Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++GLARUS
Der Kanton Glarus hat in den letzten Monaten viel weniger Asylsuchende aufgenommen. (ab 03:53)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/nach-unfall-mit-drei-toten-prozess-gestartet?id=12400933
+++SCHWEIZ
Der Umgang der Schweiz mit abgewiesenen Eriteer*innen
Eritrea ist eines der wichtigsten Herkunftsländer von Geflüchteten in der Schweiz. Gründe, Eritrea zu verlassen, gibt es mehr als genug. Der Machthaber Isayas Afewerki herrscht seit 1993 mit eiserner Hand, Wahlen gab es seither keine mehr. Regierungskritiker*innen werden verfolgt. Es gibt geheime und offizielle Internierungslager, sowohl Männer als auch Frauen müssen in Eritrea einen unbefristeten Wehrdienst leisten.
Ob eritreische Asylsuchende in der Schweiz Schutz erhalten, entscheiden die Behörden von Fall zu Fall. Da Eritrea jedoch keine Zwangsausschaffungen akzeptiert, bleiben viele mit einem prekären Aufenthaltsstatus hier. Wie geht der Schweizer Staat mit ihnen um? Darüber sprachen wir mit Annelies Müller vom Verein Give a Hand.
https://rabe.ch/2023/06/08/der-umgang-der-schweiz-mit-abgewiesenen-eriteerinnen/
Nationalrat stimmt für Kompromiss bei Containerdörfern
(sda) Der Nationalrat macht im Streit um die geplanten Containerdörfer für die Unterbringung von Asylsuchenden einen Schritt auf den Ständerat zu. Statt 132,9 Millionen Franken will er nur noch die Hälfte des Betrages zur Verfügung stellen.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230608103833712194158159038_bsd060.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230608102041207194158159038_bsd052.aspx
-> https://www.blick.ch/politik/guido-graf-kritisiert-staenderaete-wegen-absage-an-asylcontainern-parteipolitik-wichtiger-als-kantone-id18646895.html
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bzbasel.ch 08.06.2023
Nach sieben Jahren endlich ein Deal: Asyl-Einigung der EU beschert Baume-Schneider eine Verschnaufpause
Nach langem Ringen einigen sich die EU-Staaten auf eine massgebliche Verschärfung des Asylrechts. Für die Schweizer Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider kommt der Deal gerade rechtzeitig, auch wenn er politisch noch zu reden geben dürfte.
Remo Hess, Luxemburg
Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider hat es derzeit nicht einfach. Mit Italien klemmt es bei der Rückführung von Flüchtlingen. Die Einrichtung von Asylcontainern hat der Ständerat diese Woche abgelehnt. Und mit immer neuen migrationspolitischen Vorstössen setzt das Parlament die SP-Bundesrätin unter Handlungsdruck. Es scheint ganz so, als ob sich Teile der bürgerlichen Parteien für den anstehenden Wahlkampf auf die Migrationsministerin eingeschossen hätten.
Vor diesem Hintergrund kommt es Baume-Schneider mehr als gelegen, dass die EU-Innenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg nach langem Verhandeln einen wichtigen Durchbruch beim Asyl-Dossier erzielt haben. Über sieben Jahre haben die EU-Staaten um eine Revision des gemeinsamen Asyl-Systems gerungen.
Jetzt wurde die wichtigste Hürde genommen. Für Baume-Schneider heisst das: Rechtzeitig auf die von der SVP initiierte Asyl-Sondersession kommende Woche erhält sie die entscheidenden Argumente, um auf die zu erwarteten Angriffe und Vorwürfe zu antworten zu können. «Diese Einigung kann Vertrauen schaffen, dass Europa fähig ist, sich weiterzuentwickeln und das System zukunftsfähig zu machen», so Baume-Schneider im Anschluss an das Treffen.
Drei Monate bis zum Entscheid: Schnellverfahren an den EU-Aussengrenzen
Herzstück des Asyl-Umbaus sollen schnelle, abgekürzte Asylverfahren an den EU-Aussengrenzen sein. Künftig sollen Personen, die aufgrund ihrer Herkunft und einer tiefen Anerkennungsquote kaum Aussicht auf Asyl haben, in ein Express-Verfahren geschickt werden und bereits nach drei Monaten einen definitiven Entscheid erhalten. Ist dieser negativ, soll die Abschiebung zügig vollzogen werden.
Für die Schweiz dürfte die Neuerung handfeste Auswirkungen haben: Die Praxis des Durchwinkens und irreguläre Weiterreisen dürften abnehmen und der Migrationsdruck auf die Schweiz sich reduzieren. Die Gretchenfrage ist bloss, ob die auf dem Papier skizzierte Lösung in der Realität auch funktioniert.
Die Erstankunftsländer im Süden verlangen für die grosse Aufgabe der Grenzverfahren substanzielle Hilfen und einen fairen Ausgleich zwischen Verantwortung und Solidarität. Letztere soll zum Beispiel darin bestehen, dass die anderen EU-Staaten eine fixe Zahl an Asylberechtigten abnehmen oder aber eine Finanzkompensation leisten. Zuletzt war die Rede von 20’000 Euro pro Asylbewerber.
Massive Verschärfung des Asylrechts – und «schmutzige Deals» mit Drittstaaten?
Klar ist, dass die Neuregelung des europäischen Migrations-Systems zu einer massiven Verschärfung des Asylrechts führen wird. Der SVP mag das gefallen. Aber sieht dies auch die SP-Bundesrätin und ihre Partei als Erfolg? Immerhin können auch Kinder und Familien in den Grenzzentren festgehalten werden, während sie das Schnellverfahren durchlaufen. Etwas, was besonders von Deutschland kritisiert wird.
Elisabeth Baume-Schneider betonte, dass es für die Schweiz wichtig sei, ein Gleichgewicht zwischen Solidarität und Verantwortung zu schaffen. Die neuen, beschleunigten Grenzverfahren seien «interessant». Ausser Frage stehe aber, mit den Grundrechten und dem Respekt für das Recht herumzuspielen.
Ein Punkt, der bis zum Schluss eine Einigung herausgezögert hatte, ist die Möglichkeit für Abschiebungen in Drittländer. Das ist im Grossen und Ganzen das, was auch FDP-Ständerat Damian Müller vom Bundesrat fordert: In einer diese Woche von der kleinen Kammer angenommenen Motion verlangt Müller, abgewiesene Eritreer gegen eine Geldzahlung in sichere Drittstaaten auszuschaffen, sofern eine Rückführung in ihr Heimatland Eritrea nicht möglich sei.
Die EU hat bereits mit der Türkei seit 2016 einen ähnlichen Deal. An anderer Stelle war auch vom sogenannten «Ruanda-Modell» die Rede, mit Verweis auf ein umstrittenes Migrationsabkommen zwischen Grossbritannien und dem afrikanischen Land.
Auf EU-Ebene sind solche Migrationsabkommen mit Drittländern weiterhin umstritten. Die deutsche Bundesregierung und im Besonderen die Grünen befürchten, dass damit das Tor für schmutzige Deals geöffnet werden könnte. Insgesamt war der Einigungsdruck gestern aber zu gross. Schliesslich ist das Asyl-Thema nicht nur in der Schweiz, sondern in sämtlichen EU-Staaten ein hochexplosives Thema, welches man nicht mehr länger auf die lange Bank schieben konnte.
(https://www.bzbasel.ch/schweiz/migration-nach-sieben-jahren-endlich-ein-deal-asyl-einigung-der-eu-beschert-baume-schneider-eine-verschnaufpause-ld.2469804)
+++DEUTSCHLAND
Fachkräfte-Mangel: Bloß keine Flüchtlinge?
Deutsche Minister:innen reisen gerade um die Welt, um für Fachkräfte zu werben. Dabei sind bereits Tausende qualifizierte Menschen in Deutschland.
Menschen, die hier eine Ausbildung gemacht haben, oder sogar bereits einen Arbeitsplatz haben. Doch sie werden in der Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes nicht berücksichtigt. Ihnen wird verboten zu arbeiten, manchen droht sogar die Abschiebung.
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-fachkraefte-mangel-bloss-keine-fluechtlinge-100.html
++++DÄNEMARK
Dänemark: Kein Land für Geflüchtete
Ähnlich wie Großbritannien will auch Dänemark, dass Asylsuchende in dem ostafrikanischen Land auf die Bearbeitung ihres Antrags warten. Nach Syrien können die Geflüchteten nicht abgeschoben werden. Es gibt keine entsprechende Zusammenarbeit der beiden Länder. Mittlerweile fliehen einige Syrer jetzt von Dänemark nach Deutschland.
https://www.arte.tv/de/videos/111246-000-A/daenemark-kein-land-fuer-gefluechtete/
+++ITALIEN
Vor italienischer Küste: 1.400 Menschen gerettet
Die italienische Küstenwache ist mit einer großen Rettungsmission im Mittelmeer unterwegs. An Publicity ist der Meloni-Regierung aber nicht gelegen.
https://taz.de/Vor-italienischer-Kueste/!5939455/
Gespenst der Migration
Blitzbesuch von Italiens Regierungschefin in Tunesien und Treffen mit Libyens Übergangspremier in Rom
https://www.jungewelt.de/artikel/452402.massengrab-mittelmeer-gespenst-der-migration.html
+++EUROPA
EU-Innenministertreffen: Nancy Faeser fordert Einigung auf EU-weite Asylreform
Am Donnerstag diskutieren die EU-Innenminister über ein europäisches Asylsystem. Sollten sie sich nicht einigen, hätte das laut der deutschen Ministerin fatale Folgen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-06/asyl-eu-reform-nancy-faeser-fluechtlinge-europa
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/verhandlungen-ueber-asylpolitik-faesers-risiko,TgWHIjD?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter
-> https://www.zeit.de/politik/2023-06/eu-asylrechtsreform-menschenrechte-nachrichtenpodcast?wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.x&utm_medium=sm&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_campaign=ref&utm_content=zeitde_redpost_link_x&utm_referrer=https%3A%2F%2Ft.co%2F
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-06/eu-asylgipfel-reform-faq
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/eu-asylkompromiss-wird-greifbarer?partId=12401218
-> https://de.euronews.com/my-europe/2023/06/08/einigung-uber-eu-migrationsregeln-erster-durchbruch-seit-jahren
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/zaehe-verhandlungen-ueber-eu-asylreform?urn=urn:srf:video:244cfef6-aaff-455e-b5aa-e638092c1a8f
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/migration-nach-europa?urn=urn:srf:video:0ee18ba9-1ade-4b80-9645-a7fb0b36680d
Einigung von EU-Staaten: Asylverfahren sollen verschärft werden
Angesichts der Probleme mit illegaler Migration sollen die Asylverfahren in der EU deutlich verschärft werden. Darauf einigte sich eine Mehrheit der Staaten.
https://www.nau.ch/politik/international/einigung-von-eu-staaten-asylverfahren-sollen-verscharft-werden-66514791
-> https://www.blick.ch/ausland/nach-langen-verhandlungen-eu-beschliesst-haerteres-asylverfahren-id18650069.html
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/einigung-eu-staaten-wollen-asyl-politik-verschaerfen?urn=urn:srf:video:7cc7a0c9-01fa-46de-8aa5-23b49a09bc90
-> https://www.srf.ch/news/international/treffen-der-innenminister-eu-staaten-einigen-sich-auf-verschaerfung-der-asylverfahren
-> https://www.spiegel.de/ausland/eu-einigt-sich-asylverfahren-sollen-verscharft-werden-a-57d3266b-d672-4cae-a047-7b5597f63758?utm_medium=twitter&utm_source=dlvr.it#ref=rss
-> https://www.spiegel.de/ausland/gruene-tief-gespalten-ueber-eu-asylrechtsverschaerfung-a-e5499d60-6706-485c-9ae5-f7b1ac51d637
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-06/asylrecht-eu-staaten-kompromiss-reaktionen
-> https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-06/eu-asylreform-gipfel-migration-aussengrenzen?wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.x&utm_medium=sm&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_campaign=ref&utm_content=zeitde_redpost_link_x
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Italiens Flüchtlingspolitik: Geräuschlos Geflüchtete abwehren
Auf dem EU-Fluchtgipfel wird Italiens rechte Regierung darauf drängen, die Migration über das Mittelmeer einzudämmen. Bislang hat man vor allem Rettungs-NGOs schikaniert.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-06/italien-fluechtlingspolitik-asyl-eu-gipfel/komplettansicht
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derbund.ch 08.06.2023
Migrationsgipfel in Luxemburg: EU-Staaten einigen sich auf Asylreform mit neuem Grenzverfahren
Europas Asylsystem funktioniert nicht, das zeigen Flüchtlingszahlen und die ungleiche Verteilung. Nun haben sich die EU-Staaten auf eine Reform geeinigt, mit neuen Asylverfahren an den Aussengrenzen.
Stephan Israelaus Brüssel
Es ist die grösste Baustelle in der EU und lange ging nichts voran. Doch jetzt gibt es Hoffnung, dass die Reparatur des dysfunktionalen Asylsystems klappt. Am Donnerstag abend haben die Innenministerinnen und Innenminister der EU-Staaten einen wichtigen Schritt getan und sich auf die Konturen einer Reform geeinigt. Wichtige und lange umstrittene Neuerung sind Asylverfahren an den Aussengrenzen, und zwar für Asylsuchende und Migranten mit geringer Chance auf ein Bleiberecht. Der Druck für eine Einigung war zuletzt gewachsen, von Italien bis Griechenland kommen gerade wieder deutlich mehr Migranten an, und in Deutschland als Zielland Nummer eins steigen die Asylbewerberzahlen.
Mit am Tisch war für die Schweiz als Schengen-Mitglied Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Weshalb war eine Einigung so schwierig? Es ging darum, die richtige Balance zwischen der Verantwortung der Ersteinreiseländer an der Aussengrenze und der Solidarität der anderen Schengen-Staaten zu finden. Die Frontstaaten fühlen sich alleingelassen, während die Nordeuropäer den mangelhaften Grenzschutz anprangern. Damit die Reform in Kraft treten kann, müssen sich die EU-Staaten mit dem EU-Parlament einigen.
1) Asylverfahren an der Aussengrenze
Neu soll zumindest ein Teil der Asylverfahren schon an der Aussengrenze stattfinden. Konkret ist das für Asylsuchende aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent vorgesehen. Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan wären also nicht betroffen, Tunesier oder Marokkaner mit geringer Bleibeperspektive aber sehr wohl. Das neue Grenzregime ist den Ländern an der Schengen-Aussengrenze wie Italien oder Griechenland ein Anliegen.
Gemäss den geltenden Regeln des Dubliner Abkommens sind die Frontstaaten theoretisch für alle Asylgesuche zuständig, solange die Migranten nicht familiäre Beziehungen in andere EU-Länder nachweisen können. De facto zieht aber ein Grossteil der Migranten unregistriert Richtung Norden weiter. Das soll sich jetzt ändern.
Der Vorschlag läuft auf geschlossene und streng bewachte Camps im Niemandsland an der Aussengrenze hinaus. Die Frontstaaten sollen verpflichtet werden, 30’000 Plätze einzurichten und Grenzverfahren innert dreier Monate durchzuziehen. Möglich wären also im Jahr rund 120’000 Verfahren. Die Antworten auf Klagen gegen einen negativen Entscheid müssten ähnlich dem umstrittenen britischen Beispiel in einem sicheren Drittland abgewartet werden.
Umstritten war bis zuletzt, ob Familien mit Kindern oder unbegleitete Minderjährige ausgenommen und für ein reguläres Asylverfahren in andere Mitgliedsstaaten gebracht werden sollen. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser machte sich dafür stark, bekam für die Position im Kreis der Amtskollegen aber praktisch nur von Luxemburg und Portugal Unterstützung.
2) Flexible Solidarität
Am Streit um die Lastenteilung sind bisher alle Vorstösse für eine Reform gescheitert. Länder wie Ungarn oder Polen wollen überhaupt keine Asylsuchenden übernehmen. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft nutzte diesmal aber die Möglichkeit, mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden. Nötig war dafür die Zustimmung von 15 Mitgliedstaaten mit 65 Prozent der Bevölkerung der EU.
Dazu gehört, dass anders als 2015 diesmal keine festen Quoten vorgesehen sind. Das neue Schlagwort lautet «flexible Solidarität». Länder, die den Ersteinreiseländern keine Asylbewerber abnehmen wollen, sollen zahlen. Im Gespräch ist eine Pauschale von 22’000 Euro pro Flüchtling, die den Aufnahmestaaten zugutekommt. Länder können auch materielle Hilfe für den Aussengrenzschutz oder Personal für Asylverfahren zur Verfügung stellen.
3) Wie steht die Schweiz zu der Reform?
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider sprach nach dem Treffen von einem «historischen Schritt», der das Vertrauen in ein angeschlagenes Asylsystem wieder herstellen werde. Sie freue sich über den Kompromiss, der ein Gleichgewicht zwischen der Solidarität und den Kontrolle an den Aussengrenzen herstellen werde. Die Schweiz werde sich wie in der Vergangenheit solidarisch zeigen, sagte Baume-Schneider mit Blick auf Umverteilung von Asylsuchenden. Zum Asylverfahren an den Aussengrenzen sagte die Bundesrätin, es sei noch zu früh, über die genaue Umsetzung zu reden, etwa mit Blick auf den Umgang mit Familien. Die Asylverfahren an der Grenze müssten aber im Einklang mit dem internationalen Recht sein. Die Schengen-Grenze ist auch die Schweizer Aussengrenze, wenn es um Asyl und Migration geht. Die Bundesrätin konnte bei der Diskussion über die Reform mitreden, aber am Ende nicht abstimmen. (Lesen Sie zum Thema: Asylministerin in der Kritik – Jetzt kann Baume-Schneider die Probleme nicht mehr weglächeln).
4) Kann die Reform noch scheitern?
In einem nächsten Schritt müssen EU-Parlament und Mitgliedstaaten sich auf eine gemeinsame Position einigen, eine Art Differenzbereinigungsverfahren. Die Unterschiede sind beachtlich, das Parlament kritisch gegenüber dem neuen Verfahren an der Aussengrenze. Die Zeit für eine Einigung vor den Europawahlen wird knapp. Wichtiges Element der Reform sind auch Vereinbarungen mit Drittstaaten wie Marokko und Tunesien, Staatsangehörige und Flüchtlinge aus Drittstaaten zurückzunehmen. Die EU plant dazu ein umfangreiches Hilfspaket für die Regierung in Tunis. Die Blockade bei der Asylreform gefährdet auf Dauer Schengen als gemeinsamer Raum der Reisefreiheit.
Immer mehr Staaten drohen damit, Kontrollen an den Binnengrenzen wieder einzuführen, um die sogenannte Sekundärmigration von Asylsuchenden zu stoppen. Deutschland hat seine Kontrollen Richtung Österreich nach der Flüchtlingskrise von 2015 nie abgeschafft und könnte auch Kontrollen Richtung Schweiz einführen, die zuletzt immer mehr Asylsuchende Richtung Norden durchgewunken hat. Kontrollen gibt es etwa auch zwischen Dänemark und Schweden. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser mahnt, Schengen und das kontrollfreie Reisen seien gefährdet, sollte die Asylreform nicht gelingen.
(https://www.derbund.ch/eu-vor-entscheidendem-moment-darum-gehts-bei-der-asylreform-850734842306)
+++FREIRÄUME
Stadt Biel : Das Kollektiv «L’equipe» hat ein Haus am Unteren Quai besetzt
Am Mittwoch wurde in der Stadt Biel ein Haus besetzt. Den Besetzenden geht es laut Schreiben um Wohnraum und Raum für kulturelles Schaffen.
https://ajour.ch/de/story/97661/das-kollektiv-lequipe-hat-ein-haus-am-unteren-quai-besetzt
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/jetzt-auch-in-biel-kollektiv-besetzt-haus-mitten-in-stadt-151922661
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/hausbesetzung-biel-151930874
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/48-stunden-zeit-kollektiv-soll-besetztes-areal-in-biel-verlassen-151922661?autoplay=true&mainAssetId=Asset:151931509
+++DROGENPOLITIK
Kokain? Die Schweiz gehört zur Spitzengruppe
Das Berner Stadtparlament will ein Pilotprojekt zur kontrollierten Abgabe von Kokain starten. Suchtmediziner Thilo Beck begrüsst diesen Ansatz, auch weil Verbote den Konsum nicht einschränken.
https://www.watson.ch/schweiz/drogen/109311518-kokain-die-schweiz-gehoert-zur-spitzengruppe
+++DEMO/AKTION/REPRESSIION
Jérémy* sorti de prison, une victoire d’étape !
C’est une bonne, et même une excellente nouvelle : Jérémy est sorti aujourd’hui (jeudi 8 juin) de la prison de Champ-Dollon, près de Genève. Victoire d’étape, mais la lutte continue !
https://renverse.co/infos-locales/article/jeremy-sorti-de-prison-une-victoire-d-etape-4058
Stephanie Eymann: „Es ist wichtig im Dialog zu bleiben“
Heute fand ein Gespräch zwischen den Organisatorinnen des Frauenstreiks und der Basler Justiz- und Sicherheitsdirektorin Sie sagt die Voraussetzungen für einen friedlichen Frauenstreiktag seien gegeben. (ab
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/stephanie-eymann-es-ist-wichtig-im-dialog-zu-bleiben?id=12401191
-> https://bajour.ch/a/clina6cnf9355522se0u2381r1y/ausblick-auf-den-frauenstreik
Klimaaktion Kirchenfeld: «Schulhaus tadellos hinterlassen» – Schule, Aktivisten und Gegner sind zufrieden
Die Klimaaktivisten von «End Fossil Bern» sind am Mittwochabend vom Gymnasium Kirchenfeld abgezogen. Zuvor hatten sie das Schulhaus zwei Tage lang besetzt, um Klima-Workshops und Infoveranstaltungen für die Schüler durchzuführen. Eine Bilanz.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/schulhaus-tadellos-hinterlassen-schule-aktivisten-und-gegner-sind-zufrieden-151930513?autoplay=true&mainAssetId=Asset:151888314
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Basler Zeitung 08.06.2023
Sie waren eingekesselt am 1. Mai: «Mein Bild von der Polizei wurde massiv infrage gestellt»
Erstmals äussern sich vier Direktbetroffene zum Polizeieinsatz in Basel. Sie betonen, in friedlicher Absicht an die Demo gegangen zu sein. Trotzdem gerieten sie in den Kessel.
Oliver Sterchi
Der Polizeieinsatz am vergangenen 1. Mai sorgte weit über Basel hinaus für Diskussionen. Während die Bürgerlichen applaudierten und das Durchgreifen der Einsatzkräfte lobten, sprach die Linke von einem «krassen» Verstoss gegen die Grundrechte.
Viel wurde in den Medien und in der Politik über die Polizei und die Demonstrierenden diskutiert. Doch eine Perspektive blieb bislang unbeachtet: diejenige der Eingekesselten. Nun äussern sich zum ersten Mal vier Betroffene gegenüber der BaZ.
Susann Täschler (59), Kristin Busch (49), Uwe Krischker (56) und Susan Steiner (54) wollen der Öffentlichkeit erzählen von ihren Erlebnissen. Sie gerieten am 1. Mai in den Polizeikessel – eine Erfahrung, die sie nicht mehr loslässt. Die vier sind gestandene Berufsleute, haben Familien, geniessen gesellschaftliches Ansehen. Sie entsprechen so ganz und gar nicht dem Stereotyp von vermummten Demo-Chaoten, die auf Krawall gebürstet sind.
Eine andere Perspektive einbringen
Ihre Schilderungen vermitteln ein anderes Bild als dasjenige, das ein Grossteil der Öffentlichkeit bislang womöglich von diesem ereignisreichen Tag hatte. Die vier betonen, unvermummt und in friedlicher Absicht an die Kundgebung gegangen zu sein – respektive, wie im Fall von Steiner, unvermittelt in den Kessel geraten zu sein. Zum Schwarzen Block möchten sie sich nicht äussern. An der vorletzten 1. Mai-Demo im Jahr 2022 wurde der BaZ-Fotograf von Vermummten tätlich angegriffen. Es kam auch zu Sachbeschädigungen. Die vier betonen indes ausdrücklich, Gewalt in jeglicher Form abzulehnen.
Krischker und Busch sind verheiratet, die Gruppe hat sich im Kessel kennen gelernt. Sie haben lange mit dem Schritt gerungen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Nun tun sie es, um eine neue Sichtweise in den Diskurs über den 1. Mai einzubringen.
Nicht alles, was die vier der BaZ erzählt haben, lässt sich unabhängig überprüfen. Die Schilderungen geben ihre persönlichen Eindrücke wieder. Für deren Authentizität bürgt der Umstand, dass Täschler, Busch, Krischker und Steiner mit vollem Namen und Bild hinstehen.
Susann Täschler (59), promovierte Erziehungswissenschaftlerin
«Ich gehe oft an 1.-Mai-Kundgebungen, freue mich stets auf den Umzug und auf das anschliessende Fest. Mein Anliegen sind bessere Arbeitsbedingungen für Frauen, beispielsweise für Bibliothekarinnen. Ich habe mich deshalb im vorderen Drittel des Umzugs bei einer Gruppe von Altfeministinnen eingereiht.
Vom Eingreifen der Polizei wurde ich komplett überrumpelt. Plötzlich stürmte eine Horde von Polizistinnen und Polizisten den Klosterberg hoch. Ich erschrak sehr und dachte an ein Missverständnis. Doch die Polizei meinte es ernst. Ich fragte, weshalb wir nicht weitergehen durften – den Begriff ‹Kessel› kannte ich bislang nicht, das hatte ich noch nie erlebt. Aber da kam keine Reaktion. Ich starrte in eine Mauer von zugeklappten Visieren. Das war sehr beängstigend.
Während der dreieinhalb Stunden, während derer ich festgehalten wurde, sind ein paar schlimme Dinge passiert: Ein kleiner Bub mit Trottinett wurde durch die Polizei von seinen Eltern getrennt. Vergeblich baten Leute die Polizisten, den weinenden Knaben rauszulassen. Und ein gehbehinderter junger Mann, der gestürzt war, wurde von Polizisten, die den Kessel einengten, rücksichtslos vor sich her geschubst. Viele Leute weinten, schrien um Hilfe, jemand hatte grosse Atemnot, einige übergaben sich und waren total gestresst. Es kam mir vor wie in einem TV-Bericht über einen Unrechtsstaat.
Die Kommunikation mit der Polizei war nicht möglich. Auch erhielten wir keinerlei Informationen. Kurz vor 15 Uhr hörte ich die erste verständliche Durchsage. Sie lautete: Wer nicht innerhalb von fünf Minuten den Kessel verlasse, habe mit polizeilichen Folgen zu rechnen. Ich wollte sofort raus. Allerdings dauerte es noch mal gut 30 Minuten, bis genügend Polizistinnen vor Ort waren, die uns Frauen kontrollieren konnten. Mein Bild von der Polizei wurde an diesem Tag massiv infrage gestellt.»
Susan Steiner (54), Archäologin
«Ich hatte gar nichts mit der 1.-Mai-Demo zu tun! Ich wollte an diesem Tag nach Riehen fahren. Da das Tram wegen der Kundgebung am Centralbahnplatz wendete, bin ich zu Fuss in Richtung Bankverein gelaufen. Das war noch vor Beginn der Kundgebung. Beim Bankverein fuhr da auch schon nichts mehr, und ich kehrte um.
Auf dem Rückweg bin ich in den Polizeikessel geraten und fragte die Umstehenden, ob diese Demonstration nicht bewilligt sei. Ich habe überhaupt nicht verstanden, was da passierte und wer oder was hier gefährlich ist. Ein Polizist, dessen Gesicht ich hinter dem Helmvisier nicht sehen konnte, schob mich mit seinem Schild näher zu den anderen Eingekesselten. Ich machte mir Sorgen um die Kinder und Jugendlichen, die mit uns eingekreist waren. Nach rund drei Stunden wurden wir noch weiter zusammengeschoben, und ein Wasserwerfer wurde auf uns gerichtet.
Diese ungewissen Stunden und die anschliessende, harte Personenkontrolle haben mich sehr irritiert. Weshalb geht man so rabiat gegen gewaltlose Menschen vor? Ich wurde an diesem Tag zum ersten Mal überhaupt mit Polizeigewalt konfrontiert. Das beschäftigt mich bis heute. Auf diesem 1.-Mai-Umzug habe ich nur friedliche Demonstrierende gesehen – das Vorgehen der Polizei empfand ich dagegen als bedrohlich und völlig unverhältnismässig.»
Kristin Busch (49), Sozialarbeiterin
«Mein Mann Uwe und ich sind an diesem Tag zusammen an die Demo gegangen. Vor der Haustür habe ich den Polizeihelikopter gehört und gesehen. Verunsichert und mit einem komischen Gefühl machte ich mich auf den Weg. Im Moment des Zugriffs standen innert 20 Minuten Polizistinnen und Polizisten mit schussbereiten Waffen und Knüppeln in der Hand vor mir. Ich hatte grosse Angst und Sorge, was nun passiert. Andererseits dachte ich, wir sind alle friedlich, weshalb sollten sie uns angreifen?
Besonders schwierig war für mich während der gesamten Zeit, dass die Polizistinnen und Polizisten komplett maskiert waren. Ich konnte die Menschen dahinter nicht lesen und daher nicht einschätzen. Ich fühlte mich sehr bedroht. In meinem Beruf habe ich immer wieder mit der Polizei zu tun und mache gute Erfahrungen. Und nun das. Unglaublich. Das nächste Thema war die Versorgung mit Wasser: Nach den ersten Pfeffersprayattacken ging uns das Wasser aus. Wir unterstützten uns alle, wo es ging. Das wenige Wasser, welches wir noch hatten, mussten wir zum Auswaschen der Augen nutzen. Von der Polizei wurde uns erst nach 1,5 Stunden Wasser gebracht.
Thema Toilette. Wir mussten uns auf offener Strasse erleichtern. Eine junge Frau mit starker Menstruation musste ihren Tampon im Kessel wechseln, weil die Polizei sie nicht rausliess. Das alles war sehr entwürdigend. Die Erlebnisse vom 1. Mai machen mich noch immer fassungslos und sind unbegreiflich. Ohnmacht und Unsicherheit aufgrund von Gewalt, dies kenne ich von Menschen, die ich berate. Dass ich dies an einer bewilligten 1.-Mai-Demo erleben musste, ist unglaublich!»
Uwe Krischker (56), Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie
«Die vielen Polizisten und Fahrzeuge entlang der Elisabethenstrasse sind mir schon beim Hinweg aufgefallen. Die Beamten wirken bereits hochalarmiert, noch vor Beginn der Demonstration. Erst im Nachhinein fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Dieser Eingriff seitens der Polizei war von Anfang an geplant. Als es dann losging mit der Einkesselung, haben ein paar Leute im Zug gerufen, dass man wegrennen solle. Ich wollte aber nicht wegrennen. Warum sollte ich auch? Wir hatten ja gar nichts getan! Der Zugriff erfolgte derart militant.
Ich hatte Angst vor einer weiteren Eskalation und lief aus Reflex vor die Polizei mit der Vorstellung, die jungen Menschen zu schützen. Ich dachte, die schiessen jetzt gleich mit den Gummigeschossen los! Ich versuchte dann später immer wieder erfolglos, mit den Polizisten Kontakt aufzunehmen. Als ich mit Abstand an der Polizei vorbeigelaufen bin, spürte ich plötzlich einen Strahl auf der linken Backe. Mir war klar, das war Pfefferspray. Ich bin dann zu Boden gegangen und war blind, hilflos und hatte Angst um meine Augen. Das tut wirklich unheimlich weh.
Als es mir dann besser ging, half ich anderen durch Pfefferspray verletzten Menschen. Manchen ging es schlecht nach diesen Attacken, sie hatten Panik und hyperventilierten teilweise. Ich habe dann die Polizisten aufgefordert, die Sanität zu rufen. Mir wurde gesagt, dass wir das selbst tun müssten, sie machten das nicht. Das kann ich nicht verstehen! Als die Sanität dann endlich kam, durfte sie nicht rein in den Kessel. Laut Aussagen der Polizei sei das eine ‹rote Zone›.
Unglaublich für mich, dass die Gesundheit der Menschen nicht Vorrang hat. Ich habe beruflich regelmässig Kontakt mit der Polizei und schätze ihr umsichtiges und deeskalierendes Vorgehen im psychiatrischen Notfalldienst mit Menschen sehr, das möchte ich betonen. Aber am 1. Mai konnte ich die Beamten nicht erreichen, das hat mich sehr frustriert und auch verunsichert. Ich kenne das so nicht aus meinem Beruf.»
An den Frauenstreik wollen sie dennoch gehen
Beim Erzählen wirken die vier sehr reflektiert, kontrolliert. Doch manchmal, das merkt man, werden sie emotional, hie und da wird eine Träne unterdrückt. Die Ereignisse, sie wirken nach. An den Frauenstreik vom 14. Juni wollen sie trotzdem gehen.
«Ich habe keine Ahnung, wie das wird für mich. Aber ich will mir nicht nehmen lassen, mich weiterhin zu bestimmten Anliegen äussern zu können», so Busch. Und Steiner sagt: «Der 1. Mai war ein Weckruf für mich. Mir war nicht bewusst, dass friedliche Kundgebungen in Basel derart eingeschränkt werden. Nun will ich künftig öfter an Demos gehen. Was wir erleben mussten, geht einfach gar nicht.» Täschler ergänzt: «Es ist jetzt notwendiger denn je, dass wir unsere demokratischen Rechte wahrnehmen.»
Wie das «Regionaljournal Basel» und die «bz Basel» am Donnerstagabend berichteten, fand an diesem Tag ein Gespräch zwischen Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann und den Organisatorinnen des Frauenstreiks statt. Das Treffen ist gemäss beiden Seiten gut verlaufen. Die Voraussetzungen für einen friedlichen Frauenstreiktag seien gegeben, so Eymann.
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Das sagt die Polizei zu den Vorwürfen
Die BaZ hat die Basler Kantonspolizei mit den Schilderungen von Täschler, Steiner, Krischker und Busch konfrontiert. Die Medienstelle teilte auf Anfrage mit, dass man zu konkreten einzelnen Fällen «aufgrund der laufenden Verfahren» keine Stellung nehmen könne. Sämtliche Fragen «rund um die Themen Kinder im Kessel, Wasser und Nahrung für Eingekesselte, Verhältnismässigkeit des Einsatzes et cetera» seien bereits «mehrfach beantwortet» worden, entweder durch Departementsvorsteherin Stephanie Eymann im Rahmen von parlamentarischen Vorstössen oder von der Medienstelle.
Die LDP-Sicherheitsdirektorin sagte am Tag nach der Demo in einem Interview mit der BaZ: «Wir haben am Montag schnell gemerkt, dass sich an der Spitze des Demonstrationszugs die Personen vermummen und Schutzmaterial dabeihaben – was nicht dafür spricht, dass sie in friedlicher Gesinnung unterwegs sind.» Deshalb habe die Polizei sich entschieden, «eine Personenkontrolle zu machen und den Zug zu stoppen». Im Polizeikessel habe man dann «Pyromaterial, Böller, Spraydosen» gefunden. Der Zugriff sei demnach präventiv erfolgt, bevor es zu möglichen Sachbeschädigungen komme, denn, so Eymann, «wenn man mit einer friedlichen Gesinnung an eine bewilligte Demonstration geht, wieso muss man sich dann so aufrüsten und ausrüsten – ausser man ist eben doch auf Krawall aus». (ost)
(https://www.bazonline.ch/mein-bild-von-der-polizei-wurde-massiv-infrage-gestellt-739883517810)
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Extremistenfamilie soll Geld aus Luzern erhalten – Sedel: Benefizkonzert für Terroristen
Am Freitag findet im Luzerner Musikzentrum Sedel eine Veranstaltung für zwei der ehemals meistgesuchten griechischen Terroristen statt. Die Einnahmen sollen an die Familie der Extremisten fliessen.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/sedel-benefizkonzert-fuer-terroristen-2550116/
+++REPRESSION DE
Der Paragraph 129 fungiert als Instrument zur Ausspähung oppositioneller Gruppen
Die Letzte Generation ausspähen
Sowohl die Ermittlungen gegen Lina E. als auch gegen die Letzte Generation stützen sich auf den Paragraphen 129 des Strafgesetzbuchs, der es unter Strafe stellt, eine kriminelle Vereinigung zu gründen, zu unterstützen oder ihr anzugehören. Zwar kommt es auf der Grundlage des Paragraphen selten zu Gerichtsverfahren oder Verurteilungen, aber er gibt den Ermittlungsbehörden weitreichende Instrumente zur Ausforschung der Verdächtigten an die Hand.
https://jungle.world/artikel/2023/23/die-letzte-generation-ausspaehen
Linksextremismus: Wie groß ist die Gefahr?
In Leipzig fand am Wochenende einer der größten Polizeieinsätze der vergangenen Jahre statt. Linksradikale Gruppen hatten zu Demonstrationen aufgerufen, teilweise kam es zu heftigen Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Die Bundesinnenministerin und der Verfassungsschutz warnen vor einer wachsenden Gefahr von links, vor einer Szene, die immer gewaltbereiter sei. MONITOR-Reporterinnen waren am Wochenende in Leipzig und haben mit Demonstrierenden gesprochen.
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/linksextremismus-100.html
+++REPRESSION FRA
Repressionswelle in Frankreich gegen die soulevements de la terre
AUFRUF ZUR UNTERSTÜTZUNG NACH EINER WELLE VON VERHAFTUNGEN IN FRANKREICH IM ZUSAMMENHANG MIT DER BESETZUNG EINER LAFARGE-FABRIK
Am frühen Morgen (05.06.2023) führten Gendarmen und die Anti-Terrorismus-Subdirektion (SDAT) eine Welle von Hausdurchsuchungen in ganz Frankreich durch. Mindestens 15 Personen wurden gleichzeitig in mehr als zehn Gemeinden durchsucht und anschließend in Polizeigewahrsam genommen.
https://barrikade.info/article/5994
+++POLIZEI TG
«Schnüffelgesetz» beschäftigt Thurgauer Politik
Die Revision des Polizeigesetzes im Kanton Thurgau sorgt für Unmut. Nach anfänglicher Zustimmung hat der Grosse Rat einen Rückzieher gemacht, weil die angedachte Gesetzgebung womöglich gegen die Schweizer Verfassung verstossen könnte. Denn damit wären spontane Kontrollen von Handys, Computern aber auch Hotelzimmern jederzeit und ohne Nennung von Gründen möglich.
https://www.tvo-online.ch/aktuell/schnueffelgesetz-beschaeftigt-thurgauer-politik-151931224
+++POLIZEI DE
»Müssen politische Vorgaben und Strukturen betrachten«
Nach fünf Jahren Studie zu Polizeigewalt vorgelegt. Forschende fordern bessere Erfassung. Ein Gespräch mit Laila Abdul-Rahman
https://www.jungewelt.de/artikel/452409.staatsmacht-m%C3%BCssen-politische-vorgaben-und-strukturen-betrachten.html
+++POLIZEI IT
Brutale und korrupte Beamte in italienischer Bereitschaftspolizei
Nach Anklagen gegen kriminelle Polizisten in Verona zielt Italiens Rechte auf den Folterparagrafen
Was in Verona geschah, klingt wie ein Horrorfilm. Opfer waren die Ärmsten der Armen, Migranten und Obdachlose, während die Täter eine Uniform trugen. Jetzt sind fünf Verdächtige verhaftet worden, gegen 18 weitere wird ermittelt.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173856.italien-brutale-und-korrupte-beamte-in-italienischer-bereitschaftspolizei.html
-> https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/im-norden-von-italien-polizisten-sollen-festgenommene-gefoltert-haben-18948722.html
Gewalt gegen Gefangene
Italien: Beobachtungsstelle beklagt dramatische Haftbedingungen. Knäste überfüllt, Folter an der Tagesordnung
https://www.jungewelt.de/artikel/452413.gef%C3%A4ngnisse-gewalt-gegen-gefangene.html
+++FRAUEN/QUEER
Bundesgericht trifft wegweisendes Urteil: Julian P. will weder Frau noch Mann sein
Am Donnerstag entscheidet das Bundesgericht, ob erstmals überhaupt eine Person in der Schweiz kein offizielles Geschlecht haben darf. Der Fall ist speziell – und er könnte politische Folgen haben.
https://www.blick.ch/politik/bundesgericht-trifft-wegweisendes-urteil-julian-p-will-weder-frau-noch-mann-sein-id18646757.html
Entweder Mann oder Frau: Bundesgericht lehnt Streichung des Geschlechtseintrags ab
Eine in Deutschland erfolgte Streichung der Geschlechtsangabe einer Person mit Schweizer Pass ist in der Schweiz nicht anerkannt. Sie kann damit auch nicht ins schweizerische Personenstandsregister eingetragen werden. Das beschloss das Bundesgericht am Donnerstag.
https://www.watson.ch/schweiz/justiz/974851904-nonbinaer-bundesgericht-lehnt-streichung-des-geschlechtseintrags-ab
-> https://www.blick.ch/politik/bundesgericht-trifft-wegweisendes-urteil-julian-p-will-weder-frau-noch-mann-sein-id18646757.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/international/317394619-julia-wird-zu-julian-und-will-das-geschlecht-loswerden-der-fall-loest-eine-debat
-> https://www.derbund.ch/streichung-des-geschlechts-im-schweizer-personenregister-unzulaessig-254195529588
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/bundesgericht-schweiz-muss-drittes-geschlecht-nicht-anerkennen?partId=12401221
-> https://www.tgns.ch/de/2023/06/bundesgericht-verhindert-streichung-des-geschlechtseintrags/
-> Medienmitteilung Bundesgericht: https://www.bger.ch/index/press/press-inherit-template/press-mitteilungen.htm
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/drittes-geschlecht-bundesgericht-faellt-wegweisendes-urteil?urn=urn:srf:video:9aa23a5c-53a2-4853-a14b-9a7613fd27bb
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/bundesgerichtsurteil-streichung-des-geschlechts-im-personenstandsregister-unzulaessig?wt_mc_o=srf.push.webpush.browser.article
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/urteil-des-obersten-gerichts-drittes-geschlecht-bundesgericht-spielt-den-ball-der-politik-zu
-> https://www.blick.ch/politik/urteil-des-hoechsten-gerichts-stoesst-auf-kritik-julian-p-muss-entweder-frau-oder-mann-sein-id18649638.html
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luzernerzeitung.ch 08.06.2023
Julia wird zu Julian und will das Geschlecht loswerden: So urteilt das höchste Gericht
Die Genderdebatte erreicht das Bundesgericht. Es fällt einen wegweisenden Entscheid zur Anerkennung eines dritten Geschlechts und ermuntert die Politik zum Handeln.
Andreas Maurer, Lausanne
Eine bunte Schar unterschiedlichster Menschen füllt das Bundesgericht. Männlich wirkende Personen in langen Röcken warten zwischen den Marmorsäulen. Weiblich wirkende Personen mit kurzen Haaren nehmen auf der Tribüne Platz. Und Menschen in farbigen T-Shirts, die sich keinen Kategorien zuordnen lassen, diskutieren mit den Gerichtsweibeln.
Die meisten sind jung und wollen die Gesellschaft verändern. Mobilisiert wurden sie durch eine queere Bewegung, die das Geschlecht in der Schweiz abschaffen will.
Vor der Sitzung des Bundesgerichts muss sich das Publikum aber der alten Ordnung fügen. Es gibt nur Männer- und Frauen-WC. An den Schlangen davor lässt sich ablesen, wer sich für welches Geschlecht entscheidet, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.
Während der Sitzung zeigt sich das Bundesgericht von seiner progressiven Seite. Die fünf Richterinnen und Richter verwenden konsequent eine genderneutrale Sprache und reden immer von der «beschwerdeführenden Person» und lassen damit offen, ob sie männlich, weiblich oder nonbinär ist. Denn genau dies ist die Problemstellung.
Der Fall Julian: weder weiblich noch männlich
Es geht um Julia, die 1989 im Aargau geboren und als Mädchen registriert wurde. Doch irgendwann merkte sie, dass dies nicht für sie stimmte. Sie fühlte sich männlich, aber irgendwie auch nicht. Dafür gibt es in Berlin, wo die 34-jährige Person heute lebt, eine einfache Lösung. Julia* liess ihren Namen zu Julian* ändern und die Geschlechtsangabe streichen. Julian definiert sich als nonbinär.
Das Berliner Standesamt bewilligte die Änderungen, weil Ärzte eine sogenannte Variante der Geschlechtsentwicklung festgestellt hatten. Das bedeutet, dass die Person biologisch weder Mann noch Frau ist, sondern intersexuell. Die nationale Ethikkommission für Humanmedizin stützt sich auf Schätzungen, wonach 1,7 Prozent der Weltbevölkerung davon betroffen sind.
Julian hat über die Schweizer Botschaft verlangt, dass die Änderungen im hiesigen Personenstandsregister nachvollzogen werden. So kam das Verfahren in Gang. Es war ein Hin und Her. Die Aargauer Regierung akzeptierte die Namensänderung, aber nicht die Streichung der Geschlechtsangabe. Das Aargauer Obergericht hiess hingegen auch Letztere gut. Weil das eidgenössische Justizdepartement Beschwerde erhob, kam der Fall nun vor das höchste Gericht.
Bundesrichter Felix Schöbi (Mitte) hat verlangt, dass der Fall vor Publikum diskutiert und nicht wie üblich im schriftlichen Verfahren erledigt wird. Denn das Thema sei in der aktuellen Debatte erklärungsbedürftig, meint er. Der Bundesrichter zitiert Denker unterschiedlicher Richtungen.
Physiker Albert Einstein:
«Wenn eine Idee zuerst nicht als absurd erscheint, taugt sie nichts.»
Alt Bundesrat Ueli Maurer:
«Ob meine Nachfolge eine Frau oder ein Mann ist, ist mir eigentlich gleich. Solange es kein ‹Es› ist, geht es ja noch.»
Und NZZ-Chefredaktor Eric Gujer mit dem Titel eines Leitartikels auf der Frontseite:
«Mit Bart in die Frauensauna.»
Als Bundesrichter Schöbi so in sein Referat startet und erst noch festhält, dass das Zivilgesetzbuch die Geschlechtsangabe im Personenstandsregister gar nicht vorschreibe, kommt im Publikum Hoffnung auf. Erwartet wird, dass Schöbi sich am Schluss für Julians Antrag einsetzen wird. Doch so leicht lässt sich Schöbis Referat nicht einordnen. Seine Rede ist fluid, er nennt Argumente dafür und dagegen. Er stellt fest: «Die heutige Rechtslage ist alles andere als befriedigend.»
Doch das Parlament habe sich gegen die Einführung eines dritten Geschlechts entschieden. Als Bundesrichter fühle er sich den Entscheiden des Gesetzgebers verpflichtet, «auch wenn diese opportunistisch erscheinen». Er werde den Eindruck nämlich nicht los, dass der Bundesrat bei seinem Entscheid gegen ein drittes Geschlecht vor den Zivilstandsbehörden eingeknickt sei – aus Angst vor der Genderdebatte oder weil die Registersysteme zu kompliziert seien.
Bundesgericht gibt dem Parlament einen Denkanstoss
Das Anliegen des Bundesgerichts formuliert Schöbi so: «Der Gesetzgeber soll nach diesem Entscheid nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.» Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Justizdepartements aber einstimmig gut und hebt das Aargauer Urteil auf. Das Obergericht habe Bundesrecht verletzt. Denn es sei Sache des Parlaments, allenfalls das Gesetz zu ändern. Entsprechende Vorstösse sind bereits auf dem Weg und der Bundesrat hat sich bereit erklärt, nach Lösungen zu suchen.
Julian hat somit jetzt einen männlichen Vornamen, bleibt in der Schweiz aber als Frau registriert. Bundesrichter Schöbi hält dies für «höchst problematisch», weil die Person vielleicht anders entschieden hätte, hätte sie die Konsequenzen gekannt.
Er beantragt, dass Julian die Gerichtskosten von 2000 Franken ausnahmsweise nicht zahlen müsse. Die beschwerdeführende Person sei schliesslich vom Justizdepartement in das Verfahren gedrängt worden. Doch damit unterliegt er mit 1 zu 4 Stimmen.
Das Transgender Network Switzerland, das den Prozess finanziert, wird den Fall vermutlich vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterziehen.
Julian sagt: «Ich bin traurig, nicht nur für mich selbst, sondern auch für alle, die aufgrund eigener Betroffenheit einen positiven Bescheid erhofft haben.»
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* Namen geändert.
(https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/zivilprozess-julia-wird-zu-julian-und-will-das-geschlecht-loswerden-so-urteilt-das-hoechste-gericht-ld.2469667)
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derbund.ch 08.06.2023
Entscheid am BundesgerichtMännlich, weiblich, Julian
Eine nonbinäre Person will ihr Geschlecht aus dem Pass streichen lassen. Das Bundesgericht sieht das anders und sagt: Erst müssen sich die Gesetze ändern.
Christian Zürcher
Die Verhandlung ist fast zu Ende, das Urteil gefällt, als Bundesrichter Felix Schöbi den Verliererinnen und Verlierern im Saal noch etwas Zuversicht mitgeben will.
Rund 30 von ihnen sind mit grossen Hoffnungen nach Lausanne ans Bundesgericht in den grossen Saal gereist. Sie alle unterstützen Julian (Name geändert). Sie tragen bunte Kleider und geben diesem dunklen Raum, der die Menschen darin klein macht, etwas Farbe. Noch immer spricht Schöbi, doch längst hat sich unter den Angereisten Enttäuschung breitgemacht. Julian hat verloren.
Also sagt Bundesrichter Schöbi: «Der Bundesrat und die Verwaltung tun gut daran, wenn sie sich nicht zu lange auf diesem heutigen Erfolg ausruhen.» Es ist ein vorweggenommenes Schlusswort. Schöbi und seine Kollegen haben gerade ein Problem von privatrechtlicher Natur gelöst. Wobei es im Fall Julian noch um sehr viel mehr geht. Es geht um die eine grosse Frage: Wer darf ich sein?
Die körperliche Besonderheit
Julian ist eine Person, die als Julia aufwächst. Eine Person, die sich weder als Mann noch als Frau sieht. Und eine Person, die 2014 nach Berlin zieht und dort 2019 auf dem Standesamt einen Namenswechsel beantragt und ihren Geschlechtereintrag streichen lässt. Julia heisst nun Julian. Es ist der Anfang einer langen juristischen Geschichte, die in Lausanne ein vorläufiges Ende findet.
Julian ist 1989 im Kanton Aargau mit einer körperlichen Besonderheit auf die Welt gekommen. Julians Geschlecht ist nicht eindeutig bestimmbar. Man kann nicht klar sagen, ob Julian biologisch weiblich oder männlich ist. Die UNO schätzt, dass bis zu 1,7 Prozent der Weltbevölkerung als Intersexuelle auf die Welt kommen. Zahlen dazu gibt es hingegen keine.
Das Schweizer Gesetz sieht in einem Fall wie jenem von Julian vor, dass die Eltern dem Zivilstandsamt innert drei Tagen eine Meldung machen. Die Auswahl: männlich oder weiblich. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Eine fast unmögliche Situation. Schliesslich fügt Julians Familie ein F im Personenstandsregister ein.
Julian widmet sich bereits im Kindesalter der Kunst, erleidet im Teenageralter eine Schaffenskrise, trotzdem gilt Julian als grosses Talent und glänzt im Studium. In einem SRF-Radiobeitrag bezeichnet sich die nonbinäre Person als «stark politisch denkender Mensch» und «stark politisch betroffener Mensch». Die «Aargauer Zeitung» schreibt, im Innern von Julian brodle es und die Selbstwahrnehmung passe nicht zum Erscheinungsbild der Person.
Mit dreissig Jahren will Julian den Namen ändern und das Geschlecht streichen. Julian macht dies mit einer ärztlichen Bescheinigung auf dem Berliner Standesamt und möchte dies später auf der Schweizer Botschaft von der Schweiz anerkennen lassen.
Die Aargauer Behörden vollziehen den Namenswechsel, richten aber aus, dass sie die Geschlechtsangaben nicht streichen wollen. Julian zieht den Fall vor das Aargauer Obergericht, das Julian 2021 recht gibt. Nun schaltet sich das Bundesamt für Justiz ein und reicht eine Beschwerde ein. Vier Jahre nach Julians Besuch auf dem Berliner Standesamt muss nun das Bundesgericht entscheiden.
Eine klare Sache
Julian sitzt im Saal, trägt Hemd und Bart und hört, wie die Richterinnen und Richter, einer nach der anderen, ihre Einschätzungen abgeben. Es ist eine klare Sache. Alle fünf Richter heissen die Klage des Bundesamts für Justiz gut.
Am anschaulichsten macht das Bundesrichter Schöbi. Er war es auch, der im Vorfeld eine öffentliche Behandlung des Falles angeregt hatte. Das ist am Bundesgericht unüblich und kommt gewöhnlich nur dann vor, wenn sich die Richterinnen und Richter uneinig sind. Auch diese Episode zeigt: Es ist ein besonderer Fall.
Schöbi kann reden. Er macht das offensichtlich gern und teilt der Welt ohne Scham sein Bildungsbürgertum mit. Er zitiert in seiner Rede Einstein, dann Goethe und schliesslich trägt er dem Saal auch noch einen lateinischen Vers vor.
Er erzählt, dass die Optik eines Richters sich von jener eines Wissenschaftlers unterscheide. Er bezeichnet die heutige Rechtslage «zurückhaltend formuliert» als «alles andere als befriedigend». Trotzdem müsse er sich im Sinne der Gewaltentrennung gegen die Interessen von Julian entscheiden. «Ich sehe keine Möglichkeit, mich über den Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen.»
Schöbi bezieht sich auf den seit 2022 gültigen Artikel 40a des internationalen Privatrechts, der die Anerkennung eines dritten Geschlechts ausdrücklich nicht beabsichtigt. Zudem habe sich der Bundesrat Ende 2022 explizit gegen ein drittes Geschlecht ausgesprochen. Die Landesregierung machte dies mit dem Verweis, dass die Gesellschaft noch nicht so weit sei und es erst einen «gesellschaftlichen Diskurs» brauche. Eine Änderung hätte zudem grosse Folgen, zum Beispiel im Bereich der Militärpflicht und der Renten.
Obwohl das Bundesgericht lediglich darüber entscheidet, ob ein ausländischer Zivilstandsentscheid übernommen wird (und nicht, ob es in der Schweiz künftig ein drittes Geschlecht gibt), hat der Fall Symbolkraft.
Was nicht geht: Den Eintrag leer lassen
Auch darum wird der Fall von vielen eng verfolgt. Von den Betroffenen, den nonbinären Menschen. Von Juristinnen und Politikern, aber auch von den Menschen der Praxis, von den Angestellten in den 140 Zivilstandsbüros der Schweiz.
Dort kann man seit dem 1. Januar 2022 auch das Geschlecht wechseln. Von Mann zur Frau. Von der Frau zum Mann. Eine Sache von 15 Minuten, sehr unbürokratisch. Was aber nicht geht: den Eintrag leer lassen.
«Für uns ist das ein Dilemma», sagt Roland Peterhans, er ist Zivilstandsbeamter, er steht regelmässig am Schalter, er ist aber auch Präsident des Schweizerischen Verbands für Zivilstandswesen. Einerseits wolle man den Job gut machen und die Gesetze einhalten, sagt er. Andererseits sehe man, dass genau dies viele non-binäre Personen unglücklich zurücklasse.
Er erhalte regelmässig Anfragen von Personen, die ihm sagten: Ich bin weder das eine noch das andere. Er müsse dann stets das Gleiche antworten: dass es nur zwei Möglichkeiten gebe. Für ihn ziemlich unbefriedigend. «Mir ist kein Fall bekannt, dass dann jemand das Geschlecht geändert hat. Etwas Falsches mit etwas Falschem austauschen ist keine Lösung.»
Peterhans befürwortet darum eine Anpassung und hat darum «sehr gespannt» auf den Entscheid des Bundesgerichts gewartet. Umso mehr bedauert er das Nein. Im Idealfall hätte ein Ja eine Debatte anstossen können. Eine Debatte, die dringend nötig sei, weil ein grosser Teil der Menschen kaum über das Thema Bescheid wisse.
Kommt nun eine Debatte?
Vielleicht wird diese Debatte trotzdem bald geführt. Dafür sprechen der Zeitgeist und die Aufforderung von Bundesrichter Schöbi an den Bundesrat. Dafür spricht auch, dass in der Landesregierung mit Elisabeth Baume-Schneider eine Sozialdemokratin das Justizdepartement führt und mit Ueli Maurer ein offener Kritiker eines dritten Geschlechts nicht mehr dabei ist. Ebenso hat die nationalrätliche Rechtskommission den Bundesrat aufgefordert, Vorschläge zu machen, wie die Situation von nonbinären Personen zu verbessern sei.
Julian hat den Prozess im Saal verfolgt und ist enttäuscht: «Ich bin traurig, nicht nur für mich selbst, sondern auch für alle, die ebenso aufgrund eigener Betroffenheit einen positiven Bescheid erhofft haben.» Man prüfe nun einen Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sagt Julians Anwalt.
Julian lebt nun mit einer bürokratischen Absurdität: Julian trägt fortan einen männlichen Namen, gilt aber im Schweizer Pass als weiblich.
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So handhaben es andere Länder
In Deutschland ist es möglich, beim Eintrag ins Personenstandsregister die Optionen männlich, weiblich oder divers zu wählen oder das Geschlecht offenzulassen. In den Niederlanden kann die Option «nicht binär» gewählt werden. In Österreich kann man auf einen Geschlechtereintrag verzichten oder sich als «divers», «inter» oder «offen» eintragen lassen. Ebenfalls ein drittes Geschlecht akzeptieren auch Dänemark, Island, Spanien sowie Australien, Neuseeland, Argentinien, die USA und Teile Kanadas. (czu)
(https://www.derbund.ch/maennlich-weiblich-julian-515837814162)
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nzz.ch 08.06.2023
Julian P. muss entweder ein Mann oder eine Frau sein: Bundesgericht zwingt nonbinäre Personen, sich für ein Geschlecht zu entscheiden
Dürfen nonbinäre Personen den Eintrag des Geschlechts aus dem Personenstandsregister streichen lassen? In einem neuen Entscheid lehnt das Bundesgericht dies ab – und spielt den Ball dem Parlament zu.
Daniel Gerny
Wer «innerlich fest davon überzeugt ist, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören», kann seinen Eintrag seit dem 1. Januar 2022 durch eine einfache Erklärung ändern lassen. Aus einem Mann wird so zivilrechtlich eine Frau und umgekehrt. So sieht es der neue Artikel 30b des Zivilgesetzbuches (ZGB) vor. Die Erfahrungen im ersten Jahr zeigen, dass das Bedürfnis danach überraschend gross ist.
Weit über 1000 Personen haben ihr Geschlecht im Personenstandsregister geändert, etwas mehr von Mann in Frau (53 Prozent) als von Frau in Mann. Doch was ist mit Menschen, die sich selber weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen? Für nonbinäre Personen ist es laut dem geltenden Gesetz nämlich nicht möglich, das entsprechende Feld im Register leer zu lassen.
Daran will das Bundesgericht konsequent festhalten, wie es am Freitag in einem Entscheid zu einem Fall aus dem Kanton Aargau entschieden hat. Dabei geht es um eine nonbinäre Person, die die Schweiz zivilrechtlich als Frau in Richtung Berlin verlassen und dann im dortigen Register auf eine Angabe zum Geschlecht verzichtet hatte. Dies ist gemäss dem deutschen Personenstandsgesetz im Gegensatz zur Schweiz problemlos möglich.
Keine Hintertür zur Einführung des dritten Geschlechts
Doch das Bundesgericht lehnt es ab, die Streichung des Geschlechtseintrags in der Schweiz anzuerkennen. Das Geschlecht sei hier eines der Elemente des Personenstandes, die im ZGB geregelt würden, heisst es in einer Medienmitteilung des Gerichtes. Solle dieser Grundsatz in Zukunft nicht mehr gelten, müsse das Gesetz geändert werden. Das Bundesgericht spielt den Ball somit also dem Bundesrat und dem Parlament zu. Mit seinem Entscheid gibt Lausanne dem Bundesamt für Justiz recht, das gegen das Urteil aus dem Aargau Beschwerde eingelegt hat.
In den letzten Jahren war intensiv über den Fall berichtet worden. Julian P., wie die Person in den Medien genannt wird, hatte vor zwei Jahren vom Aargauer Obergericht noch recht erhalten: Auf die Angaben zum Geschlecht zu verzichten, sei «mit den hiesigen rechtlichen und ethischen Werten nicht schlechthin unvereinbar», erklärte es damals. Vor allem die betroffenen Personen hofften, dass das Bundesgericht nun ebenfalls ein Zeichen in diese Richtung setzen würde.
Das Bundesgericht kommt allerdings zum Schluss, dass es damit dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers widersprechen würde. Es nennt dabei ausdrücklich die Debatte über den Artikel 30b des ZGB, der die Änderung des Geschlechtseintrags seit Anfang 2022 möglich gemacht hat. Tatsächlich hatte die Mehrheit damals zum Ausdruck gebracht, dass durch die Revision «keine Hintertür zur Einführung eines dritten Geschlechtes» geschaffen werden soll.
Juristisch ist alles klar – politisch ist vieles offen
Kein Problem stellt dagegen die Namensänderung dar, die Julian P. in Berlin ebenfalls vorgenommen hat und sich bestätigen lassen wollte. Zuvor trug Julian einen weiblichen Vornamen. Bereits das zuständige Aargauer Departement hatte gegen den Namenswechsel keinerlei Einwände. Dieser wurde deshalb auch nicht zum Gegenstand des Rechtsstreites.
Juristisch ist die Angelegenheit damit vorerst klar: Eine Änderung des Geschlechts von weiblich zu männlich und umgekehrt ist zulässig. Ein Verzicht auf einen Geschlechtseintrag ist dagegen selbst dann nicht möglich, wenn dieser im Ausland bereits bewilligt worden ist. Das bedeutet mit anderen Worten, dass sich nonbinäre Personen bezüglich ihres Geschlechtes in rechtlicher Hinsicht auch in Zukunft festlegen müssen.
Politisch allerdings kommt die Debatte erst richtig in Fahrt – schon am kommenden Mittwoch behandelt der Nationalrat einen Vorstoss aus der Rechtskommission. Diese verlangt vom Bundesrat Vorschläge dazu, wie die Situation von nichtbinären Personen verbessert werden könnte, ohne dass das binäre Geschlechtsmodell aufgegeben werden muss.
Auch die Möglichkeiten in Bezug auf die Angaben zum Geschlecht in Pässen oder Ausweisen zugunsten nonbinärer Personen sollen geprüft werden, wie es in dem Vorstoss heisst. Dies ist exakt dieselbe Stossrichtung, die Julian P. mit seine Beschwerde ans Bundesgericht verfolgt hat.
In Basel-Stadt ist die Debatte schon weiter
Ein Postulat mit der Forderung nach Lösungsvorschlägen ist zwar noch weit von einer Gesetzesrevision entfernt. Dennoch ist es bemerkenswert, dass die Forderung nicht nur bei einer Mehrheit der Rechtskommission Zustimmung fand, sondern auch beim Bundesrat. Er beantragt die Annahme des Postulates. Noch vor kurzem hatte der Bundesrat klargemacht, dass er die Einführung eines dritten Geschlechts ablehnt.
Bei dieser Haltung bleibt der Bundesrat zwar ausdrücklich: Es solle nicht darum gehen, «durch Änderungen unserer Rechtsordnung ein drittes Geschlecht einzuführen», schreibt er in seiner Antwort auf das Postulat. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass es im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) zu einem zaghaften Meinungsumschwung kommt: Während die klare Ablehnung des dritten Geschlechtes noch unter Führung von Karin Keller-Sutter erfolgte, ist für die Behandlung des aktuellen Vorstosses Elisabeth Baume-Schneider zuständig.
Auch sonst wird der rechtliche Status von nonbinären Personen zunehmend zum Politikum. Im Kanton Basel-Stadt ist im Parlament ein Gesetzesentwurf hängig, der noch weiter geht als die Forderungen aus der nationalrätlichen Rechtskommission. Der baselstädtische Regierungsrat will in einem neuen Gleichstellungsgesetz «ein zeitgemässes Geschlechtermodell verankern, das sich von Binarität und Heteronormativität verabschiedet». Bei der Definition der Geschlechter wird dabei auf die Begriffe «Mann» und «Frau» verzichtet.
Der Gesetzesentwurf stösst allerdings auch im linken Basel auf Kritik. Nicht zuletzt Feministinnen, die im letzten Jahrhundert für die Gleichstellung gekämpft hatten, befürchten, dass die Sache der Frau in den Hintergrund gerät. Doch auch sie werden um das Thema kaum herumkommen, darauf weist das Bundesgericht in seiner Medienmitteilung zu seinem Entscheid hin: So weise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) darauf hin, dass die gesellschaftliche Entwicklung zu berücksichtigen sei und gesetzliche Massnahmen angesichts der Lage der Betroffenen ständig überprüft werden müssten.
(https://www.nzz.ch/schweiz/julian-p-muss-entweder-ein-mann-oder-eine-frau-sein-bundesgericht-zwingt-non-binaere-personen-sich-fuer-ein-geschlecht-zu-entscheiden-ld.1741599)
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Aufgeheizte Gender-Debatte – Zielscheibe trans Person: Wenn sexuelle Identität Hass provoziert
Trans Menschen werden diskriminiert. Eine non-binäre Person erzählt vom Kampf um einen Platz in der Gesellschaft.
https://www.srf.ch/news/gesellschaft/aufgeheizte-gender-debatte-zielscheibe-trans-person-wenn-sexuelle-identitaet-hass-provoziert
-> https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/aargau-haette-es-erlaubt-bundesgericht-ist-gegen-loeschung-des-geschlechtseintrags-151924819
+++RECHTSPOPULISMUS
Post zieht sich bei Anti-Putin-Installation zurück – weil Bundesrat Rösti eingriff
Die Stiftung Myclimate erregte in den vergangenen Tagen mit einer besonderen Werbeaktion am Zürcher Hauptbahnhof die Gemüter. Die Stiftung will mit einer Anti-Putin-Kampagne dafür werben, das Klimaschutzgesetz anzunehmen. So wurde vor einen Briefkasten ein Bildschirm mit Putins Kopf montiert. Wirft man dort einen Brief ein, startet eine Animation: Putin ringt nach Luft und läuft rot an. «Schweizer Strom statt Putin-Erdöl», so die Botschaft von Myclimate.
https://www.watson.ch/schweiz/russland/942750232-roesti-greift-ein-post-zieht-sich-bei-anti-putin-installation-zurueck
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/der-putin-bildschirm-steht-in-bern-aber-ohne-post-briefkasten-151927778?autoplay=true&mainAssetId=Asset:151927905
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/kontroverse-abstimmungs-aktion-151930894
+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechter Kulturkampf: Gewalt gegen LGBTIQ+
Auf offener Straße verprügelt, beleidigt, Hetze im Netz: die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen nimmt in Deutschland zu. Angeheizt wird diese Feindlichkeit auch in den Parlamenten, allen voran durch die AfD. Doch auch einige Politiker der Union übernehmen die extrem rechten Narrative. Narrative, die für queere Menschen zur Bedrohung werden können. Für Menschen, die ohnehin schon in Gefahr sind – in Deutschland, aber auch weltweit.
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/rechter-kulturkampf-100.html
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Corona-Skeptiker: Komiker und Massnahmenkritiker Marco Rima will in den Ständerat
Mit Marco Rima will ein prominenter Komiker in die Kleine Kammer gewählt werden. Das gab er am Donnerstag bekannt – und gesellt sich zu weiteren Massnahmenkritikern.
https://www.20min.ch/story/komiker-marco-rima-will-in-den-staenderat-647952630897?version=1686203392678
-> https://www.blick.ch/politik/kandidatur-fuer-staenderat-komiker-marco-rima-will-in-die-politik-id18647426.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/im-kanton-luzern-gibt-s-die-naechsten-tage-viel-musik-an-festivals?id=12400930
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/claude-longchamp-marco-rima-hat-sehr-kleine-chancen-auf-die-wahl-66514282
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/komiker-marco-rima-62-will-in-den-standerat-66514220
-> https://tv.telezueri.ch/news/marco-rima-will-in-den-staenderat-151931875
-> https://www.telem1.ch/aktuell/marco-rima-will-in-den-staenderat-151930341
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/marco-rima-will-in-den-staenderat-151930641
-> https://www.blick.ch/politik/rima-rimoldi-und-co-so-stehen-die-wahlchancen-der-corona-skeptiker-id18649848.html
-> https://www.derbund.ch/marco-rima-will-in-den-staenderat-politologe-gibt-ihm-kaum-chancen-991245532198
-> https://www.zentralplus.ch/news/marco-rima-will-in-den-staenderat-2552094/
-> https://www.20min.ch/story/staenderat-hegglin-sieht-marco-rima-als-konkurrent-auf-augenhoehe-688954956249
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Demo gegen Asylunterkunft: Kurzfristig erteilt Gemeinderat keine Bewilligung
Der Gemeinderat Möriken-Wildegg äussert sich in einer kurzen Mitteilung zur geplanten Kundgebung gegen die Asylunterkunft im Hotel Aarehof – und verurteilt die Organisation von illegalen Veranstaltungen auf dem Gemeindegebiet.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/lenzburg/wildegg-demo-gegen-asylunterkunft-kurzfristig-erteilt-gemeinderat-keine-bewilligung-ld.2469905
-> https://www.nau.ch/ort/lenzburg/wildegg-ag-trychler-wehren-sich-mit-demo-gegen-asylunterkunft-66514269
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/wildegg-demo-gegen-asylunterkunft-illegal?id=12400942
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aargauerzeitung.ch 08.06.2023
Wildegg: Demo gegen Asylunterkunft im «Aarehof» wird angekündigt – bewilligt ist aber keine
Die Gemeinde und die Kantonspolizei wissen zwar von einer möglichen Kundgebung gegen die Asylunterkunft im «Aarehof». Allerdings wurde bislang keine genehmigt.
Eva Wanner
Am kommenden Samstag, 10. Juni, findet auf dem Bahnhofplatz in Wildegg eine Demonstration statt. Bürger würden teilnehmen, ebenso Trychler. Das schreibt Michael Bürgisser in einer Gruppe von Basler Guggenmusiken. Für den «Umzug», wie er es nennt, würde er sich über die Teilnahme einer oder zweier Guggen freuen, schreibt er weiter. Auch ein Flyer mit dem Aufruf, sich an der Demo am Samstag zu beteiligen, macht die Runde.
Bürgisser, der aus Au (Veltheim) stammt, war es, der eine Petition gegen die Asylunterkunft im Hotel Aarehof lanciert hatte. Und der schon letzte Woche dazu aufgerufen hatte, sich am Tag der offenen Tür die neue Unterkunft anzusehen. Die befürchtete Demonstration fand letzten Samstag dann aber nicht statt.
Einzig die rechtsextreme Gruppierung Junge Tat gab ein Zwischenspiel; allerdings ein kurzes, die Polizei schritt ein. Dass die Sache noch nicht gegessen ist, liess sich aber erahnen. Die Stimmung war angespannt, zumindest bei einigen besonders skeptischen Teilnehmenden des Tags der offenen Tür. Die Verantwortlichen von Kanton und Gemeinde konnten sie nicht für die neue Asylunterkunft für bis zu 140 Einzelmänner gewinnen.
Kein Gesuch eingereicht worden
Kommt es nun doch noch so weit? Am Samstag, nur zwei Tage bevor die Asylunterkunft den Betrieb aufnehmen soll? Bei der Gemeinde heisst es dazu auf Anfrage, man habe Kenntnis davon, dass eine Kundgebung stattfinden soll. Aber: «Die Benützung von öffentlichen Grund ist durch den Gemeinderat bewilligungspflichtig. Für eine Kundgebung wäre deshalb ein entsprechendes Gesuch bei der Regionalpolizei Lenzburg einzureichen, damit eine Kundgebung ordentlich geprüft und anschliessend durch den Gemeinderat bewilligt werden könnte. Allerdings wurde nie ein Gesuch eingereicht.» Eine Bewilligung liegt also auch nicht vor.
Die Kantonspolizei bestätigt auf Anfrage ebenfalls, dass sie Kenntnis habe von einer möglichen Demonstration. Es werde aktuell eine Lagebeurteilung vorgenommen. «Davon wird dann abhängen, in welcher Art und Weise die Polizei präsent sein wird», heisst es weiter.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/lenzburg/wildegg-demo-gegen-asylunterkunft-im-aarehof-wird-angekuendigt-bewilligt-ist-aber-keine-ld.2469055)