Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++TÜRKEI
Erdogan-Kontrahent will «alle Flüchtlinge nach Hause schicken»
Der türkische Präsidentschaftskandidat Kemal Kilicdaroglu hat gut zehn Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt einen deutlich schärferen Ton gegenüber Flüchtlingen angeschlagen. «Sobald ich an die Regierung komme, werde ich alle Flüchtlinge nach Hause schicken. Punkt», sagte Kilicdaroglu am Donnerstag und sprach von zehn Millionen Menschen im Land. Auf welche Daten er sich stützte, war zunächst nicht klar. Laut den Vereinten Nationen leben 3.9 Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Der Grossteil von ihnen stammt aus Syrien.
https://www.watson.ch/international/t%C3%BCrkei/569177017-erdogan-kontrahent-will-alle-fluechtlinge-nach-hause-schicken
-> https://www.nau.ch/politik/international/erdogan-kontrahent-will-alle-fluchtlinge-nach-hause-schicken-66497775
-> https://www.spiegel.de/ausland/tuerkei-erdogan-kontrahent-kilicdaroglu-will-alle-fluechtlinge-nach-hause-schicken-a-91feff74-0fd5-46f4-ba63-ed6ee7f6680f
-> https://www.derstandard.at/story/2000146538548/kilicdaroglu-schlaegt-vor-stichwahl-gegen-erdogan-scharfen-ton-gegen-fluechtlinge
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Bern: Gedenken an die gefallenen Anarchisten
Wir kamen in Bern zusammen, um den drei Gefallenen, Anarchisten Dmitry Petrov, Cooper Andrews und Finbar Cafferkey zu gedenken.
https://barrikade.info/article/5963
+++FRAUEN/QUEER
Transmann Pius Janda aus dem Eigenthal
Transmensch: Dies ist die Bezeichnung für jemanden, der im falschen Körper zur Welt gekommen ist. Wie ist es, als Transmensch in der Zentralschweiz zu leben? Um diese Frage geht es in unserer Auffahrtsserie «Zwischen den Geschlechtern». Den Start macht Pius Janda aus dem Eigenthal. Mit 56 Jahren hat er seinem Leben als Frau den Rücken gekehrt und beschlossen, von nun an als Mann zu leben. Keine einfache Zeit – weder für ihn noch für seine langjährige Partnerin.
https://www.tele1.ch/nachrichten/transmann-pius-janda-aus-dem-eigenthal-151596216
«Trans Personen passiert das Gleiche wie Frauen»
LGBTIQ-Personen in der Schweiz haben so viele Hate Crimes im letzten Jahr gemeldet wie noch nie zuvor. SP-Nationalrätin Tamara Funiciello sieht noch viel Handlungsbedarf. Täter müssten aufhören, Täter zu sein, fordert sie etwa.
https://www.baerntoday.ch/schweiz/trans-personen-passiert-das-gleiche-wie-frauen-151568502
+++RECHTSPOPULISMUS
Gender-Tag, Stäfa: «Man kann mich für das Überborden Einzelner nicht verantwortlich machen»
In Stäfa plante die Schule einen Gender-Tag. Dieser musste aufgrund von Drohungen abgesagt werden. Ein Tweet von SVP-Nationalrat Andreas Glarner hat das Ganze ins Rollen gebracht. Nun äussert er sich zum Geschehenen.
https://www.20min.ch/story/man-kann-mich-fuer-das-ueberborden-einzelner-nicht-verantwortlich-machen-144379440907?version=1684432554849
-> https://twitter.com/svpzh/status/1659121137761103873
Köppels Sturm: Vor einem halben Jahr griffen Neonazis eine Lesestunde für Kinder an. Jetzt nimmt Verleger Roger Köppel die «Drag Story Time» ins Visier. Und nennt dabei Ort und Zeit der Veranstaltung.
https://www.republik.ch/2023/05/18/koeppels-sturm
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/wegen-rechter-mahnwache-polizei-muss-kinderlesung-von-drag-queens-in-zuerich-schuetzen-id18586921.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/865389646-nach-gender-tag-jetzt-drag-story-time-in-oerlikon-im-visier-rechter
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nzz.ch 18.05.2023
Nach Kritik von SVP-Nationalräten: Dragqueen-Vorlesestunde für Kinder kann nur mit Polizeischutz stattfinden
Nach dem Eklat um den Gender-Tag an der Schule Stäfa wird nun auch die privat organisierte «Drag Story Time» zum Ziel einer Online-Kampagne.
Giorgio Scherrer
Eine Vorlesestunde für Kinder von drei bis acht wird mit Polizeischutz stattfinden. Verschwörungstheoretiker wollen eine «Mahnwache» dagegen abhalten. Und auch eine linke Solidaritätsaktion ist geplant.
Zürich erlebt nur eine Woche nach der Aufregung um einen Gender-Tag an der Schule Stäfa schon die nächste Kampagne zum Thema. Und mittendrin ist wieder: der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner.
Am Montag äusserte dieser sich auf Twitter kritisch über eine für Samstag geplante private Veranstaltung in Zürich. Dabei lesen Dragqueens und Dragkings – Erwachsene, die sich im Stil des jeweils anderen Geschlechts verkleiden – interessierten Eltern und ihren Kindern aus einem Kinderbuch vor. Am selben Morgen kritisierte auch Glarners Nationalratskollege Roger Köppel die Vorlesestunde.
Daraufhin dauerte es nicht lange, bis Online-Follower Glarners zu Protest und einer «Mahnwache» vor Ort aufgerufen hatten. Auch in den einschlägigen Telegram-Kanälen von Verschwörungstheoretikern machte die Einladung dazu die Runde. Es kam zu Beschimpfungen und Todeswünschen. Laut den Tamedia-Zeitungen sollen auch Personen aus der sogenannten Reichsbürger-Szene involviert sein.
Die Veranstalter – darunter eine Buchhandlung und die städtisch geförderte Pestalozzi-Bibliothek – wurden gemäss mehreren Medienberichten mit Drohungen und Beschimpfungen eingedeckt.
Die Folge: Die Stadtpolizei Zürich hat Polizeischutz angekündigt. Die Veranstalter sehen sich gezwungen, private Sicherheitsleute zu engagieren. Und in linken Kreisen wird für eine Solidaritätskundgebung mobilisiert.
Gender als Wahlkampf-Thema
Der Fall erinnert an die Online-Kampagne gegen die Schule Stäfa von vergangener Woche. Damals hatten SVP-Mann Glarner und weitere Parteiexponenten einen dort seit zehn Jahren stattfindenden Gender-Tag kritisiert, bei dem mit Schülern über das Thema Geschlecht diskutiert wird. In den sozialen Netzwerken entwickelte sich daraufhin ein regelrechter Shitstorm. In der Folge sagte die Schule die Veranstaltung wegen Drohungen ab.
Dass ausgerechnet die «Drag Story Time» das nächste Ziel einer solchen Kampagne wird, kann nicht überraschen. Bereits im Herbst war die Veranstaltung – damals im Zürcher Tanzhaus – Ziel einer Aktion der Neonazi-Gruppierung «Junge Tat» gewesen. Wobei die Stadtzürcher SVP sich deren Kritik im Nachgang zu eigen gemacht und einen Stopp der Veranstaltung gefordert hatte.
Damals wie heute scheint die Kritik an der Veranstaltung weniger mit deren tatsächlichem Inhalt und mehr mit dem zu tun zu haben, wofür sie in den Augen ihrer Kritiker steht. Die SVP hat den Kampf gegen die «Gender-Ideologie» zum nationalen Wahlkampfthema erklärt und sieht in der Vorlesestunde den Versuch, junge Kinder damit zu indoktrinieren.
Es gehe dabei darum, so erklärte etwa Roger Köppel in einem Video, biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu leugnen. Er spricht von einer «zwanghaften Sexualisierung aller Lebensbereiche», sein Kollege Glarner von einer «Unterwanderung».
Zuschauen statt urteilen
Doch was geschieht tatsächlich an einer solchen Veranstaltung? Bei einem Besuch der NZZ vor einigen Monaten las eine Drag-Performerin ein Kinderbuch mit dem Titel «Kati will Grossvater werden» vor. Es wurde getanzt. Nach Lust und Laune spielten Kinder mit Fasnachtsartikeln, Kostümen und Schminke. Am Ende verkleideten sich etwa gleich viele von ihnen als Kürbisse oder Haifische, wie sich welche mit Schminke und Glitzer eindeckten.
Und eine Mutter sagte glücklich über ihren Sohn: «Das war das erste Mal, dass er sich getraut hat, sich zu verkleiden!»
Laut den Veranstaltern geht es bei der «Drag Story Time» darum, Eltern eine Möglichkeit zu geben, ihre Kinder in Berührung mit «verschiedenen Geschlechteridentitäten und Rollenvorbildern» zu bringen. Mit Sexualisierung habe das nichts zu tun.
Im vergangenen Herbst sagte die Organisatorin der «Drag Story Time», Brandy Butler, gegenüber der NZZ, sie finde es problematisch, dass Männer in Frauenkleidern als Gefahr für Kinder dargestellt würden. «Das bedient doch nur homophobe Stereotype. Mit unserer Veranstaltung hat das nichts zu tun.» Zumal dort nicht über Sex gesprochen werde und die Eltern stets anwesend seien.
Und Butler lud ihre Kritiker ein: «Schaut euch an, was hier passiert – bevor ihr urteilt.»
SVP lädt zu Streitgespräch
Ob Glarner und Köppel das getan haben? Der Gemeinderat von Stäfa jedenfalls liess am Mittwochabend an die Adresse der Kritiker des dortigen Gender-Tags verlauten: «Nicht eine dieser Personen hat sich zuvor (oder danach) über den Sachverhalt orientiert.»
Man verurteile die «Hetze» gegen die Schule Stäfa und ihre Mitarbeitenden «aufs Schärfste», schrieb der Gemeinderat in einer scharf formulierten Mitteilung. Dass ein schulischer Anlass wegen Drohungen abgesagt werden müsse, sei ein «unerhörter Vorgang», für den Glarner und seine Mitstreiter die Verantwortung trügen. «Wohlwissend, dass solche Leute nie die Verantwortung für das übernehmen, was sie auslösen, sondern sich selbst zum ‹Opfer› emporstilisieren.»
Statt um eine konstruktive Debatte, so die Stäfner Exekutive, gehe es den SVP-Exponenten nur um Wahlkampf und «masslose Gier nach politischer Aufmerksamkeit».
Glarner selbst wies auf Twitter die Kritik von sich. Die Zürcher SVP pochte ihrerseits auf die Meinungsfreiheit, wobei sie Drohungen an die Adresse der Schule verurteilte. Und sie lud – «um die Lage zu beruhigen» – den Gemeindepräsidenten von Stäfa öffentlich zu einem Streitgespräch mit Nationalrat Roger Köppel ein.
(https://www.nzz.ch/zuerich/nach-svp-kritik-dragqueen-vorlesestunde-braucht-polizeischutz-ld.1738621)
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
nzz.ch 18.05.2023
Kann jetzt jeder Aktivist mit einer Handykamera die Sonderrechte von Journalisten beanspruchen?
Ein Gerichtsentscheid zugunsten des Impfgegners Daniel Stricker zeigt, warum die Polizei bei Einsätzen zunehmend im Dilemma ist. Und nicht nur sie.
Marius Huber, Jan Hudec
Ob er wollte oder nicht, der Impfgegner Daniel Stricker hat mit einem Gerichtsprozess eine grundlegende Frage aufgeworfen. Weil es plötzlich denkbar scheint, dass in Zeiten von Social Media jeder, der sich als Journalist bezeichnet, strafrechtlicher Verfolgung entgehen kann.
Stricker stand am Dienstag vor dem Zürcher Bezirksgericht. Mit seinem Youtube-Kanal Stricker-TV hat er während der Pandemie in massnahmenkritischen Kreisen für Aufsehen gesorgt – und auch Probleme mit den Behörden bekommen. Das Statthalteramt des Bezirks Zürich verurteilte ihn am 24. März 2022 wegen Widerhandlung gegen die Covid-19-Verordnung zu einer Busse von 800 Franken.
Er soll vor fast drei Jahren, am Samstag, 23. Mai 2020, an einer nicht bewilligten Kundgebung unter dem Titel «Anti-Lockdown» gegen die Covid-Massnahmen auf dem Zürcher Sechseläutenplatz teilgenommen haben.
Stricker hat den Strafbefehl angefochten und nun recht erhalten. Er verteidigte sich mit dem Argument, er sei als Journalist an der Kundgebung gewesen, um über den Anlass zu berichten. Dem pflichtete der Richter am Dienstag bei, unterliess es aber, genauer zu definieren, ab wann jemand als Journalist gelten darf.
Bei Stricker, dessen Videos teilweise Zehntausende Mal angeklickt werden, mag die Bezeichnung «Journalist» passen. Aber kann jeder Youtuber mit einer Handvoll Zuschauern und jeder politische Aktivist mit einer Handykamera Sonderrechte in Anspruch nehmen, indem er sich hinter der Berufsbezeichnung des Journalisten versteckt? Und wie sollen die Behörden damit umgehen?
Kein geschützter Beruf, verwischende Grenzen
Das Problem beginnt schon damit, dass «Journalist» keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Man kann sich zwar in ein Berufsregister eintragen lassen, wenn man gewisse Bedingungen erfüllt, aber Journalist nennen darf sich grundsätzlich jeder.
Auch einen Presseausweis, wie man ihn häufig in Filmen sieht, tragen Schweizer Journalisten nur selten auf sich. Die meisten, selbst wenn sie bei einem etablierten Medienhaus angestellt sind, haben keinen Presseausweis. Und von der neuen Generation der selbständigen Youtuber habe bislang noch niemand einen Ausweis beantragt, sagt Stephanie Vonarburg von Syndicom. Die Mediengewerkschaft ist eine von drei Organisationen, die den am weitesten verbreiteten Ausweis ausstellen, wenn man ins Berufsregister aufgenommen wurde.
Das macht es für die Polizei ziemlich kompliziert, an einer Demonstration oder einem vergleichbaren Anlass die Journalisten überhaupt zu erkennen.
Fast unmöglich wird die Grenzziehung, wenn Journalismus und Aktivismus vorsätzlich verwischt werden. Das zeigt sich am Beispiel von Radia, einem feministischen Redaktionskollektiv, das beim alternativen Lokalradiosender Lora arbeitet. An Veranstaltungen wie dem feministischen Frauenkampftag ist Radia mit dem Sendefahrzeug regelmässig mitten im Pulk dabei.
Nicht nur, um aus unmittelbarer Nähe berichten zu können, sondern auch, weil sich die Berichterstatterinnen ausdrücklich als Teil der Bewegung verstehen. «Wir sind keine neutrale Redaktion», halten sie fest.
Trotzdem beschwerten sie sich vor zwei Jahren gemeinsam mit anderen Medienschaffenden über die Behandlung durch die Polizei, nachdem sie am 1. Mai in deren Kessel geraten waren. Das Argument der Polizei, dass sich Journalistinnen und Journalisten in brenzligen Situationen vom Geschehen klar distanzieren sollten, wiesen sie als Eingriff in die Medienfreiheit zurück. Sie müssten sich nicht vorschreiben lassen, wie sie ihre Arbeit zu tun hätten.
Leserreporter anerkennt die Stadtpolizei nicht
Die Zürcher Stadtpolizei hat in einem internen Merkblatt festgehalten, wie sie mit solchen Situationen umgeht. Grundsätzlich solle sie Journalisten ungehindert arbeiten lassen, sofern diese die Arbeit der Polizei nicht gefährdeten, steht da.
Sollten Medienschaffende an einer Demonstration eingekesselt werden, können sie sich als Journalisten zu erkennen geben und dürfen den Kessel dann verlassen. Eine Verzeigung, Wegweisung oder dergleichen droht ihnen im Gegensatz zu anderen Teilnehmern nicht.
Doch wen anerkennt die Polizei als Journalisten? Der Stadtpolizei ist bekannt, dass nicht alle Journalisten einen Presseausweis haben. Deshalb wird im Merkblatt auf andere Merkmale hingewiesen: Medienschaffende seien auch an ihrer Ausrüstung wie Fotoapparat oder Videokamera sowie an ihrem Verhalten zu erkennen – sie hielten meist eine gewisse Distanz zum Geschehen. Die Unterscheidung sei aber nicht immer einfach. Im Einzelfall entscheidet die Einsatzleitung, die den polizeilichen Mediendienst beiziehen kann.
Hingegen werden Privatpersonen, die als Leserreporter oder als Community-Mitglied eine Demonstration dokumentieren, um die Einblicke an Medienhäuser zu schicken oder in den sozialen Netzwerken zu teilen, von der Stadtpolizei nicht als Journalisten anerkannt.
Die Zürcher Kantonspolizei will sich derzeit nicht zu ihrem Umgang mit Medienschaffenden äussern, zumal das Urteil im Fall Stricker noch nicht rechtskräftig sei.
Video-Blogger wollte ins Zürcher Kantonsparlament
Auch das Zürcher Kantonsparlament sah sich im Zug der Pandemie plötzlich mit der Frage konfrontiert, wer heutzutage eigentlich als Journalistin oder Journalist gilt und wer nicht. Auslöser war ein selbständiger Video-Blogger aus der Szene der Alternativmedien, die den klassischen Medien fundamental misstrauen. Der Mann stellte den Antrag, mit seiner Kamera dauerhaft akkreditiert und zum Filmen in den Ratssaal gelassen zu werden.
Seit dem Sommer 2022 verfügt das Parlament deshalb erstmals in seiner Geschichte über ein Reglement, das eine klare Grenze zu ziehen versucht. Insbesondere deshalb, weil der Platz im Rat beschränkt ist. Als Medienschaffender akkreditiert wird nur, wer nachweislich für ein Medium arbeitet, das regelmässig über die Zürcher Politik berichtet und über ein Redaktionsstatut verfügt.
Vor allem aber muss man sich bei der Berichterstattung an die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» halten. Dabei handelt es sich um einen Ehrenkodex, auf den sich die Branche vor gut fünfzig Jahren verständigt hat, also lange vor sozialen Netzwerken, Handykameras und Video-Bloggern. Er umfasst zum Beispiel die Gebote, sich an die Wahrheit zu halten, die Privatsphäre zu respektieren und ungerechtfertigte Anschuldigungen zu unterlassen.
Fast identische Regeln wie im Kantonsrat gelten auch im Justizwesen, wobei Gerichtsberichterstatterinnen und Gerichtsberichterstatter für die Akkreditierung zusätzlich noch einen Strafregisterauszug vorlegen müssen. Danach erhalten sie Informationen, die normalen Prozessbeobachtern vorbehalten bleiben. Zum Beispiel die Anklageschrift, in welcher die persönlichen Angaben der Beschuldigten verzeichnet sind und detailliert geschildert wird, wie sich die mutmassliche Straftat abgespielt hat.
Trotz der gegenwärtigen Verunsicherung glaubt die Mediengewerkschafterin Vonarburg, dass das Urteil im Fall Stricker etwas Positives hat: «Im Zweifelsfall für die Berichterstattung.» Allerdings wäre es wichtig, ergänzt sie, dass damit auch die Verpflichtung zum journalistischen Ehrenkodex verknüpft würde. Damit die Öffentlichkeit Journalistinnen und Journalisten klar von anderen Kommunikationsleuten unterscheiden kann. Gerade in einer sich rasch ändernden Medienwelt.
(https://www.nzz.ch/zuerich/fall-daniel-stricker-kann-jeder-aktivist-als-journalist-gelten-ld.1738573)
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limmatttalerzeitung.ch 18.05.2023
Daniele Ganser will an einem Querdenker-Kongress in Zürich auftreten – wie Linke den Anlass verhindern
Ende Mai soll im Volkshaus, dem einstigen Lokal der Zürcher Arbeiterklasse, ein Kongress von Verschwörungstheoretikerinnen und Esoterikern stattfinden. Die Linken drohen mit Gegenmassnahmen.
Lea Oetiker, watson.ch
Am 27. und am 28. Mai veranstalten Verschwörungstheoretiker und Esoterikerinnen einen Kongress im Volkshaus in Zürich. Titel: «Vision des Guten und das Manifest der neuen Erde».
Wer mit dabei sein möchte, zahlt für das günstigste Ticket schlappe 189 Franken, für ein «Gönnerticket» 777 Franken. Dafür sitzt man dann in der ersten Reihe, bekommt ein kleines Geschenk und darf einen Apéro mit den Referenten und Referentinnen geniessen.
Als Referenten geladen sind Grössen der Szene wie Daniele Ganser oder Christa von Dreien. Ganser ist bekannt dafür, die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine anzuzweifeln. Von Dreien wird von ihren Anhängern als Medium verehrt und vertritt unter anderem die Theorie, dass intelligente Dinosaurier in unterirdischen Höhlensystemen leben.
Das Programm
Während zwei Tagen wollen sich die Teilnehmenden über das «Manifest der neuen Erde» unterhalten – eine «durch Dutzende Menschen erschaffene Vision einer nahen Zukunft» oder «eine erste Grundlage, um unsere Welt von morgen zu schaffen», wie es online heisst. Esoterische Lehren hätten den Rang von Dogmen.
In der Welt von morgen seien Parteien verboten und die Weisenräte besässen weitgehende Vollmachten – die Demokratie werde abgeschafft. Daniele Ganser und Christina von Dreien haben das Manifest beide unterschrieben. In der Welt von morgen würden sie zu den Weisenräten gehören, wie es auf der Homepage der Vision heisst.
Die Gegenreaktionen
Linke Kreise sind empört über den Kongress. Sogar eine Online-Petition namens Reclaim Volkshaus wurde aufgesetzt. Bisher haben über 3000 Menschen die Petition unterschrieben.
Sie fordern: «die sofortige Auflösung des Mietvertrags für den rechten Verschwörungskongress ‹Vision des Guten – Manifest der neuen Erde› am 27./28. Mai 2023» und: «eine grundsätzliche Revision der Vermietungskriterien».
Falls diese Forderungen nicht berücksichtigt würden, sähen sie sich «gezwungen, eine Gegenmobilisierung vorzubereiten».
Das Volkshaus und die Querdenkenden
Das Volkshaus ist bisher nicht auf die Forderungen der Aktivistinnen und Aktivisten eingegangen. In einer ersten Stellungnahme des Volkshaus-Stiftungsrates im April hiess es: «Wir teilen die Inhalte der Veranstaltung in keiner Weise und lehnen Verschwörungstheorien aller Art dezidiert ab.» Jedoch werde die Meinungsfreiheit in diesem Fall höher gewichtet und daher am Anlass festgehalten.
Es ist nicht das erste Mal, dass im Volkshaus in Zürich Veranstaltungen der Verschwörungsszene durchgeführt werden. Die Leitung wollte bisher jedoch nicht einschreiten.
Das Volkshaus kommunizierte zuerst, dass man beim Israelitischen Gemeindebund (SIG) abgeklärt habe, ob es noch zulässig sei, Ganser auftreten zu lassen, schreibt der Tagesanzeiger. Der SIG habe danach grünes Licht gegeben. Der Israelitische Gemeindebund hingegen schreibt in einer Medienmitteilung, dass diese Darstellung nicht den Tatsachen entspreche. Man habe dem Volkshaus gegenüber die «Zulässigkeit» von Gansers Auftritt nie attestiert. Weiter heisste es da:
«Korrekt ist hingegen, dass dem SIG von Daniele Ganser bisher keine antisemitischen Aussagen aufgefallen sind. Der SIG schätzt jedoch Gansers Haltungen und insbesondere seine Rolle in verschwörungsaffinen Umfeldern generell als problematisch ein.»
Ricardo Leppe wird ausgeladen
Während Ganser also auftreten darf, wurde Ricardo Leppe ausgeladen.
Das Volkshaus ist damit zumindest teilweise auf die Forderungen der Petition eingegangen. Bütikofer teilt der NZZ mit: «Wir haben mit dem Veranstalter vereinbart, Ricardo Leppe als Redner auszuladen.» Zu diesem Entscheid sei die Betriebskommission gekommen, nachdem ein Austausch mit Relinfo und Infosekta stattgefunden habe. Beides sind Fachstellen für religiöse und weltanschauliche Bewegungen.
Bei Leppe handelt es sich um einen selbsternannten Bildungsexperten und Zauberkünstler aus Österreich. Er unterstützt fragwürdige Schulprojekte.
Religionsexperte Georg Schmid, Leiter von Relinfo, befürwortet es, dass Leppe ausgeladen wurde: «Er passt nicht zum Leitbild des Volkshauses, da er die Anastasia-Buchreihe empfiehlt. Kritiker werfen der Anastasia-Bewegung vor, sie sei rassistisch, antisemitisch und propagiere problematische Heilmethoden.»
Laut Schmid wäre Leppe die problematischste Person am Anlass gewesen. Beim Rest handle es sich um Personen, die zum Teil immer wieder im Volkshaus aufträten, schreibt die NZZ.
Leppe und die Anastasia-Bewegung
Die Anastasia-Bewegung hat ihren Ursprung in Russland und verfolgt völkische Siedlungsprojekte. Unter anderem in Österreich wird sie vom Verfassungsschutz beobachtet. In den deutschen Bundesländern warnt man vor der Bewegung.
Dazu kommt, dass Leppe auch Anhänger der «Neuen Germanischen Medizin» sei, wie Schmid sagt. Diese Lehre lehnt die Schulmedizin ab, da sie eine Erfindung der Juden sei. In der Vergangenheit hat diese Einstellung bereits zu Todesfällen geführt.
Eine Sprecherin von Leppe teilte auf Anfrage der NZZ mit, dass die Vorwürfe gegen Leppe immer dieselben seien. Um sie zu entkräften, verweist sie auf ein Video, welches Leppe vor einem Jahr aufgezeichnet hatte. Darin thematisiert er den Antisemitismus der Anastasia-Bewegung aber nicht explizit, sondern sagt nur, er finde nicht alles in der Bewegung gut.
Stiftung «Seelenzucker»
Der Erlös des Events soll an die Stiftung Seelenzucker des Berner Handauflegers Patric Pedrazzoli gespendet werden. Auf eine Anfrage der WOZ reagiert er nicht.
Die Stiftung gibt jedoch vor, eine Reihe von NGOs und Kinderhilfsprojekten zu unterstützen. So zum Beispiel das NGO Wasser für Wasser (WfW). Als die WOZ die Stiftung kontaktierte, veranlasste diese die sofortige Löschung des Eintrages auf der Seite von Seelenzucker. Man sei entsetzt, dort als Partnerin aufgeführt worden zu sein, teilte WfW der WOZ mit. Der vor ein paar Jahren gespendete Betrag über 2000 Franken werde der Fachstelle Infosekta überwiesen.
(https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/volkshaus-querdenker-kongress-in-zuerich-redner-wird-ausgeladen-linke-drohen-mit-massnahmen-ld.2459627)
+++HISTORY
Folge 4: Hafenstraße (S01/E04)
Die HAFENSTRASSE führt uns in eine rebellische Ecke St. Paulis, die von besetzten Häusern, brutalen Straßenkämpfen und dem Wiederaufstieg des FC St. Pauli in die erste Liga geprägt ist. Mit privaten Aufnahmen der damaligen Hausbesetzer erleben wir die bundesweit für Aufsehen sorgenden, militanten Proteste gegen den Abriss der städtischen Wohnblocks hautnah.
https://www.ardmediathek.de/video/neonstaub/folge-4-hafenstrasse-s01-e04/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE3NjI3ODQ