Medienspiegel 9. Juli 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++LUZERN
Solinetz Luzern: Mehr Geld für die Nothilfebezüger
Ein mögliches Millionenplus 2023 für den Kanton Luzern sollte dazu führen, dass ÖV-Tickets für Nothilfebezüger:innen wieder bezahlt werden. Ein Gastbeitrag.
https://www.nau.ch/ort/luzern/solinetz-luzern-mehr-geld-fur-die-nothilfebezuger-66537491


+++NIDWALDEN
Nidwaldner Kripo-Chef: «Wir sind aktiver geworden bei Schleppern»
Der Fall sorgte für Schlagzeilen: Im September 2022 erwischte die Nidwaldner Polizei einen Menschenschmuggler, der 23 Geflüchtete in einem kleinen Lieferwagen transportierte. Der Mann wurde verteilt. Das sei eine Erfolgsgeschichte, sagt der Kripo-Chef Senad Sakic. Aber nicht einfach zu wiederholen.  (ab 04:44)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/nidwaldner-kripo-chef-wir-sind-aktiver-geworden-bei-schleppern?id=12416794


+++SCHWEIZ
Luftschutzräume statt Containersiedlungen für Geflüchtete: Handelt die Schweiz noch human?
Mitte Juni hat das Schweizer Parlament einen Kredit für Container zur Unterbringung von Migrant:innen abgelehnt – mit einem höchst umstrittenen Argument.
https://www.swissinfo.ch/ger/luftschutzraeume-statt-containersiedlungen-fuer-gefluechtete–handelt-die-schweiz-noch-human-/48642912


+++EUROPA
EU-Migrationspolitik: Die Brutalität der Grenze
Illegale Abschiebungen, Schläge, scharfe Hunde: An den EU-Außengrenzen wurde die Herrschaft des Rechts abgelöst, schwere Straftaten gegen Geflüchtete bleiben folgenlos. Reportagen von den Randzonen eines Kontinent, der behauptet, Menschenrechte hochzuhalten. Aber offenbar nicht für alle.
https://www.profil.at/ausland/eu-migrationspolitik-die-brutalitaet-der-grenze/402514909


»Höhere Gewalt«: EU will Grenzen dicht machen
In Brüssel wird an neuen Verschärfungen der Migrationsabwehr gearbeitet
Mit einer neuen Verordnung sollen die umstrittenen Grenzverfahren im Falle eines »Massenzustroms von Migranten« verlängert werden. Durch ein weiteres Gesetz könnte die Festung Europa sogar teilweise abgeriegelt werden.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174608.festung-europa-hoehere-gewalt-eu-will-grenzen-dicht-machen.html


Festung Europa: Ein Brief aus der Hölle
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen umreißt ihre Maßnahmen zur Grenzüberwachung in Nordafrika
Die EU zahlt dieses Jahr Hunderte Millionen Euro zur Grenzüberwachung an die »Partnerländer« Libyen, Ägypten und Tunesien. Die Ankündigung erfolgte wenige Tage nach dem Schiffsunglück vor Pylos.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174609.festung-europa-festung-europa-ein-brief-aus-der-hoelle.html


+++TUNESIEN
Flüchtende an der Grenze zu Libyen: Tunesien deportiert Migranten
1.200 Menschen harren in einer militärischen Sperrzone aus. Tunesiens Präsident Saied weist Kritik zurück. Hilfsorganisationen sind alarmiert.
https://taz.de/Fluechtende-an-der-Grenze-zu-Libyen/!5943278/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Massenkündigung in Bern-Holligen: Gekündigte fordern Abfindung
Die verbleibenden Mieterinnen und Mieter der beiden Hochhäuser an der Bahnstrasse in Holligen riefen zum Protest gegen die Massenkündigung der städtischen Pensionskasse.
https://www.derbund.ch/rausgeworfene-mieterinnen-und-mieter-fordern-abfindung-690140702977


+++HISTORY
NZZ am Sonntag 09.07.2023

Er gab der Zürcher Jugendbewegung ein Gesicht – und sein Herz. Ein Nachruf

Fredy Meier, der 1980 als «Herr Müller» die Hauptrolle beim kommunikativen Geniestreich der Jugendbewegung spielte, ist 67-jährig gestorben.

Thomas Isler

Zürich brannte schon seit ein paar Wochen, als eine Anfrage des Fernsehens an die aufmüpfige Jugend gelangte: Ob nicht zwei von ihnen live ihre Anliegen mit Politikern diskutieren möchten? Fredy Meier war es, der dann die Idee hatte, diese Sendung satirisch zu unterlaufen. Eine ganze Gruppe probte die Sache sorgfältig durch, und am 15. Juli 1980 traten Fredy Meier und Hayat Jamal Aldin im «CH Magazin» auf, nicht als bewegte Jugendliche, sondern als Spiesserpaar, das mehr Härte und Repression forderte.

Unvergessen, wie Meier alias Hans Müller das Gummischrot in Nordirland lobte, dann ein Zürcher Geschoss in die Kamera hielt und sich aufregte: «Mit senige Gummipatrönli» könne man die militante Jugend doch nicht vertreiben. Die Sendung eskalierte, Stadträtin Emilie Lieberherr kanzelte den hilflosen Moderator ab und drohte, hinauszulaufen.

Der Skandal beschäftigte das Land tage- und wochenlang. Die bürgerlichen Politiker schäumten, die Bewegung feierte den Coup. Heute gehört die Sendung zum Schweizer Kulturerbe, es gibt zu «Herr und Frau Müller» einen Eintrag auf Wikipedia und das Verb müllern meint die Entlarvung einer Position, indem man sie übernimmt und überzeichnet.

«Die Jugendbewegung schien wie gemacht für Fredys Talente», sagt eine ehemalige Freundin über ihn: «Er hatte all das, was 1980 gefragt war: wilde Ideen, Spontaneität, eine grosse Offenheit für Menschen und die Chuzpe des Machers. Die Bewegung war die Zeit seines Lebens – und für ihn Segen und Fluch zugleich.»

Geboren wird Fredy Meier 1955 als uneheliches Kind einer Bauerntochter aus dem Zürcher Oberland. Sein Vater ist der italienische Knecht auf dem Hof, der bald zurück in die Heimat geht. Die Mutter findet einen neuen Mann, einen Bauern aus der Nähe von Rafz. Dort wächst Fredy auf, bald kommen drei Halbgeschwistern dazu. Zuhause gibt es wenig Bücher, die Bibel, den Bildband über JFK und die Hefte von Reader’s Digest. Als der Sechstklässler einmal krank ist, bringt ihm ein Aushilfslehrer «Wolfsblut» von Jack London vorbei. Es ist eine Offenbarung.

Ein Berufsberater rät zum KV auf der Gemeindeverwaltung in Glattbrugg. Die Steuerverwaltung ist die erste Station. «Zum Glück», sagt Meier, so habe er die Ausbildung schon nach drei Monaten abgebrochen. In Zürich sucht und findet er eine Lehrstelle als Buchhändler bei Otto Brückelt an der Rämistrasse. Er schliesst Mitte der siebziger Jahre ab.

Es gärt im Untergrund – und Fredy Meier ist dabei. Bei der Revolutionären Marxistischen Liga (RML) wird es ihm indes bald zu dogmatisch. Er steht eher für die spontan-anarchistischen Ideen, die in den WGs der Stadt ausgeheckt werden. Es geht um neue Musik, um eigene kulturelle Räume, und er engagiert sich beim Piratenradio «Radio Banana», dessen Sendezeiten und Frequenz in der Stadt per Kleber bekanntgemacht werden.

Selbstverständlich ist Fredy Meier beim Opernhauskrawall am 30. Mai 1980 dabei, und an all den aufgeladenen Tagen und Wochen danach. Er hat Ideen für viele Aktionen, wie etwa Zürichs erste Nacktdemo, er engagiert sich im Autonomen Jugendzentrum AJZ. Sein Charisma und seine sprudelnde Fantasie fallen an den Vollversammlungen auf. Auch der Polizei, die mit ihren Spitzeln anwesend und auf der Suche nach Rädelsführern ist. Spätestens nach der Aktion im «CH Magazin» zählt Fredy Meier dazu.

Die Justiz erhebt Anklage gegen ihn und wirft ihm alle möglichen Delikte vor. Die meisten bestreitet er, erfolglos. Seine Strafe von 14 Monaten unbedingt (er muss 9 absitzen) ist überaus hart und hat Retorsionscharakter. In der Strafanstalt Saxerriet lernt er dann, dass der vermeintlich gute Dienstverweigerer der unangenehmere Mithäftling sein kann als der böse Zuhälter.

Als Meier freikommt, ist die Bewegung kollabiert, die beste Zeit seines Lebens unvermittelt vorbei. Er wird ihr immer wieder nachspüren. Zunächst engagiert er sich für die Drogensüchtigen auf dem Platzspitz, wo er auch Weihnachtsaktionen organisiert. Er macht eine Ausbildung zum Masseur und arbeitet mit seiner Pritsche auf der Stör. Er ist auch Zügelunternehmer, Putzmann, Jugendarbeiter, Deutschlehrer, Inseratenverkäufer oder Künstler. Dunklere und sehr energetische Lebensphasen wechseln sich ab. Mit fast 50 wird er Vater einer Tochter.

Mit seinem GA reist er viel umher und kommt dabei mit Menschen ins Gespräch. Seine Neugierde und Offenheit liegen über dem Landesdurchschnitt. Immer wieder entdeckt er das Bewegungshafte: im besetzten Wohlgroth-Areal, in der aufkommenden Technobewegung (wo er an Open-Air-Partys auch Schwitzhütten baut und betreibt), ja sogar bei den Ultras im Stadion. Meier erzählt dabei gerne von früher, ohne ins kulturpessimistische Klagen des Veteranen zu verfallen.

Als der Künstler Thomas Hirschhorn 2019 in Biel seine Robert-Walser-Sculpture schafft, ist Meier als Buchhändler dabei. Mit Begeisterung, wie er in einem Film erzählt. Die Holzhütten auf dem Bahnhofplatz, der Dialog mit den Leuten, die Spontaneität, all das erinnert ihn an die soziale Skulptur der Jugendbewegung.

Anders als andere Bewegte sucht er auch den Kontakt zu einstigen Antipoden: Bei Emilie Lieberherr und deren Partnerin ist er zum Sonntagnachmittagskaffee eingeladen, bei dem die zwei einige Gemeinsamkeiten entdecken. Er macht auch sofort mit beim Film über den früheren Polizeispitzel Willy Schaffner, den er später ab und zu in dessen Urner Heimat trifft. Als die Demenz bei ihm später schnell und aggressiv voranschreitet, besucht Schaffner ihn auch noch einmal im Heim, in dem Fredy Meier zuletzt lebt.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/hintergrund/fredy-meier-das-gesicht-der-zuercher-jugendbewegung-ein-nachruf-ld.1746419)