diesem Abend auffällt: Während die Tanzfläche vor allem den Frauen gehört, feiern in den Lounges fast nur Männer. Immer wieder bringen Barkeeper ihnen Wodkaflaschen. Geliefert werden sie auf einer leuchtenden Gans aus Plastik. Schwarz gekleidete Sicherheitsmänner verfolgen das Geschehen, die Arme vor der Brust verschränkt.
Die Feiernden lutschen an Lollipops, plötzlich regnet es Konfetti. Je später der Abend, desto mehr schweifen die Blicke umher, die Lollis spielen in zahlreichen Tiktok-Clips die Hauptrolle. Es ist ein Spiel. Die Regeln sind nicht klar definiert. Das Le Ciel hat kein Awareness-Konzept.
Die Frage der Dunkelziffer
Ist man hier vor Diskriminierung genügend geschützt? Daran lässt sich zweifeln – zumindest, wenn man den zahlreichen Google-Rezensionen Glauben schenkt. Mehrere Schreibende erzählen von rassistischen und homophoben Erlebnissen. Geschäftsführer Kamarys weist diese Vorwürfe klar zurück. Seine Begründung: «Wir haben auch homosexuelle Stammgäste.» Und: «Wir sind ein Secondo-Club.» Es kämen viele Leute mit Migrationshintergrund. «Wenn wir diese dann nicht reinlassen, kann das falsch verstanden werden.»
Faktoren wie der Alkoholpegel oder wie voll der Club sei, seien für die Türsteher ebenfalls entscheidend. Jeder Fall müsse einzeln untersucht werden. Passiert das auch? «Zum Schichtende sitzt das Team zusammen und blickt auf den Abend zurück», sagt Kamarys. Das Fazit: Bisher habe es wenige Belästigungsfälle gegeben.
Der Clubbetreiber sieht dennoch Handlungsbedarf. Denn die Dunkelziffer kennt auch Kamarys nicht. Er will Plakate einführen, die auf einen respektvollen Umgang hinweisen. Und: Ob sie künftig auch mindestens eine Security-Frau pro Abend einsetzen wollen, wird er mit seinem Team besprechen.
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«Mir ist aufgefallen, dass ich beim Einlass immer extrem kontrolliert werde»
Enoshan, 20, aus Bern
«Ich bin im Ausgang eigentlich immer mit meinen Sri-Lanka-Jungs unterwegs. Wenn was passieren würde, wären sie für mich da. Ich höre am liebsten Latino- und Rapmusik, also gehe ich gerne in Clubs, wo das gespielt wird. Wir haben schon mehrfach erlebt, dass wir als Gruppe nicht in einen Club in Bern reingelassen wurden. Uns wurde gesagt, es habe im Club keinen Platz mehr. Für die Gruppe hinter uns – alles Weisse – hatte es dann plötzlich wieder Kapazitäten. Mir ist aufgefallen, dass ich beim Einlass immer extrem kontrolliert werde, meine ganze Bauchtasche wurde schon auseinandergenommen. Ich kann solche Situationen wegstecken. Aber ich merke schon, dass sie etwas mit mir machen. Im Moment gehe ich lieber nicht mehr so weg am Abend. Die Lust ist mir etwas vergangen. Ich schlafe lieber.»
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Die Awareness-Frage wird aber nicht nur im linken Bern diskutiert. Auch ausserhalb machen sich Veranstalter Gedanken darüber, wie ein zeitgemässes Sicherheitskonzept aussehen soll. So sind entsprechende Konzepte auch im Oberaargau zu finden. Unter dem Namen Deja Vu Events organisiert eine Gruppe junger Männer Partys in der Region.
Awareness sei bei den Anlässen anfangs kein Thema gewesen, sagt Vereinsmitglied Joël Schneeberger. «Vielleicht auch, weil wir alles Männer sind und wir deshalb im Ausgang weniger mit einem Übergriff rechnen müssen», sagt der 25-Jährige.
Doch dann hat sich der Verein von Berner Betrieben wie dem Kapitel oder dem Bierhübeli inspirieren lassen. «Wir finden, ein Awareness-Konzept zu haben, ist zeitgemäss.»
Ähnlich ist es den beiden Thunern Max (21) und Felice (19) ergangen. Sie haben ihre ersten Schritte im Nachtleben im Mokka gemacht, sind dann aber bald nach Bern übergesiedelt. Grund: «In Thun gibt es keine Jugendkultur», sagt Felice.
Nun organisieren sie im Berner Jugendzentrum New Graffiti Technopartys. Dort wurden sie dazu inspiriert, ein eigenes Awareness-Konzept auf die Beine zu stellen. «Die Leute wollen das», ist Max überzeugt.
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Männerprobleme in Münsingen
Auf dem Land ist man mit Awareness vielerorts eher zurückhaltend. Das Barfest in Münsingen hat zwar beim Kassenhäuschen einen Flyer aufliegen, der darauf hinweist, dass jegliches unangebrachte Verhalten zum Ausschluss des Festes führen könne. Und auch weibliche Securitys stehen im Einsatz.
Doch ist Organisator Philipp Kapas der Ansicht, dass Sexismus im Veranstaltungsbereich ein eher kleines Thema ist. Die grössten Probleme wittert er im Nachtleben bei Auseinandersetzungen unter Männern und bei Sachbeschädigung.
Auch im Emmental scheint die Welt noch heil zu sein. «In den 15 Jahren, in denen ich dabei bin, hat es bei uns nie Übergriffe gegeben», sagt Till Brand. Mit dem Emmentaler Verein Paragraph K organisiert er regelmässig kulturelle Anlässe in der Langnauer Kupferschmiede.
Er vermute, das könne am durchmischten und eher ländlichen Publikum liegen. Der Verein habe daher entschieden, kein Konzept einzuführen – vorerst.
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« Ich lasse mich nicht vertreiben»
Nadia (27), aufgewachsen in Belp
«Schon mehrmals bin ich im Ausgang in eine blöde Situation geraten, gerade weil ich Nein gesagt habe. Das passierte vor der Reithalle, als mir ein Mann in den Schritt greifen wollte. Vor der Turnhalle, als ich nach dem ‹Nein› beschimpft wurde. Beim Divino, wo mich ein Fremder von hinten umarmte, seine Wange an meine hielt und versuchte, mich zu küssen. Auch auf dem Heimweg lauerten mir schon Männer auf. Für sie ist das oftmals ein Spiel. Mich versetzt es in Todesangst. Früher wehrte ich mich häufig physisch. Packte den Bedränger am Kragen oder kickte ihn. Heute signalisiere ich mit meiner Körperhaltung, wenn mir jemand nicht zu nahe kommen soll. Und ich wehre mich verbal. Dabei bin ich sehr direkt, aber respektvoll. Ich sage ihm: ‹Hör auf damit›. Ich lasse mich nicht vertreiben. Aber: Nicht alle können sich verteidigen. Deshalb braucht es Konzepte, die solchen Belästigungen vorbeugen.»
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Konzept allein reicht nicht
Daran, dass es keine Fälle gibt, glaubt Yvonne Meyer nicht. «Fälle hat es schon immer gegeben. Nur wissen die Clubs natürlich nichts davon, solange sie sich nicht aktiv mit dem Thema befassen.» Meyer ist Co-Projektleiterin beim Verein Helvetiarockt, der sich für mehr Diversität in der Musikszene einsetzt.
Im November will der Verein einen Bericht zum Thema «Sexualisierte Gewalt in Clubs und an Festivals» publizieren. Spruchreif sind die Erkenntnisse noch nicht. Aber Meyer bestätigt: Das Interesse, etwas gegen Sexismus und Rassismus zu unternehmen, ist bei vielen Clubs da.
Es gebe aber kein Zauberrezept: «Jeder Club muss ein für sich passendes Konzept erarbeiten, das auch von den Mitarbeitenden mitgetragen wird», sagt Meyer. Denn passiert im Club oder am Festival etwas, so sind sie es, die handeln müssen: die Security-Mitarbeitenden, die Barkeeperinnen, das Awareness-Team.
Mit einem Konzept allein sei es also nicht getan. Schaffe es ein Club aber, einen in sich funktionierenden Mikrokosmos aufzubauen, so sei das ein im Kampf gegen sexualisierte Gewalt sehr wertvoller Schritt.
Eine Ressourcenfrage
Zurück im Kapitel. Das Gespräch dreht sich um Grossanlässe. Mit dem Gurtenfestival und dem Rap-Festival Spex haben sich gleich zwei grosse Player an einem Awareness-Team versucht. Mahalia Haberthür sieht dabei vor allem ein Ressourcenproblem. Es gebe in Bern zu wenig Sicherheitsfirmen, die genügend auf das Thema sensibilisiert seien und genug Mitarbeitende hätten, um Events von dieser Grösse bewältigen zu können.
Einzige Ausnahme bilde die Taktvoll Sicherheitskultur Gmbh. «Deren geschultes Personal kostet aber entsprechend.» Deshalb kämen immer wieder Firmen wie die Broncos zum Zug. «Awareness-Arbeit wird an Grossveranstaltungen deshalb oftmals nur sehr oberflächlich betrieben.»
Und wie sieht es mit dem Club-Mainstream wie beispielsweise dem Le Ciel aus? Auch da ist man im Kapitel eher skeptisch. Für Dino Dragic-Dubois scheitert es nur schon an der Konzeptionierung solcher Clubs. «Das Konzept ‹Loungeclub› zementiert ein veraltetes Rollenbild. Typen prahlen mit teuren Wodkaflaschen, um jemanden abzuschleppen. Das ist für mich kaum mit Awareness vereinbar.»
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«Ich bin gespannt, inwiefern solche Konzepte das Partyvolk verändern»
Sally alias DJ Saharaa, 22, aus Bern
«Ich lege auf, weil ich der Menge einen Moment geben will, in dem alle unbeschwert tanzen können. Mein Leben war nachts nicht immer unbeschwert. Es gab Situationen, in denen ich mich unwohl gefühlt habe. In denen ich auf eine unangemessene Art angequatscht worden bin. Einmal – noch vor meiner Zeit als DJ – mischte mir jemand etwas in den Drink. Es war eine sehr unangenehme Situation. Ich war plötzlich nicht mehr ich selbst. Rassismus erlebe ich alltäglich. Jedoch bin ich im Nachtleben weniger damit konfrontiert. Gerade da kann ich mir aussuchen, in welchen Kreisen ich mich bewege. Im Moment tut sich viel. Immer mehr Frauen legen auf. Das freut mich. Auch dass Clubs ihr Publikum vermehrt auf Themen wie Rassismus und Sexismus sensibilisieren, finde ich wertvoll. Ich bin gespannt, inwiefern solche Konzepte das Partyvolk verändern.»
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(https://www.derbund.ch/uebergriffe-im-nachtleben-idealistischer-kampf-an-berns-clubtueren-925395055829)