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+++BERN
derbund.ch 05.06.2023
Kinder aus Berner Asylzentren: Die Odyssee einer 9-jährigen Kurdin durch das Asylwesen
Fachleute rieten davon ab, Kinder umzuplatzieren, als das Asylzentrum Biel schloss. Das Beispiel von Nalin zeigt, wie positiv ein stabiles Umfeld wirkt.
Sabin Gfeller
Im Garten hat Nalin Zwiebeln gepflanzt und Kiwis gepflückt. Dort spielt sie auch oft mit der Hauskatze. Nun sitzt die Neunjährige im Schneidersitz auf dem braunen Ledersofa in ihrem Wohnzimmer in einem ruhigen Bieler Quartier und erzählt, wie sie hier landete. Die Sicherheit, in der Schweiz bleiben zu dürfen, hat das kurdische Mädchen noch nicht lange.
Im Frühling 2022 lebte sie mit ihren Eltern und dem jüngeren Bruder Rabin noch in einer Kollektivunterkunft am Rand von Biel. Dann erfuhr die kurdisch-irakische Familie, dass sie ins Rückkehrzentrum Enggistein in Worb umziehen müsse – innert dreieinhalb Wochen. Der angekündigte Ortswechsel machte Nalin Angst, wie sie selbst sagt. Sie hätte das Schuljahr nicht in Biel beenden können und zog sich vermehrt zurück: «Manchmal habe ich in der Nacht geweint.»
Aber von vorne.
Die Ungewissheit
Ihre Eltern, die in diesem Artikel nicht namentlich genannt werden wollen, sind mit ihr aus dem kurdischen Teil des Irak wegen des Krieges geflohen, als Nalin einjährig war. Das sagt ihre Mutter, die auf einem Ledersessel sitzt, auf Kurdisch. Die Tochter übersetzt. Sie finde Deutsch mittlerweile einfacher als ihre «Mamasprache».
Angst und Stress prägten die acht Jahre, die sie in der Schweiz sind. Zwar wohnten sie in der Anfangsphase in einer kleinen Wohnung in Biel. In dieser Zeit konnte der Vater, gelernter Automechaniker, arbeiten.
Doch dann wurde das erste Asylgesuch abgelehnt. Der Vater hätte gerne weitergearbeitet, durfte jedoch nicht mehr. Er ging eine Zeit lang in eine Psychotherapie.
Die Eltern zogen mit Nalin und ihrem Bruder Rabin, der vor fünf Jahren auf die Welt kam und nun zusammengekauert auf dem Schoss seiner Mutter liegt, von einer Kollektivunterkunft zur nächsten. Darunter: Zollikofen, Aarwangen, Biel-Bözingen. «Wir wussten nie, was passiert», sagt die Mutter nun auf Deutsch. Sie hätten «immer negative, immer negative» Entscheide erhalten.
Kalte Spiegeleier
«In Bözingen hatte es von unserem Container zur Küche einen langen, dunklen Gang», sagt Nalin. Ihr Wohncontainer war der hinterste in der Reihe von rund sechs. «Wenn ich ein Spiegelei gekocht und es bis zu unserem Raum getragen habe, war es schon kalt.»
In der Asylunterkunft in Bözingen habe sie zwar «viel Platz zum Spielen» gehabt, sagt Nalin. Aber überall sei der Boden aus Asphalt gewesen. Wenn sie und die anderen Kinder «Fangis» oder «Versteckis» spielten und hinfielen, tat es «schon sehr weh», sagt die Neunjährige und kneift die Lippen zusammen.
Mit den anderen Kindern hatte sie es gut, manchmal stritten sie. Sie hatte «viele Freundinnen und Freunde». Während Nalin erzählt, knubbelt sie an ihrer Armkette, spielt mit der Fernbedienung oder ihren Haaren. Gleichzeitig ist ihre Stimme klar und ruhig, ihr Blick wach.
Als sie vor drei Jahren neu in die Schulklasse in Biel gekommen sei, habe sie sich anfangs häufig zurückgezogen, sei still und introvertiert gewesen. Deshalb erhielt sie Betreuung von der Heilpädagogin Christine Herren.
Herren ist bei diesem Treffen auch dabei, sitzt auf dem anderen Ledersofa und sagt: «Nalin trug eine tiefe Trauer mit sich.» Die Neunjährige daraufhin: «Wenn meine Eltern weinen, weine ich auch.» Ausserdem sei Nalin in der Schule oft müde gewesen, weil sie in Bözingen schlecht geschlafen habe, sagt Herren. Die Mutter bestätigt: «Wir hatten viel Stress.»
Die Hausaufgaben musste Nalin im Containerdorf im selben Raum erledigen, wo ihr kleiner Bruder oft schrie. «Er war immer sehr wild.» Die Heilpädagogin sagt: «Trotz dieser schwierigen Umstände hat sich Nalin in der Schule immer mehr geöffnet.»
Der Rückschlag
Im Frühling 2022 drohte Nalin aber wieder aus der Umgebung gerissen zu werden, in der sie sich Schritt für Schritt zurechtgefunden hatte. Die Stadt hatte schon Ende 2021 entschieden, das Rückkehrzentrum in Biel Ende Juli 2022 zu schliessen.
Mitte März 2022 betonte Regierungsrat Philippe Müller (FDP) zwar noch, dass «ein Schulwechsel im laufenden Schuljahr wann immer möglich vermieden werden» soll. Das stand in der Antwort auf einen Brief, in dem der Verein Alle Menschen – Tous les êtres humains sich gegen einen Umzug der Familien aus dem Rückkehrzentrum Biel-Bözingen aussprach. Der Verein setzt sich für abgewiesene Asylsuchende ein.
Doch eine Woche später teilte die ORS Service AG, die Betreiberin des Rückkehrzentrums, Nalins Eltern und zwei weiteren Familien unmissverständlich mit: «Sie werden am 11. April 2022 in das Zentrum von Enggistein umziehen.» An ihrer Stelle sollten laut Kanton ukrainische Geflüchtete in Biel-Bözingen untergebracht werden.
Die Heilpädagogin, die damals bereits in engem Kontakt mit der Familie stand, beschreibt den vorgezogenen Ortswechsel als «Schock für die ganze Familie».
Die Fachleute
Fachleute rieten davon ab, Nalin und andere Kinder umzuplatzieren – für Deutschsprachige war Enggistein, für Französischsprachige Bellelay im Berner Jura vorgesehen. Das sagt Rudolf Albonico, Mitbegründer des Vereins Alle Menschen, der die Familien, die im Rückkehrzentrum Biel-Bözingen wohnten, kennt. Stattdessen sollte eine Alternative in Biel gefunden werden, um die Kinder nicht aus dem vertrauten Umfeld zu reissen.
Die Heilpädagogin und die Klassenlehrerin warnten davor, dass ein Umzug Nalin erneut psychisch belasten könne. Nicht nur bei ihr rieten Fachleute vom Umzug ab: Albonico erzählt von einem Mädchen mit Epilepsie. Der behandelnde Kinderarzt in Biel habe davor gewarnt, dieses nach Enggistein umzuplatzieren. Der Grund: Die Distanz zum nächsten Spital in Bern sei grösser, die Zufahrt für die Ambulanz zum abgelegenen Gutshof schwieriger. Trotzdem ist das Mädchen nun in Enggistein.
Albonico sagt es deutlich: «Kinder sind das Handgepäck ihrer Eltern.» Die Behörden würden jeweils über das Schicksal der Eltern entscheiden, ohne hinreichend zu prüfen, wie sich dies auf die Kinder auswirke. Doch er findet: «Das Kindeswohl sollte ‹vorrangig› berücksichtigt werden, wie das die UNO-Kinderrechtskonvention verlangt.» Diese trat in der Schweiz 1997 in Kraft.
Im Gegensatz zu Albonico findet das kantonale Amt für Bevölkerungsdienste (ABEV) gemäss Sprecher Hannes Schade: Den Bedürfnissen der Kinder werde in den Rückkehrzentren, in denen ausschliesslich Familien und alleinstehende Frauen untergebracht sind, «umfassend Rechnung getragen». In Enggistein seien die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass man den Bedürfnissen des Mädchens mit Epilepsie sowohl im Alltag als auch in einem medizinischen Notfall gerecht werden könne.
Einsatz der Heilpädagogin
Weil das Rückkehrzentrum geschlossen wurde, bot eine private Unterkunft die einzige Möglichkeit, damit Nalins Familie im Raum Biel bleiben konnte. Nach einigem Hin-und-her-Überlegen bot die Heilpädagogin der Familie an, in ihrem Haus zu wohnen.
Die Heilpädagogin ging mit der Familie zum kantonalen Migrationsdienst in Bern – drei Tage vor dem geplanten Umzug. Dort setzte sie sich dafür ein, dass Nalin nicht die Schule wechseln muss und stattdessen in Biel bleiben kann. Direkt vor Ort erhielt die Familie die Bewilligung, dass sie ins Haus von Christine Herren ziehen konnte.
Rund zehn französischsprachige Kinder konnten laut dem Verein Alle Menschen das Schuljahr in Biel beenden, sie wurden erst im Sommer 2022 nach Bellelay umplatziert. Sechs deutschsprachige Kinder seien bereits im Frühling nach Enggistein gezogen.
Streng geregelt
Neben Nalins Familie wurde zudem einer anderen Familie aus dem Rückkehrzentrum Biel-Bözingen die private Unterkunft erlaubt, teilt Hannes Schade vom ABEV mit. Auf die Regelmässigkeit der Umplatzierungen habe das ABEV in der Regel keinen Einfluss: Solche würden nur stattfinden, wenn Zentren geschlossen würden.
Warum werden Familien nicht öfter privat untergebracht? Schade weist darauf hin, dass die Nothilfeleistungen für abgewiesene Asylsuchende die Unterbringung in einer Kollektivunterkunft umfassten. Somit bestehe «kein grundsätzlicher Anspruch auf Privatunterbringung von Familien mit Kindern». Solche Anträge prüfe das ABEV nach «klar definierten, strengen Voraussetzungen». Im Vordergrund stehe dabei jeweils «die bestenfalls freiwillige Ausreise der betroffenen Personen aus der Schweiz und nicht deren dauerhafte Unterbringung».
Nach dem Einzug am neuen Ort hat Rabin aufgehört, so oft zu schreien, sagt Christine Herren. Auch seine Wutanfälle wurden seltener. Dank der Ruhe «könne sie nun besser ihre Hausaufgaben machen», sagt Nalin. Denn hier hat sie auch ein eigenes Zimmer.
Ende Januar hat die Familie den B-Ausweis erhalten, also eine langfristige Aufenthaltsbewilligung: Ihr Härtefallgesuch wurde bewilligt. Seither geht es den Eltern besser, auch wenn sie es zu Beginn nicht glauben konnten. Das wirkt sich auf Nalin aus: «Wenn es ihnen besser geht, geht es mir auch besser», sagt die Neunjährige.
Wenn sie nun im Garten mit der Hauskatze spielt, kann sie auch beobachten, was neu gewachsen ist.
(https://www.derbund.ch/die-odyssee-einer-9-jaehrigen-kurdin-durch-das-asylwesen-363617736718)
+++SCHWEIZ
Bund, Kantone, Städte und Gemeinden bereiten sich gemeinsam auf hohe Zahlen im Asylbereich vor
Der Antrag des Bundesrates, 132,9 Millionen Franken für die Schaffung zusätzlicher temporärer Unterkünfte im Asylbereich bereitzustellen, ist im Parlament umstritten. Die Vertreterinnen des Bundes, der Kantone, Städte und Gemeinden im Sonderstab Asyl (SONAS) weisen darauf hin, dass die Unterbringung der Asylsuchenden ab Herbst ohne diese Unterkünfte sehr schwierig werden dürfte. Sollte die Suche nach anderen zusätzlichen Unterkünften keinen Erfolg zeigen, so könnte der Bund seine Aufgaben im Verbundwesen Asyl nicht mehr vollumfänglich erfüllen. In diesem Fall droht erneut eine vorzeitige Zuweisung der Asylsuchenden durch den Bund an die Kantone, Städte und Gemeinden. Dies gilt es laut SONAS zu verhindern.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-95560.html
Sonderstab Asyl bekräftigt Bedarf für mehr temporäre Asylplätze
Die Räte streiten über einen Nachtragskredit von 132,9 Millionen Franken für bis zu 3000 zusätzliche Asylplätze des Bundes in Containern. Der Sonderstab Asyl (Sonas) schaltet sich in die Diskussion ein und bekräftigt, dass ohne diese Plätze die Unterbringung von Asylsuchenden schwierig werden könnte.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230605122317163194158159038_bsd058.aspx
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sonderstab-asyl-bekraftigt-bedarf-fur-mehr-temporare-asylplatze-66511485
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/sem-wohnraum-fuer-asylsuchende-steht-auf-der-kippe?urn=urn:srf:video:5ad885fa-63c5-42ae-8d63-d3adf1df3882
-> https://www.20min.ch/story/elisabeth-baume-schneider-warnt-politiker-vor-asylchaos-459793451045?version=1685976867408
Armee warnt Ständerat: Keine RS wegen Asyl-Ansturm?
Der Ständerat will keine Containerdörfer für Asylsuchende. Doch die Armee warnt: Das könnte zur Folge haben, dass man wegen Platzmangels die Rekrutenschule aussetzen müsste.
https://www.blick.ch/politik/armee-warnt-staenderat-keine-rs-wegen-asyl-ansturm-id18638195.html
-> https://www.derbund.ch/armee-bangt-um-die-rekrutenschulen-363694834103
-> https://www.blick.ch/politik/kompromiss-zeichnet-sich-ab-sagt-der-staenderat-nun-doch-ja-zu-asyl-containern-id18640452.html
Ständerat will abgewiesene Eritreer in Drittland rückführen
In der Schweiz abgewiesene Asylbewerber und Asylbewerberinnen aus Eritrea sollen in ein Drittland ausreisen müssen. Das verlangt der Ständerat.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230605193406984194158159038_bsd130.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230605190327318194158159038_bsd125.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230605184015523194158159038_bsd122.aspx
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/standerat-will-abgewiesene-eritreer-in-drittland-ruckfuhren-66511859
-> https://www.blick.ch/politik/staenderat-fordert-ein-asyl-pilotprojekt-staenderat-will-abgewiesene-eritreer-nach-ruanda-ausweisen-id18640309.html
+++DEUTSCHLAND
EU-AsylpläneAuch Habeck will Familien mit Kindern von Verfahren an den Außengrenzen ausnehmen
Bundeswirtschaftsminister Habeck bekräftigt Forderungen aus seiner Partei, Minderjährige von den angestrebten Vorprüfungen von Asylanträgen an den EU-Außengrenzen auszunehmen.
https://www.deutschlandfunk.de/auch-habeck-will-familien-mit-kindern-von-verfahren-an-den-aussengrenzen-ausnehmen-102.html
+++GROSSBRITANNIEN
Migration: Großbritannien will weitere Einwanderer auf Schiffen unterbringen
Migranten werden in Großbritannien teils auf Lastkähnen untergebracht. Trotz Kritik an dieser Praxis will Premierminister Rishi Sunak nun zwei weitere Schiffe anschaffen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-06/grossbritannien-migranten-schiffe-lastkaehne
-> https://www.watson.ch/international/grossbritannien/650940195-auf-diesen-schiffen-will-grossbritannien-migranten-unterbringen
+++ITALIEN
Hoffnung auf Hilfe aus Deutschland: Italien setzt Rettungsschiffe fest
Italiens postfaschistische Regierung führt ihren rigorosen Kurs gegen die Seenotrettung fort. Zwei Schiffe von deutschen NGOs dürfen nicht auslaufen.
https://taz.de/Hoffnung-auf-Hilfe-aus-Deutschland/!5938428/
-> https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/seenortretter-von-sea-eye-rufen-annalena-baerbock-um-hilfe-jetzt-reagiert-das-auswaertige-amt-li.355739
+++EUROPA
Als Paul über das Meer kam – Tagebuch einer Begegnung
Paul ist ein Migrant aus Kamerun. Im Flüchtlingscamp im Norden Marokkos lernt er Filmemacher Jakob Preuss kennen, der ihn über Spanien und Frankreich bis nach Berlin begleitet.
https://www.zdf.de/filme/das-kleine-fernsehspiel/als-paul-ueber-das-meer-kam—tagebuch-einer-begegnung-100.html
+++SYRIEN
Syrien: Was Assads «Rehabilitierung» für Geflüchtete bedeutet – Echo der Zeit
Über 5,5 Millionen Syrerinnen und Syrer sind in den letzten Jahren ins Ausland geflohen. Die meisten in die Nachbarländer Türkei, Jordanien und Libanon. Nach der Rückkehr des syrischen Präsidenten Assad auf das politische Parkett und der Wiederaufnahme des Landes in die Arabische Liga, drängen die Türkei und der Libanon darauf, dass die Flüchtlinge zurück nach Syrien gehen. Was heisst es für sie, wenn Assad nun rehabilitiert wird? Gespräch mit Bente Scheller von der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/syrien-was-assads-rehabilitierung-fuer-gefluechtete-bedeutet?partId=12398710
+++FREIRÄUME
Communiqué Besetzung Jurastrasse 14 Lorraine Bern
In der Nacht von Sonntag auf Montag haben wir die Jurastrasse 14 besetzt.
https://barrikade.info/article/5985
-> https://twitter.com/ag_bern/status/1665610695918907393
+++GASSE/SOZIALES
Der Städtevergleich: Wie Bern und Basel völlig anders mit Bettelnden umgehen
In den Städten Bern und Basel sorgen Bettler aus Osteuropa für Diskussionen. Die Behörden verfolgen ganz andere Strategien. Das sind die Unterschiede.
https://www.derbund.ch/wie-bern-und-basel-voellig-anders-mit-bettelnden-umgehen-716927121841
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Liberté pour Jérémy* et pour touxtes les détenuexs : retour sur la manifestation du 2 juin
Avec l’affaire de Jérémy*, le ministère public genevois s’est donné pour mission de nous faire peur et de nous diviser. Mais c’est peine perdue. On l’a démontré une fois de plus dans la rue ce vendredi 2 juin.
https://renverse.co/infos-locales/article/liberte-pour-jeremy-et-pour-touxtes-les-detenuexs-retour-sur-la-manifestation-4051
Après la manifestation le procès
Compte rendu de la manifestation pour Mike du samedi 3 juin et annonce du suivi du procès de ses assassins.
Environ 600 personnes se sont réuni.e.x.s pour Mike se samedi 3 juin, pour lui rendre hommage et demander justice et vérité. Pendant les trois jours du procès des policiers qui l’ont assassiné, du 12 au 14 juin, une permanence sera tenue dès 17h00 à Lausanne (rue des côtes de montbenon 11) avec infokiosque, restitution de la journée au tribunal et repas.
https://renverse.co/infos-locales/article/apres-la-manifestation-le-proces-4049
Ständerat will 1000-Franken-Busse für verbotene Gesichtsverhüllung
(sda) Der Ständerat hat am Montag als Erstrat dem Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot zugestimmt. Wer an öffentlich zugänglichen Orten das Gesicht unkenntlich macht, kann mit maximal 1000 Franken gebüsst werden. Ausnahmen sind möglich.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230605183711580194158159038_bsd121.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230605180603419194158159038_bsd117.aspx
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/das-verbotene-verhuellen-eines-gesichts-soll-bald-mit-1000-franken-gebuesst-werden-151871085
-> https://www.blick.ch/politik/es-gibt-aber-ausnahmen-staenderat-will-1000-franken-busse-fuer-verbotene-gesichtsverhuellung-id18640217.html
Solidarity banner for the anarchist hunger striker Giannis Michailidis
IMMEDIATE RELEASE OF THE ANARCHIST COMRADE GIANNIS MICHAILIDIS
On Saturday night as a minimum solidarity action we hung a banner for the anarchist Giannis Michailidis who has been on hunger strike since 12.05 fighting for his freedom.
https://barrikade.info/article/5988
+++REPRESSION DE
DEMOS LEIPZIG/PROZESSANTIFAOSTLINAE
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173744.innenpolitik-lina-e-demo-elf-stunden-im-polizeikessel.html
-> https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/proteste-wegen-lina-e-tag-x-in-leipzig-und-hamburg-spiegel-tv-a-50758757-73c3-4a92-8e2f-c6c101140dfa?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss
-> https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/leipzig-krawalle-tag-x-106.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173702.proteste-in-leipzig-abgeordnete-juliane-nagel-im-schwitzkasten-der-berliner-polizei.html
-> https://taz.de/Kritik-an-Polizeieinsatz-in-Leipzig/!5936024/
-> https://www.jungewelt.de/artikel/452165.kesseltreiben-in-leipzig-ich-erwarte-mir-mehr-differenzierung.html
-> https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/demos-ausschreitungen-tagx-polizeieinsatz-linke-streit-100.html
Nach dem Urteil gegen Lina E.: Neue Diskussion um linke Gewalt
Das Urteil gegen die mutmaßlich linksextreme Lina E. und die darauf folgenden Ausschreitungen in Leipzig werfen ein Schlaglicht auf die Gewalt von links: Wird sie unterschätzt? Und wie lässt sie sich mit der Gewalt von Rechtsextremen vergleichen?
https://www.deutschlandfunk.de/kontrovers-5-6-23-linke-gewalt-in-deutschland-wie-gross-ist-die-gefahr-dlf-1a1c10e1-100.html
+++SPORT
Bern: Vereinzelte Zwischenfälle anlässlich Cupfinal
Der Cupfinal vom Sonntag in Bern ist aus polizeilicher Sicht bis auf einzelne Zwischenfälle ruhig verlaufen. Bei der Ankunft der beiden Fangruppierungen wurden diverse Pyrotechnika gezündet. Nach dem Spiel kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Fangruppierungen sowie zu Sachbeschädigungen.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=ff04f87e-c92a-47ee-b107-9ad1319216db
-> https://www.nau.ch/ort/bern/bern-polizei-muss-reizstoff-zum-cupfinal-einsetzen-66511536
-> https://www.derbund.ch/diverse-pyros-und-eine-auseinandersetzung-zwischen-fans-822594920826
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/210603/
+++BIG BROTHER
nzz.ch 05.06.2023
Möchten Sie, dass die Polizei Ihre Whatsapp-Chats und Handy-Fotos jederzeit kontrollieren darf? Erstmals in der Schweiz wird genau das geplant
Bei Polizei- und Strafverfolgungsbehörden wächst das Bedürfnis, auch ohne konkreten Tatverdacht in die Privatsphäre einzudringen. Der Kanton Thurgau will dabei besonders weit gehen. Juristen befürchten, das könnte die Arbeit der Ermittler sogar erschweren.
Daniel Gerny
Es ist ein warmer Spätsommerabend, als vier uniformierte Polizistinnen und Polizisten sämtliche Passanten in der Zürcherstrasse in Frauenfeld auffordern, ihre Handys zu entriegeln und vorzuzeigen. Die Beamten interessieren sich vor allem für Whatsapp-Chats, Telegram-Nachrichten und Anruflisten. Grund für die Kontrollen sind radikale Online-Aufrufe zu einer Demonstration in der Innenstadt, nachdem die harte Bestrafung einer Klimaaktivistin durch ein Thurgauer Gericht in der ganzen Schweiz für Empörung gesorgt hat.
Die Polizei will deshalb Randalierer möglichst früh aufspüren und aus dem Verkehr ziehen – noch bevor die ersten Schaufensterscheiben in Bruch gehen. Die meisten Frauenfelder sind kooperativ und zeigen ihre Handys anstandslos. Sie sind solche Polizeiaktionen längst gewohnt. Nur vereinzelt werden die Beamten in lästige Privatsphären-Debatten verwickelt.
An Schwammigkeit kaum zu überbieten
Diese Szenen sind frei erfunden – und dennoch von der Wirklichkeit nicht allzu weit entfernt. Im Mai hat das Thurgauer Parlament ein Polizeigesetz beraten, das es der Polizei praktisch schrankenlos erlauben soll, elektronische Geräte einzusehen. Und dies, bevor überhaupt ein Delikt begangen worden ist oder ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Es handelt sich sozusagen um eine Überwachungsmassnahme auf Vorrat.
Einzige Bedingungen für die Polizei sind, dass der Handybesitzer bei der Sichtung dabei ist und die Durchsuchung der Gefahrenabwehr oder der Erkennung von Vergehen und Verbrechen dient – eine an Schwammigkeit kaum zu überbietende Einschränkung. Ein derart weit gehender Eingriff in die Privatsphäre zu rein präventivpolizeilichen Zwecken galt in der Schweiz bisher als Tabu. Einzig das Polizeigesetz des Kantons Bern kennt eine ähnliche, wenn auch deutlich enger gefasste Bestimmung.
Eine Mehrheit des Thurgauer Parlamentes nahm den Vorschlag, der ursprünglich von der Sicherheitsdirektorin Cornelia Komposch (SP) initiiert worden war, Anfang Mai jedoch unbekümmert an. Während viele Menschen ihr Smartphone nicht einmal dem Partner oder der Partnerin anvertrauen, hat die Mehrheit des Thurgauer Parlamentes keine Mühe mit dem Gedanken, dass ein fremder Beamter Mails und Anruflisten durchforstet.
Ist es so schlimm, wenn die Polizei Fotos sichtet?
«Ist es denn so schlimm, wenn die Polizei nachschaut, mit wem ich als Letztes telefoniert oder was ich als Letztes fotografiert habe?», fragte ein Mitte-Politiker während der Debatte, eine Bemerkung, die das Argumentationsmuster im Rat ziemlich treffend wiedergibt. Der damit verbundene Eingriff in die Privatsphäre wurde zwar thematisiert, doch diesbezügliche Bedenken wurden als Misstrauensvotum gegenüber der Polizei abgetan. Am Ende kam Widerstand praktisch nur von links und von der FDP.
Handys, Tablets und Computer sind für die Polizei von unschätzbarem Wert: Hier finden sich massenweise Informationen, die zur Aufklärung von Verbrechen oder zu deren Verhinderung beitragen können. Der Wunsch von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden, die digitale Kommunikation auswerten zu können, ist deshalb verständlich. Das neue Thurgauer Polizeigesetz ist ein Beispiel dafür – allerdings keineswegs das einzige.
In der Strafverfolgung ist es schon lange normal, Handys oder Computer zu untersuchen. Ohne diese Möglichkeit wäre es in vielen Fällen gar nicht möglich, Verbrechen aufzudecken und zu klären. Doch weil damit ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre verbunden ist, knüpft die eidgenössische Strafprozessordnung diese Zwangsmassnahme an strenge Voraussetzungen.
So werden die Möglichkeiten der Ermittler beschränkt. Bis heute ist aus diesem Grund beispielsweise offen, ob verdächtige Mails, die während der Pandemie zwischen einem früheren Berater von Alain Berset und dem Ringier CEO-Marc Walder hin- und hergeschickt wurden, von den Ermittlern ausgewertet werden dürfen. Im Moment sind die Geräte versiegelt.
Schweiz könnte von EU-Plänen betroffen sein
Heikel wird es vor allem dann, wenn Geräte präventivpolizeilich durchsucht werden dürfen – also ohne konkreten Verdacht und mit dem Ziel, allfällige Straftaten zu verhindern. Doch auch hier nimmt die Bereitschaft zu, in die Privatsphäre einzudringen. So hat die EU-Kommission vor einem Jahr ein Gesetzesprojekt für eine sogenannte Chat-Kontrolle lanciert. Private Nachrichten sollen in der EU künftig auf Inhalte gescannt werden können, um Fälle von Kindsmissbrauch und Kinderpornografie aufzuspüren.
Die Pläne sorgten in den EU-Ländern für Widerspruch und in der Schweiz für Irritationen. Die Zürcher GLP-Nationalrätin Judith Bellaiche verlangt in einer Motion, der Bundesrat müsse die Einwohner der Schweiz vor solcher Überwachung schützen. Sie befürchtet, dass der elektronische Verkehr unbescholtener Menschen bald rund um die Uhr durchforstet werden kann. Das verletze jedoch, sagt sie, die Privatsphäre und widerspreche der Bundesverfassung und der Menschenrechtskommission.
Adrian Lobsiger, eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, teilt die Befürchtungen: Er gehe davon aus, dass die Kommunikation von Kunden privater Messenger-Anbieter «während einer Phase von mehreren Monaten flächendeckend überwacht» würde, sagte er kürzlich der «NZZ am Sonntag». Auch Einwohner der Schweiz könnten davon betroffen sein. Allerdings sind die Einzelheiten des EU-Vorhabens noch nicht bekannt. Noch in dieser Session wird Bellaiches Motion im Nationalrat behandelt.
Ein verheerendes Gutachten
Die Pläne der EU und die des Kantons Thurgau sind nicht identisch. Gemeinsam ist ihnen indessen die Absicht, die Gesetze so zu lockern, dass Ermittler unabhängig von einem konkreten Tatverdacht digitale Kommunikationskanäle auswerten können. Auch die Kritik kommt in beiden Fällen aus derselben Ecke: einerseits von links, andererseits von den Liberalen. Die Chat-Kontrolle habe in einem Rechtsstaat nichts zu suchen, twitterte kürzlich der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP).
Auch im Kanton Thurgau ist es die FDP, die die Opposition anführt. Nach dem Parlamentsbeschluss von Anfang Mai gab sie ein juristisches Gutachten in Auftrag, an dem sich auch die bekannte Zürcher Staatsrechtsprofessorin Regina Kiener als Mitautorin beteiligte. Es kommt zum Schluss, dass die vom Thurgauer Parlament verabschiedete Bestimmung in der jetzigen Fassung «nicht mit der Verfassung zu vereinbaren» sei.
Die Autoren gehen sogar noch einen Schritt weiter: Das Gesetz sei möglicherweise kontraproduktiv für die Polizeiarbeit. Dies weil die Vorgaben im geplanten Gesetz viel weniger streng seien als jene in der eidgenössischen Strafprozessordnung. Aus diesem Grund könnten Beweise, die die Polizei gestützt auf das neue Thurgauer Gesetz erhebe, in einem späteren Strafprozess wertlos werden, schreiben die Studienautoren.
Das Gutachten stellt dem Gesetzesentwurf ein so verheerendes Zeugnis aus, dass die Gegenseite noch auf ein Scheitern hofft: In dieser Woche behandelt das Thurgauer Parlament die umstrittene Vorlage in zweiter Lesung.
(https://www.nzz.ch/schweiz/moechten-sie-dass-die-polizei-ihre-whatsapp-chats-und-handy-fotos-jederzeit-kontrollieren-darf-ein-erster-kanton-plant-genau-dies-in-einem-neuen-gesetz-ld.1740295)
-> https://www.inside-it.ch/thurgauer-polizei-soll-handys-kontrollieren-duerfen-20230605
+++POLIZEI BS
(FB3 Rosen gegen Grenzen)
Rassistische Polizeigewalt in Basel 2023
Schläge ins Gesicht. In den Bauch. Würgegriffe.
An Menschen in Handschellen.
Ein Artikel über zunehmende rassistische Staatsgewalt und ihre Systematik #Polizeiproblem
„Er hat mir Handschellen hinter dem Rücken angelegt und sie sehr eng zugezogen. Dann hat er mich ins Auto gebracht. Sobald wir im Auto waren, hat er mich in einen Würgegriff genommen und lange Sekunden gewürgt.“
Wir wissen von min. 4 Menschen, welche 2023 von der Polizei in Basel zusammengeschlagen wurden. Wir haben Fotos, Erfahrungs- und Arztberichte. Einen Teil veröffentlichen wir hiermit anonym, die Originale liegen uns vor. Strafanzeigen gegen einen Polizisten wurden eingereicht.
Betroffene berichten von Polizeieinheiten, die ungehemmte Gewalt an People of Colour ausleben und sich für unantastbar halten. Insbesondere ein Polizist tut sich besonders hervor.
„Ich habe gefragt, warum er das tut, worauf er antwortete, dass er es tut, weil er es kann.“
Dies ist kein Einzelfall, ganze Einheiten sind beteiligt oder schauen zumindest weg (bzw. zu).
„Die anderen beiden standen daneben und haben alles gesehen.“
Gedeckt werden sie von einer Polizeiführung mit Eymann und Roth, die hinter der ganzen Gewalt ihres „Korps“ steht.
Es überrascht nicht, dass sich einzelne Einheiten in diesem Klima wohlfühlen, gefesselte Menschen auf den Posten und in den Autos zu verprügeln. Ihnen wird von oben vermittelt: Ihr habt nichts zu befürchten, wir stehen hinter euch.
Wir haben vermehrt über Gewalt gegen politische Bewegungen berichtet. Die Staatsgewalt trifft rassifizierte und illegalisierte Menschen auf einer alltäglichen Ebene umso mehr. Häufig ist keine Öffentlichkeit anwesend, um zu dokumentieren oder sich zumindest empört.
Häufig heisst es in solchen Fällen:
#Einzelfall
Doch:
Rassistische Gewaltanwendung ist Alltag in der Polizei.
(https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=pfbid0Hz29u1RYxqGn1FdXZpmmkpijXY79tEkLH8KU1uATuVourLfi2SXohTxFRB4xQB89l&id=100063625713191)
+++FRAUEN/QUEER
LGBTIQ+ im Baselbiet: Keine Anlaufstelle für queere Menschen, aber «Teilerfolg» für die SP
Die Regierung möchte bei LGBTIQ-Anliegen «vorderhand ohne zusätzliche Ressourcen auskommen». Landrätin Miriam Locher (SP) ist dennoch nicht gänzlich unzufrieden.
https://www.bazonline.ch/keine-anlaufstelle-fuer-queere-menschen-aber-teilerfolg-fuer-die-sp-773922792390
Lehrer ist auch Dragqueen – und kontert Kritikern mit Witz
Drag, Gender, Schulen: Im Verbund bringt das konservative Köpfe zum Glühen. Michel von Känel, Lehrer und Dragqueen, hält Aufklärung diesbezüglich für wichtig.
https://www.nau.ch/news/schweiz/lehrer-ist-auch-dragqueen-und-kontert-kritikern-mit-witz-66511297
Queer altern – Trans oder schwul im Altersheim? Das sind die Schwierigkeiten
Oft haben sie keine Kinder: Für queere Leute kann das Altern schwierig sein. Jetzt will ein Verein Gegensteuer geben.
https://www.srf.ch/news/schweiz/queer-altern-trans-oder-schwul-im-altersheim-das-sind-die-schwierigkeiten
+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Faschistisch*innen und Erfolge, Verschleppen und Retten, Kämpfe und Aufarbeitung
https://antira.org/2023/06/05/faschistischinnen-und-erfolge-verschleppen-und-retten-kaempfe-und-aufarbeitung/
Rassismus bei einer Schiessübung der Armee? Das sagt das Departement von Bundesrätin Amherd
Bei einer Armeeübung kommt eine Kartonzielscheibe zum Einsatz. Eine Nationalrätin erkennt darin einen Mann aus dem Maghreb und wittert einen Fall von Rassismus. Jetzt nimmt das Departement von Bundesrätin Viola Amherd Stellung.
https://ajour.ch/de/story/95907/rassismus-bei-einer-schiess%C3%BCbung-der-armee-das-sagt-das-departement-von-bundesr%C3%A4tin-amherd
+++RECHTSPOPULISMUS
Interpellation Fraktion SVP (Alexander Feuz/Kurt Rüegsegger/Thomas Glauser): Videoüberwachung in dr Stadt Bern. Wie weiter? Videoüberwachung bei Velodiebstählen (Eigentumsdelikte?) in Veloeinstellhallen keine Videoüberwachung bei Reithalle (Delikte gegen Leib und Leben und sexuelle Integrität) (PDF, 123.4 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-5-juni-2023/interpellation-fraktion-svp-videouberwachung-in.pdf/download
Interpellation SVP: Sozialhilfeähnliche Unterstützungsangebote für Ausländerinnen und Ausländer zulasten der Zentrumslasten?
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=ecd59775a347485eaf2c1455381b73b2
«Zu extrem» – bürgerliche Frauen wenden sich vom Frauenstreik ab
Am 14. Juni steigt der Frauenstreik. Doch längst nicht alle freuen sich darauf. Bürgerliche Frauen monieren, dass der Event «extrem» und «zu schrill» geworden sei und nur noch linke Themen beackert würden.
https://www.20min.ch/story/zu-extrem-buergerliche-frauen-wenden-sich-vom-frauenstreik-ab-298300934401?version=1685939540438
Streik am 14. Juni : «Missbrauch des Bundesplatzes» – Extrabewilligung für Frauen sorgt für rote Köpfe
Am 14. Juni dürfen Frauen den Bundesplatz in Beschlag nehmen, obwohl National- und Ständerat tagen. Die SVP ist empört. Der Berner Sicherheitsdirektor beschwichtigt: Der Frauenstreik müsse «ruhig bleiben».
https://www.20min.ch/story/vergewaltigung-des-bundesplatzes-frauen-extrawurst-sorgt-fuer-rote-koepfe-801947515949
+++RECHTSEXTREMISMUS
Auftritt im Dynamo Zürich: Stadt sagt Konzert von ukrainischem Sänger ab
Am Montagabend hätte Artem Piwowarow im Zürcher Dynamo auftreten sollen. Doch wegen anonymer Hinweise auf seine Nähe zu Faschisten hat die Stadt reagiert.
https://www.tagesanzeiger.ch/stadt-sagt-konzert-von-ukrainischem-saenger-ab-627861698542
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/zuerichschlieren-auch-der-salmen-in-schlieren-sagt-das-konzert-des-ukrainischen-musikers-artem-pivovarov-ab-ld.2468250
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/stadt-zurich-sagt-konzert-von-ukraine-star-ab-66511389
-> https://www.dynamo.ch/event/artem-pivovarov-aus-der-ukraine-%E2%80%93-abgesagt
-> https://tv.telezueri.ch/news/stadt-zuerich-sagt-kurzfristig-konzert-eines-ukrainischen-musikers-ab-151872125
Auch der «Salmen» in Schlieren sagt das Konzert des ukrainischen Musikers Artem Pivovarov ab
Dem ukrainischen Musiker Artem Pivovarov werden Kontakte zu Rechtsradikalen nachgesagt. Nachdem er im Zürcher «Dynamo» ausgeladen wurde, wollte er in Schlieren auftreten – doch auch dort ist er nun nicht mehr willkommen.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/zuerichschlieren-auch-der-salmen-in-schlieren-sagt-das-konzert-des-ukrainischen-musikers-artem-pivovarov-ab-ld.2468250
-> https://www.tagesanzeiger.ch/der-ukrainische-saenger-will-nun-in-schlieren-auftreten-807024918473
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/auch-der-salmen-in-schlieren-sagt-das-konzert-des-ukrainischen-musikers-ab-151868769
-> https://www.20min.ch/story/nach-dynamo-rauswurf-ukrainischer-saenger-will-trotzdem-in-zuerich-auftreten-122206586631
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nzz.ch 05.06.2023
«Wer eine solche Fahne hält, ist noch lange kein Faschist.» Ukrainer sind empört, dass die Stadt Zürich das Konzert von Artem Piwowarow abgesagt hat
Die Stadt bezichtigte den ukrainischen Sänger, Rechtsextremen nahezustehen. Dann schlägt sie plötzlich andere Töne an.
Jan Hudec
Artem Piwowarow ist in seiner Heimat ein Star. Die Lieder des ukrainischen Pop-Sängers werden auf Youtube millionenfach angeklickt. Derzeit befindet sich der 31-Jährige auf einer Europatournee, die ihn durch Portugal, Spanien, Frankreich und Polen führt. Am Montag hätte er in der Schweiz haltmachen sollen, und zwar im Jugendkulturhaus Dynamo in Zürich.
Doch daraus wird nun nichts. Die Stadt, der das Lokal gehört, hat den Auftritt kurzfristig abgesagt. Dies bestätigt Julia Köpfli, Sprecherin der Sozialen Dienste der Stadt, auf Anfrage der NZZ. «Wir sind besorgt, dass das Konzert eine stark polarisierende Wirkung haben könnte», schreibt sie in einer Stellungnahme.
Auslöser war ein anonymer Hinweis, der bei der Stadt einging. In dem Schreiben, das der NZZ vorliegt, wird davor gewarnt, dass Piwowarow «faschistischen Dreck» verbreite.
Belegt wird dies mit Bildern und Posts von der Facebook-Seite des Künstlers. Diese zeigen ihn, wie er offenbar ukrainische Soldaten besucht. Auf einem der Bilder hält der Sänger neben der ukrainischen auch eine rot-schwarze Flagge (Piwowarow steht in der Bildmitte).
Sie war das Symbol der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die 1929 gegründet wurde. Unter der Flagge kämpfte der einstige Nazi-Verbündete Stepan Bandera, der in der Ukraine nach wie vor bei vielen Heldenstatus geniesst – auch weil Bandera als Symbolfigur des antisowjetischen Kampfes gilt.
Der Kreis der Bandera-Verehrer schliesst nicht nur rechtsradikale Fanatiker ein, sondern auch Personen aus der Mitte der ukrainischen Gesellschaft: Schriftsteller, Gymnasiallehrer oder Musiker – ohne dass diese seine Kriegsverbrechen gutheissen. Wo Piwowarow selbst steht, erschliesst sich aus dem Bild freilich nicht.
Im anonymen Schreiben an die Stadt werden weitere heikle Bilder gezeigt, die der Sänger auf Facebook hochgeladen hat. So sind Soldaten in einem Video zu sehen, auf dem am unteren linken Bildrand die sogenannte Tyr-Rune abgebildet sein soll. Der nach oben gerichtete Pfeil war das Treueabzeichen für Absolventen der Reichsführer-Schulen.
Zudem schreibt Piwowarow in einem Post, dass er mit den Einnahmen aus den Konzerten auch Ausrüstung und Munition für das ukrainische Militär finanziere. Offiziell fliesst das Geld der «Fundraising»-Konzerte an wohltätige Organisationen.
Die Stadt Zürich ist diesen Hinweisen nachgegangen. «Die Geschäftsleitung der Sozialen Dienste hat die Vorwürfe unter Einbeziehung von Expert*innen geprüft und danach entschieden, das Konzert abzusagen», schreibt die Stadt.
Deutlicher wird das «Dynamo» in seinem Absageschreiben. Es liegt der NZZ vor. Darin heisst es, es gebe Hinweise, «dass Artem Piwowarow Gruppen nahesteht, die rechtsextremes Gedankengut gutheissen». Es sei nicht auszuschliessen, dass er selbst auch hinter dieser Haltung stehe. «Das widerspricht unseren demokratischen Werten.»
Band hat Dokument gegen Rassismus unterschrieben
Organisiert hat das Konzert im «Dynamo» Victoria Renggli. Sie ist sehr irritiert über das Vorgehen der Stadt. Der anonyme Hinweis zum Sänger sei am Donnerstag bei der Stadt eingegangen. Daraufhin habe man sie um eine Stellungnahme gebeten und ihr ein Formular ausgehändigt, das Piwowarow unterschreiben sollte.
Auf dem «Official Statement against Racism and Hatred» steht, dass sich die Unterzeichnenden verpflichten, keine Äusserungen zu machen, die zu Hass oder Gewalt gegen Personen aufrufen aufgrund ihrer Religion, sexuellen Orientierung, politischen Einstellung, Rasse, Ethnie oder ihres Geschlechts.
«Er und die Mitglieder seiner Band haben das Statement unterschrieben, und ich ging deshalb davon aus, dass alles in Ordnung sei.» Bis dann am Samstagabend – nur zwei Tage vor dem Konzert – plötzlich die Absage von der Stadt kam. Im Schreiben der Stadt an sie sei zwar gestanden, dass man den Sachverhalt mit Experten geprüft habe, «aber es wurde inhaltlich nicht näher begründet, wie die Stadt zu dem Schluss gekommen ist, dass Artem Piwowarow Rechtsextremen nahestehen soll».
Auf der Kippe steht auch ein weiteres Konzert eines ukrainischen Künstlers im «Dynamo». Bei dem betroffenen Sänger handelt es sich um Oleg Skripka. Auch er wurde vom anonymen Hinweisgeber kritisiert, namentlich weil er sich immer wieder mit der rot-schwarzen Flagge zeige. Die Stadt schreibt auf Anfrage, sie kläre den Fall derzeit noch ab.
Ukrainer kritisieren die Stadt
In der ukrainischen Community kommt die Absage des Konzerts schlecht an. Sasha Volkov vom Ukrainischen Verein in der Schweiz kritisiert, die Stadt habe voreilig reagiert. «Der Entscheid ist für uns unverständlich, wenn die Stadt nicht noch andere Hinweise gefunden hat als jene, die von der anonymen Person vorgebracht wurden.»
So sei die rot-schwarze Fahne eben auch das Symbol der Aufständischen, die gegen die Sowjets gekämpft hätten, was in der heutigen Lage eine besondere Bedeutung habe. «Wer eine solche Fahne hält, ist noch lange kein Faschist.»
Den Entscheid der Stadt hält er für besonders «unglücklich», weil es ein bisschen so wirke, «als seien die Verantwortlichen der russischen Propaganda aufgesessen, die ständig versucht, uns Ukrainer als Nazis zu verunglimpfen».
Piwowarows Unterstützung für das Militär sei doch nur verständlich. «Wir befinden uns in einem Kampf um unsere Existenz.» Dass an der Front auch auf der Seite der Ukrainer Nationalisten stünden, möge zwar stimmen. Aber man sei nun einmal dankbar für jeden Kämpfer, der sich dem russischen Aggressor entgegenstelle.
Auf eine detailliertere Nachfrage der NZZ schlug die Stadt am Montagabend dann plötzlich einen anderen Ton an: «Wir haben keine detaillierten Kenntnisse über die allfällige politische Haltung des Künstlers.» Für die Beurteilung der Situation und den Entscheid seien nicht die Inhalte der Social-Media-Kanäle, sondern die durch das anonyme Schreiben entstandene polarisierende Debatte ausschlaggebend gewesen.
Dieses Vorgehen stehe mit den Vermietungskonditionen des «Dynamo» im Einklang. «Diese besagen, dass Veranstaltungen abgesagt werden können, wenn diese stark polarisieren und allenfalls mit entsprechenden Sach- oder Personenschäden zu rechnen ist», schreibt die Stadt.
Und dann kam es fast noch zur Wende
Für die Fans von Artem Piwowarow gab es am Montagnachmittag doch noch Hoffnung. Die Organisatorin hatte kurzfristig ein alternatives Lokal gefunden. Das Konzert sollte in den grossen Saal des Restaurants Salmen in Schlieren verlegt werden. Dies kündigte der Sänger auch selbst via Instagram an, wo er sich zugleich von den Faschismusvorwürfen distanzierte. Er unterstütze lediglich Soldaten, welche die Unabhängigkeit der Ukraine verteidigten.
Am Ende wurde aber auch das Konzert in Schlieren abgesagt. Nicht etwa von der Stadt. «Wir sind gar nicht erst dazu gekommen, den Fall zu beurteilen», sagt Stadtrat Pascal Leuchtmann. Denn die Organisatoren hätten es versäumt, um eine Bewilligung zu ersuchen. Sollte das Konzert aber ohne Bewilligung stattfinden, würden sich die Beteiligten strafbar machen.
Deshalb haben Victoria Renggli und Artem Piwowarow schliesslich entschieden, das Konzert zu verschieben, und zwar in den Herbst. Dann sei der Sänger nochmals auf Tour. Ein Datum habe man noch nicht gefunden, alle gekauften Tickets würden aber ihre Gültigkeit behalten.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-sagt-konzert-von-ukrainischem-saenger-ab-ld.1740964)
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beobachter.ch 02.06.2023
Über Tiktok, Instagram und Youtube erreichen frauenfeindliche Influencer wie Andrew Tate täglich Millionen Jugendlicher. Das bekommen auch Lehrpersonen zu spüren.
Von Natalia Widla
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«Männer müssen verstehen, dass das Leben Krieg ist. Es ist ein Krieg um die Frau, die sie wollen. Es ist ein Krieg um das Auto, das sie wollen. Es ist ein Krieg um das Geld, das sie wollen. Es ist ein Krieg um Status. Männliches Leben ist Krieg.» – Andrew Tate, antifeministischer Influencer
«Ein Schüler kam nach den Sommerferien auf mich zu und wollte wissen, was ich von Andrew Tate halte», erinnert sich Tobias Kaul. Kaul, der wie alle anderen Lehrpersonen in diesem Artikel nur anonym zitiert werden will, unterrichtet die Sekundarstufe in einem Zürcher Aussenbezirk. Von Tate hält er nicht viel, was er dem Schüler auch sagt. «Als Antwort bekam ich zurück: ‹Ja, Sie finden ihn halt nicht gut, weil Sie ein schlechteres Auto fahren.›»
Diese Antwort hätte auch von Andrew Tate stammen können. Kritik an seiner Person wies der 36-jährige Ex-Kickboxer schon zurück mit «Und welche Farbe hat dein Bugatti?». Wer die Ansichten des Antifeministen nicht teilt, ist wahlweise neidisch oder falsch gepolt. Allein auf Tiktok generieren Videos des frauenfeindlichen Multimillionärs Klicks im zweistelligen Milliardenbereich, seine Tweets erreichen Hunderttausende.
Auf Facebook, Instagram und Youtube wurden die Kanäle von Andrew Tate zwar gesperrt, doch Abertausende von Nachahmern und Fanseiten verbreiten seine Inhalte ungebremst weiter. Über die Plattform «The Real World» bietet der ehemalige Teilnehmer von Big Brother UK zudem kostenpflichtige Kurse an, bei denen Männer lernen sollen, an «Geld, Reichtum, Glück, schnelle Autos und schöne, unterwürfige Frauen» zu kommen. Die Kursinhalte basieren auf den eigenen Glaubenssätzen, die der amerikanisch-britische Influencer in Form von 41 Geboten weiterverbreitet.
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«Ich glaube, dass Männer die heilige Pflicht haben, starke, fähige und ehrenhafte Söhne grosszuziehen. Ich glaube, dass Männer die heilige Pflicht haben, freundliche, weibliche und tugendhafte Töchter grosszuziehen.» (Gebote 7 und 8) – Andrew Tate
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Immer wieder gibt es kultige Personen, Sprüche oder Trends aus den sozialen Medien, die ihren Widerhall in den Klassenzimmern finden. Die wenigsten hinterlassen bleibende Spuren. Auch in der Klasse von Tobias Kaul fing die Sache mit Andrew Tate harmlos an.
«Zuerst fielen immer mehr Sprüche über teure Autos. Dann Witze über ‹dicke und hässliche Frauen›. Dann Sprüche zur generellen Überlegenheit des Mannes», erinnert sich Kaul. «Und dann relativierten die Buben plötzlich Dinge wie Menschenhandel.» Tate, so erklärten es ein paar Jungs dem verdutzten Lehrer, sei eben einfach ein geschickter Businessmann. Im Klassenzimmer von Tobias Kaul endete die Situation schliesslich damit, dass eine junge Frau die Schule auf eigenen Wunsch hin für mehrere Wochen verliess; sie fühlte sich gemobbt.
«Einstiegsdroge zum Antifeminismus»
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«Frauen tun bestimmte Dinge und Männer tun bestimmte Dinge. […] Wir leben in einer Welt, in der es heisst, dass ich verdammt sexistisch bin, wenn ich sage, dass Frauen besser mit Kindern umgehen können und Männer besser im Kämpfen sind, was eindeutig wahr ist.» – Andrew Tate
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In Grossbritannien, so hat die britische NGO Hope not hate ermittelt, haben rund 45 Prozent der männlichen Teenager eine positive oder eher positive Meinung zu Andrew Tate, aber nur ein Prozent der Frauen. Wie präsent der Frauenfeind in den Köpfen der Heranwachsenden ist, verdeutlicht auch die Tatsache, dass in Grossbritannien mehr männliche Jugendliche schon etwas von Andrew Tate gehört haben als von Rishi Sunak, dem amtierenden Premierminister. Und dieses Missverhältnis führt in den Schulen zunehmend zu Problemen, auch dies zeigten die Untersuchungen von Hope not hate. Etwa weil Knaben in den Klassenzimmern wiederholen, was Tate ihnen eingeflüstert hat, oder weil sie die Mitschülerinnen und Lehrkräfte beleidigen, bedrängen oder diskriminieren.
Jessica Aiston untersucht an der Universität von Lancaster die Auswirkungen frauenfeindlicher Influencer innerhalb der sogenannten Manosphäre. Diese bezeichnet den männlich dominierten Teil des Internets und umfasst Foren, Accounts, Blogs und Websites. Innerhalb der Manosphäre sind männliche Selbstoptimierung und die Aufrechterhaltung männlicher Herrschaft, die Kontrolle und Abwertung weiblicher Sexualität und die Verteufelung des Feminismus die bestimmenden Themen.
Männer wie Tate, so Aiston, würden einfache Lösungsansätze für komplexe gesellschaftliche Probleme bieten. Für sie ist Andrew Tate eine «Einstiegsdroge zum Antifeminismus»: «Er gibt sich als Lifestyle-Coach und probiert Männern zu vermitteln, wie sie sich bessern können, indem er ihnen vermeintliche Business- und Trainingstipps gibt und zugleich den Feminismus für alles verantwortlich macht, was auf der Welt schiefläuft.»
«Die Mädchen sind verstummt»
Anders als in Grossbritannien fehlen in der Schweiz bisher Zahlen zu antifeministischen Tendenzen unter Jugendlichen. Lehrpersonen, aber auch Männlichkeitsexperten wie der Psychologe und Vordenker der progressiven Schweizer Männerbewegung, Markus Theunert, bestätigen jedoch: Mit seinen Schilderungen ist Tobias Kaul kein Einzelfall. «In den letzten Jahren sind Meinungen und Ansichten schleichend wieder salonfähig geworden, von denen wir lange glaubten, sie hinter uns gelassen zu haben», sagt Theunert.
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«Ich werde meine Kinder nicht in die Schule schicken, ich glaube nicht, dass sie [dort] etwas lernen werden.» – Andrew Tate
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Michèle Weidmann ist eine gestandene Gymnasiallehrerin, unterrichtet seit bald 30 Jahren. In einer Zeitung las sie zum ersten Mal von Andrew Tate und wollte das Thema in einer ihrer Maturaklassen thematisieren. «Eine Schülerin warnte mich, es sei keine gute Idee.» Weidmann sprach das Thema im Kollegium an, auch die anderen Lehrkräfte rieten ihr, die Finger davon zu lassen. Seit einigen Monaten schon hatte die weibliche Lehrerschaft an Weidmanns Gymnasium mit einer vierköpfigen Gruppe zu kämpfen. Die jungen Männer hörten den Lehrerinnen nicht zu, unterbrachen sie oder «erklärten» ihnen in herablassendem Ton ihren eigenen Unterrichtsstoff. Unter dem zunehmend frauenfeindlichen Klima leidet bis heute nicht nur die Lehrerschaft. Michèle Weidmann sagt: «Viele der anderen Buben machen mit, um nicht ausgeschlossen zu werden, und die Mädchen in der betroffenen Klasse sind verstummt.»
Themen wie die Frauenbewegung können in dieser Klasse kaum behandelt werden. «Vor drei Jahren war es ein normales provokatives Teenagerverhalten», sagt Weidmann, «aber mittlerweile steckt eine grosse Portion Sexismus dahinter.» Als die Lehrerin mit der Klasse einen Zeitungsartikel zum Thema aggressive Maskulinität lesen wollte, verweigerten sich einige der jungen Männer so lautstark, dass Weidmann einlenken musste. «Dabei ging es in dem Artikel doch darum, wie schädlich manche Formen von Maskulinität gerade für die Psyche junger Männer sind.»
Rote Pille, blaue Pille
«Wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass Männlichkeit innerhalb der Gesellschaft problematisiert wird. Gleichzeitig fehlt politisch die Bereitschaft, Männer dabei zu unterstützen, ihren Weg aus schädlichen Männlichkeitsmustern hinauszufinden», sagt Männlichkeitsexperte Markus Theunert. Medienwirksame Kritik an toxischer Männlichkeit bei gleichzeitigem institutionellem Desinteresse und professioneller Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen und Verletzlichkeiten von Buben und Männern führe zu einem Orientierungs- und Unterstützungsvakuum. «Darauf gibt es im Grunde drei Reaktionen», erklärt Theunert. «Die Ersten nehmen das als Herausforderung an, die Zweiten schalten auf Durchzug und hoffen, dass der Gegenwind verebbt, und die Dritten gehen in den passiven oder aktiven Widerstand.» Dieser Widerstand, der vielleicht nur als undefinierte innere Spannung beginnt, trifft in der Manosphäre des Internets dann auf tausende von toxischen Multiplikatoren.
«Es gibt schon länger keine Grenze mehr zwischen Internetkultur und Offlinekultur», resümiert die englische Wissenschaftlerin Jessica Aiston. Entsprechend gebe es auch immer mehr Forschung, die belegt, dass die Manosphäre beeinflusst, wie sich junge Männer im Alltag verhalten.
Eine verbreitete Ideologie innerhalb der Manosphäre ist der Glaube an eine Art «Matrix». Auch Andrew Tate bedient sich dieser Symbolik des Films aus den Neunzigerjahren und ruft seine Zuschauer immer wieder dazu auf, «aus der Simulation auszubrechen» und «die Augen zu öffnen!». Weil der Verschwörungsglaube so stark mit den restlichen Inhalten verbunden ist, ist es so gut wie unmöglich, dagegen zu argumentieren, erklärt Jessica Aiston: «Dann heisst es eben, die Feministinnen und die schwachen Männer in der Schule versuchen uns zu indoktrinieren, und die Lehrer, die sagen, Andrew Tate sei schlecht, bestätigen damit eigentlich nur, dass er mit allem recht hat.»
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«Die Matrix ist überall: […] die Nachrichten, die du schaust, in der Art zu denken, die sie dir beibrachten, im Bildungssystem.» / «Die Matrix verschleiert die Wahrheit […]. Sie haben dein Bewusstsein gestohlen.» – Andrew Tate
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Statt sich dann in fruchtlosen Diskussionen zu verlieren, empfiehlt Jessica Aiston, kritische Gegenfragen zu stellen, etwa danach, was «Feministinnen» oder «die Schule» davon hätten, diese oder jene Lüge zu verbreiten. Markus Theunert fordert vor allem klare Grenzen, was in einem Klassenzimmer gesagt werden darf: «Sexismus ist keine schützenswerte Meinung. Es ist unsere Pflicht, Sexismus und Misogynie zu bekämpfen.» An die Stelle von «Ich sehe das anders» müsse ein «dieses Verhalten, diese Einstellung ist nicht okay» treten. Ergänzt durch das Beziehungsangebot: «Ich bin da, wenn du dich mit der Thematik auseinandersetzen willst.» Beides, so betont Theunert, setze eine klare pädagogische Haltung voraus wie auch die Bereitschaft zur Auseinandersetzung und entsprechende Ressourcen, damit Lehrkräfte diese überhaupt führen können.
Damit solche Bemühungen nicht verpuffen, wäre eine klare Haltung auch zu Hause gefragt. Schliesslich haben auch das Weltbild, der kulturelle Hintergrund und die politischen Vorstellungen der Eltern oder anderer naher Verwandter Einfluss auf Jugendliche. Sowohl Internetforscherin Jessica Aiston als auch Männlichkeitsexperte Markus Theunert lehnen es jedoch dezidiert ab, hier einzelne Gruppen in die Verantwortung zu nehmen.
Sexistische Denkmuster finden sich in unterschiedlichen Ausprägungen quer durch die Gesellschaft wieder. Entsprechend sagt Markus Theunert: «Mir ist es wirklich wichtig, nicht auf diese Buben als Individuen zu zeigen.» Oftmals heisse es, das Problem seien die Jungs mit diesem oder jenem Hintergrund, oder jene aus sogenannten bildungsfernen Haushalten. Dann werde angebracht, die Dynamiken könnten aufgelöst werden, indem man sich dieser «Problemjungs» entledige. «Das ist weder angemessen noch fair. Das Problem ist gesamtgesellschaftlicher und nicht individueller Natur.»
Realistische Männlichkeiten
Langfristig, so Theunert, brauche es aber andere pädagogische Rahmenbedingungen: «Im Kita-Bereich sind wir bei einem Männeranteil von 5 Prozent, im Kindergarten ebenfalls, und in der Primarschule bei 17 Prozent. Der durchschnittliche Bub hat während seiner Schulzeit sehr wenig alltagsnahen Kontakt mit Männern.» Mit der Schulstufe steige zwar auch der Männeranteil, doch fehle es dann oftmals an der Zeit und an der nötigen Kompetenz. Laut Theunert füllen Andrew Tate und Co. eine Orientierungslücke, die andere Männer hinterlassen in der Erfahrungswelt von Buben und Jugendlichen, die sich in einer Auseinandersetzung mit ihrer eigenen (Geschlechts-)Identität befinden. Und dies in Zeiten, in denen von Männern generell eine Auseinandersetzung mit ihrem Geschlecht und ihren Privilegien gefordert wird, was zusätzliche Unsicherheiten schafft. «Auch junge Männer haben Anspruch darauf, eine sichere Identität entwickeln zu können», sagt Markus Theunert. «Dafür braucht es vielfältige und realistische Modelle von Männlichkeit in all seinen Facetten.» Sprich: dass Männer, Väter und andere Vorbilder, die Unsicherheiten zeigen, auch mal traurig sind, niedergeschlagen.
«Ein Andrew Tate wird auf Tiktok nie zeigen, wie er gerade weint, sich jemandem emotional zuwendet oder an sich zweifelt», erklärt Theunert.
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«Trauer ist eine Warnung. Du fühlst sie aus einem Grund. Deine Psyche sagt dir [damit], dass du härter arbeiten musst.» / «Lehne Schwäche in jeder Form ab!» – Andrew Tate
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Alle Lehrpersonen, die im Rahmen dieser Recherche nach ihren Erfahrungen befragt wurden, gaben an, dass sie sich mehr Rückendeckung von übergeordneter Stelle im Umgang mit antifeministischen Tendenzen wünschen würden, aber auch klare Handlungsanweisungen. Zudem würden sie zusätzliche Ressourcen benötigen, um sich vertieft mit der Thematik auseinandersetzen zu können. Nur dann könnten sie letztlich auch angemessen reagieren.
Jessica Aiston pflichtet dem bei: Lehrpersonen und Schulleitungen sollten sich darüber informieren können, was im Internet angesagt ist, was konsumiert und reproduziert wird, meint die Internetforscherin: «Die Zeiten, als man sagen konnte, dieses oder jenes übersetze sich nicht in den Alltag, sind längst vorbei.»
(https://www.beobachter.ch/gesellschaft/andrew-tate-co-so-nehmen-antifeministische-influencer-einfluss-auf-jugendliche-606129)
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Kein Auftritt in Münsingen BE: Band Lauwarm gibt Corona-Skeptiker-Festival einen Korb
In Münsingen BE soll im August ein Festival von Corona-Skeptikern und Staatsverweigerern stattfinden. Nachdem sich der Landbesitzer gegen die Versammlung auf seinem Gelände gewehrt hat, hagelt es nun die ersten Absagen von Bands. So auch von der Berner Gruppe Lauwarm.
https://www.blick.ch/news/landbesitzer-wusste-von-nichts-corona-skeptiker-planen-festival-in-muensingen-be-id18631107.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/band-lauwarm-annulliert-auftritt-an-corona-skeptiker-festival-66511390
+++FUNDIS
ajour.ch 05.06.2023
Push-Weekend: Ein evangelikaler Grossanlass in Biel – und mittendrin der Berner Gesundheitsdirektor
SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg hat am Push-Weekend in der Bieler Tissot Arena eine Ansprache gehalten. Ist das in Ordnung? – Nein, lautet der Tenor von Parlamentarierinnen.
Mengia Spahr
Vergangenes Wochenende fand in der Tissot Arena das sogenannte Push-Weekend statt, organisiert von John E. Sagoe, der in Biel eine Kirche gegründet hat. Redner aus Amerika, Ghana, der Schweiz und Deutschland lasen aus der Bibel vor, sprachen darüber, wie Gott Wunder vollbringt, Geldsorgen beseitigt und Krankheiten heilt.
Als Erstes trat am Freitagabend jedoch kein Prediger ans Mikrofon, sondern Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP). Der Gesundheitsdirektor hiess die Gläubigen willkommen und zitierte aus der Bibel Stellen, in denen es ums Zuhören, Gehorchen und Handeln geht. Wie Schnegg gegenüber Radio Canal 3 sagt, sei er eingeladen und angefragt worden, ob er eine Grussbotschaft halten könnte. «Wenn mein Kalender es zulässt, nehme ich normalerweise solche Termine wahr», so der Gesundheitsdirektor.
Der Auftritt irritiert
Dass Pierre Alain Schnegg an einem solchen Anlass das Wort ergreift, irritiert manche Politiker und Grossrätinnen. Sie finde es ein bisschen speziell, dass er dort aufgetreten ist, sagt etwa GLP-Grossrätin Monika Schmidiger aus Lyss. Grundsätzlich sei es völlig in Ordnung, wenn man als Privatperson eine solche Veranstaltung besuche. Nur sei Schnegg nie nur eine Privatperson. «Er hat eine Vorbildfunktion», sagt Schmidiger. Als Gesundheitsdirektor verleihe er der Veranstaltung Glaubwürdigkeit. Einer Veranstaltung, an der laut dem Organisator Menschen mittels Gebet von Krebs oder Multipler Sklerose geheilt werden. «Ich würde ihm nicht empfehlen, an solchen Anlässen teilzunehmen.»
Eine heikle Sache findet den Auftritt auch Grossrätin Samantha Dunning (SP). Klar, Bern sei kein säkularer Kanton, aber es sei schon fraglich, welche Signale ein Regierungsrat aussendet, wenn er an einer solchen Evangelisation eine Rede hält. «Ein Regierungsrat repräsentiert den Staat», so Dunning. Sie weist weiter darauf hin, dass die Regierung alle Glaubensrichtungen angemessen repräsentieren müsse.
Wunderheilungen und Gesundheitsdirektion
Der Bieler Mitte-Stadtrat Mohamed Hamdaoui hat bereits im Vorfeld der Veranstaltung seinen Unmut über die Versprechen von Wunderheilungen in einem Facebook-Beitrag kundgetan. Schneggs Auftritt erstaune ihn nicht, sagt er gegenüber Canal 3. Es sei ja allgemein bekannt, dass der Regierungsrat evangelikalen Bewegungen nahestehe. Schnegg ist Mitglied der Freikirche «Gemeinschaft für Christus». Da leuchte es ein, dass er solche Anlässe besuche. Doch als Gesundheitsdirektor könne man so etwas nicht tun. Hamdaoui erinnert daran, dass die Ausübung von medizinischen Tätigkeiten in der Schweiz durch Gesetze geregelt ist. Er selber glaube zwar daran, dass Gebete Schmerzen lindern und einen Placeboeffekt haben können. Aber: Wenn Prediger am Push-Weekend behaupteten, Krebs durch Gebete zu heilen, sei das Scharlatanerie.
Kein Problem mit der Rede des Regierungsrats hat EVP-Grossrat Philippe Messerli. Der Nidauer findet es «grundsätzlich positiv, wenn Leute zusammenkommen und für kranke Menschen beten». Natürlich könne man sich über Form und Stil streiten – wenn es den Veranstaltern beispielsweise vor allem um Spenden gehe, sei das schwierig. «Jeder Regierungsrat muss jedoch selber entscheiden, an welche Anlässe er geht», so Messerli. Schliesslich solle ein Regierungsrat für die ganze Bevölkerung da sein.
Das sagt Schnegg zum Anlass
Der Gesundheitsdirektor selbst sagt gegenüber Canal 3, dass es unter allen Veranstaltungen, die er besuche, halt solche gebe, die breiter oder weniger breit akzeptiert seien. Den Glauben lebe jeder und jede anders aus. Die Art, auf die er am Push-Weekend gelebt wurde, entspreche vielleicht nicht unbedingt seiner eigenen Herangehensweise. «Aber ich glaube, dass es wichtig ist, verschiedene Ansätze zu respektieren.» Dass er am Anlass ans Rednerpult trat, bereut er nicht. Danach gefragt, was er vom Versprechen der Wunderheilungen hält, antwortet der Regierungsrat mit einer Gegenfrage: «Wieso ist es von der Politik gewünscht, dass es in allen Spitälern Seelsorger gibt?» – Weil es helfen könne, lautet seine Antwort, die ausser Acht lässt, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem guten Zuspruch eines Pfarrers im Spital und dem Versprechen auf Heilung schwerer Krankheit durch ein Gebet.
Weiter sagt Schnegg, es sei unbestritten, dass es unerklärliche Heilungen gebe. Abgesehen davon müsse man aber selbstverständlich von den Errungenschaften der modernen Medizin Gebrauch machen, so der Gesundheitsminister.
(https://ajour.ch/de/story/95648/ein-evangelikaler-grossanlass-in-biel-und-mittendrin-der-berner-gesundheitsdirektor)
+++HISTORY
Was ist dran an der Kritik am Richard-Wagner-Museum? (ab 03:03)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/das-eidgenoessische-jodlerfest-in-zug-steht-vor-der-tuer?id=12398623
-> https://richard-wagner-museum.ch/