Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
Asylwesen: Regierungsstatthalterämter melden 1200 Unterbringungsplätze
Die Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter haben der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) heute insgesamt 28 potenzielle Standorte für zusätzliche rund 1200 mögliche Unterkunftsplätze gemeldet. Die GSI hatte im August die Regierungsstatthalterämter beauftragt, bis Ende September 2023 insgesamt 1200 Unterbringungsplätze für Schutz- und Asylsuchende zu bestimmen. Das Amt für Integration und Soziales (AIS) wird nun evaluieren, welche Standorte sich für eine Nutzung als Kollektivunterkünfte eignen könnten. Anschliessend werden die nötigen Verträge abgeschlossen und es wird mit den Vorbereitungsarbeiten begonnen.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=91020883-19ab-4e10-abd5-25082cfa1e84
-> https://www.derbund.ch/asylunterkuenfte-kanton-bern-zusaetzliche-1200-plaetze-an-28-standorten-gemeldet-532001416583
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/westschweizer-generalvikar-zieht-sich-vorlaeufig-aus-amt-zurueck?id=12463449 (ab 05:24)
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/zusaetzliche-1200-plaetze-fuer-asylsuchende-im-kanton-bern-gemeldet-153800736
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/214102/
+++BASELLAND
Schnellerer Berufseinstieg für junge Asylsuchende
Statt jahrelang Deutsch zu lernen vor dem Start einer Ausbildung, will der Kanton Baselland neue Lösungen ausprobieren. Unbegleitete minderjährige Asylsuchende sollen neu kurz nach Ankunft mit einer vierjährigen Berufsausbildung starten können.
https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/schnellerer-berufseinstieg-fuer-junge-asylsuchende?urn=urn:srf:video:eab4a631-bb9a-4ab8-bb53-608e8d1eb1f2&aspectRatio=4_5&showUrn=urn%3Asrf%3Ashow%3Atv%3Aeab4a631-bb9a-4ab8-bb53-608e8d1eb1f2
«Die Idee»: Junge Asylsuchende ersetzen fehlende Fachkräfte – 10vor10
In einem Pilotprojekt können unbegleitete minderjährige Asylsuchende schon nach kurzer Zeit eine Berufsausbildung beginnen. Schule mit Deutschunterricht und Berufspraxis wechseln sich tageweise ab – davon profitieren auch Firmen.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/die-idee-junge-asylsuchende-ersetzen-fehlende-fachkraefte?urn=urn:srf:video:30c55655-1e39-4bf4-94c8-32c223875fc4
+++SCHWEIZ
Bundesrat nimmt Konzept für eine zukünftige Aufhebung des Schutzstatus S zur Kenntnis
Ein Ende des Kriegs in der Ukraine und eine sichere Rückkehr der Geflüchteten ist nicht absehbar. Gleichwohl hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) das Staatssekretariat für Migration (SEM) im Sinn einer vorausschauenden Planung beauftragt, gemeinsam mit den Kantonen die rechtlichen, organisatorischen und verfahrenstechnischen Fragen im Zusammenhang mit einer allfälligen künftigen Aufhebung des Schutzstatus S zu prüfen. Der Bundesrat hat dieses provisorische Umsetzungskonzept an seiner Sitzung vom 29. September 2023 zur Kenntnis genommen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-97984.html
Personen mit Schutzstatus haben in Griechenland keine Perspektive
In Griechenland haben Personen mit Schutzstatus kaum Rechte. Dies bestätigt die aktualisierte Analyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH). Entsprechend spricht sich die SFH gegen Überstellungen nach Griechenland aus.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/personen-mit-schutzstatus-haben-in-griechenland-keine-perspektive
+++ITALIEN
Flucht übers Mittelmeer: Musk verbreitet Verschwörungsmythen zu deutschen Seenotrettern
Die Regierung in Rom wirft deutschen Organisationen vor, die irreguläre Migration nach Italien zu fördern. Nun ätzt auch Elon Musk gegen die NGOs – das Auswärtige Amt reagiert prompt.
https://www.spiegel.de/ausland/elon-musk-verbreitet-verschwoerungsmythen-zu-deutschen-seenotrettern-das-auswaertige-amt-reagiert-a-007ade80-538c-4815-b852-4b3f32bca8d5
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-09/elon-musk-afd-seenotrettung-italien-auswaertiges-amt
+++MITTELMEER
Uno-Bericht: Seit Jahresbeginn 2500 Flüchtlinge im Mittelmeer umgekommen oder vermisst
Im Jahr 2023 kamen nach Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks bereits 186.000 Menschen in Italien, Griechenland, Zypern und Malta an. Dabei bedroht nicht nur die Überfahrt über das Meer das Leben der Migranten und Flüchtlinge.
https://www.spiegel.de/ausland/uno-seit-jahresbeginn-2500-fluechtlinge-im-mittelmeer-umgekommen-oder-vermisst-a-40b9c879-8dc4-43a0-8088-e461257c1427
-> https://taz.de/Flucht-ueber-das-Mittelmeer-im-Jahr-2023/!5963191/
+++EUROPA
Verhandlungskrimi in Brüssel: Bundesregierung stimmt toxischer Krisenverordnung zu
Beim Treffen der EU-Innenminister*innen gab es eine politische Verständigung über die Krisenverordnung, der formelle Beschluss steht aber noch aus. Italien hat weiteren Verhandlungsbedarf angekündigt. Für Schutzsuchende steht viel auf dem Spiel, geht es doch um ihre Menschenrechte, die zur Verhandlungsmasse gemacht werden.
https://www.proasyl.de/news/verhandlungskrimi-in-bruessel-bundesregierung-stimmt-toxischer-krisenverordnung-zu/
Ähnliche Zahlen wie 2015: Über 180’000 Migranten flüchten nach Europa
Über 180’000 Menschen sind seit Beginn des Jahres bereits über den Mittelmeer-Weg in Europa angekommen. Die Ampel-Koalition gibt nun ihren Widerstand gegen die Asylreform auf. Diese soll die unerwünschte Migration begrenzen.
https://www.blick.ch/video/aktuell/aehnliche-zahlen-wie-2015-ueber-180000-migranten-fluechten-nach-europa-id18990044.html
-> https://www.srf.ch/news/international/fortschritt-bei-eu-asylreform-mittelmeer-migration-steigt-2023-um-ueber-80-prozent
-> https://www.tagesschau.de/ausland/europa/fluechtlingzahlen-mittelmeer-100.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/zwischenbilanz-2023-bereits-186-000-migranten-uebers-mittelmeer-nach-europa-gekommen-935264579726
EU-Krisenverordnung – Migrationsforscher: Standards für Asylsuchende schon jetzt verletzt
Auch mit der Krisenverordnung zum europäischen Asylpakt werde die Migration nach Europa nicht eingedämmt, sagt Migrationsforscher Gerald Knaus. Die Standards für Asylsuchende würden schon jetzt an den meisten EU-Außengrenzen „systematisch verletzt“.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/europaeische-fluechtlingspolitik-was-wichtig-waere-und-warum-es-nicht-kommt-dlf-kultur-fa7b4bf4-100.html
-> https://www.deutschlandfunk.de/bruessel-weitere-verhandlungen-ueber-eu-krisenverordnung-zur-migration-dlf-9bb0ff89-100.html
-> https://www.tagesschau.de/multimedia/video/schnell_informiert/video-1254748.html
-> https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-asylreform-krisenverordnung-100.html
-> https://taz.de/EU-Asylkompromiss-von-Italien-blockiert/!5960872/
+++GASSE
Expertin schätzt ein: Offene Drogenszene in Zürich und Basel – so sieht es in Bern aus
In Zürich und in Basel werden immer häufiger Drogen an öffentlichen Orten konsumiert. Das weckt in Bern unschöne Erinnerungen an die offene Drogenszene in den 90er-Jahren. In der Bundesstadt ist aktuell jedoch keine Entwicklung in diese Richtung festzustellen, wie eine Expertin sagt.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/offene-drogenszene-in-zuerich-und-basel-so-sieht-es-in-bern-aus-153779017
«Viele sind in einem prekären Zustand»: SP und Grüne fordern Auflösung der offenen Drogenszene am Bahnhof
Die Repression hat weder auf Brugger noch Windischer Seite des Bahnhofs etwas gebracht. Im Gegenteil, das Elend der Süchtigen ist gestiegen, Passanten berichten von Verunsicherung und Angst. SP und Grüne kritisieren auch die mangelnde Hilfe des Kantons und fordern in einer Motion für die Problemlösung eine generelle Kursänderung.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/windisch-viele-sind-in-einem-prekaeren-zustand-sp-und-gruene-fordern-aufloesung-der-offenen-drogenszene-am-bahnhof-ld.2521542
+++SEXWORK
Sexarbeit: «Sagt das Gegenüber ja zum Geld oder ja zum Geschlechtsverkehr?»
Die Frauenzentrale Zürich fordert ein Sexkaufverbot, um die Situation für Prostituierte zu verbessern. Olivia Frei von der Frauenzentrale und Nathalie Schmidhauser von Procore, einem Netzwerk für Sexarbeitende, diskutieren über günstigen Sex, Vorurteile und Konsens in der Sexarbeit.
https://tsri.ch/a/clmxfaxkv13134852scc5yqs5t0a/zuercher-frauenzentrale-fordert-sexkaufverbot-ein-streitgespraech-langstrasse-prostitution-sexarbeit-procore-nathalie-schmidhauser-olivia-frei
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Klimabewegung in der Krise: «Demos allein retten das Klima nicht»
Vier Jahre lang wurde protestiert und auf die Strasse geklebt – doch die Klimaparteien scheinen zu verlieren. Auch wegen solcher Aktionen?
https://www.derbund.ch/klimabewegung-in-der-krise-demos-allein-retten-das-klima-nicht-869247328424
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Basler Zeitung 29.09.2023
Statt wählen zu gehen: Revolutionäre Basler Klimaaktivisten wollen eine «Gegenmacht aufbauen»
Linksradikale Gruppierungen haben in Basel Wahlplakate verschandelt und rufen dazu auf, sich «von unten her zu organisieren». Ein grüner Grossrat reagiert scharf – und fragt, inwieweit das mit dem Klimawandel zu tun hat.
Katrin Hauser
Die Basler SVP ist es seit längerem gewohnt, dass viele ihrer Plakate in Wahljahren verschandelt werden. Dieses Jahr nun hat es alle Parteien getroffen – auch die linken.
Das Antlitz von SP-Nationalrätin Sarah Wyss ist ebenso überklebt worden wie das ihrer Kollegin von den Liberalen, Patricia von Falkenstein. In schwarzen Lettern waren Aufrufe wie «Parlamente werden uns nicht vor dem Faschismus schützen» oder «Wir wählen die Strasse und organisieren uns selbst!» auf weissem Hintergrund zu lesen.
Hinter der Aktion stehen verschiedene linksradikale Gruppierungen wie das Revolutionäre Klimakollektiv, Basel Nazifrei, der Revolutionäre Aufbau, das Rojava-Komitee Basel oder auch das Sans-Papiers-Kollektiv. Sie haben auf einer Website ein Communiqué zur «Plakataktion» veröffentlicht. «In der bürgerlichen Demokratie sind Wahlen in erster Linie dazu da, die Macht der herrschenden Klasse zu legitimieren, den Stimmberechtigten also das Gefühl zu geben, dass sie mitreden können», schreibt die anonyme Autorenschaft. «Immer mehr Menschen merken aber, dass sie im Parlamentarismus nicht mitreden können, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden und dass für die grossen Probleme keine Lösungen gefunden werden.»
Selbstkritik von grünem Grossrat
Im Fokus der Kritik steht der Umgang mit der Klimakrise. Um sie aufzuhalten, müsse man sich «von unter her organisieren, eine Gegenmacht aufbauen» und den Kapitalismus überwinden. Dazu brauche es eine Selbstorganisation auf der Strasse und in den Quartieren. «Wir können nur etwas verändern, wenn wir uns ausserhalb der Regierungen organisieren und uns ein gutes Leben erkämpfen!»
Dieses Demokratieverständnis, wenn man es denn als solches bezeichnen kann, stösst auch in linken Kreisen auf dezidierte Ablehnung. Der grüne Grossrat Oliver Thommen spricht von einer «verzweifelten Aktion von Antidemokraten». Der Ton dieses Communiqués sei «jenseits» von Gut und Böse. Würden Aufrufe wie «Wir brauchen keine Parlamente und ihre Scheinlösungen!» in die Tat umgesetzt werden, wäre das «sehr gefährlich». Dieses Szenario sei aber gänzlich unrealistisch, sagt Thommen. «Es handelt sich einfach um Parolen, die hier geschwungen werden.»
Wieso, so fragt man sich, hat sich die Linke in der Vergangenheit nicht klarer von besagten «Antidemokraten» distanziert?` Wieso läuft man im gleichen Protestzug mit am 1. Mai oder bei Klimademos? «Das müssen wir uns wohl vorwerfen lassen», sagt Thommen selbstkritisch.
Dieselben «ollen Marx-Kamellen»
Es sei allerdings nicht so, dass das Verhältnis zu diesen Gruppierungen unkompliziert wäre. Im Gegenteil sei ihr Büro am 1. Mai bereits mehrmals Opfer von Vandalismus geworden.
Ein Angriff auf die Schaltzentrale der Gr¨ünen im Namen des Klimas: Was ist da los in der Gesellschaft?
Inwieweit es den Linksradikalen wirklich um die Klimaerwärmung geht, sei er sich nicht sicher, sagt Thommen. Es komme ihm eher so vor, als würden sie dieselben «ollen Marx-Kamellen» von früher nehmen und nun einfach «Klima» vorne hinschreiben. Andererseits spüre auch er die grassierende Unzufriedenheit bei einem Teil der jüngeren Bevölkerungsschicht darüber, dass es mit Massnahmen gegen den Klimawandel «in unserem eher schwerfälligen Parlament viel zu langsam geht». Er verstehe diese Ohnmacht. Doch letztlich müsse man in einem Staat alle Menschen mitnehmen – und das funktioniere nur in einer Demokratie.
Die Plakate jedenfalls sind in der Zwischenzeit erneuert worden. Von den Aufrufen zum selbst organisierten Widerstand ist im analogen Basel vorerst nichts mehr zu sehen.
(https://www.bazonline.ch/statt-waehlen-zu-gehen-revolutionaere-basler-klimaaktivisten-wollen-eine-gegenmacht-aufbauen-728224572617)
+++MENSCHENRECHTE
Bundesrat verabschiedet Botschaft zum Foltergütergesetz
Der grenzüberschreitende Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zu Folter verwendet werden können, soll künftig strenger kontrolliert werden. Der Bundesrat hat am 29. September 2023 die Botschaft über das neue Bundesgesetz über den Handel mit Foltergütern (Foltergütergesetz) an das Parlament verabschiedet.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-97988.html
+++RECHTSPOPULISMUS
Absenzenkönig Köppel verpasst sogar seine eigene Verabschiedung im Parlament
Der Absenzenkönig bleibt seiner Linie treu: Roger Köppel, einst bestgewählter Nationalrat der Schweiz und «Weltwoche»-Verleger, fehlt am Freitag auch bei seiner Verabschiedung aus dem Parlament.
https://www.watson.ch/schweiz/nationalrat/777449736-absenzenkoenig-roger-koeppel-verpasst-seine-verabschiedung-im-parlament
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/so-wird-nationalrat-roger-koeppel-aus-dem-parlament-verabschiedet-153807967
(Aufgewärmte rechtspopulistische Lügenmärchen feat. Kurt Pelda…)
FOCUS online exklusiv – Akten enthüllen abgekartetes Spiel: Deutsche Flüchtlingsretter kooperieren mit Schleppern
Hilfsorganisationen versuchen, Migranten auf dem Mittelmeer aus akuten Gefahrensituationen zu retten. Sagen sie zumindest. Recherchen haben Hinweise darauf gegeben, dass einige NGOs mit Menschenhändlern kooperieren und ihre eigenen Tricks haben, die Zusammenarbeit zu verbergen.
https://www.focus.de/politik/focus-online-exklusiv-seenotretter-arbeiten-mit-schleppern-zusammen_id_214529258.html
Flugblatt-Affäre: In eigener Sache
FW-Chef Hubert Aiwanger wirft der „Süddeutschen Zeitung“ in einer Reihe von Interviews eine gezielte Kampagne gegen ihn vor und stellt falsche Mutmaßungen an. Die SZ fasst deshalb noch einmal die wesentlichen Fakten der Berichterstattung zusammen.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-flugblatt-affaere-hubert-aiwanger-sueddeutsche-zeitung-kamapgne-1.6258170
Nach brisanten Tweets: Staatsanwaltschaft eröffnet Verfahren gegen Pro-Schweiz-Chef
Zum zweiten Mal innert Wochen veröffentlicht Werner Gartenmann eine heikle Aussage auf X. Nun wird gegen ihn wegen «öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen» ermittelt.
https://www.tagesanzeiger.ch/nach-brisanten-tweets-staatsanwaltschaft-eroeffnet-verfahren-gegen-pro-schweiz-chef-872606779357
+++RECHTSEXTREMISMUS
Die Winterthurer SP fordert den Rücktritt von Maria Wegelin (ab 03:56)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/viel-prominenz-das-zff-rollt-den-gruenen-teppich-aus?id=12463080
-> https://www.landbote.ch/reaktionen-auf-maria-wegelin-sp-fordert-wegelins-ruecktritt-634506006470
-> https://www.landbote.ch/kommentar-zu-maria-wegelin-das-wegschauen-der-svp-ist-gefaehrlich-782111700751
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/zurcher-svp-tut-sich-mit-causa-junge-tat-schwer-66618409
-> https://www.nau.ch/ort/winterthur/sp-winterthur-zh-fordert-rucktritt-von-svp-politikerin-wegelin-66618498
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/sp-winterthur-fordert-wegelins-ruecktritt-153806174
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tagesanzeiger.ch 29.09.2023
Fall Wegelin in Winterthur: «Die rechten Parteien müssen sich scharf abgrenzen»
Extremismusexperte Jérôme Endrass ordnet die Junge Tat im Interview ein und sagt, warum die rechtsextreme Unterwanderung der SVP gefährlich ist.
Jonas Keller
Die Winterthurer SVP-Parteipräsidentin Maria Wegelin lässt sich im Wahlkampf von den Anführern der Gruppe Junge Tat unterstützen. Im Interview mit der NZZ hält sie an ihnen fest und sagt, sie akzeptiere deren Versicherungen, nicht rechtsextrem zu sein. Extremismusforscher Jérôme Endrass ordnet ein, wo die Junge Tat heute steht und warum sie den Kontakt zur SVP sucht.
Herr Endrass, die Junge Tat gibt sich geläutert. Wenn es um die «Heil Hitler»-Rufe von 2020 geht, spricht sie von Jugendsünden. Wie glaubwürdig ist das?
Wer so etwas ruft, begeht eine massive Grenzüberschreitung. Man heisst damit millionenfachen Massenmord gut und identifiziert sich damit. Wenn man das hinter sich lassen will, muss man das auch sehr deutlich zeigen. Wer wirklich geläutert ist, verbreitet in der Regel auch nicht weiter Theorien aus dem extremen rechten Spektrum.
Eine solche Theorie, der die Junge Tat anhängt, ist die des «Bevölkerungsaustauschs». Was hat es damit auf sich?
Daran sieht man klar, dass sich die Junge Tat nicht von der Anlehnung an den Nationalsozialismus gelöst hat. Es ist eine Verschwörungstheorie mit eindeutig antisemitischen Kern: Europa laufe Gefahr, durch Einwanderung zerstört, die «weisse Kultur» ausgelöscht zu werden. Dahinter würden jüdische Financiers stecken – wir sind also wieder bei der jüdischen Weltverschwörung und klassischen faschistischen Theorien.
Sprich: Rechtsextremismus.
Ja, da entlarvt sich die Gruppe gleich wieder. Sie schreit vielleicht nicht mehr «Heil Hitler». Aber Theorien wie diese sind vom Antisemitismus nicht zu trennen. Würde sie behaupten, dieser ganze «Bevölkerungsaustausch» werde von einer Gruppe von Innerschweizern orchestriert, fände das keinen Anklang. Deshalb ist mit dieser Theorie die Grenze zum Rechtsextremismus klar überschritten. Wer so etwas verbreitet, ist nicht geläutert.
Immer wieder fällt auch das Schlagwort «Remigration».
Das Schwierige beim Extremismus ist, dass die Inhalte gegen aussen oft harmloser präsentiert werden. «Remigration» ist so ein Beispiel. Es kann theoretisch alles heissen von Anreizen, um Ausländer zur Ausreise zu animieren, bis zur gewaltsamen Vertreibung. Was damit wirklich gemeint ist: Ausländer raus.
«Remigration» ist also die bekömmlichere Variante der bekannten Ausländerfeindlichkeit?
Es handelt sich dabei um «Dog whistling»: Genauso wie nur Hunde die Hundepfeife hören können, wissen die entsprechenden Kreise, was mit dem Schlagwort gemeint ist. Gleichzeitig wirkt es für die breite Öffentlichkeit zunächst recht harmlos. Im Kern geht es beim Rechtsextremismus darum, den Rechtsstaat, die pluralistische Gesellschaft und die Gleichwertigkeit der Menschen abzulehnen. Das sagen die Extremisten aber meist nicht so offen.
In Deutschland läuft derzeit ein Verfahren wegen Volksverhetzung und Nötigung gegen die beiden Anführer der Jungen Tat. Sie blockierten vermummt die Strasse vor einem Asylheim und zündeten Rauchbomben. Wie ist diese Anklage zu deuten – hat man in Deutschland einfach schnell ein Verfahren am Hals?
Nein, im Gegenteil! Ich kenne die Situation in Deutschland gut, weil ich auch dort forsche. Es ist überhaupt nicht so, dass immer alles zu einer Anklage führt. Das passiert nur, wenn eine Gefährdung des Rechtsstaates oder von Personen vorliegt. Die deutsche Justiz ist alles andere als aktionistisch. Sie schaut gezielt auf jene Formen von Extremismus, die Menschen bedrohen.
In der Schweiz sucht die Junge Tat den Anschluss an die SVP, besucht deren Veranstaltungen und macht nun Maria Wegelins Wahlkampf. Wozu das Ganze?
Viele rechtsextreme Gruppen versuchen, in rechten Parteien Unterschlupf zu finden. Die Junge Tat ist da kein Exot. Die demokratischen rechten Parteien sind deshalb stark gefordert, sich scharf abzugrenzen. Es darf keine Toleranz gegenüber Extremismus geben. Genauso fehl am Platz ist naive Gutgläubigkeit, wenn jemand bekundet, geläutert zu sein.
Ohne Abgrenzung ist Strategie der Extremisten also erfolgversprechend?
Absolut. Das konnte man in Deutschland mit der AfD beobachten: Anfangs war sie eher eine bürgerliche Protestbewegung. Dann wurde sie Schritt für Schritt zu einer Partei mit rechtsextremen Inhalten. Neonazis und Rechtsradikale haben die Bewegung gekapert. Ähnlich bei den US-Republikanern. Man kann international beobachten, dass rechte Parteien ein lohnenswertes Ziel für solche rechtsextreme Unterwanderung sind. Niemand kann aber wollen, dass die Polparteien von Extremisten unterwandert werden – sonst verkümmert die politische Landschaft.
Frau Wegelin hat sich nicht von der Jungen Tat distanziert, sie hält an der Zusammenarbeit fest. Was bedeutet diese Rückendeckung?
Dieser Rückhalt durch die Politik legitimiert die Positionen und Anliegen der Jungen Tat. Ähnliches sah man in den USA, als Donald Trump sich nicht von den Proud Boys distanzierte. Im rechtsextremen Milieu hiess das: Er steht hinter uns. Es war wie ein Ritterschlag vom Präsidenten. Das hat Konsequenzen: Bald darauf stürmten die Proud Boys mit anderen das Capitol. Welche Folgen diese fehlende Abgrenzung in der Schweiz haben wird, muss sich erst noch zeigen.
Frau Wegelin gibt an, über das Thema Corona Kontakt mit den beiden jungen Männern geknüpft zu haben. Welche Bedeutung hatte die Pandemie für die extreme Rechte?
Durch sie fanden Leute zusammen, die sonst auf den ersten Blick wenig Berührungspunkte hatten. Was sie verbindet, ist die Ablehnung des Staates und das Gefühl, von ihm drangsaliert zu werden. Die rechtsextreme Bewegung hat versucht, das auszuschlachten. Teilweise ist ihr das auch gelungen. Das ist nicht weiter überraschend: Gut ein Viertel der Bevölkerung ist für Verschwörungstheorien empfänglich. Das kommt weniger zum Tragen, wenn alles gut läuft. In Krisenzeiten stossen diese bequemen Erklärungsmuster aber auf Anklang. Deshalb waren die Covid-Proteste die perfekte Petrischale für Rechtsextremismus.
(https://www.tagesanzeiger.ch/fall-wegelin-in-winterthur-die-rechten-parteien-muessen-sich-scharf-abgrenzen-460526765418)
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nzz.ch 29.09.2023
Eine SVP-Politikerin will weiterhin mit Rechtsextremen zusammenarbeiten. Wie reagiert ihre Partei?
Die Zusammenarbeit der SVP-Nationalratskandidatin Maria Wegelin mit der Jungen Tat sorgt bei Gegnern für Kritik – und bringt die Partei in ein Dilemma. Jetzt fordert der SVP-Präsident von seinen Amtsträgern mehr Sensibilität.
Giorgio Scherrer, Tobias Marti
Einen Tag ist es her, dass Maria Wegelin – Nationalratskandidatin und Präsidentin der SVP Winterthur – über zwei Mitglieder der rechtsextremen Jungen Tat sagte: «Wir merkten, dass wir gewisse Gemeinsamkeiten haben.»
Wegelin äusserte sich in der NZZ erstmals zu einer Geschäftsbeziehung, die der «Sonntags-Blick» publik gemacht hatte. Die SVP-Politikerin lässt sich von den zwei Rechtsextremen Wahlkampfvideos erstellen und ihre Social-Media-Profile verwalten. Sie habe zwar gewusst, dass die beiden Mitglieder der Jungen Tat seien, habe aber den Hintergrund der Gruppe nicht gekannt. «Für Dummheit kann ich ja nicht belangt werden», meinte Wegelin, die an der Zusammenarbeit festhält.
Weiter sagte sie: «Die beiden Jungs haben mir versichert, dass sie nicht gewalttätig seien und auch nicht rechtsextrem.» Der Nachrichtendienst des Bundes wie auch die Polizeibehörde Europol sehen das anders; sie rechnen die Gruppe der rechtsextremen Szene zu.
Wegelins Aussagen lösen bei politischen Gegnern Empörung aus. Der SVP ist das Thema dagegen eher unangenehm.
Eine komplette Verurteilung tönt anders
Es beginnt bei Domenik Ledergerber, dem kantonalen Parteipräsidenten. Dieser will keine Stellung nehmen zu Wegelins Aussagen. Er distanziert sich jedoch von der Jungen Tat und betont, es gebe keine offizielle Zusammenarbeit der Zürcher SVP mit der Gruppierung. Er sagt: «Wir distanzieren uns von Rechtsextremismus genauso wie von Linksextremismus.»
An seiner Aussage von Anfang Woche, die Zusammenarbeit Wegelins mit den Rechtsextremen sei «Privatsache», hält er fest, fügt jedoch auf Nachfrage an: «Ich erwarte von unseren Mandatsträgern, dass sie bei der Auswahl ihrer Geschäftspartner sensibel sind.»
Eine komplette Verurteilung von Wegelins Handeln tönt anders, eine vorbehaltlose Unterstützung aber auch. Klar scheint, dass die SVP wenige Wochen vor den nationalen Wahlen ein öffentliches Zerwürfnis vermeiden will.
Das merkt man auch im Gespräch mit Martin Hübscher, dem SVP-Fraktionspräsidenten im Zürcher Kantonsparlament. Auch er verurteilt die Junge Tat und den «Extremismus, links wie rechts». Von Wegelin distanzieren will er sich allerdings nicht.
Wird ihm bei manchen von Wegelins Aussagen nicht unwohl? «Unwohl wird es mir, wenn man Extremismus toleriert.» Hat Wegelin nicht genau das getan? «Sie hat, soweit ich weiss, keine politisch heiklen Positionen verbreitet.»
Hübscher erwartet jedoch, dass jede Parteiexponentin ihr privates und geschäftliches Verhalten selbst verantwortet. Dieses der Partei anzukreiden, komme einer «Sippenhaft» gleich.
Der Parteipräsident Ledergerber will nun das Gespräch mit Wegelin suchen. Das Thema: ihre Aussagen im NZZ-Interview. Die Folgen: ungewiss.
Ein gefundenes Fressen für die Gegner
Für die Gegner der SVP ist diese Reaktion natürlich ein gefundenes Fressen und bestätigt für sie einen alten Verdacht. Nicola Siegrist, SP-Kantonsrat und Juso-Präsident, sagt: «Es ist wirklich gefährlich, was die SVP da tut. Sie normalisiert mit ihrem Verhalten rechtsextreme Kräfte.»
Wegelins Aussage, den Hintergrund der Gruppe nicht gekannt zu haben, nennt er eine «lächerliche Ausrede». «Sie scheint zu glauben, dass sie uns für dumm verkaufen kann.»
Siegrist gab am Montag eine Erklärung zum Thema im Kantonsrat ab und forderte mit seiner Juso erst kürzlich: «Die SVP muss weg.»
Noch mehr als an Wegelins Verhalten stört er sich am Ausbleiben einer klaren Verurteilung durch ihre Partei. «Vordergründig gibt sich die SVP Mühe, Distanz zu den Rechtsextremen zu zeigen. Fälle wie dieser zeigen aber: Im Hintergrund ist die Zusammenarbeit zum Teil intensiv.»
Die SVP sei in den letzten Jahren deutlich nach rechts gerückt, kritisiert Siegrist. Das zeige sich etwa an den Themen Zuwanderung oder Gender, bei denen ihre Positionen immer extremer würden. Die Annäherungsversuche der Jungen Tat sieht Siegrist auch als Resultat dieser Politik. Wie andere linke Politiker fordert er zudem den Rücktritt Wegelins aus allen politischen Ämtern.
FDP erwartet von SVP klare Abgrenzung
So weit geht Hans-Jakob Boesch nicht. Der Präsident der FDP des Kantons Zürich sagt: «Rechtsextremismus und sonstiger Extremismus können nicht geduldet werden. Wir erwarten, dass die SVP sich da klar abgrenzt.» Sie müsse sich vom Rechtsextremismus «deutsch und deutlich» distanzieren und die Sache intern klären.
Für die Zürcher FDP ist die Situation insofern ein Thema, als sie mit der SVP eine Listenverbindung einging – und dafür von links scharf kritisiert wurde. Auch jetzt findet der SP-Mann Siegrist: «Eine Stimme für die FDP kommt letztlich nicht nur der SVP, sondern auch einer Frau zugute, die mit Rechtsextremen paktiert.»
Der FDP-Präsident Boesch sagt zum Thema Listenverbindung, eine Stimme für die FDP sei immer eine Stimme für die FDP. Es gehe bei der Listenverbindung lediglich um Restmandate und darum, ob diese ins linke oder ins bürgerliche Lager gingen.
Auf Siegrists Kritik an einem Rechtsrutsch der SVP reagiert der Parteipräsident Domenik Ledergerber so: «Die SVP ist in den vergangenen Jahrzehnten stets dieselbe geblieben. Wir wollen die Einwanderung und unsere Grenzen besser kontrollieren, aber wir sind nicht ausländerfeindlich und haben keinen Hass gegen andere Kulturen.»
Anders als Rechtsextreme, über die Ledergerber sagt: «Wir dürfen Verbindungen zu ihnen gar nicht erst aufkommen lassen.»
Das Schweigen der Parteiprominenz
Nun, wo diese zumindest im Fall Wegelin offensichtlich da sind, steht die Partei vor einem Dilemma: abwiegeln und sich vom politischen Gegner den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen, oder ein Problem eingestehen – und damit ihren Kritikern ein Stück weit recht geben.
Was also bedeutet der Fall Wegelin für die Partei? Dazu wollten sich diverse prominente Parteiexponenten – wie der Doyen Christoph Blocher, der Fraktionschef Thomas Aeschi und die Regierungsräte Ernst Stocker und Natalie Rickli – gegenüber der NZZ bis Redaktionsschluss nicht äussern.
Damit tun sie das, was sich so mancher SVP-Kader so kurz vor den Wahlen wohl auch von Maria Wegelin gewünscht haben wird: schweigen.
(https://www.nzz.ch/zuerich/svp-und-junge-tat-wie-reagiert-die-partei-auf-naehe-zu-rechtsextremen-ld.1758376)
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Mehr als Germanenkult: Was Rechtsterroristen mit der „Artgemeinschaft“ zu tun hatten
Beate Zschäpe und der Mörder von Walter Lübcke hatten Verbindungen zu dem nun verbotenen Verein. Was noch zu dessen Kerngeschäft gehörte.
https://www.telepolis.de/features/Mehr-als-Germanenkult-Was-Rechtsterroristen-mit-der-Artgemeinschaft-zu-tun-hatten-9320762.html
Verbot der Hammerskins – Was bedeutet das für die rechtsextreme Szene?
Seit fast drei Jahrzehnten agieren die sogenannten Hammerskins weltweit. Mehrere Mitglieder waren in der Vergangenheit an rassistischen Anschlägen und Angriffen beteiligt. Jetzt wurde die Gruppierung verboten.
https://www.ardmediathek.de/video/fakt/verbot-der-hammerskins-was-bedeutet-das-fuer-die-rechtsextreme-szene/das-erste/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy8zYWUwYzMyOS02YjE0LTRhMmEtODk3Mi02NDVmMmYwZmRkZjQ
Tatort Gruppenchat: Was Polizisten lustig finden
Polizist*innen schicken sich bei Whatsapp rassistische, antisemitische und andere menschenverachtende Memes. Sachen, die sie für richtig witzig halten. Aber wie werden diese „Satire“-Chats eigentlich von den eigenen Kolleg*innen bei der Polizei bewertet?
https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale-vom-29-september-2023-102.html
Chatgruppe „Itiotentreff“: Wir veröffentlichen den rechtsextremen Frankfurter Polizei-Chat
Frankfurter Polizist*innen schickten sich über Monate menschenverachtende Nachrichten per WhatsApp. Gemeinsam mit dem ZDF Magazin Royale veröffentlichen wir den gesamten Chatverlauf. Wir machen erstmals erfassbar, was es heißt, wenn von rechtsextremen Polizeichats die Rede ist.
https://fragdenstaat.de/blog/2023/09/29/wir-veroffentlichen-den-rechtsextremen-frankfurter-polizei-chat/
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Aufrecht Schweiz Präsident will Ständerat werden
Patrick Jetzer kandidiert im Kanton St. Gallen für einen Sitz im Ständerat. Der 52-jährige Edelmetallhändler sagt, er stehe für Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Gleichzeitig kündigt er an, dass Aufrecht SG auch bei den Kantonsratswahlen im nächsten Jahr antreten wird.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/aufrecht-schweiz-praesident-will-staenderat-werden?partId=12463482
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/berner-justiz-ermittelt-gegen-pro-schweiz-chef-wegen-tweets-66618967
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tagblatt.ch 29.09.2023
Anti-Coronabewegung Aufrecht kandidiert mit Millius, Trappitsch und Jetzer: Die Staatsverdrossenen geben der Politik eine «letzte Chance»
Die im Frühling gegründete St.Galler Sektion der sogenannten Bürgerrechtsbewegung Aufrecht Schweiz nimmt an den Wahlen im Herbst teil. Das Zugpferd der Liste ist Journalist Stefan Millius, ausserdem kandidieren Impfgegner Daniel Trappitsch und Aufrecht-Präsident Patrick Jetzer.
Marcel Elsener
Die Coronapandemie hat einen Nachklang bei den Nationalratswahlen: Auch im Kanton St.Gallen kandidiert die selbst ernannte «Bürgerbewegung» Aufrecht, die sich als Sammelbecken der Massnahmenkritiker und Staatsverdrossenen formiert hat. Sie will jenen Wählern ein neues Angebot geben, «die schlicht nicht fassen, was sich in den letzten drei Jahren abgespielt hat», wie es Stefan Millius in der Ankündigung seiner Kandidatur am 30. März formuliert hat. Die Kandidaten stünden denn auch für ein einfaches Motto: «Ich habe nicht mitgemacht.»
Als Journalist würde er den Zustand des Landes lieber weiter von aussen kommentieren, ein Nationalratssitz sei keineswegs sein «grosser Traum», schreibt Millius weiter. Doch es gehe um die «letzte Chance», dafür zu sorgen, dass das Erfolgsrezept des Landes «nicht endgültig zerstört» werde. Unter dem Wahlspruch «Wir holen uns die Schweiz zurück» verspreche er «nur eines: Ich werde gegenüber dieser Landesregierung so lästig sein wie eine Stechmücke, um die Freiheit des Einzelnen zu schützen».
Hofnarren wie Rima, Rimoldi oder Stricker
Stechmücke – oder Hofnarr: So stilisiert Millius sich und seine Mitstreiter in anderen Kantonen, die im Bundesparlament «lustvollen, frechen Klartext» versprächen. Dies im Gegensatz zu den «abgeschliffenen» Vertretern traditioneller Parteien und Absolventen der «politischen Ochsentour». Es brauche Hofnarren wie den Komiker Marco Rima, der als Parteiloser im Kanton Zug für den Ständerat kandidiert, den Internet-Aktivisten Daniel Stricker, der im Thurgau das Label der Freiheits-Partei (früher Autopartei) beansprucht, oder Nicolas Rimoldi, der für seine Bewegung «Mass-Voll» in Zürich kandidiert.
Ähnlich wie Stricker war der Journalist, Drehbuch- und Buchautor Millius in den Pandemiejahren als Chefredaktor der «Ostschweiz» zum Sprachrohr der Massnahmenkritiker geworden. Seine Haltung unterstrich er auch in Buchform, zuerst in der Streitschrift «Wir Covidioten» (2020), dann im satirischen «Corona-ABC» (2022). Im Oktober 2022 verliess er die St.Galler Onlineplattform, der er zu einem zweifelhaften überregionalen Ruf verholfen hatte, um noch als freier Autor bei der «Weltwoche», dem «Nebelspalter» oder beim Radiosender «Kontrafunk» zu wirken.
Jahrgang 1972, war Millius Anfang der 1990er-Jahre beim «Neuen Wiler Tagblatt» in den Journalismus eingestiegen und arbeitete später für «Radio Aktuell» und den «Blick». Mit der Politik liebäugelte er schon früher: In den Jugendjahren gründete er die (kurzlebige) SP Mörschwil, 2017 gehörte er am damaligen Wohnsitz zu den Mitgründern der FDP Appenzell Innerrhoden. Von den herkömmlichen Parteien hält er, mittlerweile in Au lebend, offenbar nichts mehr: «Wir haben eine sehr, sehr unfähige Landesregierung und ein Parlament, das einfach nur zuschaut.» Wenn im Herbst «die letzte Möglichkeit der Korrektur» nicht gelinge, bleibe «allen vernünftigen Kräften wohl nur die Flucht in die Berge», stellt er fest. Als scharfzüngiger Provokateur wettert Millius ähnlich wie Roger Köppel immer wieder gegen die angebliche Einheitsmacht von Regierungen und Medien und begrüsst rechte Gegenbewegungen – bis hin zum jüngsten Wahlerfolg der AfD in Sonneberg.
Präsident von Aufrecht Schweiz auf St.Galler Liste
Millius ist das Zugpferd und der Wortführer der St.Galler Aufrecht-Gruppierung. Drei Monate nach seiner Initialzündung für die Wahlen im Herbst hat die Sektion einige Konturen gewonnen. Fünf Kandidaten umfasst die Liste, der zweite bekannte Name ist jener von Daniel Trappitsch, der – schon vor Corona – als Impfgegner mit Nähe zu Verschwörungstheorien Schlagzeilen machte. In seiner Kritik am Staat ging der Naturheilpraktiker so weit, die Steuern zu verweigern. Trotzdem kandidierte Trappitsch schon mehrfach für politische Mandate, zuletzt – chancenlos – fürs Stadtpräsidium in Buchs.
Ein dritter Name überrascht: Patrick Jetzer, Präsident von Aufrecht Schweiz und Dübendorfer Gemeinderat, der noch im Februar für den Zürcher Kantonsrat kandidierte und auf der dortigen Liste für den Nationalrat stand. Nun zieht der Edelmetallhändler offenbar nach Hemberg und kandidiert im Kanton St.Gallen. Weiter auf der Aufrecht-Liste sind Dominic Fröhlich, KV-Angestellter aus der Stadt St.Gallen, und Ramon Rüegg, Security-Mann aus Staad, die den «Ämtchenjägern mit zum Teil Riesenlobbys im Rücken» im Bundeshaus den Sitz streitig machen wollen. Ein sechster Kandidat, allenfalls auch eine Frau, werde noch gesucht, heisst es bei der Sektion.
Listenverbindung mit Parteifrei SG
Wie Jetzer gehört der St.Galler Kampagnenleiter Marc Buschor, von Beruf Betreibungsbeamter in Sevelen, dem Vorstand von Aufrecht Schweiz an. Selber kandidiert er nicht. Die Sektion werde in Zusammenarbeit mit anderen Kantonssektionen eine eigene Kampagne führen, doch das Budget stehe noch nicht fest, da man noch mit Spenden rechne. Aufrecht St.Gallen zähle derzeit 60 Mitglieder.
Mit ihrer Kritik an der Coronapolitik des Bundesrats und am politischen System («Totalversagen») erscheint die Aufrecht-Bewegung als Neinsager- und Einthemen-Partei. Konkrete Anliegen mit Ostschweizer oder St.Galler Bezug nennt Sektionsleiter Buschor auf Anfrage nicht, doch verweist er auf die Schwerpunkte Gesundheit, Bildung, Steuern und Souveränität und die in Bern eingereichten Petitionen «Stopp mit der Lobby-Politik» und «Für Frieden in Europa». Auch habe Aufrecht Strafanzeigen gegen die Akteure des «CS-Deals» eingereicht. Wie in der ganzen Schweiz wolle Aufrecht im Kanton St.Gallen «Menschen mit Rückgrat in politische Ämter bringen», sagt Buschor, die «frei von Lobbyismus für Freiheit einstehen».
Eine Listenverbindung werde Aufrecht St.Gallen wahrscheinlich mit Parteifrei SG eingehen, überdies gebe es Gespräche mit der EDU, die im Thurgau mit Aufrecht zusammenspannt. Mit der losen Gruppierung Parteifrei, namentlich Luzia Osterwalder, hat Aufrecht im Herbst bereits einen Vortragsabend organisiert. Standaktionen mit den Kandidaten sowie Gastrednern seien für den 26. August und 23. September in St.Gallen geplant.
Potenzial bei den Nichtwählern
Ihr Wählerpotenzial orte die Bewegung «bei den vielen Wahl- und Politikverdrossenen, die sich von den bestehenden Parteien nicht mehr vertreten fühlen oder von diesen enttäuscht wurden», sagt Buschor. «Schaut man die Wahlbeteiligungen an, gibt es viele davon.» Auf die Frage, wo sich Aufrecht am deutlichsten von der SVP unterscheide, antwortet er: «Wir sind für die KMU wie die SVP, jedoch entschieden gegen Grosskonzern-Politik. Die Grosskonzerne nehmen zu viel Einfluss auf unsere Politik und handeln nicht im Interesse der einfachen Leute.»
Beim Ziel für die nationalen Wahlen bleibt Buschor bescheiden: «Wir rechnen mit einem Stimmenanteil von 2 bis 3 Prozent.» Das wäre mehr als 2019 EDU, Parteifrei, SD oder die One-Man-Show «Der Pflug», die alle unter 1 Prozent blieben, aber weit weg von einem Sitzgewinn. In der Regel benötigt eine neue Partei im fünftgrössten Kanton der Schweiz 8 bis 10 Prozent der Wählerstimmen und einiges Proporzglück für einen Nationalratssitz. Eine Ausnahme war 2019, als die GLP mit einem Wählerstimmenanteil von 7,3 Prozent einen der zwölf St.Galler Sitze eroberte, allerdings dank einer vorteilhaften Listenverbindung mit CVP, EVP und BDP. Der letzte Sitzgewinn einer «Einthemenpartei» liegt länger zurück: 1995 schaffte es die Autopartei mit 10,2 Prozent der Wählerstimmen (Walter Steinemann).
Dass die Aufrecht-Bewegung an solche Resultate herankommt, hält Patrick Emmenegger, Politikwissenschaftler an der Universität St.Gallen, für unwahrscheinlich. Zwar habe die Listenverbindung von Aufrecht Thurgau mit der EDU, die bislang mit der SVP zusammenspannte, aufhorchen lassen; jedoch brauche es im kleineren Nachbarkanton (sechs Sitze) noch mehr Stimmenanteile als in St.Gallen.
Staatskritische, verschwörungsanfällige Corona-Massnahmen-Kritiker hat es in der ländlichen Ostschweiz reichlich – einerseits im rechtskonservativen, andererseits im grün-esoterischen Milieu. Möglich, so Emmenegger, dass die Liste von Aufrecht demnach am ehesten die SVP oder die Grünen einige Stimmen koste, «aber nicht dramatisch». Sofern sich über die grundsätzliche Systemkritik hinaus ein Wahlprogramm der Bewegung skizzieren lasse, entspreche dieses «zu fast 100 Prozent der SVP», meint Emmenegger. «Und wer das will, wählt das Original.»
In den sozialen Medien erhält speziell Wortführer Millius viel Zuspruch. «Ein radikalisiertes Milieu, das sich in der Bubble zuklatscht», stellt der Politologe fest. Die Mehrheit habe sich grundsätzlich vom Staat entfremdet. Gängige Kommentare, in denen «Systemlinge» verachtet werden und das «grosse Aufwachen» erwartet wird, zeugen davon. Ob diese Entfremdeten nun einer Schweizer Inszenierung nach Vorbild Trumps – Motto: «Alles ist korrupt, aber wir spielen das falsche Spiel trotzdem mit» – folgen und an die Urne gehen, bleibe offen.
Auch Kanton und Gemeinden im Visier
Mit Aufrecht St.Gallen sei über die Bundesparlamentswahlen hinaus zu rechnen, gibt Marc Buschor zu verstehen. Jedenfalls bereite man sich auf die Kantonsratswahlen im Frühjahr 2024 vor und habe auch kommunale Wahlen im Fokus. «Aufrecht möchte im Sinne der Subsidiarität die regionalen und lokalen Strukturen wieder mehr stärken», erklärt Buschor. «Genau hier ist unser Platz. Entscheidungen sollen auf der tiefstmöglichen Stufe gefällt werden, wo der Bezug zur Sache noch genügend vorhanden ist.» Im Thurgau immerhin hat Aufrecht einen Sitz im Stadtparlament von Kreuzlingen inne – mit einem Politiker, der zuvor für die SVP im Rat sass.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/nationalratswahlen-aufrecht-kandidiert-mit-millius-trappitsch-und-jetzer-die-staatsverdrossenen-geben-der-politik-eine-letzte-chance-ld.2482149)
+++FUNDIS
Beschuldigter Chocolatier: Jürg Läderach äussert sich erstmals zu den Misshandlungs¬vorwürfen
Der ehemalige Chef des Schokoladenherstellers gibt in einem Interview Fehler zu. Er habe Warnsignale übersehen. Selber habe er aber keine Kinder geschlagen, betont er.
https://www.tagesanzeiger.ch/interview-in-christlichem-magazin-juerg-laederach-aeussert-sich-erstmals-zu-den-vorwuerfen-844919164250
-> https://www.20min.ch/story/missbrauchs-vorwuerfe-niemals-kinder-geschlagen-jetzt-redet-juerg-laederach-848920020047
-> https://www.watson.ch/schweiz/religion/741671619-juerg-laederach-aeussert-sich-erstmals-zu-den-vorwuerfen
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/jurg-laderach-aussert-sich-zu-vorwurfen-aus-srf-doku-66618613
-> https://www.blick.ch/schweiz/nach-misshandlungs-vorwuerfen-jetzt-bricht-juerg-laederach-sein-schweigen-id18990847.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/st-gallen/nach-skandal-doku-johannes-laederach-nimmt-seine-kinder-von-christlicher-schule-id18993635.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/st-gallen/nach-skandal-doku-st-galler-ermittler-pruefen-wiederaufnahme-von-verfahren-zu-schule-id18993391.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/laderach-freund-ist-tot-autorin-welt-ist-besserer-ort-ohne-ihn-66618394
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derbund.ch 29.09.2023
Vorwürfe belasten Freikirche: Die Läderachs im Sog der Fundamentalisten
Die Chocolatier-Familie steht wegen der Enthüllung um gezüchtigte Kinder im Kreuzfeuer. Nun nimmt CEO Johannes Läderach seine Kinder von der Schule.
Alexandra Aregger
Die ersten 20 Minuten spricht er ruhig, langsam, mit tiefer Stimme. Dann schreit der Mann ins Mikrofon: «Wie kann man nur den Himmel mit der Hölle vertauschen?!»
Erlo Stegen, der Kopf einer in Südafrika gegründeten und weltweit populären Freikirche, hält gerade eine eineinhalbstündige Predigt. Irgendwo in der Schweiz oder in Deutschland. So genau weiss man das nicht. Nur, dass sie im August 2014 gehalten wurde. Und den Titel trägt: «Gottes Verheissungen verfehlen».
Stegen ist der Gründer und langjährige Missionar der Gemeinschaft Kwasizabantu. Er sieht sich als Gesandter Gottes. Der deutschstämmige Südafrikaner spricht über «Fleischeslust». Über einen Mann, der sexuellen Begierden nachgibt. Und dafür in der Hölle schmort. Nur schon das Anschauen von Frauen bezeichnet er als «Pornografie». «Es ist eine grosse Schande, die direkt aus der Hölle kommt, unsittlich zu leben», sagt Stegen. Und warnt: «Frauen können eine grosse Gefahr sein.»
Es ist eine von rund 450 Predigten, die Stegens Anhängerschaft seit den 80er-Jahren aufgezeichnet und ins Netz gestellt hat. Stegen, der einen gottähnlichen Status genoss, verstarb am vergangenen Dienstag im Alter von 88 Jahren. Krankheitsbedingt. Inmitten einer Zeit, in der ein Ableger seiner Freikirche in der Schweiz in die Schlagzeilen geraten ist.
Stegen war ein langjähriger Weggefährte von Jürg Läderach. Jenem strenggläubigen Ex-Läderach-Patron, der vergangene Woche in einem Dokumentarfilm von SRF mit heftigen Vorwürfen konfrontiert wurde. Ehemalige Schülerinnen und Schüler der evangelikalen Privatschule Domino Servite – heute Christliche Schule Linth – schilderten, wie sie regelmässig mit Gürteln geschlagen wurden und einem System der Angst ausgesetzt waren. Auch Läderach wurde beschuldigt, an den Züchtigungen beteiligt gewesen zu sein.
Läderach bestreitet das vehement. Er geht rechtlich gegen jene vor, die ihn beschuldigen. In einem Interview gab er zu, die Zeichen zu lange nicht wahrgenommen zu haben. Er habe aber nie Kinder geschlagen.
Sein ältester Sohn und Nachfolger als Chef der Firma, Johannes Läderach, ging im Interview mit dieser Redaktion bereits auf Distanz zum «Unrecht der vorhergehenden Generation». Wie sein Sprecher nun bestätigt, haben der 37-Jährige und seine Frau Konsequenzen gezogen.
«Beide haben nunmehr entschieden, dass ihre Kinder zum Ende des Schuljahres die Schule wechseln werden.» Die Entscheidung sei «einzig und allein aus der Verantwortung gegenüber den Kindern getroffen worden», so der Sprecher. Man wolle den drei nicht zumuten, ständig mit einer Vergangenheit konfrontiert zu werden, «für die sie keine Verantwortung haben». Auch wenn die Schule heute eine «ganz normale» sei.
Die Freikirche hatte einst 40’000 Mitglieder
Die Schule gehört zur Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch. Bis vor vier Jahren hiess sie noch Missionswerk Kwasizabantu Schweiz.
Stegen spielt in dieser Geschichte eine zentrale Rolle. Er hat die Familie Läderach in einen gefährlichen Dunstkreis gezogen.
Die Missionsgemeinschaft Kwasizabantu hat ihren Ursprung in Südafrika, wo der deutschstämmige Stegen aufgewachsen war. Ab den 80ern gründete er Kwasizabantu-Ableger in ganz Europa – so auch in der Schweiz. Eine wichtige Rolle nahm sein älterer Bruder Friedel Stegen ein, der die europäischen Ableger betreute.
Zu ihrer Blütezeit zählte die Freikirche weltweit 40’000 Anhängerinnen und Anhänger. Die Brüder Stegen wollten auch in der Schweiz eine Kirchgemeinde gründen – und fanden mit Läderach offenbar einen Gleichgesinnten.
Wie sie sich kennen gelernt haben, will Jürg Läderach nicht kommentieren. Ein Gespräch mit dieser Redaktion lehnte er ab. Man glaube ihm ja sowieso nicht, liess sein Anwalt ausrichten.
Der Schokoladen-Patron war jedenfalls schon immer fromm, wuchs in einer Freikirche auf. 1995 übernahm Läderach mit Weggefährten den Hof Oberkirch im sankt-gallischen Kaltbrunn. Sie errichteten eine Freikirche und eine christliche Privatschule mit Internat, die Domino Servite.
Auch die Brüder Stegen aus Südafrika waren mit an Bord. Bis 2019 sassen sie im Vorstand des Missionswerks Kwasizabantu Schweiz.
Was ihre Lehre in der Realität bedeutet, sollte weit vor dem SRF-Dokumentarfilm ans Licht kommen. Bereits 1999 alarmierte ein Aussteiger der Freikirche die St. Galler Behörden. Eine Untersuchung verlief damals im Sand. Es fehlte gemäss Jürg Raschle an Beweisen für Rechtsverstösse. Der heutige Generalsekretär des Bildungsdepartements war damals bei der Untersuchung involviert.
Obwohl es Verdachtsmomente gegeben habe: Die Eltern hätten die Praktiken gutgeheissen, «womit die Verfehlungen nicht ans Licht kamen». Raschle spricht von einem «geschlossenen System». In diesem waren auch die sechs Kinder von Jürg Läderach gefangen.
Schwere psychische, körperliche und sexuelle Missbräuche
Jürg Läderach zog mit seiner Familie nach Kaltbrunn. Er schickte seine drei Söhne und drei Töchter in die Schule Domino Servite. Seine Frau Esther Läderach unterrichtete dort.
Was die Kinder dort erlebt haben, lässt sich nur erahnen. Diese Redaktion konnte mit mehreren Personen sprechen, die mit den Vorgängen im Innern der Schule vertraut sind oder waren. Alle sind überzeugt, dass auch die Läderach-Kinder Opfer der Züchtigungen waren. Sie bestätigen damit, was mutmassliche Opfer bereits im SRF-Film gesagt hatten.
Gegenüber dieser Redaktion sagte der älteste Sohn und heutige CEO der Firma, Johannes Läderach, er habe keinen körperlichen Missbrauch erlebt. Aber «ein Klima der Angst». Die drei Söhne wollen nicht weiter über das Erlebte sprechen. Eine erneute Anfrage zum Gespräch lehnten sie ab.
Ein Untersuchungsbericht zeigte im Sommer 2022 auf, welche Bedingungen an der Schule herrschten. Der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer befragte gemeinsam mit einem weiteren Rechtsanwalt gegen 500 ehemalige Schülerinnen und Schüler.
Die von der Mission Kwasizabantu vertretene Lehre hat gemäss Oberholzer zu Grenzüberschreitungen und teilweise schweren Missbräuchen in religiöser, psychischer, körperlicher und sexueller Hinsicht geführt. Er spricht unter anderem von einer Verhörpraxis, körperlichen Züchtigungsritualen, Unterdrückung der Frauen und Verteufelung zwischengeschlechtlicher Kontakte.
Zudem gab es Hinweise auf sexuelle Belästigung bis hin zu schwerstem sexuellem Missbrauch durch eine Lehrperson, den ehemaligen Missionspräsidenten sowie mehrere Seelsorger. Die allermeisten Fälle betreffen die Zeit vor 2002. Jürg Läderach wurde nicht erwähnt und somit auch nicht belastet.
2019 kommt es zum Bruch mit Südafrika
2018 übernahm Johannes mit seinen Brüdern David und Elias Läderach die Leitung des Unternehmens. Gleichzeitig sah sich die südafrikanische Mutterkirche mit etlichen Vorwürfen und Skandalen konfrontiert. Zumindest Johannes Läderach war damals noch Mitglied des Schweizer Missionswerks Kwasizabantu.
Zeuginnen und Zeugen berichteten im südafrikanischen Fernsehen von Vergewaltigungen, Prügelstrafen und anderen Gewaltformen. Missionar Erlo Stegen soll acht Millionen Franken veruntreut haben, um sich ein luxuriöses Leben zu finanzieren.
Das Schweizer Missionswerk spaltete sich in der Folge 2019 ab und benannte sich um in Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch. Aus der Schule Domino Servite wurde die Christliche Schule Linth. Die Stegens flogen aus dem Vorstand. Und Johannes Läderach trat aus der Freikirche aus.
Gleichzeitig sorgten Jürg und Johannes Läderach 2019 mit ihrem Engagement für den «Marsch fürs Läbe» und Aussagen zu Homosexualität und Abtreibung für Aufsehen. Vater und Sohn waren im Vorstand des mittlerweile aufgelösten Vereins «Christianity for Today», der den «Marsch fürs Läbe» mitbegründet hat.
Zwar gab es seit Jahren schon Vorwürfe gegen die Schweizer Freikirchengemeinde. Sie erteilte Oberholzer jedoch erst im September 2021 den Auftrag, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Wenige Wochen nachdem die SRF-Journalistin Eveline Falk die Verantwortlichen erstmals mit ihren Recherchen konfrontiert hatte.
Ein Generationenwechsel mit Fragezeichen
Anfang 2022 gab es schliesslich personelle Konsequenzen. Erste Erkenntnisse aus der Untersuchung zeigten bereits, dass es zu seelischer und körperlicher Gewalt gekommen war. Die Schule bat die Betroffenen öffentlich um Entschuldigung.
Sie verkündete einen 9-Punkte-Plan. Darin enthalten war unter anderem der Austausch aller Gemeindeverantwortlichen und des Schulrats. Im Juli schied auch Jürg Läderach aus dem Vorstand der Schule aus. In der Kirchgemeinde sitzt er bis heute in der Leitung.
Wie Recherchen zeigen, geschah dasselbe wie schon im Schokoladenreich: Es kam zu einem Generationenwechsel.
Die neue Schulleiterin an der Christlichen Schule Linth: eine der drei Töchter von Jürg Läderach. Die neue Vizepräsidentin des Schulvorstandes: die Tochter des zurückgetretenen geschäftsführenden Präsidenten der Kirchgemeinde.
Kann so ein Neustart gelingen?
Der Sprecher von Schule und Gemeinde – der auch Anwalt von Jürg Läderach ist – sagt, dass «Sippenhaft» den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Schweiz widerspreche. Der Neuanfang dürfe nicht allein wegen der Verwandtschaftsverhältnisse infrage gestellt werden. Sowieso habe die Christliche Schule Linth seit der Neuausrichtung vor vier Jahren mit Südafrika «rein gar nichts mehr zu tun».
Tatsache ist, dass die Familien Stegen und Läderach immer noch verbunden sind. Wie zwei voneinander unabhängige Quellen bestätigen, sind drei der sechs Läderach-Kinder mit Nachkommen von Friedel Stegen verheiratet.
Für Sektenkenner Hugo Stamm, der Läderachs Freikirche seit 20 Jahren beobachtet, ist der Fall klar. «Das war keine Abspaltung von Südafrika. Man hat einfach jene, die ins Kreuzfeuer gerieten, ins zweite Glied genommen.»
Zentral sei vor allem die DNA einer Freikirche. «Die altbiblischen Werte werden nicht anders ausgelegt, nur weil eine junge Generation kommt. Auch ihr oberstes Gebot heisst: Gehorsamkeit.»
(https://www.derbund.ch/vorwuerfe-belasten-freikirche-die-laederachs-im-sog-der-fundamentalisten-568716459921)