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+++BERN
hauptstadt.be 12.08.2023
Verschärfte Kontrollen in Rückkehrzentren
Der Kanton Bern führt zusätzliche Präsenzkontrollen für abgewiesene Asylsuchende ein – und beschränkt damit die Bewegungsfreiheit der Betroffenen stark.
Von Jana Schmid
Der Kanton Bern zieht die Schraube für abgewiesene Asylsuchende weiter an: Seit 3. August müssen sich gewisse Bewohner*innen der kantonalen Rückkehrzentren dreimal täglich (statt wie bisher einmal) bei der Zentrumsleitung registrieren. Das bestätigt das zuständige Amt für Bevölkerungsdienste auf Anfrage der «Hauptstadt».
Morgens zwischen 8.30 und 10 Uhr, nachmittags zwischen 14 und 15 Uhr und am Abend zwischen 21 und 22 Uhr müssen die Bewohner*innen mit einer Unterschrift bestätigen, dass sie anwesend sind. Nur dann erhalten sie die Nothilfe von rund 10 Franken pro Tag ausbezahlt. Auch dabei wird die bisherige Praxis verschärft: Während die Nothilfe bis anhin wöchentlich ausbezahlt wurde, geschieht das nun täglich, jeweils bei der Kontrolle am Nachmittag.
Lästige Hilfe von Privaten
Mit diesen Massnahmen hängt mutmasslich eine Entwicklung zusammen, über die die «Hauptstadt» letzten Monat berichtet hat: Abgewiesene Asylsuchende, die bei Privaten untergebracht waren, werden vom Kanton teilweise wieder in Rückkehrzentren platziert. Auch gegen den Willen ihrer Gastgeber*innen. Der Kanton Bern stellt sich auf den Standpunkt, dass es sich nur um Einzelfälle handle.
Nun zeigt sich, dass ein Teil der Bewohner*innen von kantonalen Rückkehrzentren viel Zeit ausserhalb der Zentren verbringt – zum Beispiel, weil Privatpersonen eigentlich bereit wären, sie bei sich leben zu lassen. Der Kanton begründet die Verschärfung damit: Gewisse Personen seien «nur gelegentlich und nur für die Auszahlung der Nothilfe aufgetaucht» und seien «per Auto in die Unterkunft und danach wieder weggefahren» worden.
Das ist den Behörden ein Dorn im Auge – denn abgewiesenen Asylsuchenden wird das Leben in der Schweiz so unbequem wie möglich gemacht, um sie dazu zu bewegen, das Land zu verlassen. Erwerbstätigkeit ist verboten. Sie erhalten nur Nothilfe von rund 10 Franken pro Tag und die obligatorische Krankenversicherung. Und sie werden in wenig komfortablen Rückkehrzentren untergebracht.
Ziviles Engagement für abgewiesene Asylsuchende stösst deshalb immer wieder auf behördliche Widerstände. Trotzdem ist es im Kanton Bern unter gewissen Umständen erlaubt, dass sie bei Privaten untergebracht werden. Seit November 2022 besteht dafür eine gesetzliche Grundlage. Doch dem Kanton Bern ist es offensichtlich ein grosses Anliegen, seine Hoheit über den Aufenthaltsort von Nothilfebeziehenden zu erhalten.
Wer in einem Rückkehrzentrum über mehrere Tage hinweg nachts nicht anwesend ist, sei offensichtlich nicht bedürftig und habe damit keinen Anspruch auf Nothilfe, begründet das Amt für Bevölkerungsdienste die eingeführten Massnahmen. Es liege auf der Hand, dass diese Personen Unterstützung von Dritten erhalten.
Am meisten Betroffene in Gampelen
Die Verschärfung gilt für ausgewählte Personen in allen Rückkehrzentren, betrifft aber vor allem Bewohner des Rückkehrzentrums Gampelen, wo «der Missstand am grössten sei», wie der Kanton mitteilt. Für 19 von 73 Männer, die dort untergebracht sind, gelten deshalb neu die verschärften Präsenzkontrollen.
Diese schränken die Bewegungsfreiheit der Betroffenen massiv ein: Die kantonalen Rückkehrzentren befinden sich teilweise an abgelegenen Standorten, und die Mobilität der Bewohner*innen ist durch ihre äusserst knappen finanziellen Ressourcen ohnehin gering. Wer dreimal täglich zur Unterschrift anwesend sein muss, kann das Zentrum nicht für mehr als ein paar Stunden verlassen.
(https://www.hauptstadt.be/a/verschaerfte-kontrollen-in-rueckkehrzentren)
+++BALKANROUTE
„Wie viele Menschenleben kostet eure Festung noch? Und: Wann zieht die
Polizei endlich aus Serbien ab?
Wie @BBCArabic berichtet, zwang die serbische Polizei eine Gruppe von Afghanen, sich in den Fluss zu werfen. Sechs junge Afghanen kamen dabei ums Leben und ertranken 1/2″
Mehr: https://twitter.com/Kid_Pex/status/1690044309591011339
+++ÄRMELKANAL
Migration nach Großbritannien: Mindestens sechs Tote nach Bootsunglück im Ärmelkanal
Während der britische Premierminister versucht, mit einer rigiden Asylpolitik die Zahl der Migranten zu verringern, wagen immer wieder Menschen die Überfahrt. Am Samstag kenterte ein völlig überladenes Boot.
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/aermelkanal-mindestens-sechs-tote-nach-kentern-eines-boots-mit-gefluechteten-a-7950a24d-4e3f-49e9-a937-00afc22a6fa5
+++MITTELMEER
48 Stunden im Einsatz: »Ocean Viking« rettet 623 Menschen vor Lampedusa aus Seenot
Die »Ocean Viking« hat auf dem Mittelmeer in einem zweitägigen Einsatz 623 Menschen aus Seenot gerettet, wie die Hilfsorganisation SOS Méditerranée berichtet. Unter den aufgegriffenen Migranten sind demnach auch 146 unbegleitete Kinder.
https://www.spiegel.de/ausland/lampedusa-ocean-viking-rettet-im-mittelmeer-623-menschen-aus-seenot-a-2e1b900c-232c-459a-980c-76cbb934882f
Flucht über Mittelmeer und Ärmelkanal: Acht Tote bei Bootsunglücken
Bei Calais starben sechs Menschen, eine junge Frau und ihr Baby mussten ihr Leben vor der Küste Tunesiens lassen. Hilfsorganisationen retten Hunderte aus dem Meer.
https://taz.de/Flucht-ueber-Mittelmeer-und-Aermelkanal/!5953901/
+++TUNESIEN
Dutzende von der tunesischen Regierung in die Wüste verfrachtete Migranten sind ums Leben gekommen
Tod in der Wüste
Der tunesische Staat hat subsaharische Migranten ins Wüstengebiet gekarrt, einige von ihnen kamen dort zu Tode. Die ersten Leichen wurden inzwischen identifiziert. Tunesische NGOs demonstrierten ihre Solidarität mit den Migranten.
https://jungle.world/artikel/2023/32/tod-der-wueste
+++FREIRÄUME
Let it Bärn: Ein Video über die Geschichte des Kletterns in Bern
Im Moment wird in Bern an der Weltmeisterschaft geklettert und gestern feierten die Schweizer Bronze. Die Leidenschaft des Kletterns beschränkt sich aber nicht nur auf die Sporthalle. Gerade Bern kennt eine lange Tradition des «City Boulderns», wie der Kurzfilm «Let it Bärn» aufzeigt.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/let-it-baern-ein-video-ueber-die-geschichte-des-kletterns-in-bern-152937676
-> Film: https://www.youtube.com/watch?v=QmsNw6ABMeg
„Soeben wurde die Brache an der 🌊 Wehntalerstrasse 711 🌊 besetzt!
Statt Spekulationsobjekt ist die ehemalige Brache jetzt ein selbstorganisierter Freiraum, Kulturstätte und Wagenplatz! #alleswirdbesetzt
Mehr Infos:
https://alleswirdbesetzt.ch/was-passiert/frisch-besetzt-neuer-wagenplatz-an-der-wehntalerstrasse-711/
https://t.me/alleswirdbesetzt„
(https://alleswirdbesetzt.ch/was-passiert/frisch-besetzt-neuer-wagenplatz-an-der-wehntalerstrasse-711/)
+++DEMO/AKTION REPRESSION
Demonstration in Winterthur: Hausbesetzer dringen in Ladenlokal ein
Teilnehmer einer unbewilligten Demonstration haben am Freitag bei einem Geschäft an der Stadthausstrasse eine Scheibe eingeschlagen. Die Polizei nahm sieben Personen vorläufig fest.
https://www.landbote.ch/hausbesetzer-dringen-in-ladenlokal-ein-179127080700
Demo im Dreiländereck zum Abschluss des Klimacamps in Basel
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/gitterli-feiert-90-jahre-badi-geschichte?id=12436817
-> https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/210058?autoplay
+++SPORT
Luzerner Polizei macht wegen FCL Türen zu – YB kommt
Im Kanton Luzern bleiben in der nächsten Woche die Polizeiposten wegen der hohen Belastung durch die Spiele des FC Luzern von Mittwoch bis Freitag geschlossen.
https://www.nau.ch/ort/luzern/polizei-schliesst-wegen-fc-luzern-polizeiposten-66570914
+++FRAUEN/QUEER
2000 Teilnehmer: Erste Pride in St. Gallen fordert eine offene Ostschweiz
In St. Gallen haben sich am Samstag nach dem Mittag schätzungsweise 2000 Personen zur ersten St. Galler «Pride» versammelt. Sie fordern gleiche Rechte und Chancen für alle Menschen, unabhängig ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität.
https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/st-gallen/2000-teilnehmer-erste-pride-in-st-gallen-fordert-eine-offene-ostschweiz-id18834761.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/st-galler-bauernverband-will-das-ganze-wolfsrudel-schiessen?id=12436778 (ab 04:02)
-> https://www.nau.ch/ort/st-gallen/stgallen-kundgebung-fur-gleichberechtigung-und-vielfalt-66571790
-> https://www.watson.ch/schweiz/st%20gallen/544477193-kundgebung-fuer-gleichberechtigung-und-vielfalt-in-st-gallen
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tagblatt.ch 12.08.2023
Wenig Show, mehr Politik: Die erste St.Gallen Pride übertrifft alle Erwartungen
Mit der St.Gallen Pride bekennt die Ostschweiz erstmals Farbe: Am Samstagnachmittag machten sich in St.Gallen rund 2500 Demonstrierende für queere Menschen und ihre Rechte stark. Der Umzug war leiser als andere Paraden der LGBTIQ-Szene – aber nicht minder politisch.
Seraina Hess
Annette Spitzenberg posiert für ein Foto, flankiert von zwei Freundinnen. Das Outfit der 59-Jährigen offenbart sofort, dass sie zu den Menschen gehört, die sich nach und nach auf dem Kornhausplatz einfinden. Turnschuhe, Jeans, T-Shirt und Sonnenhut sind im Vergleich zu anderen Gleichgesinnten zwar eher unspektakulär. Doch wie so viele hat sich Spitzenberg eine Regenbogenfahne um die Schultern gelegt.
Der Mut des Vereins zahlt sich aus
Damit ist sie eine von rund 2500 Menschen (Angaben der Veranstalter), die am Samstagnachmittag für die Rechte der queeren Community in der Ostschweiz auf die Strasse gehen. Gerechnet hat der organisierende Verein der ersten St.Gallen Pride ursprünglich mit 1000, 1500 Personen, «ganz sicher nicht mit so vielen», wird OK-Mitglied Natascia Perotto später sagen wird. «Wir sind unheimlich glücklich.»
Tatsächlich zeugt es von Mut, die erste Ostschweizer Pride just am gleichen Tag zu veranstalten, an dem eine Zugstunde entfernt an der Streetparade tausende Menschen über Zürichs Strassen tanzen. Der Mut hat sich offensichtlich ausgezahlt.
Annette Spitzenberg mischt sich derweil mit ihren Freundinnen unter die Menge, verschwindet irgendwo unter den Demonstrierenden, die bald die Multergasse einnehmen. Spitzenberg, Pfarrerin in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Reute-Oberegg, sagt: «Ich bin eine sogenannte ‹Late Bloomerin›». Mit Heirat und Kindern entsprach ihr Leben lange der gesellschaftlichen Norm. Sie musste 40 werden, bis sie merkte, dass sie Frauen liebt.
Die Menge ist der Regenbogen
Ob spät oder früh geoutet, ob weiblich, männlich oder nonbinär, ob hetero-, homo, trans- oder bisexuell, ob jung oder alt, ob im Rollstuhl oder im Kinderwagen: Die St.Gallen Pride präsentierte die Vielfalt des Regenbogens nicht nur auf Transparenten und Kleidung, sondern vor allem mit den Teilnehmenden selbst. Die Masse zeichnet sich aus durch rebellische Plakate, viel Haut, Glitzer und Seifenblasen. Und doch ist die St.Galler Pride leiser, als man es von den Pendants anderer Schweizer Städte gewohnt ist. Musik wurde den Organisatoren von der Polizei schon im Vorhinein untersagt. Der Verein befürchtete, dass das Verbot der Stimmung nicht gerade zuträglich sein würde.
Maria Pappa: «Treten wir ein für Gleichberechtigung!»
Tatsächlich ist die St.Galler Pride zumindest während des Umzugs weniger Show, weniger Party und weniger extravagant als beispielsweise in Zürich, dafür eine Spur politischer. Der Schlachtgesang mit Forderungen nach mehr Toleranz und die Rufe gegen die Hetze rechtsbürgerlicher Gender-Diversity-Gegner, die manche Kehle strapaziert haben dürften, verstummt erst eineinhalb Stunden später, als der friedliche Pulk im St.Leonhardspark ankommt.
Dort klatscht die Menge Beifall, als die St.Galler Stadtpräsidentin Maria Pappa die Bühne nach ihrer Rede heiser verlässt, so leidenschaftlich forderte sie dazu auf: «Lasst uns Vorurteile überwinden, Diskriminierung bekämpfen. Treten wir ein für Gleichberechtigung!»
Die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf Geschlechtsidentitäten, eine offizielle Erfassung von Hassverbrechen, ein Verbot von Konversationstherapien, einfacheren Zugang zu geschlechtsangleichenden Behandlungen, denselben Zugang zu Samenspenden wie für Hetero-Paare oder die Anerkennung von Kindsverhältnissen durch Leihmutterschaft. Die Liste an Forderungen der St.Gallen Pride ist lang und diese Aufzählung keinesfalls vollständig.
Der Hass trifft viele Queere täglich
Der organisierende Verein hat mehrere Redende eingeladen, die auf die Anliegen der queeren Szene eingehen. So etwa Joel Müller, Vizepräsident SP Kanton St.Gallen, der Hass gegenüber Homosexuellen aus eigener Erfahrung kennt: «Ich habe es satt, dass wir queere Menschen in unserer Gesellschaft bis heute an den Rand gedrängt werden, dass wir uns auf offener Strasse beleidigen lassen müssen, dass wir bedroht und geschlagen werden, dass wir diskriminiert, gehasst und belächelt werden.»
Doch nicht nur tief in der Gesellschaft verankerte Normen und der Unwillen, sich darüber hinwegzusetzen, erklärt die Pride als Problem. Auch der Staat lege queeren Menschen Steine in den Weg, etwa wenn es um die Familienplanung geht. Einer, der sich vertieft damit befasst, ist Shivus Shanahan, Gründer des Trans-Treffs Ostschweiz. «Unter dem Deckmantel des Kindeswohls werden zahlreiche Familien ohne leibliche Verbindung zwischen Eltern und Kindern kurzerhand zu Familien zweiter Klasse degradiert – das sind nicht nur Regenbogenfamilien, sondern auch Familien von cis-geschlechtlichen* heterosexuellen Eltern, die Adoption oder gewissen Formen der Fortpflanzungsmedizin in Anspruch nehmen.»
Kween G wiederum ist bekennender Queerfeminist und ruft St.Gallen auf, Personen, die von sexistischer Diskriminierung und Gewalt betroffen sind, besser zu schützen. «Es ist bezeichnend, zu sehen, dass trotz oder eben wegen der Me-Too-Bewegung prominente weisse cis-Frauen die einzigen zu sein scheinen, die mit ihren Erfahrungen gehört und gesehen werden.»
Gibt es 2024 eine Fortsetzung?
Die Redenden sind sich einig: St.Gallen braucht eine Pride, auch im nächsten Jahr, denn es gibt noch viel zu tun. Journalistin und Aktivistin Anna Rosenwasser spricht für viele Anwesende, wenn sie sagt: «Überall wird Stimmung gemacht gegen uns Queers: Die Politik hetzt von rechts, ohne Konsequenzen zu fürchten, und queere Bildung und queere Kultur werden bedroht von Leuten, die sonst gerne gegen Cancel Culture schimpfen.»
Ob die Pride 2024 wieder durch St.Gallen ziehen wird, kann Natascia Perotto trotz des Erfolges noch nicht beantworten. Es komme auch darauf an, ob genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden; das wird sich erst nach dem Spendenaufruf zeigen. Wahrscheinlich sei eine Fortsetzung aber durchaus. Und wahrscheinlich ist es auch, dass Annette Spitzenberg wieder Teil davon ist.
Sie sagt: «Ich bin keine Aktivistin. Aber dieser Anlass ist wichtig.» Wichtig für die LGBTIQ-Community, wichtig für die gesamte Ostschweiz. «Es ist mir ein Anliegen, dass eine neue queere Generation es dereinst einfacher haben wird als meine.»
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*cis bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem in der Regel anhand äusserer Merkmale vor oder unmittelbar nach der Geburt bestimmten Geschlecht übereinstimmt.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/aktivismus-wenig-show-mehr-politik-die-erste-stgallen-pride-uebertrifft-alle-erwartungen-ld.2497949)
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So macht ein Pastor tausende Jahre alte Texte queer-tauglich – In Luzern entsteht die erste queere Bibel
Ein Luzerner Pastor will es wagen, biblische Texte neu zu erzählen und der queeren Community zugänglich zu machen. Die katholische Kirche Luzern steht dahinter, sagt er.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/in-luzern-entsteht-die-erste-queere-bibel-2570042/
+++RECHTSPOPULISMUS
Lieblingsthema: Die SVP will einmal mehr mit der Migration punkten
In unserer Serie über die Wahlen, dreht sich heute alles um die grösste Partei: um die SVP. Sie hat vor vier Jahren deutlich verloren. Dieses Mal kann sie gemäss Umfragen auf einen Sieg hoffen. Dabei setzt sie im Wahlkampf voll auf ihr Lieblingsthema, die Migration. Aber reicht das, um erfolgreich zu sein? Wir haben den Fraktionschef Thomas Aeschi getroffen:
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/lieblingsthema-die-svp-will-einmal-mehr-mit-der-migration-punkten-152948582
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tagblatt.ch 12.08.2023
Mehr als nur Benzin: SVP buhlt um Stimmen der Balkan-Secondos – «zynisch» kritisieren die anderen Parteien
Früher machte die SVP mit Inseraten Stimmung gegen Kosovaren. Jetzt wirbt sie in Zürich mit einer Secondo-Liste und ihrem Einsatz fürs Auto und tiefe Benzinpreise um Wähler mit Wurzeln im Balkan. Secondo-Politiker aus anderen Parteien sprechen von «Zynismus».
Christoph Bernet
Schon 2011 betrieb die SVP Wahlkampf mit Menschen aus dem Balkan. «Kosovaren schlitzen Schweizer auf», hiess es zwei Monate vor den Wahlen in einem Zeitungsinserat der Partei. Das Bundesgericht verurteilte den damaligen Generalsekretär der SVP sowie seine Stellvertreterin 2017 wegen Rassendiskriminierung gemäss Strafgesetzbuch.
Auch in diesem Wahlherbst setzt die SVP wieder auf Menschen mit Wurzeln im Balkan. Doch die Vorzeichen haben sich geändert. Wie der «Tages-Anzeiger» am Donnerstag berichtete, reicht die SVP des Kantons Zürich für die Nationalratswahlen eine Secondo-Liste ein. Dieses Konzept hatte die SP Anfang der Nullerjahre erstmals angewandt, ist unterdessen aber wieder davon abgerückt.
Viele der Secondo-Kandidierenden fühlen sich gemäss Kantonalparteipräsident Domenik Ledergerber von der Verkehrspolitik der SVP angesprochen. «Diese Leute schätzen es, dass wir uns für die Besitzer von Diesel- und Benzinfahrzeugen einsetzen und gegen die Einschränkungen im Individualverkehr kämpfen», sagte er zum «Tagi».
Doch die SVP habe für Balkan-Secondos mehr zu bieten als nur Benzin, sagt Ledergerber gegenüber der «Schweiz am Wochenende». Vielen von ihnen seien dieselben Werte wie seiner Partei wichtig: Freiheit, Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität. «Viele Secondos sind stolz auf die Schweiz und schätzen es, dass die SVP dem Land Sorge trägt.»
Die Namen der Kandidierenden auf der Secondo-Liste verrät er noch nicht. Doch rund ein Drittel der 25 Nominierten hätten Wurzeln im Balkan. Als Spitzenkandidat hingegen ist ein italienischstämmiger Kommunalpolitiker vorgesehen.
Dass die SVP nun ausgerechnet um die Stimme jener Menschen buhle, gegen die sie jahrelange – und im eingangs erwähnten Fall höchstrichterlich als rassistisch verurteilte – Kampagnen geführt hat, stellt Domenik Ledergerber in Abrede: «Wir haben immer betont, dass die SVP nichts gegen Ausländer oder Secondos hat, die hier integriert sind, unsere Werte respektieren, die Gesetze einhalten und zu unserem Wohlstand beitragen.»
Verhalten der SVP «zynisch und opportunistisch»
Arbër Bullakaj, der für die St. Galler SP für die National- und Ständeratswahlen antritt, widerspricht deutlich: «Die jahrzehntelangen Hetzkampagnen der SVP hatten einen direkten, negativen Einfluss auf das Leben von Menschen mit Wurzeln im Balkan, etwa bei der Lehrstellensuche oder auf dem Arbeitsmarkt», sagt der 37-Jährige.
Dass die SVP nun mit einer Secondo-Liste versuche, Stimmen von Schweizerinnen und Schweizern mit Wurzeln im Balkan zu ködern, sei «zynisch und opportunistisch», überrasche ihn jedoch nicht. «Um Wählerstimmen zu gewinnen, war der SVP schon immer keine Idee zu heuchlerisch.» Doch Bullakaj schätzt das Potenzial der Secondo-Liste als gering ein: «Viele Menschen mit Wurzeln im Balkan, speziell aus der albanischen Community, würden kaum die SVP wählen».
Das sieht Përparim Avdili, Nationalratskandidat und Präsident der Stadtzürcher FDP, ähnlich. Ihn stört an der Secondo-Liste der SVP vor allem, dass die Kandidierenden ausschliesslich als Stimmlieferanten für die SVP-Hauptliste dienen, ohne realistische Wahlchance. Er habe sich in der FDP bewusst dafür eingesetzt, dass Menschen mit Migrationshintergrund mit entsprechendem Leistungsausweis für die Partei dieselbe Chance erhalten wie alle anderen. «Sie gehören auf chancenreiche Listenplätze auf der Hauptliste.»
Auch für Sanija Ameti, Nationalratskandidatin der Zürcher GLP, schwingt bei der Nebenliste die Botschaft mit, dass man die Secondos nicht für vollwertige Bürger» erachte. Dasselbe sei beim Fokus aufs Thema Auto der Fall. Die SVP habe schon in den Abstimmungskampagnen zum CO2- und zum Klimaschutzgesetz gezielt versucht, balkanstämmige Stimmbürger mit der Angst vor hohen Benzinpreisen zu mobilisieren: «Diese Reduktion von Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf das Klischee der Autofahrer hat eine chauvinistische Komponente. »
«Materialistische Werte» der SVP haben Potenzial
Professor Oliver Strijbis von der Universität Zürich erforscht seit Jahren die politischen Einstellungen der Schweizerinnen und Schweizer mit Migrationshintergrund. Auch er beurteilt das Potenzial der Zürcher SVP mit einer Secondo-Liste skeptisch: «Aus der Forschung wissen wir, dass diejenigen Einwanderungsgruppen, die im Fokus der Kampagnen von migrationskritischen, rechten Parteien wie der SVP waren, zunächst politisch nach links tendieren.»
Doch grundsätzlich habe die Partei richtig erkannt. dass auch sie bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund durchaus ein Wählerpotenzial habe. Die Differenzen bei den politischen Präferenzen zwischen der Schweizer Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund seien gering.
Das Buhlen um Balkan-Secondos mit dem Thema Autofahren und Benzinpreise sei zwar reduktionistisch – aber argumentativ nicht völlig abwegig. Denn im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund gewichten die erste und zweite Migrantengeneration so genannte materialistische Werte – also beispielsweise Lebenskosten, Steuern, wirtschaftliche Entwicklung – höher als postmaterialistische Werte wie Ökologie oder Gleichstellung der Geschlechter. Hier sei das Profil der SVP anschlussfähig.
Die Nominierten auf dieser Liste könnten in ihrem Bekanntenkreis zwar einige Stimmen holen, die sonst nicht der SVP-Hauptliste zugutegekommen wären. Doch die SVP gehe mit ihrer Secondo-Liste auch ein Risiko ein, sagt Politologe Strijbis. Aus der Forschung wisse man, dass Kandidierende mit ausländisch klingenden Namen auf SVP-Listen überdurchschnittlich oft gestrichen würden. Viele Wähler der SVP seien der Migration und den Migranten gegenüber kritisch eingestellt: «Die SVP riskiert, einen Teil ihrer Wählerschaft mit einer Secondo-Liste vor den Kopf zu stossen».
Das sieht SVP-Kantonalparteipräsident Domenik Ledergerber anders: «Mit der Secondo-Liste können wir jenem Teil unserer Wählerschaft, der vielleicht eine gewisse Skepsis hat, aufzeigen, dass viele gut integrierte Secondos die Werte der SVP teilen.»
(https://www.tagblatt.ch/schweiz/wahlen-2023-balkan-boom-bis-ganz-rechts-jetzt-buhlt-auch-die-svp-um-stimmen-der-secondos-setzt-dabei-aufs-auto-und-wird-kritisiert-ld.2497780)