Medienspiegel 22. Mai 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++SCHWEIZ
Ukraine-Krieg: Sozialhilfe-Bezüger verkaufen trotz Pflicht Auto kaum
Wer vor dem Ukraine-Krieg in die Schweiz geflohen ist, müsste beim Bezug von Sozialhilfe das Auto verkaufen. Das lässt sich aber in der Praxis kaum umsetzen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-sozialhilfe-bezuger-verkaufen-trotz-pflicht-auto-kaum-66500075


Untersuchung von Handknochen und Ganzkörper-Check: Umstrittene Altersbestimmung bei jugendlichen Flüchtlingen
In der Schweiz suchen immer mehr unbegleitete Jugendliche Asyl. Ein Problem dabei: Die Bestimmung des Alters ist nicht schwierig. Dabei setzt der Bund auf medizinisch-forensische Gutachten. Diese sind nicht unumstritten.
https://www.blick.ch/politik/untersuchung-von-handknochen-und-ganzkoerper-check-umstrittene-altersbestimmung-bei-jugendlichen-fluechtlingen-id18597753.html


Minderjährige Asylsuchende: Das sind die Lösungsvorschläge von SP und SVP
Die Zahl minderjähriger Asylsuchenden nimmt in der Schweiz zu. Die Nationalrätinnen Martina Bircher von der SVP und Céline Widmer von der SP reagieren im Interview zu den UMAs in der Schweiz – und kritisieren das Verhalten der jeweiligen Gegen-Partei.
https://www.blick.ch/politik/minderjaehrige-asylsuchende-so-will-die-politik-das-problem-angehen-id18598138.html


Leiter Integrations-Zentrum: «Minderjährige Asylsuchende kommen, um zu bleiben»
In der Schweiz suchen immer mehr unbegleitete Jugendliche Asyl. Pascal Brenner, Leiter Zentrum Erlenhof in Baselland, sagt gegenüber Blick TV, dass fast alle unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber sich sehr gut integrieren. Sie kämen, um zu bleiben.
https://www.blick.ch/video/aktuell/leiter-integrations-zentrum-minderjaehrige-asylsuchende-kommen-um-zu-bleiben-id18598060.html


Weil viele traumatisiert sind: «Im Umgang mit jugendlichen Asylbewerbern braucht es Feingefühl»
Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden steigt in der Schweiz stark an. Was ihre Bedürfnisse sind und wie man mit ihnen umgehen muss, weiss Benjamin Christen, der Leiter des Internats Landegg im Kanton St. Gallen, wo junge Asylbwerber leben.
https://www.blick.ch/politik/weil-viele-traumatisiert-sind-im-umgang-mit-jugendlichen-asylbewerbern-braucht-es-feingefuehl-id18595615.html


Zahl der minderjährigen Flüchtlinge explodiert – einer von ihnen war Yasar (19): «In Afghanistan hätte ich keine Zukunft»
In der Schweiz suchen immer mehr unbegleitete Jugendliche Asyl – das bringt die Kantone an den Anschlag. Doch die Geschichte des Afghanen Yasar Nasery (19) zeigt, dass sich die intensive Betreuung auszahlen kann.
https://www.blick.ch/politik/zahl-der-minderjaehrigen-fluechtlinge-explodiert-einer-von-ihnen-war-yasar-19-in-afghanistan-haette-ich-keine-zukunft-id18595277.html


Dienste von SRK-Suchdienst-Leiterin Nicole Windlin (46) derzeit besonders gefragt: Sie hilft Geflüchteten, ihre Familie zu finden
Für viele Asylsuchende ist das Rote Kreuz die letzte Hoffnung. Sie suchen nach Angehörigen, die sie auf der Flucht verloren haben. Die Hilfe ist sehr gefragt.
https://www.blick.ch/politik/dienste-von-srk-suchdienst-leiterin-nicole-windlin-46-derzeit-besonders-gefragt-sie-hilft-gefluechteten-ihre-familie-zu-finden-id18598686.html


Anti-Folterkommission ist alarmiert: Kinderflüchtlinge überfordern den Bund
Aus Sicht einer Expertenkommission herrschen in den Asylzentren des Bundes unhaltbare Zustände für jugendliche Flüchtlinge. Ein Problem ist der Fachkräftemangel.
https://www.blick.ch/politik/anti-folterkommission-ist-alarmiert-kinderfluechtlinge-ueberfordern-den-bund-id18595140.html


Strikte Regeln für jugendliche Flüchtlinge: Kaum Chancen auf Familiennachzug
Das Schweizer Asylgesetz macht es minderjährigen Flüchtlingen praktisch unmöglich, Familienangehörige in die Schweiz zu holen. Das ist vielen jugendlichen Flüchtlingen nicht bewusst.
https://www.blick.ch/politik/strikte-regeln-fuer-jugendliche-fluechtlinge-kaum-chancen-auf-familiennachzug-id18595115.html


«10 vor 10»-Serie «Brennpunkte der Migration»: Die Schweiz
Sie sind noch nicht 18 Jahre alt und verlassen in grosser Zahl ihre Herkunftsländer. Über 2400 unbegleitete Minderjährige haben im letzten Jahr in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. «10 vor 10» zeichnet die Stationen von der Einreise bis zur Integration nach, zeigt Schwierigkeiten und Chancen in diesem Prozess.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/10-vor-10-serie-brennpunkte-der-migration-die-schweiz?urn=urn:srf:video:febcef6b-8216-4764-a2d9-c6c099e616eb


+++BALKANROUTE
Disput um »österreichisches Guantanamo«
Deutschland unterstützt »temporäre Haftanstalt« im bosnischen Flüchtlingslager Lipa
Auch die Bundesregierung beteiligt sich an dem Wiener ICMPD und finanziert deren Projekte. Die ÖVP-nahe Organisation erledigt die Migrationsabwehr für die EU.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173407.eu-migrationspolitik-disput-um-oesterreichisches-guantanamo.html


+++GRIECHENLAND
Griechenland: EU-Kommissarin Johansson fordert Aufklärung nach Pushback-Vorwürfen
Die griechische Küstenwache soll Videoaufnahmen zufolge Asylsuchende auf einem Floß ausgesetzt haben. EU-Kommissarin Ylva Johansson fordert eine unabhängige Untersuchung.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-05/griechenland-pushbacks-eu-kommissarin-ylva-johansson-aufklaerung
-> https://www.woz.ch/zoo/2023/05/22/legal-illegal-scheissegal


+++IRAK
Flüchtlingslager Mexmûr: Schüsse auf Demonstrierende
Das kurdische Flüchtlingslager Mexmûr wird belagert
Im Flüchtlingslager Mexmûr leisten Bewohner*innen Widerstand gegen die irakische Armee, die das selbstverwaltete Lager wohl auf Druck der Türkei mit Stacheldraht einzäunen will.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173417.kurdische-fluechtlinge-fluechtlingslager-mexmur-schuesse-auf-demonstrierende.html


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Lützerath und Co.: Kein Klimaprotest ohne Infrastruktur
Was haben Klimaaktivismus und Hacker- und Makerkultur miteinander zu tun? Wir haben mit Menschen gesprochen, die Klimacamps mit Strom und Internet versorgen und IT-Infrastruktur für Aktivist*innen betreiben.
https://netzpolitik.org/2023/luetzerath-und-co-kein-klimaprotest-ohne-infrastruktur/


Statement zur Räumung der Waldbesetzung «Wald statt Schutt»
Im Rümlanger Wald entstand am Samstag, 8. April 2023 eine Waldbesetzung, um die Erweiterung einer Bauschutt-Deponie und damit die Rodung von rund sechstausend Bäumen zu verhindern. Nach fast zwei wöchigem Bestehen der Wald-WG, erschien am frühen Morgen des 20. Aprils die Kantonspolizei Zürich mit einem riesigen Aufgebot. Die Gruppe «Wald statt Schutt» erläutert in folgendem Text, was bei der Räumung vorgefallen ist, und nimmt dazu Stellung.
https://barrikade.info/article/5969


+++JUSTIZ
«Es macht mir Angst, dass Grundrechte inzwischen so systematisch ausser Kraft gesetzt werden»
Wird Basel zum Labor der Repression? Ein Gespräch mit dem Strafverteidiger Andreas Noll, der die Basler Justiz regelmässig vor Bundesgericht zieht und dabei häufig gewinnt.
https://www.republik.ch/2023/05/22/es-macht-mir-angst-dass-grundrechte-inzwischen-so-systematisch-ausser-kraft-gesetzt-werden


+++BIG BROTHER
bzbasel.ch 22.05.2023

Neue 3D-Kamera der Basler Polizei: Verteidiger fürchtet sich vor Datensammlung auf Vorrat

Die Staatsanwaltschaft verfügt über eine neue Kamera für die erkennungsdienstliche Erfassung. Strafverteidiger Andreas Noll fürchtet, dass dies der erste Schritt für die automatische Gesichtserkennung ist.

Jonas Hoskyn

Frontal und im Profil: So kennt man die Polizeifotos oder auf Englisch Mugshots aus Film und Fernsehen. Doch die Basler Kriminalpolizei hat aufgerüstet. Mittlerweile verfügen die Strafverfolgungsbehörden über eine Kamera, welche bei der sogenannten erkennungsdienstlichen Erfassung einmal rund um den Kopf der tatverdächtigen Person kreist und diese von allen Seiten ablichtet.

Die Existenz dieser neuen Rundum-Kamera ist erst seit kurzem bekannt. Der Basler Strafrechtsverteidiger Andreas Noll erfuhr vor zwei Monaten per Zufall durch einen Mandanten von der neuen Technik und wurde sofort hellhörig. Seine Vermutung: Mit dem neuen Gerät werden Beschuldigte systematisch erfasst und so Vorratsdaten gesammelt, die später für die automatische Gesichtserkennung verwendet werden sollen. «Man legt die Gesichts­profile ab, und sollte einmal eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, hat man die Profile schon und kann darauf zugreifen», sagt Noll im Interview mit dem Onlinemedium «Republik».

«Das ist eine Blackbox»

Die automatische Gesichtserkennung ist rechtlich sehr umstritten. Obwohl fraglich ist, ob eine rechtliche Grundlage für das Abgleichen von biometrischen Daten durch eine Software besteht, wenden mehrere Polizeikorps in der Schweiz diese Technik bereits an. Strafverfolgungsbehörden sehen in der automatisierten Gesichtserkennung eine Effizienzsteigerung. Kritiker warnen vor dem «gläsernen Bürger». Die Technologie eröffne die Möglichkeit der Massenüberwachung. Wohin das führen könne, zeige etwa das Beispiel von China.

Für Verteidiger Noll ist klar: Bevor eine solche technische Neuerung wie die 3D-Kamera angewendet werden kann, bräuchte es eine gesetzliche Grundlage. Entsprechend hat er beim Appellationsgericht beantragt, dass die Daten seines Mandanten umgehend gelöscht werden. Ausserdem soll das Gericht die Kamera und ihre Anwendung grundsätzlich überprüfen. «Das ist eine Blackbox», sagt Noll. «Man weiss nicht, was mit den Daten passiert.»

«Eine haltlose Unterstellung»

Die Staatsanwalt verbitte sich den Vorwurf, flächendeckend und vorratsdatenmässig Rohdaten für die Gesichtserkennung zu sammeln, schreibt die Behörde in ihrer Stellungnahme ans Appellationsgericht. Das sei «eine haltlose Unterstellung». Man sei in der Schweiz weit entfernt von einer automatisierten, algorithmengesteuerten, flächendeckenden Überwachung.

«Die Staatsanwaltschaft hat weder die rechtlichen noch die technischen Möglichkeiten einer Überwachung, wie sie dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nach seiner dystopischen Beschreibung vorzuschweben scheint.» Es sei auch äussert unwahrscheinlich, dass so etwas in der Schweiz je zulässig wäre. «Es bestehen, wie es sich für einen Rechtsstaat gehört, klare rechtliche Hürden und gesellschaftliche Widerstände.»

Grundsätzlich sei es aber möglich, mit der neuen Kamera ein 3D-Modell zu erstellen. Das werde aber ausschliesslich in spezifischen Fällen gemacht, etwa wenn es darum geht, die Tatortaufnahme einer Überwachungskamera mit einem besonderen Aufnahmewinkel mit den Bildern der verdächtigen Person abzugleichen. «Selbst dieser mögliche Anwendungsfall hat aber nichts mit einer automatisierten Gesichtserkennung zu tun.»
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/strafverfolgung-neue-3d-kamera-der-basler-polizei-verteidiger-fuerchtet-sich-vor-datensammlung-auf-vorrat-ld.2461455)


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Drag Story Times, Dublin-Italien-Boykott, N-Wort-Pflichtlektüre
https://antira.org/2023/05/22/drag-story-times-dublin-italien-boykott-n-wort-pflichtlektuere/


Ausstellung in Zürich: «Finde es sehr traurig, dass jemand einen solchen Satz schrieb»
Ausgerechnet in einer Ausstellung zum Thema Kolonialismus der Stadt Zürich kritzelte eine Person eine diskriminierende Botschaft. Für Ausstellerin und SP-Gemeinderätin Yvonne Apiyo Brändle-Amolo zeigt das Gekritzel «etwas in aller Deutlichkeit».
https://www.zueritoday.ch/zuerich/finde-es-sehr-traurig-dass-jemand-einen-solchen-satz-schrieb-151552569


+++RECHTSPOPULISMUS
Von der Drag Story Time als Mittel zur Grenzverschiebung des politischen Diskurses
Gemeinsame Fraktionserklärung der AL und der Grünen zu den Ereignissen rund um den Gender-Tag in Stäfa und der Drag Story Time in Oerlikon.
https://al-zh.ch/blog/2023/05/von-der-drag-story-time/


Stäfa ZH: Gemeindepräsident lehnt Köppel-Debatte über Gender-Tag ab
Nach dem Shitstorm um den «Gender-Tag» lehnt der Gemeindepräsident von Stäfa ZH die Einladung der SVP ab, eine öffentliche Debatte zum Thema abzuhalten.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/stafa-zh-gemeindeprasident-lehnt-koppel-debatte-uber-gender-tag-ab-66500142
-> https://bajour.ch/a/clhz1v1ke107231954ixg697tic1/kommentar-svp-entschuldige-dich


Sie engagiert sich für die FDP: SVP-Glarner verliert seine treue Vize-Präsidentin
Eklat in der Aargauer SVP-Spitze: Gleich mehrere Mitglieder engagieren sich lieber für einen FDP-Konkurrenten. Nun muss Glarner kurz vor den Wahlen im Herbst wichtige Positionen neu besetzen.
https://www.blick.ch/politik/sie-engagiert-sich-fuer-die-fdp-svp-glarner-verliert-seine-treue-vize-praesidentin-id18597164.html
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/parteiknatsch-eklat-in-der-svp-aargau-vizepraesidentin-tritt-zurueck-weil-sie-fuer-fdp-kandidaten-wahlkampf-macht-ld.2460484 (Abo)


Regierungsratsantwort auf M 011-2023 Die Mitte (Roggli, Rüschegg Heubach) Mieter:innen vor Kündigung zugunsten von Unterkünften für Asylsuchende schützen.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=6206e903c44c44d4857cb449c9123af5


«Armutszeugnis»: Marko Kovic soll SRF Objektivität lehren – Bürgerliche toben
Marko Kovic ist Sozialwissenschaftler und bekennender Sozialist. Dass er den SRF nun lehren soll, wie man objektiv berichtet, sorgt für Kritik.
https://www.20min.ch/story/marko-kovic-soll-srf-objektivitaet-lehren-buergerliche-toben-261296248308?version=1684772958059


+++RECHTSEXTREMISMUS
Nutzen von Nazi-Symbol-Verbot in Schweiz wird kritisiert
Wer hierzulande den Hitlergruss zeigt oder ein rechtsextremes Symbol offen trägt, wird nicht zwingend bestraft. In der Schweiz gibt es kein generelles Verbot von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit, wie etwa in Deutschland. Das könnte sich bald ändern. Ein entsprechender Vorstoss wird aktuell im Parlament diskutiert. Expertinnen und Experten bezweifeln jedoch den Nutzen eines Verbots.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/nutzen-von-nazi-symbol-verbot-in-schweiz-wird-kritisiert?partId=12391417
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/nazisymbole-und-gesetzgebung-nazisymbole-koennten-in-der-schweiz-bald-verboten-werden


+++ANTI-WOKE-POPULISMUS
Leitartikel zum Schweizer Sprachgebrauch: Es geht um politische Macht – führen wir die Genderdebatte mit Anstand
Gendergerechtes Reden und Schreiben ist in der Schweiz nicht mehrheitsfähig, das zeigt unsere Umfrage. Trotzdem wird es immer breiter verwendet. Darüber sollten wir reden – statt das Feld der SVP zu überlassen.
https://www.tagesanzeiger.ch/es-geht-natuerlich-auch-um-macht-625525395499?utm_source=Twitter&utm_medium=social-ed&utm_campaign=ta_ed_9_eng_som_xx_xx_FREE_TA_2023-may&utm_content=link
-> https://www.20min.ch/story/nur-fuenf-prozent-der-schweizer-nutzen-den-genderstern-368159950461
-> https://www.20min.ch/story/die-mehrheit-der-schweizer-sagt-weiter-weiterhin-m-kopf-zi-oder-asyl-608508458133
-> https://www.blick.ch/schweiz/umfrage-zeigt-drei-von-vier-personen-interessiert-gender-sprache-nicht-id18596849.html
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/das-gendertheater-mit-dieser-schreibweise-nervt-mich-151643996
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/schwerer-stand-fuer-gendergerechte-sprache-00212779/
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/menschen-in-der-schweiz-sind-laut-umfrage-nicht-sehr-sprachsensibel-151649592



derbund.ch 22.05.2023

Umfrage zur Sprache: «Zigeuner», «Mohrenkopf» und «Asylanten» – so redet die Schweiz

Eine repräsentative Umfrage zeigt erstmals im Detail, wie wenig sprachsensibel das Schweizervolk ist. Abgelehnt wird auch das Gendern. Allerdings zeichnet sich ein Wandel ab.

Dominik Balmer, Patrick Vögeli

Der Fall ist eindeutig, das Wort «Zigeuner» gilt als «diskriminierend». So steht es in der Onlineausgabe des Duden, der deutschen Sprachbibel. Die heute korrekte Bezeichnung für die gesamte Volksgruppe lautet Sinti und Roma.

Das hindert die Schweizerinnen und Schweizer allerdings nicht daran, das Wort noch immer regelmässig in den Mund zu nehmen oder zu schreiben. In einer repräsentativen Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» im März gab etwas mehr als ein Drittel an, den Begriff oft zu nutzen, er sei unproblematisch. 21 Prozent sagten, sie würden ihn manchmal brauchen, aber nur in bestimmten Kreisen. Das ist insgesamt eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer, die den Begriff «Zigeuner» mehr oder weniger regelmässig verwendet. Die Frage war, ob die entsprechenden Wörter aktiv genutzt würden.

Sogar noch höher sind die Werte bei den Begriffen «Mohrenkopf» und «Asylanten» – obwohl auch diese im Duden mit dem Hinweis «diskriminierend» respektive «abwertend» versehen sind. Und selbst vermeintlich längst verschwundene oder veraltete Wörter wie «Fräulein» und «Jugo» taxiert rund ein Viertel respektive ein Fünftel als unproblematisch – dementsprechend geben sie an, dass sie diese Wörter auch nutzen würden.
-> Umfrage: https://datawrapper.dwcdn.net/hqyrR/2/

Die Umfrage zeigt auch: Männer geben häufiger an, dass sie die diskriminierenden Begriffe verwenden, als Frauen und jüngere Generationen. Auf dem Land stossen die problematischen Wörter zudem auf eine grössere Akzeptanz.

Deutlich sind zudem auch die Unterschiede bei der Nutzung der Wörter, wenn nach Parteisympathie der Befragten unterschieden wird. Wenig überraschend geben 94 Prozent der SVP-Sympathisanten an, dass sie den Begriff «Asylanten» oft oder manchmal nutzen würden. Selbst bei den SP-Anhängerinnen und -Anhängern gibt es in dieser Kategorie eine – wenn auch knappe – Mehrheit.
-> Umfrage: https://datawrapper.dwcdn.net/X9aZP/1/

Martin Luginbühl ist Professor für germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Basel. Für ihn sind diese Resultate «sehr überraschend», wie er am Telefon sagt. Er sei schlicht erstaunt, wie hoch der eigene Gebrauch von solch «hochbrisanten» Wörtern in der Schweiz noch immer eingeschätzt werde.

Nüchtern betrachtet lasse dies nur den Schluss zu, dass offenbar die «Bestrebungen zur Steigerung der Sprachbewusstheit diverser Akteursgruppen bis heute wenig fruchtbar sind». Luginbühl denkt an den Begriff «Krankenschwester», der seit zwanzig Jahren offiziell keine Berufsbezeichnung mehr ist – trotzdem aber noch sehr geläufig ist. Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass es bei der korrekten Berufsbezeichnung auch um den «Respekt gegenüber den Fachpersonen» gehe.

Sprachwissenschaftler Luginbühl sieht vor allem die Schulen in der Pflicht, ein Bewusstsein zu schaffen für den Sprachgebrauch – und damit für heikle oder gar diskriminierende Begriffe wie eben «Zigeuner» oder «Mohrenkopf». Ob ein bestimmtes Wort genutzt werde, sei dann natürlich jedem selbst überlassen. Ähnlich sieht es der deutsche Sprachexperte und Journalist Matthias Heine. In seinem neuen Buch «Kaputte Wörter?» listet er 78 umstrittene Begriffe auf – es ist keine Verbotsliste. Sondern das Buch soll laut Heine «darüber aufklären, welche Wörter Kommunikationsstörungen erzeugen können, wenn man sie arglos benutzt».

Nur ein Viertel achtet beim Schreiben und Sprechen aufs Gendern

Wie stark Schweizerinnen und Schweizer im traditionellen Sprachgebrauch verhaftet sind, zeigt sich nicht nur bei heiklen Begriffen, sondern auch bei der Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache – dem sogenannten Gendern. Zunächst einmal geben in der Umfrage nur 18 Prozent an, dass die «Gleichstellung der Geschlechter» ein drängendes Problem sei. An der Spitze stehen die Gesundheitskosten (58 Prozent), die Altersvorsorge (47 Prozent) sowie der Klimawandel (45 Prozent).

Und auf die Frage «Achten Sie beim Formulieren von Texten und beim Sprechen auf eine gendergerechte Sprache?» antworteten drei Viertel der Befragten mit Nein oder «Eher nein».
-> Umfrage: https://datawrapper.dwcdn.net/FrFb6/8/

Die Resultate zeigen auch: In privaten Konversationen ist die Bereitschaft zum Gendern tendenziell tiefer als im Arbeitsumfeld. Und wie bei den heiklen Begriffen zeigt sich auch hier: Männer – vor allem ältere – sind am wenigsten bereit, eine gendergerechte Sprache zu nutzen.

Zudem wird auch deutlich, dass sich das Gendern im mündlichen Ausdruck bislang kaum durchgesetzt hat.
-> Umfrage: https://datawrapper.dwcdn.net/jDAQd/6/

Für Germanistikprofessor Luginbühl deuten die Resultate alles in allem darauf hin, dass es in der Schweiz derzeit «noch keine sehr breite Unterstützung für das diskriminierungsarme Sprechen gibt». Allerdings frage die Umfrage bloss die Spracheinstellung ab und nicht die konkrete Verwendung oder Akzeptanz im Alltag.

Das bedeutet laut Luginbühl: Wenn man den Befragten stattdessen konkrete Texte – zum Beispiel vom Lieferdienst Galaxus oder vom Streaminganbieter Spotify – vorgelegt hätte, dann wären die gendergerechten Formulierungen darin vielleicht gar nicht als auffällig erkannt und genannt worden. Das sei etwa das Gleiche, wie «wenn man in Bern fragt, wie schön man den Zürcher Dialekt findet. Dann erhält man eine andere Antwort, als wenn man einfach eine Tondatei vorspielt und fragt, wie gut die abgespielte Dialektprobe gefällt.»

Generisches Maskulinum nach wie vor an der Spitze

Tatsächlich ist die Zustimmung zum Gendern auch in der vom Forschungsinstitut LeeWas durchgeführten Umfrage höher, wenn nach konkreten Vorlieben beim Schreiben und Sprechen gefragt wird. So gaben 23 Prozent an, dass sie das generische Maskulinum bevorzugen würden – also die rein männliche Form, bei der das weibliche Geschlecht mitgemeint ist. Ebenfalls 23 Prozent nannten die Nennung beider Geschlechter als Mittel ihrer Wahl. Deutlich weniger beliebt sind hingegen der Genderstern oder der Genderdoppelpunkt, wie das auch frühere Umfragen gezeigt haben.
-> Umfrage: https://datawrapper.dwcdn.net/bVu9X/14/

Sprachwissenschaftler Luginbühl sieht dennoch Anzeichen für einen – wenn auch langsamen – Sprachwandel in der Schweiz. So sind die 18- bis 34-Jährigen dem Genderstern oder Genderdoppelpunkt gegenüber aufgeschlossener, als dies in den übrigen Altersgruppen der Fall ist. «Diese Unterschiede können ein Hinweis darauf sein, dass sich der Wandel in der Spracheinstellung bei jüngeren Menschen schon etwas mehr durchgesetzt hat als bei älteren», sagt der Germanistikprofessor. Klar sei aber auch, dass dieser Wandel sicher nicht so schnell und flächendeckend geschehe, wie dies die Gegnerschaft in der hitzigen Debatte rund um das Gendern vermuten lasse.

Allerdings sieht Luginbühl daneben auch Anzeichen einer zunehmenden Polarisierung – gerade bei den jüngeren Generationen. So ist bei den Frauen in der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen die Präferenz zum Genderstern zwar mit 13 Prozent am höchsten. In der gleichen Altersgruppe bei den Männern hingegen sieht es anders aus: Da nennen nur 5 Prozent den Genderstern als präferiertes Mittel. Stattdessen bevorzugen 32 Prozent das generische Maskulinum – das ist der Spitzenwert. Und das ist mehr als in allen anderen Altersgruppen.



Die Umfrage

30’754 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 28. und am 29. März 2023 an der Umfrage zu Sprache, Geschlecht und zur Diskussionskultur in der Schweiz von Tamedia und «20 Minuten» teilgenommen. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut LeeWas durchgeführt. LeeWas modelliert die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,0 Prozentpunkten. Bei Auswertungen von Untergruppen kann dieser grösser sein.
(https://www.derbund.ch/zigeuner-mohrenkopf-und-asylanten-so-redet-die-schweiz-100963416276)



tagesanzeiger.ch 22.05.2023

Duden-Chefredaktorin zum Gendern«: ‹Menschen› statt ‹Patienten› – das ist eben auch gendern»

Kathrin Kunkel-Razum erklärt im Interview, warum Wörter wie «Asylanten» nach wie vor im Duden stehen und der Genderstern auf dem Vormarsch ist.

Dominik Balmer

Frau Kunkel-Razum, wann haben Sie zuletzt das Wort «Asylanten» gehört oder gelesen?

Da kann ich mich nicht konkret daran erinnern. Aber es ist definitiv noch nicht so lange her. Also das ist sicher ein Wort, das in bestimmten Situationen noch gebraucht wird.

Und das Wort «Zigeuner»?

Das war erst kürzlich in einem Restaurant bei einer Diskussion. Da ging es ums Zigeunerschnitzel.

In einer repräsentativen Umfrage gab eine Mehrheit in der Schweiz an, solche und ähnliche Wörter mehr oder weniger oft zu nutzen. Ist das schlimm?

Ich glaube, schlimm ist nicht die richtige Beschreibung. Der Gebrauch des Wortschatzes ist eben ein grosses Thema, das die Menschen beschäftigt.

Also vielmehr Bequemlichkeit?

Ich denke schon, dass das eine Rolle spielt. Man hat ja doch viele Wörter gespeichert, entwickelt eine «eigene Sprache». Sprache und Sprechweise sind Teil der Identität. Da lässt man sich ungern etwas vorschreiben – auch wenn es nur vermeintlich ist. Und manchen Menschen fällt es tatsächlich schwer, die Wörter nicht mehr zu gebrauchen. Das setzt einen Willen voraus und bedeutet Arbeit.

Gemäss Duden gelten Begriffe wie «Asylanten» oder «Zigeuner» als «abwertend» respektive «diskriminierend». Warum folgen die Leute dem Duden nicht?

Dazu muss man wissen, wie wir arbeiten. Unsere Basis ist eine digitale Textsammlung, die aktuell ungefähr 6,8 Milliarden laufende Wortformen umfasst. Enthalten sind darin vor allem Texte aus Zeitungen, aber auch Belletristik, Sachtexte und RSS-Feeds. Diese Sammlung zeigt uns, wie die Leute die Sprache effektiv nutzen oder wie sie sich entwickelt. Aber die private gesprochene Sprache vom Stammtisch können wir nicht abbilden. Wir sitzen nicht in der Kneipe und zeichnen da Gespräche auf, die wir auswerten – also da, wo man allenfalls noch von «Asylanten» redet. Unsere Aufgabe ist die Beschreibung.

Trotzdem gilt der Duden als Instanz.

Das hängt mit der Geschichte des Duden und der Tradition zusammen. Viele Leute empfinden uns als vorschreibend, was wir aber nicht sind. Wir streichen keine Wörter, auch nicht das N-Wort oder «Zigeuner». Wir ordnen aber ein – eben zum Beispiel als «abwertend» oder «diskriminierend». Und unsere Einordnungen wiederum entnehmen wir dem Sprachgebrauch, so wie wir ihn sehen.

Was halten Sie von Schreibweisen wie «Asyl***» statt «Asylanten» oder «M***kopf» statt «Mohrenkopf»?

Für die Wörterbücher halte ich davon nicht sehr viel. Die Wörter verschwinden ja nicht, weil sie nicht mehr im Wörterbuch stehen. Wichtig ist eine Aufklärung über die Geschichte der Wörter. Und eine Auseinandersetzung. Zudem wird mit solchen Schreibweisen nochmals mehr Zorn erzeugt, weil gewisse Kreise dann wirklich den Eindruck bekommen, hier soll ihnen jetzt etwas verboten werden.

Ihre Textsammlung zeigt auch, dass das generische Maskulinum – also die rein männliche Form – auf dem Rückzug ist. Wie passt das zu den Umfrageresultaten, wonach das Gendern breit abgelehnt wird?

Gendersprache ist ein absolutes Hasswort geworden, bei dem überhaupt nicht mehr klar ist, was es bedeutet. Wir legten kürzlich einem Publikum, das gegenüber dem Gendern überhaupt nicht aufgeschlossen ist, zwei Versionen einer Spitalbroschüre vor, einmal veraltet und mit männlichen Formen, einmal gegendert. Und alle fanden den zweiten Text besser. «Menschen» statt «Patienten» – das ist eben auch Gendern. Oder «liebe Zuhörerinnen und Zuhörer» statt nur «liebe Zuhörer». Das wissen viele nicht. Sobald die Leute konkrete Beispiele sehen, reagieren sie anders.

Der Duden gibt einen Leitfaden fürs Gendern heraus. Darin präferieren Sie den Genderstern …

… Na ja, da muss man sehr vorsichtig sein. Zunächst einmal geht es da um Genderzeichen wie Stern oder Doppelpunkt. Und diese sind im amtlichen Regelwerk bis heute nicht vorgesehen. Und dieses Werk regelt ja die deutsche Rechtschreibung – auch in der Schweiz. Und der Duden setzt das nur um. Wir können also gar nicht das Sternchen empfehlen, weil es im Regelwerk nicht vorgesehen ist. Was wir aber in den Daten sehen: Genderzeichen werden häufiger benutzt als früher. Und von den Zeichen wird am häufigsten das Sternchen benutzt. Der Doppelpunkt steht an zweiter Stelle. Wir beschreiben also nur, was wir beobachten.

Viele, die das Gendern ablehnen, sagen aber, es verkompliziere die Sprache, sie werde länger und unverständlicher.

Diese Argumente sind in meinen Augen nicht haltbar. Sie sind wissenschaftlich widerlegt. Die Übersetzbarkeit, die Vorlesbarkeit – mittlerweile gibt es für alles eine Lösung. Und es ist nun mal so: Wenn wir «Hörerinnen und Hörer» sagen, schliessen wir eine Gruppe aus, die sich weder männlich noch weiblich fühlt. Mit dem Sternchen sind alle gemeint. Und wenn man das ein paarmal gesehen hat, dann hat man auch verstanden, was es heissen soll.

Wie bringt man denn Leute zum Gendern?

Was mir fehlt, ist das vernünftige Mittelfeld. Lasst uns doch mal ausprobieren, wie das Gendern funktioniert und wie wir geschlechtergerechte Sprache umsetzen können. Ohne dass wir die Leute gleich überfordern. Und lasst uns mal diesen Geifer rausnehmen – es gibt ja mittlerweile Kreise, die ein Verbot der Gendersprache fordern. Von Menschen, die sich beklagen, die Sprache werde mit dem Gendern zu sehr reguliert …

Sprachdebatten werden oft als unwichtig eingestuft. Warum regen sich die Leute dann trotzdem so auf?

Was ich an diesen Debatten wirklich als anstrengend empfinde, ist der Satz: «Es ist doch viel wichtiger, dass Frauen den gleichen Lohn haben.» Aber wie kommen wir da hin? Nur über die Sprache. Das gilt für die Lösung all unserer Probleme. Alles findet über die Sprache statt. Und diese muss präzise sein.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie als Duden-Chefredaktorin oft zur Zielscheibe werden.

Die Reaktionen auf alles, was wir tun, sind überbordend. Gerade wenn es ums Gendern und den Gebrauch des Wortschatzes geht. Wir werden von allen Seiten bewertet. Das zeigt mir einerseits: Sprache ist wichtig. Andererseits frage ich mich: Was wohl in den Köpfen mancher Leute vorgeht?



Zur Person

Kathrin Kunkel-Razum, Jahrgang 1959, ist promovierte Sprachwissenschaftlerin. Sie arbeitet seit 1997 für die Duden-Redaktion. 2016 übernahm sie deren Leitung. Die Redaktion ist für das Wörterbuch- und Grammatikprogramm verantwortlich. Kathrin Kunkel-Razum ist zudem im Rat für deutsche Rechtschreibung, einem Gremium, das die Rechtschreibung weiterentwickelt und Empfehlungen für staatliche Institutionen herausgibt. (bal)
(https://www.tagesanzeiger.ch/duden-gendern-sprache-genderstern-496071691946)



«Das finde ich grauenvoll» – beim Gendern scheiden sich die Geister
Das Thema «Gender und gerechte Sprache» polarisiert wie kaum ein anderes. Aber: Wichtig findet die Debatte über gendergerechte Sprache in der Schweiz gerade einmal ein Viertel. Ebenso wenige Menschen achten im Alltag darauf. Das zeigt eine representative Umfrage von 20 Minuten und Tamedia in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut LeeWas.
https://www.watson.ch/schweiz/leben/191474352-das-finde-ich-grauenvoll-beim-gendern-scheiden-sich-die-geister


+++SPORT
Nach Fangewalt: Luzerner Sicherheitsdirektor fordert Sanktionen
Der Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) hat genug: Nach den Ausschreitungen vom Samstagabend in der Stadt Luzern fordert er harte Sanktionen. Ob es dabei das Fanlager des FC St. Gallen und des FC Luzerns treffe, werde abgeklärt.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/nach-fangewalt-luzerner-sicherheitsdirektor-fordert-sanktionen?id=12391129
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzern-will-sonderschulklassen?id=12391279 (ab 03:20)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/nach-ausschreitungen-harte-sanktionen-gefordert?id=12391117
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/zweite-grosse-listenverbindung-im-thurgau?id=12391303 (ab 05:11)
-> https://www.zentralplus.ch/sport/fc-luzern/paul-winiker-fordert-hartes-durchgreifen-bei-fussball-chaoten-2547401/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/die-ausschreitungen-treffen-mich-brutal?id=12391534 (ab 02:34)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/nach-fangewalt-fc-luzern-muss-mit-sanktionen-rechnen?id=12391543 (ab
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/fankrawalle-in-luzern-experte-stadionverbote-fuer-fankurve-waeren-kontraproduktiv
-> https://www.fcsg.ch/home/redaktionsbaum/club/20230521-stellungnahme-luzern/
-> https://news.lu.ch/html_mail.jsp?id=0&email=news.lu.ch&mailref=000ilmy000eyq000000000000clnn20z
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/fangewalt-im-fussball-luzern-sucht-nach-loesungen?urn=urn:srf:video:4309f4ae-e23e-4587-9efc-a0a921256755
-> https://www.fanarbeit.sg/stellungnahme-zu-luzern
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/anwohner-fordern-handeln-nach-fussball-randalen-151649608
-> https://www.pilatustoday.ch/sport/fcl/es-macht-mich-wuetend-und-traurig-zugleich-fcl-praesident-kritisiert-fan-chaoten-151647897?autoplay=true&mainAssetId=Asset:151647848
-> https://www.pilatustoday.ch/zentralschweiz/luzern/winiker-fordert-sanktionen-fuer-randalierende-fussballfans-151639984?autoplay=true&mainAssetId=Asset:151634150
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/fussball-fangewalt-in-der-schweiz?urn=urn:srf:video:81e0c297-7939-40d6-9511-c7f6a0863379



tagblatt.ch 22.05.2023

Es droht ein leerer Espenblock: St.Galler Sicherheitschefin Lüthi fordert Massnahmen gegen Chaoten – FCSG-Präsident Hüppi: «Eskalation geht mir nahe»

Am vergangenen Samstag kam es nach dem Fussballspiel Luzern – St.Gallen zu Ausschreitungen zwischen Fans der Espen und der Polizei. Sieben Personen wurden verletzt. «Solche Vorfälle können nicht sanktionslos bleiben», sagt die Sicherheitsdirektorin der Stadt St.Gallen. Klubpräsident Matthias Hüppi rechnet mit Auflagen für Heimspiele.

Enrico Kampmann, Christian Brägger, Ralf Streule

Sie lieferten sich im Vorfeld der Partie eine Massenschlägerei in Wil. Sie bewarfen Polizisten und Passanten mit Petarden, Pyrofackeln, Flaschen und Steinen. Sie zertrümmerten Strassenschilder und herumstehende Fahrräder. Die Randale der Fans des FC St.Gallen am Samstagabend nach dem Auswärtsspiel gegen den FC Luzern arteten derart aus, dass die Polizei Gummischrot, Tränengas und Wasserwerfer einsetzte. Sieben Personen wurden dabei verletzt, darunter zwei Polizisten und eine unbeteiligte Passantin.

Das alles nur wenige Tage, nachdem die Bewilligungsbehörden den Sion-Fanblock im Tourbillon erstmals wegen Ausschreitungen gesperrt hatten. Entsprechend haben Politikerinnen und Politiker in den sozialen Medien bereits hartes Durchgreifen seitens der Behörden gefordert.

Espenblock könnte leer bleiben

Verantwortlich für die Sicherheit rund um den Kybunpark in St.Gallen ist Stadträtin Sonja Lüthi, die städtische Sicherheitsdirektorin und Mitglied der nationalen Arbeitsgruppe der Bewilligungsbehörden. Zu konkreten Massnahmen, die gegen den FC St.Gallen und seine Fans verhängt werden könnten, kann Lüthi noch keine Auskunft geben. Die Arbeitsgruppe kommt am Dienstagvormittag zusammen, um mögliche Massnahmen zu besprechen. Danach wird der Beschluss kommuniziert. Aber Lüthi sagt klar: «Solche Vorfälle können nicht sanktionslos bleiben.»

Man wird sich beim Entscheid an die kürzlich bekannt gegebenen Vorgaben halten, so Lüthi. Diese sehen vor, dass zunächst eine Videokonferenz der Arbeitsgruppe abgehalten wird, wenn ein Vorfall als gravierend eingestuft wird. Mit dabei sind auch die Swiss Football League und die betroffenen Klubs.

Die Klubs, deren Fans sich falsch verhalten haben, könnten nach Vorfällen zunächst selbst Vorschläge für Massnahmen bei den Bewilligungsbehörden einreichen, erklärt Lüthi. Wenn solche ausblieben oder die Arbeitsgruppe nicht überzeugten, entscheide diese über weiterführende Massnahmen – beispielsweise eine Schliessung der Fankurven für ein bis drei Spiele. Ausschreitungen mit Verletzten seien grundsätzlich als gravierend einzustufen.

Vergangene Woche hatten die Bewilligungsbehörden erstmals eine solche Sektorsperre gegen die Fans des FC Sion verhängt. Im Nachgang des 0:5 verlorenen Rhône-Derbys gegen Servette in Genf waren bei schweren Ausschreitungen fünf Polizisten verletzt worden. Die Tribüne der Sion-Ultras blieb folglich im Heimspiel gegen YB an diesem Sonntag geschlossen. Somit ist es durchaus möglich, dass am nächsten Heimspiel am Pfingstmontag keine Chöre aus dem Espenblock erklingen werden.

Hüppi gehen die Vorkommnisse nahe – der Präsident erwartet Auflagen

Noch ist das Urteil gegen den FC St.Gallen nicht gesprochen, auch deshalb gab sich der Klub verständlicherweise zurückhaltend, obschon seine Meinung deutlich ist. «Ich bedaure die Eskalation in Luzern zutiefst; sie geht mir nahe. Nie werde ich begreifen können, dass Menschen im Zusammenhang mit einem Fussballspiel durch Gewaltanwendung zu Schaden kommen oder Infrastruktur mutwillig zerstört wird», sagt Präsident Matthias Hüppi, der alles daran setzt, dass die Vorfälle rund um das Spiel in Luzern mit allen involvierten Parteien aufgearbeitet werden.

Es sei stets das übergeordnete Ziel, friedliche Spiele durchzuführen und gewaltbereite Personen von Klub und Stadion fernzuhalten, sagt Hüppi. «Wer dem FC St.Gallen Schaden zufügt, hat bei uns keinen Platz. Wir tragen die Verantwortung für alle Menschen im Stadion, egal, wo sie stehen oder sitzen.» Dass die hehren Ziele immer auch von einem gewissen Grad an Ohnmacht und Enttäuschung begleitet würden, gebe er gerne zu.

Hüppi erwartet nach intensiven Diskussionen mit den Bewilligungsbehörden Auflagen für die Heimspiele, entsprechende Massnahmen würden voraussichtlich schnell verordnet. Grundsätzlich wurde im Kybunpark bislang mit den Fans, Fanarbeit, Behörden und im Dialogprozess viel erreicht. Die Entwicklung ist positiv, Ausreisser nach unten sind relativ selten. Ein Indiz dafür sind die stets gut besetzten Familiensektoren sowie die hohe Stadionauslastung.

«Jeder und jede soll sich in unserem Stadion sicher und gut aufgehoben fühlen», so Hüppi. «Dass eine Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsspielen besteht, ist nicht von der Hand zu weisen und offensichtlich. Wer Grenzen überschreitet, muss sich im Klaren sein, dass allfällige Strafen und Konsequenzen immer auch Unbeteiligte und Unschuldige treffen.»

Bis zu 20’000 Franken Busse

Seitens der Swiss Football League (SFL) gibt es zu den Vorfällen in Luzerns Strassen keine offizielle Stellungnahme. Mediensprecher Philippe Guggisberg weist darauf hin, dass die Liga für Disziplinarisches ausserhalb des Stadions nicht zuständig ist. Beim Sanktions-Entscheid habe man deshalb im vorliegenden Fall keinen Einfluss. Bei den Gesprächen zwischen Behörden und Klubs sei man höchstens beratend anwesend. Die Sache mit den Rauchpetarden im Stadion hingegen sei beim SFL-Disziplinarrichter hängig. St.Galler Fans hatten Petarden gezündet, wegen der Rauchentwicklung hatte es mehrere Spielunterbrüche gegeben. In ähnlichen Fällen waren Klubs jeweils mit einer Busse von 10’000 bis 20’000 Franken bestraft worden.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/fc-stgallen-es-droht-ein-leerer-espenblock-stgaller-sicherheitschefin-luethi-fordert-massnahmen-gegen-chaoten-fcsg-praesident-hueppi-eskalation-geht-mir-nahe-ld.2461633)

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tagblatt.ch 22.05.2023

«Gummischrot, Wasserwerfer und Tränengas gegen Unbeteiligte»: Fanarbeit St.Gallen kritisiert nach Ausschreitungen die Luzerner Polizei

Die Fanarbeit St.Gallen spricht nach den Ausschreitungen beim FCSG-Match in Luzern von einer «gewissen Ohnmacht». Gleichzeitig hält sie das Eingreifen der Sicherheitskräfte vor Ort für überzogen – und spricht sich gegen «polemische Massnahmen» aus.

Daniel Walt

Einmal mehr diskutiert die Schweiz über Gewalt rund um ein Fussballspiel. Dieses Mal mittendrin: der FC St.Gallen und jene Fans, die am Samstag in die massiven Ausschreitungen nach der Partie in Luzern verwickelt waren. Und irgendwie, sehr zu ihrem Verdruss und frei nach dem Motto «Mitgegangen – mitgefangen», auch jene St.-Gallen-Fans, die zwar vor Ort dabei waren, aber keinerlei Schuld auf sich geladen haben. Die Politik fordert Massnahmen gegen die Chaoten im Umfeld der Espen, dem Club droht am Pfingstmontag im Heimspiel gegen Sion ein leerer Espenblock, und Präsident Matthias Hüppi zeigt sich betroffen von den Ereignissen.

Nun bezieht auch die Fanarbeit St.Gallen Stellung zu den Vorkommnissen. Sie fordert in einer Mitteilung auf ihrer Website «eine lückenlose Aufarbeitung der Geschehnisse von und mit allen Beteiligten».

«Übersteigt jedes bisher bekannte Mass um ein Vielfaches»

«Die Fanarbeit St.Gallen verurteilt den Einsatz von Pyrotechnik als Waffen, Knallkörpern und anderen Wurfgegenständen gegen Menschen», schreibt sie einleitend. Darüber bestehe auch in der St.Galler Fanszene ein grundsätzlicher Konsens. Trotzdem bewarfen Espen-Chaoten am Samstag Polizisten und Passanten mit Petarden, Handlichtfackeln, Flaschen und Steinen. Weshalb es dazu gekommen ist, bedarf gemäss der Fanarbeit einer «ebenso tiefgründigen Aufarbeitung und Analyse wie der Einsatz der Luzerner Behörden». Die Fanarbeit schreibt: «Die Zahl der durch einen Mitteleinsatz verletzten Fans übersteigt jedes bisher bekannte Mass um ein Vielfaches.»

Nach offiziellen Angaben waren bei den Zusammenstössen in Luzern, die teils einer regelrechten Strassenschlacht glichen, sieben Menschen verletzt worden – darunter zwei Polizisten und eine unbeteiligte Passantin.

«Keine Fluchtmöglichkeiten»

Staatliches Handeln muss verhältnismässig sein: Diesen Grundsatz ruft die Fanarbeit St.Gallen in ihrer Stellungnahme in Erinnerung. Und zieht in Zweifel, ob ihm am Samstag seitens der Luzerner Einsatzkräfte nachgelebt wurde. «Die Mitarbeitenden der Fanarbeit St.Gallen haben den Einsatz von Gummischrot, Wasserwerfer und Tränengas gegen Unbeteiligte direkt miterlebt. Dass es zudem keinerlei Fluchtmöglichkeiten gab und verletzte Personen keinen Zugang zu medizinischer Notversorgung hatten, ist fatal», hält sie fest.

In den vergangenen Monaten sei es in Luzern mit verschiedenen Fanszenen zu ähnlich negativen Ereignissen gekommen. Dies müsse in die Evaluation der aktuellen Ereignisse einbezogen werden, fordert die Fanarbeit.

In der Tat ist Luzern ein Hotspot von Gewalt rund um Fussballspiele. Im vergangenen März beispielsweise wüteten Chaoten aus dem Umfeld des FC Basel in der Zentralschweiz – nicht nur im Zug, sondern auch in Luzerner Quartieren sowie in der Swisspor-Arena. Im April dann kam es zu Sachbeschädigungen durch Fans des FC Zürich, in deren Folge die Luzerner Polizei Gummischrot einsetzte.

Der Luzerner Sicherheitsdirektor Paul Winiker sagt gegenüber SRF:«Das Verhalten der Polizei war verhältnismässig.» Die Polizei habe die Fangruppen trennen müssen. Sie habe die gewalttätigen Fans, die etwa mit Gegenständen warfen, abgemahnt. Winiker: «Erst als die Warnungen nicht respektiert wurden, wurden Mittel wie Gummischrot oder Wasserwerfer eingesetzt.»

«Überlegt agieren»

«Die Geschehnisse lassen uns alle mit einer gewissen Ohnmacht zurück, was die Rufe nach strengeren Massnahmen nachvollziehbar macht», schreibt die Fanarbeit weiter. Umso wichtiger sei es jetzt, nicht einfach dem polemischen Reflex nach schnellen Massnahmen zu folgen, sondern überlegt zu agieren. Von der «AG Bewilligungsbehörden», der kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) und allen anderen Beteiligten erwartet die Fanarbeit nach eigenem Bekunden einen sachlichen Umgang «unter Berücksichtigung aller Umstände der Ereignisse». Mit vorschnellen Massnahmen ein Präjudiz hinsichtlich eines Kaskadensystems zu schaffen, entspreche nicht dem vorgezeichneten Weg.

«Niemand wünscht sich eine Wiederholung»

Die Fanarbeit St.Gallen ist gemäss ihrer Mitteilung bereit, den Weg des Dialoges konsequent weiterzugehen und ihren Beitrag zur Aufarbeitung zu leisten. «Niemand wünscht sich eine Wiederholung solcher Ereignisse. Dafür sind wir auf die Mitwirkung aller Beteiligten angewiesen.» Nur so gelinge es, die richtigen Schlüsse zu ziehen und nachhaltige Lösungen zu schaffen, «für einen gemeinsamen Weg», so die Fanarbeit, die den Verletzten eine rasche und vollständige Genesung wünscht.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/fussball-gummischrot-wasserwerfer-und-traenengas-gegen-unbeteiligte-fanarbeit-stgallen-kritisiert-nach-ausschreitungen-die-luzerner-polizei-ld.2461813)
-> https://www.fanarbeit.sg/stellungnahme-zu-luzern



tagblatt.ch 22.05.2023

Pyros im Stadion: FCL macht nur Stichproben

Massenhaft Feuerwerkskörper schleppten Zuschauer am vergangenen Samstag in die Swisspor-Arena in Luzern. Der FCL begründet dies mit dem «Good-Hosting» und einer besonders schwierigen Situation.

Christian Glaus

Zwei Mal musste am vergangenen Samstag das Spiel zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen unterbrochen werden, weil Zuschauer im Stadion Feuerwerkskörper zündeten. Besucher berichten von unglaublich grossen Mengen, die man unmöglich unter Kleidern versteckt ins Stadion schmuggeln könne. Beim Eingang seien kaum Kontrollen durchgeführt worden.

Die Frage, wie so viele Petarden unentdeckt ins Stadion gelangen konnten, beantwortet FCL-Präsident Stefan Wolf nicht direkt. Die Fans würden sich erfahrungsgemäss weder durch verstärkte Kontrollen noch durch härtere Strafen vom illegalen Abbrennen von Pyros abhalten lassen.

Jedoch führt Wolf aus, dass die Schweizer Fussballklubs seit mehreren Jahren das Einlasskonzept «Good-Hosting» anwenden würden. Dieses habe zu einer Beruhigung der Situation beim Einlass und im Stadion beigetragen.

Die Konsequenz dieses Konzepts ist, dass nur Stichprobenkontrollen durchgeführt werden. Am Samstag sei die Situation besonders schwierig gewesen, so Wolf, «weil der Fanmarsch des FC St. Gallen sehr spät beim Stadion eintraf».

Auf Anfrage unserer Zeitung macht der Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker deutlich: «Wir erwarten strikte Kontrollen. Da kann die Luzerner Polizei unterstützend mithelfen.»

Die Pyros werden auch die Swiss Football League (SFL) beschäftigen. Der Fall ist derzeit beim Disziplinarrichter hängig, wie es auf Anfrage heisst. Zu erwarten ist wohl eine Busse von 10’000 bis 20’000 Franken für den FC St. Gallen. Zu den Strassenschlachten in der Stadt äussert sich die Liga nicht. Sie sei zuständig für Disziplinarisches im Stadion, nicht aber ausserhalb.
(https://www.tagblatt.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/fussball-chaoten-pyros-im-stadion-fcl-macht-nur-stichproben-ld.2461450)



luzernerzeitung.ch 22.05.2023

Nach Ausschreitungen in Luzern: Regierungsrat Paul Winiker stellt Gästesektoren infrage

Knallpetarden und Leuchtfackeln fliegen beim Bundesplatz in Luzern durch die Luft, sieben Personen werden nach dem FCL-Heimspiel verletzt. Was tun gegen die zunehmende Gewalt bei Fussballspielen?

Christian Glaus

Vier Verletzte Anfang April in Basel, fünf Verletzte Mitte Mai in Genf, nun sieben Verletzte in Luzern. Die Gewaltspirale bei Fussballspielen in der Schweiz dreht sich weiter. In der Nacht auf Sonntag kam es zu wüsten Strassenschlachten in Luzern. Und dies, obwohl die Sanktionen gegen Chaoten, welche die Arbeitsgruppe der Bewilligungsbehörden erst vor Wochenfrist präsentiert hatte, das Gegenteil bewirken sollten.

Konkret besagen die Sanktionen: Kommt es zu Ausschreitungen, gibt’s für die beteiligten Gruppierungen ein Stadionverbot; sie dürfen dann nicht mehr in ihre Fankurven, daheim oder auch auswärts. Im Wiederholungsfall erhöht sich die Strafe. Am vergangenen Sonntag musste der FC Sion die Tribüne der Ultras aufgrund der Ausschreitungen in Genf schliessen.

Winiker will der Arbeitsgruppe «nicht vorgreifen»

Der Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) zeigte sich nach den Strassenschlachten in Luzern schockiert und kündigte Sanktionen an. Wie diese konkret aussehen könnten, dazu äussert er sich auf Anfrage nicht. Darüber befinde nun die Arbeitsgruppe Bewilligungsbehörden der Kantone und Städte. «Ich kann nicht vorgreifen.» Klar ist, dass sich in der Nacht auf Sonntag Luzerner und St. Galler Anhänger an den Strassenschlachten beteiligten.

Der Sicherheitsmanager der Stadt Luzern, Christian Wandeler, sagt nach den Ausschreitungen, er habe keine Patentlösungen. Klar sei: «Es braucht für die Sicherheit rund um die FCL-Spiele auf die nächste Saison hin Anpassungen. Eine solche Situation wie am vergangenen Wochenende können wir nicht mehr akzeptieren.» Für die Stadt Luzern seien vor allem die Fantransporte der Gäste durch die Stadt wichtig. Dazu würden nun Gespräche mit Polizei, Verkehrsbetrieben VBL, dem FC Luzern und der Fanarbeit geführt.

Neuer Standort für das Fanlokal?

Auch der Standort des Luzerner Fanlokals Zone 5 direkt beim Bundesplatz könnte wieder auf den Tisch kommen. Denn wenn die Gästefans vom Bahnhof zum Stadion marschieren, kommen sie fast unweigerlich daran vorbei. «Für die Stadt Luzern ist der Standort der ‹Zone 5› nicht ideal, aber für ein Verbot oder eine Verschiebung sind uns die Hände gebunden», sagt Wandeler. «Eine einfache Lösung für die Probleme mit der Fangewalt wird es leider nicht geben. Die Stadt Luzern begrüsst einheitliche nationale Lösungen wie das Kaskadenmodell.»

FCL-Präsident Wolf: «Muss mit Sanktionen geahndet werden»

Dass auf die Ausschreitungen Sanktionen folgen müssen, das steht für FCL-Präsident Stefan Wolf fest. «Die massiven Ausschreitungen sind aus unserer Sicht nicht zu entschuldigen.» Wie diese Strafen aussehen, könne der FCL nicht abschätzen. Eine Schliessung des Heimsektors hätte «massive Konsequenzen auf mehreren Ebenen, welche den Klub direkt schädigen», so Wolf.

Skeptisch sei der FCL, ob mit einem Stadionverbot für die Anhänger der beiden Clubs – Wolf spricht von «Kollektivstrafen» – das Problem der Fangewalt gelöst werden kann. «Personen, die wie am Samstag nur mit dem Ziel nach Luzern gereist sind, solche Ausschreitungen zu provozieren, können allenfalls vom Stadionbesuch abgehalten werden. Ob sie sich dann aber nicht in der Stadt aufhalten, darf aus unserer Sicht bezweifelt werden.»

Regierungsrat Winiker kündigte nach den Ausschreitungen an, dass er auch die Klubs und die Liga stärker in die Verantwortung nehmen will. «Sie können sich nicht mehr hinter der Aussage verstecken, dass die Behörden ausserhalb des Stadions verantwortlich sind», sagte Winiker gegenüber Radio SRF. Sie müssten sich von den Chaoten trennen, sodass diese gar nicht mehr zu einem Spiel anreisen. Gegenüber unserer Zeitung präzisiert Winiker, die Luzerner Polizei als Bewilligungsbehörde könne beispielsweise Auflagen für die Anreise machen. Oder der FC Luzern als Veranstalter könne festlegen, wen er im Stadion zulässt.

FCL-Präsident Wolf sieht vor allem die An- und Abreise der Gästefans als Problem. «Diese stellt aus Sicht des FC Luzern derzeit ein zu hohes Risiko dar.» Der FCL sehe sich in der Pflicht, mit allen Beteiligten eine Lösung zu finden. Paul Winiker sagt dazu unmissverständlich: «Tatsächlich stellt sich die Frage, ob die Gästesektoren in dieser Form und mit der Problematik der Fantransporte überhaupt noch zumutbar sind.»



Pyros im Stadion: FCL macht nur Stichproben

Zwei Mal musste am vergangenen Samstag das Spiel zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen unterbrochen werden, weil Zuschauer im Stadion Feuerwerkskörper zündeten. Besucher berichten, beim Eingang seien kaum Kontrollen durchgeführt worden.

FCL-Präsident Stefan Wolf erklärt, dass die Schweizer Fussballklubs seit mehreren Jahren das Einlasskonzept «Good Hosting» anwenden würden. Dieses habe zu einer Beruhigung der Situation beim Einlass und im Stadion beigetragen. Allerdings werden nur Stichprobenkontrollen durchgeführt. Am Samstag sei die Situation besonders schwierig gewesen, so Wolf, «weil der Fanmarsch des FC St. Gallen sehr spät beim Stadion eintraf».

Regierungsrat Paul Winiker macht deutlich: «Wir erwarten strikte Kontrollen. Da kann die Luzerner Polizei unterstützend mithelfen.»

Die Pyros werden auch die Swiss Football League (SFL) beschäftigen. Der Fall ist derzeit beim Disziplinarrichter hängig, wie es auf Anfrage heisst. Zu erwarten ist wohl eine Busse von 10’000 bis 20’000 Franken für den FC St. Gallen. Zu den Strassenschlachten in der Stadt äussert sich die Liga nicht. Sie sei zuständig für Disziplinarisches im Stadion, nicht aber ausserhalb. (cgl)
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/fussball-chaoten-koennen-wir-nicht-mehr-akzeptieren-sicherheitsmanager-der-stadt-luzern-ist-nach-den-ausschreitungen-ratlos-ld.2461590)