Themen
- Wahlsieg für Erdoğan in der Türkei
- Flucht- und Migrationsrouten Mai 2023: Libyen, Mittelmeer, von Belarus bis Deutschland, EU & Afghanistan
- Asylcamps: Ständerrat will Bunker statt Containersiedlungen
- Dublin-Abkommen: Baume-Schneider erhält deutschen Tadel und ködert die italienische Faschistin
- Erinnerung ist Macht: In Gedenken an Todesopfer der polnisch-belarusischen Grenze
- Zürich: Lärmdemo gegen Eso-Nazis im Volkshaus
- Rassist*innenehrung: Umbenennung des Raiffeisenplatzes in St. Gallen gefordert.
- Interaktiver Workshop gegen rassistische Polizeikontrollen und strukturellen Rassismus mit der Allianz gegen Racial Profiling
- Soliwoche: Solidarität kennt keine Grenzen
Was ist neu?
Wahlsieg für Erdoğan in der Türkei
Nachdem am 15. Mai weder das Oppositionsbündnis Millet İttifakı (Allianz der Nation) um Kemal Kılıçdaroğlu noch das islamistisch-rechtsextreme Cumhur İttifakı (Volksbündnis) um Recep Erdoğan im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringen konnte, stand am 28. Mai 2023 eine Stichwahl zwischen beiden an. Mit rund 52 Prozent der Wähler:innenstimmen wird Erdoğan die nächsten fünf Jahre die demokratischen Rechte weiter aushöhlen und die Rechte von Frauen und Queers sowie die Selbstbestimmung der Kurd:innen weiter angreifen können.
Im Folgenden einige Artikel, die zur Einordnung der Ereignisse und den daraus zu ziehenden Schlüssen vorgeschlagen werden:
Uraz Aydın von der Türkiye İşçi Partisi (TIP) hat im folgenden Artikel die politische und soziale Zusammensetzung der kandidierenden politischen Kräfte bei der Wahl durchleuchtet: https://sozialismus.ch/international/2023/die-opposition-hat-nicht-gewonnen-das-regime-ist-nicht-zusammengebrochen/ Darin schreibt sie auch: «Allerdings ist auch das breite Lager um Kılıçdaroğlu – so sehr es eine gewisse Verbesserung demokratischer Freiheiten bedeuten könnte – durchaus kritikwürdig. Das Bündnis umfasst nämlich auch rechte und nationalistische Parteien. Und Kılıçdaroğlu selbst war sich nicht zu schade gewesen, gegen in der Türkei lebende Geflüchtete, meist Syrer:innen, zu hetzen. Er tat dies bereits seit Jahren, doch in Hinblick auf die Stichwahl machte er die Hetze gegen Geflüchtete zu einem seiner Kernargumente, um unentschlossene Nationalist:innen an sich zu binden und fremdenfeindliche Ressentiments in der Bevölkerung nutzbar zu machen. 10 Millionen Geflüchtete, versprach er, als Präsident abzuschieben – Erdoğan steht ihm hier allerdings in nichts nach.»
Über den Diskurs rund um Migration in der Türkei sowie den Zusammenhang mit dem EU-Türkei Deal ist hier mehr zu lesen: https://www.clingendael.org/publication/or-without-erdogan-we-need-talk-about-refugees-again.
Der Abgeordnete der Grünen Linkspartei, Mehmet Rüştü Tiryaki, spricht nach den Wahlen von einem Prozess der Kritik und Selbstkritik. Er sagt: «In keiner Periode der Geschichte wurde die Demokratisierung eines Landes nur durch alle fünf Jahre stattfindende Wahlen erreicht. Alle Freiheiten und die Schaffung einer demokratischen Gesellschaft sind durch Kampf errungen worden, auch wenn der Preis dafür sehr hoch war. Als Partei sind wir uns dessen bewusst. Natürlich haben wir die Wahlen nie unterschätzt, aber wir haben auch nie geglaubt, dass die andauernden Probleme dieses Landes nur durch Wahlen gelöst werden können. Deshalb stellen wir den gesellschaftlichen Kampf auch außerhalb der Wahlen in den Mittelpunkt unserer Politik.»
https://anfdeutsch.com/aktuelles/tiryaki-wir-werden-niemals-in-hoffnungslosigkeit-erstarren-37716
Der kurdische Rechtsanwalt Selahattin »Selo« Demirtas in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview seinen Rückzug aus der aktiven Politik verkündet. Der frühere Vorsitzende der linken Demokratischen Partei der Völker (HDP) werde niemals freikommen, hatte Erdogan noch in seiner Rede in der Wahlnacht am 28. Mai betont. »Todesstrafe für Selo!« skandierten daraufhin die in Ankara versammelten Anhänger der islamistisch-faschistischen Regierungsallianz. Er schreibt in seiner Erklärung: «Wir müssen den Ansatz der Opposition, der den Parteien und dem Parlament verhaftet ist, schnell aufgeben und den sozialen Kampf als Grundlage nehmen».
https://www.jungewelt.de/artikel/451907.kritik-und-selbstkritik-demirtas-erklärt-rückzug.html
Flucht- und Migrationsrouten Mai 2023: Libyen, Mittelmeer, von Belarus bis Deutschland, EU & Afghanistan
- Eine neue Art von Migrationsabwehr: Drohnenangriffe von libyscher Regierung auf Küstenstädte, um Abfahrten über das Mittelmeer zu verhindern.
- Mittelmeer: mehr als 600 Menschen gerettet, mindestens 500 Menschen zurück nach Libyen geschleppt, Malta verweigert weiterhin Seenotrettung, Sea Eye 4 droht Strafe wegen neuer Gesetze in Italien
- Deutsche Innenministerin Faeser will mehrere Hundertschaften von Polizei-Beamt*innen für Grenzkontrollen an deutsch-polnischer Grenze einsetzen
- International Rescue Commitee (IRC) legt vernichtenden Bericht über Resettlement-Programme für geflüchtete Menschen aus Afghanistan vor
Libyen:
In den libyschen Hafenstädten Zawiya und Zuwara wurden Treibstofflager, Befehlszentralen und Kasernen von den Buzriba-Brüdern durch Drohnen beschossen. Sie sind der Kopf einer Miliz, welche mehrere Gefängnisse für Migrant*innen betreibt. Sie organisieren auch Überfahrten über das Mittelmeer nach Lampedusa und Sizilien. Bei dem Angriff wurden mindestens vier Menschen getötet. Die Drohnen starteten in Tripolis und gingen wohl von der libyschen Regierung unter Premierminister Abdulhamid Dabaiba aus.
Die libysche Regierung wird von türkischen Militärberatern unterstützt, es sind weiterhin türkische Soldaten und türkisches Militärgerät in Tripolis stationiert. Und auch türkische Drohnen: die Bayraktar-Drohne wird in Libyen, Marokko, Äthiopien, Niger und Nigeria eingesetzt. Die Vermutung besteht, dass der Beschuss ein Versuch der libyschen Regierung ist, die Abfahrten von Westlibyen aus zu unterbinden.
Bereits seit einiger Zeit gibt es eine Verlagerung der Abreise-Orte von Westlibyen nach Bengasi und Tobruk in Ostlibyen, sowie nach Sfax in Tunesien. Dort organisieren sich Menschen auf der Flucht inzwischen autonom, um sich vor Milizen zu schützen. Tunesien ist zwar etwas sicherer für Migrant*innen als Libyen, jedoch ist die Migrationsroute von Sfax aus tödlicher als von Zawiya und Zuwara. Dies liegt vor allem an den noch unzureichenderen Booten, die die Menschen in Sfax organisieren können.
Diese Tendenz wird sich nun durch die Kämpfe in Tripolis und Westlibyen noch verstärken.
Das Thema Migration wird von verschiedenen Seiten versucht, zu instrumentalisieren. Die faschistische italienische Premierministerin Giorgia Meloni hatte sich Anfang Mai mit dem ‚Warlord‘ und Anführer einer weiteren libyschen Miliz in Westlibyen, Khalifa Haftar, getroffen, um sich über Migration auszutauschen. Seine Kriegsverbrechen und die, welche von seiner Miliz begangen wurden, wurden hierbei geflissentlich ignoriert.
Und die tatsächliche libysche Regierung wiederum versucht also, mithilfe von türkischen Beratern und türkischen Drohnen, Einfluss auf Migrationsbewegungen auszuüben. Die türkische Regierung erweitert seit Langem ihren politischen, wirtschaftlichen, humanitären und militärischen Einfluss auf dem Kontinent. Der Bau von Infrastruktur, von 30 Botschaften in den letzten 15 Jahren, die Einrichtung von militärischen Stützpunkten, die Ausbildung der somalischen Armee sowie Vertragsabschlüsse von Nigeria, Somalia, Algerien, Tunesien, Libyen und Marokko mit türkischen Rüstungsfirmen, sowie die Restauration von mehreren Moscheen in verschiedenen Ländern zeugen davon.
Wenn man dies vor dem Hintergrund des EU-Türkei-Deals betrachtet, vor dem Hintergrund der Deals der EU mit Libyen und Tunesien, vor dem Hintergrund der italienischen Migrations- und Asylpolitik, die nationales Recht auf einmal über internationales Recht stellt und sich mit libyschen Milizen trifft, wird das Bild der beständigen Externalisierung der EU-Aussengrenzen sehr konkret. Und wer leidet darunter? Die geflüchteten und migrierenden Menschen. Wie immer.
Mittelmeer:
Maltesische Behörden ignorierten am 23. Mai einen Aufruf zu einer potenziellen Seenotrettung. Sie haben generell den Ruf, Hilfeleistung auf See zu unterlassen. Trotz der Tatsache, dass sie mit dieser Praxis internationales Seerecht brechen. Stattdessen kontaktierten sie die sog. libysche Küstenwache. Diese schleppte das Boot mit fast 500 Menschen an Bord zurück nach Libyen. Dort wurden diese in Benghazi inhaftiert. Die Bedingungen in libyschen Haftzentren sind horrend und wurden von den eingesperrten Menschen und vielfachen Zeug*innen, von verschiedenen NGOs und z.B. auch der UNO bestätigt: Versklavung, (sexualisierte) Gewalt und Folter sind an der Tagesordnung.
Ein weiteres Boot mit 600 Menschen an Bord gab vor der Küste Siziliens einen Notruf ab. Sie konnten am letzten Samstag von der Geo Barents der Organisation Ärzte ohne Grenzen in einer dreistündigen Aktion an Bord genommen werden. Unter den Geretteten sind 151 Minderjährige. Ihnen wurde der Hafen von Bari zugeteilt.
Die neue Praxis der italienischen Regierung, den zivilen Seenotrettungsschiffen Häfen zuzuteilen, die weit entfernt sind, ist Teil der Schikane und Kriminalisierung durch die faschistische Regierung unter Giorgia Meloni. So wurde z.B. der Sea Eye 4 nach einer Rettung von 17 Menschen der 1’300 Seemeilen entfernte Hafen in Ortona zugewiesen. Die weiten Strecken sind eine Belastung für alle Beteiligten und verzögern und verhindern weitere Seenotrettungsaktionen. Denn ein weiterer Erlass, der erging, beinhaltet das Verbot von mehreren Rettungen hintereinander. Dass die Sea Eye 4 daraufhin trotzdem letzte Woche einen weiteren Notruf annahm, das Schiff wendete und weitere 32 Menschen an Bord nahm, bedeutet, dass die Organisation mit einer Strafe zu rechnen hat. Wegen dem Retten von Menschenleben? Das zeigt, wie pervers das System ist. Die Geo Barents wurde in diesem Jahr bereits mit einer Busse von 10’000 EUR belegt sowie mit einer 30-tägigen Festsetzung sanktioniert.
Von Belarus bis Deutschland:
Die autoritäre Regierung von Belarus übt seit Herbst 2021 ‚Druck auf die EU‘ aus, indem sie den Befehl gibt, die Grenzen zu öffnen und geflüchtete Menschen aus Krisengebieten einfliegen und von Grenz-Beamt*innen über die Grenzen prügeln lässt.
Und die Reaktion der litauischen, lettischen und polnischen Regierung? Den Ausnahmezustand ausrufen und wiederholt verlängern; die Menschen ihrerseits zurück über die Grenze prügeln; Zäune errichten; Stacheldraht verlegen; solidarische Strukturen kriminalisieren; Gesetze erfinden, die Push-Backs legalisieren sollen.
Und die Kettenreaktion geht weiter. Die britische Regierung war an der Errichtung der nötigen abschottenden Infrastruktur beteiligt, u.a. an einem 5,50m hohen Stacheldrahtzaun zwischen Polen und Belarus, durch den sich bereits mindestens 16 Menschen schwer verletzt haben. Und die EU hat sich ebenso daran beteiligt, die Grenz-Zonen aufrecht zu erhalten. Neben der direkten Beteiligung wird auch das Narrativ des Druck-Ausübens von mehreren europäischen Regierungen gerne gekauft und für ihre Zwecke benutzt. Ganz nach dem Motto: „Wir lassen uns nicht erpressen!“ fordert die deutsche Aussenministerin Nancy Faeser nun z.B. stärkere Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Bei einem Besuch im polnischen Świecko vereinbarte sie einen Deal, der mehrere Hundertschaften von Polizei-Beamt*innen zum Einsatz bringen soll. Die Verstärkung der Grenz-Kontrollen an der deutsch-tschechischen Grenze hat bereits stattgefunden.
Wenn die Massnahmen von Lukaschenko als „gesteuerter Migrationsdruck“ oder als „Angriff auf die Innere Sicherheit“ bezeichnet werden, dann spielt das ihm und seiner Politik in die Hände und die Menschen, welche letztlich tatsächlich darunter leiden, werden entmenschlicht und als etwas bezeichnet, das es zu bekämpfen gilt. Dies ist ein äusserst gefährliches Framing.
Ganz abgesehen davon, wie verwerflich es ist, wenn schutzbedürftige Menschen als vermeintliches Sicherheitsrisiko benannt werden, genauso schlimm ist die Reaktion darauf. Denn sich nicht erpressbar machen, würde heissen: Es übt keinen Druck aus, wenn Menschen über die Grenze kommen. Sie sind willkommen und finden einen Platz. Und es würde bedeuten, sich deutlich zu positionieren: Menschen sind kein Kriegsmittel.
EU & Afghanistan:
Das International Rescue Commitee (IRC) hat einen vernichtenden Bericht darüber veröffentlicht, wie EU-Staaten es konsequent versäumt hätten, ihren Resettlement-Abkommen mit geflüchteten Menschen aus Afghanistan nachzukommen.
Die deutsche Regierung hatte 2021 ein Programm verabschiedet, in dem sie versprachen, 1’000 Menschen pro Monat aus Afghanistan in Empfang zu nehmen. Keine einzige (!) Person ist im Laufe dieses Programms nach Deutschland gekommen. Die italienische Regierung hat nur die Hälfte der Menschen aufgenommen, die sie versprachen.
Zwei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban fehlt es noch immer an sicheren Fluchtwegen in die EU. Viele Afghan*innen befinden sich unter gefängnisähnlichen Bedingungen auf den griechischen Inseln.
Dies gilt selbstverständlich nicht nur für afghanische Geflüchtete. Die Bedingungen sind für alle dort horrend. Jedoch ist es sehr erschreckend zu sehen, dass sogar die angepriesenen Resettlement-Programme nicht greifen und selbst die Menschen, die laut der restriktiven europäischen Migrations-Gesetze ein Recht auf Asyl hätten, komplett vernachlässigt werden.
Im März 2023 wurde eine Studie des IRC unter geflüchteten Menschen aus Afghanistan durchgeführt, die in Athen oder Lesbos medizinische Unterstützung erhalten. Von diesen litten 90% unter Angststörungen und 86% unter Depressionen.
https://taz.de/Tote-in-Libyen/!5934840/
Background zur Rolle der Türkei: https://rosaluxna.org/fr/publications/diplomates-espions-et-vendeurs-darmes-le-grand-jeu-de-la-turquie-en-afrique-du-nord/
https://www.infomigrants.net/en/post/49284/ngos-accuse-malta-of-leaving-migrants-at-sea–to-be-picked-up-by-libyan-militias
https://www.theguardian.com/uk-news/2023/may/27/refugees-hurt-dangerous-fence-uk-built-keep-asylum-seekers-out-of-eu-poland-belarus
https://www.infomigrants.net/en/post/49297/germany-and-poland-tighten-migrant-route-border-checks
https://www.theguardian.com/world/2023/may/31/eu-accused-of-staggering-neglect-after-just-271-afghans-resettled-across-bloc
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-05/aertzte-ohne-grenzen-rettung-migranten-mittelmeer?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.borderline-europe.de%2F
https://sea-eye.org/seenotretterinnen-drohen-hohe-strafen-wegen-rettung-von-menschenleben/
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/faeser-grenze-deutschland-polen-100.html
https://www.proasyl.de/news/unser-primaeres-ziel-war-es-zugang-zu-informationen-zu-gewaehrleisten/
https://www.srf.ch/news/international/migrationskrise-in-lettland-streit-um-fluechtlinge-sicherheitsrisiko-oder-schutzbeduerftige
Was geht ab beim Staat?
Asylcamps: Ständerrat will Bunker statt Containersiedlungen
Die Bundesasylzentren von Bund und Kantonen sind seit Monaten voll. Und es werden höhere Asylzahlen vorausgesagt. Deshalb sollen zur temporären Unterbringung auf Armeegeländen Containersiedlungen geschaffen werden. Der Ständerat hat den Kredit von 133 Millionen Franken für das SEM jedoch letzte Woche abgelehnt.
Die Argumentation von Mitte und Rechts: Bevor man Containerdörfer baue, solle zuerst das Potenzial bei bestehenden Zivilschutzanlagen ausgeschöpft werden. Denn nur im Notfall könne das Gesetz einfach über die Mitsprache der Gemeinden hinweg gelten. Gegenargument der SP: Die Kantone hätten selbst Nutzungsbedarf der Zivilschutzanlagen (u.a. auch zur Unterbringung von Asylsuchenden?) und der Bund könne ihnen diese nicht einfach streitig machen. Die SP wirft den bürgerlichen Gegner*innen zudem vor, so einen Ausnahmezustand herbeizuführen und das Problem auf die Kantone abzuwälzen.
Der Entscheid macht erneut deutlich, wie schweizerische Asylpolitik funktioniert: Erstens wird über Containersiedlungen auf Armeearealen abgestimmt, was an sich schon eine traurige Sache ist. Auch wenn diese tatsächlich die bessere Lösung als unterirdische Zivilschutzanlagen sind, birgt auch diese Unterbringungsart viele Probleme in Bezug auf die Privatsphäre der geflüchteten Personen und einer funktionierenden Infrastruktur. Denn die Containersiedlungen sind temporär angelegt. Zweitens streitet man sich über die Lastenverteilung zwischen Bund und Kantonen. Was für die geflüchteten Personen sinnvoll sein könnte, kommt in den Diskussionen im Parlament nicht vor. Drittens, so erkannte auch die SP, wird mit diesem Entscheid erneut das Notstandgerede im Asylsystem befeuert. Die Krise des Asylsystems, nicht die Krise, in denen die ankommenden Geflüchteten stecken.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230531102321610194158159038_bsd057.aspx
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/staenderat-gegen-finanzierung-weiterer-containerdoerfer?partId=12396685
https://www.blick.ch/politik/baume-schneiders-asylplaene-ausgebremst-staenderat-stoppt-container-doerfer-id18625494.html
https://www.derbund.ch/staenderat-lehnt-gelder-fuer-asylcontainer-ab-244462152870
Was ist aufgefallen?
Dublin-Abkommen: Baume-Schneider erhält deutschen Tadel und ködert die italienische Faschistin
Baume-Schneider reiste nach Rom, um Meloni dazu zu bringen, die Dublin-Abschiebungen der Schweiz nach Italien wieder zuzulassen. Gleichzeitig wirft ihr das offizielle Deutschland vor, das Dublin-Abkommen nicht einzuhalten.
„Erfolg für Baume-Schneider“, titelte der Blick und freute sich ernsthaft darüber, dass eine SP-Bundesrätin extra nach Rom reist, um von Meloni zu fordern, schleunigst wieder Dublinabschiebungen der Schweiz nach Italien zuzulassen. Wer spricht von Erfolg, wenn geflüchtete Personen in ein Asylsystem verdrängt werden sollen, das von einer Faschistin verwaltet wird?
Hintergrund der Italienreise ist, dass Meloni seit Dezember keine Dublin-Abschiebungen der Schweiz mehr akzeptiert. Die Blockade rechtfertigt Meloni damit, dass Italien keine Aufnahmekapazitäten mehr habe. Bis es in den Abschiebecamps CPR keine neuen Plätze gebe und mehr Menschen abgeschoben würden, könne der Zustand andauern, hiess es noch vor einigen Wochen. In Rom hat nun der italienische Innenminister Piantedosi „in Aussicht gestellt“, dass die Abschiebungen „in den nächsten Monaten“ wieder aufgenommen würden. Erneut knüpfte er diese Zusage an den Ausbau der italienschen Abschiebekapazitäten.
Als Köder bot Baume-Schneider 20 Millionen Franken aus dem Rahmenkredit für Migration des zweiten EU-Kohäsionsbeitrag an. Das Geld könne für die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden genutzt werden. Wie die Zustände in den Abschiebecamps sind, zeigt diese Woche eine Recherche von Altreconomia. Sie fanden heraus, dass geflüchtete Personen mit diversen Medikamenten vollgepumpt und ruhiggestellt werden. Dies führte zu bedeutsamen Minderausgaben, da es für medikamentös ruhiggestellte Menschen weniger Essen brauche. Kurzfristig bezahlt die offizielle Schweiz übrigens eine halbe Million Franken für sogenannte kulturelle Mediation der IOM. Damit sich „die Kommunikation zwischen eintreffenden Flüchtlingen und der Polizei verbessert“ und die entrechtenden Asylverfahren beschleunigt durchgeführt werden können. Es kann also gesagt werden, dass die offizielle Schweiz die faschistischen Verschärfungen des italiienischen Asylregimes finnanzuieren, um dorthin Asylsuchende abschieben zu können.
Gemäss dem EJPD zeigte Baume-Schneider „Verständnis für die schwierige Situation Italiens“. Druck, dass Meloni im Mittelmeer ihre Todespolitik gegen Geflüchtete beendet, scheint nicht ausgeübt worden zu sein. Stattdessen liess das EJPD durchsickern, dass es mit der entrechtenden Verschärfung der Dublinverordnung (vgl. Wochenschau der letzten Woche) einverstanden sei. Die Verschärfung besteht im Wesentlichen darin, alle Asylgesuche direkt an den Schengenaussengrenzen in riesigen Camps wie jenes in Moria und beschleunigt (also entrechtend) durchführen zu wollen.
Während Baume-Schneider von Italien fordert, sich an das Dublinabkommen zu halten, wirft ihr die deutsche CDU vor, das Dublin-Abkommen zu umgehen, da viele geflüchtete Personen die angeben, die Schweiz durchqueren zu wollen, vom Schweizer Grenzwachkorps durchgewunken würden. Die Menschen reisen aus Österreich oder Italien ein. Gemäss Dublin-Abkommen sollten diese Menschen entweder Zugang zum Schweizer Asylsystem erhalten oder nach Österreich oder Italien abgeschoben werden. Die offizielle Schweiz behauptet, es seien keine Asylsuchenden sondern illegal anwesende Personen, die die Schweiz wieder verlassen sollen. So haben sich im zweiten Halbjahr 2022 die registrierten Einreisen aus der Schweiz nach Deutschland auf 8’900 verfünffacht. Trotz des Winters sind die Zahlen hoch geblieben und bis Ende März zählte die deutsche Polizei allein in Baden-Württemberg bereits wieder 4’000 eingereiste Migrant*innen. Die CDU fordert, die Grenze zur Schweiz wieder systematisch zu kontrollieren. Hierfür erhält die christliche CDU Beifall von der faschistischen AFD. Falls sich die Lage nicht entspanne, fasse er dies ins Auge, verkündete daraufhin Bundeskanzler Olaf Scholz. Deutschland müsse seine «eigenen Grenzen gut bewachen». Das SEM kontert, dass aktuell weder die öffentliche Ordnung noch die innere Sicherheit ernsthaft bedroht seien. Das sei die Voraussetzung dafür, dass Schengen-Staaten für einen begrenzten Zeitraum wieder Binnengrenzkontrollen einführen könnten. Daher lasse sich die CDU-Forderung nicht umsetzen. Bevor Scholz handle, wolle er den im letzten Dezember verabschiedeten deutsch-schweizerischen Aktionsplan für die intensivere Polizeikooperation im Grenzgebiet evaluieren.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-95505.html
https://inkyfada.com/fr/2023/05/23/enquete-migrants-medicaments-expulsion-tunisie-italie/
https://www.derbund.ch/cdu-fordert-stationaere-kontrollen-an-der-grenze-zur-schweiz-807821005561
Was schreiben andere?
Erinnerung ist Macht: In Gedenken an Todesopfer der polnisch-belarusischen Grenze
Am Jahrestag der Ermordung von Maxwell Itoia durch die polnische Polizei machte eine Aktivist*in die Todesopfer an der polnisch-belarusischen Grenze sichtbar. Sie wurden ermordet von einem System geschlossener Grenzen, einer Festung Europa, von der rassistischen Politik der Behörden.
Ein Beitrag des No Borders Team
„Erinnerung ist Macht!“ Diese Worte klangen bei dem Treffen zum Gedenken an das Leben und den Jahrestag der Ermordung von Maxwell Itoia am stärksten nach. Max wurde im Millennium-Stadion in
Warschau, dem größten Markt jener Jahre in Osteuropa, von einem Polizisten in den Oberschenkel geschossen. Die Polizeibeamten taten nichts, um Maxwells Leben zu retten. Sie halfen ihm nicht, erlaubten niemandem, ihm zu helfen, die Blutung zu stillen, und riefen keinen Krankenwagen. Maxwell Itoia verblutete zwischen den Ständen. Und er wollte nur helfen, zwischen seinen Kolleg*innen und der Polizei zu vermitteln, die wie jeden Tag eine weitere Personenkontrolle unter den im Stadion arbeitenden Migrant*innen durchführte.
Für Maxwells Ermordung gab es keine Konsequenzen, und seine Frau und seine beiden Kinder erhielten nie eine Entschädigung oder eine Entschuldigung. Sie zogen schließlich aus Polen weg. Die Witwe hatte die Nase voll von der institutionellen Diskriminierung und der rassistischen Haltung gegenüber ihr und ihren Kindern. Es ist nun 13 Jahre her, und seit 13 Jahren treffen sich Menschen, die sich an die Auslöschung der Geschichte von Migranten und Migrantinnen und der Polizeigewalt erinnern und damit nicht einverstanden sind, an demselben Ort.
In diesem Jahr sprach neben einem nigerianischen Aktivisten, der zum kollektiven Nachdenken über das Problem des Rassismus und der Polizeigewalt und zur Gerechtigkeit für deren Opfer aufrief auch ein Vertreter der Union der «Polen afrikanischer Gesellschaft», die seit fast zwei Jahren Menschen auf der Flucht unterstützt, die über die polnisch-belarusische Grenze reisen. Ihre Worte: «Die Realität an der Grenze: ein gefährlicher Weg, systemische Gewalt und die Rolle der Macht.»
Bislang sind 45 Opfer der humanitären Krise als tot dokumentiert worden:
1. Ahmed Hamid al-Zabhawi, 29 Jahre, Irak
2. Unbekannt
3. Mustafa Mohammed Murshed Al-Raimi, 37 Jahre, Jemen
4. Wafaa Kamal, 38 Jahre, Irak
5. Unbekannt, Irak
6. Unbekannt, 16 Jahre, Irak
7. Unbekannt
8. Unbekannt
9. Issa Jerjos, 24 Jahre, Syrien
10. Farhad Nabo, 33 Jahre, Syrien
11. Unbekannt, 33 Jahre, Syrien
12. Ahmed Al Hasan, 19 Jahre, Syrien
13. Unbekannt
14. Unbekannt, 30 Jahre, Sri Lanka,
15. Gaylan Dier, 25 Jahre, Irak / Kurdistan
16. Kurdo Khalid, 35 Jahre, Irak / Kurdistan
17. Radża Hasan, 44 Jahre, Palästina
18. Unbekannt, 20 Jahre, Syrien
19. Halikari Dhaker, ungeborenes Kind, 24. Woche, Irak / Kurdistan
20. Avin Irfan Zahir, 38 Jahre, Irak / Kurdistan
21. Kawa Anwar Mahmood al-Jaf, 25 Jahre, Irak
22. Unbekannt, Nigeria
23. Unbekannt, 26 Jahre, Jemen
24. Unbekannt
25. Unbekannt, 26 Jahre, Jemen
26. Unbekannt, 50 Jahre, Syrien
27. Siddig Musa Hamid Eisa, 21 Jahre, Sudan
28. Unbekannt
29. Jaber Al Jawabra, Syrien
30. Unbekannt, 28 Jahre, Äthiopien
31. Ibrahim Jaber Ahmed, 33 Jahre, Jemen,
32. Unbekannt, Äthiopien
33. Tawfik Ali Omar Ahmed Al-Hashiri, 31 Jahre, Jemen
34. Unbekannt, 20-30 Jahre, Äthiopien
35. Njenguoue Livine, 28 Jahre, Kamerun
36. Unbekannt
37. Unbekannt
38. Yasar Sulimankhil, 23 Jahre, Afghanistan (12.03.2023)
39. Mohammad Noor Jan Gurbaz, 27 Jahre, Afghanistan (21.03.2023)
40. Unbekannt, (24.03.2023)
41. Unbekannt, (18.04.2023)
42. Unbekannt, (22.04.2023)
43. M., 58 Jahre, Syrien (23.04.2023) – starb im Hospital
44. Unbekannt
45. Unbekannt
Es ist eine Liste von 45 Menschen, die an der polnisch-belarusischen Grenze starben, ermordet von einem System geschlossener Länder, einer Festung Europa, der rassistischen Politik der Behörden. Die Polizei ist eine rassistische und faschistische Institution, die die Reichen gegen die Armen verteidigt.
Bei den Menschen, deren Namen ich gelesen habe, handelt es sich hauptsächlich um Menschen, die auf polnischem Gebiet starben; wir wissen nicht, wie viele auf belarusischer Seite starben. Diese Menschen suchten einen sicheren Ort in Europa, eine Heimat und eine Zuflucht. Wirtschaftliche Situationen, Kriege und Klimakatastrophen zwingen Menschen dazu, aus ihren eigenen Ländern zu fliehen, weil sie dort nicht mehr sicher leben können. Dürren, Überschwemmungen, Brände, Tornados, hohe Temperaturen, Nahrungsmittelknappheit, Kriege, fehlender Zugang zu Wasser – ein Bild der globalen Katastrophe. In den sechs Monaten zwischen September 2020 und März 2021 mussten rund 10,3 Millionen Menschen aufgrund solcher Extremereignisse ihre Heimat verlassen.
Die Route an der polnisch-belarusischen Grenze ist seit Sommer 2021 eine Route nach Europa. Die polnischen und belarusischen Behörden haben eine Straftat nach der anderen begangen. Die polnischen Behörden, der Grenzschutz, die Armee und die Polizei nehmen keine Asylanträge an und akzeptieren auch keine Anträge an den Grenzübergängen. Im Gegenzug zwingen sie Menschen dazu, die Grenze illegal zu überqueren.
Im August 2021 hielten die Behörden illegal Menschen aus Afghanistan in Usnarz fest. Dann verabschiedete die polnische Regierung ein illegales Gesetz zur Einrichtung einer Zone, der Zone der Schande, um den humanitären Zugang einzuschränken und es den Beamt*innen und Soldat*innen zu erleichtern, Menschen im Wald aufzuspüren, sie festzuhalten und nach Belarus zurückzuschieben.
Pushbacks sind illegal, aber in Polen wurde das Pushback-Gesetz verabschiedet, das es den Grenzschützer*innen erlaubt, Menschen unter Androhung von Tod hinter den Zaun zu abzuschieben. Sie nahmen ihnen Handys, Lebensmittel, Wasser, Medikamente und Kleidung weg, schlugen sie und ließen sie durch Flüsse schwimmen.
Und das ist noch nicht alles. Im Juli 2022 wurde der Bau einer 5,5 Meter hohen Mauer an der Grenze abgeschlossen. Dachten sie, die Mauer würde die Menschen aufhalten und ekelerregend effektiv sein, statt nur mehr Verletzungen, gebrochene Beine und Bewusstlosigkeit zu verursachen? Und wenn man sich weiter in Polen umsieht, werden bewachte Zentren für Ausländer*innen betrieben – Gefängnisse, oft
ohne Zugang zu angemessener medizinischer und rechtlicher Versorgung, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Informationen darüber, wie lange eine Person im Gefängnis sein wird und was danach passieren wird.
Wir dürfen nicht zulassen, dass sie uns zum Schweigen bringen und uns beleidigen!
Wir können nicht zulassen, dass sie siegen und solche Verbrechen fortsetzen.
Wir müssen weitergehen, Schulter an Schulter, in Solidarität, Kraft und Gedenken.“
https://www.facebook.com/100076237537343/posts/260256876525562/?mibextid=rS40aB7S9Ucbxw6v
Wo gabs Widerstand?
Zürich: Lärmdemo gegen Eso-Nazis im Volkshaus
Vergangenen Samstag machte die Gruppe «Reclaim Volkshaus» Lärm gegen Esos, Schwurbler*innen und Nazis beim Kongress «Vision des Guten und Manifest der neuen Erde» im Volkshaus Zürich. Im Vorfeld wurde efolglos mit einer Petition versucht, die Veranstaltung zu verhindern und das Volkshaus an seine Leitlinien zu erinnern.
Am Kongress «Vision des Guten und Manifest der neuen Erde» traten bekannte Personen wie der Esoterik-Star Christina von Dreien aus dem Toggenburg oder der umstrittene Historiker und Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser auf. Ursprünglich eingeladen war auch der neurechte Esoteriker und Anastasia-Propagandist Ricardo Leppe. Er wurde nach der öffentlich geäusserten Antisemitismus-Kritik wieder ausgeladen.
«Die Protagonist*innen dieses Kongresses wenden sich politisch gegen jeden einzelnen Fortschritt, den die Arbeiterklasse jemals erkämpft hat. Das politische Ziel dieser Leute besteht darin, all diese Fortschritte anzugreifen und sie durch eine völkisch-nationalistische, totalitäre Ideologie zu ersetzen. Sie verlangen ernsthaft, direkt ins Mittelalter zurückzukehren, um die Bevölkerung mit einer elitären esoterischen Priesterkaste anzuführen», schreibt Reclaim Volkshaus. «Das ist keine Frage der Meinungsfreiheit. Das Volkshaus Zürich unterstützt hier offene reaktionäre Angriffe auf die hart erkämpften Errungenschaften der Linken. Gegen diese Angriffe werden wir uns entschlossen zur Wehr setzten.»
Auf die öffentliche Kritik haben zahlreiche Medien reagiert und auch das Volkshaus musste sich öffentlich mit der Durchführung der Veranstaltung auseinandersetzen. Viel zu oft werden die am Kongress vertretenen, reaktionären Positionen dabei als «Meinungsfreiheit» gerechtfertigt.
https://barrikade.info/article/5960
https://www.tagesanzeiger.ch/das-volkshaus-im-demokratischen-dilemma-520385277089
https://www.20min.ch/story/aktivisten-protestieren-gegen-umstrittenen-esoterik-anlass-769093898903
https://twitter.com/sozialismus_ch/status/1662430639780511744?s=20
Rassist*innenehrung: Umbenennung des Raiffeisenplatzes in St. Gallen gefordert.
Statt nach einem Rassisten und Antisemiten soll er zukünftig den Namen von Recha Sternbuch tragen, die zur Zeit des Nationslsozialismus geflüchtete Jüd*innen unterstützte. Proteste um Strassennamen sind hochpolitisch, da sie sich verändernde Bewertungen historischer Personen und Ereignisse sichtbar machen.
Seit 2005 heisst der Rote Platz in St. Gallen Raiffeisenplatz. Eine kritische Auseinandersetzung machte die antisemitische Haltung des Bankenpioniers öffentlich bekannt und führte zur Forderung der Umbenennung des Platzes zugunsten der Jüdin Recha Sternbuch, die von 1905 bis 1971 in St. Gallen lebte. Zur Zeit des Nationalsozialismus holte sie unter hohem persönlichen Risiko immer wieder flüchtende Personen an der Grenze ab, beherbergte sie in St. Gallen und organisierte ihre Weiterreise. Diese Art der Fluchthilfe wird heute positiv als Zivilcourage und gesellschaftliches Engagement bewertet und verdient öffentliche Anerkennung.
Weltweit wird die Diskussion um Strassennamen als Mittel des politischen Protestes oder auch als politisches Feigenblatt verwendet. So wurden in Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg direkt in der ersten Sitzung der Stadtverwaltung die nationalsozialistischen Strassennamen abgeschafft und ersetzt, um sich von den Taten der Vorgänger*innen zu distanzieren. Die seit Jahren geforderte Umbenennung der kolonial-rassistisch benannten „M-Strasse“ in Berlin hat sich hingegen noch immer nicht durchgesetzt.
Andere Städte wie Freiburg haben direkt eine Kommission beauftragt, alle Strassennamen der deutschen Stadt zu überprüfen, ob die bedenklich sein könnten, zum Beispiel weil sie nach Personen benannt sind, die bei den Nazis aktiv, die rassistisch oder frauenfeindlich waren. Am Ende wurden zwölf Strassen komplett umbenannt, 15 andere wurde als „diskussionswürdig“ eingestuft. An diesen Strassen sollten dann Zusatzschilder mit Hintergründen zu den Personen angebracht werden. Im deutschen Riesa hat eine Strassenumbennenung dazu geführt, dass das Verlagsbüro der rechten NPD heute statt in der „Mannheimer Straße“ in der „Geschwister-Scholl-Straße“ ist.
In St. Gallen wird die Diskussion um die Umbenennung des Raiffeisenplatzes von zahlreichen Personen des öffentlichen Lebens getragen. Und auch in anderen Schweizer Städten steigt das Bewusstsein für die politische Bedeutung von Strassennamen. Luzern beispielsweise möchte in Zukunft als Schritt zu mehr Gleichberechtigung Frauennamen für Strassen priorisieren.
https://st-galler-nachrichten.ch/st-gallen/statt-eines-antisemiten-eine-fluechtlingshelferin-wuerdigen
https://www.republik.ch/2023/05/26/der-raiffeisen-gruender-und-die-judenfrage
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/strassenschilder-aus-protest-die-strasse-umbenennen
https://www.tagblatt.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/gleichstellung-in-luzern-gibt-es-nur-sechs-weibliche-strassennamen-das-soll-sich-aendern-ld.2466269?reduced=true
Was steht an?
Interaktiver Workshop gegen rassistische Polizeikontrollen und strukturellen Rassismus mit der Allianz gegen Racial Profiling
10.06.23 I 14:00 I Luzern, Bundesstrasse 13
An dieser Veranstaltung werden wir uns über antirassistische Handlungsmöglichkeiten, Solidarität und Widerstand gegen Racial Profiling austauschen. Wir wollen uns mit antirassistischen Gruppen und Menschen treffen und diskutieren, wie wir rassistische Polizeigewalt verhindern, dokumentieren und kritisieren können. Gleichzeitig wollen wir uns mit Betroffenen solidarisieren.
Soliwoche: Solidarität kennt keine Grenzen
10. bis 20. Juni 2023 I im ganzen Kanton Luzern
Am 10. Juni jedes Jahr ist der Weltflüchtlingstag. Während 10 Tagen finden im ganzen Kanton Luzern Veranstaltungen statt – aus den Bereichen Film, Musik, Kultur, Spiel-Spass-Sport, Politik, Kulinarik und vieles mehr.
https://solinetzluzern.ch/solidarisch-luzern
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Knast für Antifaschismus
»Antifa Ost«-Prozess: Lina E. zu über fünf Jahren Haft verurteilt. Leipzig schränkt Versammlungsfreiheit ein
https://www.jungewelt.de/artikel/451809.repression-gegen-linke-knast-f%C3%BCr-antifaschismus.html
Hörkombinat:Politik: Die Türkei wählt – Ein Blick durch die soziale Brille
Ein Gespräch mit WOZ-Redaktorin Çiğdem Akyol über Recep Tayyip Erdoğans erfolgreichen Wahlkampf.
https://www.woz.ch/hoerkombinat
Lesestunde. Importierte Queerfeindlichkeit und rechter Kulturkampf an den Schulen
Die CSU skandalisiert Lesungen von Drag-Künstler*innen als angebliche Gefährdung des Kindeswohls, die SVP attackiert Gender-Tage. Sie übernehmen dabei die brandgefährliche queerfeindliche Agenda der US-amerikanischen Rechten, und zwar auf Kosten von Kindern und Jugendlichen.
https://geschichtedergegenwart.ch/lesestunde-importierte-queerfeindlichkeit-und-rechter-kulturkampf-an-den-schulen/
Strukturelles Problem – Rassismus in der Schweiz: Für Schwarze Menschen allgegenwärtig
Für Schwarze Menschen ist Rassismus allgegenwärtig: Mal mehr, mal weniger, aber immer da. Für viele weisse Schweizerinnen und Schweizer ist das schwer nachvollziehbar. Sie denken, weil die Schweiz keine eigenen Kolonien hatte, habe die Schweiz auch nichts mit Rassismus zu tun.
https://www.srf.ch/sendungen/dok/strukturelles-problem-rassismus-in-der-schweiz-fuer-schwarze-menschen-allgegenwaertig