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+++BERN
Platzmangel im Berner Asylwesen: Grosser Rat gegen Mindeststandards in Asyl¬unterkünften
Die Suche nach Asylplätzen sei schon schwierig genug: Mit nur einer Stimme Unterschied spricht sich das Kantonsparlament gegen räumliche Vorgaben aus.
https://www.bernerzeitung.ch/platzmangel-im-berner-asylwesen-grosser-rat-gegen-mindeststandards-in-asylunterkuenften-971136510380
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/berns-kantonalparlament-knapp-gegen-mindeststandards-bei-asylunterkuenften-153501052
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/264567155-berns-grosser-rat-lehnt-mindeststandards-bei-asylunterkuenften-knapp-ab
Ein Jugendheim für Geflüchtete
Aus dem Jugendheim in Prêles soll ein Zentrum für Geflüchtete werden. Das steht im Berner Grossrat zur Diskussion
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2023-09-12
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ajour.ch 12.09.2023
Das Kantonsparlament will eine Asylunterkunft im ehemaligen Jugendheim Prêles
Am Dienstag hat der Grosse Rat einer Motion zugestimmt, die nach langer Zeit wieder für Leben im ehemaligen Jugendheim Prêles sorgen dürfte. Der Kanton soll dort Geflüchtete unterbringen.
Matthias Gräub
Sieben Jahre ist es her, dass das ehemalige Jugendheim in Prêles seine Türen schliessen musste. Es waren sieben Jahre voller gescheiterter und verworfener Pläne, wie man dem kantonseigenen Grundstück mit einem knappen Dutzend Gebäuden neues Leben einhauchen könnte. Für rund 40 Millionen Franken hatte man das Grundstück samt Umschwung vor gut zehn Jahren noch saniert und aufgemöbelt. Doch seit sieben Jahren steht es fast leer.
Nun wird ihm wieder Leben eingehaucht: Das Berner Kantonsparlament hat einem Vorstoss mit dem Titel «Ehemaliges Jugendheim Prêles endlich sinnvoll nutzen!» zugestimmt. Eine Reihe von Mitte-Grossrätinnen und -Grossräten, unter der Federführung von Anita Herren-Brauen, hat eine entsprechende Motion eingereicht, die den Regierungsrat in einer ersten Ziffer auffordert, den leer stehenden Raum in Prêles Geflüchteten zur Verfügung zu stellen. «Es macht Sinn, eigene Gebäude, die zur Verfügung stehen, auch zu nutzen», schreiben die Motionäre in ihrer Begründung. «Dies bedeutet für unseren Kanton einen Mehrwert.»
Insbesondere erwähnen die Motionärinnen zum einen unbegleitete jugendliche Asylsuchende und zum anderen Ukraine-Flüchtlinge, die besonders von der Infrastruktur in Prêles profitieren würden. Ziffer zwei der Motion besagt nämlich: «Die dort lebenden Kinder können direkt vor Ort beschult und Sitzgemeinden somit entlastet werden.»
Ein Teil schon bewohnt
Der Regierungsrat fand die Ideen in der Motion grundsätzlich gut. Regierungsrat und Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektor Pierre-Alain Schnegg (SVP) sagt: «Wir sind bereit, die Möglichkeiten zu überprüfen, wie das Zentrum verwendet werden kann.» Aktuell werde ein Teil davon bereits von Geflüchteten aus der Ukraine bewohnt.
Und man sei auch bereit, zu überprüfen, ob Kinder direkt in Prêles unterrichtet werden könnten. Grundsätzlich biete das ehemalige Jugendheim «viele Vorteile für Junge, die eine Ausbildung machen wollen», sagt Schnegg.
Der Kanton wollte also vieles prüfen, sich aber nicht ganz verbindlich zeigen. So zumindest interpretierten das die Motionärinnen. So kann auch die Tatsache interpretiert werden, dass der Regierungsrat das Geschäft zwar zur Annnahme vorschlug, jedoch in ein Postulat umwandeln wollte.
Ein Kompromiss, dem Motionärin Herren-Brauen bei Ziffer 2 zustimmte. Bei Ziffer 1 jedoch findet sie: «Hier bringt ein Postulat gar nichts, dann passiert nämlich nichts.» Mit einer Motion ist der Auftrag an den Regierungsrat und dessen Erfüllung viel besser überprüfbar. Bei einem Postulat liegt das weitere Vorgehen in erster Linie in den Händen des Regierungsrates.
Streitpunkt Schule
Im Grossen Rat war man sich grundsätzlich einig, dass ein leer stehendes Gebäude, das erst noch dem Kanton gehört, auch genutzt werden soll. Auch wenn Prêles nicht gerade zentral gelegen ist. Grossrätin Sandra Roulet Romy (SP) etwa fand: «Man lebt besser isoliert in Prêles als zentral in einer Zivilschutzanlage.»
Dennoch war es die SP, die sich noch am stärksten gegen den Vorstoss wehrte. Für die Partei ist das ehemalige Jugendheim zwar eine gute Lösung als Kollektivunterkunft, jedoch nur als Übergangslösung. Die berufliche, aber auch schulische Integration in die Gesellschaft leide in der Abgeschiedenheit des Tessenbergs. «Der Besuch der öffentlichen Schule ist das A und O für Kinder, um in einem neuen Daheim anzukommen», sagte Christa Ammann (AL) aus der Grünen-Fraktion.
Letztlich hat das Kantonsparlament die beiden Ziffern deutlich angenommen: die erste als Motion mit 104:32 Stimmen, die zweite als Postulat mit 96:40. Damit dürfte die mittelfristige Zukunft des ehemaligen Jugendheims in Prêles als Asylunterkunft feststehen. Welche Pläne der Regierungsrat dabei genau verfolgen wird, ist noch nicht entschieden, klar ist aber: Das Kantonsparlament wird ihm bei den weiteren Schritten auf die Finger schauen.
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Das Jugendheim Prêles
Das Jugendheim Prêles war ein Erziehungsheim für verhaltensauffällige junge Männer im Alter bis zu 22 Jahren. Es bestand ab 1929 und wurde mehrfach ausgebaut und renoviert, zuletzt 2012. Seit 1990 war die Institution vom Bund als Justizheim anerkannt. Per 31. Oktober 2016 wurde das Jugendheim aufgrund mangelnder Auslastung geschlossen. Rasch kam die Idee auf, Asylsuchende dort unterzubringen. Später war im ehemaligen Jugendheim eine Justizvollzugsanstalt (JVA) geplant, welche die JVA Thorberg ersetzen sollte. Dies wurde zunächst verworfen, stattdessen sollte eine Unterkunft für abgewiesene Asylsuchende entstehen. Dieser Plan wurde 2019 im Grossen Rat mit 80 zu 73 Stimmen versenkt. Prêles kam wieder auf den Radar als möglicher Gefängnisstandort. Im März 2022 wurde entschieden: Die neue JVA soll in Witzwil entstehen, nicht in Prêles. Nach Jahren des Leerstands kam im März 2022 wieder Leben in das ehemalige Jugendheim: Zeitweise bis zu 150 ukrainische Geflüchtete waren in drei Nebengebäuden der Institution untergebracht. Das Hauptgebäude blieb indes bislang leer.
(https://ajour.ch/de/story/157424/das-kantonsparlament-will-eine-asylunterkunft-im-ehemaligen-jugendheim-prles)
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Motion M 072-2023 Berger-Sturm (Grosshöchstetten, SP) Keine versteckten Einnahmen auf dem Buckel der Nothilfebeziehenden
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=8a0cd74092b3496082bec1a49d080641
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bernerzeitung.ch 12.09.2023
Asylunterkunft auf dem Brünig: Erfolgreiche Integration, auch dank den Freiwilligen
In der Casa Alpina leben seit Anfang Jahr Asylsuchende. Der Verein Asyl Berner Oberland und die Gemeinde Meiringen boten einen Einblick in ihren Alltag.
Murielle Buchs
«Der Betrieb auf dem Brünig läuft sehr gut. Die transparente Kommunikation mit den Bewohnern hat sich als Erfolgsrezept bestätigt.» Dies sagt Christian Rohr, Geschäftsführer des Vereins Asyl Berner Oberland (ABO), über die Kollektivunterkunft Casa Alpina für Asylsuchende. Sie wurde Anfang dieses Jahres eröffnet, um den steigenden Asylzahlen gerecht zu werden. Derzeit leben 52 männliche Asylsuchende und Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und der Türkei in der Unterkunft.
Einblick in das Leben der Geflüchteten
ABO betreibt die Casa Alpina auf dem Brünigpass sowie neun weitere Unterkünfte im Oberland im Auftrag des Kantons. Im August organisierte ABO gemeinsam mit der Gemeinde Meiringen einen öffentlichen Infoanlass für Interessierte, um Einblicke in das Leben von Geflüchteten im Oberhasli zu gewähren. Neben ABO und der Gemeinde kamen auch Bewohner der Casa Alpina sowie ukrainische Geflüchtete zu Wort (siehe Infobox).
«Die Bewohner der Casa Alpina bereiteten ein reichhaltiges Buffet für die rund 70 Gäste zu, die an der Veranstaltung teilnahmen», berichtet Christian Rohr. So seien alle miteinander ins Gespräch gekommen. «Der Anlass bot einen gelungenen Rahmen für die direkte Begegnung, für Informationen über das Leben der geflüchteten Menschen im Oberhasli sowie über freiwilliges Engagement.»
Massgebliche Unterstützung durch Freiwillige
Die Zusammenarbeit mit Freiwilligen ist eine zentrale Stütze für ABO. «Sie übernehmen eine wichtige Rolle als Brückenbauende zwischen den Geflüchteten und der einheimischen Bevölkerung», betont der ABO-Geschäftsführer.
«Spezifisch für die Region Meiringen werden Freiwillige für unterschiedliche Aktivitäten gesucht.» So zum Beispiel für das praktische Anwenden der deutschen Sprache mit den Geflüchteten. Diese besuchten professionelle Deutschkurse, doch im Alltag fehle es am aktiven Üben.
«Es gibt weitere Möglichkeiten, die Geflüchteten zu unterstützen», fährt Christian Rohr fort: «Sportangebote, Ausflüge oder Hilfe bei administrativen und alltäglichen Fragen.»
Die Bemühungen um Integration seitens aller Parteien würden sich lohnen, ist Rohr überzeugt. «Bereits 14 Bewohner der Casa Alpina absolvieren ein berufsvorbereitendes Schuljahr in Interlaken. Eine Person hat schon eine Anstellung gefunden.»
Gegenseitiges Verständnis
Doch weshalb leben in der Casa Alpina nur männliche Asylsuchende? «Der Standort auf dem Brünig liegt weit entfernt von der nächsten Schule und direkt an der Strasse», begründet Rohr. «Zudem ist die Unterkunft aufgrund der Raumaufteilung – es hat beispielsweise nur einen Waschraum – nicht für eine gemischte Nutzung oder für Familien geeignet.»
Einzelne Einheimische hätten «gewisse Bedenken» geäussert, als die Unterkunft Anfang Jahr in Betrieb genommen worden sei, weiss Daniel Studer, Gemeindepräsident von Meiringen. «Die Bedenken haben wir mit den einzelnen Personen besprochen. Ein grosser Widerstand ist uns nicht bekannt.»
Die Bevölkerung habe die Bewohner der Casa Alpina sowie die ukrainischen Flüchtlinge freundlich willkommen geheissen. «Das wird auch von den Geflüchteten selbst bestätigt», so Studer.
Unterkunft auf dem Brünig bleibt
Die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen der Gemeinde Meiringen und ABO funktionierten sehr gut. «Darüber sind wir sehr froh», sagt der Gemeindepräsident und betont: «Ich danke allen Beteiligten – den Einheimischen und den Geflüchteten – für das gegenseitige Verständnis, die Freundlichkeit und das Engagement für eine gelingende Integration.»
Das gegenseitige Verständnis und das Engagement sind aktuell umso wichtiger. Angesichts der hoch bleibenden Zahl von Asylgesuchen und der Prognosen von Bund und Kanton wird die Unterkunft auf dem Brünig wohl weiterhin benötigt, davon gehen sowohl ABO als auch die Gemeinde Meiringen aus.
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Ukrainer
Ukrainische Geflüchtete werden ebenfalls im Auftrag des Kantons durch den Verein Asyl Berner Oberland (ABO) betreut. In der Region Oberhasli befindet sich keine Kollektivunterkunft für Ukrainerinnen und Ukrainer. Im Oberland liegen diese in Grindelwald, Oberhofen, Ringgenberg und, bis Ende August, in Wimmis. Die ukrainischen Geflüchteten im Oberhasli leben in Gastfamilien oder in eigenen Wohnungen. ABO unterstützt sie bei der Integration und stellt die Sozialhilfe sicher.
Die Ukrainerin Anastasia Zhuk, die zusammen mit ihrem Sohn seit März 2022 in der Region Meiringen lebt, betont, wie wichtig der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung ist. «Als wir in Meiringen ankamen, wurde uns von Freiwilligen geholfen. Sie haben uns eine Unterkunft ermöglicht und uns beim Ankommen unterstützt. Dafür bin ich sehr dankbar.» Gleichzeitig seien die Eigeninitiative und das Erlernen der Sprache wesentliche Schlüssel für die Integration.
Zusammen mit Freiwilligen verkauft eine Gruppe ukrainische Geflüchtete auf dem Samstagsmarkt in Meiringen selbst gemachtes Gebäck. «Hier kommen wir mit den Einheimischen in Kontakt – eine Bereicherung für uns alle», freut sich eine Teilnehmerin. (mba)
(https://www.bernerzeitung.ch/asylunterkunft-auf-dem-bruenig-erfolgreiche-integration-auch-dank-den-freiwilligen-561716877582)
+++SCHWEIZ
Ständerat gegen humanitäre Aktion für Langzeit-Nothilfebezüger
Nothilfe beziehende Personen aus altrechtlichen Asylverfahren erhalten keine zweite Chance auf eine reguläre Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Der Ständerat hat am Dienstag einen im März vom Nationalrat angenommenen Vorstoss mit dieser Stossrichtung abgelehnt. Er ist damit erledigt.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230912093502835194158159038_bsd052.aspx
-> https://www.blick.ch/politik/vorstoss-aus-nationalrat-abgelehnt-staenderat-gegen-humanitaere-aktion-fuer-langzeit-nothilfebezueger-id18933436.html
-> https://www.blick.ch/politik/staenderat-stefan-engler-wir-machen-keine-betroffenheits-politik-fuer-einzelne-id18933859.html
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/nothilfe-staenderat-laesst-menschen-in-langzeitnothilfe-im-stich
-> https://www.watson.ch/schweiz/session/224941521-staenderat-ist-gegen-humanitaere-aktion-fuer-langzeit-nothilfebezueger
+++MITTELMEER
Flüchtlingshelfer aus dem Wendland: Atomkämpfer werden Seenotretter
Atomkraftgegner:innen wollen jetzt Flüchtlinge im Mittelmeer retten. Das Segelboot „Trottamar III“ hat seinen ersten Einsatz bereits hinter sich.
https://taz.de/Fluechtlingshelfer-aus-dem-Wendland/!5957259/
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Befristeter Standplatz für Fahrende: Füllinsdorf erhebt Einsprache gegen BUD-Baugesuch
Die Fahrenden bedauern die Absage, die Gemeindepräsidentin hält den Aufenthalt neben der Kläranlage für eines Menschen unwürdig.
https://www.bazonline.ch/befristeter-standplatz-fuer-fahrende-fuellinsdorf-erhebt-einsprache-gegen-bud-baugesuch-285173118266
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Marco Rima am Bildungstags-Podium
Corona-Massnahmenkritiker als Diskussionsteilnehmer umstritten
Kaum ein politischer Vorstoss hat in letzter Zeit so grosse Aufmerksamkeit ausgelöst wie jener von SP-Kantonsrat und Schulpräsident Guido Etterlin. Er stellt der St.Galler Regierung die Frage: «Was hat ein Corona-Massnahmenkritiker auf dem obligatorischen Bildungstags-Podium Sekundarstufe II zu suchen?»
https://st-galler-nachrichten.ch/st-gallen/detail/marco-rima-am-bildungstags-podium
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Basler Zeitung 12.09.2023
«Covid als Biowaffe»: Internationaler Verschwörungs-Star tritt in Duggingen auf
Der Anlass findet zwar in einer anthroposophischen Einrichtung statt, damit zu tun habe die Bewegung aber nichts, sagt sie.
Mirjam Kohler
«US-Regierung und Pharma entwickeln seit Jahrzehnten biologische Waffen. Covid-19 war der vorläufige Höhepunkt dieser Operation.» Das soll gemäss einer gut unterrichteten Quelle das Hauptthema eines Referats von David E. Martin sein, das am Dienstagabend in Duggingen stattfinden soll.
Martin ist seit seinen Auftritten in den US-Verschwörungsblockbustern «Plandemic» in der impfskeptischen Community ein internationaler Star.
Stattfinden soll der Vortrag in der Eurythmie-Schule in Duggingen. Eurythmie ist ein anthroposophisches Konzept. Dass dem einschlägig bekannten und mehrfach widerlegten Verschwörungsideologen ausgerechnet dort eine Plattform geboten wird, erstaunt Experten nicht.
Kritisch gegenüber Staat und Wissenschaft
Oliver Nachtwey, Soziologieprofessor an der Universität Basel, forscht rund um die Corona-Protestbewegung. Er sagt, die Anthroposophie sei einer der grossen Treiber der Proteste. Dabei spiele insbesondere auch eine Rolle, dass die Bewegung grundsätzlich eine kritische Einstellung gegenüber dem Staat und der Wissenschaft habe.
Der deutsche Journalist Oliver Rautenberg, der sich seit Jahren kritisch mit der Anthroposophie auseinandersetzt, findet deutliche Worte «Die Anthroposophie ist selbst eine Verschwörungstheorie», sagt er und verweist auf den deutschen Religionshistoriker Helmut Zander, der sagt, Verschwörungsmythen seien die DNA der Anthroposophie.
Das liege daran, dass die Bewegung an versteckte Wahrheiten glaube, die nur Eingeweihte kennen würden, und an den Kampf von Gut gegen Böse. Diese Denkweise sei bei Verschwörungserzählungen zentral, und das, so Rautenberg, erkläre die Offenheit der Anthroposophie gegenüber Verschwörungserzählungen.
Corona für viele noch immer ein grosses Thema
Es sei auch nicht so, dass der Vortrag von David E. Martin eine Ausnahme sei, betont Rautenberg und verweist auf andere Veranstaltungen mit Personen aus dem verschwörungsideologischen Milieu, die in der anthroposophischen Bewegung Plattformen erhalten.
Derzeit ist die Pandemie aus den Schlagzeilen verschwunden und spielt in der Lebensrealität vieler Menschen kaum eine Rolle. Aber Bewegungen wie Mass-voll oder auch die anthroposophische Medizinvereinigung Aletheia, die zur Demonstration «Für Friede, Freiheit und Souveränität» in Basel aufrufen, beackern das Thema weiter. Auch der Anlass in Duggingen deutet darauf hin, dass das Thema weiter beschäftigt.
Nachtwey sagt, das liege daran, dass viele Massnahmenkritiker im Rahmen der Pandemie einen «Generalverdacht» entwickelt hätten, der sich auch über die Pandemie hinaus zeige.
Anlass werde privat organisiert
Auf Nachfrage dieser Zeitung bei den Organisatoren des Vortrags von David E. Martin sagen diese, es handle sich um einen vollständig privaten Anlass ohne jeglichen Bezug zur Anthroposophischen Gesellschaft oder zum Goetheanum. «Um klar zu sein: Es sind nicht anthroposophische Kreise oder Institutionen, die diese Plattform bieten», heisst es in der Stellungnahme.
Die Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft führte den Anlass in ihrem Eventkalender. Darauf angesprochen, antwortet ein Vorstandsmitglied: «Es war uns nicht bewusst, dass die Veranstaltung auf die Website geladen wurde.» «Selbstverständlich» werde der Hinweis umgehend vollständig gelöscht.
Zu den Vorwürfen, namentlich jenem, dass die anthroposophische Bewegung einen Hang zu Verschwörungserzählungen zeige, äussert sich die Anthroposophische Gesellschaft nicht.
(https://www.bazonline.ch/covid-als-biowaffe-internationaler-verschwoerungs-star-tritt-in-duggingen-auf-876910821677)
++++SATANIC PANIC
tagblatt.ch 12.09.2023
Klinik soll Hinweise ignoriert haben: Ein Psychiater über Verschwörungstheorien und falsche Diagnosen in Littenheid
Hinweise auf Verschwörungserzählungen in über 200 Patientenakten: Ein Gutachten der Clienia Littenheid wirft Fragen auf. Der forensische Psychiater Frank Urbaniok kritisiert die Klinik und erklärt, was eine falsche Diagnose mit Satanismus zu tun hat.
Stefan Marolf
Nach enthüllenden Medienberichten im Zusammenhang mit Satanismus und ritueller Gewalt hat die Clienia Littenheid 422 Akten von Patientinnen und Patienten mit dissoziativen Identitätsstörungen (DIS) untersuchen lassen. In mehr als der Hälfte der Akten wurden Hinweise auf Verschwörungserzählungen gefunden.
Frank Urbaniok lehrt als Professor für forensische Psychiatrie an den Universitäten Konstanz und Zürich. Der 61-Jährige schätzt die Ergebnisse aus Littenheid ein.
Sind Sie von den Ergebnissen des Gutachtens überrascht?
Frank Urbaniok: Ich bin seit zwei Jahren tief in dieser sehr vielschichtigen Thematik drin und war am Anfang überrascht vom Ausmass. Mittlerweile aber nicht mehr – es hat sich abgezeichnet, dass das Problem auch in Littenheid umfassend ist.
Wie kann sich eine Verschwörungserzählung wie jene des rituellen satanistischen Missbrauchs derart etablieren?
So wie unser Gehirn evolutionär gestrickt ist, besteht die Tendenz, dass gefühlte Wahrheiten eine Eigendynamik annehmen und die Realität verdrängen können. Es entstehen falsche Theorien, die gegen Fakten immun sind. Manche Menschen sind hierfür anfällig, andere weniger. 50 Prozent der amerikanischen und 30 Prozent der europäischen Bevölkerung neigen dazu, solche Theorien auf Gedeih und Verderb zu verteidigen.
Und wie schafft es eine solche Theorie in die Psychiatrie?
Die Psychiatrie ist mit ihrem Denkmodell des Unbewussten besonders anfällig: Wenn ein Therapeut vermeintlich das Unbewusste seiner Patientin kennt, weiss er aus ihrer Sicht Dinge, die sie gar nicht wissen kann. So kann er etwas in sie hineinprojizieren, das sie nicht hinterfragt, weil er der Therapeut ist und es wohl wissen wird.
Erst recht, wenn die Patientin eine dissoziative Identitätsstörung hat?
Die DIS ist das doppelte Einfallstor für diese Problematik. Wenn der Therapeut seiner Patientin erzählt, sie habe Persönlichkeitsanteile, von der sie nichts weiss, ist es für ihn umso einfacher, ihr seine Überzeugungen überzustülpen.
Anhänger von Verschwörungserzählungen gehen davon aus, dass eine von hundert Personen betroffen ist. Wie häufig ist die DIS tatsächlich?
Die DIS ist hip und gnadenlos überdiagnostiziert. Vor zwei Jahren habe ich noch die Position vertreten, dass sie in seltenen Fällen als Überlebensmechanismus bei Traumata vorkommt. Mittlerweile frage ich mich, ob es die DIS als Diagnose überhaupt geben sollte.
Woher kommen die Zweifel?
In allen Fällen, die ich kenne, war die DIS falsch diagnostiziert. Ich habe selbst Patientinnen und Patienten, die rückblickend sagen, sie hätten sich etwas einreden lassen. Das einzige Argument jener, die nicht an der DIS zweifeln, ist der Fakt, dass sie so oft diagnostiziert wird. Dabei mehren sich für mich die Hinweise, dass das ganze Konstrukt problematisch und erfunden ist.
Glauben Therapeutinnen und Therapeuten, die im Zusammenhang mit vermeintlichem Satanismus eine DIS feststellen, tatsächlich an Verschwörungstheorien?
Der Oberarzt, der in Littenheid entlassen wurde, hat sich damit offensichtlich identifiziert. Ich unterstelle ihm deshalb nicht, dass er bewusst etwas Falsches vertreten hat – was die Sache aber nicht weniger problematisch macht.
Trotzdem hat ihn lange niemand gestoppt. Hätte die Klinik früher reagieren können oder müssen?
Ja. Es gab Mitarbeitende und Angehörige von Patientinnen, die auf Probleme hingewiesen haben. Nur wollte man das in Littenheid lange nicht wahrhaben.
Trägt auch der Kanton eine Mitschuld?
Für Aufsichtsbehörden ist es wahnsinnig schwierig, hinter die Kulissen zu sehen. Der Kanton muss darauf vertrauen können, dass in Littenheid die Qualitätssicherung und die Führung funktionieren.
Das war ganz offensichtlich nicht der Fall – trotzdem stand der Klinikdirektor nie zur Debatte. Was halten Sie davon?
Ich gehe davon aus, dass er zumindest von den Hinweisen gehört hat. Die Klinikleitung war von den Enthüllungen sicher weniger überrascht, als sie es damals dargestellt hat. Man hat am Anfang versucht, die Probleme unter dem Deckel zu halten – das war meiner Meinung nach falsch.
Mittlerweile hat die Clienia die ärztliche Direktorin entlassen und unter anderem das Therapiekonzept überarbeitet. Reicht das?
Ich nehme der Klinik ab, dass sie aus ihren Fehlern gelernt hat und es in Zukunft besser machen will. Diese Bemühungen sollte man nicht blockieren. Aber: Man darf nicht zu früh zur Tagesordnung übergehen.
Ab Januar 2024 will die Klinik wieder DIS-Patientinnen und -Patienten zur stationären Psychotherapie aufnehmen.
Das ist ein absolut richtiges Ziel. Dass Patientinnen und Patienten aus ihrer Therapie rausgefallen sind, war eine tragische Nebenwirkung der Probleme in Littenheid. Es muss möglich sein, die Betroffenen ab 2024 wieder zu versorgen.
Der Gutachter hat keine Hinweise auf direkte Schädigungen von Patientinnen und Patienten gefunden. Glauben Sie das?
Ich kann mir zumindest vorstellen, dass traumatisierte Patientinnen und Patienten zu lange in eine falsche Richtung behandelt wurden. Es ist vielleicht nicht zu Suiziden gekommen, aber zu sagen, es sei insgesamt nie Schaden eingetreten, scheint mir gewagt.
Wie stellt die Clienia sicher, dass Verschwörungserzählungen in Littenheid keine Zukunft haben?
Die Klinik kann ihre Therapien besser überwachen, das Personal besser schulen, aber am Ende ist es eine Frage der Führungskultur. Die Clienia tut gut daran, künftig transparent und ergebnisoffen zu handeln und kritische Stimmen als Gewinn zu sehen.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kanton-thurgau/satanic-panic-klinik-soll-hinweise-ignoriert-haben-ein-psychiater-ueber-verschwoerungstheorien-und-falsche-diagnosen-in-littenheid-ld.2512476)