Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++ITALIEN
Angekommen & Eingesperrt: Ankünfte auf Lampedusa
Wir sind gerade auf Lampedusa, wo aktuell täglich hunderte Geflüchtete die EU erreichen. Gestern konnten wir selbst mehrere Ankünfte beobachten. Die Menschen sind nach der langen Überfahrt erschöpft, teilweise dehydriert, einige von ihnen müssen medizinisch versorgt werden.
https://www.youtube.com/watch?v=B3qW9UeFtww
+++MITTELMEER
Klamme Seenotrettung – Tauziehen um die Finanzierung
Tausende Menschen bewahrt die zivile Seenotrettung jedes Jahr vor dem Ertrinken im Mittelmeer. Geld soll sie unter anderem auch von der Bundesregierung bekommen – zwei Millionen Euro pro Jahr. Doch das Geld fließt nur spärlich, wenn überhaupt.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/klamme-seenotrettung-tauziehen-um-die-finanzierung,TlJxGgL
+++EUROPA
Bericht: Putsch im Niger birgt Folgen für Migration nach Europa
Der Putsch im Niger gefährdet die Migrationsstrategie von Europa. Als Reaktion stoppt die EU die Budgethilfe und Sicherheitszusammenarbeit mit dem Binnenstaat.
https://www.nau.ch/news/ausland/bericht-putsch-im-niger-birgt-folgen-fur-migration-nach-europa-66561741
+++GASSE
Wer sind die Bettler in Freiburg?
Viele bettelnde Personen sind in Gruppen organisiert und betreiben in der Schweiz „Kriminaltourismus“. Die Kapo Freiburg kennt diese Vorgehensweise.
https://frapp.ch/de/articles/stories/bettler-in-freiburg
+++DROGENPOLITIK
Sonntagszeitung 30.07.2023
Cannabiskonsum in der Schweiz: Polizei verteilt 90 Prozent weniger Bussen für Kiffer
Dank lockeren Bundesrichtern müssen sich Kiffer kaum mehr vor der Polizei fürchten. Die Zahl der Bussen ist so stark eingebrochen, dass das Statistikamt sie jetzt nicht einmal mehr erheben will.
Mischa Aebi
Tatsache ist: Kiffen ist bis heute illegal. Es droht eine Busse von 100 Franken. Doch für die Liebhaber des Krauts gibt es berauschende Nachrichten: Wer in der Öffentlichkeit einen Joint dreht, muss kaum noch mit einem Strafzettel rechnen. Die Zahl der Ordnungsbussen für Cannabiskonsum ist regelrecht eingebrochen, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen.
2016 wurden schweizweit noch 20’000 Kiffer gebüsst. Zwei Jahre später waren es nicht einmal mehr halb so viele. 2021 wurden dann gerade noch 2500 Strafzettel registriert. Das ist ein Einbruch von fast 90 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Mittlerweile werden so wenige Bussen verteilt, dass das Bundesamt für Statistik beschloss, die Zahlen gar nicht mehr zu publizieren. Die Aussagekraft sei «nicht mehr gegeben», teilt das Amt mit.
Auf der Hut sein müssen Cannabiskonsumenten höchstens noch in den Kantonen Wallis und Zug. Dort gab es zumindest 2021 noch 10 respektive 22 Bussen pro 10’000 Einwohner. Zum Vergleich: Schweizweit waren es in jenem Jahr bloss 3 Bussen auf 10’000 Einwohner.
Teils werden Kifferinnen und Kiffer statt durch eine Ordnungsbusse der Polizei von einem Richter sanktioniert. Das ist meistens dann der Fall, wenn noch andere Delikte angeklagt sind. Diese Urteile werden in einer anderen Statistik ausgewiesen, doch auch sie sind rückläufig.
Bundesgericht wies Polizisten in die Schranken
Der Hauptgrund für den Rückgang sei ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2017, sagt Stephan Schlegel, Anwalt und Experte für Betäubungsmittelrecht. Bis zu jenem Urteil legten viele Polizisten das Gesetz nach ihrem Gutdünken aus. Viele Beamte verteilten Ordnungsbussen auch dann, wenn sie jemanden erwischt hatten, der bloss einen Joint gedreht und ihn noch nicht angesteckt hatte oder einfach ein paar Gramm Gras bei sich trug.
Doch mit dem Urteil von 2017 hat das höchste Gericht laut Rechtsexperte Schlegel klargestellt, dass Ordnungsbussen wegen Konsum von Cannabis nur erteilt werden dürfen, wenn der Polizist den Betroffenen tatsächlich unmittelbar mit einem rauchenden Joint zwischen den Lippen erwischt. Viele Kantone haben die höchstrichterliche Weisung befolgt und ihre Praxis gelockert.
Aber auch aus einem anderen Grund ist es für Polizisten schwieriger geworden, Kiffer zu überführen. Denn seit dem Aufkommen des legalen CBD-Hanfs ist oft nicht mehr klar, ob ein Joint nun illegalen Cannabis enthält. Weil Abklärungen aufwendig sind, dürfte die Polizei im Zweifelsfall oft auf eine Busse verzichten.
Zaudernde Politiker, liberale Richter
Während das Parlament in den vergangenen Jahren eine Legalisierung von Cannabis mehrmals knapp ablehnte, sorgen die höchsten Richter bei den Hanffreunden regelmässig für heitere Stimmung. «Das Bundesgericht hat in den letzten Jahren mit mehreren Urteilen auf eine weniger strenge Strafverfolgungspraxis bei Cannabiskonsum hingewirkt», sagt Rechtsexperte Schlegel.
So hielt das Lausanner Gericht bereits 2019 fest, dass Jugendliche nicht bestraft werden dürfen, wenn sie ein paar Blüten Gras bei sich tragen. Zudem wies es mehrmals darauf hin, dass die Justizbehörden auch beim Cannabiskonsum in leichten Fällen eigentlich von einer Strafe absehen könnten.
Neustes Urteil: Noch lockerer, noch widersprüchlicher
Ein neues Cannabis-Urteil von dieser Woche dürfte das Kifferleben nun noch leichter machen. Sofern sie weniger als 10 Gramm des Stoffs bei sich tragen, darf ihnen die Polizei den Stoff nicht mehr wegnehmen, entschied Lausanne.
Das führt allerdings laut Schlegel zu einer absurden Konstellation: «Mit dem neuen Urteil des Bundesgerichts wird die Rechtslage im Zusammenhang mit Cannabis immer widersprüchlicher», sagt er. Denn der Besitz von bis zu 10 Gramm Cannabis sei jetzt faktisch legal, aber ausdrücklich nur dann, wenn der Besitz dem Eigenkonsum diene. Wer genau das dann aber mache, also das Gras selbst rauche, werde nach dem Gesetz weiterhin bestraft.
Die Cannabis-Praxis in der Schweiz ist mittlerweile derart verwirrend, dass man kein langjähriger Kiffer sein muss, um kaum mehr durchzublicken: «Man darf etwas nur dann besitzen, wenn es einem bestimmten Zweck dient, wenn man es dann aber genau für diesen Zweck einsetzt, gibt es eine Busse», sagt Schlegel.
Härte beim Anbau: DNA-Probe wegen fünf Hanfsamen
Das ist nicht der einzige Widerspruch. So locker die Strafverfolgung beim Konsum geworden ist, so streng ist die Polizei heute noch beim Anbau und beim Verkauf von Gras. Gemäss Gesetz kann der Besitz einer einzigen Hanfpflanze auch heute noch zu einer Strafe führen.
Wie rigoros die Polizei gegen den Hanfanbau vorgeht, zeigt ein Beispiel von 2021 aus dem Kanton Bern, das auf der Website Hanflegal.ch dokumentiert ist. Ein Kiffer hatte fünf Hanfsamen aus Holland bestellt. Die Zollbeamten fingen die Sendung ab und schalteten die Kantonspolizei ein. Diese führte bei dem Beschuldigten wegen der fünf Samen eine vom Richter bewilligte Hausdurchsuchung durch.
Anschliessend musste der Beschuldigte noch eine DNA-Probe abgeben. Am Ende bekam er wegen der fünf Samen aus Holland einen Strafbefehl mit einer Busse von 150 Franken. Zudem musste er eine Gebühr von 100 Franken zahlen. Wie viel der ganze Polizeieinsatz die Steuerzahler gekostet hatte, ist in den Gerichtsdokumenten nicht aufgeführt.
(https://www.derbund.ch/polizei-verteilt-90-prozent-weniger-bussen-fuer-kiffer-848834781135)
-> https://www.blick.ch/politik/milde-polizei-kiffer-muessen-kaum-mehr-bussen-fuerchten-id18794595.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
NZZ am Sonntag 30.07.2023
Critical Mass: Juso-Präsident von Polizei gestoppt
Der Zürcher SP-Kantonsrat und Juso-Chef Nicola Siegrist hat an der unbewilligten Demo teilgenommen. In Zukunft soll solches aber nicht mehr strafbar sein, fordert das Stadtzürcher Parlament.
René Donzé
Zu den prominentesten Betroffenen gehört SP-Kantonsrat und Juso-Präsident Nicola Siegrist. «Die Polizei hat friedliche Velofahrer*innen – auch mich – kontrolliert, verzeigt, schikaniert und weggewiesen», schreibt er auf Twitter. Das sei «unnötig». Siegrist war einer von vielen, die trotz Warnung der Polizei an der sogenannten Critical Mass teilgenommen haben: einem Veloumzug, der jeden letzten Freitagabend in verschiedenen Städten stattfindet. In Zürich, so hat es der Statthalter aufgrund einer Anzeige zweier FDP-Politiker kürzlich entschieden, brauche es hierfür eine Bewilligung, da es sich um eine Demonstration handle. Doch niemand hat eine solche beantragt, und darum hat die Stadtpolizei mit Massnahmen gedroht.
Ich war heute mit anderen in Zürich auf dem Velo unterwegs, weil es für Stadt und Klima zentral ist, mehr Velo & weniger Autos zu haben.
Die Polizei hat friedliche Velofahrer*innen – auch mich – kontrolliert, verzeigt, schikaniert und weggewiesen. Unnötig.#CriticalMass
— Nicola Siegrist (@Nicola_Siegrist) July 28, 2023
Siegrist fuhr dennoch los, um «ein Zeichen fürs Velo zu setzen», wie er auf Anfrage sagt, «und weil es unverhältnismässig ist, eine Bewilligung für diesen spontan und nicht organisierten Anlass zu verlangen». Die Polizei habe ihn gestoppt und ihm eine Verzeigung in Aussicht gestellt. Er hält es offen, ob er diese anfechten wird.
So wie ihm erging es 51 weiteren Personen. Laut Polizei waren mehrere hundert Teilnehmer unterwegs. «Dabei kam es zu kleineren Verkehrsbehinderungen, kurzen Blockaden und auch Verkehrsregelverletzungen», teilte sie am Samstag mit. Und: «Die Stadtpolizei hat insgesamt 52 Personen kontrolliert, die im Nachgang wegen Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration verzeigt werden.» Zudem wurden Videoaufnahmen gemacht, damit «wir Ermittlungen von möglichen Straftaten im Nachhinein noch tätigen können», sagt Sprecherin Daniela Brunner.
Die politische Beurteilung des Einsatzes fällt durchzogen aus. FDP-Fraktionschef Michael Schmid spricht von einem verhältnismässigen Vorgehen. Die Polizei habe dafür gesorgt, dass der öffentliche Verkehr nicht gross behindert wurde. «Das ist für uns ein wichtiger Gradmesser.» Eticus Rozas, Vizepräsident der Zürcher Grünen, wiederum ist froh, «dass die Polizei die Velos fahren liess». «Übertrieben» seien jedoch die Videoaufnahmen und die vielen Verzeigungen.
Die Frage ist, was am letzten Freitag im August passiert. Vielleicht nehmen mehr Personen teil, wenn das Wetter besser ist und weil die Ferien vorbei sind. Vielleicht schrecken die vielen Verzeigungen auch ab. Die Polizei will nichts zu ihrem künftigen Vorgehen sagen.
Auf lange Frist allerdings dürfte sich ohnehin etwas ändern. Im März hat das Stadtparlament eine Motion überwiesen. Nun muss der Stadtrat die Polizeiverordnung dahingehend ändern, dass die «vorübergehende Benutzung des öffentlichen Raumes zu politischen Sonderzwecken keine strafbare Handlung mehr darstellt».
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/critical-mass-juso-praesident-verzeigt-ld.1749483)
+++ANARCHY 2023
beobachter.ch 28.07.2023
Szenen einer Utopie: Ein Dorf voller Anarchisten
Tausende feierten im beschaulichen Saint-Imier Schweizer Weltgeschichte: Hier gründeten vor 150 Jahren Anarchisten ihre Bewegung. Inspiriert vom sozialrevolutionären Geist der Uhrmacher.
Von Daniel Faulhaber
Es gibt keine Hoffnung auf Anarchie», sagt der Mann Mitte vierzig in die brennende Hitze hinein. Und augenblicklich herrscht Aufruhr auf dieser kleinen Wiese in Saint-Imier, auf der eine kleine Arbeitsgruppe über die Zukunft der Bewegung debattiert.
Der italienische Anarchist, der gerade noch mit rollendem R von Schulstreiks in Neapel erzählte. Die Frau aus Mexiko, die von den Träumen der Menschen im globalen Süden erzählte, die Frau aus Auxerre und die Genossin aus Berlin. Sie alle starren jetzt auf diesen selbst ernannten Advocatus Diaboli.
Der Redner spricht sehr laut und deutlich, damit ihn alle gut verstehen. «Diese kapitalistische Gesellschaft hat unsere Bedürfnisse organisiert. Sie hat unsere Emotionen kontrolliert. Sie hat unsere Kommunikation privatisiert. Leute, es ist vorbei.»
«Dann können wir ja jetzt nach Hause gehen», raunzt der italienische Anarchist. «Pfui», ruft jemand anders. Es gibt Einwürfe und Gegenrede und Gelächter, wildes, raues Gelächter ob dieser bodenlosen Frechheit zur angeblich aussichtslosen Lage des Anarchismus.
Und das an einem Workshop, ausgerechnet, der die Zukunft der Bewegung thematisiert. Als sich der Tumult beruhigt, beschliesst man, die Sitzung am Abend fortzuführen. «Che cazzo», sagt der Italiener. Was zum Teufel.
Ausgangspunkt Uhrenindustrie
Saint-Imier im Berner Jura liegt auf halber Strecke zwischen Biel und La Chaux-de-Fonds. Fabriken prägen das Dorfbild. Eine Frau am Wurststand in der Rue du Pont, hier geboren und aufgewachsen, zählt auf: Straumann, Zahntechnologie. Tête de Moine, Käse. Und das Uhrenunternehmen Longines natürlich, mit einem geschätzten Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Franken.
Zwischen den Neubauten und den alten Pflastersteingassen eilen Mitte Juli Anarchisten von Workshop zu Workshop. Unterwegs treffen sie auf Einheimische. Man grüsst. Drei Arbeiter vor einer portugiesischen Kneipe recken den Daumen nach oben, wenn man nach ihrer Meinung zu den Gästen mit den schwarzen T-Shirts fragt. «Très agréable», sagt einer. «Wirklich sehr freundliche Leute.»
Die Arbeiterinnen und Arbeiter der Uhrenindustrie stehen am Ausgangspunkt dieser Schweizer Weltgeschichte. Anschauungsmaterial gibt der Film «Unrueh» des Schweizer Regisseurs Cyril Schäublin von 2022. Die Industrialisierung sowie eine bevorstehende Wirtschaftskrise erhöhten hier im Berner Jura den Leistungsdruck und schürten Ende des 19. Jahrhunderts unter der Arbeiterschaft das Verlangen nach einer herrschaftsfreien Ordnung.
In der sozialistischen Linken eskalierte gleichzeitig der Konflikt zwischen Karl Marx und Michail Bakunin. Auf der einen Seite der Sozialist, der auf dem Weg zur Revolution für eine straff durchorganisierte Partei plädierte. Und auf der anderen der Anarchist, der Hierarchien strikt ablehnte.
Bakunin wurde 1872 aus der sozialistischen Internationalen ausgeschlossen. Er veranstaltete – angelockt vom sozialrevolutionären Geist der Uhrmacher im Berner Jura sowie der Versammlungs- und Pressefreiheit in der Schweiz – mit Gleichgesinnten die erste antiautoritäre Internationale. «Seither ist Saint-Imier weltweit ein Code für den Anarchismus», sagt der Historiker Florian Eitel in der «Wochenzeitung».
Vollgepacktes Programm
Im Juli 2023 – das 150-Jahr-Jubiläum wurde wegen Corona um ein Jahr verschoben – dürfen die Anarchisten immerhin den Parkplatz der Longines-Fabrik benutzen. Ansonsten ist deren Bedeutung für den Kongress gleich null.
Das Organisationskomitee betont aber, die alte Geschichte um Bakunin und die Uhrmacher sei für die aktuelle Zusammenkunft ohnehin nicht so wichtig. Ein junger Kongressteilnehmer sagt: «Ich bin nicht sechzehn Stunden aus Norddeutschland in dieses Schweizer Kaff gefahren, um alten toten Männern zu huldigen.»
Wozu also dann?
Das Lokal «Espace Noir» an der Hauptstrasse ist unter dem Jahr so etwas wie das Herz der überschaubaren lokalen Anarcho-Szene. Während des Treffens ist hier zeitweise schon morgens kein Durchkommen mehr.
An mehreren Computern sitzen Anarchistinnen und klicken sich durch das Veranstaltungsprogramm. Anarchie in Beziehung, Antimilitarismus, Critical Whiteness, antiautoritäre Perspektiven auf den Krieg in der Ukraine und anarchistisches Jodeln. Dazu Filme, Konzerte, Klettern und Skaten – über 350 Veranstaltungen. Küche, Gesundheitsversorgung und Putzen übernehmen Freiwillige, auch für die Kinderbetreuung ist gesorgt.
Morgens um 11 Uhr. Der Workshop zur Anarchie in Beziehungen findet im Kirchgemeindehaus der Pfarrei St-Georges statt. An der Wand hängt ein kleiner Jesus am Kreuz. Es geht um Vertrauen, Kommunikation, Monogamie.
Zwei Stunden beugen sich die Teilnehmerinnen über die Post-its und reden, reden, reden. Interessant ist auch, zu beobachten, wie diese anarchistische Zusammenkunft, nun ja, organisiert wird. Denn es gibt keinen Zentralrat, keine Vorsitzenden, alles geschieht im Kollektiv.
Das führt zu Spannungen, weil unter anderem Workshops mit Covid-Massnahmen-kritischem Anstrich im Programm auftauchen. Auf dem Westschweizer Infoportal «Renversé» werden im Vorfeld esoterische und verschwörungstheoretische Tendenzen kritisiert. Das Organisationskomitee verspricht in der Folge, Veranstaltungen abzusagen, die den Werten des Kongresses schaden.
Vor Ort ist die Stimmung dann deutlich entspannter. «Wir müssen nicht alle die gleiche Vorstellung von Anarchie haben», sagt eine junge Frau. «An diesem Treffen wird Pluralismus nicht nur zugelassen. Er wird gefeiert.» – «Ausser die Anarchokapitalisten», sagt der Kollege. «Die sollen sich bitte verpissen.» Gemeint ist eine libertäre Strömung, die für den radikal freien Markt und einen «Nullstaat» eintritt.
Wohin die Reise gehen soll
Die Frau sitzt am Boden und bespricht sich mit einem Freund, ob man überhaupt mit der Presse sprechen möchte. In den Augen vieler Anarchisten sind die Medien, wenn nicht der Feind, so doch der verlängerte Arm des Systems.
Schliesslich willigen die beiden ein, unter der Voraussetzung: Keine Fotos, die echten Namen sollen nicht genannt werden. Rafael und Lotta, die anders heissen, kommen aus der Schweiz.
«Ich erhoffe mir von diesem Kongress vor allem Informationen», sagt Lotta. «Wie kämpfen die Genossen in Dänemark oder Neuseeland gegen Gewalt und Rassismus? Da habe ich ein paar sehr interessante Dinge gelernt.»
Anarchie werde landläufig mit Chaos gleichgesetzt, sagt Rafael. «Das ist falsch. Das Ziel ist Selbstverwaltung, Gleichheit der Menschen, gegenseitige Hilfe.» Aber, sagt Rafael: «Ich glaube nicht an die Revolution, diesen einen Befreiungsmoment, der alle Probleme löst. Anarchismus ist ein Prozess.»
Dieses Treffen im Berner Jura sei keine Zäsur, keine Urstunde einer neuen anarchistischen Bewegung. «Im besten Fall können wir uns hier darauf verständigen, wohin die Reise eigentlich geht», sagt Lotta.
Die Frage nach dem Wohin ist der rote Faden der Versammlung. Grob gesagt geht es um Strategien nach aussen: Protestformen, digitale Selbstverteidigung und «Versagen als politische Praxis» zum Beispiel. Dort wird geübt, anstelle von Erfolgsgeschichten die Storys von Fehlern und Niederlagen im sozialen Austausch zu normalisieren.
Und es geht um die Suche nach innen, in die eigene Szene hinein. «Schaut euch mal um», sagt jemand während eines Workshops. «Wir wollen eine Bewegung sein – aber neunzig Prozent der Leute an diesem Treffen sind weiss.»
Selbstkritische Wortmeldungen zielen auch auf die Distanz zur Arbeiterklasse. Und auf Männer, die zu viel reden.
«Literatur für dreizehn Revolutionen»
Ein Symbol verschiedener Standpunkte innerhalb der anarchistischen Bewegung steht am Fuss des Dorfes. Unter dem Dach des lokalen Eishockeyteams ist eine riesige Buchmesse untergebracht.
Kämpferische Banner hängen neben Eishockeytrikots der Sainti-Bats, an der Wand prangen holzgeschnitzte Wappen der umliegenden Dörfer. Zufällige Titel aufliegender Bücher: «Syndikalismus in Schlesien». «La Ley y la Autoridad».
Über 100 Verlage und Magazine sind da. «Wir müssen die Geschichte kennen, um die Gegenwart zu verstehen», sagt Piotr, ein älterer Herr vom unabhängigen Genfer Libradio. Selbstironisches Bonmot: «Wenn irgendwo ein Anarchist auftaucht, dann gibt es dort auch eine Bibliothek.»
Vor der Eishalle sitzt Romana aus Flensburg und verkauft rotgrünes Slush-Eis zum Solipreis. «Da drin liegt genug Literatur für dreizehn Revolutionen», sagt Romana. Sie habe «keinen Bock» auf den alten Muff. Aber später sei ja noch ein Konzert. «Dort krieg ich die Energie und den Zusammenhalt, den ich brauche.»
Das Konzert später an diesem Abend gibt dann die griechisch-französisch-marokkanische Band Krav Boca. Wilde Anarcho-Punks in Sturmmasken verwandeln die Salle de spectacles von Saint-Imier in ein Tollhaus. Zappelnder Moshpit, fliegende Becher und Pyrotechnik inklusive.
Am nächsten Morgen trudeln auf Telegram frühe Nachrichten ein. Wer beim Pogo ein Handy, eine blaue Jacke oder Kopfhörer gefunden hat, soll sich bitte beim Fundbüro melden.
Welche Forderung Lotta und Rafael auf eine Fahne schreiben würden, wollten wir nach der Zusammenkunft noch wissen.
Kurze Denkpause. «Amore, Anarchia – subito!»
(https://www.beobachter.ch/gesellschaft/ein-dorf-voller-anarchisten-624007)
+++POLICE BE
Es passiert viel, wenn die Kantonspolizei in der Nacht auf Jugendpatroille geht. Eine Reportage aus Bern. (ab 11:57)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/thurgauer-dominieren-bergschwinget-auf-dem-bruenig?id=12429679
+++POLIZEI CH
Nach Shitstorm um Verhaftungsvideos: Was bringen Bodycams?
Nach Aufnahmen, die Polizeigewalt belegen sollen, fordern Polizisten und Politiker Bodycams – trotz mangelnder Wirksamkeit. Einige Kantone haben sie bereits eingeführt.
https://www.blick.ch/schweiz/nach-shitstorm-um-verhaftungsvideos-was-bringen-bodycams-id18793939.html
+++FRAUEN/QUEER
Pride mobilisiert Tausende – «Alle können sein, wie sie wollen»
Nach sechs Jahren Pause fand am Samstag die Berner Pride statt. Tausende zogen farbenfroh bekleidet durch die Hauptstadt, zelebrierten Diversität und feierten das Ende der diesjährigen EuroGames.
https://www.20min.ch/story/pride-mobilisiert-tausende-alle-koennen-sein-wie-sie-wollen-448468798455
-> https://stinknormal.blog/2023/07/30/sonntagskolumne-populismus-nicht-mit-stillschweigen-bekaempfen/
EUROGAMES IN BERN: «Die Menschen merken einfach, dass sie hier willkommen sind»
Mit der Bern Pride sind am Samstagabend auch die Eurogames 2023 zu Ende gegangen. 20 Minuten war vor Ort und hat mit Sportlerinnen und Sportlern gesprochen.
https://www.20min.ch/story/die-menschen-merken-einfach-dass-sie-hier-willkommen-sind-836749044729
„Die Junge SVP lehnt die dekadente #Genderideologie ab, kämpft gegen #Zensur und für eine #Zukunft in #Freiheit und #Sicherheit. Schweiz zurückgewinnen – Junge SVP wählen #Schweiz #Schweizzurückgewinnen #Gender #woke #Gaga #Genderfahnen #SVP #JSVP #1august #bundesfeiertag“
https://twitter.com/i/status/1685630488675840000
Queerfeindlichkeit soll Asylgrund werden: «Giorgia Meloni nimmt uns gerade unsere Kinder weg»
Nach Streit um Regenbogenfamilien in Italien: SP-Nationalrätin Tamara Funiciello fordert mehr Solidarität für lesbische Eltern in Italien und will ihnen in der Schweiz einfacher Schutz gebieten.
https://www.blick.ch/politik/queerfeindlichkeit-soll-asylgrund-werden-giorgia-meloni-nimmt-uns-gerade-unsere-kinder-weg-id18794989.html
+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Krisenverordnung gescheitert, Ausschaffungspraxis kritisiert, Migrant*innen deportiert
https://antira.org/2023/07/30/krisenverordnung-gescheitertausschaffungspraxis-kritisiertmigrantinnen-deportiert/
+++RECHTSEXTREMISMUS
„Fotos zum heutigen Aufmarsch des identitären Spektrums unter Beteiligung von Funktionären von Junge Alternative & FPÖ-Jugend. Geringe Beteiligung trotz EU-weiter Mobi. Aus der Schweiz sprach Nationalratskandidat Nicolas Rimoldi (Mass-voll). #wien #w2907
https://www.flickr.com/photos/124471633@N05/sets/72177720310112301/“
(https://twitter.com/ER_MV/status/1685392793873620992)
-> https://twitter.com/leckerbisse/status/1685671203195805697/photo/1
Anastasia: Was die russische Öko-Sekte in Österreich treibt
Die „Anastasia-Bewegung“ will sich von der modernen Welt abschotten. Esoteriker, rebellische Bauern und Möchtegern-Pädagogen ziehen mit. Österreich ist wegen fehlender Schulpflicht attraktiv. Der Verfassungsschutz beobachtet.
https://www.profil.at/oesterreich/ist-der-vormarsch-der-esoterik-bewegung-anastasia-in-oesterreich-gestoppt/402539165