Themen
- GEAS-Reform: Noch keine Einigung zur Krisenverordnung
- Tod im Asylcamp Gurnigelbad
- Bunkerkonjunktur: Nach der Flucht direkt in den Bunker
- Tessin: Tausende Fälle von Racial Profiling und illegalen Pushbacks
- Parlament Institutionalisierung des Rassismus durch Sondersessionen
- Maria Wegelin
- Über 60’000 Demonstrierende an der Klimademo in Bern
Was ist neu?
GEAS-Reform: Noch keine Einigung zur Krisenverordnung
Am 28. September haben sich die EU-Innenminister*innen in Brüssel getroffen, um über die GEAS (Gemeinsame Europäische Asylsystem) -Reform und insbesondere über die darin enthaltene Krisenverordnung zu diskutieren. Eine Einigung steht noch aus. Die Reform will das bereits jetzt tödliche und gewaltvolle Migrationsregime Europas massiv verschärfen.
Nebst Schnellverfahren in Lagern an den EU-Aussengrenzen oder der Möglichkeit, 20’000 Euro pro geflüchtete Person zu bezahlen, anstatt diese aufzunehmen, enthält die GEAS-Reform auch die sog. Krisenverordnung, über die am 28.09.23 in Brüssel diskutiert wurde.
Die Krisenverordnung soll den Mitgliedstaaten in drei Situationen erlauben, von der ohnehin bereits repressiven Reform abzuweichen und weitere Verschärfungen einzuführen, die es für Schutzsuchende noch schwerer machen werden, zu ihrem Recht zu kommen.
Krisenverordnung: Drei Möglichkeiten zur weiteren Entrechtung
Der erste Fall, eine «Krisensituation», soll wie folgt definiert werden: «Die aussergewöhnliche Situation eines Massenzustroms […], der im Verhältnis zur Bevölkerung und zum BIP des betreffenden Mitgliedstaats ein solches Ausmass hat und von solcher Art ist, dass das Asyl‑, Aufnahme- oder Rückkehrsystem des Mitgliedstaats nicht mehr funktioniert, und der schwerwiegende Folgen für das Funktionieren des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems […] haben kann, oder die unmittelbare Gefahr des Eintretens einer solchen Situation« (Art. 1 Abs. 2 Verordnungsstand vom 23. Juni). Zur Anwendung der meisten Ausnahmen braucht es einen Ratsbeschluss.
Der zweite Fall ist eine «Instrumentalisierung von Migrant*innen» und der Dritte eine Situation von «höherer Gewalt», bei der die Covid-19 Pandemie als Beispiel genannt wurde.
Folgende Abweichungen von den üblichen Regeln sind in diesen drei Fällen vorgesehen:
Verzögerung der Registrierung/Gefahr von Pushbacks: Im Fall einer Krise oder höherer Gewalt können die Mitgliedstaaten bis zu vier Wochen Zeit für die Registrierung von Asylanträgen haben, im Fall einer Instrumentalisierung drei Wochen. Dies kann die Gefahr von Pushbacks erhöhen, da die Menschen keinen Nachweis darüber bekommen, dass sie einen Asylantrag gestellt haben.
Noch mehr Menschen in den Grenzverfahren: Im Falle einer Krise oder höheren Gewalt wird den Mitgliedstaaten zum einen erlaubt, weniger Grenzverfahren durchzuführen, indem Schutzsuchende aus Herkunftsstaaten mit einer Schutzquote von weniger als 20 Prozent nicht verpflichtend in die Grenzverfahren müssen. Des Weiteren können diese massiv ausgeweitet werden, indem Menschen aus Herkunftsländern mit Schutzquoten von bis zu 75 Prozent in die Grenzverfahren genommen werden. Im Falle einer Instrumentalisierung können die Mitgliedstaaten alle Asylsuchenden in die Grenzverfahren nehmen.
Verlängerung der Grenzverfahren (und damit der De-facto-Haft): In allen drei Fällen sollen die Grenzverfahren bis zu 20 Wochen dauern können (anstatt 12 Wochen) – sowohl die Asylgrenzverfahren als auch die anschliessenden Abschiebungsgrenzverfahren. Aufgrund der sogenannten Fiktion der Nicht-Einreise ist zu erwarten, dass die Grenzverfahren unter Haftbedingungen durchgeführt werden.
Keine Einigung in Brüssel
Beim EU-Innenminister*innen-Treffen am 28.09 hat Deutschland trotz grossem zivilgesellschaftlichem Protest der Krisenverordnung zugestimmt. Überraschenderweise hat dann Italien Vorbehalte angemeldet: Hintergrund für die italienische Verzögerungstaktik ist wahrscheinlich die Finanzierung Berlins von privaten Seenotrettungs-Organisationen im Mittelmeer.
Einschätzungen zufolge werde Italien schlussendlich dann doch zustimmen. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte: «Es gibt keine grossen Hürden mehr. Wir werden eine Einigung erzielen, und das wird in den nächsten Tagen geschehen.»
Denn Ziel von den EU-Innenminister*innen sei es, die GEAS- Reform vor den Europa-Wahlen in einem Jahr unter Dach und Fach gebracht zu haben. Das gesamte Massnahmenpaket wird demnächst in die abschliessenden sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und dem Rat der 27 EU-Staaten gehen.
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/pro-asyl-zur-krisenverordnung-abkehr-der-bundesregierung-vom-koalitionsvertrag-und-menschenrechten/
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-asylreform-krisenverordnung-100.html
https://www.tagesanzeiger.ch/analyse-zur-migrationskrise-die-eu-will-eine-asylreform-um-fast-jeden-preis-511382364358
https://www.derbund.ch/eu-treffen-in-bruessel-schweiz-will-keine-systematischen-grenzkontrollen-im-sueden-294857463750
Tod im Asylcamp Gurnigelbad
Im Asylcamp Gurnigelbad starb diese Woche ein 50-jähriger geflüchteter Kurde an einem Herzinfarkt. Die Ambulanz – warum kein Helikopter? – traf nach 40 Minuten ein. Das Asylcamp befindet sich isoliert in den Berner Voralpen. Die selbstorganisiert-migrantischen Kollektive ROTA und Pangea üben Kritik und rufen am Mittwoch zum Protest auf.
Die selbstorganisert-migrantische Gruppe ROTA nahm Stellung: «Berner Asylpolitik tötet die Geflüchteten! Wir haben keine Geduld mehr!» Die Gruppe versucht seit fünf Monaten erfolglos mit dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK), welches das Camp verwaltet, Kontakt aufzunehmen, um auf Missstände hinzuweisen. «Sie wollten uns und den Geflüchteten nicht zuhören! Nun haben wir einen Freund verloren!» kritisiert ROTA.
Laut dem PangeaKolektif – ebenfalls ein selbstorganisiert-migrantisches Kollektiv – forderte der Verstorbene aufgrund seiner chronischen Gesundheitsprobleme bereits länger eine Verlegung in ein weniger abgelegenes Camp. Leider wurde sein Antrag abgelehnt. Eventuell würde er sonst noch leben.
Im Camp gab es kein ständiges medizinisches Team. Ein Arzt besucht das Camp in 14-tägigen Abständen. Das PangeaKolektif kritisiert in ihrer Stellungnahme; «Es ist allgemein bekannt, dass viele Geflüchtetenlager in der Schweiz weit von Zentren und Krankenhäusern entfernt sind und nicht über die notwendige Gesundheitsversorgung verfügen. Private Unternehmen stellen den Profit über das menschliche Leben.» Sie fordern, die Arbeit privater Unternehmen in Asylcamps strenger zu überwachen und geflüchteten Personen einen besseren und freieren Zugang zu dennotwendigen Gesundheitsdiensten zu gewähren. In einem dringenden Brief an die SRK-Campleitung stellen sie Fragen: Werden die Mitarbeiter in gesundheitsfördernden Interventionen geschult? Stehen medizinische Vorräte und Materialien für Notfälle wie Herzinfarkte zur Verfügung? Gab es ein im Voraus festgelegtes Notfallverfahren für schwerwiegende Gesundheitsprobleme wie Herzinfarkte? Wie lange dauerte es, bis der Krankenwagen eintraf? Waren die gesundheitlichen Probleme von Bayram Hasgül bekannt? Hat Bayram Hasgül aufgrund von Gesundheitsproblemen einen Lagerwechsel beantragt? Wenn ja, warum wurde er abgelehnt? Sind die Bedingungen im Lager und der Zugang zu Gesundheitsdiensten für Personen mit Gesundheitsproblemen förderlich?
Das SRK hat Antworten versprochen. Nächste Woche findet beim Asylcamp eine Protestkundgebung statt. Den Aufruf findet sich unter «Was steht an?».
https://pangeakolektif.org/node/392
https://www.derbund.ch/tod-auf-dem-gurnigel-kurde-stirbt-in-asylunterkunft-an-einem-herzinfarkt-232445970255
https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/mann-stirbt-in-asylunterkunft-gurnigelbad-an-herzinfarkt-153763209
https://www.facebook.com/watch/?ref=saved&v=317666024248815
https://twitter.com/3rosen/status/1706775992499388802
https://twitter.com/zamur41/status/1706725811296805313
Bunkerkonjunktur: Nach der Flucht direkt in den Bunker
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) möchte am 9. Oktober ein Bundesasylzentrum für bis zu 300 Personen in einem Bunker in Bern-Wabern eröffnen. Ein Leben im Bunker ohne frische Luft und Tageslicht macht krank. Zeit für Widerstand.
Das SEM rechnet mit einem Engpass bei der Unterbringung von asyl- und schutzsuchenden Menschen. Dieser Engpass wurde bereits Anfang Jahr in vielen Kantonen deutlich sichtbar. Sowohl die Bundesasylzentren (BAZ), die Durchgangszentren (DZ), wie auch die Rückkehrzentren (RKZ) waren an vielen Orten massiv überbelegt. In vielen Kantonen wurden im Zuge dessen bereits temporäre Unterkünfte eröffnet, auch Bunker wurden als Unterbringungsort genutzt. Dass die Schweiz mit mehr geflüchteten Menschen zu rechnen hat, sollte nicht mehr in Frage stehen. Immerhin ist die Schweiz ein wichtiges Puzzleteil in den globalen kolonialen und imperialen Herrschaftsverhältnissen, die weltweit Krisen und Katastrophen hervorbringen und Menschen zur Flucht zwingen. Statt unter dem Vorwand einer Krisensituation Menschen in Bunker zu sperren, wäre jetzt erst recht der Zeitpunkt, nachhaltige und menschenwürdige Unterbringungslösungen zu finden und gegen eben diese Herrschaftsverhältnisse zu kämpfen.
Neu soll die Zivilschutzanlage Minigerstrasse in Bern ab dem 9. Oktober bis Ende Februar 2024 als Unterbringung dienen. Eine Sprecherin des SEM bestätigte auch, dass eine Verlängerung der Nutzung möglich sei. Das SEM stellt sich als humanitäre Retterin da und spricht davon, dass sie alles darangeben, den in der Schweiz Zuflucht suchenden Menschen jederzeit ein Dach über dem Kopf gewährleisten zu können. Die Tatsache, dass sie dafür bis zu 300 Menschen in einen Bunker sperren möchten, spielt für sie wohl keine zu grosse Rolle. Das SEM ist dankbar für die neue unmenschliche Unterkunft, die ihr die Stadt Bern zur Verfügung stellt. Für das SEM stellt der Bunker eine einfache und unkomplizierte Lösung dar. Für die Menschen, die direkt nach ihrer Flucht darin untergebracht werden, bedeutet es die Hölle. Schon jetzt werden geflüchtete Menschen in RKZ untergebracht, welche sich in einem Bunker befinden. Diese Menschen berichten täglich davon, wie sie der Bunker krank macht und zermürbt.
Um genügend menschenwürdige Unterbringungsplätze zur Verfügung zu stellen, muss sich das SEM von der Idee der Kollektiv-Unterbringung lösen, welche sich mit der Asylgesetzreform 2019 durchgesetzt hat. Riesige knastähnliche Zentren zur Massenunterbringung von hunderten Geflüchteten zu organisieren, stellt sich auch für das SEM als eine schwierige Aufgabe heraus. Auch ist bereits lange klar, dass es keine gute Idee ist, ein profitorientiertes Unternehmen wie die ORS mit dem Betreiben solcher Zentren zu beauftragen. Dass dieses Modell versagt hat, beweisen uns all die Menschen, welche unter diesem System leiden. Wenn sie noch die Kraft dazu aufbringen können, berichten sie über die knastähnlichen und menschenunwürdigen Verhältnisse in den Lagern. Die Suizidrate in den BAZ sollte endgültig beweisen, dass dieses System zu einem Ende kommen muss.
Wohnraum für geflüchtete Menschen zu finden, ist möglich und kann besser gelöst werden. Dafür sollte die Idee verworfen werden, hunderte Menschen in ein voll überwachtes und kontrolliertes Zentrum zu sperren. Stattdessen sollte den Menschen mehr Autonomie gewährt werden. So könnten selbstorganisierte Unterbringungen, betreut von ausgebildeten Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen etabliert werden. Möglichkeiten gibt es viele, die es auszuprobieren gilt. Bunker gehören nicht dazu.
Kämpfen wir weiter, bis alle Menschen frei und alle Bunker geschlossen sind und bleiben.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-97958.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-97843.html
https://twitter.com/SolinetzBE/status/1707349935379874087
Was geht ab beim Staat?
Tessin: Tausende Fälle von Racial Profiling und illegalen Pushbacks
Das Bundesamt für Zoll und Grenzschutz (BAZG) verlagert seine Grenzwächter*innen an die Südgrenze. Ziel seien keine systematischen Grenzkontrollen, versicherte Baume-Schneider diese Woche. Doch was wie eine Entwarnung klingt, verschleiert systematisches Racial Profiling und illegale Pushbacks. Das bestätigte letzte Woche ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Die SVP fordert, die Armee an die Grenze zu schicken. Doch systematische und stationäre Grenzkontrollen verstossen gegen das Personenfreizügigkeitsabkommen der Schengenstaaten. Diesen politischen Stress mit der EU will sich die offizielle Schweiz (noch) nicht geben. Sie setzt auf ein anderes Regime. Die Grenzwache soll mit mehr Personal und mit Unterstützung von Helikoptern gezielt nach illegal Einreisenden fahnden. In der Praxis läuft dies auf breit angelegtes systematisches Racial Profiling hinaus. Während weisse Menschen an der Grenze überzufällig oft in Ruhe gelassen werden sollen, kontrollieren die Grenzwächter*innen gezielt nur BIPoC. Das Merkmal für einen Verdacht und eine Kontrolle ist allein die Hautfarbe.
Wenn die kontrollierten Personen keine gültigen Papiere vorweisen und Asyl beantragen wollen, droht ihnen aufgrund des Dublin-Abkommens rasch die Abschiebung – meist nach Italien oder Kroatien. Wer keine Papiere vorweist und kein Asylgesuch stellt, gilt als illegal anwesend. Im Juli kontrollierten die Grenzwächter*innen 1’486 und im August 2’873 Menschen bei einem „irregulären Grenzübertritt“. 3% beantragten Asyl, der Rest wollte weiterreisen. Nach wie vor scheint die Grenzwache die Augen in vielen Fällen zu schliessen und Personen – hauptsächlich geflüchtete Afghan*innen – durchzuwinken. Doch an der Südgrenze kommt es oft auch zu direkten Ausschaffungen nach Italien.
Mit Italien besteht nämlich ein Abkommen, das es den Schweizer Grenzwächter*innen erlaubt, betroffene direkt und unbürokratisch abzuschieben. Damit diese noch systematischer erfolgen, wurde letztes Jahr das Gesetz noch verschärft. Der Bund darf nun Grenzkantone sponsern, wenn diese Camps betreiben, um „illegal Anwesende“ nach der Einreise bis zu 24h zu sammeln, um sie effizienter abzuschieben. Für die Betroffenen bedeutet dies Freiheitsentzug und dass sie ohne vertiefte Abklärungen, ohne Rekursrechte, ohne Verdolmetschen, gewaltsam und gruppenweise nach Italien abgeschoben werden.
Wie in Kroatien, Polen, Litauen behaupten auch die Schweizer Behörden dies sei legal. Anders sieht dies jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH). Den Fall einer solchen Abschiebung von Frankreich nach Italien beurteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) letzte Woche als illegal. Das EuGH-Urteil besagt, dass Migrant*innen, die keinen Asylantrag gestellt haben und sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in einem Schengenstaat befinden, nicht sofort wieder ins Nachbarland abgeschoben werden dürfen. Die Europäische Rückführungsrichtlinie schreibt klar vor, dass die Behörden zuerst immer eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewähren müssen. Eine zwangsweise Ausschaffung darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Was die Schweiz im Tessin betreibt, sind somit keine legalen Rückführungen, sondern illegale Pushbacks!
Das Urteil ist bedeutsam, da derzeit an vielen Binnengrenzen der Festung Europa gemauert wird, um die Bewegungsfreiheit von (flüchtenden) Nicht-Europäer*innen zu verhindern. So nutzte der französische Präsident Macron die Bilder aus Lampedusa, um die Grenze zu Italien mit zusätzlichem Personal, Drohnen und Helikoptern aufzurüsten. In Österreich kündigten die Behörden an, an der Grenze zu Italien systematische Grenzkontrollen einzuführen. Und in Deutschland beschloss Innenministerin Faeser, dass die deutsche Polizei ab sofort „zusätzliche flexible Schwerpunktkontrollen an den Schleuserrouten an den Grenzen zu Polen und Tschechien“ vornehme. Die Grenzpolizist*innen sollen sich wie in der Schweiz „agil auf der Grenzlinie“ bewegen und die bereits intensiv praktizierten Schleierfahndungen ergänzen.
https://www.derbund.ch/begrenzung-der-migration-in-deutschland-bahnt-sich-eine-asylwende-an-968014185579
https://www.watson.ch/schweiz/international/773946525-schweiz-will-keine-systematischen-grenzkontrollen-im-sueden
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/363912057-baume-schneider-relativiert-die-situation-an-tessiner-grenze
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/faeser-kontrollen-100.html
https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2023/2/cons_1/doc_4/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-dl-proj-2023-2-cons_1-doc_4-de-pdf-a.pdf
https://www.nzz.ch/international/migration-laesst-sich-nicht-auf-knopfdruck-stoppen-ld.1758051
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2023-09/cp230145de.pdf
Was ist aufgefallen?
Parlament Institutionalisierung des Rassismus durch Sondersessionen
Letzte Woche nutzte die SVP das Parlament als Bühne für ihren Wahlkampf und ihrem Kampf gegen Migrant*innen. Im Rahmen einer ausserordentlichen Session zu Zuwanderung und Asyl zeigte sie, was es heisst, den Rahmen des demokratisch denk-, sag- und umsetzbaren ultra nach rechts zu drängen.
National- und Ständerat befassten sich mit migrationspolitischen Vorschlägen, die die Grund- und Völkerrechte mit den Füssen treten. Es ging zum einen um die SVP-Forderung nach einer Begrenzung der Einwanderung durch absolute Höchstzahlen – ähnlich der angenommenen Masseneinwanderungsinitiative und zum andern um den aus Grossbritannischen bekannten Vorschlag, die Asylverfahren in Länder ausserhalb des Schengen-Raums – z.B. Ruanda – auszulagern. Zwar wurden die beiden Motionen der SVP abgelehnt, doch die ewige Diskussion über menschenfeindliche Vorschläge machen diese salonfähig und sie fördern die zunehmende Normalisierung der Brutalität.
Dies zeigt sich beispielsweise auch daran, dass Ideen angenommen werden, die inhaltlich nicht minder schlimm sind, doch sich im Vergleich als vernünftiger, konstruktiver und ausgewogener Vorschlag aus der Mitte präsentieren. Konkret stellte sich der Nationalrat hinter den Vorschlag der FDP, auf Asylgesuche von geflüchteten Personen nicht mehr einzutreten, wenn sich diese während der Flucht längere Zeit in einem „sicheren Drittstaat“ aufhielten. Das Asylgesetz erlaubt es bereits heute, Asylgesuche u.U. abzulehnen, doch sieht das Gesetz keinen Automatismus sondern eine Prüfung z.B. der Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips vor. Das ist dem Nationalrat egal. Der Vorschlag geht nun an den Ständerat.
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20233533
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230927175535727194158159038_bsd165.aspx
https://www.blick.ch/politik/svp-und-sp-geraten-waehrend-asyldebatte-aneinander-nur-baume-schneider-bleibt-cool-tumult-im-nationalrat-id18985300.html
Kopf der Woche
Maria Wegelin
Sie seien «nicht rechstextrem»: Nationalratskandidatin der SVP Winterthur Maria Wegelin stellt zwei führende Mitglieder der neonazistischen «Jungen Tat» für ihre Social-Media Arbeit an. Ein Problem sieht sie darin nicht. Und wie Recherchen zeigen: Das Anheuern von vorbestraften Neonazis für den Wahlkampf ist kein Einzelfall.
Noch nie hatte sie zuvor etwas von der Jungen Tat gehört, die «Jungs waren ihr als Typen symphytisch» – die Präsidentin der SVP Winterthur, Maria Wegelin, hat zwei führende Köpfe der Jungen Tat für ihre Social-Media Arbeit für den Wahlkampf engagiert. Auch zum jetzigen Zeitpunkt bleibt sie der Meinung, dass sie «super Arbeit für sie machen» und sieht keinen Grund, ihre Zusammenarbeit zu beenden. Anders sieht das der Hauseigentümerverband (HEV) Winterthur: Dieser stellte ihr das Ultimatum, sich deutlich von Rechtsextremismus sowie der Jungen Tat zu distanzieren. Dem kam sie nicht nach und so wurde die Wahlempfehlung und die Unterstützung vonseiten des HEV zurückgezogen. Aus linkem Lager werden Rücktrittsforderungen laut, von denen Wegelin etwa gleich viel hält, wie sich öffentlich klar von rechtsextremen Gedanken zu distanzieren. «Problematisches» habe sie schlussendlich nie gesagt, da aktuell auch kein Strafverfahren gegen sie läuft. Im selben Interview stellt sie gar infrage, ob denn eine Verurteilung reicht, um als «rechtsextrem zu gelten» und relativiert damit sehr klar rechtsextremes Gedankengut – die «Jungs» haben ihr schliesslich versichert, «nicht gewalttätig oder rechtsextrem» zu sein.
Nun zeigte sich, dass auch in Thurgau die Junge SVP eng mit Manuel Corchia, dem «Anführer» der Jungen Tat zusammenarbeitet. Dieser ist sogar Mitglied in der Partei und wurde intern für den Entwurf der Wahlplakate angefragt. Als der Auftrag vergeben wurde, hätten sie «noch keine Ahnung über den Hintergrund von Manuel C.» gehabt, was etwa gleich unglaubwürdig ist wie Wegelins Aussage, noch nie von der Jungen Tat gehört zu haben. Bisher gab es keinerlei Statements aus einer Führungsetage – David Trachsel, JSVP-Präsident, weigert sich, ein Statement oder eine Distanzierung zu äussern. Auch bei Chiesa bleibt es gefährlich ruhig. Die Strategie der Jungen Tat, sich bloss als «heimatverbunden» und hippe Aktivisten darzustellen, um Anschluss an bürgerliche Kreise zu finden, zeigt sich als effektiv. Ihre wahre Identität darf dabei auf keinen Fall vergessen gehen.
https://www.nzz.ch/zuerich/rechtsextreme-machen-wahlkampf-fuer-svp-politikerin-maria-wegelin-ld.1758181?reduced=truehttps://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/kein-central-park-fuer-zuerich?id=12462585
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/634465892-maria-wegelin-aeussert-sich-zur-zusammenarbeit-mit-der-jungen-tat
https://www.blick.ch/politik/keine-wahl-unterstuetzung-mehr-hev-wendet-sich-von-svp-wegelin-ab-id18986422.html
https://www.blick.ch/politik/wahlkampf-affaere-um-junge-tat-auch-junge-svp-heuerte-rechtsextremen-chef-an-id18995425.html
Was schreiben andere?
Update zu dem rassistischen Schläger-Cop Ben Thiele
Im Frühjahr dieses Jahres berichteten nacheinander mehrere Leute von Misshandlungen durch die Basler Polizei. Ein Polizist taucht hierbei immer wieder auf: Ben Thiele
Thiele hat wiederholt Leute rassistischen Polizeikontrollen unterzogen und verbal wie körperlich misshandelt!
https://barrikade.info/article/6121
Wo gabs Widerstand?
Über 60’000 Demonstrierende an der Klimademo in Bern
Am Samstag nahmen Zehntausende an der nationalen Klimademo in Bern teil: Aus der ganzen Schweiz, aus allen Altersklassen und Hintergründen reisten Menschen an, um auf die bereits spürbare Klimakrise und die mangelnden Handlungsansätze aufmerksam zu machen. Auch radikalere Massnahmen werden gefordert, und der Demonstrationszug mit seinen verschiedenen «Blöcken», die verschiedene Schwerpunkte der Auswirkungen des Klimawandels aufzeigen, war so lang, dass die Letzten noch nicht mal anfingen zu laufen, als die Ersten bereits am Ziel ankamen. Der Bundesplatz war rappelvoll, sodass Teilnehmende sich auf umliegenden Plätzen und Strassen verteilen mussten. Die Menschenmassen setzten definitiv ein sehr deutliches Zeichen.
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Abolitionismus heute. Ein Gespräch über die Kämpfe gegen rassistische Gewalt und die Suche nach neuen Formen der Vergesellschaftung
Im 18. und 19. Jahrhundert bezeichnete „Abolitionismus“ die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in den Zuckerplantagen der Karibik, einem Motor des frühen Kapitalismus. Geblieben ist bis heute der Kampf gegen rassistische Gewalt – doch der Begriff umfasst in Theorie und Praxis jetzt noch viel mehr.
https://geschichtedergegenwart.ch/abolitionismus-heute/
Die polnische Armee patrouilliert an der Grenze zu Belarus
Seit einigen Monaten ist die polnische Armee an der Grenze zu Belarus wieder präsenter. Tausende Flüchtlinge versuchen dort jedes Jahr den Grenzzaun zu überqueren.
https://jungle.world/artikel/2023/38/fluechtlinge-belarus-polen-aus-der-ganzen-welt-nach-bialowieza
Wie die Schweizer Medien auf SVP-Kurs geraten sind
Die «SonntagsZeitung» bedient eine rechtspopulistische Agenda, auch der «Tages-Anzeiger» zieht zunehmend mit. Und sie sind nicht die einzigen: Viele Schweizer Medien rücken Stück für Stück nach rechts. Was treibt sie an?
https://www.republik.ch/2023/09/28/wie-die-schweizer-medien-auf-svp-kurs-geraten-sind
«Das Vertrauen in demokratische Lösungen sinkt»
Die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl forscht zur Neuen Rechten und ist eine Expertin für Rechtsextremismus.
Vor zwei Jahren ist ihr Buch «Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse» erschienen. Darin zeigt sie anhand von Sebastian Kurz und Donald Trump auf, wie sich grosse konservative Parteien schrittweise dem Rechtspopulismus zuwenden.
Gestern trat Natascha Strobl zusammen mit Daniel Binswanger von der Republik im Stellwerk in Bern auf. Wir haben sie vor der Veranstaltung getroffen und mit ihr über den Zustand der Demokratie gesprochen.
https://rabe.ch/2023/09/27/das-vertrauen-in-demokratische-loesungen-sinkt/
Karten der Abschreckung
Mehrere Parteien und Kommunen planen Chipkarten für Asylsuchende. Mit den Bezahlsystemen können Aufenthaltsbeschränkungen durchgesetzt und Einkäufe eingeschränkt werden. Flüchtlingsorganisationen kritisieren die massiven Einschnitte in die Selbstbestimmung.
https://netzpolitik.org/2023/bezahlsysteme-fuer-gefluechtete-karten-der-abschreckung/
Tod von Mike Ben Peter – «Dieser Prozess war ein Paradebeispiel für Cop Culture»
Mike Ben Peter starb im Februar 2018, als Lausanner Polizisten ihn zu Boden drückten und minutenlang auf ihm knieten. Am 22. Juni wurden sie vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Carlos Hanimann ist Journalist bei der Republik und berichtet von einem skandalösen Prozess.
Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=PKTOtXTjrWo
Teil 2: https://www.youtube.com/watch?v=-mGzZsIb_BI
Teil 3: https://www.youtube.com/watch?v=UJGLY39w9CA