Medienspiegel 23. August 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Hilfe für SEM: Kanton Bern meldet unterirdische Zivilschutzanlage
Bis gestern Abend mussten die Kantone dem Staatssekretariat für Migration SEM Zivilschutzanlagen melden. Dies als Notreserve für Asylsuchende. Auf Anfrage des Regionaljournals heisst es beim Kanton, dass die unterirdische Zivilschutzanlage an der Mingerstrasse in der Stadt Bern gemeldet wurde.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/hilfe-fuer-sem-kanton-bern-meldet-unterirdische-zivilschutzanlage?id=12442771


Die Asylunterkunft Wolfisberg wird (noch) nicht eröffnet
Bis zu 120 Leute sollten Ende August ins ehemalige Hotel Alpenblick in Wolfisberg ziehen. Doch nun wird die Eröffnung verschoben, die Gemeinde Niederbipp hat einen Baustopp verfügt. Und sollte die Unterkunft doch noch öffnen, dürften weniger Asylsuchende kommen als zuerst vorgesehen.
https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/die-asylunterkunft-wolfisberg-wird-noch-nicht-eroeffnet-153113895?autoplay=true&mainAssetId=Asset:152356152


+++BASEL
BS und BL: Keine weiteren Zivilschutzanlagen für Geflüchtete
Die beiden Basel lehnen die Anfrage des Bundes ab, weitere Zivilschutzanlagen für Asylsuchende zur Verfügung zu stellen. In beiden Kantonen heisst es, dass sie bereits genug Unterkünfte zur Verfügung gestellt hätten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/bs-und-bl-keine-weiteren-zivilschutzanlagen-fuer-gefluechtete?id=12442744


+++ST. GALLEN
tagblatt.ch 23.08.2023

«Die Verteilung wird schwieriger»: Zustrom von Flüchtlingen bringt St.Galler Gemeinden an den Anschlag

Im neuen Flüchtlingszentrum in Ebnat-Kappel wohnen ab Januar 120 junge Männer vor allem aus Afghanistan. Ihnen begegnet die Bevölkerung mit weniger Wohlwollen als den ukrainischen Frauen und Kindern in Kirchberg und Thal. Den diffusen Ängsten hält der Betreiberverein seine beharrliche Integrationsarbeit entgegen.

Marcel Elsener

Die Zahl minderjähriger Flüchtlinge im Kanton St.Gallen hat sich innerhalb von eineinhalb Jahren verfünffacht: Waren es Anfang 2022 noch 42 Personen, sind es aktuell 199, allesamt junge Männer, und fast alle, will heissen 87 Prozent, aus Afghanistan. Der rasche Anstieg und der anhaltende Zustrom erfordern vom Trägerverein Integrationsprojekte St.Gallen (TISG), zuständig für die Verteilung der Asylsuchenden auf die St.Galler Gemeinden, zusätzliche Unterkünfte vor der Zuteilung an die Gemeinden: Ab Januar nutzt er den Altbau des Alters- und Pflegeheims Wier in Ebnat-Kappel als Flüchtlingszentrum mit bis zu 120 Plätzen.

Mit diesem Haus schafft der Trägerverein das fünfte Flüchtlingszentrum im Kanton: Er betreibt bereits Unterkünfte im nahen Nesslau (Seeben), in Uzwil (Marienfried), Thal (Marienburg) und in Eggersriet (Landegg). Dabei dienen die Häuser in Eggersriet, Nesslau und Uzwil vorwiegend als Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge, die im Asylwesen neuerdings mit dem in der Romandie gängigen Kürzel MNA (Mineurs non accompagnés) statt wie bisher UMA (unbegleitete minderjährige Asylsuchende) bezeichnet werden.

Angst vor Vorfällen, die es bisher aber nicht gab

Die MNA grösstenteils aus Afghanistan wecken in der Bevölkerung Ängste und stossen teilweise auf Ablehnung, wie sich an einer Informationsveranstaltung am Montag im Toggenburger Dorf zeigte. Vor über 200 Personen herrschte nicht nur wegen der Temperatur von über 30 Grad eine hitzige Stimmung, in der mehrere Votanten Angst vor Übergriffen vor allem auf Frauen äusserten und den Schutzstatus der Jugendlichen als echte Flüchtlinge anzweifelten, die doch eher «Glücksritter» seien. Der Gemeinderat begrüsst hingegen das Flüchtlingszentrum einstimmig.

Freilich sei die Akzeptanz «ganz anders» als gegenüber den ukrainischen Frauen und Kindern in Kirchberg, wo in der Rosenau eineinhalb Jahre lang bis zu 220 Kriegsflüchtlinge Platz fanden, stellt TISG-Geschäftsführerin Claudia Nef fest. Doch konnten die Verantwortlichen, darunter die Gemeindepräsidenten von Ebnat-Kappel und Nesslau, versichern, dass es an den andern Orten mit Jugendlichen keine Aggressionen gegen die Bevölkerung gegeben habe und die Sorgen aufgrund der guten Erfahrungen grundlos seien. Die grosse Mehrheit gehe «gern, regelmässig und motiviert» in die Schule und schätze den geregelten Tagesablauf und die Rundumbetreuung.

Den problemlosen Betrieb in den Flüchtlingszentren mit jungen Männern bestätigt auch die Polizei. Wenn sie in den letzten Wochen fast täglich von Autoeinbrüchen und Diebstählen berichtete, betrafen diese ausschliesslich Asylsuchende aus nordafrikanischen Ländern mit wenig Aussichten auf eine Aufenthaltsbewilligung. «Die von uns betreuten jungen Männer wollen vorwärtskommen und wissen, dass sie viel zu verlieren zu haben, wenn sie delinquieren», sagt Nef.

Gemeinden an der Kapazitätsgrenze, Mitarbeitende erschöpft

Dass in Ebnat-Kappel allgemein Stimmung gegen Asylsuchende gemacht werde und eine grössere, orchestrierte Bewegung entstanden sei, verneint Claudia Nef. Allerdings formiert sich Widerstand. Die SVP Toggenburg hat sich bislang nicht offiziell zum Vorhaben geäussert. «Ich kann leider nicht ausschliessen, dass es im Herbst giftiger wird», sagt sie und verweist auf die kippende Stimmung gegenüber den Flüchtlingen, auch gegenüber jenen aus der Ukraine. Bekannt gewordene Fälle von Grossfamilien oder Privilegierten, die aus anderen europäischen Ländern in die Schweiz reisten, um ihre Situation zu «optimieren», wirken verheerend.

Die TISG-Geschäftsführerin verhehlt nicht, dass die Verteilung der Flüchtlinge auf die 75 Gemeinden des Kantons schwieriger geworden ist. Bei aktuell rund 9400 Personen mit Bleiberecht in den Gemeinden, Personen ohne Asylentscheid (N-Status) nicht eingerechnet, sei eine «massive Sättigung» erreicht, sagt Nef. «Viele Mitarbeitende mögen nicht mehr, die letzten eineinhalb Jahre haben viele stark gefordert.» In vielen Gemeinden sei der Wohnraum erschöpft, liessen sich kaum mehr Vermieter finden und seien die gemeindeeigenen Liegenschaften voll.

Seitens Bund wird ein deutlicher Anstieg der Gesuchszahlen für den Herbst prognostiziert. Mit Blick darauf sind alle drei Staatsebenen auf der Suche nach passenden Liegenschaften. Es kommt laut Nef vor, dass Bund, Kanton, Gemeinden den gleichen Ort anvisierten. «Unsere Herausforderungen bleiben: Haben wir genug Plätze, gibt es genügend Schul- und Betreuungsangebote, können wir die Leute gut verteilen?»

Berufseinstiegsangebote und Wohngemeinschaften ausgebaut

Zuversichtlich stimmen die Trägervereins-Verantwortlichen die schulische Integration und die zahlreicheren Ausbildungsplätze – letztlich der wichtigste Erfolgsfaktor für das Weiterkommen in der hiesigen Gesellschaft. Jüngst sind Brückenangebote ausgebaut worden, beispielsweise jene des GBS: Im vergangenen Schuljahr besuchten dort 120 junge Flüchtlinge die Integrationskurse und wurden zusätzlich seit Mai 2022 in neun eigenen Klassen 130 ukrainische Jugendliche beschult.

Entsprechend stark gewachsen – und begehrt – ist auch das TISG-Angebot begleiteter Aussenwohngruppen. Dort wohnen junge Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, die ein Brückenjahr, ein Praktikum oder eine Lehre absolvieren. Unter den derzeit 31 WGs mit gut 150 Personen findet sich auch die 6er-WG im obersten Geschoss der Villa am Fuss des Rosenbergs, wo der Trägerverein seinen Hauptsitz hat. «Die Begleitung vom Team Aussenwohngruppen wird von den Flüchtlingen wie auch von den Lehrpersonen und Arbeitgebenden gleichermassen geschätzt», heisst es im aktuellen Jahresbericht. «Ziel ist es, Abbrüche von Ausbildungen zu verhindern. Dies gelingt in vielen Fällen.»

Schliesslich konnten die «Steigbügel in eine Berufsausbildung» ausgebaut werden, sprich die seit 2018 angebotenen Integrationsvorlehren, finanziert vom Bund und unter Obhut des kantonalen Bildungsdepartements. Im Juni schlossen 51 jugendliche Flüchtlinge eine solche Vorlehre in den Bereichen Gastronomie, Pflege, Mechatronik, Baugewerbe und Detailhandel ab. Nun konnte das Angebot dank der Zusammenarbeit mit einem weiteren Fachverband um den – begehrten – Bereich Automobil erweitert werden. «Das Engagement lohnt sich in vielerlei Hinsicht», sagt Claudia Nef – und hofft, dass dies auch fürs neue Zentrum in Ebnat-Kappel gilt.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/fluechtlingszentren-die-verteilung-wird-schwieriger-zustrom-von-fluechtlingen-bringt-stgaller-gemeinden-an-den-anschlag-ld.2503508)


+++SCHWEIZ
Afghanen und Afghaninnen bekommen grünen Schweizer Pass – 10vor10
Anträge auf einen Ausweis von Personen aus Afghanistan, die keine Papiere haben, wurden bis jetzt abgelehnt. Nun wird es auch für sie möglich, den grünen Schweizer Pass für ausländische Personen zu bekommen und damit auch wieder Reisefreiheit.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/afghanen-und-afghaninnen-bekommen-gruenen-schweizer-pass?urn=urn:srf:video:1be438bd-eb7e-4bf2-8d9d-83137b2ad739


Verbesserung der Effizienz der Grenzkontrollen und des Schutzes der Schengen-Aussengrenzen
Die Schweiz soll an der Stärkung des Schutzes der Schengen-Aussengrenze mitwirken. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 23. August 2023 die entsprechende Botschaft ans Parlament überwiesen. Durch die Schaffung eines neuen Fonds wird die Effizienz der Grenzkontrollen und damit der Schutz der Schengen-Aussengrenzen verbessert. Der Fonds unterstützt insbesondere jene Schengen-Staaten, die aufgrund ihrer geographischen Lage hohe Kosten für den Schutz der Aussengrenzen tragen, und ist damit ein wichtiges Solidaritätsinstrument.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-97405.html
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/eu-schweiz-soll-300-millionen-euro-fur-grenzsicherheit-einzahlen-66581597
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/fuer-schutz-der-aussengrenzen-bundesrat-will-300-millionen-euro-in-schengen-fonds-einschiessen


(FB Solidarittätsnetz)
Legalisierung von Menschen im «Nothilfe-Regime» droht zu scheitern! Wir fordern: Der Ständerat muss nun umdenken. #keinMenschistillegal #stopIsolation
Mehr: https://twitter.com/SolinetzBE/status/1694322137517985949



Nothilfe beziehende Personen im Asylbereich: Keine Änderungen notwendig

In der Frühjahrssession hat der Nationalrat eine Motion angenommen, wonach Asylsuchenden, welche gemäss früherem Asylrecht beurteilt worden sind und schon lange Nothilfe erhalten, eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden soll (21.3187 Mo. Ausserordentliche humanitäre Aktion für Nothilfe beziehende Personen aus altrechtlichen Asylverfahren). Die SPK des Ständerates spricht sich mit 9 zu 4 Stimmen gegen die Motion aus. Diese betrifft Personen mit einem rechtskräftig abgelehnten Asylgesuch beziehungsweise einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid, welchen die Rückkehr in ihren Heimatstaat zugemutet werden kann. Es wäre aus Sicht der Kommissionsmehrheit rechtsstaatlich bedenklich und würde auch das Rechtsgleichheitsgebot verletzen, wenn für eine bestimmte Gruppe von Personen pauschal eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird. In persönlichen Härtefällen sind heute schon Ausnahmen möglich und es kann im individuellen Verfahren eine Bewilligung erteilt werden. Es sollen auch keine Zeichen gegeben werden, dass sich Widerstand gegen eine Rückführung lohnt.

Eine Minderheit der Kommission ist der Ansicht, dass die Motion den Kantonen beachtliche Kostensenkungen erlaubt und die Integration von Personen, die voraussichtlich in der Schweiz bleiben, erleichtert hätte.

Schutzstatus S

Die Kommission hat sich über die Situation der Geflüchteten aus der Ukraine informieren lassen. Dabei hat sie sich insbesondere für deren Integration in den Arbeitsmarkt interessiert und erfahren, welche Massnahmen in Betracht gezogen werden können, um diese zu verbessern. Die Kommission hat sich auch vom Leiter der Evaluationsgruppe Status S, Urs Hofmann, alt-Regierungsrat AG, über deren Schlussbericht informieren lassen. Dieser Bericht kommt zum Schluss, dass sich die bestehenden Regelungen bewährt haben. Es wird von einer übereilten Anpassung des Status S abgeraten. Allenfalls mehr Sinn machen würde eine gesamthafte Überprüfung in Zusammenhang mit dem Status der vorläufigen Aufnahme. Es ist deshalb vorgesehen, dass die Evaluationsgruppe ihre Arbeit fortsetzen wird und diese Gesamtevaluation vornimmt. Sie soll Handlungsoptionen aufzeigen für gesetzliche Anpassungen.

Die Kommission hat am 22. August 2023 unter dem Vorsitz von Ständerat Mathias Zopfi (GL, G) in Bern getagt.
(https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-s-2023-08-23.aspx)



Schwimmprojekt für Geflüchtete: Sara wagt den Schritt ins Wasser
Viele in die Schweiz geflüchtete Menschen können nicht schwimmen. Entsprechende Kurse sind oft Monate im Voraus ausgebucht. Ein Zürcher Verein versucht deshalb einen neuen Weg: Freiwillige sollen Geflüchteten selbstständig das Schwimmen beibringen. Wir haben zwei Projektteilnehmerinnen ins Freibad begleitet.
https://tsri.ch/a/ywTW89t5ycDWXKUw/schwimmprojekt-fuer-gefluechtete-sara-wagt-den-schritt-ins-wasser


+++GRIECHENLAND
Verbrannte Migranten in Griechenland: Eine neue Qualität
18 Geflüchtete sterben bei Waldbränden in Griechenland. Migranten werden beschuldigt, die Feuer gelegt zu haben. Es trifft wieder die ganz unten.
https://taz.de/Verbrannte-Migranten-in-Griechenland/!5951055/


+++ITALIEN
Unterwegs an Europas Grenzen: Italien
Regelmäßig nehmen Schutzsuchende mit Booten aus Tunesien und Libyen den gefährlichen Weg über das Mittelmeer auf sich, um nach Lampedusa, Sizilien oder auf das italienische Festland zu gelangen. Wir sind genau an diese Orte gereist und haben das von PRO ASYL unterstützte Projekt Maldusa besucht.
https://www.proasyl.de/news/unterwegs-an-europas-grenzen-italien/


Weiteres deutsches Seenotrettungsschiff in Italien festgesetzt
Italienische Behörden haben erneut das Rettungsschiff „Sea-Eye 4“ der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye festgesetzt. Ihr wird ein Verstoß gegen ein umstrittenes Dekret der Regierung vorgeworfen. Auch weitere Schiffe sind betroffen.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/weiteres-deutsches-seenotrettungsschiff-in-italien-festgesetzt,TnjY5QT


Italien setzt weitere Seenotrettungsschiffe fest
Mit der „Sea-Eye 4“ und der „Open Arms“ sind zwei weitere Schiffe privater Hilfsorganisationen vorerst in italienischen Häfen festgesetzt worden. Den Betreibern drohen hohe Geldbußen.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/flucht-mittelmeer-italien-schiffe-festgesetzt-100.html
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-08/seenotrettung-mittelmeer-open-arms-festgesetzt?utm_campaign=ref&wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.sf&utm_content=zeitde_redpost+_link_sf&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_medium=sm&utm_referrer=twitter


+++MITTELMEER
Seenotrettung: Kein Ton von den Behörden
Der Filmemacher Davide Tisato heuerte auf der «Open Arms» an, um eine Mission des Rettungsschiffs zu filmen. Hier berichtet er, wie die Crew an einem Tag fast 300 Menschen rettete.
https://www.woz.ch/2334/seenotrettung/kein-ton-von-den-behoerden/!W8MN2H6QFVAE


+++TUNESIEN
Immer mehr Boote mit Geflüchteten legen von Tunesien ab
Der Reporter und Fotojournalist Klaus Petrus war diesen Sommer für rund zehn Tage in Tunesien. Er fand ein von Krisen gebeuteltes Land vor, in dem die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen bis zu 30 Prozent beträgt. Dessen Präsident gegen Migrant*innen hetzt um vom eigenen Scheitern abzulenken. Und er sprach mit Geflüchteten aus Subsahara-Afrika, die zuvor in Libyen waren, sich aber grössere Chancen ausrechnen, Europa zu erreichen, wenn sie in Tunesien ein Boot besteigen.
https://rabe.ch/2023/08/23/immer-mehr-boote-mit-gefluechteten-legen-von-tunesien-ab/


+++ATLANTIK
Helena Maleno Garzón, Migrationsforscherin, im Gespräch über die »Kanaren-Route« und die EU-Migrationspolitik
»Das Geschäft mit den Grenzen wird weiter wachsen«
Die Zahl der Flüchtlinge auf dem Weg zu den Kanaren nimmt wieder zu. Boote aus den westafrikanischen Staaten Mauretanien, Senegal und Gambia steuern meist die vor der nordafrikanischen Atlantikküste gelegenen Inseln Teneriffa oder Gran Canaria an. Eine weitere Seeroute führt von Marokko oder der Westsahara zu den nächstgelegenen Inseln Lanzarote oder Fuerteventura.
https://jungle.world/artikel/2023/33/das-geschaeft-mit-den-grenzen-wird-weiter-wachsen


+++SAUDI-ARABIEN
Untersuchung zu toten Migranten
https://oe1.orf.at/player/20230823/729918/1692785864000
-> https://www.watson.ch/schweiz/international/164407380-die-graeuel-an-der-saudischen-grenze-und-die-frage-nach-schweizer-waffen


+++GASSE
Neue, offene Drogenszene in Zürich beschäftigt Politik
Fast 30 Jahre nach der Räumung des Letten-Areals in der Stadt Zürich bildet sich bei der Bäckeranlage im Kreis 4 eine neue, offene Drogenszene. Das besorgt auch Zürcher Stadtparlamentarier von links und rechts. Sie hoffen, dass die Stadt jetzt rasch handelt.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/neue-offene-drogenszene-in-zuerich-beschaeftigt-politik?id=12442780
-> https://www.20min.ch/story/crack-und-freebase-drogenszene-in-zuerich-svp-fordert-permanente-polizeipraesenz-355268784726?version=1692779379351
-> https://www.20min.ch/story/drogenkonsum-im-park-wo-sollen-sie-sonst-hin-es-sind-doch-auch-nur-menschen-753138382583
-> https://www.tagesanzeiger.ch/drogenszene-in-der-baeckeranlage-zuerich-es-sind-unhaltbare-zustaende-fuer-uns-anwohnende-784222394129



nzz.ch 23.08.2023

Offene Crack-Szene in Zürich: An der Schliessung der Drogenabgabestelle will niemand schuld sein

Die SVP fordert eine permanente Polizeipräsenz. Politiker von links bis rechts wollen, dass der Stadtrat entschieden durchgreift. Der Sozialvorsteher Raphael Golta sucht nun nach einer «superprovisorischen» Lösung.

Tobias Marti, Michael von Ledebur

Vieles deutet darauf hin, dass in der Bäckeranlage im Kreis 4 eine neue Drogenszene entstanden ist. Offener Drogenkonsum, Beschaffungskriminalität und Gewalt belasten das Quartier. Die Rede ist von bis zu vierzig Süchtigen, die im Park vor allem Crack sowie Freebase, die mit Ammoniak gestreckte Form von Kokain, konsumieren. Eine erhöhte Polizeipräsenz und privates Security-Personal sollen derzeit für Sicherheit sorgen.

Die Szenen in der Bäckeranlage wecken ungute Erinnerungen an die neunziger Jahre, als sich in Zürich rund um den Platzspitz und den Bahnhof Letten eine offene Drogenszene bildete.

Ein Grund für den «verstärkten Konsum im öffentlichen Raum» ist gemäss dem städtischen Sozialdepartement, dass die Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige auf dem Kasernenareal im Herbst geschlossen worden ist. Der Ersatzstandort für das aufgelöste «Fixerstübli» liegt in der Brunau, etwa 30 ÖV-Minuten entfernt – und somit ausserhalb der Lebenswelt vieler Süchtiger.

Flüchtlingsunterkunft statt Fixerstube

Hätte der Stadtrat, namentlich der SP-Sozialvorsteher Raphael Golta, diesen Engpass nicht kommen sehen müssen? Es stand schon sehr lange fest, dass der Kanton seine Infrastruktur von der Kaserne in das neue Polizei- und Justizzentrum verschieben würde.

Am Dienstag nahm Golta anlässlich der Präsentation des Zürcher Cannabis-Pilotprojektes erstmals Stellung zu den Fragen der NZZ.

Golta sagt, die Stadt habe sehr viele Standorte in Zentrumsnähe geprüft und habe ein durchgeplantes Projekt gehabt, das einen nahtlosen Übergang ermöglicht hätte. Dieser Standort wäre in der Polizeikaserne gewesen, dem prominenten Backsteinbau an der Sihl. «Dann kam die Flüchtlingssituation, und die hatte Vorrang», sagt Golta. «Der Kanton wollte die Kaserne für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen.»

Goltas Sozialdepartement hat noch geprüft, ob sich Asylunterkunft und Fixerstübli parallel betreiben lassen könnten, etwa mit getrennten Eingängen. Das sei aber nicht möglich gewesen, sagt er. «Die Situation ist nicht gut, aber ich kann jetzt nicht sagen, im Nachhinein hätte ich diesen oder jenen Knopf anders drücken müssen.»

Trotz Goltas Aussage ist die Frage nicht ganz einfach zu beantworten, wer nun die Verantwortung dafür trägt, dass der Kreis 4 ohne Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige dasteht. Wer also das schwierige Abwägen vorgenommen hat zwischen dem Bedarf nach Flüchtlingsunterkünften einerseits und den allfälligen Folgen einer fehlenden Anlaufstelle andererseits.

Das städtische Sozialdepartement verweist auf den Kanton, genauer auf das kantonale Sozialamt. Dort heisst es, man suche allgemein laufend intelligente Unterbringungen und habe dies bei der kantonalen Baudirektion als Bedürfnis deponiert. Mit den konkreten Vergaben von Liegenschaften habe man aber nichts zu tun.

Die Baudirektion wiederum konnte am Dienstag gegenüber der NZZ die Frage nicht beantworten, wer den Entscheid getroffen hat.

So spielen die Behörden den Ball hin und her.

Etwas «Ultrakurzfristiges»

Golta sagt, mittelfristig werde die Stadt auf dem Kasernenareal einen Ersatz für die Anlaufstelle finden. Nun arbeite man unter Hochdruck an einem Provisorium, sogar noch an einem Superprovisorium, also an etwas Ultrakurzfristigem, sagt der Stadtrat weiter.

Ein Datum kann Golta nicht nennen: «So eine Kontakt- und Anlaufstelle wollen nicht sehr viele Leute vor ihrer Nase. In unserem Fall spielt die Location aber die zentrale Rolle.»

Seit Monaten weisen Suchtexperten warnend darauf hin, dass sich Crack, die schnell süchtig machende Billigdroge, in europäischen Grossstädten ausbreitet. Golta wehrt sich gegen die Aussage, man habe in Zürich diese Entwicklung verschlafen.

«Crack ist für uns nicht neu. Was neu ist, ist die Konsumationsform», sagt er. Sogenannte Crack-Steine würden weniger Infrastruktur brauchen und könnten schneller konsumiert werden. «Die Schwelle, dies im öffentlichen Raum zu konsumieren, ist damit niedriger geworden.» Die Situation lasse sich nicht mit jener in der Westschweiz vergleichen, in Genf seien etwa die Konsumräume viel kleiner.

Aber wie geht es weiter auf der Bäckeranlage? Golta: «Wir wollen die Situation in den Griff bekommen, das oberste Ziel ist, die Szene nicht vergrössern zu lassen, sie einzudämmen.» Weiter gehe es mit Polizeiinterventionen, aber auch mit Gesprächen der aufsuchenden Sozialarbeit.

Die städtische SVP hatte bereits im Frühling vor der Ausbreitung von Crack gewarnt, mit Verweis auf den «Crack-Boom» in Genf. «Bereits gibt es Berichte aus Lausanne, dass auch dort die ersten Klümpchen im Umlauf sind. Wann tauchen diese in Zürich auf?», schrieb die Partei damals im Vorstoss im Stadtparlament.

Nun sagt der SVP-Stadtparlamentarier Walter Anken: «Es ist traurig, dass der offene Drogenkonsum wieder zunimmt.» Die Sorgen von Eltern und Quartierbewohnern hält er für sehr berechtigt. Und die Schulhausdichte rund um die Bäckeranlage sei hoch. Anken sagt: «Es braucht jetzt eine Dauerpräsenz der Polizei auf der Bäckeranlage.»

Zürich setzt seit Jahren auf ein Mehrsäulenprinzip – nicht nur auf Repression, sondern eben auch auf Prävention, Therapie und Überlebenshilfe. Anken stellt dies nicht infrage. Gerade die Methadonabgabe sei richtig, er habe das Elend des Drogenkonsums im privaten Umfeld und auch als Anwohner des Platzspitzes mitbekommen. Umso unverständlicher sei, dass es nun an einer Anlaufstelle fehle.

Die FDP fordert ebenfalls Härte – kurzfristig jedenfalls. Gemeinderat Patrik Brunner sagt, es brauche den Einsatz der Polizei, und wenn das nicht ausreiche, müsse man auf private Sicherheitsdienste zurückgreifen. «Wenn sich erst einmal eine offene Drogenszene etabliert hat, ist es schwierig, diese wieder aufzulösen.»

Ebenso wichtig sei, dass die Stadt rasch einen Ersatz für die Anlaufstelle zur Verfügung stelle. Die Stadt besitze ausreichend Immobilien, das Problem müsse sich also lösen lassen. Auch eine mobile Lösung sei übergangsweise denkbar.

Die Stadt habe die Situation aber insgesamt gut im Griff, dank einer Politik, die die FDP mittrage. Kritik am Stadtrat übt Brunner nicht. «Es wäre naiv zu glauben, dass man das Drogenproblem ein für alle Mal erledigen kann.» Wichtig sei nun entschlossenes Handeln.

Dies fordert selbst die SP. Der Stadtparlamentarier Marcel Tobler sagt: «Ich kann nicht sagen, was die richtige Methode ist – da vertraue ich auf die Sachkenntnis der Polizei und des Sozialdepartements.» Repression sei durchaus ein mögliches Mittel, aber sie nütze wenig, wenn keine Anlaufstelle zur Verfügung stehe.

Dass es nicht gelungen sei, eine direkte Anschlusslösung für die Anlaufstelle in der Kaserne zu finden, sei «sicher unglücklich», sagt Tobler. Nun sollte aber nicht die Suche nach Schuldigen im Vordergrund stehen, sondern jene nach Lösungen.
(https://www.nzz.ch/zuerich/crack-in-zuerich-an-schliessung-der-drogenabgabestelle-will-niemand-schuld-sein-ld.1752721)



Mangel im Kanton: SP will endlich eine Notschlafstelle im Baselbiet
Im Baselbiet gibt es zu wenig Schlafplätze für Obdachlose. Séverine Salathe von der SP hat nun eine Interpellation eingereicht, die eine Notschlafstelle in Liestal fordert.
https://www.baseljetzt.ch/mangel-im-kanton-sp-will-endlich-eine-notschlafstelle-im-baselbiet/106731


+++PSYCHIATRIE
Erneuter Skandal im Psychiatriezentrum Münsingen
Das Psychiatriezentrum Münsingen sorgt erneut für negative Schlagzeilen. Letzten Samstag wurde auf dem Gelände vor der Psychiatrie Alkohol ausgeschenkt, und zwar direkt vor der Suchtklinik. Ein Patient sei rückfällig geworden. Immer wieder ist die Einrichtung in den Medien und sorgt für neue Schlagzeilen.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/erneuter-skandal-im-psychiatriezentrum-muensingen-153121970


+++DROGENPOLITIK
Kifft die Schweiz bald legal? Städte testen den Cannabisverkauf
Mehrere Schweizer Städte testen den Cannabisverkauf für den Eigengebrauch. Warum? Welche Unterschiede gibt es dabei? Debattieren Sie mit und erfahren Sie, wo Sie und der Rest der Schweiz bei diesem Thema stehen.
https://www.srf.ch/news/dialog-kifft-die-schweiz-bald-legal-staedte-testen-den-cannabisverkauf


+++DEM0/AKTION/REPRESSION
Gibts wieder Verzeigungen? – Wieder kein Bewilligungsgesuch für «Critical Mass» eingegangen
Für die Velodemo Critical Mass am kommenden Freitag ist bisher kein Gesuch für eine Bewilligung bei der Stadt Zürich eingegangen. Teilnehmende müssen erneut mit Verzeigungen rechnen.
https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/gibts-wieder-verzeigungen-wieder-kein-bewilligungsgesuch-fuer-critical-mass-eingegangen-id18869120.html


+++REPRESSION DE
linksunten.indymedia Der fehlende Link
Ein Journalist von Radio Dreyeckland steht vor Gericht, weil er über das verbotene Internetportal linksunten.indymedia berichtet hat. Eigentlich hatte das Landgericht die Anklage nicht zugelassen. Hier ist der Beschluss dazu.
https://fragdenstaat.org/blog/2023/08/22/der-fehlende-link-radio-dreyeckland-beschluss/


+++JUSTIZ
Strafprozessordnung: Bundesrat setzt Änderungen auf den 1. Januar 2024 in Kraft
Die vom Parlament im Juni 2022 beschlossenen Änderungen der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) treten auf den 1. Januar 2024 in Kraft. Dies hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 23. August 2023 entschieden. Die Änderungen betreffen unter anderem das Strafbefehlsverfahren sowie die Opferrechte und das Entsiegelungsverfahren.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-97415.html


+++BIG BROTHER
Den Namen deiner Mutter, deine Hobbys, dein Sündenregister: Was wissen die SBB alles über uns? Blick verlangte Auskunft!
Die SBB sitzen auf einem grossen Datenschatz. Die Bahnen wissen nicht nur, was für ein Abo man als Kind hatte, sondern unter Umständen auch, welche Hobbys man hat.
https://www.blick.ch/politik/den-namen-deiner-mutter-deine-hobbys-dein-suendenregister-was-weiss-die-sbb-alles-ueber-uns-blick-verlangte-auskunft-id18864972.html
-> https://www.blick.ch/politik/expertin-uebt-kritik-ich-wuerde-von-den-sbb-mehr-sensibilitaet-erwarten-id18865545.html


+++POLIZEI BL
Regierung begrüsst Zulassung: Im Baselbiet sind Polizisten ohne Schweizer Pass willkommen
Der Regierungsrat sieht in der Zulassung von Polizistinnen und Polizisten ohne Schweizer Bürgerrecht eine Chance, den Sollbestand zu sichern.
https://www.bazonline.ch/regierung-begruesst-zulassung-im-baselbiet-sind-polizisten-ohne-schweizer-pass-willkommen-506246905993



bernerzeitung.ch 23.08.2023

Streit um Festnahmevideos: Die Polizei am Pranger

Polizeibeamte klagen, ihre Arbeit werde durch Handyvideos falsch wiedergegeben. Stimmt das? Und wären Bodycams eine Lösung?

Michael Bucher, Raphael Moser(Fotos)

Es ist später Nachmittag in der Turnhalle der Polizeiwache am Berner Waisenhausplatz. Polizist Stephan Schuhmacher liegt bäuchlings am Boden, als die Handschellen klicken – wie man so schön sagt. Die Festnahme erfolgt durch mich – den Journalisten. Übungshalber natürlich.

Das Debriefing durch Ausbilder Reto Lüthi fällt durchzogen aus. Beim Fesseln mit den Handschellen rutschte mein Knie von der Schulter (korrekt) Richtung Wirbelsäule (nicht gut). Und Ausbilder Schuhmacher hat nun ein rotes Handgelenk, weil ich die Handschellen zu eng eingestellt hatte. Klar, ich bin kein Profi. Doch das Ziel der Übung ist sowieso ein anderes: Die Unwägbarkeiten einer Festnahme kennen lernen.

Zugeschaut hat auch Nicolas Müller. Er ist Chef Aus- und Weiterbildungen bei der Kantonspolizei Bern. «Sie müssen zudem bedenken, dass diese Übung unter Laborbedingungen stattfindet», sagt er. Tatsächlich hat sich mein Gegenüber mustergültig verhalten und meine Anweisungen artig befolgt. In der Realität kann das durchaus anders sein: Die Person wehrt sich, schreit, schlägt um sich. Passanten reden auf einen ein. Je nach Umfeld kommt auch mal eine Flasche geflogen.

Gut möglich auch, dass Leute die Festnahme filmen, das Video in den sozialen Medien teilen und so einen Shitstorm lostreten. Dies kommt immer wieder vor. Jüngstes Beispiel: In Zürich sorgte Anfang Juli ein Video für Empörung, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizist einen minderjährigen Jungen am Boden in Handschellen legt. Die Stadtpolizei Zürich sah sich zu einer Stellungnahme genötigt. Demnach hätte der Junge wegen Fremdgefährdung in eine Institution begleitet werden sollen. Er habe zweimal zu flüchten versucht und die Polizisten geschlagen und getreten.

Polizeiverband fordert Filmverbot

Dass auf Videos meist nur die Festnahme, nicht aber die Vorgeschichte zu sehen ist, sorgt in den Polizeikorps landauf, landab für Verärgerung. Der Tenor dabei: Viele Polizeibeamte fühlen sich missverstanden, ihre Arbeit werde durch die selektiven Videoschnipsel verfälscht. «Die Darstellung von eigentlich alltäglicher Polizeiarbeit ist noch nie in dem Masse entgleist wie jetzt gerade», sagte Johanna Bundi Ryser unlängst gegenüber der NZZ. Die Präsidentin des nationalen Verbands der Polizeibeamten ist weiter überzeugt, dass von einigen Gruppierungen mittlerweile «eine regelrechte Hetzjagd» gegenüber der Polizei ausgehe.

Der Polizeibeamten-Verband Basel-Stadt fordert derweil radikale Massnahmen und will im nationalen Verband für ein Filmverbot bei Polizeiaktionen weibeln. Auch die Politik wird sich mit dem Vorschlag befassen müssen. Jean-Luc Addor, SVP-Nationalrat aus dem Wallis, wird laut NZZ in der Herbstsession einen entsprechenden Vorstoss einreichen.

Im Kanton Bern hat man das Ganze vor ein paar Jahren schon einmal durchgespielt. «Zusammen mit dem Polizeikommando kamen wir zum Schluss, dass ein Verbot kaum durchzusetzen ist», sagt Adrian Wüthrich, Präsident des bernischen Polizeiverbandes. «Was die Polizei im öffentlichen Raum macht, muss transparent sein», hält er fest, «sie darf beim Einsatz einfach nicht behindert werden.»

Passiert dies trotzdem, können die Beamten eine Anzeige wegen Hinderung einer Amtshandlung einreichen. Doch ab wann behindert man einen Polizeieinsatz? Der Graubereich ist gross. Es gibt Rechtsvertreter, die der Polizei eine gewisse Anzeigefreudigkeit unterstellen, um so unliebsame Filmende einzuschüchtern. Als Beispiel wird oft ein Berner Fall genannt. 2021 hob ein Gericht die Busse wegen Hinderung einer Amtshandlung gegen zwei Frauen auf. Diese hatten eine Festnahme auf der Schützenmatte gefilmt. Von Stören könne dabei keine Rede sein, urteilte die Richterin.

Doch es kann sein, dass Beobachter es nicht beim Filmen belassen, sondern die Polizisten auch zur Rede stellen wollen. Diese Leute würden nicht bedenken, dass sie dadurch den Einsatz bloss verlängerten, meint Kapo-Chefausbilder Nicolas Müller.

Vorwurf der falschen Balance

Der Grat zwischen notwendigem Zwang und Polizeigewalt kann schmal sein. Das zeigen Vorfälle in Bern immer wieder. Aktuell müssen sich zwei Polizisten vor dem Regionalgericht in Bern verantworten. Die Anklage wirft ihnen übermässige Härte bei der Festnahme eines Marokkaners vor. Das Urteil fällt nächsten Monat.

Das grösste Problem in der Debatte bleibt, dass zu Polizeigewalt in der Schweiz keine Zahlen existieren. Dass es fast nie zu Verfahren oder Urteilen kommt, ist gerade für die Polizeiverbände der Beweis, dass das Problem gar nicht existiert. Es gibt aber auch Rechtsvertreter, welche die tiefe Verurteilungsquote bei Amtsmissbrauch (zwischen 2010 und 2019 lag sie im Kanton Bern bei 11,4 Prozent) anders deuten. Demnach würden sich Polizisten vor Einvernahmen absprechen und davon profitieren, dass Gerichte ihre Glaubwürdigkeit höher gewichten als jene der Verhafteten.

In die hitzige Debatte schaltet sich auch Berns Sicherheitsdirektor Philippe Müller. Er war es, der zur Übungseinheit eingeladen hatte. Das Training nennt er einen «Realitätscheck» für Journalisten. Denn der FDP-Regierungsrat ist der Meinung, die Medien würden die von linken Gruppierungen geschürte Polemik wegen angeblicher Polizeigewalt eins zu eins übernehmen und somit einseitig berichten. In der Thematik erhalte eine laute Minderheit medial zu viel Gewicht. Zum Beweis seiner These verweist er auf Umfragen, in denen jeweils über 80 Prozent der Bevölkerung der Polizei ihr Vertrauen ausspricht – oder aufs Polizeigesetz, welches das Stimmvolk mit 76 Prozent guthiess.

«Dass die Polizei gefilmt wird, geht in Ordnung», sagt er allerdings auch, «ein Verbot wäre völlig unrealistisch.» Eine anderslautende Antwort hätte ihn in Widersprüchlichkeiten verwickeln können. So ist doch bekannt, dass sich der FDP-Regierungsrat eher mehr denn weniger Videoüberwachung wünscht.

Für Jonas Weber, Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bern, wäre ein Filmverbot ebenfalls der falsche Weg. «Das würde nur Misstrauen gegenüber der Polizei befeuern», meint er. Da die Polizei das Gewaltmonopol innehat, komme dem Filmen von Einsätzen quasi eine demokratische Kontrollfunktion zu. «Das muss die Polizei ein Stück weit aushalten können», sagt Weber, «im besten Fall kann sie dadurch ihre Arbeit verbessern.»

Experte plädiert für Bodycams

Er gibt Regierungsrat Müller aber insofern recht, dass gewisse Gruppierungen mit dem Verbreiten von selektiven Videoschnipseln versuchen würden, die Polizei in ein schlechtes Licht zu rücken. Um ein Korrektiv bei der Bildhoheit zu schaffen, schlägt Weber den vermehrten Einsatz von Bodycams vor.

Die kleinen Kameras, die am Körper getragen werden, sind seit einem Jahr im Kanton Bern im Einsatz – allerdings mit strengen Vorgaben. So dürfen Polizistinnen und Polizisten die Kamera nur dann einschalten, «wenn eine Straftat unmittelbar bevorsteht oder bereits begangen worden ist». Zum Beispiel, wenn eine Demo oder ein Aufeinandertreffen von Fussballfans zu eskalieren droht. Präventives Filmen ist nicht erlaubt.

Für Jonas Weber ist es nicht ideal, wenn die Polizisten selbst entscheiden, wann sie die Kamera einschalten und wann nicht. Sein Vorschlag deshalb: «Bei Personenkontrollen und im Ordnungsdienst sollte die Bodycam immer eingeschaltet sein.» Die Aufnahmen müssten danach sicher aufbewahrt werden und dürften nur dann gesichtet werden, wenn Beschwerden oder gar eine Anzeige eingingen.

Sicherheitsdirektor Müller begegnet dem Vorschlag mit Skepsis. «Ich befürworte Bodycams als Beweissicherungskameras, so wie sie heute eingesetzt werden», sagt er zwar, «doch wenn Polizisten während eines dynamischen Einsatzes auch noch darauf achten müssen, ob auch alles gut im Bild ist, dann ist das hinderlich.» Ausserdem schüre bei einer normalen Kontrolle eine permanent laufende Schulterkamera bloss Misstrauen. «Die Bürgernähe geht so verloren», so Müller.

Geht der Respekt verloren?

Die Bürgernähe – also die primäre Wahrnehmung der Polizei als Freund und Helfer – ist laut Polizeigewerkschafter Adrian Wüthrich wichtig. Gleichzeitig zeigen Zahlen, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte in der Vergangenheit zugenommen hat. 3557 Fälle von «Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte» wurden letztes Jahr schweizweit registriert – ein Rekord. Im Jahr 2000 waren es lediglich 774.

Tatsächlich werden Polizistinnen und Polizisten teilweise heftig angegangen, dies zeigen auch diverse Strafbefehle, welche dieser Zeitung vorliegen. Da werden Polizeibeamte von Personen in Gewahrsam geschlagen, gebissen, getreten und mit nicht druckreifen Schimpfwörtern eingedeckt.

Ist die Polizei zu nett geworden und hat dadurch an Respekt eingebüsst? So würde es Adrian Wüthrich nicht ausdrücken. Er sagt aber: «Es gibt immer mehr Menschen, die finden, die Polizei könne ihnen nichts anhaben.» Als Beispiel nennt er Leute, die den Staat an sich ablehnen. Seit der Corona-Pandemie haben solche Gruppen Zulauf erhalten. Die Problematik kennt auch Nicolas Müller aus dem Polizeialltag. «Diese Personen sind der festen Überzeugung, sie müssten ihren Ausweis nicht zeigen, wenn ein Polizist dies verlangt.» Da ist die Gegenwehr quasi programmiert.

Trotzdem will der Kapo-Chefausbilder betont haben: «Der Grossteil aller Personenkontrollen verläuft absolut reibungslos.» Verhält sich eine Person dennoch renitent und muss in Handschellen gelegt werden, so stehe diese oft entweder unter Einfluss von Betäubungsmitteln oder sei psychisch beeinträchtigt.

«Festnahme sieht nie schön aus»

Mittlerweile neigt sich die Übung in der Turnhalle der Polizeiwache dem Ende entgegen. In einer letzten Einheit hat sich Ausbilder Schuhmacher entschieden, meinen Anweisungen nicht zu folgen. Er liegt auf dem Bauch und versperrt seine Hände unter sich. Ich bin schnell am Ende meines Lateins. «Der Mann ist zur Haft ausgeschrieben. Was machen Sie jetzt?», fragt Nicolas Müller.

Natürlich weiss ich, worauf er hinaus will. Dass jetzt eben «Zwang» nötig wird. Pfefferspray etwa. Oder der ausfahrbare Stock, um die Arme freizukriegen. Oder ein sogenannter Ablenkungsschlag, damit sich die Muskelspannung löst und die Handschellen montiert werden können. Das würde auf einer Filmaufnahme zweifellos brutal daherkommen. «Eine Festnahme von jemandem, der sich weigert oder wehrt, sieht nie schön aus», sagt Ausbilder Müller, «selbst wenn sie professionell und verhältnismässig abläuft.»

Das «Unschöne» spielen wir jedoch nicht durch. Die Übung ist zu Ende. Ausbilder Schuhmacher steht wieder. Die anderen schmunzeln ob seiner gezeigten Darbietung. Nicolas Müller wird zur Schlussbilanz nochmals ernst: «Sie können mir glauben, niemand wendet gerne Zwang an», sagt er mit festem Blick, «auch wenn das manche gerne so darstellen.»



Drei aktuelle Berner Fälle

Im Juni 2021 nehmen Polizisten auf dem Berner Bahnhofplatz einen betrunkenen und papierlosen Marokkaner fest, um ihn auf die Wache zu bringen. Ein Polizist kniet zum Montieren der Handschellen auf den Hals- und Nackenbereich des Mannes. Ein anderer soll den Festgenommenen unsanft in den Polizeiwagen gestossen haben, wodurch sich dieser am Kopf verletzte. Mitarbeitende dieser Zeitung hatten die Szenen beobachtet und darüber berichtet. Weil die Staatsanwaltschaft gegen die zwei Polizisten Anklage wegen Tätlichkeit und Amtsmissbrauch erhoben hat, müssen sich die beiden aktuell vor Gericht verantworten.

An einer Demo von Corona-Skeptikern im Herbst 2021 in Bern sperrt die Polizei die Bundesgasse. Trotz Gummischroteinsatz läuft ein Mann auf die Polizeisperre zu. Dort wird er von mehreren Polizisten zu Boden geführt. Einer von ihnen verpasst dem am Boden liegenden Mann zudem mehrere Fausthiebe gegen den Oberkörper. Der Mann reicht Anzeige ein, spricht von unverhältnismässiger Härte. Alles rechtens, findet die Staatsanwaltschaft und stellt das Verfahren ein. Dafür kassierte sie kürzlich einen Rüffel des Obergerichts. Der Fall sei zu mangelhaft untersucht worden. Kritiker sehen ihren Verdacht bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft zu wenig unabhängig sei, um gegen die Polizei zu ermitteln.

Im Dezember letzten Jahres nehmen Polizisten einen zur Haft ausgeschriebenen Mann auf der Berner Schützenmatte fest. Wie beim Corona-Demonstranten geht es auch in diesem Fall um sogenannte Ablenkungsschläge. Dabei handelt es sich um Fausthiebe, welche die Muskelspannung lösen sollen, damit die Handschellen montiert werden können. Ein von einem Passanten gemachtes Video zeigt, dass sich dieser Schlag gegen den Kopf des am Boden liegenden Mannes richtet. Darüber berichtete das Berner Onlinemagazin «Hauptstadt». Ein Rechtsexperte findet die Schläge übertrieben, weil keine Notwehrsituation vorliege. Die Kantonspolizei sieht es nach einer internen Untersuchung anders. Da der Betroffene keine Anzeige eingereicht hat, ist der Fall damit erledigt. (mib)
(https://www.bernerzeitung.ch/streit-um-festnahmevideos-die-polizei-am-pranger-309741742963)


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Solothurn sucht Plätze für Fahrende
Die Kantone sind verpflichtet, den Fahrenden Plätze zur Verfügung zu stellen, auf denen sie leben können. Im Kanton Solothurn gibt es allerdings bis jetzt nur gerade einen einzigen Durchgangsplatz. Nun soll eine neue Arbeitsgruppe andere Plätze für Fahrende suchen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/solothurn-sucht-plaetze-fuer-fahrende?id=12442774
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aew-erhoeht-strompreise-nochmals-deutlich?id=12442903 (ab 04.26)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/hitzefrei-in-birr-und-lupfig-kanton-greift-ein?id=12443053 (ab 10:29)


+++FRAUEN/QUEER
Sexismus und Queerfeindlichkeit: Meldetool wird genutzt
Seit Ende April sind über das Meldetool «Bern schaut hin» rund 440 sexistische und queerfeindliche Belästigungen gemeldet worden. Diese erste Bilanz nach drei Monaten bestätigt, dass Belästigungen im öffentlichen Raum insbesondere gegenüber Frauen und queeren Menschen in Bern alltäglich sind.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/sexismus-und-queerfeindlichkeit-meldetool-wird-genutzt
-> https://www.derbund.ch/neues-online-meldetool-440-meldungen-ueber-sexistische-belaestigungen-in-bern-561521879260
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/440-meldungen-ueber-sexistische-belaestigungen-in-bern-eingegangen-153115084


+++RECHTSPOPULISMUS
Gewaltfreie Erziehung: SVP tobt – führt Ohrfeigenverbot zu «Hippie-Erziehung»?
Der Bundesrat will, dass Kinder gewaltfrei erzogen werden. Ohrfeigen werden komplett verboten. Das neue Gesetz sorgt für heftige Reaktionen.
https://www.20min.ch/story/gewaltfreie-erziehung-svp-tobt-fuehrt-ohrfeigenverbot-zu-hippie-erziehung-835778139793


Schweizer Medien: Rechtsumkehrt
Ohne genauen Plan, aber voller Absicht: Wie die Schweizer Medien politisch immer weiter nach rechts driften.
https://www.woz.ch/2334/schweizer-medien/rechtsumkehrt/!2BPK02RBW26S


+++RECHTSEXTREMISMUS
Arlesheim BL: «Ich glaubte zuerst nicht, dass das jemand ernst meinen kann»
In Arlesheim provoziert ein rechter Jungpolitiker seit Wochen mit russischer Kriegspropaganda. Mit einem offenen Brief haben politisch engagierte Anwohner jetzt ein Zeichen dagegen gesetzt.
https://www.20min.ch/story/arlesheim-bl-ich-glaubte-zuerst-nicht-dass-das-jemand-ernst-meinen-kann-448818905380


„Identitäre Fightnight mit Akteur*innen aus CH, DE, AT, BE. Sie haben sich in Wien getroffen, vernetzt und geboxt. Wie sich Gewaltbereite Neonazis vor den Augen des Verfassungsschutz auf den Tag X vorbereiten..“
Mehr: https://twitter.com/FindusRecherche/status/1694224789487919187
-> https://twitter.com/FabianEberhard/status/1694231824669528167


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Massnahmen-Kritiker unter sich: Michael Wendler will Comeback bei Stricker feiern
Nachdem das grosse Comeback von Skandalschlagersänger Michael Wendler auf der Insel Kreta gescheitert ist, nimmt er nun einen neuen Anlauf. Dieser führt ihn in die Schweiz.
https://www.blick.ch/politik/massnahmen-kritiker-unter-sich-michael-wendler-will-comeback-bei-stricker-feiern-id18869981.html
-> https://www.t-online.de/unterhaltung/stars/id_100230526/michael-wendler-bestaetigt-tourstart-corona-kritiker-gibt-ihm-eine-buehne.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/umstrittener-schlagersaenger-michael-wendler-gibt-sein-comeback-bei-querdenker-stricker-in-volketswil-250085244024
-> https://strickertv.locals.com/upost/4473695/strickertv-video-der-wendler-macht-auftakt-seiner-tournee-2024-in-strickers-freiheit
-> https://www.promiflash.de/news/2023/08/23/nach-festival-absage-michael-wendler-wird-konzerte-geben.html
-> https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=pfbid02XKGgVtw7rrLRH2yw9rdT5oRU5AqbRRSq5jDpbrokUY4zAwMet9Hbp3VF6B3jULapl&id=100044518442860&paipv=0&eav=AfZTswO5Iq-ngXAbwckDlVBAQFZGD1dj_iQoc39Qvthu03hC_R9czX60WUto1Vlb_nQ&_rdr