Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++SCHWEIZ
Baume-Schneider wegen Rückübernahme-Blockade in Italien
Elisabeth Baume-Schneider reist Ende Mai wegen der Rückübernahme-Blockade nach Italien. Sie will diese bis vor Frühjahr 2024 beenden.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/baume-schneider-wegen-ruckubernahme-blockade-in-italien-66498959
-> https://www.blick.ch/politik/rom-will-fluechtlinge-nicht-zuruecknehmen-jetzt-plant-baume-schneider-aussprache-in-italien-id18592196.html
+++EUROPA
Vom Recht auf Asyl zur Entrechtung an den EU-Außengrenzen
Clara Bünger über das «Gemeinsame Europäische Asylsystem» (GEAS)
https://www.rosalux.de/news/id/50439
+++TÜRKEI
Kemal Kılıçdaroğlu: Schluss mit der soften Herzchen-Rhetorik
Kemal Kılıçdaroğlu buhlt bei der Stichwahl in der Türkei um Stimmen von Rechtsaußen. Ist sein Kurs gegen Flüchtlinge eine Taktik – oder das wahre Gesicht seiner CHP?
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-05/kemal-kilicdaroglu-tuerkei-wahl-strategie-gefluechtete/komplettansicht
+++SEXWORK
luzernerzeitung.ch 20.05.2023
«Lisa» fordert sicheren Standort – Luzerner Sexarbeitende haben Angst im Ibach
Mord, Raubüberfall, Vergewaltigung: Der Strassenstrich im Ibach ist ein gefährliches Pflaster. Ein alternativer Standort ist aber nicht in Sicht.
Sandra Monika Ziegler
Seit zehn Jahren existiert der Luzerner Verein Lisa für die Interessen der Sexarbeitenden. Schon lange fordert dieser einen sichereren Standort für den Strassenstrich als jenen im Stadtluzerner Industriegebiet Ibach. Erst Ende April kam es erneut zu einem Vorfall: Ein maskierter Mann bedrohte mit einer Axt eine Sexarbeiterin. Nur durch das Herbeieilen von anderen konnte Schlimmes verhindert werden. Simon Kopp, Medienstelle Luzerner Staatsanwaltschaft, bestätigt: «Wir bekamen die Meldung, dass ein Mann mit Karnevalsmaske an der Reusseggstrasse aufgetaucht ist. Gemäss Auskunftsperson hatte er er eine Axt dabei und mit dieser herumgeschwungen und ist wieder gegangen.» Es sei später auch Anzeige wegen Drohung gemacht worden.
Unvergessen auch der gewaltsame Tod einer bulgarischen Sexarbeiterin. 2014 wurde die 36-Jährige, die seit einigen Monaten im Ibach arbeitete, tot in Stansstad aufgefunden. Der Nidwaldner Staatsanwalt Alexandre Vonwil sagt dazu: «Der Täter ist trotz intensiver Ermittlungen noch nicht gefasst worden. Die Ermittlungsansätze waren ausgeschöpft, deshalb wurde das Verfahren sistiert. Kommen neue brauchbare Hinweise, so wird der Fall wieder aufgenommen.»
Bereits damals war die Gefährlichkeit des Strassenstrich-Standortes bekannt und damals liess die Stadt verlauten: «Bei der Stadt Luzern hat man das Problem erkannt und ist mit den involvierten Stellen und Personen im Gespräch.» Knapp neun Jahre später stehen die Sexarbeitenden immer noch im Ibach.
Während der Mord zu einem «Cold Case» wurde, konnte in einem anderen Fall ein Vergewaltiger geschnappt werden. Auch schon kam es zu Raubüberfallen und Verschleppungen. Für Lisa-Geschäftsleiterin Eliane Burkart ist die Situation im Ibach prekär: «Dass die Frau eine Anzeige machte, brauchte viel Mut. Denn die Angst vor einem erneuten Angriff ist da. Der oder die Täter wissen ja, wo die Frauen stehen.»
Einziger Schutzraum ist die Toilette
Neben der verstärkten Patrouillentätigkeit der Polizei ist zusätzlich ein Sicherheitsdienst im Einsatz. «Der Standort ist gefährlich. Die Frauen haben keinen Schutz- oder Rückzugsraum. Der Hotspot-Container ist nicht immer offen und so bleibt als einziger Schutzort die nur mit Code zugängliche Toilette, doch dort haben nicht alle Platz», beschreibt Burkart die Situation. Sie betont: «Eine Durchgangsstrasse wäre sicherer als wie hier eine Sackgasse. Es hätte mehr soziale Kontrolle.»
Die Frauen fühlen sich im Stich gelassen und fragen sich immer öfters «ist unser Leben so wenig wert, was muss noch geschehen?», beschreibt Burkart. Ungünstig am aktuellen Standort ist die Nähe zur Autobahn: «Ein Täter kann sofort nach dem Angriff auf die Autobahn und weg ist er.» Alternative Standorte sind rar. Das entsprechende städtische Reglement schreibt vor, dass der Strassenstrich ausschliesslich in der Industriezone stattfinden kann.
Ausweichen in die Agglo als Option?
Auf Luzerner Stadtgebiet bleiben da nur der Littauerboden oder momentan noch das Eichhof-Gebiet. Eine weitere Alternative wäre ein Standort in der Agglomeration, etwa in der Nachbarstadt Kriens. «Es wäre ein Vorteil, wenn die Sexarbeitenden zumindest zum Arbeitsbeginn mit dem öffentlichen Verkehr anreisen könnten und so nur einen Weg mit dem Taxi finanzieren müssten», sagt Burkart.
Abklärungen für alternative Standorte macht die Stadtluzerner Stelle für Sicherheitsmanagement. Leiter Christian Wandeler sagt auf Anfrage: «Andere Standorte des Strassenstrichs wurden auch schon mit dem Verein Lisa besprochen. Aktuell gehen wir davon aus, dass der Standort im Ibach die beste Lösung darstellt.» Es würden verschiedene Massnahmen abgeklärt, um die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Frauen beim Strassenstrich zu optimieren.
Jubiläumsfest im MaiHof
Der Verein Lisa seinerseits konnte seit der Gründung die Angebote für die Sexarbeitenden laufend ausbauen, rund 15 Mitarbeitende sind in diesen tätig. Auf der Geschäftsstelle sind es drei. Der Vorstand, wie auch die Juristinnen und Ärztinnen, arbeitet ehrenamtlich. Um die Angebote aufrecht zu erhalten ist der Verein auf Spenden angewiesen, für dieses Jahr fehlen noch 140’000 Franken.
Unterstützt wird dieser auch vom Zweckverband Zisg. Eine Anschubfinanzierung durch die Albert Koechlin Stiftung erhielt das Angebot der aufsuchenden Arbeit, bei der regelmässig im ganzen Kanton alle Erotikbetriebe von drei Mediatorinnen besucht werden. Der Verein zählt aktuell 111 Mitglieder und fünf Kollektivmitglieder. Eine Einzelmitgliedschaft kostet pro Jahr 50 Franken. Der Jubiläumsanlass mit der Diskussionsrunde zum Thema «Sexarbeit und Stigmatisierung» findet am 2. Juni ab 17.30 Uhr im MaiHof Luzern statt.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/stadt-luzern-lisa-fordert-sicheren-standort-luzerner-sexarbeitende-haben-angst-im-ibach-ld.2452952)
-> https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/dringend-gesucht-sicherer-ort-fuer-luzerner-strassenstrich-2547233/
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Aufwertung ist angreifbar
Dieses Flugblatt wurde am 1. Mai verteilt:
https://barrikade.info/article/5965
+++KNAST
Strafvollzug – Prekäre Verhältnisse in Frankreich – Schweiz mit Röstigraben
Häftlinge müssen in Frankreich wegen Überbelegung am Boden schlafen. In der Schweiz hat sich die Lage verbessert.
https://www.srf.ch/news/schweiz/strafvollzug-prekaere-verhaeltnisse-in-frankreich-schweiz-mit-roestigraben
+++FRAUEN/QUEER
Zwischen zwei Geschlechtern Teil 3: LGBT-Szene der Zentralschweiz
Wie ist es als Transmensch in der Zentralschweiz zu leben? Um diese Frage dreht sich unsere Auffahrtsserie «Zwischen den Geschlechtern». Wie viele Transmenschen tatsächlich hier leben kann man nicht beantworten, weil sich immer noch viele nicht outen, aus Angst diskriminiert zu werden. Aber die farbige Bewegung wird auch hier immer lauter und sichtbarer.
https://www.tele1.ch/nachrichten/zwischen-zwei-geschlechtern-teil-3-lgbt-szene-der-zentralschweiz-151618936
+++RASSISMUS
luzernerzeitung.ch 20.05.2023
Deutlicher Anstieg von rassistischer Diskriminierung – das sind die Gründe
Die kantonale Anlauf- und Beratungsstelle für Diskriminierungsschutz hat im vergangenen Jahr 20 Fälle betreut, das sind 14 mehr als im Vorjahr.
Flurina Valseechi
Kürzlich haben die Organisation humanrights.ch und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus ihren Auswertungsbericht zum Thema Rassismus vorgelegt. 708 Fälle wurden schweizweit dem Beratungsnetz im Jahr 2022 gemeldet – das ist ein Anstieg von 78 Fällen. Es wird gewarnt: Die Zahlen des nationalen Rassismusberichts 2022 sind in allen Lebensbereichen konstant hoch. Es müssten dezidierte Gegenmassnahmen ergriffen werden.
Auch komin, das Kompetenzzentrum für Integration im Kanton Schwyz, verzeichnet einen deutlichen Anstieg. Die Anlauf- und Beratungsstelle für Diskriminierungsschutz hat 2021 sechs Fälle aus dem Kanton Schwyz betreut, 2022 waren es bereits 14 Fälle. Hinzu kamen im vergangenen Jahr fünf Fälle aus dem Kanton Uri, die aufgrund einer Leistungsvereinbarung betreut wurden, sowie ein Fall, der aus dem Kanton Zug übernommen wurde.
«Die Dunkelziffer ist sicherlich noch sehr viel höher»
Die meisten Fälle im Kanton Schwyz betrafen den Arbeitsbereich sowie die Schule, dies entspricht übrigens auch den schweizweiten Beobachtungen. Die Gründe sind vielseitig. komin-Geschäftsleiterin Enisa Bleiker erklärt, dass die Bekanntheit der Beratungsstelle gestiegen sei. Die Betroffenen würden sich heute mehr getrauen, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Auch hätten die Zentralschweizer Kantone in diesem Jahr erstmals eine Aktionswoche zum Thema Rassismus durchgeführt und so aufs Thema aufmerksam gemacht. Aber für Bleiker ist klar: «Die Dunkelziffer der Anzahl Fälle ist sicherlich noch sehr viel höher.»
Die Betroffenen würden oftmals wegen anderer Themen in die Beratung kommen, sagt Bleiker. Erst im Gespräch werde ihnen klar, dass es sich bei ihren Erfahrungen tatsächlich um rassistische Diskriminierung handle. In den Gesprächen gehe es darum, die Geschehnisse einzuordnen, die Probleme der Betroffenen ernst zu nehmen und sie über ihre Rechte aufzuklären. Eine Intervention wird sorgfältig mit betroffenen Personen geplant. Wenn immer möglich, versuche man zu vermitteln, sagt Bleiker.
Im vergangenen Jahr gab es einen Fall, wo es tatsächlich zu einer Klage kam. Eine Familie wurde von einem Mann über längere Zeit rassistisch beschimpft. Sie sei unter anderem von ihm aufgefordert worden, das Land zu verlassen.
Thema ist im Kanton Schwyz «stark tabuisiert»
Diskriminierung ist nicht immer offensichtlich. Es geschehe oft in subtilen Formen, indem zum Beispiel allgemein zugängliche Angebote oder Informationen verweigert würden, oder indem Gestik und Mimik eingesetzt würden. Diskriminierung betrifft auch Personen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind. «Es genügt nur schon der Name, die Religion oder die ursprüngliche Herkunft der Person», sagt Bleiker.
Im Kanton Schwyz sei das Thema nach wie vor «stark tabuisiert». «Man verortet Rassismus im politisch rechten Lager, und anerkennt nicht, dass Rassismus an vielen Orten im Alltag stattfindet», sagt die Expertin. «Es braucht eine stärkere Sensibilisierung in der Gesellschaft, besonders im Arbeitsbereich und in der Schule gibt es grossen Handlungsbedarf.»
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Fallbeispiele aus dem Alltag: Beschimpfungen, Schikanen und Ausgrenzung
Enisa Bleiker, Geschäftsleiterin von komin, nennt ein paar Beispiele aus ihrem Beratungsalltag:
Am Arbeitsplatz: Ein Mitarbeiter wird von den Arbeitskollegen mit dem N-Wort beschimpft oder muss sich rassistische Sprüche anhören. Eine Person wurde vom Vorgesetzten schikaniert, indem sie die gleiche Aufgabe mehrmals wiederholen musste. Frauen mit Migrationshintergrund wurden von der gemeinsamen Pause mit dem Team ausgeschlossen.
In der Schule: Kinder sind von Kameraden mit dem N-Wort beschimpft worden. Lehrpersonen konnten darauf nicht angemessen reagieren, wodurch sich die Situation für diese Kinder verschlechterte. Ein neu zugewanderter Schüler wurde von einem Klassenprojekt ausgeschlossen, die Schulkameraden hätten ihn nicht dabeihaben wollen.
Im öffentlichen Raum: An einer Bushaltestelle wartete eine schwarze Person auf den Bus, ihr wurde gesagt, sie gehöre nicht hierher und solle verschwinden. In einem anderen Fall wollte sich eine schwarze Person im Bus zu einem anderen Fahrgast setzen, da sagte man ihr, sie dürfe sich nicht auf den freien Platz setzen.
Bei den Behörden: Einem jungen Erwachsenen, der in der Schweiz geboren und aufgewachsen ist, stellte die Einbürgerungskommission während des Einbürgerungsverfahrens sehr verletzende Fragen. Der Haushalt einer Familie, in welcher sich der Vater im Einbürgerungsverfahren befand, wurde an einem Sonntagmorgen früh von der Polizei inspiziert, die Familie empfand das Vorgehen als sehr unverhältnismässig und diskriminierend.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/schwyz/kanton-schwyz-deutlicher-anstieg-von-rassistischer-diskriminierung-das-sind-die-gruende-ld.2460935)
+++RECHTSPOPULISMUS
«Drag Story Time»: Unterstützer versammeln sich vor Bibliothek
In der Zürcher Pestalozzi Bibliothek findet heute Samstagnachmittag eine Drag-Queen-Lesung statt. Die Polizei überwacht den Anlass für Kinder.
https://www.nau.ch/news/schweiz/drag-story-time-unterstutzer-versammeln-sich-vor-bibliothek-66496271
-> https://www.tagesanzeiger.ch/proteste-rund-um-eine-vorlesestunde-fuer-kinder-734316098768
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/626652614-sympathisanten-und-gegner-vor-drag-lesung-in-oerliko
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/kinderlesung-mit-dragqueens-in-zuerich-oerlikon-stadtpolizei-wappnet-sich-fuer-unbewilligte-protestaktion-id18590924.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/kundgebung-gegen-drag-story-time-vorerst-nicht-bewilligt-00212617/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/drag-lesung-in-zuerich-kinder-werden-durch-solche-anlaesse-nicht-verdorben?ns_source=mobile&srg_sm_medium=tw
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/wenig-stoergeraeusche-an-drag-queen-lesung-fuer-kinder?id=12390805
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-drag-queen-lesung-verlaeuft-ohne-stoeraktionen-00212682/
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/protest-gegen-dragqueen-vorlesestunde-fuer-kinder-151618364
-> https://www.20min.ch/story/grosser-ansturm-und-sitzprotest-bei-drag-story-time-in-zuerich-377438568779
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/oerlikon-drag-story-time-fuer-kinder-findet-unter-polizeischutz-statt-proteste-angekuendigt-ld.2460908
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/drag-lesung-in-zuerich-kinder-werden-durch-solche-anlaesse-nicht-verdorben
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nzz.ch 20.05.2013
Drag-Vorlesestunde unter Polizeischutz
zge.
Die Demonstranten, welche am Samstag in Oerlikon gegen eine Lesestunde von Dragqueens und -kings für Kinder protestieren wollen, haben für ihre Kundgebung keine Bewilligung erhalten. Dies hat das Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich am Freitag mitgeteilt.
Verweigert wurde das Gesuch aus formalen Gründen: Die Anfrage sei «kurzfristig» eingereicht worden, heisst es in der Mitteilung. Wie Robert Soos, der Sprecher des Sicherheitsdepartements, auf NZZ-Anfrage sagt, liegt die Frist bei drei Tagen.
Sollte es am Samstag dennoch zu einer Kundgebung kommen, sei es denkbar, dass dieser eine Spontanbewilligung erteilt werde. Dies allerdings unter strengen Auflagen und Bewilligungen, damit die «Drag Story Time» sicher und ohne Störungen durchgeführt werden könne, schreibt das Sicherheitsdepartement.
«Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die Stadtpolizei den Organisatoren der Kundgebung Vorgaben zur Örtlichkeit macht», sagt Soos.
Bei der «Drag Story Time» lesen verkleidete Erwachsene drei- bis achtjährigen Kindern vor. Ausserdem können sich die Kinder verkleiden und schminken. Die Botschaft hinter dem Anlass: Dem jungen Publikum soll «die Vielfalt der Geschlechter aufgezeigt werden», es sollen ihm «Einfühlungsvermögen und Integration» vermittelt werden – so wurde die Veranstaltung bei einer Vorstellung im Herbst umschrieben.
Diese Stossrichtung hatte bereits in der Vergangenheit für Proteste gesorgt. Im letzten Oktober hatten Mitglieder der rechtsextremen «Jungen Tat» eine Vorlesestunde gestört.
Der Anlass in Oerlikon soll trotz der Kritik stattfinden. Auf Instagram teilte die «Drag Story Time»-Organisatorin Brandy Butler mit, dass die Veranstaltung wie geplant durchgeführt werde.
Es gebe neben der Polizei auch privates Sicherheitspersonal. Butler rief zudem dazu auf, am Samstag mit Büchern und Magazinen in die Bibliothek in Oerlikon zu kommen, um den Anlass gewaltfrei zu unterstützen.
Wer um die Bewilligung für die Kundgebung gegen die Lesung angefragt hat, gibt das Sicherheitsdepartement nicht bekannt. Der Anlass war zuvor unter anderem von SVP-Nationalräten kritisiert worden.
(https://www.nzz.ch/zuerich/news-aus-zuerich-kundgebung-gegen-drag-story-time-nicht-bewilligt-ld.1737629)
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nzz.ch 20.05.2023
«Wir sind mehr!» – In Zürich solidarisieren sich Hunderte mit einer Drag-Vorlesestunde
Statt einer «Mahnwache» dagegen kam es zu einer Aktion für die «Drag Story Time» in der Pestalozzi-Bibliothek Oerlikon. Was die Aufregung darum für den Wahlkampf bedeutet.
Giorgio Scherrer
«Sind alli da? Jetzt fömmer a. Mir wend en schöne Nami ha.»
Fünfzig Kinder sitzen erwartungsvoll auf dem Boden. Sie klatschen und stampfen. Sie hüpfen und quengeln. Sie wollen unterhalten werden.
«Dänn tümmer singe, das söll eus glinge. Dasmir zäme Friede chönd ha.»
Es ist Samstagnachmittag in der Pestalozzi-Bibliothek in Zürich-Oerlikon. Bücherreihen, goldene Glitzervorhänge, heruntergelassene Rollos. Hierher sind die Kinder mit ihren Eltern gekommen, um zu singen, zu tanzen und um sich ein Kinderbuch vorlesen zu lassen.
Bald ist das Einsingen vorbei und es ist so weit. Aus einer Tür treten die zwei, die das Vorlesen übernehmen sollen – und deren Anwesenheit diesen Kinder-Anlass ins Visier von SVP-Nationalräten und Verschwörungstheoretikern brachte.
Eine Gestalt in pinkem Rüschchengewand, mit Perl-Armbändern, aufgeschminktem Schnauz und Hochzeitsschleier, gepaart mit kurzen blauen Hosen und Sonnenbrille betritt den Raum. Ihr folgt eine zweite in elegantem blauem Hosenanzug und artistischer Gesichtsbemalung. Die zwei Drag-Performerinnen – Erwachsene, die sich im Stil der anderen Geschlechts verkleiden – betreten unter Klatschen den Saal, setzen sich und beginnen zu lesen.
Und eine anwesende Mutter sagt: «Die ganze Aufregung um all das ist doch völlig unnötig.»
Wie die Vorlesestunde zum Politikum wurde
Diese Aufregung – sie ist der Grund, warum die «Drag Story Time» von diesem Samstag unter Polizeischutz stand. Warum sechs Kastenwagen vor einer Quartierbibliothek stehen. Warum ein halbes Dutzend Sicherheitsleute drinnen ihre Runden drehen. Und warum an diesem Tag Hunderte Leute in und um die Bibliothek eine Solidaritätskundgebung für den Anlass abhielten.
Anfang Woche hatten sich die SVP-Nationalräte Andreas Glarner und Roger Köppel kritisch über die «Drag Story Time» geäussert. Dies nachdem die Veranstaltung bereits im vergangenen Herbst zum Ziel einer Neonazi-Aktion geworden war.
Die Kritik erfolgte im Nachgang ähnlicher Äusserungen zu einem Gender-Tag an der Schule Stäfa, der in der Woche davor aufgrund von Drohungen abgesagt worden war. Und auch nun ging es nicht lange, bis in den einschlägigen Telegram-Kanälen der Verschwörungstheoretiker-Szene zu einer «Mahnwache» gegen die «Drag Story Time» aufgerufen wurde.
Die Bibliothek wurde mit wütenden Mails eingedeckt. Anonyme Trolle äusserten Todeswünsche. «Hoffentlich gibt es einen Amoklauf», schrieb ein Telegram-Nutzer. Accounts mit insgesamt rund zehntausend Followern riefen zum Protest gegen die Vorlesestunde auf.
Entspannte Kinder, nervöse Erwachsene
Erwartungsvoll rücken die Kinder zu den beiden Drag-Performerinnen auf. «King Joe» und «Tall Boy» lesen ihnen aus dem Buch «Kati will Grossvater werden» vor.
Darin geht es um ein Mädchen, das am liebsten mit seinem Grossvater Zeit verbringt und «Grossvater-Dinge» tut, zum Beispiel Zitronenbonbons essen oder vergessenen Krimskrams in der Jackentasche finden. Deshalb beschliesst sie, sich als Grossvater zu verkleiden, was die Erwachsenen um sie herum erst seltsam finden, dann aber unterstützen.
Die Kinder hören zu und wirken allesamt recht entspannt. Die Erwachsenen dagegen sind wachsamer. Manche gehen ab und zu ans Fenster und blicken besorgt nach draussen.
Seifenblasen und Geschimpfe
Dort hat sich schon den ganzen Vormittag eine Menschenmenge angesammelt. Eigentlich wollten alle von ihnen in die Bibliothek, doch irgendwann sind die Gänge, Stühle und Tische alle voll und die Protestierenden sammeln sich draussen.
Es sind allerdings nur zu einem verschwindend kleinen Teil Teilnehmer der angekündigten «Mahnwache», die der Pestalozzi-Bibliothek Oerlikon einen Besucherrekord verschaffen. Rund ein Dutzend Corona-Massnahmengegner, Freiheitstrychler und Sympathisanten stehen zwar etwas verloren vor dem Gebäude und wollen gegen die Veranstaltung ein Zeichen setzen.
Die überwältigende Mehrheit der anwesenden wollen jedoch das Gegenteil: Sie sind Teilnehmer einer Solidaritätsaktion, zu der die Veranstalter aufgerufen hatten. Rund 350 sind es gemäss der Bibliothek im Innern, dazu kommen mindestens hundert weitere draussen.
Regenbogenfahnen sind überall zu sehen, «Gegen Nazis» steht auf einem T-Shirt, Glitzer ziert Augen, Arme und Jacken. Während ein Massnahmengegner ein Interview gibt, tanzt ein Mann in funkelnder Jacke ausgelassen mit einer Musikbox daneben umher.
«Wir sind mehr!» ist das inoffizielle Motto der Gegendemonstranten.
Zu Konfrontationen kommt es kaum. Einmal beschimpft ein Trychler einen SRF-Journalisten. Später pusten die Teilnehmer der Solidaritätskundgebung ihren Gegnern ein paar Seifenblasen an.
«Party wie noch nie!»
Drinnen ist das Kinderbuch zu Ende. Nun dürfen die Kinder sich mithilfe ihrer Eltern und der Drag-Performerinnen verkleiden, schminken und bemalen lassen.
Ein Junge mit Ohrringen lässt sich von seinem Vater eine Wunde aufs Gesicht malen. «King Joe» zeichnet einem Mädchen ein Katzengesicht auf. Und eine Mutter trägt bei ihrem Sohn grünen Lippenstift auf. Dieser klebt sich noch grüne Augenbrauen auf, schlüpft in ein Einhorn-Kostüm und stolziert dann im Zimmer herum, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
Zwischen alledem steht Brandy Butler, die Aktivistin und Schauspielerin, die den Anlass entwickelt hat und seit Jahren organisiert. Den ganzen Vormittag über sprach sie mit ernster Mine mit Polizisten und Sicherheitsleuten, Aktivisten und Journalisten.
Nun wirkt sie wie verwandelt, befreit. Sie lacht sie den Kindern zu und sagt: «Wir machen Party wie noch nie!»
Vorgeschmack auf Wahlkampf?
Draussen steht etwa zur selben Zeit ein Mann und ruft wütend in Richtung Bibliothek: «Kinderficker!» Er wiederholt es etwa zehn Mal.
Eine Freiheitstrychlerin draussen vor der Bibliothek sagt: «Ich habe nichts gegen Leute, die ihrem Körper Schaden zufügen wollen. Aber es ist einfach nicht für Kinder geeignet.»
Drinnen wird zwar weder das Thema Geschlechtsumwandlung noch Sexualität besprochen. Auch das Wort «Gender» fällt während der ganzen Vorlesestunde kein einziges Mal. Und doch wird nur allzu deutlich: Die Veranstaltung und das Bild, das von ihr durch die Online-Echokammern geistert, wird das nicht näher zusammenbringen.
Die Online-Kampagne, der Gegenprotest, die verhärteten Fronten: Das ist ein Vorgeschmack auf einen Wahlkampf im Zeichen eines politisierten Gender-Themas.
Konfetti und Jägermeister
«Alle Kinder sind wieder ruhig! Und ihre Eltern auch», ruft Brandy Butler zum Schluss. Der letzte Akt der «Drag Story Time» steht an: Verkleidet und aufgedreht hüpfen die Kinder auf einem Laufsteg in Richtung eines Spiegels. Sie drehen sich um und lassen sich bejubeln.
«Fühlt ihr euch gut?», fragt Butler. «Ja!», antworten die Kinder. Nur dass sie mit Spielen aufhören, ihre Verkleidungen wieder abgeben müssen, gefällt ihnen gar nicht.
«Ihr könnt ja wiederkommen», sagt Butler. «Vielleicht ist es das nächste Mal ja auch draussen etwas normaler.»
Dann öffnet sie ein Fenster, lässt die Rollos hoch und ruft ihren Unterstützern triumphierend zu: «Alles gut gegangen!» Alle ausser den Trychlern jubeln. Eine Konfettikanone wird gezündet.
Und der Mann, der zuvor «Kinderficker» schrie, zieht in Richtung Bahnhof von dannen. Auf dem Perron trinkt er noch einen kräftigen Schluck Jägermeister.
(https://www.nzz.ch/zuerich/nach-svp-kritik-viel-unterstuetzung-fuer-drag-vorlesestunde-ld.1738899)
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„1/ Die anhaltende Hetze gegen Gruppen, Veranstaltungen und Personen, die mit der LGBTQ-Community und mit Geschlechterfragen zu tun haben, sind nicht nur zynische rechte Publicity Stunts. Die Hetze schafft diskursive Vorbedingungen für stochastische Gewalt.“
Mehr: https://twitter.com/marko_kovic/status/1659905542859399168
Wer legitimiert politische Gewalt?
Das Wahlkampf¬jahr 2023 nimmt in Stäfa eine äusserst hässliche Wendung. Ähnliche Vorfälle gab es auch schon vor den Wahlen 2019. Doch damals waren die Reaktionen vollkommen anders.
https://www.republik.ch/2023/05/20/wer-legitimiert-politische-gewalt
Twitter-Entgleisung gegen Rimoldi: Meret Schneider kommt straffrei davon
Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf ein Verfahren gegen die Grünen-Nationalrätin. Ihr Tweet «in Notwehr erstech ich den Rimoldi auch mit dem Sackmesser» sei keine Drohung gegen den Mass-voll-Chef.
https://www.blick.ch/schweiz/twitter-entgleisung-gegen-rimoldi-meret-schneider-kommt-straffrei-davon-id18593470.html