Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++AARGAU
Schwierige Suche nach Plätzen für Flüchtlinge im Aargau
20 Aargauer Gemeinden und drei Gemeindeverbünde haben vom Kanton eine Verfügung erhalten. Sie hatten am Stichtag im November zu wenig Geflüchtete aufgenommen. Die hohe Zahl erstaunt, müssen Gemeinden doch hohe Ersatzabgaben bezahlen, wenn sie die Vorgaben nicht erfüllen. Nun gibt es aber Lösungen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/schwierige-suche-nach-plaetzen-fuer-fluechtlinge-im-aargau?id=12386761
Flüchtlinge in den Kantonen Aargau und Solothurn: Mittlerweile reisen mehr Ukrainerinnen und Ukrainer aus statt ein. (ab 13:44)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aargauer-kantonsschulen-doch-nicht-alles-paletti?id=12387490
+++ZÜRICH
Amine – Held auf Bewährung
Amine Diare Conde ist Initiant einer gratis Essensverteilung. Der 22-Jährige setzt sich ein für Menschen, die noch weniger haben als er. Er arbeitet ehrenamtlich, trotz mehrmaliger Abweisung und offenem Asylverfahren. In der wenigen Zeit, die ihm bleibt, kämpft er für seine Zukunft in der Schweiz.
https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/amine—held-auf-bewaehrung?urn=urn:srf:video:b59a2120-9085-4a49-bea7-d6f65b471673&aspectRatio=16_9
++++SCHWEIZ
Beschwerdeflut im Asylbereich: Das Bundesverwaltungsgericht fordert mehr Personal
Die Rechnung ist einfach: Mehr Asylgesuche bedeuten mehr Beschwerden. Das Bundesverwaltungsgericht schlägt jetzt Alarm: Es könne nicht garantieren, die Rekurse ohne zusätzliches Personal schnell genug behandeln zu können.
https://ajour.ch/de/story/79074/beschwerdeflut-im-asylbereich-das-bundesverwaltungsgericht-fordert-mehr-personal%C2%A0
-> https://www.blick.ch/politik/rekursflut-im-asylbereich-bundesverwaltungsgericht-schlaegt-alarm-id18569190.html
+++ÖSTERREICH
Kreditschädigungsklage gegen die NGO „SOS Balkanroute“ wegen eines Camps in Lipa
„Uns geht es ausschließlich um die Unterbindung von fortwährenden falschen Behauptungen“, sagt ein Sprecher des Internationalen Zentrums für Migrationspolitik
https://www.derstandard.at/story/2000146245709/kreditschaedigungsklage-gegen-sos-balkanroute-wegen-camp-lipa
+++EUROPA
Haftlager an den Außengrenzen und Abschiebungen in Drittstaaten: Ist das die Zukunft?
Haftlager an den Außengrenzen, neue »sichere Drittstaaten«, Schnellverfahren ohne Prüfung der Fluchtgründe: Die europäischen Abschottungspläne rücken immer näher. Schon am 8. Juni wollen die EU-Innenminister*innen darüber entscheiden. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz wurde Zustimmung hierfür signalisiert – ein Bruch des Koalitionsvertrags!
https://www.proasyl.de/news/haftlager-an-den-aussengrenzen-und-abschiebungen-in-drittstaaten-ist-das-die-zukunft/
EU-Asylkompromiss: Seehofers Erben
Mit dem restriktiven Asylkompromiss will die Europäische Union ihre Krise befrieden und opfert dabei die Rechtsstaatlichkeit
Mit dem restriktiven Asylkompromiss will die Europäische Union ihre Krise befrieden. Aber das instrumentelle Verhältnis zu Menschenrechten und -leben opfert, was eigentlich erhalten werden soll: die Rechtsstaatlichkeit.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173182.fluechtlingspolitik-eu-asylkompromiss-seehofers-erben.html
+++TUNESIEN
Tunesischer Migrationsexperte: „Jeder, der wegwill, schafft es auch“
In Tunesien hat der Präsident den Hass auf Migranten geschürt – viele versuchen, das Land schnell in Richtung EU zu verlassen. Was passiert gerade vor Ort?
https://www.derstandard.at/story/2000146297061/tunesischer-migrationsexperte-jeder-der-wegwill-schafft-es-auch
+++GASSE
Zürichs Kokain war noch nie so rein
Ein neuer Rekord: Der durchschnittliche Reinheitsgehalt von Kokain lag 2022 in Zürich bei 83 Prozent. Dieser hohe Gehalt erhöht das Risiko für Überdosierungen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/zurichs-kokain-war-noch-nie-so-rein-66493454
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luzernerzeitung.ch 12.05.2023
Die Zeitung von «Randständigen für Anständige» feiert Jubiläum
Die «Gasseziitig» wird direkt von Armuts- und Suchtbetroffenen verkauft. Ein Konzept, das sich seit über 25 Jahren bewährt – und für besondere Begegnungen sorgt.
Simon Mathis
«Gasseziitig, Gasseziitig!» Diesen Aufruf hat wohl jeder schon einmal gehört, der längere Zeit in der Stadt Luzern unterwegs war. Bereits seit über 25 Jahren bieten sucht- und armutsbetroffene Menschen die Zeitung feil – meist an hoch frequentierten Orten wie dem Bahnhof oder der Altstadt. Das Jubiläum wird wegen Corona um ein Jahr verschoben gefeiert. Auch dieser Tage sind die Verkäuferinnen und Verkäufer wieder unterwegs. Denn am vergangenen Mittwoch ist die 80. Ausgabe der «Gasseziitig Lozärn» erschienen.
Am Mittwochvormittag herrscht am Schalter der Gassenarbeit Luzern denn auch reges Treiben. Hier beziehen die Klientinnen und Klienten der Gassenarbeit die frisch gedruckte Ausgabe. Ein Exemplar gibt es für 1 Franken, die Randständigen verkaufen sie meist für 2 Franken weiter – wobei ihnen ein zusätzlicher Zustupf natürlich willkommen ist.
Verkäufer holen 1 bis 200 Exemplare
Die «Gasseziitig» erscheint drei Mal im Jahr. Die Auflage liegt zwischen 10’000 und 14’000. Die Tendenz ist leicht sinkend; vermutlich, weil immer weniger Leute mit Bargeld unterwegs sind. Der Erscheinungstag sorgt unter den Sucht- und Armutsbetroffenen jeweils für einen regelrechten «Run». Eine Person darf pro Tag maximal 200 Exemplare kaufen – ein Kontingent, das einige auch ausschöpfen. Andere kaufen zu Beginn lediglich eine «Gasseziitig». Wenn sie dieses Exemplar verkaufen können, kommen sie zurück und kaufen für 2 Franken weitere zwei Exemplare. Und so weiter.
«Ich habe heute mal zehn Stück genommen und schaue, wie’s läuft», erzählt Geri, der sein Glück in der Neustadt versucht. Er ist einer von etwa 50 Personen, die die «Gasseziitig» verkaufen. Der Regen mache das Geschäft nicht gerade einfacher. Geri lebt seit 35 Jahren auf der Gasse, kennt die Zeitung also schon seit ihrer Entstehung. «Viel geändert hat sich nicht, die Seiten sind einfach bunter und grösser geworden», sagt er mit einem Lächeln. Beim Verkaufen sei es wie mit den restlichen Tagen: Es gebe mal bessere und mal schlechtere. Sprich: Mal mehr und mal weniger Geld. Die «Gasseziitig» lese er auch selbst. «Ich will schliesslich wissen, was ich da verkaufe.»
Schon 1995 wurde eine Publikation namens «Gassenzeitung» in Umlauf gebracht. Sie richtete sich an die Armen und Drogenabhängigen selbst, gab Verhaltenstipps für Begegnungen mit der Polizei. Zur öffentlichen Zeitung wurde die «Gasseziitig» zwei Jahre später. Den Impuls dafür gab der stadtbekannte Theologe Sepp Riedener, der auch die Gassenarbeit gegründet hat.
Zu Beginn war die Zeitung «subversiv und emotional»
«Er hat die Zeitung gemeinsam mit seinen Klienten ins Leben gerufen», erzählt Roger Lütolf, der bei der Gassenarbeit für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. «Die Verantwortlichen fanden damals, dass die Gassenarbeit falsch verstanden wurde.» In den Anfängen seien viele Artikel der «Gasseziitig» eher «subversiv und emotional» gewesen. «Man spürt, dass die Schreibenden in den ersten Ausgaben Dampf ablassen mussten.»
Mittlerweile habe sich der Ton etwas versachlicht. Dies auch deshalb, weil der politische Rückhalt bis in konservative Kreise sehr gross sei. «Eine offene Drogenszene wie in den 90ern gibt es in Luzern nicht mehr», sagt Lütolf. «Obwohl die persönlichen Geschichten auch heute nicht weniger tragisch sind.» In der aktuellen Ausgabe geht es wiederum um Erfahrungen mit der Polizei – und den Umgang mit einer suchtbelasteten Mutter. Roger Lütolf ist keine andere Zeitung in der Schweiz bekannt, die Randständige so direkt zu Wort kommen lässt.
Fixe Plätze haben die vorwiegend männlichen Verkäufer nicht. «Wir machen das unter uns aus – nach dem Prinzip ‹wer zuerst kommt, mahlt zuerst›», sagt Verkäufer Peter. «Gerade während der ersten Tage ist es nicht einfach, ein Plätzchen zu finden.» Die Verkäufer verhielten sich meist solidarisch, stünden mindestens in 20 Meter Abstand zueinander.
-> Video: https://cdnapisec.kaltura.com/html5/html5lib/v2.86/mwEmbedFrame.php/p/1719221/uiconf_id/46363891/entry_id/1_xwavo2vb?wid=_1719221&iframeembed=true&playerId=kaltura_player&entry_id=1_xwavo2vb
Passanten haben weniger Zeit als früher
Auch im Austausch mit den Kunden habe Peter fast nur positive Erfahrungen gemacht. «Die Passanten sind im Vergleich zu früher etwas kühler geworden, weil sie mehr und mehr Stress haben», beobachtet er. Aber praktisch alle begegnen ihm mit einem Lächeln – auch wenn sie keine Zeitung kaufen. Das bedeute ihm viel. Ihm sei es wichtig, zurückhaltend und freundlich zu sein. Dass es die «Gasseziitig» gibt, findet Peter toll. «Es ist eine willkommene Möglichkeit für uns alle, Bargeld zu verdienen.» In Bezug auf die Zeitung habe er nur einen Wunsch: «Es würde uns freuen, wenn mehr Leute eine kaufen!»
Ein besonders schönes Erlebnis wird Peter wohl sein ganzes Leben in Erinnerung bleiben. Eine halbe Stunde lang habe eine Frau ihn beim Verkaufen der «Gasseziitig» beobachtet. Schliesslich habe sie ihn angesprochen und gesagt: «Ich will keine Zeitung kaufen, aber hier haben Sie 50 Franken. Sie machen das so schön!»
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Hinweis
Jubiläumsanlass «Gasseziitig Live» am Samstag, 13. Mai, von 10 bis 15 Uhr bei der Peterskapelle Luzern. Weitere Informationen unter www.kathluzern.ch/bubble. Neu kann das Archiv der «Gasseziitig» auch online eingesehen werden: www.zentralgut.ch/gasseziitig/
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/gasseziitig-eine-schweizweit-einzigartige-zeitung-wird-25-jahre-alt-ld.2452851)
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
BS:
„Details zum heutigen Prozess in Basel: Der Angeklagte wurde wegen Landfriedensbruch schuldig gesprochen. Hamburg 2017. Teilnahme. Keine Gewalt. Wegen Blockierung des Verkehrs, 2020. und weil er einen Polizisten als Rassisten tituliert hatte. Dreirosenanlage. 2021. #camilocabrera
Die Verurteilung wegen Blockierung des Verkehrs betrifft die #baselnazifrei – Solidemo vom Juli 2020. Da wurden auch mehrere Leute vom Grauen Block gebüsst, weil sie nach Entlassung aus dem Polizeikessel nicht den Fussgängerstreifen benutzt haben…
Von der Zuschauertribüne erklang: „Freiheit für alle politischen Gefangenen!“ und „Camilo Cabrera halt dein Maul!* Der Angeklagte hat versichert, dass er politisch aktiv bleibt #camilocabrera #stawastinktlock
Freigesprochen wurde er wegen der Verwendung des Wortes „Bullen“. Es konnte nicht klar zugeordnet werden, wen er gemeint hat“
(https://twitter.com/BaselBlock/status/1657043515686244352)
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bzbasel.ch 12.05.2023
Bedingte Geldstrafe für «Nazifrei»-Demonstrant: Die Anhänger jubeln
Ein 31-jährige Mann aus Basel erhielt am Freitag eine bedingte Geldstrafe wegen Landfriedensbruchs. Teilweise gab es Freisprüche, was seine Anhänger ausgiebig feierten. Die Szene schiesst sich nun auf den Staatsanwalt ein.
Patrick Rudin
Jubel im Publikum: Das Basler Strafgericht beliess es bei einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 40 Franken wegen Landfriedensbruchs und weiterer Delikte. Die von der Staatsanwaltschaft geforderte unbedingte Freiheitsstrafe war kein Thema mehr.
«Es ist kein politischer Prozess, obwohl immer wieder versucht wird, das Thema auf das politische Parkett zu ziehen. Es handelt sich um einen Strafprozess, nicht mehr und nicht weniger», sagte Gerichtspräsident Markus Hofer am Freitag gleich zu Beginn der Urteilsbegründung. Der Angeklagte habe zwar gesagt, er werde weiterhin politisch aktiv bleiben.
Dies könne man verschiedentlich interpretieren, allerdings sei er bislang nicht vorbestraft und gelte damit als Ersttäter. Somit sei die Strafe bedingt auszusprechen. Allerdings verlängerte das Gericht die Probezeit dafür auf vier Jahre.
Hauptvorwurf Landfriedensbruch: Ein Schuldspruch, ein Freispruch mangels klarer Beweise
Der 31-Jährige sei an den Ausschreitungen beim G-20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg dabei gewesen, auf entsprechenden Videoaufnahmen sei er eindeutig identifizierbar. Deshalb gab es einen Schuldspruch wegen Landfriedensbruchs. Bei der Demo vom März 2018 beim Badischen Bahnhof in Basel gab es hingegen einen Freispruch: Das DNA-Mischprofil des Mannes an einem Transparent reiche für eine Verurteilung nicht aus.
Weitere Demos in Basel betrafen die Blockierung des Verkehrs, hier kam das Gericht zu Schuldsprüchen. Auch habe der 31-Jährige an der Solidaritätsdemo zu «Basel Nazifrei» an der Heuwaage im Juli 2020 offensichtlich eine Führungsfunktion innegehabt.
Schuldig der üblen Nachrede
Einen Schuldspruch gab es auch in Bezug auf üble Nachrede: Nachdem er sich im April 2021 bei der Dreirosenanlage in eine Polizeikontrolle eingemischt hatte, betitelte er die Polizisten laut als Rassisten. «Sie wollten die Polizisten als Menschen persönlich treffen, Sie wollten einfach Aufmerksamkeit», sagte Markus Hofer.
«Ja, genau das!», rief daraufhin ein Mann aus dem Publikum. Zur Urteilseröffnung kamen viele Sympathisanten des Mannes, knapp 30 davon fanden auf den Zuschauerplätzen im Gerichtssaal Platz.
Das Dreiergericht hatte auch zu beurteilen, ob das Wort «Bullen» als Beschimpfung zu werten sei. Der Mann habe damit wohl nicht die Polizisten als solche, sondern die Behörden generell angesprochen, meinte Hofer. Daher müsse man hier wohl einen Freispruch fällen. «Es ist ein derber Sprachgebrauch, despektierlich, wie auch das Verhalten des Publikums», sagte Hofer. Weil er die Polizeikontrolle gestört hat, gab es auch zusätzlich einen Schuldspruch wegen Diensterschwerung.
Sprechchöre im Gerichtssaal gegen den Staatsanwalt.
Die Teilfreisprüche wurden jeweils vom Publikum bejubelt, am Ende verliess der 31-Jährige unter Applaus den Saal. «Freiheit für alle politischen Gefangenen», skandierte die Menge danach. Nun schoss man sich noch auf den Staatsanwalt ein: «Camilo Cabrera, halt Dein Maul», riefen die Zuschauer im Chor. Danach verliess die Menge den Gerichtssaal und feierte den 31-Jährigen vor dem Gebäude.
Zur bedingten Geldstrafe kommt allerdings eine sogenannte Verbindungsbusse von 1800 Franken, zusammen mit den Verfahrenskosten und Gerichtsgebühren bleiben am 31-Jährigen fast 10’000 Franken hängen. Sowohl der Verurteilte wie auch der Staatsanwalt können das Verfahren noch weiterziehen.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/strafgericht-basel-bedingte-geldstrafe-fuer-nazifrei-demonstrant-die-anhaenger-jubeln-ld.2452051)
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bzbasel.ch 12.05.2023
«Uns nennt man die Klima-Omis»: End-Fossil-Aktivistinnen treffen Klimaseniorinnen zum Gespräch
Am Donnerstag traf sich die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen mit zwei Aktivistinnen der Klimabewegung End Fossil Basel, die zurzeit vor der Universität Basel campieren, um sich für eine klimagerechte Welt einzusetzen.
Laura Ferrari
Seit Montag campieren Aktivistinnen und Aktivisten der Klimabewegung End Fossil Basel auf dem Petersplatz vor dem Kollegienhaus der Universität Basel. Noch bis morgen wollen sie bleiben, danach werden die Zelte und Banner wieder eingepackt. Das Programm war vielfältig. Es gab Workshops, Diskussionsrunden und Konzerte. Zudem haben die Aktivistinnen und Aktivisten der Uni Basel am Montag einen offenen Brief überreicht.
In diesem fordert die Bewegung unter anderem, dass sich «die Uni Basel aktiv für ein Ende des fossilen Zeitalters einsetzt und Transparenz über ihre Verstrickungen mit Grosskonzernen und Banken schafft», schreibt End Fossil. So verlangen die Aktivistinnen und Aktivisten, dass die Uni-Leitung bis Anfang des Herbstsemesters transparent über ihre Finanzierung spricht.
-> https://www.instagram.com/endfossilbasel/?utm_source=ig_embed&ig_rid=67907b13-fb64-4c5b-a6bb-2a2ec7be4053
Im Rahmen ihrer Besetzungsaktionen treffen zwei Aktivistinnen die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen, Rosmarie Wydler, zu einem Generationengespräch. Die Klimaseniorinnen sind ein schweizweiter Verein, bestehend aus rund 2500 Mitgliedern. Bekannt wurden sie aufgrund ihrer Klage gegen den Bundesrat: «Wir haben den Bund verklagt, weil wir als ältere Frauen nachweislich am stärksten gesundheitlich von der Klimaerhitzung betroffen sind und der Bund zu unserem Schutz mehr dagegen unternehmen muss», sagt Wydler.
Ein Kampf mit unterschiedlichen Mitteln
Jetzt begegnen sich Aktivistinnen, die für sehr ähnliches kämpfen, sich aber in verschiedener Hinsicht unterscheiden. Die Aktivistinnen, die vor dem Kollegienhaus campieren, sind junge Studentinnen. Das Durchschnittsalter der Klimaseniorinnen beträgt rund 73 Jahre.
«Ich bin an jeder Demonstration dabei, aber es wird für uns ältere Frauen zunehmend schwierig. Viele können wegen Rückenproblemen kein Transparent mehr hochhalten», sagt Rosmarie Wydler. Geschweige denn vor einer Uni im Zelt zu schlafen. Wobei die Seniorin früher auch an Besetzungen teilgenommen habe. Zum Beispiel bei AKW-Besetzungen in den 70er-Jahren.
Was die Aktivistinnen auch voneinander unterscheidet, ist die Art und Weise, wie sie Veränderung schaffen wollen. Während die Klimaseniorinnen mit ihrer Klage den juristischen Weg gewählt haben, hat sich die End Fossil-Bewegung zum Ziel gesetzt, zu intervenieren, zu besetzen und so bewusst den gewohnten Rhythmus der Gesellschaft zu stören.
Weg von der Individualkritik, hin zum organisierten Kampf
«Wir stehen für einen systemischen, sozialtragenden Wandel von unten», sagt Nora Savioni, Aktivistin von End Fossil und Studentin an der Uni Basel. Ainhoa Martinelli, ebenfalls Studentin und Mitglied bei End Fossil, ergänzt: «Wir sind überzeugt, dass man sich organisieren muss, um Veränderung zu schaffen und Menschen zum Umdenken zu bewegen».
Spannend wird das Gespräch bei der Frage, als Rosmarie Wydler von den beiden wissen will, wie sie ihr Leben konsequent klimafreundlich gestalten. Während Wydler nämlich die Meinung vertritt, dass die Kundschaft der König oder die Königin sei und somit beeinflusse, was zu welchem Preis verkauft werde, sehen das die beiden Studentinnen anders. Martinelli sagt: «Ein Konzern steuert mit seinen Preisen, was verkauft wird. Und mit Werbung werden Bedürfnisse bei den Leuten geschaffen, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie haben».
Sie fügt an, dass es gerade darum gehe, dass Menschen, die etwas ändern wollen, die Möglichkeit haben, sich zu organisieren und sich in einer Gruppe gemeinsam für eine Veränderung stark zu machen. «Für mich ist die Frage nach dem Konsum Einzelner komplett am Ziel vorbeigeschossen, weil sie ausschliessend ist und die Kritik nicht auf individueller Ebene geschehen sollte», sagt Savioni. Es habe zudem mit der eigenen gesellschaftlichen Positionierung zu tun, ob man das Privileg habe, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen zu können.
Jung und Alt müssen sich zusammenschliessen
Sie haben sich viel zu sagen, die drei Frauen. Jetzt soll es darum gehen, dass in Zukunft eine Zusammenarbeit entstehen kann. Denn was die beiden Generationen gemeinsam haben ist, dass sie den Eindruck haben, nicht ernst genommen zu werden. Wydler sagt: «Uns nennt man Klima-Omis. Würde man eine Gruppe von alten, weissen Männern Klima-Opis nennen?»
Diese Erfahrung machen anscheinend auch die Jungen, eben weil sie jung sind. «Ältere Leute sagen uns zwar, dass wir eine tolle Arbeit machen, aber unterstützt werden wir von ihnen nicht», sagt Martinelli. Deswegen wünschen sich die End Fossil-Aktivistinnen und Aktivisten in Zukunft eine Vernetzung mit der älteren Generation, denn sie wollen weg davon, nur «die Jungen» zu sein. «Viele über 30-Jährige trauen sich nicht, Teil von uns zu werden», sagt Savioni. Dabei sei niemand zu alt, um sich ihrer Bewegung anzuschliessen.
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Kritik von bürgerlicher Seite
Unbewilligt campieren solle nicht geduldet werden
Nicht alle heissen die Besetzung gut. Hauptsächlich von bürgerlicher Seite wird kritisiert. SVP-Grossrat Joël Thüring nennt die Besetzung eine «False-Flag-Aktion», wie bei Bajour zu lesen ist. Er findet, dass die Forderungen der Aktivisten und Aktivistinnen keinen Zusammenhang mit dem Thema Klima hätten. Auch sein Kollege Roger Stalder zeigt kein Verständnis. «Das dies nun die Uni und die Polizei duldet, geht für mich nicht», schreibt er auf Bajour. Auf Twitter empörten sich auch die Jungfreisinnigen Basel-Stadt, als die Aktivisten und Aktivistinnen am Donnerstagnachmittag in der Uni Parolen sangen: «Inakzeptabel. Die Lernatmosphäre der Studierenden während Lern- und Prüfungsphasen derart zu stören, ist asozial. Wir fordern die Uni auf, zu handeln», schreibt die junge FDP auf Twitter.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/besetzung-uns-nennt-man-die-klima-omis-end-fossil-aktivistinnen-treffen-klimaseniorinnen-zum-gespraech-ld.2456253)
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ZH:
“Was wir nicht wissen: Warum Polizeiangehörige mit Gummischrot auf die eingekesselten Menschen geschossen haben.”
Fraktionserklärung der Alternativen Liste Zürich zum Polizeieinsatz am 1. Mai.
https://al-zh.ch/blog/2023/05/was-wir-nicht-wissen-warum-polizeiangehoerige-mit-gummischrot-auf-die-eingekesselten-menschen-geschossen-haben/
Zürich: Unbewilligte Demo an der Langstrasse – Vermummte attackieren Polizei
Am Freitagabend gegen 22.30 zog ein Demonstrationszug durch die Zürcher Partymeile. Die Stadtpolizei Zürich bestätigt das Ereignis auf Anfrage.
https://www.20min.ch/story/unbewilligte-demonstration-an-der-langstrasse-polizei-vor-ort-791337033715?version=1683926714417
+++SPORT
Car hat Panne: FCB-Fans melden sich mit «revolutionärer Tat» aus Gotthardtunnel
Auf der Rückreise aus Florenz erlaubt sich die Muttenzerkurve einen Scherz. Mit einer vermeintlichen Tunnel-Blockade wollen die FCB-Fans ein Wiederholungsspiel gegen den FC Zürich erzwingen.
https://www.20min.ch/story/fcb-fans-melden-sich-mit-revolutionaerer-tat-aus-gotthardtunnel-923573878136
-> https://www.muttenzerkurve.ch/
-> https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/uri/wir-fordern-wiederholungsspiel-fcb-fanbus-blockiert-gotthard-tunnel-id18569938.html
+++BIG BROTHER
Publikationshinweis: Bericht des Bundesrates zur Beurteilung der Bedrohungslage gemäss Art. 70 Nachrichtendienstgesetz (NDG)
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 10. Mai 2023 den jährlichen Bericht zur Beurteilung der Bedrohungslage gemäss Art. 70 NDG verabschiedet. Der Bericht wurde vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB) erstellt und bezieht sich auf die im NDG genannten Bedrohungen sowie auf sicherheitspolitisch bedeutsame Vorgänge im Ausland.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-95082.html
-> PDF: https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/78243.pdf
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Zigeunerkulturtage: So leben Fahrende
Etwa 200 Personen campieren zurzeit mitten in der Stadt Zürich. Es sind Fahrende. Anlässlich ihrer Anwesenheit finden bis am Samstag, 13. Mai, auf dem Hardturm-Areal die Zigeunerkulturtage statt. RADIO TOP war für einen Augenschein vor Ort.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zigeunerkulturtage-ca-200-personen-campieren-in-mitten-von-zuerich-00212135/
+++FRAUEN/QUEER
Soziologe Kovic zerlegt «Keine-Lust-auf-Karriere»-Studie
Ziehen Frauen einen erfolgreichen Mann ihrer eigenen Karriere vor? Diese Interpretation einer Uni-Zürich-Studie ist laut einem Soziologen eine Fehlinformation.
https://www.nau.ch/news/forschung/soziologe-kovic-zerlegt-keine-lust-auf-karriere-studie-66492592
+++RECHTSPOPULISMUS
Kein Linksdrall an Aargauer Kantonsschulen
Die Wogen gingen hoch: Vor zwei Jahren schrieben drei Kantonsschüler in ihrer Maturarbeit, es gebe an den Kantonsschulen einen Linksdrall. Eine repräsentative Umfrage zeigt nun ein anderes Bild. Handlungsbedarf gibt es gemäss Regierung nicht, aber sie will eine offenere Debattenkultur an Schulen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/kein-linksdrall-an-aargauer-kantonsschulen?id=12387292
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/studie-widerlegt-vorwurf-kein-linksdrall-an-aargauer-kantonsschulen
-> https://www.blick.ch/politik/studie-wirft-neue-fragen-auf-aargauer-lehrer-sollen-doch-nicht-links-sein-id18570189.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aargauer-kantonsschulen-doch-nicht-alles-paletti?id=12387490
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/studie-widerlegt-linksdrall-an-aargauer-mittelschulen?partId=12387472
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/vorwurf-entkraeftet-aargauer-kanti-lehrpersonen-nicht-zu-links?urn=urn:srf:video:2f774626-9afd-49ee-b04f-77a0c110ccff
«Wer so Hetze betreibt …»: Mitte-Steiner attackiert Glarner nach Gender-Tweet frontal
Die Sekundarschule in Stäfa ZH musste einen «Gender-Tag» absagen. Verantwortlich gemacht wird SVP-Hardliner Andreas Glarner. Nun kritisiert ihn die Zürcher Bildungsdirektorin scharf.
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/750026929-silvia-steiner-attackiert-glarner-betreibt-hetze
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/zurcher-regierungsratin-kritisiert-hetze-rund-um-stafner-gender-tag-66493720
-> https://www.blick.ch/politik/abgesagter-gender-tag-zuercher-bildungsdirektorin-steiner-kritisiert-svp-glarner-wer-so-hetzt-nimmt-seine-verantwortung-als-politiker-nicht-wahr-id18570228.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/zuercher-bildungsdirektorin-kritisiert-hetze-ohne-kenntnis-der-faktenlage-111897282297
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/viel-wirbel-um-gendertag-in-staefa?id=12387103
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/gender-tag-bildungsdirektorin-silvia-steiner-nimmt-stellung?id=12387427 (ab 01:19)
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-regierungsraetin-kritisiert-hetze-rund-um-staefner-gender-tag-00212122/
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tagesanzeiger.ch 12.05.2023
Reizthema Gender: Wie Stäfa in den Kulturkampf geriet
Zwei SVP-Nationalräte zündeln gegen den Gendertag an der Schule Stäfa. Daraus entsteht so viel Hass, dass die Schule den Tag absagt. Weshalb triggert das Thema Gender derart?
Philippa Schmidt, Sibylle Saxer, Christian Zürcher
Handgeschriebene Briefe. E-Mails. Telefonanrufe. Darin Drohungen und Beleidigungen. «Ich arbeite seit 15 Jahren für die Schule Stäfa und habe so etwas noch nie erlebt», sagt Olga Demiri, Sozialarbeiterin der Schule Stäfa ZH, noch immer fassungslos.
«Wir warten auf dich», «Ich komme vorbei und mache dich fertig», sind noch die druckfähigen Drohungen, die der Schule per E-Mail zugeschickt wurden. Oder auch: «Ich hoffe, eure Büros und eure subversive Arbeit werden komplett geschlossen und von der Bildfläche gefegt.»
Über 50 Drohmails aus der ganzen Schweiz erreichten die Schule. Die Telefone, unter anderem Olga Demiris Dienst-Handy, läuteten ununterbrochen. Irgendwann nahm sie einfach nicht mehr ab. Und dann war da dieser Flyer, mit dem aufgerufen wurde, vor der Schule zu demonstrieren, «um ein Zeichen zu setzen». Vermerk: «Stoppen wir diesen Wahnsinn.»
Irgendwann war genug. Die Schule sagte den Gendertag ab, den Ursprung dieses Shitstorms. Aus Sicherheitsgründen. Was ist in Stäfa geschehen?
Seit zehn Jahren gibt es den Gendertag
Seit zehn Jahren führt die Schule Stäfa für ihre Sekundarschülerinnen und -schüler den Gendertag durch, seit zehn Jahren trägt er auch diesen Namen. Man bespricht dabei Geschlechterrollen und Fragen zu den Themen Sexualität und Liebe. Dies ist Bestandteil des Lehrplans.
Der diesjährige Gendertag hätte am 15. Mai stattfinden sollen. Als die Schulleitung die Eltern daran mit einem Schreiben samt Gendersternchen und Transgenderlogo erinnerte, gelangte dieses auch zu den SVP-Nationalräten Roger Köppel und Andreas Glarner.
Köppel sprach in seinem «Weltwoche Daily» von einer «Versexisierung des Schulunterrichts» und gegenüber TeleZüri sagte er, dass Gendersterne und Transgenderlogo seiner Information zufolge nicht Teil des Lehrplans seien.
Glarner hielt sich kürzer. Auf Twitter schrieb er: «Gender-Tag in @gemeindestaefa mit obligatorischer Teilnahme – wer greift durch und entlässt die Schulleitung?» Inzwischen haben über 124’000 Personen diese Aufforderung gelesen. Die Sache verselbstständigte sich, Medien berichteten, die Kommentarspalten füllten sich, Hass und Zorn entluden sich auf die Schule Stäfa, drei Tage nach dem Tweet wurde der Tag abgesagt.
Glarner ist ein Provokateur und geht immer wieder an die Grenzen. Es ist noch nicht lange her, dass er die Telefonnummer einer Lehrerin auf Facebook stellte, weil sie einem muslimischen Kind für das Fastenbrechen frei gegeben hatte. Glarner bat damals um Entschuldigung.
Dieses Mal ist er sich keiner Schuld bewusst, er würde alles noch einmal gleich machen. «Ich bedauere, dass es zu diesen Drohungen kam», sagt er auf Anfrage. «Aber ich bin doch nicht verantwortlich, was nach einem Post von mir geschieht.» Er sei aber froh, dass die Schule zurückgekrebst sei und in diesem Fall die linke Unterwanderung der Schulen habe gestoppt werden können.
Cancel-Culture à la SVP
Für den Politologen Michael Hermann ist das Instrument der Empörungsbewirtschaftung nicht neu. «Der Pranger ist bei der SVP eine ältere Taktik», sagt er. Trotzdem hat ihn die Intensität überrascht. «Mit den sozialen Medien hat man plötzlich einen anderen Hebel.»
Hermann sind im Fall Stäfa vor allem zwei Dinge aufgefallen. Früher sei es die SVP gewesen, die den Linken Denkverbote und Cancel-Culture vorgeworfen habe. Nun sei sie es, die Cancel-Culture betreibe. «Und zum Teil noch radikaler.» Dies sei wohl auch der grösste Schaden aus der Sache: dass sich künftig Schulen oder andere Organisatoren nicht mehr trauen, solche Anlässe zu organisieren.
Zweitens triggert das SVP-Wahlkampfthema Gender die Menschen enorm. «Die Leute interessieren sich bei diesem Thema gar nicht mehr für Fakten. Man hat nur noch die Weltsicht von Freund und Feind», sagt Hermann. Tribalismus nennt er es, abgeschaut von Donald Trump, dem ehemaligen US-Präsidenten. Die Folge: Die Entrüstung schaukelt sich zwischen links und rechts hoch.
Besonders abstrus findet Hermann in diesem Fall, dass dieser Sturm wohl nicht entstanden wäre, wenn der Anlass anders geheissen oder das Schreiben keine Gendersterne enthalten hätte.
Das Thema Gender bewegt die Menschen. Warum eigentlich? «Weil die Menschen genug haben, wenn man ihnen beibringen will, wie sie denken sollen», sagt SVP-Politiker Glarner. Was heisst das genau? «Dass das Theater um LGBTQI, Woke und Gendersternchen normal sein soll. Das ist es einfach nicht.»
Hermanns Begründung lautet anders. Auf einmal würden Selbstverständlichkeiten infrage gestellt. Selbstverständlichkeiten wie: Ein Mann ist ein Mann. Eine Frau ist eine Frau. «Das löst starke Reaktionen aus.» Komme dazu, dass die SVP in diesen Fragen bis in linke Spektrum punkten könne. Darum bewirtschafte sie es umso aktiver.
Und was sagen die Schülerinnen?
In der Debatte bisher nicht zu Wort kamen die Betroffenen, die Schülerinnen und Schüler in Stäfa. Unter ihnen sind die Geschehnisse der letzten Tage ein grosses Thema. Anouk Müller (Name geändert) besucht die dritte Sekundarschule und hat letztes Jahr den Gendertag miterlebt.
Man habe damals über Eifersucht, Verhütung, das Verschicken von Nacktfotos, Pornokonsum und die verschiedenen Formen von Gender gesprochen. «Ausnahmslos alle haben den Gendertag gut gefunden», sagt Müller. Dies habe eine spontane Klassenumfrage am Freitag ergeben. Sie hätte es zudem bevorzugt, wenn die Schule nicht eingeknickt wäre.
Nächstes Jahr soll der Gendertag wieder stattfinden. Einfach unter anderem Namen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/wie-staefa-in-den-kulturkampf-geriet-267127773247)
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SVP verbreitet laut SP Fake News per Extrablatt – Imark lässt der Vorwurf kalt
Das SVP-Extrablatt zum Klimaschutzgesetz erzürnt SP-Politiker. Auch der einzige FDP-Politiker im Nein-Komitee geht auf Distanz zur Abstimmungszeitung.
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/446960449-klimaschutzgesetz-so-argumentieren-die-parteien
Solothurner SVP-Kantonsrat vergleicht Asylsuchende mit Neophyten
Solothurn weist Personen ohne Anrecht auf Asyl konsequent aus. Während einer Debatte kam es dabei zu einer verbalen Entgleisung.
https://www.nau.ch/politik/regional/solothurner-svp-kantonsrat-vergleicht-asylsuchende-mit-neophyten-66492648
Zum zweiten Mal fand in Ungarn das rechte Netzwerktreffen CPAC statt
Chuck Norris und die No Woke Zone
Auf der Conservative Political Action Conference (CPAC) vernetzen sich Rechtsextreme und Konservative gegen »woke Eliten«. Vergangene Woche fand das Treffen zum zweiten Mal in Budapest statt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán versucht, sich als Anführer einer internationalen Rechten zu inszenieren.
https://jungle.world/artikel/2023/19/chuck-norris-und-die-no-woke-zone
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Provenienzforschung in Zürich: Raphael Gross wird die Bührle-Werke durchleuchten
Stadt und Kanton Zürich sowie der Trägerverein des Kunsthauses haben den Historiker mit der Überprüfung der Sammlung beauftragt. Sein Bericht soll im Juni 2024 erscheinen.
https://www.landbote.ch/raphael-gross-wird-die-buehrle-werke-durchleuchten-733921832035
-> https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/ueber_das_departement/medien/medienmitteilungen/2023/mai/230512a.html
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tagesanzeiger.ch 12.05.2023
Knatsch bei Massnahmenkritikern: «Aufrecht» spaltet sich noch vor Start des Wahlkampfes
Autoritärer Führungsstil, fehlendes Mitspracherecht, zu wenig Geld: Bei Aufrecht Zürich liegen die Nerven blank. Zentrale Figuren legen ihre Ämter vor Beginn des Nationalratswahlkampfs nieder.
Felix SchaadRaphael MeierDavid Sarasin
David Sarasin, Raphael Meier, Felix Schaad(Karikatur)
Es war eine der Überraschungen bei den letzten Kantonsratswahlen: Im Verbund mit der Freien Liste erreichte Aufrecht Zürich auf Anhieb einen Wähleranteil von über 2 Prozent, also fast 7000 Stimmen. Für einen Sitz reichte es jedoch nicht. Die Liste erreichte weder die 5-Prozent-Hürde in einem Wahlkreis noch die 3-Prozent-Marke im ganzen Kanton. Doch der Achtungserfolg nährte die politischen Ambitionen: Im Herbst tritt die Gruppierung zu den nationalen Wahlen an.
«Aufrecht» entstand während der Corona-Zeit im Oktober 2021 aus Vertretern verschiedener massnahmenkritischer Organisationen. Darunter auch Personen aus esoterischen Kreisen und aus der Verschwörungsszene. Bei den kommenden Nationalratswahlen rechnete die Partei, die sich offiziell als «unabhängige Bürgerbewegung» bezeichnet, gesamtschweizerisch mit zwei bis drei Sitzen.
Doch jetzt scheint es im Kanton Zürich, der grössten und wichtigsten Sektion in der Schweiz, Probleme zu geben. Fünf Bezirksleiter haben rund um die Kantonsratswahlen ihren Posten abgegeben, der neunköpfige Aufrecht-Vorstand des Bezirks Horgen ist geschlossen zurückgetreten und stimmte für eine Auflösung der Sektion. Eine mögliche Nationalratskandidatin hat ihre Kandidatur kurzfristig zurückgezogen.
Wie gehässig der Knatsch bei Aufrecht ausgetragen wird, zeigen Chatprotokolle, Dokumente der Rechtsabteilung von Aufrecht Schweiz sowie das Protokoll der Mitgliederversammlung in Horgen. Die Dokumente liegen dieser Zeitung vor.
Interview führte zu Streit
In der Kritik steht insbesondere Patrick Jetzer, Gründer sowie Präsident von Aufrecht Schweiz und Aufrecht Zürich. Drei ehemalige Bezirksleiter bemängeln seinen angeblich eigenmächtigen Führungs- und Kommunikationsstil. Ihm werden «fragwürdige und nicht reglementierte Vorgehensweisen» beim Austritt eines Bezirksleiters angelastet.
Beim betroffenen Bezirksleiter handelt es sich um den möglichen Nationalratskandidaten aus Bülach, Andi Widmer. Weil er in der Presse Aussagen über eine mögliche Listenverbindung machte, gerieten er und Jetzer sich in die Haare. «Sorry, aber solche Infos gehören nicht in die Zeitung! Das sind Gespräche, die hinter den Kulissen ablaufen», kritisiert Jetzer in einem Chat von Aufrecht Zürich. Widmer dagegen wollte sich von Jetzer nichts vorschreiben lassen.
Darauf eskalierte der Streit, der nach mehrwöchigem Hin und Her damit endete, dass Widmer sein Amt niederlegte und seine Nationalratskandidatur zurückzog. Angeblich habe Jetzer ihn eigenhändig über Nacht aus dem System gelöscht, entgegen den Regeln und ohne den Vorstand zu informieren. Dies führte unter anderem zu den weiteren Rücktritten in Horgen. Auch in Hinwil, Winterthur, Dielsdorf und Andelfingen sind Leitungspersonen zurückgetreten, die für den Wahlkampf von zentraler Bedeutung gewesen wären.
Jetzer weist Kritik zurück
Patrick Jetzer zeigt sich von den Austritten unbeeindruckt: «Wir sind bereit für die Wahlen», sagt der Aufrecht-Präsident auf Anfrage. Die Bewegung habe eine volle Nationalratsliste, und alle Bezirke seien «betreut». Den Vorwurf eines statutenwidrigen Ausschlusses weist er zurück. Widmer habe den Austritt gegeben, das sei an der kantonalen Delegiertenversammlung bestätigt und protokolliert worden.
«Aufrecht ist neu und noch im Aufbau», erklärt Jetzer. Kurz nach der Gründung seien im Kanton Zürich auch schon die Wahlen angestanden. «Wir hatten schlicht noch nicht die personellen und zeitlichen Ressourcen.» Deshalb sei viel Entscheidungsgewalt bei ihm hängen geblieben. Aktuell lege Aufrecht den Fokus auf die Nationalratswahlen. Die Strukturen der Bewegung werde man im Anschluss weiter aufbauen.
«Nach Corona kein gemeinsames Thema mehr»
Die Rücktritte in den Bezirken sind nicht nur dem Streit zwischen Jetzer und Widmer geschuldet. «Die Bewegung hat nach dem Ende der Corona-Massnahmen kein gemeinsames Thema mehr gefunden», sagt André Rüegger, der den Bezirk Winterthur bis nach den Wahlen leitete und bei Aufrecht Zürich im Vorstand war.
Die Top-down-Struktur passe zudem nicht zur massnahmenkritischen Bewegung, die viel auf Gemeinschaft setze, sagt Rüegger. Deshalb habe er alle seine Ämter abgegeben: «Für mich persönlich ist Aufrecht gestorben.» Er wolle nun, wie andere angefragte ehemalige Parteimitglieder, wieder auf ausserparlamentarische Aktivitäten fokussieren. Rüegger ist unter anderem Mitglied bei der Gruppierung Freunde der Verfassung.
Er und andere angefragte ehemalige Kantonsratskandidaten nennen auch das schmale Budget von Aufrecht Zürich als Grund für den Streit. Den Wahlkampf hätten die Spitzenkandidaten zum Teil aus der eigenen Tasche finanziert, was zu Frustrationen geführt habe, sagt Rüegger. Dem Vernehmen nach hatte Aufrecht ein Gesamtbudget von 35’000 Franken für den Kantonsratswahlkampf.
Rimoldi will in den Nationalrat
Die Frage, wie sehr man sich auf den Schweizer Politikbetrieb einlassen will, spaltet die Corona-skeptische Szene. Die Freunde der Verfassung haben sich auf einen ausserparlamentarischen Weg geeinigt. Nicolas Rimoldi von der Gruppierung Mass-voll kandidiert dagegen für den Nationalrat. Diese unterschiedliche Vorgehensweise sorgt immer wieder für Streit.
Mass-voll und andere Teile der massnahmenkritischen Bewegung haben mit der Initiierung eines erneuten Referendums zum Covid-Gesetz ein neues altes Thema gefunden. Ebenso positionieren sich Teile der Szene als sogenannte Friedensbewegung. Bei Demos in Bern im März wie auch an einer Kundgebung in Winterthur vergangenes Wochenende blieben die Teilnehmerzahlen allerdings deutlich hinter den Erwartungen.
Bewegung spaltet sich
Die kürzlich zurückgetretenen Aufrecht-Mitglieder im Kanton Zürich orientieren sich derzeit neu. «Es laufen Diskussionen, wie sich die ausgetretenen Gruppierungen weiter organisieren wollen», erklärt Christian Besmer, der die Co-Leitung des Bezirks Horgen innehatte und die Mitgliederadministration von Aufrecht Schweiz verwaltete.
«Uns geht es darum, dass die ehemaligen Sektionen keinen Wahlkampf mehr für Aufrecht betreiben», sagt Besmer. Ziel sei es, zusammen mit den ausgetretenen Personen eine neue politische Koordination aufzubauen. Die neue Ausrichtung beschreibt er als «lokal, basisdemokratisch, von unten nach oben».
Um nicht mehr mit Aufrecht in Verbindung gebracht zu werden, hat sich die Ortssektion Langnau umbenannt. Neu tritt der politische Verein unter dem Namen Helv-Ethik-Langnau auf. Zur Protestbewegung Helv-Ethica Ticino, die zuletzt zwei Sitze im Tessiner Kantonsparlament erobern konnte, besteht aber keine Verbindung. Der Bülacher Ex-Aufrecht-Mann Andi Widmer hat sich derweil der Bewegung Mass-voll angeschlossen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/aufrecht-spaltet-sich-noch-vor-start-des-wahlkampfes-908269037933)
+++HISTORY
nzz.ch 12.10.2023
Benin-Bronzen: Schweizer Museen hofieren die Nachfahren von Sklavenhändlern und ignorieren das Blut, das an den Kunstschätzen klebt
Die Artefakte des ehemaligen Königreichs Benin haben eine gewaltsame Vorgeschichte. Zu wertvoller Kunst und afrikanischem Kulturerbe wurden sie erst in Europa. Das muss Teil der Restitutionsdebatte sein.
Brigitta Hauser-Schäublin
Weltweit befinden sich etwa 5200 Benin-Artefakte, die auf die britische Strafexpedition gegen das Königreich Benin von 1897 zurückgehen, in öffentlichen Museen und Sammlungen. Die am Museum Rietberg angesiedelte Benin-Initiative Schweiz zählt 96 Objekte auf, die sich in acht Museumssammlungen in der ganzen Schweiz befinden. Davon stammen 53 Artefakte nachgewiesenermassen oder vermutlich aus dem Kontext der Strafexpedition und ihrer Kriegsbeute. Nach einem Treffen mit einer Delegation aus Nigeria im Februar dieses Jahres wurde in einer Erklärung festgehalten, dass diese 53 Objekte dem «ursprünglichen Besitzer» zurückgegeben werden sollen.
Indessen lebt der «ursprüngliche Besitzer» seit 1914 nicht mehr, und die Welt hat sich seither auch in Westafrika fundamental verändert. Im Klartext bedeutet diese Absichtserklärung: Kulturgüter aus Schweizer Museen sollen, sozusagen am nigerianischen Staat vorbei, Privateigentum eines staatsrechtlich nicht mehr existierenden Königshauses werden.
Mit dieser Erklärung marschiert die Benin-Initiative Schweiz im Gleichschritt mit der Benin-Dialog-Gruppe und ihren tonangebenden Direktorinnen deutscher Museen. Diese lieferten mittels ihrer einäugigen Provenienzforschung die Grundlage für den Entscheid der deutschen Regierung, bedenken- und bedingungslos die Eigentumsrechte an sämtlichen in deutschen Museen vorhandenen 1130 Objekten an den nigerianischen Staat zu übertragen.
Aber der Traum platzte: Im März machte der unmittelbar vor seinem Amtsende stehende Staatspräsident Muhammadu Buhari dem König von Benin, dem Oba, ein Staatsgeschenk. Das nationale Kulturgut, das die deutsche Aussenministerin in rührseligen Worten dem «nigerianischen Volk» gewidmet hatte, wurde damit zu Privateigentum.
Der Wert der Benin-Bronzen, die Nigeria aus Museen in aller Welt zurückfordert, bewegt sich in einer Grössenordnung – so die «New York Post» – von dreissig Milliarden Dollar. Kein Wunder, wenn hinter den Kulissen der Politik Nigerias diese hochkarätigen Objekte schon längst zu einem politischen Zankapfel verschiedenster Gruppierungen geworden waren. Welchem Druck sich der Staatspräsident kurz vor der Amtsübergabe mit seiner autokratischen Handlung beugte, ist unklar. Für Deutschland war es zweifellos ein politisches Fiasko.
Westlich verklärte Sicht
Dafür mitverantwortlich ist eine einseitige, aber in Deutschland offensichtlich politisch gewollte, schablonenhaft betriebene Form der Provenienzforschung, die eine «Rückgabe» an die «ursprünglichen Besitzer» zum Ziel hat. Sie schliesst dabei sorglos Vergangenheit und Gegenwart kurz, scheint das Rad der Geschichte zurückdrehen zu wollen, idealisiert und romantisiert vorkoloniale soziopolitische Verhältnisse. Sie geht leichtfertig darüber hinweg, dass heute Staaten – und nicht «Königtümer» – die rechtmässigen internationalen Partner sind.
Das gilt auch für die Schweiz. So hofierte das Museum der Kulturen in Basel einen Vertreter des Königshauses Benin, «His Royal Highness», und freute sich mit verklärtem Blick, einen «Prinzen» im Museum begrüssen zu dürfen. Man warte nur darauf, dass aus Afrika Rückforderungsanträge gestellt würden, hiess es vonseiten der Museumsleitung.
Im inneren Zirkel der Benin-Initiative wird der heutige Benin-Hof mit dem britischen Königshaus verglichen, was ein haarsträubender Vergleich ist. Das Königreich Benin ist in Nigeria ein informelles, jedoch autokratisch-staatsähnlich agierendes Gebilde und nur eines neben vielen anderen, zu denen auch Sultanate gehören. Diese parastaatlichen Institutionen gewinnen inzwischen immer stärker an Macht. Sie lassen ihre Muskeln spielen, wie das «Staatsgeschenk» verdeutlicht.
Seit der Unabhängigkeit 1960 ist die Einheit Nigerias von ethnischen und religiösen Spannungen – Muslime im Norden, wo die Scharia gilt, und Christen im Süden –, von der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen extremer Armut und exorbitantem Reichtum dank den riesigen Öl- und Gasvorkommen sowie von Terrororganisationen und kriminellen Banden wie Boko Haram und Black Axe bedroht. Rückgaben von Sammlungen monarchischer Herrschaftsinsignien, wie dies bei den Benin-Bronzen der Fall ist, an Nachkommen ehemaliger Despoten untergraben Autorität und Stabilität der noch immer um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ringenden Länder.
Die ethnologische Provenienzforschung sucht ausschliesslich nach Zeugnissen kolonialer Greuel, identifiziert Täter und Opfer nach einem Schwarz-Weiss-Muster, verwendet vorbelastete Begriffe und bewertet selbstgerecht nach Massstäben des 21. Jahrhunderts. Einer differenzierten Betrachtung der Lebensgeschichte von Objekten seit ihrer Entstehung fühlt sie sich nicht verpflichtet.
Ein falscher Ansatz
Diese Art der Provenienzforschung ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte zu verstehen: Das Nazi-Trauma im Nacken, von Schuldgefühlen geplagt und vom Bemühen um Wiedergutmachung beseelt, verwendet die Provenienzforschung die Schablone, wie sie der Identifizierung von «NS-Raubkunst» (womit in Deutschland verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter, also ein «Raub an den jüdischen Mitbürgern» gemeint ist) dient.
Als «Raubkunst» bezeichnet auch die Benin-Initiative Schweiz vorschnell die Benin-Bronzen. Der Begriff ist irreführend. Zwar handelte es sich bei dem, was die Briten konfiszierten, um Kriegsbeute, aber im damaligen Rechtsverständnis war dies weder eine Plünderung noch ein Raub. Nach heutigen Massstäben sieht es anders aus.
Bei der Suche nach NS-Raubkunst steht die Identifizierung von enteignetem Besitz in Form von künstlerischen Wertgegenständen, die auf dem Kunstmarkt hoch gehandelt werden, im Vordergrund. Den dahinterstehenden Eigentumsbegriff auf ethnologische Sammlungen zu übertragen, ist eurozentrisch, denn er geht von einem Menschen (Eigentümer) aus, der über ein (unbelebtes) Objekt, genauer: eine Ware, verfügen kann, die er rechtmässig erworben hat.
Die Benin-Bronzen waren nie Objekte und schon gar nicht Waren, die einer Privatperson gehörten. Sie waren belebte Wesen, Sitz von machtvollen Ahnen, mit denen die Herrscher kommunizierten und denen sie opferten – Tiere, aber auch Menschen, mit deren Blut sie die Bronze-Köpfe besprenkelten. Der Oba war nicht ihr Eigentümer, sondern ihr Gegenüber und Diener. Sie dienten der Legitimation seiner Herrschaft; er war auf deren Unterstützung angewiesen.
Einen monetären Wert besassen diese Ahnensitze damals nicht, auch nicht für europäische Händler, die Handelspartner des Königs. Einen monetären Wert erhielten sie erst, als sie auf den Kunstmarkt gelangten, wobei sie von ihrer bluttriefenden Geschichte gesäubert, mit rein ästhetischem Wert versehen in die Kategorie Kunst erhoben und zur käuflichen Ware (als Privateigentum) wurden.
Der sich in Tausenden von Objekten manifestierende Reichtum der Benin-Herrscher basiert auf den während Jahrhunderten geführten Angriffskriegen. Sie überfielen, plünderten und zerstörten Städte und Dörfer, versklavten zehntausendfach Menschen und verkauften einen Grossteil an arabische und europäische Sklavenhändler. Als Bezahlung verlangten sie Messing- und Kupferringe (sogenannte Manillas), aus denen die Bronzen gegossen wurden. Das Rohmaterial wurde tonnenweise importiert.
Nachfahren der Sklaven in den USA, Brasilien und der Karibik, die ursprünglich aus Westafrika stammten und vom Benin-König als Ware verkauft wurden, reklamieren mit Recht Miteigentümerschaft an den Bronzen. Die Provenienzforschung, auch die Benin-Initiative Schweiz, ignoriert die Opfer und verschweigt die brutale Herrschaft der Benin-Könige. Die Benin-Initiative Schweiz beschönigt selbst Sklavenjagden, -haltung und -handel. Sklaverei habe in Benin auch der Integration von Fremden in die eigene Gesellschaft gedient, wird erklärt.
Es gibt viele Eigentümer
Diese postkoloniale Provenienzforschung hat in Nigeria eine Stimmungsmache zur Folge, so dass die Briten nur noch als brutale Übeltäter wahrgenommen werden. Dass Kolonialbeamte und Wissenschafter die ersten Museen in Nigeria eingerichtet und dem Nationalmuseum zu der einstmals drittgrössten Sammlung von Benin-Artefakten verholfen hatten – inzwischen sind dort Hunderte von Objekten verschwunden –, scheint aus dem kulturellen Gedächtnis gelöscht.
Kultur kann tatsächlich Völker verbinden und zum Nation-Building beitragen. Öffentlichen Museen kommt dabei eine wichtige Rolle zu, indem sie Kulturgüter unterschiedlicher Ethnien gleichwertig nebeneinander ausstellen. Aber das Ziel wird verfehlt, wenn jedes untergegangene Herrscherhaus, jede Ethnie die historischen Kulturgüter auf dem eigenen Gebiet einschliesst und als Privateigentümer bestimmt, wer Zugang dazu erhält und wer nicht – und welche Version der Geschichte erzählt werden darf.
In den Benin-Bronzen manifestieren sich jahrhundertelange und Kontinente-überspannende Beziehungen. Dazu gehören auch Museen in westlichen Ländern, welche die Benin-Bronzen über ein Jahrhundert hinweg bewahrt, erforscht und bekannt gemacht haben: Erst durch sie wurden sie zu einem afrikanischen Weltkulturerbe.
Auch ihnen steht Miteigentümerschaft – «shared heritage» – zu. Einen «ursprünglichen Besitzer» als Privateigentümer gibt es nicht. Die 53 umstrittenen Objekte in Schweizer Museen sind Zeugnisse der kolonialen Unterwerfung – und der nicht weniger blutigen Vorgeschichte. Als solche sollten sie, ohne Schönrednerei, auch ausgestellt werden, sei es in der Schweiz oder in Nigeria.
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Brigitta Hauser-Schäublin ist emeritierte Professorin für Ethnologie an der Georg-August-Universität in Göttingen.
(https://www.nzz.ch/feuilleton/benin-bronzen-schweizer-museen-beschoenigen-die-geschichte-ld.1737087)