Medienspiegel 29. Juni 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++ZÜRICH
Zürcher Gemeinderat will Minimalstandards bei Asyl-Organisation
Von «Stallhaltung» oder «Gmost» redeten am Mittwochabend Gemeinderatsmitglieder und meinten dabei Zustände im Zentrum Lilienberg in Affoltern am Albis, wofür die Stadt Zürich via AOZ verantwortlich ist. Nun hat der Zürcher Gemeinderat neue Regeln beschlossen, damit es im Zentrum künftig besser wird.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-gemeinderat-will-minimalstandards-bei-asyl-organisation?id=12412705


Neue Regeln für die AOZ: Höhere Standards für die Betreuung von Asylsuchenden
Nach Missständen bei der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden hat der Stadtrat neue Richtlinien erfasst. Das Parlament hat diese nun noch ausgeweitet.
https://www.tagesanzeiger.ch/hoehere-standards-fuer-die-betreuung-von-asylsuchenden-138977230971


+++SCHWEIZ
Ukraine: Status S hat sich gemäss Evaluationsgruppe bewährt
Der nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine erstmals aktivierte Status S hat sich insgesamt bewährt. Eine Evaluationsgruppe kommt zum Schluss, dass eine kollektive Lösung zur Entlastung des Asylsystems unentbehrlich war. Ihr am 29. Juni 2023 veröffentlichter Bericht zeigt aber auch Anpassungsbedarf, insbesondere bei der Aufnahme der Schutzsuchenden und bei der Integration.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-96236.html
-> https://www.blick.ch/politik/braucht-aber-anpassungen-status-s-fuer-gefluechtete-ukrainer-hat-sich-bewaehrt-id18708217.html
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/ein-humanitaerer-schutzstatus-soll-rechtsgleichheit-schaffen
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/asylwesen-schutzstatus-s-versus-vorlaeufige-aufnahme-bund-prueft-angleichungen-ld.2481683
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/flucht-aus-der-ukraine-so-gut-hat-sich-der-schutzstatus-s-bewaehrt


Keine Arbeit trotz Schutzstatus S – Tagesschau
Personen mit Schutzstatus S können in der Schweiz legal arbeiten. Doch viele Geflüchtete aus der Ukraine wollen zwar, können aber nicht arbeiten – dies wegen kantonaler Unterschiede und politischer Hürden.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/keine-arbeit-trotz-schutzstatus-s?urn=urn:srf:video:758f0c76-84cf-4635-9f83-af02619b4356


+++GROSSBRITANNIEN
Britisches Abschiebeprogramm: Gericht: London darf Asylbewerber nicht nach Ruanda abschieben
Die Richter entschieden mehrheitlich, dass Ruanda nicht als sicheres Drittland betrachtet werden kann, weshalb die Pläne der Regierung widerrechtlich seien.
https://www.derbund.ch/gericht-london-darf-asylbewerber-nicht-nach-ruanda-abschieben-647453512721
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/grossbritannien-darf-keine-fluechtlinge-nach-ruanda-abschieben?partId=12413002
-> https://www.theguardian.com/uk-news/2023/jun/29/plan-to-send-asylum-seekers-to-rwanda-is-unlawful-uk-appeal-court-rules
-> https://www.blick.ch/ausland/gericht-hat-entschieden-london-darf-asylbewerber-nicht-nach-ruanda-abschieben-id18708597.html
-> https://www.srf.ch/news/international/schlag-fuer-britische-regierung-abschiebung-von-migranten-nach-ruanda-ist-laut-gericht-illegal
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174359.uk-watsche-fuer-britischen-premier-sunak.html
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/abschiebungen-nach-ruanda-sunak-will-gerichtsurteil-weiterziehen?partId=12413188
-> https://www.watson.ch/international/grossbritannien/427659540-gerichte-london-darf-asylsuchende-nicht-nach-ruanda-abschieben
-> https://www.nau.ch/politik/international/gericht-london-darf-asylbewerber-nicht-nach-ruanda-abschieben-66532761
-> https://www.srf.ch/news/international/britischer-asylentscheid-die-regierung-von-rishi-sunak-macht-weiter-auf-symbolpolitik



nzz.ch 29.06.2023

Rückschlag für die Regierung Sunak: Britische Richter erklären Ausschaffungen nach Rwanda für illegal

Wer irregulär nach Grossbritannien kommt, soll schnell in einen sicheren Drittstaat ausgeschafft werden. Mit Rwanda hatte die britische Regierung ein entsprechendes Abkommen geschlossen. Nun aber stellt ein neues Gerichtsurteil den umstrittenen Plan infrage.

Niklaus Nuspliger, London

Am Donnerstag hat die konservative Regierung von Premierminister Rishi Sunak bei der Eindämmung der irregulären Migration eine Niederlage erlitten: Der britische Court of Appeal erklärte den Rwanda-Plan für rechtswidrig und stellte damit das Kernelement der verschärften Asylpolitik infrage.

In einem Mehrheitsentscheid gab das dreiköpfige Berufungsgericht Klagen von Asylsuchenden und Menschenrechtsorganisationen statt und befand, dass Rwanda nicht als sicherer Drittstaat gelten könne. Allerdings kündigte Innenministerin Suella Braverman bereits an, die Regierung wolle den Entscheid an den Supreme Court weiterziehen.

Der im Sommer 2022 lancierte Plan sieht vor, dass Asylsuchende, die auf irregulärem Weg mit einem Boot über den Ärmelkanal ins Land gelangen, auf direktem Weg nach Rwanda ausgeflogen werden. Dort sollen die rwandischen Behörden die Asylgesuche prüfen und den Betroffenen Schutz bieten – eine Rückkehr nach Grossbritannien wäre selbst bei legitimen Asylgründen nicht mehr möglich.

Das Risiko, statt im Vereinigten Königreich in Rwanda zu landen, soll Migranten von der Überfahrt über den Ärmelkanal abhalten. 2022 sind über 45 000 Personen auf diesem Weg nach Grossbritannien gelangt, im laufenden Jahr ist etwa 11 000 Migranten die Überfahrt geglückt. Unklar ist, wie gross die Kapazitäten in Rwanda für die Aufnahme von Migranten wirklich wären. Die Kosten für den britischen Steuerzahler würden sich auf rund 170 000 Pfund pro Person belaufen.

Rwandas Asylverfahren genügen Standards nicht

Allerdings konnte die Regierung bis anhin keinen einzigen Flug nach Rwanda durchführen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg hatte vor rund einem Jahr das erste Flugzeug in letzter Minute mit dem Argument gestoppt, britische Gerichte müssten zuerst letztinstanzlich über die Rechtmässigkeit entscheiden. Dass der High Court zunächst grünes Licht gegeben hatte und das Berufungsgericht nun zum gegenteiligen Schluss kam, zeigt, wie umstritten der Plan juristisch ist. Das erschwert Prognosen zum abschliessenden Entscheid des Supreme Court.

Das Berufungsgericht verneint, dass es sich bei Rwanda um einen sicheren Drittstaat handle, in den Migranten legal abgeschoben werden dürften. Dies begründen die Richter mit Mängeln des rwandischen Rechts- und Asylsystems. So habe Rwanda Asylanträge von Personen aus Syrien, Afghanistan und Jemen konsequent abgelehnt, was nicht nur Fragen zur Qualität der Verfahren, sondern auch zur Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention aufwerfe.

Zudem sei die Justiz nicht unabhängig, weshalb Asylentscheide auch nicht unabhängig überprüft werden könnten. Insgesamt bestehe ein erhebliches Risiko, dass Migranten mit legitimen Asylgründen in ihre Heimatländer zurückgeschickt würden. Daher stehe der Rwanda-Plan im Widerspruch zum im Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Folterverbot.

Der Gerichtsentscheid von Donnerstag ist nur einer von mehreren Rückschlägen, die Sunak jüngst hinnehmen musste. Anfang Jahr hatte er versprochen, nach den Turbulenzen unter seinen Vorgängern Boris Johnson und Liz Truss in fünf Bereichen konkrete Verbesserungen zu erreichen: Der Premierminister gelobte, die Schulden abzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln. Zudem stellte Sunak eine Reduktion der Wartelisten im Gesundheitswesen, die Halbierung der Inflation im laufenden Jahr sowie das Stoppen der Flüchtlingsboote im Ärmelkanal in Aussicht.

Doch nun verlängern Streiks im Gesundheitswesen die Wartezeiten, die Inflation hält sich viel hartnäckiger als erhofft, und die Zinserhöhung der Bank of England könnte das Land in eine Rezession stürzen.

Austritt aus der Menschenrechtskonvention?

Und auch in der Frage der Ausschaffungen wird sich die Regierung gedulden müssen: Der Supreme Court dürfte sich erst gegen Ende Jahr abschliessend zur Legalität des Rwanda-Programms äussern. Damit verstreicht aus Sicht der konservativen Regierung wertvolle Zeit für die Umsetzung des Plans und die versprochene Reduktion der Asylzahlen. Zudem droht eine derzeit im Parlament hängige Verschärfung des Asylrechts ihre Wirkung zu verfehlen, wenn es keine sicheren Drittstaaten gibt, die den Briten die Asylsuchenden abnehmen.

Der rechte Tory-Flügel um Innenministerin Braverman dürfte nun versuchen, die Partei mit Blick auf die spätestens im Januar 2025 stattfindenden Unterhauswahlen auf einen Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention einzuschwören. Ähnlich wie in der Brexit-Debatte dürfte der Flügel argumentieren, dass ungewählte Richter und ausländisches Recht die Regierung daran hinderten, die Kontrolle über die Grenzen zurückzuerlangen. Ob eine solche Kampagne die wirtschaftliche Lage als bestimmendes Wahlkampfthema verdrängen könnte, ist allerdings fraglich.
(https://www.nzz.ch/international/grossbritannien-darf-asylbewerber-nicht-nach-rwanda-abschieben-ld.1744974)


+++GRIECHENLAND
Schiffsunglück vor Griechenland Unterdrückten griechische Ermittler Beweise?
Nach der Schiffstragödie mit mehr als 500 Toten und Vermissten vor der griechischen Küste fordern Experten international unabhängige Ermittlungen. Überlebende berichten von unterdrückten Beweismitteln und manipulierten Protokollen griechischer Ermittler.
https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/schiffsunglueck-griechenland-mittelmeer-100.html
-> https://jungle.world/artikel/2023/26/toedliches-manoever


Flüchtlinge sterben lassen? Rekonstruktion einer Katastrophe
Hunderte Menschen starben, als ein völlig überfüllter Kutter mit Geflüchteten in der Nacht zum 14. Juni vor Griechenland sank. Dabei wären 15 Stunden Zeit gewesen, die Katastrophe zu verhindern. Im Rahmen einer internationalen Recherchekooperation mit Lighthouse Reports, „Spiegel“ und anderen Medien hat MONITOR den Fall recherchiert. Überlebende und Fachleute sprechen von einer „herbeigeführten Tragödie“ – unter den Augen der griechischen Regierung und der EU.
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/fluechtlinge-sterben-lassen-100.html


+++MITTELMEER
Proteste in Brüssel gegen EU-Asylpolitik: Das Mittelmeer ist „ein Tatort“
Geflüchtete und NGOs protestieren in Brüssel gegen die EU. Während sich die Regierungschefs treffen, werden Notruf-Mails bis Samstag vorgelesen.
https://taz.de/Proteste-in-Bruessel-gegen-EU-Asylpolitik/!5943957/


Fast 700 Mittelmeer-Migranten erreichen Lampedusa in der Nacht
Am Donnerstag haben erneut Hunderte Bootsmigranten die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa erreicht. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Morgen berichtete, kamen fast 700 Menschen auf der Insel an.
https://www.watson.ch/international/migration/615167440-fast-700-mittelmeer-migranten-erreichen-lampedusa-in-der-nacht


+++FREIRÄUME
Zürich: Wenn ein Haus besetzt wird, soll es künftig direkt geräumt werden
Zwei SVP-Gemeinderäte fordern die Abschaffung des Merkblatts für Hausbesetzungen in der Stadt Zürich. Das würde zu unnötig hohen Kosten führen, argumentieren die Gegner.
https://www.20min.ch/story/wenn-ein-haus-besetzt-wird-soll-es-kuenftig-direkt-geraeumt-werden-796711337067


+++GASSE
Sepp Riedener und die Luzerner Drogenszene: Wie die Luzerner Gassenküche entstand
Sepp Riedener gilt als Pionier der Gassenarbeit in Luzern. Während der aufkommenden Drogenkrise in Luzern in den 70er-Jahren war seine Arbeit von grosser Bedeutung. Mit Spritzen im Rucksack ging er in die Gassen und half den Menschen in Not vor Ort. Er legte die ersten Grundsteine für die heutige «Gassechuchi».
https://www.zentralplus.ch/blog/damals-blog/wie-die-luzerner-gassenkueche-entstand/


„Brennpunkt Polizei Ein Leben zwischen Rassismus und Sinnlosigkeit: Jetzt spricht der „Drogenfahnder“ Eine kurze Analyse
Die rassistischen Vorurteile sitzen tief: Seine ganze Arbeit richtet sich an Stereotypen über Herkunft aus.“
Mehr: https://twitter.com/3rosen/status/1674499442962055170


+++DROGENPOLITIK
Offene Drogenszene in Chur: Konsumraum soll beruhigen
Chur hat nach Genf die grösste offene Drogenszene der Schweiz. Der zentrale Stadtpark ist ein Treffpunkt für Menschen am Rande der Gesellschaft und Drogenabhängige. Die Szene hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht. Ein Konsumraum, also ein Fixerstübli, in dem Suchtkranke sicher konsumieren können, soll nun Beruhigung bringen. Die Stadt hat diesen vor einem Jahr bewilligt: «Mit einem Konsumraum wird man vor allem der Kleinhandel in der Öffentlichkeit und auch der öffentliche Drogenkonsum in Griff kriegen. Da bin ich überzeugt», erklärt der Churer SP-Stadtrat Patrik Degiacomi.
https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/offene-drogenszene-in-chur-konsumraum-soll-beruhigen?urn=urn:srf:video:7d98032f-eda2-4659-b22c-33d163bcbb78&aspectRatio=4_5


+++MENSCHENRECHTE
Die Schweiz bekräftigt ihr Engagement zum Schutz nationaler Minderheiten
Der Bundesrat ist am 2. Juni 2023 über das fünfte Gutachten des Beratenden Ausschusses des Europarates für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten über die Schweiz sowie die Stellungnahme der Schweiz dazu informiert worden. Der Beratende Ausschuss würdigt das Engagement von Bund, Kantonen und Gemeinden, in der Gesellschaft eine echte Verständigung zwischen den Kulturen zu fördern. Gleichzeitig äussert er weiteren Handlungsbedarf. Die Schweiz bekräftigt in ihrer Stellungnahme, dass der Schutz von Minderheiten zur politischen und sozialen Stabilität und zum Wohlstand des Landes beitragen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-96232.html


+++BIG BROTHER
Algorithmen – Die unberechenbare Gefahr
Ob jemand kreditwürdig ist, einer Person Sozialhilfe zusteht, oder welcher Partner zu wem passt, all dies ermitteln mittlerweile Algorithmen. Manchmal treffen sie folgenschwere Entscheidungen, denn nicht immer liegen sie richtig.
https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/algorithmen—die-unberechenbare-gefahr?urn=urn:srf:video:068fbc58-79a6-42ea-8746-311ebc472eac&aspectRatio=16_9


+++POLIZEI ZH
Wegen Amtsmissbrauch: Rabiater Polizist und Kollegin stehen in Bülach ZH vor Gericht
Obwohl sie keinen Durchsuchungsbefehl hatten, verschafften sich zwei Polizisten Zutritt zu einer Wohnung – mit Gewalt. Dafür stehen sie nun vor Gericht.
https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/wegen-amtsmissbrauch-rabiater-polizist-und-kollegin-stehen-vor-gericht-id18707376.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-kantonspolizisten-vor-gericht-00215443/
-> https://www.watson.ch/schweiz/justiz/788709904-bezirksgericht-buelach-verurteilt-polizisten-wegen-amtsmissbrauchs
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/illegal-wohnung-von-kosovaren-durchsucht-buelacher-gericht-verurteilt-polizisten-wegen-amtsmissbrauchs-id18710530.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/wegen-amtsmissbrauch-bezirksgericht-buelach-verurteilt-polizist-und-polizistin



nzz.ch 29.06.2023

«Gefahr im Verzug» oder Amtsmissbrauch?

Zwei Kantonspolizisten sind vom Bezirksgericht Bülach wegen Amtsmissbrauchs und Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Sie waren ohne Durchsuchungsbefehl in Bassersdorf in die Wohnung einer kosovarischen Familie eingedrungen.

Tom Felber

Im Prozess vor dem Bezirksgericht Bülach schweigen die Beschuldigten zu den Vorwürfen: Einem 34-jährigen Beamten und einer 30-jährigen Beamtin der Kantonspolizei Zürich werden Amtsmissbrauch und Hausfriedensbruch vorgeworfen, weil sie am 30. April 2020 um 6 Uhr morgens unberechtigt in die Wohnung einer kosovarischen Familie in Bassersdorf eingedrungen sein sollen. Der 34-Jährige ist zusätzlich auch noch wegen Tätlichkeiten angeklagt.

Die Polizisten suchten damals den Bruder des heute 33-jährigen Wohnungsinhabers. Gegen den Bruder lief eine Strafuntersuchung, weil er vier Tage zuvor mit einem Motorrad ausserorts zu schnell gefahren war. Die Polizisten wollten vom Bruder den Entsperrungs-Code für dessen Mobiltelefon erfragen, das polizeilich sichergestellt worden war.

Der 33-jährige Wohnungsinhaber und Privatkläger wird im Gerichtssaal nochmals zu den Vorgängen befragt. Er erzählt, es habe absolut keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich sein Bruder in der Wohnung aufhalte. Er habe selber nicht gewusst, wo der Bruder sei.

Er habe noch geschlafen, als es kurz vor 6 Uhr an der Türe geläutet habe. Er habe aufgemacht und den Polizisten gesagt, dass sich sein Bruder nicht in der Wohnung befinde. Weil seine Frau und seine Tochter noch geschlafen hätten, habe er nicht gewollt, dass die Beamten in die Wohnung kämen.

Er habe ihnen gesagt, dass sie nicht berechtigt seien, die Wohnung ohne Durchsuchungsbefehl zu betreten. Der Polizist habe ihm aber dreimal erklärt, aufgrund eines neuen Gesetzes brauchten sie gar keinen Durchsuchungsbefehl. Der Beamte habe ihn dann am rechten Arm gepackt, den Arm auf den Rücken gedreht, ihn an eine Wand gedrückt und fixiert. Die Polizistin, die während des ganzen Vorgangs stumm geblieben sei, sei dann von Türe zu Türe gegangen und habe alle Zimmer aufgemacht. Seine Ehefrau und seine Tochter seien erwacht.

Er habe danach zwei bis drei Tage lang Schmerzen am rechten Arm gehabt, sagt der Kläger. Auf einer Skala von 1 bis 10 sei der Schmerz eine 6 gewesen. Der Einzelrichter fragt den Wohnungsinhaber, was er sich vom Strafverfahren erhoffe – «Gerechtigkeit und eine Entschuldigung», lautet die Antwort.

Bedingte Geldstrafen und Bussen beantragt

Die Staatsanwältin muss im Einzelrichterverfahren nicht zum Prozess erscheinen. Sie beantragt in ihrer Anklage für den 34-jährigen Polizisten eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 150 Franken und eine Busse von 3500 Franken; für die Polizistin 90 Tagessätze à 120 Franken und 2500 Franken Busse.

Die beiden Beschuldigten machen an der Gerichtsverhandlung weder Angaben zu ihrer Person noch zur Sache. Dies sei ihnen von den Verteidigern geraten worden, und sie hätten schon bei der Staatsanwaltschaft ausführlich Stellung genommen.

Obwohl es sich beim Amtsmissbrauch um ein Offizialdelikt handelt, lädt der Einzelrichter die Parteien danach zu Vergleichsverhandlungen ein. Dazu sind die Journalisten nicht zugelassen. Der Richter beruft sich auf Artikel 53 StGB, der besagt, dass ein Gericht von einer Strafe absehen kann, wenn der Täter den Sachverhalt eingestanden und den Schaden gedeckt hat, maximal eine bedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr beantragt ist und das Interesse der Öffentlichkeit und des Geschädigten an der Strafverfolgung gering sind.

Ob das Interesse der Öffentlichkeit am Ausgang dieses Verfahrens tatsächlich gering ist, dürfte allerdings umstritten sein. Immerhin sind fünf Journalisten anwesend. Die Vergleichsverhandlungen scheitern, und der Prozess wird am Nachmittag fortgesetzt.

Verteidiger machen «Gefahr in Verzug» geltend

Der Anwalt des Privatklägers beantragt einen Schadenersatz von 2000 Franken wegen Erwerbsausfalls während der Strafuntersuchung. Die Polizisten seien ohne gesetzliche Grundlage in die Wohnung eingedrungen und hätten Gewalt angewendet.

Beide Verteidiger verlangen Freisprüche. Das Verhalten der Polizisten sei rechtmässig gewesen. Sie seien von der Staatsanwältin ausdrücklich damit beauftragt gewesen, den Code zum Mobiltelefon herauszufinden. Denn der Bruder habe mit einer App auf dem Mobiltelefon seine Raserfahrt aufgenommen.

Die Polizisten hätten auch ohne Durchsuchungsbefehl in die Wohnung eindringen dürfen, denn es habe «Gefahr im Verzug» (gemäss StPO Art. 123 Abs. 2) bestanden. Der Zeitfaktor sei wichtig gewesen. Die Mobildaten hätten von extern gelöscht werden können. Die Aufzeichnungen auf dem Mobiltelefon seien ein «zentrales Beweismittel» gewesen.

Die Behauptung, dass der Polizist Gewalt angewendet habe, sei zudem schlichtweg falsch. Wenn überhaupt, habe er den Wohnungsinhaber beim Betreten der Wohnung lediglich «gestreift». Der Anwalt der Polizistin erklärt, dass diese ihrem wesentlich erfahreneren Kollegen vertraute. Sie sei nicht über den Inhalt des Falls informiert gewesen und habe davon ausgehen müssen, rechtmässig zu handeln.

In seiner Replik verneint der Gegenanwalt, dass «Gefahr im Verzug» bestanden habe. Der Auftrag der Staatsanwältin sei gewesen, ein Handy zu durchsuchen und nicht die Wohnung einer Drittperson. Zudem habe der Bruder bereits zu jenem Zeitpunkt die Geschwindigkeitsübertretung, die mittels Lasermessung und Videoaufnahme bewiesen war, anerkannt. Er sei geständig gewesen.

Bei der App habe es sich lediglich um eine Navigations-App ohne wirklichen Beweiswert gehandelt. Eine zeitliche Dringlichkeit habe überhaupt nicht bestanden.

Keine «Gefahr im Verzug»

Der Einzelrichter verurteilt die beiden Beschuldigten am Abend anklagegemäss wegen Amtsmissbrauchs und Hausfriedensbruchs. Der 34-jährige Polizist erhält eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 120 Franken, seine Kollegin eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 100 Franken bei einer Probezeit von je zwei Jahren. Wegen Tätlichkeiten gibt es für den Kantonspolizisten auch noch eine Busse von 500 Franken.

Es stehe Aussage gegen Aussage, der Privatkläger habe glaubhaft ausgesagt, die Antworten der Polizisten in der staatsanwaltschaftlichen Befragung seien demgegenüber eher ausweichend und nicht überzeugend gewesen, so begründet der Richter. Der Sachverhalt sei erstellt.

Die Argumentation mit der «Gefahr im Verzug» überzeuge nicht und sei in der Untersuchung nie vorgebracht worden. Die Angaben der Polizisten seien teilweise Schutzbehauptungen gewesen. Ihnen sei wohl bewusst gewesen, dass sie nicht in die Wohnung gedurft hätten. Sie hätten zumindest in Kauf genommen, die Amtsgewalt zu missbrauchen.

Die Forderung von 2000 Franken wird auf den Zivilweg verwiesen. Das Gericht sei dafür nicht zuständig, da es sich um einen Fall von Staatshaftung handle.

Urteile GG230006 und GG230007 vom 29. 6. 2023, noch nicht rechtskräftig.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-kantonspolizisten-wegen-amtsmissbrauch-vor-gericht-ld.1744975)


+++POLICE FRA
Frankreich: Aufruhr gegen die tödlichste Polizei Europas
Nach der Tötung eines Jungen durch einen Polizisten brennen in Frankreich die Vorstädte. Steht das Land an einem Punkt wie die USA 2020 nach dem Tod von George Floyd?
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-06/frankreich-unruhen-krawalle-nanterres-polizeischuss/komplettansicht
-> https://www.fr.de/politik/frankreich-gewalt-proteste-polizei-paris-tot-schuss-nahel-rassismus-92372433.html
-> https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-nanterre-polizeigewalt-100.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174375.unruhen-in-frankreich-aufruhr-der-diskriminierten.html


+++POLIZEI GB
Undercover policing unit tactics not justified, says report
The use of undercover policing tactics from the 1960s onwards was not justified and the unit should have been disbanded early on, a report says.
https://www.bbc.com/news/uk-66020767


+++POLIZEI INT
Im Namen der Sicherheit
Hochgerüstete Polizisten stehen wütenden, wehrlosen Menschenmassen gegenüber, die ihre Handys hochhalten, um alles aufzuzeichnen – der Krieg der Bilder in den sozialen Medien provoziert sowohl Polizei als auch Demonstranten.
https://www.arte.tv/de/videos/RC-023814/im-namen-der-sicherheit/


+++RECHTSPOPULISMUS
SVP-Glarner wettert gegen betende Soldaten – der Konter von GLP-Flach sitzt
Um den Beginn des islamischen Opferfests Bayram zu begehen, hat die Schweizer Armee eine muslimische Feldpredigt abgehalten.
https://www.watson.ch/schweiz/armee/240111161-svp-glarner-beleidigt-betende-soldaten-der-konter-von-glp-flach-sitzt
-> https://www.20min.ch/story/jubel-bis-kritik-das-sind-die-reaktionen-zu-betenden-soldaten-480625351246


Wegen «schlechtem Stil von Links»: Stadtberner SVP-Präsident Fuchs tritt aus Stadtrat zurück
Der SVP-Politiker Thomas Fuchs, der 1995 erstmals den Sprung in den Berner Stadtrat schaffte, kehrt dem Parlament der Bundesstadt vorderhand den Rücken zu.
https://www.bernerzeitung.ch/stadtberner-svp-praesident-fuchs-tritt-aus-stadtrat-zurueck-299173811619
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/stadtberner-svp-praesident-fuchs-hat-einstweilen-genug-vom-stadtrat-152253900


+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechtsradikale Treffen
Seit geraumer Zeit treffen sich verschiedene Gruppen mit rechtsradikalem Hintergrund beim Morgartendenkmal in Oberägeri.
https://www.tachles.ch/artikel/news/rechtsradikale-treffen