Medienspiegel 30. September 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++THURGAU
Vor 60 Jahren kamen die ersten Tibeter nach Münchwilen
In Münchwilen wurde am Samstag «60 Jahre Tibet in Münchwilen» gefeiert. Seit dem Jahr 1961 Leben viele Tibeter in Münchwilen und das in Freiheit.
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/vor-60-jahren-kamen-die-ersten-tibeter-nach-muenchwilen-00222195/
-> https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/60-jahre-tibet-in-muenchwilen-tibet-kenne-ich-nur-aus-erzaehlungen


+++ZÜRICH
Interview zur Integration in Winterthur: Er will Geflüchtete in die Pfadi bringen
Omid Jafari (24) spricht darüber, weshalb ihm die Pfadi geholfen hat, die Schweiz zu verstehen, und sich die Organisation schwertut, Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen.
https://www.landbote.ch/interview-zur-integration-in-winterthur-er-will-gefluechtete-in-die-pfadi-bringen-585570708517


+++SCHWEIZ
hauptstadt.be.ch 30.09.2023

«Die eritreische Community gehört auch zur Schweiz»

Der Berner Jurist Metkel Yosief plädiert für eine differenzierte Sicht auf die gewalttätigen Konflikte in der eritreischen Diaspora. Er kritisiert das stereotype Afrikabild in der Schweiz.

Von Jürg Steiner (Text) und Danielle Liniger (Bilder)

Die eritreische Community in der Schweiz umfasst rund 50’000 Menschen. Ende Juni waren rund 30’000 Eritreer*innen als anerkannte Flüchtlinge registriert. An sogenannten «Eritrea-Festivals» kam es in den vergangenen Wochen wiederholt zu Ausschreitungen.

Der Konflikt wird meist als einer zwischen regimetreuen und regimekritischen Anhänger*innen dargestellt. Doch diese Sichtweise sei zu vereinfachend, findet Metkel Yosief. Und versucht, die komplexen Probleme der eritreischen Community verständlich darzustellen.

Herr Yosief, Sie sind Eritreer…

Metkel Yosief:…da fängt es schon an (lacht). Ich verstehe natürlich, warum man das denkt. Aber ich bin in Bern geboren und auch Schweizer. Meine Eltern flüchteten vor über 30 Jahren in die Schweiz. Was heisst es, Eritreer*in zu sein? Diese Frage beschäftigt in der Diaspora fast alle. Das grosse Thema ist, mit wem oder was man sich identifiziert.

Das Schlüsselereignis ist wohl die Unabhängigkeit von Äthiopien 1993?

Absolut. Die Unabhängigkeit und der Unabhängigkeitskrieg machen einen wichtigen Teil der eritreischen Identität aus. Und zwar für viele Eritreer*innen, unabhängig davon, wie sie zur Regierung stehen. Allerdings spricht die Regierung den  Eritreer*innen das Recht ab, Eritreer*innen zu sein, wenn sie kritisch sind. Das ist ein wesentliches Problem, das vieles so kompliziert macht.

Erklären Sie.

Der Unabhängigkeit ging ein 30 Jahre dauernder, blutiger Krieg voraus, von dem kaum eine Familie verschont blieb. Kurzfristig gab es danach zwar Hoffnung und Enthusiasmus. Die nach dem Krieg ausgearbeitete Verfassung zum Beispiel verhiess Gutes für Eritrea. Doch der damals noch weitherum als Befreiungsheld geltende Isayas Afewerki liess schon als Übergangspräsident, als der er eigentlich gedacht war, rasch autoritäre Tendenzen erkennen.

Inwiefern?

Schon in seinen Anfängen als Staatsoberhaupt wurde eine Demo von unzufriedenen Kriegsversehrten mit Gewalt gestoppt. Das schockierte viele. Trotzdem genoss Afewerki  Vertrauen. Er setzte auf die harte Linie.

Wie genau?

Nach dem Grenzkrieg mit Äthiopien 1998 wurden – im Schatten des Terroranschlags in New York 2001 – hochrangige Persönlichkeiten aus der Politik sowie Journalist*innen ohne gerichtliches Verfahren inhaftiert. Der Aufenthalt und Zustand dieser Personen wurde nie offiziell bekannt. Bis heute gilt in Eritrea eine uneingeschränkte Militärdienstpflicht. Es gibt weder die Möglichkeit, sich frei zu bewegen oder zu versammeln, noch, einen Beruf zu wählen. Mal abgesehen vom chronischen Mangel an Wasser, Getreide, Gas und Strom.

Diesen Sommer kam es in der Schweiz, aber auch in anderen europäischen Städten erneut zu gewaltsamen Konflikten an sogenannten Kulturanlässen. Eritreer*innen, die vor der Unabhängigkeit geflüchtet sind und hinter dem Regime Afewerki stehen, und solche, die seither vor ihm geflüchtet sind, prügelten sich. Warum?

Diese Aufteilung der Eritreer*innen in zwei Lager ist zu undifferenziert, und das stört mich. Dass vor der Unabhängigkeit geflüchtete Eritreer*innen pauschal als Regimetreue gesehen werden, und diejenigen, die später kamen, als Regimegegner*innen, ist viel zu oberflächlich. So kann man die Probleme in der eritreischen Diaspora nicht verstehen. Es ist ja nicht so, dass sich an den Eritrea-Anlässen die Generation Ü-50 mit 20- bis 30-Jährigen prügelt.

Wie ist es denn?

Ich kann nicht die Ansichten aller wiederspiegeln, aber es ist vielschichtiger als es dargestellt wird. Es gibt auch Eritreer*innen, die vor der Unabhängigkeit geflüchtet sind und den Befreiungskampf unterstützten, aber heute die autoritäre Regierung ablehnen. Andererseits gibt es Eritreer*innen, die erst in den letzten Jahren emigriert sind, aber nicht gegen das Regime sind.

Wie das?

Zum Beispiel, weil sie oder ihre Familien von tiefrangigen Verwaltungsangestellten oder Militärs verhaftet, drangsaliert, gefoltert worden sind, aber trotzdem noch die Märtyrer*innen und Freiheitskämpfer*innen des Unabhängigkeitskrieges glorifizieren. Oder weil sie der Propaganda des eritreischen Regimes glauben, denn auch sie sind davon betroffen

Wie tönt die Propaganda?

Seit der gewalttätig gestoppten Demonstration von Kriegsversehrten begehren Eritreer*innen auf der ganzen Welt immer mehr gegen die Führungselite auf. Und zwar mehrheitlich friedlich. Die Regierung tut diesen Widerstand ab als von den USA und europäischen Staaten gesteuerte Sabotage gegen das befreite Eritrea.

Mit welchem Tenor?

Es heisst: Wer das Regime kritisiert, ist kein echter Eritreer, keine echte Eritreerin. Das ist der Ton, der einem an den Kulturanlässen auch in der Schweiz entgegenschlägt, vor allem, wenn Mitglieder aus der eritreischen Führungselite als Redner auftreten. Da werden richtige Hassreden gehalten. Das ist sehr bitter und verletzt viele zutiefst in ihrer Identität, gerade wenn man im Ausland lebt und sich sehr wohl als Eritreer*in fühlt.

Aber kann diese Konstellation die Gewaltausbrüche der letzten Wochen an solchen Kulturanlässen erklären?

Was ich aufzeigen will: Die mediale Darstellung, dass sich an den Kulturfestivals Regimegegner*innen und -befürworter die Köpfe einschlagen, verletzt die Würde der Eritreer*innen. Sie werden als gewalttätige Geflüchtete mit Integrationsproblemen dargestellt. Diese Qualifizierung hat auch mit einem eindimensionalen Bild von Afrikaner*innen zu tun. Man gesteht ihnen keine Differenziertheit zu. Dabei haben die Wutausbrüche eine lange Geschichte. Ich engagiere mich dafür, diese hier verständlich zu machen.

Wie schaukelt sich die Wut auf?

Das passiert schon sehr lange. Eritrea war eine Kolonie, danach kam die britische Mandatszeit, darauf die Unterdrückung durch das Kaiserreich Äthiopiens und später durch das äthiopische Militärregime. Eritrea ist seit über 100 Jahren von Gewalt, Unterdrückung und Willkür geprägt, wobei nun seit 30 Jahren die Unterdrücker selber Eritreer*innen sind. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Menschen in einem Klima von Furcht und ständiger Unterdrückung leben.

Mit welchen Folgen?

Das treibt sie unter anderem in die Flucht. Der Weg durch die Sahara und über das Mittelmeer ist lebensgefährlich und zusätzlich traumatisierend. Wer es dann noch in die Schweiz geschafft hat, realisiert, wie schwierig es ist, hier Fuss zu fassen – und hört dazu noch, als Regimekritiker*in kein*e richtige*r Eritreer*in zu sein.  Stellen Sie sich vor: Nach allem, was viele durchgemacht haben, werden sie in der Schweiz sogar als Feinde Eritreas bezeichnet! Absolut demütigend. Die physische Gewalt aus dem Heimatland ist zwar nicht mehr da, aber dafür ein immenser psychischer Druck.

Suchen eritreische Geflüchtete in der Schweiz Unterstützung?

Seit langem machen Gefüchtete darauf aufmerksam, wie stark die eritreische Führung auf die Diaspora in der Schweiz Einfluss nimmt. Sie sind – mit wenigen Ausnahmen – praktisch ungehört geblieben. Es gibt Geflüchtete, die argumentieren, dass sie sich nun mit der durch die Gewalt erlangten Aufmerksamkeit endlich Gehör verschaffen. Das ist leider der falsche Weg.

Wie soll die Schweiz reagieren? Ist es damit getan, härter durchgreifen, problematische Kulturfestivals zu verbieten und regimetreuen Eritreer*innen, die zu Hause nichts zu befürchten haben, den Asylstatus zu entziehen, wie das jetzt vorgeschlagen wird?

Ich glaube nicht, dass es einfache Lösungen gibt. Einige sind wie ich Schweizer*innen, diese Personen könnten daher ohnehin nicht ausgeschafft werden. Aber auch Nichtstaatsangehörige und Regimetreue nicht, weil es kein Rückübernahmeabkommen zwischen der Schweiz und Eritrea gibt, das wegen des möglichen Folterrisikos ohnehin kaum durchsetzbar wäre. Es kann also nicht die Lösung sein, mit inhaltsleeren Aussagen zu drohen.

Was wäre denn ein möglicher Weg?

Die Geflüchteten haben ein Recht, ernst genommen zu werden. Man redet ja viel über Integration. Aus meiner Sicht heisst Integration auch, sich als Aufnahmeland um einen differenzierten Blick zu bemühen.

Was heisst das konkret?

Man unterschätzt, wie geflüchtete Menschen unter dem leiden, was sie erlebt haben. Sie sollen sich integrieren, aber es wird ihnen nicht leicht gemacht. Es bleibt das ohnmächtige Gefühl, im Stich gelassen zu werden. Wie würden Sie sich in dieser Situation fühlen?

Ich kann es mir ehrlicherweise nicht vorstellen.

Für eine nachhaltige Lösung muss die eritreische Diaspora zusammenfinden. Das ist aber nicht nur eine interne Angelegenheit von ihr. Denn: Die eritreische Community gehört auch zur Schweiz. Wir müssen uns daher als Schweiz ebenfalls mit diesen Problemen auseinandersetzen.

Wie denn?

Die Schweiz hat grosse Erfahrung in der Beilegung von Konflikten, mit runden Tischen zum Beispiel und darin, Menschen früh in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Das ist etwas, was mehr nützen würde als scheinbar hart durchzugreifen und Probleme abzuschieben.



Zur Person

Metkel Yosief (31) hat zwei Master-Studiengänge abgeschlossen, in Rechtswissenschaft sowie in Polit-, Rechts- und Wirtschaftsphilosophie. Aktuell doktoriert er am Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern.

Er hat unter anderem für das eritreische Aussenministerium gearbeitet und für die Schweizer Botschaft im Senegal. Tätig war er zudem als Dolmetscher für das Staatssekretariat für Migration sowie als Jurist an der Ombudsstelle und der Datenaufsichtsstelle der Stadt Bern. (jsz)
(https://www.hauptstadt.be/a/metkel-yosief)



derbund.ch 30.09.2023

SVP-Fraktionschef im Interview : «Die Schweiz sollte Asylsuchende in geschlossenen Transitzonen unterbringen»

Thomas Aeschi will eine «Grenzschutzinitiative» lancieren. Er fordert unter anderem die Internierung von Geflüchteten und sagt, warum er das völkerrechtlich unproblematisch findet.

Raphaela Birrer, Konrad Staehelin

Herr Aeschi, Sie leben im international geprägten Zug. Haben Sie Freunde, die in die Schweiz eingewandert sind?

Ich durfte Erfahrungen bei diversen Auslandaufenthalten sammeln: in der Gymnasialzeit in Chicago, während der HSG in Malaysia und Tel Aviv, als Schweizer Grossbankmitarbeiter in Melbourne und für meinen Harvard-Master in Boston. Zudem habe ich oft als Backpacker Länder bereist. Andere Kulturen haben mich schon immer fasziniert. Gleichzeitig bin ich stark in der Schweiz verwurzelt, und diese Aufenthalte lehrten mich, unser politisches System umso mehr zu schätzen.

Und Ihr Umfeld?

Selbstverständlich habe ich Bekannte im Ausland. Zudem bin ich mit Ausländern befreundet, die in der Schweiz arbeiten und leben.

Sie bezeichnen sich selbst als international orientiert und wettern bei jeder Gelegenheit über Ausländer. Wie passt das zusammen?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Frage, wie viele Leute jedes Jahr für immer in die Schweiz einwandern, ist eine ganz andere.

Sie haben kürzlich in der SRF-«Arena» von guten und schlechten Einwanderern geredet, namentlich von «einem guten Amerikaner» und «einem schlechten Bulgaren» …

… halt, ich habe diese Aussage in der Sendung sofort präzisiert. Es ist falsch, dass mit der Personenfreizügigkeit 450 Millionen EU-Staatsbürger ein automatisches Einwanderungsrecht erhalten. Mit einem Arbeitsvertrag dürfen sie sich in der Schweiz niederlassen, auch wenn sie rasch arbeitslos werden. Bulgaren haben mit 8,5 Prozent die höchste Arbeitslosenquote. Amerikaner hingegen müssen ein Auswahlverfahren durchlaufen. Ich habe lieber einen qualifizierten Amerikaner, der hier arbeitet, als einen mit der Freizügigkeit eingewanderten EU-Staatsangehörigen, der hier arbeitslos wird.

Die Aussage in der «Arena» war kein einmaliger Versprecher. Sie fallen immer wieder mit einer scharfen Rhetorik gegen Zugewanderte auf. Was haben Sie persönlich gegen Ausländer?

Mich stört die Masse, die in die Schweiz einwandert. Seit Inkrafttreten der Freizügigkeit im Jahr 2002 sind es netto 1,5 Millionen Personen. Das verursacht zahlreiche Probleme: Wohnungsnot, Stromknappheit, überlastete Verkehrsinfrastruktur, wachsende Siedlungsflächen. Vom Wirtschaftswachstum profitiert aber der einzelne Schweizer nicht mehr – das Pro-Kopf-Wachstum stagniert. Und dann stören mich die Asylmigranten, die sich nicht integrieren, kriminell werden und Frauen belästigen. Allein in diesem Jahr werden sie die Steuerzahler nur auf Bundesebene rund vier Milliarden Franken kosten.

Jetzt argumentieren Sie schon wieder pauschal und diskriminierend. Nicht alle Asylsuchenden sind kriminell. Denken Sie bei solchen Aussagen manchmal: Jetzt bin ich zu weit gegangen?

Nein, denn es ist ein Fakt, dass 71 Prozent aller Gefängnisinsassen in der Schweiz Ausländer sind. Wir haben eine überdurchschnittlich kriminelle Zuwanderung aus Afghanistan und nordafrikanischen Ländern. Das lässt sich mit Zahlen belegen.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht eine angemessene Zuwanderung? Nennen Sie uns eine konkrete Zahl.

Es macht Sinn, dass in wirtschaftlich starken Zeiten mehr Personen zuwandern können, als wenn wir in eine Rezession gleiten. Unsere Nachhaltigkeitsinitiative fordert, dass vor dem Jahr 2050 die Schwelle von 10 Millionen Einwohnern nicht überschritten werden darf. Sonst führt das zu einer Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens. Das heisst im Umkehrschluss: Bis 2050 dürften maximal noch 1,1 Millionen Personen in die Schweiz kommen.

Über eine Million Zuwanderer – Sie meinen es also gar nicht ernst mit der Begrenzung.

Unsere Begrenzungsinitiative wollte die sofortige Kündigung der Freizügigkeit. Die Bevölkerung hat das abgelehnt. Darum ist diese Nachhaltigkeitsinitiative ein massvoller Kompromiss. In den nächsten 27 Jahren wären es durchschnittlich rund 40’000 Personen pro Jahr.

Sie haben also doch eine konkrete Zahl: die Hälfte der heutigen Zuwanderung.

Das habe ich absichtlich nicht so gesagt, weil die Flexibilität erhalten bleiben soll. Wir wollen keine starre jährliche Quote.

Die SVP kritisiert, dass wir nicht jene Fachkräfte holen, die unsere Wirtschaft braucht. Welche wären das?

Das Problem der Freizügigkeit ist, dass viele Personen kommen, die keine Fachkräfte sind. Zum Beispiel der Kebabverkäufer, der seine ganze Familie mitnimmt. In dieser Branche herrscht ein Überangebot. Deshalb müssten wir zurückgehen zum bewährten System mit Kontingenten und Höchstzahlen. Die Kantone sollen wie bei den Drittstaaten nach Bedarf entscheiden, wer kommen darf.

Das würde die EU nie akzeptieren. Weniger Zuwanderung gäbe es hingegen auch, wenn das inländische Fachkräftepotenzial besser genutzt würde. Welche Lösungen schlagen Sie hier vor?

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist in der Schweiz bereits relativ hoch. Wichtig wäre, dass jene Personen, die über das Pensionsalter hinaus arbeiten, nicht mehr in die AHV einzahlen müssten oder ihre Rente neu steuerfrei wäre. So würden über 65-Jährige motiviert, im Arbeitsmarkt zu verbleiben.

60 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit. Wie kann man diese Zahl verringern?

FDP-Ständerat Damian Müller hat den Vorschlag gemacht, dass Personen mit Vollzeitpensum einen Steuerrabatt erhalten sollen. Ich bezweifle, dass dies der richtige Weg ist. Jede Familiensituation ist anders. Es ist für Kinder sicher nicht besser, wenn Vater und Mutter beide Vollzeit arbeiten. Bei Familien mit Kindern sollten Teilzeitpensen deshalb nicht bestraft werden.

Nochmals: Wie schaffen wir es, dass mehr Inländerinnen und Inländer arbeiten, damit die Wirtschaft weniger Menschen aus dem Ausland nachfragt?

Ich bin überzeugt, dass sich Studenten stärker an ihren Ausbildungskosten beteiligen sollten. Wenn ein Arzt für eine halbe Million Franken studiert und dann nur 50 Prozent arbeitet oder die Branche wechselt, ist es schade um die teure Ausbildung.

Wer studiert hat, soll später mehr Steuern zahlen?

Richtig wäre, die Studiengebühren deutlich anzuheben. Danach sollten die Personen, die später ausreichend Steuern an den Staat abliefern, einen Teil der Studiengebühren zurückerhalten.

Das Studium würde dadurch für viele unerschwinglich. Dabei bräuchten wir in vielen Bereichen mehr Studierende – etwa in der Medizin.

Die Lenkung der Studierenden in Richtung jener Berufe, in denen Fachkräfte fehlen, soll über die Studiengebühren erfolgen. Ein Phil-I-Studium sollte teurer werden, während naturwissenschaftliche und technische Lehrgänge im Vergleich dazu billiger wären. Und beim Medizinstudium plädiere ich klar für die Abschaffung des Numerus clausus – dies ist allerdings eine kantonale Angelegenheit.

Die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran findet, unsere Standortpolitik fördere die hohe Zuwanderung. Dabei brauche die Schweiz Firmen wie Google gar nicht, weil sie den hiesigen Unternehmen die Talente wegnähmen.

Frau Badran hat das Problem richtig erkannt, zieht aber die falschen Schlüsse. Folgten wir ihrem Plan, müssten wir zuerst die Schweiz zugrunde richten, damit dann hoffentlich niemand mehr ins Land kommen will. Wir sollten das Modell umdrehen: Die Schweiz soll weiterhin ein attraktives Land bleiben. Es braucht aber Stellschrauben, damit zukünftig nur noch ausgewählte Personen einwandern dürfen.

Sprechen wir über die Zuwanderung via Asylsystem: In Lampedusa kommen aktuell Tausende Flüchtlinge an – und die SVP kritisiert in der ruhigen Schweiz, es herrsche ein Asylchaos.

Allein letztes Jahr wurden 52’000 Personen beim Versuch, illegal in die Schweiz einzureisen, aufgegriffen. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Angesichts des Asylansturms bin ich schockiert über das Verhalten des Bundesrates. Er ignoriert die Migrationslage und lockert sogar noch die Asylpraxis, indem jetzt alle Afghaninnen automatisch eine B-Bewilligung erhalten, wenn sie in die Schweiz kommen.

Afghaninnen werden von den Taliban systematisch unterdrückt. Deswegen werden sie als Flüchtlinge anerkannt. Wer, wenn nicht sie, ist besonders schützenswert?

Die Afghaninnen dürfen mit der neuen Praxis auch ihre Ehemänner und Kinder nachholen, auch wenn diese bereits in einem sicheren Drittstaat wie der Türkei sind. Das wollen wir nicht.

Mit diesem Beispiel zeigen Sie: Sie machen in der Asylpolitik nur Lärm – ernsthafte, umsetzbare Lösungen präsentieren Sie nicht.

Im Gegenteil: Der Missstand im Asylbereich ist so akut und die anderen Parteien sind nicht willens zu handeln, dass ich überzeugt bin, dass die SVP mit einer eidgenössischen Volksinitiative direkt ans Volk gelangen muss. Ich werde dies dem SVP-Parteivorstand an seiner nächsten Sitzung in wenigen Wochen so beantragen. Der Arbeitstitel lautet «Grenzschutzinitiative». Wenn der Vorstand der Idee zustimmt, hätten wir in einigen Monaten einen ausformulierten Initiativtext.

Was soll in dieser Volksinitiative stehen?

Drei Forderungen: Erstens systematische Grenzkontrollen. Deutschland droht der Schweiz damit, weil zu viele illegale Migranten aus der Schweiz einreisen würden.

Viele Länder drohen mit systematischen Grenzkontrollen, konsequent an all ihren Grenzen. Umgesetzt hat es bisher noch keines. Wenn die Schweiz das tut, tritt sie in Konflikt mit den Schengen-Regeln.

Dänemark, Schweden, Frankreich, Deutschland und Österreich führen alle bereits systematische Grenzkontrollen auf gewissen Grenzabschnitten durch. Auch Italien verletzt seit bald einem Jahr das Dublin-Abkommen. Es nimmt in Italien registrierte Asylmigranten, die in der Schweiz aufgegriffen werden, nicht zurück. Zudem sind die EU-Aussengrenzen löchrig wie ein Emmentaler. Schengen/Dublin ist gescheitert.

Grenzkontrollen würden doch mit den täglich Zehntausenden Grenzgängern gar nicht funktionieren.

Für Schweizerinnen und Schweizer und für Grenzgänger müssten administrative Erleichterungen vorgesehen werden. Mit den heutigen Technologien wäre dies umsetzbar.

Was ist Ihre zweite Forderung?

Zweitens sollen in mehreren Landesgegenden geschlossene Transitzonen geschaffen werden, in denen alle Asylsuchenden während der Gesuchsbearbeitung untergebracht werden. Erst wenn dem Gesuch stattgegeben wurde, dürften sie formell in die Schweiz einreisen und die Transitzone verlassen. Bei einer Ablehnung müssten sie zurück in das Land, aus dem sie gekommen sind.

Jetzt hat die Schweiz erst gerade Bundesasylzentren geschaffen, um die Verfahren schneller abzuwickeln, da braucht es doch keine neuen Transitzonen.

Die Schweiz muss ihr Asylsystem so ausgestalten, dass es jegliche Attraktivität für Wirtschaftsmigranten verliert. Wenn sie wissen, dass sie in der Schweiz ihre Bewegungsfreiheit verlieren und kein freies Leben führen können, werden sie plötzlich nicht mehr hier Asyl beantragen wollen.

Sie wollen die Asylsuchenden also internieren. Solche Massnahmen sind laut Bundesrat unverhältnismässig und völkerrechtswidrig.

Nein, das ist nicht völkerrechtswidrig. Gemäss der Asyl-Krisenverordnung der EU können Migranten, die aus einem Land mit einer niedrigen Anerkennungsquote kommen, für maximal 140 Tage interniert werden. Der diplomatische Status eines solchen eingezäunten Geländes ist eine sogenannte Transitzone wie auf einem Flughafen. Wer in seinem Herkunftsland an Leib und Leben bedroht ist, ist sicher bereit, diesen vier- oder fünfmonatigen Aufenthalt in der Transitzone auf sich zu nehmen.

Und der dritte Punkt?

Der Status «vorläufig aufgenommen» muss abgeschafft werden. Bei diesen Personen handelt es sich um abgelehnte Asylsuchende, und die müssen die Schweiz verlassen.

Den Status gibt es für jene Personen, die aus verschiedenen Gründen nicht in ihr Heimatland zurückgeschickt werden können. Ihr Vorschlag ist nicht umsetzbar.

Mein Vorschlag lautet, dass sie in das Erstaufnahmeland zurückgehen müssten. Immer mehr Eritreer haben diesen Status. Sie kommen nicht mit dem Flugzeug, sondern via andere Länder zu uns.

Ihre Lösung ist also, die Flüchtlinge an die sowieso schon stark belasteten Länder auf der Fluchtroute abzuschieben.

Die Schweiz soll auch in 50 Jahren noch ein Staat sein, der nicht in der Armut versinkt oder wie Frankreich oder Schweden ständig Probleme mit seinen Ausländern hat. Es ist mir klar, dass heute schon viele Länder unter illegalen Migrationsrouten leiden, auch in Afrika. Aber das ist nicht das Problem, das ich für die Schweizer Bevölkerung lösen muss.
(https://www.derbund.ch/svp-fraktionschef-im-interview-die-schweiz-sollte-asylsuchende-in-geschlossenen-transitzonen-unterbringen-199151656173)
-> https://www.zentralplus.ch/politik/thomas-aeschi-plant-initiative-fuer-camps-fuer-fluechtlinge-2583922/


+++MITTELMEER
Studie zu Mittelmeer-Migration: Kein „Pull-Effekt“ durch Seenotrettung
Datum:
Laut einer neuen Studie setzen Seenotrettungen keine neuen Anreize für Migranten, das Mittelmeer zu überqueren. Die Erkennntnisse widerlegen Argumente von Populisten.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/seenotrettung-fluechtlinge-pull-effekt-100.html


Hilfe für Mittelmeer-Migranten: Elon Musk teilt Werbung der AfD – und attackiert deutsche Regierung
Der Twitter-Käufer widmete sich einem Tweet aus Italien gegen deutsche Seenotretter. Darin schrieb der Verfasser, er hoffe auf Siege der AfD in Bayern und Hessen. Das Aussenministerium hat reagiert – und Musk legt nochmals nach.
https://www.bernerzeitung.ch/hilfe-fuer-mittelmeer-migranten-afd-werbung-geteilt-streit-zwischen-deutschland-und-elon-musk-308825467878


Migrationsexperte Knaus: Debatte „aus dem Ruder gelaufen“
Elon Musk sorgt mit einer Attacke auf Seenotretter für Aufsehen. Migrationsforscher Gerald Knaus findet in Musks Tweet rechtsextreme Denkmuster: Die Debatte sei „aus dem Ruder gelaufen“ – und die Retter so nötig wie eine politische Lösung möglich.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/migrationsexperte-knaus-debatte-aus-dem-ruder-gelaufen,TrMhKxy?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter


+++EUROPA
Österreich und Dänemark: So sieht die Asylpolitik aus
Viele sehen Dänemark und Österreich mit ihrer strengen Asylpolitik als Vorbilder für Deutschland. Was machen diese Länder anders? Welche Regeln gelten dort? Und lassen sie sich auf Deutschland übertragen?
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/oesterreich-und-daenemark-so-sieht-die-asylpolitik-aus,TrEfagd


Reform des EU-Asylrechts: Worum es bei der Krisenverordnung geht
Bei der Reform des Asylrechts haben sich die EU-Staaten noch immer nicht final auf einen Krisenmechanismus geeinigt. Was es mit der Krisenverordnung auf sich hat und wie die zukünftige gemeinsame EU-Asylpolitik aussehen soll: ein Überblick.
https://www.deutschlandfunk.de/eu-asylrechtsreform-flucht-migration-europa-100.html


+++FLUCHT
Flucht nach Europa: Social Media, ein unverzichtbares Werkzeug für Migranten
Wie junge arabische Männer in Chats und Kontaktgruppen mit Schleusern ihre Flucht nach Europa besprechen, warum sie die Gefahren auf sich nehmen – und es inzwischen auch manch warnende Stimmen gibt.
https://www.tagesanzeiger.ch/flucht-nach-europa-social-media-ein-unverzichtbares-werkzeug-fuer-migranten-703238009023


+++FREIRÄUME
Berner Bar macht vor Eintritt Benimm-Test mit Männer-Gruppen
Wer in Bern in den Ausgang will, muss teilweise zuerst ein Benimm-Plakat lesen – oder wird sogar zu den Hausregeln abgefragt. Ein Wirt erklärt, warum.
https://www.nau.ch/news/schweiz/berner-bar-macht-vor-eintritt-benimm-test-mit-manner-gruppen-66615670


+++GASSE
Drogenszene auf öffentlichem Platz in Winterthur sorgt für viel Kritik
Was die Bäckeranlage in der Stadt Zürich ist, ist in Winterthur der Merkurplatz. Immer mehr Menschen konsumieren dort offen harte Drogen und betrinken sich. Laut Gastrobetreibern am Platz macht die Szene das Geschäft kaputt. Auch aus der Politik wird Kritik laut.
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/drogenszene-auf-oeffentlichem-platz-in-winterthur-sorgt-fuer-viel-kritik-153825188


++++DEMO/AKTION/REPRESSION
Zehntausende auf der StrasseSo lief die nationale Klimademo in Bern ab
Am Samstag fand in Bern die nationale Klimademo statt. Zehntausende nahmen am Umzug teil und standen für eine griffige Klimapolitik ein. Wir berichteten live.
https://www.derbund.ch/nationale-klima-demo-bern-live-ticker-143249594990
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/leute-stehen-bis-an-bahnhof-tausende-menschen-nehmen-an-klimademo-in-bern-teil-153818268
-> https://twitter.com/bwg_bern
-> https://twitter.com/klimastreik
-> https://twitter.com/RaimondLueppken/status/1708092769523089864
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/tausende-gehen-in-bern-fur-mehr-klimaschutz-auf-die-strasse-66619203
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/zehntausende-an-nationaler-klimademo-in-bern-66619223
-> https://www.watson.ch/schweiz/natur/722413383-grosse-klimademo-in-bern-es-werden-20-000-personen-erwartet
-> https://www.20min.ch/story/bern-zehntausende-menschen-gehen-fuer-klimagerechtigkeit-auf-die-strasse-505425946557
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/klimademo-bern-zehntausende-gehen-in-bern-fuer-mehr-klimaschutz-auf-die-strasse
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/zehntausende-demonstrieren-in-bern-fuer-mehr-klimagerechtigkeit?id=12463704
-> https://twitter.com/sozialismus_ch
-> https://twitter.com/greenpeace_ch
-> https://twitter.com/campaxorg
-> https://twitter.com/KlimaAllianzCH
-> https://twitter.com/dani_graf/status/1708094330534031833
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/klima-nicht-mehr-leitthema-im-wahlkampf?partId=12463728
-> https://www.unia.ch/de/aktuell/aktuell/artikel/a/20249
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/60000-menschen-stroemen-zum-bundesplatz-riesige-klima-demo-in-bern-id18994821.html
-> https://gruene.ch/medienmitteilungen/nationale-klima-demo
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/nationale-klimademo-bern-153825550
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/weniger-teilnehmende-bei-klimademo-in-bern-als-vor-den-letzten-wahlen-153825193
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/60000-menschen-nehmen-an-klimademo-in-bern-teil-153826354
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/zehntausende-gehen-in-bern-fuer-mehr-klimaschutz-auf-die-strasse?urn=urn:srf:video:c0b8a086-d221-4ad7-83ff-279e3ce04681
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/fuer-klimagerechtigkeit-rund-60000-menschen-demonstrierten-in-bern-153818268?autoplay=true&mainAssetId=Asset:153826190
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/214130/


+++SPORT
Polizei setzt wegen Eishockey-Fans Gummischrot ein
Am Rande des Eishockey-Spiels zwischen den ZSC Lions und dem EHC Kloten ist es am Freitagabend in Zürich zu Sachbeschädigungen gekommen. Durch Fans wurden Fahrzeuge beschädigt. Die Polizei setzte Gummischrot ein.
https://www.watson.ch/schweiz/polizeirapport/291470562-polizei-setzt-wegen-eishockey-fans-gummischrot-ein
-> https://www.nau.ch/ort/zurich/gummischrot-gegen-randalierende-fans-beim-zurcher-eishockey-derby-66619129
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/autoarme-langstrasse-sorgt-fuer-verstopfte-nebenstrassen?id=12463710 (ab 01:41)


FCL gegen FCZ: Stadt bewilligt Fanmarsch vor Hochrisikospiel
Am Sonntag kommt es auf der Luzerner Allmend zur ersten Hochrisikopartie der Saison. Der FC Luzern trifft auf den FC Zürich. Bei diesem Aufeinandertreffen kam es wiederholt zu Ausschreitungen. Die Zürcher Fans dürfen trotzdem durch die Stadt marschieren. Weil es laut Stadt nicht anders geht.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/fcl-gegen-fcz-stadt-bewilligt-fanmarsch-vor-hochrisikospiel?id=12463701



nzz.ch 30.09.2023

FCZ-Präsident Ancillo Canepa macht Zürichs schärfsten Polizeikritiker zu seinem Sicherheitschef. Kann das gutgehen?

Der grüne Lokalpolitiker Luca Maggi gilt als Südkurven-nah – als Sicherheitschef muss er fortan Stadionverbote gegen Fehlbare verhängen.

Michael von Ledebur

Der Sicherheitschef hat in einem Fussballklub zweifellos eine wichtige Position. Aber ein politisches Thema ist der Posten für gewöhnlich nicht. Doch dieses Mal ist es anders – und das liegt an der Personalie. Der FCZ-Präsident Ancillo Canepa hat nämlich entschieden, Luca Maggi per Mitte Oktober mit der Aufgabe zu betrauen.

Maggi, 33 Jahre alt und von Beruf Jurist, setzt sich als grüner Politiker seit Jahren kritisch wie kaum ein Zweiter mit dem Wirken der Polizei in der Stadt auseinander. Seine Nähe zur Südkurve ist ein offenes Geheimnis. Repressive Massnahmen gegen Fans sind ihm ein Dorn im Auge.

Luca Maggi, Sicherheitschef? Die Reaktionen seiner bürgerlichen Kollegen in der Politik sind vielsagend. Die einen glauben, man erlaube sich mit der telefonischen Anfrage einen Scherz, die anderen sind konsterniert. Einer fragt zurück: «Ehrlich? Geil. Dann werden im Letzigrund-Stadion bestimmt die Kameras abmontiert.» Auf Tele Züri hatte SVP-Nationalrat Mauro Tuena einen Kurzauftritt mit dem Zitat: «Ich musste zweimal leer schlucken, und mir hat es auch die Luft abgeschnürt.»

Luca Maggi steht vor einem gewaltigen Rollenwechsel. Das ist offensichtlich.

Vorkämpfer gegen Hooligan-Konkordat

Er sitzt im Stadtparlament und war während eines Jahrzehnts Sprecher des 1.-Mai-Komitees. Aus seiner kritischen Haltung gegenüber der Polizei hat er nie ein Hehl gemacht.

Als Vorstandsmitglied der Jungen Grünen bekämpfte er 2013 den Beitritt des Kantons Zürich zum Hooligan-Konkordat an vorderster Front. Im Stadtparlament, in das er 2018 erstmals gewählt wurde, monierte er immer wieder, die Polizei trete zu restriktiv gegen Fussballfans und Demonstranten auf, ja sie giesse Öl ins Feuer.

Im März 2022 beispielsweise kritisierte er den Einsatz von Mitgliedern der Interventionseinheit «Skorpion» scharf und insinuierte, deren Auftreten provoziere an Demonstrationen und Sportveranstaltungen.

Die wichtigen Fragen seien doch: «Welchen Beitrag leistet die Polizei, damit ein Dienst unfriedlich wird?» Ein GLP-Stadtparlamentarier riet ihm daraufhin, professionelle Hilfe zu suchen, weil er offenbar ein traumatisches Erlebnis mit der Polizei verarbeiten müsse.

Andreas Egli, FDP-Gemeinderat und Präsident der Sicherheitskommission im Stadtparlament, findet, Maggi habe sich im Rat wiederholt nicht nur polizeikritisch, sondern «polizeifeindlich» geäussert. «In seinen Augen ist immer die Polizei schuld, wenn es Ausschreitungen gibt. Ich erkenne bei ihm keinerlei Schuldbewusstsein, wenn es seine Klientel betrifft. Jene Klientel, für die er ab jetzt die Verantwortung trägt.»

«Hört man ihm zu, dann gibt es keine Fangewalt»

Und Stefan Urech, SVP-Stadtparlamentarier, sagt: «Hört man ihm zu, dann gibt es keine Fangewalt. Entweder ist das Problem die Polizei, die Fussballfans provoziert. Oder das Sicherheitsproblem wird von den Bürgerlichen hochgekocht.»

Maggi ist Geschäftsleitungsmitglied einer Rechtsberatungsfirma. Die Tätigkeit als Sicherheitschef wird er im Mandat ausüben. Maggis Vorgänger als Sicherheitschef, Kaspar Meng, war ebenfalls Jurist.

Maggi wird dafür verantwortlich sein, die Sicherheitsvorgaben umzusetzen, die von der Swiss Football League sowie den kantonalen und nationalen Behörden festgelegt wurden. Er organisiert die Heimspiele und die Fanreisen zu den Auswärtsspielen im In- und Ausland. Zu seinem Pflichtenheft gehören auch der Kontakt und der Austausch mit Behörden, Fans und Liga.

Er wird auch Stadionverbote aussprechen. Dies nach Vorgaben der Liga.

Operativ vor Ort ist der Leiter Stadionsicherheit zuständig. Doch Maggi wird den Einsatz aller im Sicherheitsbereich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen.

Kann er das?

Ja, sagt Manuela Schiller. Sie ist Mitglied der Alternativen Liste und hat als Anwältin zahlreiche FCZ-Fans verteidigt. Maggi hat als Substitut bei ihr gearbeitet. Es störe sie, dass Linken oft die Fähigkeit abgesprochen werde, sich einer Rolle entsprechend zu verhalten. Natürlich bewege sich Maggi fortan in einem Spannungsfeld. Aber er werde einen Weg finden, damit umzugehen.

Als Sprecher des 1.-Mai-Komitees habe Maggi ebenfalls mit der Polizei verhandelt und Routen abgesprochen. Und fachlich sei Maggi gut vorbereitet, er kenne Themen wie Rayon- und Stadionverbote oder elektronische Gesichtserkennung fundiert.

Schiller sagt: «Er wird sich aber nicht nur Freunde machen, weil er Verantwortung übernimmt und auch unpopuläre Entscheide fällen muss. Sein Leben wäre einfacher ohne diesen Job.»

Man kann darüber streiten, welches Profil der Sicherheitschef eines Fussballklubs idealerweise hat. Ein Hardliner hätte bei den Fans wohl wenig Kredit. FDP-Gemeinderat Egli hält Maggi denn auch zugute, dass dieser bei den Fangruppierungen des FC Zürich immerhin Glaubwürdigkeit geniesse.

Doch andererseits sei er bei der Stadtpolizei nicht gerade beliebt. Da müsse er über seinen Schatten springen und einen Schritt auf die Polizei zugehen, auch auf Kosten der Popularität bei den eigenen Leuten. «Ich zweifle ein wenig daran, dass ihm das gelingt.»

Zumal Maggi im Rat weiterhin politisch tätig ist und sich äussern wird.

Sicher ist: Maggi tritt einen schwierigen Job an. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Übergriffen von FCZ-Ultras auf Anhänger des Lokalrivalen GC. Die Liste von Angriffen ist lang: auf Jugendliche an Bahnhöfen, auf Fussball spielende GC-Fans in Turnhallen, auf S-Bahn-Züge, in denen FCZ-Ultras GC-Unterstützer vermuteten. Für GC-Fans grenzt es mittlerweile an eine Mutprobe, mit dem Klubemblem durch die Stadt zu gehen.

Die Hoppers-Supporter sind dem Vernehmen nach denn auch alles andere als begeistert über die Personalie Maggi. Sie sollen bei der GC-Führung die Forderung deponiert haben, die Zusammenarbeit mit dem FCZ in Sicherheitsfragen zu sistieren. Offiziell Stellung nehmen will bei GC niemand.

Stefan Urech, selbst GC-Sympathisant, sagt, Maggi stehe für einen Laisser-faire-Ansatz, der in Zürich gescheitert sei. Seit gut einem Jahrzehnt gebe es Fan-Sozialarbeiter zur Gewaltprävention, doch die Gewalt nehme nicht ab.

Und jetzt sende der FCZ-Präsident Canepa mit diesem Personalentscheid ein völlig falsches Signal. Wobei dies leider kein Zufall sei.

Auch Canepa spricht gerne von Provokation

Urech sieht Parallelen zwischen den beiden. Canepa spreche nämlich ebenfalls gerne von Provokationen, wenn FCZ-Ultras Gewalt anwendeten. Tatsächlich hat der FCZ-Präsident dies nach einem Angriff gewalttätiger FCZ-Fans auf einen GC-Stand am Züri-Fäscht getan. Dafür wurde Canepa heftig kritisiert.

Wie wird sich Luca Maggi in diesem Spannungsfeld positionieren? Er spricht zurzeit nicht öffentlich über seinen neuen Job. Dies sei mit dem FCZ so vereinbart. Sein offizielles Statement lautet, dass er sich auf die Aufgabe «im Dreieck zwischen Verein, Behörden und Fans» freue. Und: «Die grosse Masse an Auswärtsfans ist beeindruckend und für unseren Verein ein Gewinn. Den damit verbundenen Herausforderungen stelle ich mich gerne.»

Die Frage ist, ob Ancillo Canepa die Skepsis, die Maggi entgegenschlägt, bei seiner Personalwahl berücksichtigt hat. Canepa beantwortet dies auf Anfrage nicht direkt. Er bescheinigt Maggi aber Fachkompetenz, Unabhängigkeit, Durchsetzungsvermögen, allgemeine Akzeptanz und Augenmass. «Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Ich bin überzeugt, dass er aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Erfahrungsschatzes für den FCZ und sein Umfeld eine sehr gute Wahl darstellt.»
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-polizeikritiker-luca-maggi-wird-fcz-sicherheitschef-ld.1758620)


+++TRANSPORTPOLIZEI
SVP-Politiker will Aufrüsten: Transportpolizei soll sich mit Tasern bewaffnen
SVP-Nationalrat Michaël Buffat möchte, dass die Polizei, die in Zügen patrouilliert, mit Elektroschockpistolen ausgestattet wird. Er hat eine entsprechende Motion eingereicht.
https://www.blick.ch/politik/svp-politiker-will-aufruesten-transportpolizei-soll-sich-mit-tasern-bewaffnen-id18995052.html


+++RECHTSPOPULISMUS
Mischt sich in Europas Flüchtlingsstreit ein: Elon Musk macht sich für die AfD stark
Deutschland unterstützt Seenotretter im Mittelmeer finanziell. Nach einem kritischen Beitrag zur US-Flüchtlingskrise äussert sich Elon Musk jetzt auch zur europäischen. Auf seiner Plattform X ruft der Milliardär indirekt zur Wahl der AfD auf. Berlin kontert prompt.
https://www.blick.ch/ausland/mischt-sich-in-europas-fluechtlingsstreit-ein-elon-musk-macht-sich-fuer-die-afd-stark-id18993868.html


Verhängnisvoller Kommentar von Pro-Schweiz-Chef?
Die Berner Staatsanwaltschaft hat gegen den Geschäftsführer der Anti-EU-Vereinigung Pro Schweiz, Werner Gartenmann, Ermittlungen wegen möglicher öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen eingeleitet. Gartenmann hatte einen Zeitungsartikel über angebliche Pläne des Bundes für mehr Veganismus mit drastischen Worten kommentiert.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/214118/
-> https://www.tagesanzeiger.ch/nach-brisanten-tweets-staatsanwaltschaft-eroeffnet-verfahren-gegen-pro-schweiz-chef-872606779357


+++RECHTSEXTREMISMUS
Sünneli-Aufgang in der rechts¬extremen Szene
Die SVP zeigt offene Sympathien für organisierte Rechts¬extreme, nachdem sie sich zuvor jahrelang zumindest offiziell distanziert hat. Sogar Partei¬präsident Marco Chiesa posiert für ein Foto. Normal ist daran nichts.
https://www.republik.ch/2023/09/30/suenneli-aufgang-in-der-rechtsextremen-szene


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Rothschild-Mythen und Verschwörungen – was ist im bayerischen Wahlkampf los?
„Rothschild?“ – mit diesem kurzen Kommentar sorgte Markus Saller, Landtagskandidat der Freien Wähler aus Mühldorf am Inn, unter einem Beitrag von Karl Lauterbach auf der Social-Media-Plattform „X“ für Aufsehen. Der Politiker hat seinen Kommentar sowie seinen Account mittlerweile gelöscht. Dennoch, die Äußerung Sallers kann antisemitisch aufgefasst werden. Warum kommt der Name dieser jüdischen Familie immer wieder im Zusammenhang mit Verschwörungen und Antisemitismus zur Sprache? Und wieso taucht das gerade jetzt im Landtagswahlkampf auf?
https://www.youtube.com/watch?v=PdM6rq104MQ


+++FUNDIS
Wie der christlich-fundamentalistische Glaube das Sittenbild der Läderachs prägt
«Züchtigung im Namen Gottes»: Die SRF-Dok über die evangelikale Welt der Läderachs hallt nach. Zeit für einen vertieften Blick in das Umfeld der Schokoladen-Familie.
https://www.watson.ch/blogs/sektenblog/255135278-das-sittenbild-der-laederachs-ist-gepraegt-von-einem-dogmatischen-glauben
-> https://insideparadeplatz.ch/2023/09/30/uk-chef-von-laederach-ist-enkel-des-freikirchen-bruders/
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/bei-laderach-gab-es-nach-prugel-doku-kundigungen-aber-66617027