Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
Regierungsratsantwort auf Interpellation I 003-2023 Gullotti (Tramelan, SP) Ausweis F und Arbeitsbewilligung: Welche Informationen sind den Arbeitgebern bekannt?
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=30d4f303d20842bda39e1b0824b557b0
Regierungsratsantwort auf Interpellation I 007-2023 Müller (Innerberg, SP) Praxis der fünf regionalen Partner, die für die Integration, Unterbringung und Unterstützung von Asylsuchenden zuständig sind, bei der Festlegung des Mietzinses von Wohnungen für Asylsozialhilfebeziehende.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=6cede16522574f5387c61b51ca8dcf32
Regierungsratsantwort auf Interpellation I 048-2023 Hebeisen-Christen (Münchenbuchsee, SVP) Integrationspauschale nach Artikel 58 Absatz 2 AIG
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=d6a0ee17544746728dc1aecadb912999
Regierungsratsantwort auf Interpellation I 085-2023 Berger-Sturm (Grosshöchstetten, SP) Gesundheitsversorgung in Kollektivunterkünften des kantonalen Asylbereichs.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=e6699f4d7129414ea66572f76f05e893
Regierungsratsantwort auf Motion M 060-2023 Ammann (Bern, AL) Dublin-Rückführungen nach Kroatien aussetzen.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=11f857b4f58d42bea9ae64e9ab1a7dd9
+++AARGAU
Reinach – «Wir vermissen die Schweiz»: So geht es den Schwestern nach ihrer Ausschaffung
Jasmy und Rushana wurden vergangene Woche zusammen mit ihrer Mutter nach Sri Lanka ausgeschafft. Die Schule in Reinach startete eine Spendenaktion. Nun erzählen die Schwestern erstmals, wie es ihnen in ihrer neuen Heimat geht.
https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/wir-vermissen-die-schweiz-so-geht-es-den-schwestern-nach-ihrer-ausschaffung-152322830?autoplay=true&mainAssetId=Asset:152291428
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aargauerzeitung.ch 03.07.2023
«Wir vermissen die Schweiz»: So geht es Rushana und Jasmy nach ihrer Ausschaffung
Das Schicksal der Schwestern hat Reinach getroffen. Nachdem sie mit ihrer Mutter vergangene Woche nach Sri Lanka ausgeschafft worden waren, startete die Schule eine Spendenaktion. Im Gespräch mit der AZ erzählen die Mädchen erstmals, wie es ihnen in ihrer neuen Heimat geht.
Natasha Hähni
«Wir haben nicht viele Menschen kennen gelernt. Hier sprechen alle Singhalesisch», erzählt Jasmy. Sie ist mit ihrer 14-jährigen Schwester Rushana und ihrer Mutter in Negombo. Die Ortschaft nördlich von Sri Lankas Hauptstadt Colombo ist dem 11-jährigen Mädchen fremd. «Wir sind noch bei der Freundin meiner Mutter. Aber morgen werden wir zu unserer Tante zügeln», sagt sie. Eine eigene Wohnung suche die Familie noch.
Vor wenigen Tagen wurden Jasmy und Rushana auf dem Schulweg von Polizisten abgeholt, weil die Mutter dem Ausschaffungsentscheid des Migrationsamts nicht gefolgt war. «Sie sagten ihnen, dass sie nicht mehr in diesem Land wohnen dürfen», erzählt Jasmys ehemalige Klassenlehrerin Maya Godarzi. Die beiden Mädchen hätten dann kurz ihre Sachen im Zimmer der Asylunterkunft, wo sie bisher wohnten, packen können. «Ihre Mutter war zu dem Zeitpunkt bereits im Auto», so die Lehrerin. Noch am selben Abend sassen die drei im Flugzeug nach Sri Lanka.
Traumberufe rücken in die Ferne
Vieles mussten Jasmy und Rushana in der Schweiz zurücklassen. Fotoalben, Freunde und – zumindest vorerst – ihre Berufswünsche, wie sie erzählen: «Ich wollte Lehrerin werden, in Sri Lanka will ich aber nicht unterrichten», sagt Jasmy. Rushana ergänzt: «Ich wollte Ärztin werden. Das hat sich jetzt geändert, weil ich Schwierigkeiten mit der Sprache hier habe.»
Dass die Sprache langfristig ein Problem für die beiden Mädchen sein wird, glaubt der Gesamtschulleiter der Kreisschule Reinach-Leimbach, Hanspeter Draeyer, nicht: «Sie haben innerhalb von zweieinhalb Jahren praktisch perfekt Deutsch gelernt.» Er sei sich sicher, dass sie zurechtkommen werden, sobald sie mit der Schule beginnen. Im Moment haben die Schwestern aber noch Heimweh: «Wir vermissen die Schweiz, am meisten vermissen wir die Schule und unsere Kolleginnen», sagt Rushana gegenüber der AZ.
Die Spendenaktion soll nachhaltig sein
Die Schule setzt, seit sie von der schwierigen Situation der Mutter weiss, alles daran, die Familie zu unterstützen. «Wir haben im Februar nur davon erfahren, weil Jasmy im Unterricht plötzlich weinen musste», so der Gesamtschulleiter. Sofort habe er das Gespräch mit der Mutter gesucht und eine Gefährdungsmeldung bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) gemacht – beides vergeblich. «Die Mutter hat unsere Vorschläge abgewiesen, und die Kesb hat sich lange nicht gemeldet und uns dann mitgeteilt, sie sei in diesem Fall nicht zuständig», so Draeyer.
Als die Ausschaffung vergangene Woche definitiv war, fing Draeyer gleich an, mit den Mädchen nach einer englischsprachigen Schule in Sri Lanka zu suchen. Mit der sei man zurzeit in Kontakt. Dank einer Spendenaktion, die am Jugendfest startete, soll nun Geld für die Ausbildung von Jasmy und Rushana gesammelt werden. «Neben einmaligen Zahlungen haben sich viele Lehrpersonen dazu bereit erklärt, monatlich auf das Konto einzuzahlen. So wird das Ganze nachhaltig», sagt Draeyer.
Zusätzlich hat Isabelle Gasparini, die Mutter eines Mitschülers von Jasmy, in ihrem Laden «Senza» einen Kuchenverkauf gestartet. Der lief übers Wochenende so erfolgreich, dass die Kosten für das erste Schuljahr der beiden Mädchen bereits gedeckt seien. «Die Kinder backen, so weit ich weiss, immer noch», sagt Draeyer. Gasparini bestätigt: «Ich werde den Verkauf mindestens noch bis zu den Sommerferien weiterziehen.» Auf die Spendenaktion angesprochen, sagen die Schwestern: «Wir sind voller Dankbarkeit darüber, dass sie uns so unterstützen.»
Die Fäden müssen dünner werden
Wie viel Geld genau gesammelt wird, will die Schule lieber nicht publik machen. «Das könnte die Familie gefährden, sie könnte zum Beispiel entführt oder ausgeraubt werden», erklärt der Gesamtschulleiter. Aus demselben Grund werde das Geld auch direkt an die Schule bezahlt. «Wir sind laufend im Austausch», so Draeyer.
Im Moment bereiten sich Jasmy und Rushana noch auf die Schule vor. «Im Sommer wird eine unserer tamilischen Lehrpersonen, die sowieso in Sri Lanka Urlaub machen wird, vielleicht zu den Schwestern reisen, um ihnen ihre Sachen zu bringen», erzählt Draeyer. Jedoch müssten die Fäden zur Schweiz mit der Zeit dünner werden, findet der Gesamtschulleiter. «Ich wünsche mir, dass sie auch in Sri Lanka Fuss fassen können und den Ehrgeiz und die Selbstdisziplin beibehalten können, die sie hier immer gezeigt haben.» Bis sie ihre Berufsziele erreicht haben, stehe ihnen die Schule weiterhin zur Seite.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/wyna-suhre/reinach-wir-vermissen-die-schweiz-so-geht-es-rushana-und-jasmy-nach-ihrer-ausschaffung-ld.2483321)
+++SCHWEIZ
So viel kostet die Gesundheit von Asylsuchenden
Das Staatssekretariat für Migration hat erstmals die Gesundheitskosten von Asylsuchenden ermittelt. Das Ergebnis spaltet die Gemüter der Politik gewaltig.
https://www.nau.ch/news/wirtschaft/so-viel-kostet-die-gesundheit-von-asylsuchenden-66535282
Many, de retour en enfer ? Comment la Suisse use du tortionnaire croate
Le témoignage de Many, passé par la Croatie en fuyant le Burundi, que la Suisse veut renvoyer au nom du règlement Dublin.
Arrivé en Suisse après un long périple, Many a connu sur son chemin l’enfer réservé par la Croatie aux populations migrantes. Aujourd’hui, le Secrétariat d’État aux migrations veux le renvoyer là-bas, en vertu du règlement de Dublin. Témoignage en forme de portrait et regard sur les arguments du SEM pour remettre Many aux mains de ses tortionnaires.
https://renverse.co/analyses/article/many-de-retour-en-enfer-comment-la-suisse-use-du-tortionnaire-croate-4083
+++DEUTSCHLAND
Die Bundesregierung und ihre Schönrednerei im Faktencheck
Schon seit der Entscheidung über die EU-Asylreform im Europäischen Rat der EU versuchen Mitglieder der Bundesregierung, die Zustimmung zu rechtfertigen – und greifen dabei immer wieder auf Falschdarstellungen zurück. Unser Faktencheck.
https://www.proasyl.de/news/die-bundesregierung-und-ihre-schoenrednerei-im-faktencheck/
+++GRIECHENLAND
Türkei wirft Griechenland erneut Pushbacks vor
Die Türkei hat dem Nachbarn Griechenland Pushbacks von Migranten in der Ägäis vorgeworfen.
https://www.nau.ch/news/europa/turkei-wirft-griechenland-erneut-pushbacks-vor-66535514
+++ITALIEN
Sea-Eye klagt gegen Italien wegen unrechtmäßiger Festsetzung der SEA-EYE 4
Klage gegen italienisches Verkehrsministerium am Zivilgericht von Chieti
https://sea-eye.org/sea-eye-klagt-gegen-italien-wegen-unrechtmaessiger-festsetzung-der-sea-eye-4/
+++EUROPA
«Apropos» – der tägliche Podcast: Die grosse Asylreform der EU
Im vergangenen Jahr haben fast eine Million Menschen in der EU einen Asylantrag gestellt. Seit Jahren sind die EU-Mitgliedsstaaten jedoch unzufrieden mit dem Asylsystem. Nun ist eine Reform geplant.
https://www.tagesanzeiger.ch/die-grosse-asylreform-der-eu-863177776585
Teure Tote
Abgewehrte – und das heisst oft: in den Tod getriebene – Geflüchtete sind uns teuer. Wir geben viel Geld für sie. Und sie sind uns auch lieb und teuer, wenn wir von Menschenrechten reden, schreibt Kolumnistin Anni Lanz.
https://bajour.ch/a/cljcn5omk8097392siyw82c34fm/anni-lanz-ueber-eu-aussengrenzen-und-die-abwehr-von-gefluechteten
Gala für Schlepper und Schleuser: Fluchthilfe braucht Netzwerke
Eine Initiative verleiht als Kritik an tödlichen Grenzregimes Preise an zwei Fluchthelfer. Einer der beiden sitzt in Griechenland im Gefängnis.
https://taz.de/Gala-fuer-Schlepper-und-Schleuser/!5940148/
+++FREIRÄUME
ajour.ch 03.07.2023
Hausbesetzung – Aufräumen, putzen, packen: Die Besetzer am Unteren Quai gehen – und erhalten ein Gesprächsangebot
Knapp einen Monat ist es her, seit ein Kollektiv die Häuser am Unteren Quai besetzt hat. Nun ist es draussen, an seinen Forderungen hält es aber fest.
Jérôme Léchot
Das erste Ultimatum bis am 12. Juni 2023 hatten die Besetzer ungerührt verstreichen lassen. Vor einer Räumung hätten sie keine Angst, sagten sie damals. Einige gaben zu verstehen: Sie würden das Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei kennen und sich davor nicht fürchten.
Nun haben die Besetzenden es sich offensichtlich anders überlegt und das Haus am Sonntagabend verlassen. Denn auf Montagmorgen hätte wohl eine polizeiliche Räumung gedroht. Ein Sprecher des Kollektivs erklärt: «Wir haben stets den gewaltfreien Dialog gesucht und wollten keine Konflikte – eine polizeiliche Intervention wäre nicht in unserem Sinn gewesen.»
Aber die Besetzenden sind nicht einfach verschwunden, sondern haben die Gebäude am Sonntagnachmittag auch noch geputzt und aufgeräumt und wieder eingepackt, was sie während der Besetzung mitgebracht hatten. Der Sprecher: «Wir haben das Gebäude so hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben.»
Das wollte der Kanton Bern, dem die Liegenschaften gehören, am Montagmorgen nachprüfen und hat um zehn Uhr einen Beamten vom Amt für Gebäude und Grundstücke entsandt. Um nachzusehen, ob nichts kaputtgegangen ist, wie Amtsvorsteher Lorenz Held gegenüber Canal 3 sagte. Und um das Gebäude zu sichern, «damit es nicht zu einer erneuten Besetzung kommt».
Ausser den zwei Polizisten und dem Beamten aus Bern war am Montagmorgen von einem knappen Monat Besetzung nichts mehr zu sehen.
Zwei Polizisten, ein Beamter
Dennoch habe sich «der zivile Ungehorsam gelohnt», wie das Kollektiv in einer Medienmitteilung schreibt. Sie hätten eine wichtige Diskussion darüber entfacht, wie die Stadt entwickelt werden, die Kultur in Biel aussehen sollte. Nicht zuletzt solle damit auch ein Raum, «der jahrzehntelang auf hässlichste Weise von der Gier des Geldes beherrscht wurde», in einen Ort verwandelt werden, «an dem die Menschen ein warmes Gefühl haben», wie das Kollektiv schreibt.
Das Kollektiv spielt damit auf die Baracken an, in denen die Baufirma Bührer bis zu 100 ihrer Arbeiter unterbrachte. Die Saisonniers mit unsicherem Aufenthaltsstatus waren in Massenschlägen, ohne Heizung, mit einer Wasserstelle und zwei Plumpsklos untergebracht, wie ein Dokumentarfilm zeigt, auf den das Neue Museum Biel gestossen ist.
Auch wegen der Geschichte des Orts fordert das Kollektiv mit Vehemenz, dass an diesem Ort keine kommerzielle, sondern eine öffentliche Nutzung komme. Nunmehr ohne das Druckmittel einer Besetzung, dafür aber mit Unterstützung aus der Politik und der Kultur: Eine Mehrheit im Stadtrat stellte sich hinter die Ideen der Besetzenden, und 50 Kulturschaffende haben sich mit dem Anliegen solidarisiert.
Aber das Kollektiv setzt auch auf ein Versprechen, das der Kanton abgegeben hat. Er erklärte sich zu Gesprächen bereit, sofern die Besetzung beendet werde. Der Sprecher des Kollektivs: «Ich hoffe, dass der Kanton sein Versprechen nun hält.»
Gespräch mit dem Kanton und dem Stadtpräsidenten
Lorenz Held bestätigt, dass er sein Versprechen zu halten gedenke und der Gruppe ein Gespräch anbiete – im Beisein mit dem Bieler Stadtpräsidenten Erich Fehr (SP).
Dennoch möchte er zu ein paar Vorwürfen und Vermutungen Stellung nehmen, die das Kollektiv gegen den Kanton verlautbart habe. So habe der Kanton sehr wohl an Plänen für eine Zwischennutzung gearbeitet: Er hätte bereits zwei Verhandlungsrunden mit einem Interessenten geführt, der die Gebäude im Baurecht erwerben wollte. Er hätte, wie er rechtfertigt, die Gebäude leer gehalten, falls wegen des Abbruchs der Liegenschaften an der Aarbergstrasse für den BFH-Campus Mietern notfallmässig eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden müsste. Und nicht zuletzt sei er als Kantonsbaumeister auch dafür verantwortlich, die Gebäude des Kantons Bern wirtschaftlich zu nutzen; die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates habe das in ihrem Bericht kürzlich wieder gefordert.
Doch Held gibt sich konziliant, spricht davon, die Zähler im Konflikt wieder auf null zu stellen. Unter Berücksichtigung anderer Interessenten wolle er nun auch ausloten, welches die beidseitigen Interessen zwischen den ehemaligen Besetzenden und dem Kanton seien. «Es ist gut, wenn wir jetzt mit der Equipe Gespräche führen.»
(https://ajour.ch/de/story/114338/aufr%C3%A4umen-putzen-packen-die-besetzer-am-unteren-quai-gehen-und-erhalten-ein-gespr%C3%A4chsangebot)
+++GASSE
Vom sozialen Abseits auf die Fussballplätze Sacramentos
Vom 8. bis am 15. Juli findet in Sacramento (USA) der Homeless World Cup 2023 statt. Daran teil nimmt auch das Team des Surprise Strassenfussballs. Bis dahin muss es sich aber noch intensiv vorbereiten.
https://www.baseljetzt.ch/vom-sozialen-abseits-auf-die-fussballplaetze-sacramentos/81968
-> https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/209033?autoplay
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Krawalle in Lausanne: «Die Leute sind auch wütend – aber im Stillen»
Die Proteste in Frankreich erreichten am Wochenende die Schweiz. So kam es in Lausanne zu heftigen Krawallen. 20 Minuten hat Lausanner gefragt, was sie davon halten.
https://www.20min.ch/video/die-leute-sind-auch-wuetend-aber-im-stillen-370111253672?version=1688360900033
+++KNAST
Thun: Nach Brand in Gefängnis – Ein Jugendlicher konnte Spital verlassen
Von den zwei 17-Jährigen, die sich bei einem Brand im Regionalgefängnis Thun verletzten, konnte einer das Spital inzwischen verlassen.
https://www.bernerzeitung.ch/ein-jugendlicher-konnte-spital-verlassen-115483908113
+++POLIZEI CH
Gummischrot soll in der Schweiz verboten werden – 10vor10
Verschiedene Schweizer Polizeien setzen bei Demonstrationen Gummischrot ein. Dieser ist jedoch umstritten, denn immer wieder werden Personen ernsthaft verletzt. Auch die Polizei kennt die Risiken des Einsatzes von Gummigeschossen, betont aber die Vorteile. Mehrere Organisationen fordern die Einschränkung oder das Verbot in der Schweiz.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/gummischrot-soll-in-der-schweiz-verboten-werden?urn=urn:srf:video:aa92d202-c900-49ac-abec-658ee9bb4e0d
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/erblindung-nach-1-mai-demo-gummischrot-petition-fordert-ein-verbot-die-polizei-wehrt-sich
+++POLICE FRA
Jugendaufstände in Frankreich: Wie sich Teile der Polizei mit Marine Le Pen verbünden
Rechtsextreme und Polizeigewerkschaften nutzen die Ausschreitungen in Frankreich gemeinsam für ihre Agenda. Macron aber bleibt passiv: Er braucht die Polizei.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-07/frankreich-protest-marine-le-pen-polizei-emmanuel-macron/komplettansicht
Soziologe über die Unruhen in Frankreich: „Die Polizei will Furcht einflößen“
Der Soziologe Sébastien Roché hält eine Gesetzesänderung von 2017 für eine der Ursachen der Zunahme von Polizeigewalt. Er fordert eine Reform.
https://taz.de/Soziologe-ueber-die-Unruhen-in-Frankreich/!5941697/
Proteste von Jugendlichen in Frankreich: Sie haben keine Wahl
Die Proteste in Frankreich reagieren auf die Polizei, die einen 17-Jährigen erschoss. Sie sind für Jugendliche der einzige Weg, gehört zu werden.
https://taz.de/Proteste-von-Jugendlichen-in-Frankreich/!5941793/
»Athena« und die Krawalle in Frankreich: Selbstermächtigung mittels Netflix
In der Flut der Bilder aus Frankreich verweisen Nutzer sozialer Netzwerke immer wieder auf einen Netflix-Film: »Athena« erzählt von einem Aufstand gegen die Polizei. Was ausgerechnet diesen Film so wirkmächtig macht.
https://www.spiegel.de/kultur/tv/athena-und-die-krawalle-in-frankreich-selbstermaechtigung-mittels-netflix-a-85ff9966-af57-4108-9dd7-efa3147e0ee5
-> Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=GXGkmd4S4CM
Nach Krawallen: Frankreichs Polizeiarbeit im Fokus – Echo der Zeit
Die schweren Krawalle in Frankreich rücken auch die Polizeiarbeit in den Fokus: Allein im letzten Jahr wurden bei Polizeikontrollen 13 Autoinsassen getötet. Wie steht es um die Beziehung zwischen der Polizei und den Bürgerinnen und Bürgern in Frankreich? Gespräch mit der Soziologin Andrea Kretschmann.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/nach-krawallen-frankreichs-polizeiarbeit-im-fokus?partId=12414526
Spendenaktion für Polizisten löst Kritik aus
In Frankreich wird Geld gesammelt für die Familie des Polizisten, der in Frankreich einen 17-Jährigen erschossen hat – mit einigem Erfolg. Das sorgt für Kritik: Diese Spendenaktion diene nicht zur Beruhigung der Lage, so der Justizminister.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/spenden-frankreich-polizist-100.html
Proteste in Frankreich: Flut an falschen Videos und Bildern
Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Frankreich werden in den sozialen Medien zahlreiche Bilder und Videos geteilt. Dabei stammen viele gar nicht von den derzeitigen Protesten, sondern sind Desinformation.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/frankreich-proteste-desinformation-100.html
Communiqué de Désarmons-les ! par rapport aux émeutes suite au meurtre de Nahel
En tant que collectif engagé depuis une décennie contre les violences d’Etat, Désarmons-les ! tenait à publier une réaction en soutien aux révoltes qui ont suivi le meurtre de Nahel.
https://renverse.co/analyses/article/communique-de-desarmons-les-par-rapport-aux-emeutes-suite-au-meurtre-de-nahel-4084
Darum sind junge Franzosen so wütend auf den Staat
Viele französische Jugendliche sind unzufrieden mit der Situation in ihrem Land. Die Gründe sind vielfältig – eine entscheidende Rolle spielt die Polizei.
https://www.nau.ch/news/europa/darum-sind-junge-franzosen-so-wutend-auf-den-staat-66535214
Unruhen in Frankreich – Braucht Frankreichs Polizei Nachhilfe in Bürgernähe?
Die «Police nationale» ist laut einer Expertin nur auf Eskalation trainiert. Das genüge in sozialen Brennpunkten nicht.
https://www.srf.ch/news/international/unruhen-in-frankreich-braucht-frankreichs-polizei-nachhilfe-in-buergernaehe
Hat Frankreich die tödlichste Polizei Europas?
Nachdem der 17-jährige Nahel vor sieben Tagen bei einer Polizeikontrolle bei Paris getötet wurde, reissen die Schlagzeilen nicht ab. Eine dieser Schlagzeilen macht uns besonders hellhörig: Frankreich soll die tödlichste Polizei in ganz Europa haben. Stimmt das?
https://www.srf.ch/audio/news-plus/hat-frankreich-die-toedlichste-polizei-europas?id=12414451#autoplay
++++RECHTSPOPULISMUS
Regierungsratsantwort auf Interpellation I 004-2023 Widmer (Bern, Grüne) Irritierende Aussagen des Polizeikommandanten zum Perimeter Schützenmatte, zur Reitschule und zum kantonalen Gastgewerbegesetz.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=b06636e9e0714dc39e7df6864b9643f1
Kleine Anfrage Fraktion SVP (Alexander Feuz / Thomas Fuchs, SVP): Ärger nach dem Frauenstreik – wie politisch dürfen Kitas sein?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=9b99a6904bec454790b9ec2ea7e45ace
Per KI generiertes Sujet: FDP macht Wahlkampf mit den Klima-Klebern
Klimaaktivisten, die sich auf die Strasse kleben: Die FDP nutzt den Ärger vieler Autofahrer über die Aktionen der Klima-Kleber für ihren Wahlkampf. Ihr Slogan: «Anpacken statt Ankleben».
https://www.blick.ch/politik/per-ki-generiertes-sujet-fdp-macht-wahlkampf-mit-den-klima-klebern-id18717769.html
Öffentlich-Rechtliche in der Schweiz: Kuscheln mit rechts
Das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehen SRF bietet Rechtspopulist:innen und ihren Ansichten eine große Plattform. Warum?
https://taz.de/Oeffentlich-Rechtliche-in-der-Schweiz/!5941792/
Feine Sahne Fischfilet politisiert gegen die «scheiss Wichser von der SVP» am OASG
„«Das nächste Lied, das heisst Zuhause. Gegen diese scheiss Wichser von der SVP.»
Das Lied sei all denen gewidmet, die kein Zuhause haben und auf der Flucht vor Armut und Verfolgung seien. Dabei wurde das Konzert ungeschnitten im Radio SRF 3 übertragen.“
https://www.watson.ch/schweiz/openair/997565021-feine-sahne-fischfilet-politisiert-am-oasg-svpler-frechheit
SVP-Imark: Bund soll Bundesplatz kaufen
Auch während Parlamentssitzungen darf neu auf dem Bundesplatz demonstriert werden: SVP-Nationalrat Christian Imark will, dass der Bund mehr Mitsprache erhält.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/svp-imark-bund-soll-bundesplatz-kaufen-66535364
+++RECHTSEXTREMISMUS
„1: Im Zuge der Recherche von @maier_lotta tauchte folgendes Bild wieder auf. Es zeigt das Ex SVP Mitglied und Neonazi Freund Simon Stocker, wie er einem linken Demonstranten Pefferspray ins Gesicht sprüht. In der Mitte sehen wir verpixelt einen alten Bekannten. Wer es wohl ist?
2: Richtig! Es handelt sich dabei um das Junge Tat Mitglied Jelischa Schimon Michlig aus Herzogenbuchsee. Unten ist ein unverpixeltes Bild von ihm an diesem Tag zu sehen. Die Hosen und der Pullover stimmen überein. Ebenso der weisse Kragen und die Körperhaltung.
3: Jelischa Michlig tritt übrigens auf Instagram unter dem Handle @aseiiron auf. Ein alter Eintrag auf der SwitzerLAN Webseite in Kombination mit einem Instagram Post von Selina Dienemann, ebenfalls Junge Tat, hat ihn verraten. Miau!
https://twitter.com/schwarzerKat3r/status/1675605304258490369
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Nein, in Zürich stehen keine Panzer gegen Krawallmacher
Ein Video in den sozialen Netzwerken sorgt für Aufregung. Angeblich hat der Bundesrat die Armee aufgeboten, um in Zürich Unruhen zu bekämpfen. Doch ein genauer Blick entlarvt den wahren Unruhestifter.
https://www.20min.ch/story/nein-in-zuerich-stehen-keine-panzer-gegen-krawallmacher-364986754278?version=1688406118831
++++HISTORY
Kleine Anfrage Fraktion GB/JA (Franziska Geiser/Seraphine Iseli, GB): Wie gedenkt die Stadt Bern der Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=ff08bc7e90074cc796f9367efe806d99
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derbund.ch 03.07.2023
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen: Leid der Verdingkinder ist in Berner Schulen kein Pflichtstoff
Der Kanton Bern will die Erinnerung an die Opfer wachhalten. Es ist aber im Ermessen der Lehrpersonen, ob das Thema Fremdplatzierungen behandelt wird.
Simon Wälti
Die Schülerinnen und Schüler sind «schockiert» und «betroffen» über das Unrecht. Sie sind «erschrocken», dass es auch in der Schweiz «eine Form der Sklaverei» gab. Es geht um das jahrzehntelange System der Verdingung und Fremdplatzierung, unter dem viele Kinder und Jugendliche gelitten haben.
Die Schülerinnen und Schüler von Sekundarlehrer Herbert Winiger aus Grenchen sind aber auch beeindruckt. Der Auslöser für diese Gedanken und Gefühle: Sie haben in dieser Zeitung das Porträt von Alfred Ryter aus Uetendorf gelesen, der im Berner Oberland bei Bauern verdingt war, und dabei Schläge, Hunger und psychische Not erdulden musste. In Briefen danken sie Ryter für den Mut, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Wir haben einige Passagen aus diesen Briefen ausgewählt.
«Jeder hat davon gewusst, doch alle haben geschwiegen. Dieses Thema darf nicht vergessen gehen, besser gesagt, diese Menschen, die das durchgemacht haben, dürfen wir nicht vergessen!» Das schreibt Samira Faigaux. Viele Schülerinnen und Schüler schreiben, es sei wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und diese Periode aufzuarbeiten.
«Die Gesellschaft trägt die Verantwortung, aus dieser düsteren Vergangenheit zu lernen», schreibt Loris Bleuer. Und Lena Hostettler meint: «Wir müssen sicherstellen, dass alle Kinder eine sichere und liebevolle Umgebung haben, in der sie aufwachsen können.»
Als Pflichtstoff in der Schule?
Jasminy Sivakumar hat eine konkrete Forderung: «Die Schulen könnten auch einen Beitrag leisten, indem sie dieses Thema als Pflichtstoff in der Schweizer Geschichte einführen. Auch schlechte Zeiten und Ereignisse zählen zur Geschichte des Landes.» Für Elia Walker sollte die Erinnerung dazu dienen, «eine gerechtere und mitfühlendere Gesellschaft aufzubauen».
Genau das ist auch das Anliegen von Alfred Ryter und von vielen Betroffenen: dass ihre Geschichte nicht vergessen geht. Der Kanton Bern und über 160 Gemeinden haben im Mai und Juni deshalb vielfältige Gedenkveranstaltungen durchgeführt und Ausstellungen veranstaltet – als Zeichen der Erinnerung (Zeder) an die Zeit fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen. In diesem Rahmen ist auf www.zeder-bern.ch auch Unterrichtsmaterial für die Oberstufe, das heisst für die 7. bis 9. Klasse, verfügbar. Zudem können Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in die Schulen eingeladen werden, die aus ihrem Leben berichten.
«Das Thema lässt sich sehr gut an den Lehrplan 21 anbinden», sagt Zeder-Projektleiter Urs Rietmann. Wie viele Schulen im Kanton Bern nun die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen im Unterricht behandeln, ist nicht bekannt. Schulen und Lehrpersonen haben grosse Freiheiten, welche Inhalte sie im Rahmen des Lehrplans auswählen. «Es hängt stark von den Lehrerinnen und Lehrern ab, weil die Beschäftigung mit diesem schwierigen Thema persönliches Engagement erfordert», so Rietmann.
Die erste Gedenkveranstaltung fand am 25. Mai 2023 mit Bildungsdirektorin Christine Häsler (Grüne) in Köniz statt. Die Regierungsrätin sagte in ihrer Rede: Wer der Zukunft gerecht werden wolle, müsse bereit sein, zurückzuschauen und sich der Fehler zu stellen. Der Zeitraum vor den bald beginnenden Sommerferien war also nur kurz. «Wir hoffen, dass viele Schulen die Auseinandersetzung mit diesem Thema im nächsten Schuljahr wagen werden», sagt Rietmann weiter.
Spielraum für Lehrpersonen
Der Berufsverband Bildung Bern mit über 10’000 Mitgliedern hält das Thema für sehr wichtig, wie Franziska Schwab, Leiterin Pädagogik, erklärt: «Die Diskussion über Würde, Verantwortung, Freiheit, Willkür, Opfer und Täter lässt sich sehr gut im Fach Räume, Zeiten, Gesellschaften in den Unterricht integrieren und auf die heutige Zeit übertragen.» Für Bildung Bern sei es aber auch sehr wichtig, dass in diesem Fach «Gestaltungsspielraum und Wahlfreiheit» für die Lehrpersonen erhalten blieben. Bei Selektionsfächern wie Mathematik oder Französisch ist der Unterrichtsstoff dagegen weitgehend vorgegeben.
Gerade die Möglichkeit, Zeitzeugen einzuladen, sei sehr wertvoll, findet Franziska Schwab weiter: «So werden die Schülerinnen und Schüler über ihre Emotionen angesprochen. Das beeinflusst die Lernleistung positiv.» Zentral sei jedoch, dass keine einseitige Perspektive vermittelt werde. «Ein Bekannter von mir wurde bei einer Bauernfamilie platziert, wo er es sehr gut hatte. Bei seinen Eltern konnte er wegen seines alkoholsüchtigen Vaters nicht bleiben.»
«Schwierige Hürde» genommen
Die Schulbesuche werden vom Erzählbistro organisiert. Dieses bezeichnet sich als Begegnungsort für die Betroffenen fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und ist seit vier Jahren aktiv. «Wir ermöglichen soziale Kontakte und den Austausch», sagt Claudia Zürcher vom Erzählbistro. «Unsere Treffen vermitteln aber auch Familiengefühl und Wertschätzung.» Gerade Schulbesuche seien eine wichtige Möglichkeit, die Erinnerung wachzuhalten. «Dieses düstere Kapitel gehört zu unserer Geschichte, so wie der Zweite Weltkrieg», sagt Zürcher.
Während in der Volksschule vieles von den Lehrpersonen abhängt, werden auf der Stufe Gymnasium Zwangsversorgung und Fremdplatzierung immer mehr zu einem fixen Bestandteil des Lernstoffs, wie Martin Pryde sagt. Das sei erfreulich.
Pryde ist Präsident des Vereins Schweizerischer Geschichtslehrpersonen. Das Thema mit seinem starken Aktualitätsbezug ist etwa im Schweizer Geschichtsbuch III und IV enthalten. «Sobald das Thema in ein Lehrmittel einfliesst, entwickelt es eine Eigendynamik», sagt Pryde, der in Schaffhausen unterrichtet. Das stelle aber oft eine «schwierige Hürde» dar.
Für die Gymnasien findet derzeit gerade eine grosse Reform statt, bei der auch die Lehrpläne überarbeitet werden. Pryde ist gespannt, ob dabei das Thema stärker gewichtet wird. Die Umsetzung obliegt dann aber ab dem Schuljahr 2024 den Kantonen und den einzelnen Schulen.
Als sehr grosse Schwierigkeit bezeichnet er die «Verteildiskussion» um die Lektionen, die zu Rivalitäten zwischen den Fächern führt – wobei das Fach Geschichte oft in die Defensive gedrängt wird. «Trotz knapper Lektionenzahl sind die Anforderungen und Erwartungen an das Fach sehr hoch», sagt Pryde.
Zurück zur Schulklasse von Lehrer Winiger: Ist mit der Erinnerung alles erledigt? Nicht für alle. So stellt etwa Schülerin Zoë Burkhalter die Frage, ob die 25’000 Franken als Entschädigung für die Opfer wirklich ausreichen. «Für all das Leid, den Schmerz und die Angst, die die Verdingkinder erlitten haben?» Man könne zwar die Vergangenheit nicht mehr ändern, schreibt Eva-Maria Kostadinova. 25’000 Franken seien aber viel zu wenig, «für das, was sie alles durchmachen mussten.» Und: Wegen der Traumata und Depressionen müsse den Opfern auch kostenlose psychologische Hilfe angeboten werden.
(https://www.derbund.ch/das-leid-der-verdingkinder-ist-in-den-schulen-kein-pflichtstoff-489105848961)
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derbund.ch 03.07.2023
Nachruf auf einen Aktivisten: Er hiess Fredy Meier und machte sich als «Herr Müller» einen Namen
1980 führte er die TV-Nation an der Nase herum. Fredy Meier blieb ein Bewegter – und einer, der bewegt. Vor einigen Tagen ist der Zürcher im Alter von 67 Jahren gestorben.
Hélène Arnet
Es ging um die Jugendunruhen. Sechs Wochen nach den Opernhauskrawallen Ende Mai 1980 wollte das «CH-Magazin» im Schweizer Fernsehen Bewegte zu Wort kommen lassen. Und die sagten tatsächlich zu, mit SP- Stadträtin Emilie Lieberherr, mit dem Stadtzürcher Polizeivorstand Hans Frick (LDU) und Polizeikommandant Rolf Bertschi an einen Tisch zu sitzen und zu diskutieren. Meinten die Verantwortlichen von SRF.
Doch dann stellte sich ein unsäglich bieder gekleidetes Ehepaar namens Müller ein, das noch forscher als die bürgerlichsten Bürgerlichen stärkere Polizeigewalt («grössere Gummigeschosse») und unbarmherzige Unterdrückung der Demonstrationen und Krawalle forderte. Die Sendung geriet aus dem Ruder und endete damit, dass Herr Müller einen Stumpen anzündete und forderte, man solle diese Jugendlichen an die Wand stellen. Seine letzten Worte, bereits war der Abspann eingeblendet, lauteten: «Moskau!»
Die Sendung erlangte Kultstatus, kostete den Moderator Jan Kriesemer den Job und brachte Hayat Jamal Aldin, alias Ann Müller, in Teufels Küche. Ihr Bruder ist der Zürcher Regisseur Samir. Der «Blick» stellte sie an den Pranger, sie wurde rassistisch beschimpft, die Reaktionen standen einem heutigen Shitstorm kaum nach.
14 Monate im Gefängnis
Fredy Meier sagte später in einem Gespräch mit Blue.ch: «Für mich ist es gut gelaufen, für meine Partnerin leider überhaupt nicht. Es wurde extrem ‹grusig›.»
Ganz ungeschoren kam allerdings damals auch Meier nicht weg. Er galt fortan als Rädelsführer der 80er-Jugendbewegung und stand unter spezieller Beobachtung, die schliesslich dazu führte, dass er 14 Monate im Gefängnis sass. Dort habe er gelernt, dass ein böser Mensch gute Sachen tun könne – und umgekehrt, sagte er im Rückblick. Er erlebte dort den petzenden Dienstverweigerer und den hilfsbereiten Zuhälter.
Der Autor und Kabarettist Patrick Frey war ein Wegbegleiter von Fredy Meier. Er erinnert sich gut an Meyers Auftritt im «CH-Magazin». «Diese Sendung ist mit ihrer Wucht und Präzision absolut singulär in der Geschichte des Schweizer Fernsehens.»
Zuletzt hatte er mit Fredy Meier bei der Arbeit für eine Neuauflage der fotografischen Chronologie zu den Jugendunruhen 1980 zu tun. Initiant war Fredy Meier. Frey beschreibt ihn als spontanen, gescheiten und sehr empathischen Menschen. Meyer hatte aber zwischendurch mit Depressionen zu kämpfen.
Meier ist im Rafzerfeld bei Eglisau mit drei Halbgeschwistern aufgewachsen. Er war gelernter Buchhändler, spielte aber von Kindsbeinen an gern Theater – um die Mädchen zu beeindrucken, wie er einmal erklärte. Er schrieb Gedichte, war Kunstmaler, Jugendarbeiter in Schlieren, Musikarchivar beim Radio, Deutschlehrer für Bauarbeiter, Ehemann und Vater und arbeitete in den letzten Jahren als Medizinischer Masseur.
Zeit seines Lebens wurde er auf seine Rolle während den Jugendunruhen angesprochen. 2015 bezeichnete ihn eine Journalistin des «Tages-Anzeigers» als klassisches Kind der 80er-Bewegung: «Spontan, chaotisch und fantasievoll.» Er fügte später gegenüber Bluewin.ch drei weitere Attribute hinzu: «Kämpferisch, lustvoll und viel Ausdauer.» Dann zitierte er einen Spruch von Che Guevara: «Wir müssen stark werden, ohne je unsere Zärtlichkeit zu verlieren.»
Fredy Meier ist, 67 Jahre alt, vor einigen Tagen in Zürich an der Folge eines Hirnschlags gestorben.
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Der legendäre Auftritt des Ehepaars Müller im «CH-Magazin» vom 15. Juli 1980. Bekannteste Szenen u. a. nach 22, 36, 41 und 47 Minuten. – Film: SRF
https://www.srf.ch/play/embed?urn=urn:srf:video:973c482c-ac5a-4800-8d44-175f00a3f360&subdivisions=false
(https://www.derbund.ch/er-hiess-fredy-meier-und-machte-sich-als-herr-mueller-einen-namen-388575323799)