Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
„Vor einem Jahr wurde Jamilia in Büren an der Aare Opfer eines Feminizids. Gestern trafen sich Freund:innen & Mitfühlende zum Gedenken an sie. Sie lebte in der Asylunterkunft, sie forderte Hilfe, sie meldete die Gewalt ihres Ehemannes – aber das schweizer Asylsystem kann eines ..sehr gut: wegschauen,ignorieren und die Bedürfnisse der Menschen nicht ernst nehmen. So wurde Jamilia, die fünffache Mutter doppelt ermordet. Von dem Patriarchat UND von dem rassistischen Asylsystem. Hier die Mitteilung der Organisatorinnen: https://www.instagram.com/p/CrbCctCqRf7“
(https://twitter.com/gegen_oben/status/1650518370507190281)
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ajour.ch 24.04.2023
Härtefall – Abdallah Abdouali will in Biel bleiben: «Wenn ich zurückmuss, werde ich einen langsamen Tod sterben»
Jeder Busfahrer kennt ihn, und sogar die SVP will, dass der schwer beeinträchtigte Algerier bleiben darf. Wie es dazu kam, und was er als Erstes tun würde, wenn er bleiben dürfte.
Jérôme Léchot
«Zu meinem Kopf und zu meinen Armen trage ich besondere Sorge», sagt Abdallah Abdouali. «Sie sind das Einzige, was ich habe.»
Ausser ihnen hat der schmächtige Mann mit den blendend weissen Zähnen, dem freundlichen Lächeln und einem sehr gepflegten Französisch tatsächlich nicht viel, worauf er zählen kann.
Als der kleine Abdallah sechs Monate alt war, hat ihn eine Polio-Infektion niedergestreckt. Die Viren drangen in sein Rückenmark und in sein Hirn ein, wo sie sogenannte Motor-Neuronen infizierten. Sein Körper bekämpfte die Viren – und tötete dabei die Nervenzellen, mit denen er seine Beinchen hätte bewegen sollen.
Dann lag der Säugling ein halbes Jahr ohne jegliche medizinische Behandlung herum, bevor das Spital in Tamanrasset entschied, ihn in die Hauptstadt Algier ins Spital zu entsenden. 2000 Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Mit dem Flugzeug. Ohne Rückflugticket.
Besucht hat ihn in den nächsten fünf Jahren niemand. Er war sechs Jahre alt, als plötzlich eine Stieftante auftauchte und ihn abholte. Er schrie, wollte mit der Unbekannten nicht mit. «Sie hat mich in ein Flugzeug geschleppt, in das man von hinten, durch die Heckklappe einstieg. Ich dachte: Das ist ein Monster, das will mich fressen.»
Er wäre gerne weggelaufen
Dann schlief er ein. Später erinnert er sich an den Geruch von Benzin, die Wüste, an ein Zimmer im Haus seiner Eltern, auf dessen Dach Ziegen standen. An deren Geruch, der ins Zimmer eindrang, wenn es regnete. Er erinnert sich daran, wie ihn seine Eltern zu Heilerinnen schleppten, weil sie nicht wussten, was eine Polio ist. Die Heilerinnen ritzten ihm mit einer Rasierklinge die Arme und den Rücken auf, tauchten ihn in ein Gebräu, das böse Geister austreiben sollte. Die Narben von dieser Behandlung hat er mit 54 Jahren immer noch.
«Wenn ich hätte gehen können, ich wäre weggelaufen», sagt Abdallah Abdouali. Aber seine verkümmerten, reglosen Beinchen trugen ihn trotz des schmerzhaften Heilversuchs nirgends hin. Das änderte sich erst, als eines Tages Ärztinnen von «Terre des Hommes» auftauchten, ihn untersuchten und ihm Gehhilfen anfertigen liessen. Von Botta aus Biel.
Dort, wo er noch heute seine Beinorthesen erstellen, reparieren, anpassen lässt.
«Dafür muss ich nur in den Bus steigen», sagt Abdallah Abdouali. Seit fünf Jahren lebt er im Lindenquartier in Biel. Bei seinem Cousin Mohamed Hamdaoui, der für Die Mitte im Bieler Stadtrat sitzt.
Aber er sollte, wenn es nach dem Willen der Behörden ginge, eigentlich schon gar nicht mehr hier sein. Sondern im Süden Algeriens. Von jeglicher medizinischen Versorgung abgenabelt.
Nichts als Wüste in der Heimat
Wie die Berner Sicherheitsdirektion in einem zwanzigseitigen Schreiben auf seinen Antrag hin erklärt, seien medizinische Gründe nicht hinreichend, um ein Härtefallgesuch zu begründen. Ebenso sei seine Integration mangelhaft. Weil er keiner bezahlten Arbeit nachgeht.
Am Ende der Verfügung steht: «Der Rekursführer muss die Schweiz bis zum 31. März 2023 verlassen.»
Was ihn an einem Ort erwarten würde, an dem er nicht einmal Gummipuffer für seine Krücken findet, möchte sich Abdallah Abdouali lieber nicht allzu detailliert ausmalen. Denn sein Gesundheitszustand verschlechtert sich, seine Schultern, mit denen er sich durch Biel hangelt, schmerzen, sein Rücken auch.
Unter anderem deshalb hat Abdallah Abdouali Einsprache gegen den Entscheid erhoben; sein Fall geht jetzt ans Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
In einem Bericht zu seinem Gesundheitszustand steht: praktisch vollständige Lähmung beider Beine, schwerste Wirbelsäulenverkrümmung mit Einschränkung der Lungenfunktion, Schulterschmerzen. Diese Spätfolgen und Folgebeschwerden würden in den nächsten Jahren zunehmen. Und nebst weiteren Rücken- und Schulterschmerzen könnte auch die Atmung beeinträchtigt werden. Abdallah Abdouali werde in den kommenden Jahren intensive medizinische und physiotherapeutische Hilfe und Unterstützung benötigen, so der Bericht.
Aber in Tamanrasset fehlen nicht nur Krücken-Puffer. Sondern es gibt dort auch keine Physiotherapie oder Orthopädie. Und auch in der entfernten Hauptstadt würde man einen Tuareg aus dem Süden kaum versorgen; erst recht nicht, wenn er kein Geld hat. «Wenn du niemanden schmierst, kommst du gar nicht erst zu einem Physiotherapeuten», sagt Abdouali.
Er sagt: «Wenn ich zurückmuss, werde ich einen langsamen Tod sterben.» Zuerst den sozialen, weil er in der Wüstenstadt einfach in einem Zimmer seiner Verwandten abgestellt würde. Und, ohne Physiotherapie, ohne passende Beinstützen, immer weniger mobil würde. Um in einem Rollstuhl zu enden, mit dem er auf den sandigen Strassen aber nirgends hinkäme.
Auch vor dem Tod selbst fürchtet er sich. «Ich habe bereits jetzt etwas Mühe beim Atmen; mein rechter Lungenflügel funktioniert wegen meines verkrümmten Rückens nicht recht», sagt er.
1400 Bielerinnen und Bieler wollen, dass er bleibt
In der Schweiz hätte Abdouali nicht nur Therapiemöglichkeiten, die seine Krankheit hinausschieben könnten. Sondern er könnte auch weiterhin am sozialen Leben teilnehmen, wie er es heute tut.
Mittlerweile kennen viele Busfahrer in Biel den schmächtigen Mann, der sich mit seinen Krücken in den Bus hievt. Die Busfahrer, die auch rege mitgeholfen haben, im letzten Jahr knapp 1400 Unterschriften für eine Petition zuhanden der Stadt Biel zu sammeln, damit er bleiben darf. Eine Petition, die notabene auch fast alle Stadtparlamentarierinnen und
-parlamentarier unterschrieben haben.
SVP-Stadtrat Patrick Widmer sagte anlässlich dieser Petition gegenüber dem «Bieler Tagblatt», dass seine Partei zwar Lösungen bevorzuge, diesen Menschen in ihrem Land gezielt zu helfen. «Dieser Mann ist jedoch seit Jahren in der Schweiz und es scheint nicht angebracht, ihn auszuweisen.»
Vor allem aber würde er mit einer Aufenthaltsbewilligung endlich für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen können. Als Übersetzer und Arabisch-Lehrer. Und als interkultureller Vermittler. Wie er das bereits getan hat und regelmässig tut, aber unentgeltlich. Weil er Nothilfe bezieht und weil er ohne Aufenthaltsbewilligung nicht arbeiten darf.
Eine Tätigkeit, die er mit seinem Kopf gerne verrichten würde. Und mit seinen Armen, die ihn bis zur Bushaltestelle, vom Bus bis zum Arbeitsort bringen würden. Mit dem, was ihm bleibt und zu dem er, wie er immer wieder sagt, grösste Sorge trägt.
Aber momentan kommt er hier nicht weiter. Ohne Aufenthaltsbewilligung kriegt er kaum eine Arbeit. Und ohne Arbeit kaum eine Aufenthaltsbewilligung.
Sein Fall geht jetzt ans Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Die Luft wird langsam dünn. An trüben Tagen hängen schwere Wolken über Abdallah Abdouali. Er fragt sich und will doch nicht dran denken: Was wäre, wenn ich tatsächlich zurückmüsste?
«Was wäre denn, wenn Sie bleiben könnten, Herr Abdouali?»
Ein Lachen bricht aus ihm heraus, seine Augen werden feucht und er sagt mit hoher Stimme: «Ich habe einem Freund gesagt, ich werde auf dem Zentralplatz für ihn jodeln.»
(https://ajour.ch/de/story/71365/abdallah-abdouali-will-in-biel-bleiben-wenn-ich-zur%2525C3%2525BCckmuss-werde-ich-einen-langsamen-tod-sterben)
+++LUZERN
Luzern geht Platz für Geflüchtete aus der Ukraine aus
In Luzern dürften dieses Jahr 360 Geflüchtete aus der Ukraine ihre Unterkünfte verlieren. Die Eigentümer wollen bauen. Wie es weitergeht? Noch unklar …
https://www.nau.ch/news/schweiz/luzern-geht-platz-fur-gefluchtete-aus-der-ukraine-aus-66479858
+++NEUENBURG
Bundesrätin Baume-Schneider im Bundesasylzentrum Boudry (NE)
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat am 24. April 2023 das Bundesasylzentrum Boudry im Kanton Neuenburg besucht. Dort hat sie Bundesparlamentarier aus dem Kanton Neuenburg sowie Vertreterinnen und Vertreter des Kantons, der Gemeinde und der Zivilgesellschaft zu einem runden Tisch getroffen. Bei diesem Austausch zeigte sich, dass die Situation im und um das Zentrum, die zu intensiven Debatten geführt hatte, in den letzten Wochen beruhigt werden konnte. Die Zusammenarbeit und die Abstimmung zwischen den Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden bleibt unerlässlich, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu meistern.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94517.html
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/bundesraetin-baume-schneider-im-bundesasylzentrum-boudry?urn=urn:srf:video:95f168bb-8e23-4c60-9329-033a1655b1a5
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tagblatt.ch 24.04.2023
Baume-Schneider und der «Tsunami» der Kriminalität: Wie sich die SP-Bundesrätin als Krisenmanagerin schlägt
Elisabeth Baume-Schneider besucht das Bundesasylzentrum Boudry, das wegen seiner Überbelegung und Straftaten von Asylbewerbenden für Schlagzeilen sorgt. Die Gemüter beruhigen sich – doch nun kritisieren Flüchtlingsorganisationen die SP-Bundesrätin scharf.
Julian Spörri, Boudry
Wer in Boudry ankommt, trifft auf ein verschlafenes Dorf: Von Hektik ist in der 6000-Seelen-Gemeinde nichts zu spüren. Das «Café du Tram» an der Endhaltestelle der Strassenbahn hat an diesem Montag geschlossen.
Doch die Ruhe trügt: In Boudry, unweit des Kantonshauptorts Neuenburg, ist Feuer im Dach. Grund dafür ist das ausserhalb des Dorfzentrums gelegene Asylzentrum: Es ist das einzige Bundesasylzentrum mit Verfahrensfunktion in der Romandie – und das grösste in der Schweiz.
Doch während der aktuellen Migrationskrise ist selbst diese Anlage zu klein: Zu Spitzenzeiten logierten Ende des letzten Jahres über 900 Asylbewerbende in Boudry, obwohl eine maximale Belegung von 480 Schlafplätzen vorgesehen war. Nicht nur dies empörte viele vor Ort: Auch die Diebstähle und Einbrüche verübt durch Asylbewerbende – laut Polizei sind nur drei Prozent von ihnen straffällig – sorgten für negative Schlagzeilen. Die kantonale Sozialdirektorin sprach von einer «inakzeptablen» Situation für die Bevölkerung.
All dies war Grund genug für Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, die Sache selber in die Hand zu nehmen: Sie lud am Montag zum runden Tisch mit Kanton, Gemeinde, Anwohnenden und Flüchtlingsorganisationen.
Zahl der Asylbewerber sinkt
Der Fall Boudry stellt für die seit vier Monaten im Amt stehende SP-Bundesrätin eine erste Bewährungsprobe dar und zeigt, wie sie als Krisenmanagerin funktioniert.
Sie setze auf einen «offenen Dialog» und wolle sich an Fakten und Beobachtungen vor Ort orientieren, erklärte Baume-Schneider im Anschluss ihr Vorgehen.
Die Fakten lieferte der Neuenburger Sicherheitsdirektor Alain Ribaux persönlich. Er sprach von einem «Tsunami» der Kleinkriminalität seit 2021, mit einem Höhepunkt Ende 2022. Über das ganze Jahr hinweg gesehen wurden in den Bezirken Boudry und Neuenburg 2900 Straftaten registriert, wobei von den Delikten mit einem bekannten Urheber 48 Prozent auf Personen des Typus «Asylbewerber» zurückgingen.
Seit einigen Wochen hätten die Diebstähle abgenommen, sagte Ribaux. Er führte dies auf Massnahmen wie die verstärkten Polizeipatrouillen und auf die gesunkene Zahl Asylbewerber zurück. Diese bewegt sich wieder innerhalb der Kapazitätsgrenze.
Somit drängt sich der Eindruck auf, dass Baume-Schneider erst ausrückte, als das Feuer bereits gelöscht war. An der Pressekonferenz präsentierte sie denn auch wenig Handfestes. Sie unterstrich, dass es ein Zusammenspiel zwischen Massnahmen zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung und soziokulturellen Begleitmassnahmen wie Coachings für Asylbewerbende brauche. Ausserdem sei der Bund bestrebt, die Kapazitätsgrenze künftig einzuhalten – «ausserordentliche Situationen» ausgenommen.
Trotz ihrer vagen Aussage konnte die Bundesrätin punkten. «Elisabeth Baume-Schneider war sehr gut vorbereitet und hatte ein offenes Ohr für unsere Anliegen», meinte Dastier Richner, Präsident der Anwohnervereinigung. Er hob besonders den direkten Austausch mit der Bundesrätin hervor. Unter ihrer Vorgängerin Karin Keller-Sutter habe es lediglich briefliche Kontakte gegeben.
Flüchtlingsorganisationen äussern Kritik
Enttäuscht sind dagegen die Flüchtlingsorganisationen. «Anstatt den Fokus auf die Verbesserung der Lebensbedingungen für die Asylbewerbenden zu legen, standen am runden Tisch repressive Massnahmen gegen die Kriminalität im Vordergrund», sagte Louise Wehrli von «Droit de rester».
Sie begrüsse zwar den Austausch. Doch erkenne man nicht, dass Baume-Schneider das Migrationssystem grundlegend verändern wolle. Dies zeigten auch andere Beispiele. So schicke das Staatssekretariat für Migration trotz der heftigen Vorwürfe am kroatischen Grenzschutz weiterhin Geflüchtete in das osteuropäische Land zurück. Ebenfalls kritisch sieht sie die Einstellung des schnellen Visum-Verfahrens für Erdbebenopfer aus Syrien und aus der Türkei.
«Die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider war mit Hoffnungen verbunden. Doch diese wurden bisher enttäuscht», sagt Wehrli.
Klar ist damit, dass der Druck auf die SP-Bundesrätin gross bleibt. Nachdem sie bereits zur Zielscheibe der SVP wurde, gesellt sich nun auch Ernüchterung von der anderen Seite des politischen Lagers hinzu.
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Bund beendet schnelles Visa-Verfahren für Erdbebenopfer
Anfang Februar kam es im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien zu mehreren heftigen Erdbeben. Laut den Behörden verstarben insgesamt 56 800 Personen, Hunderttausende verloren ihr Zuhause. Die Schweiz stellte ein Programm auf die Beine, mit welchem Erdbebenopfer aus der Türkei und aus Syrien mit engen Verwandten in der Schweiz beschleunigt ein Visa erhielten. Laut einem Bericht der «NZZ am Sonntag» soll damit nun per Mitte Mai Schluss sein. Das Staatssekretariat für Migration bestätigte das Ende des Programms am Montag. Grund dafür sei das rückläufige Bedürfnis. Bisher wurden rund 300 beschleunigte Visa für Erdbebenopfer ausgestellt.
(https://www.tagblatt.ch/schweiz/elisabeth-baume-schneider-als-krisenmanagerin-ld.2446578)
+++SCHWEIZ
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter Kommission ist besorgt über die unzureichende Betreuung unbegleiteter Jugendlicher in den Bundesasylzentren
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) hat zwischen Februar 2021 und Oktober 2022 verschiedene Bundesasylzentren (BAZ) besucht. Die Kommission ist besorgt über die ungenügende Betreuung von unbegleiteten asylsuchenden Jugendlichen in den Bundesasylzentren (seit Ende Februar 2022). Die Kommission weist in ihrem Bericht auch auf eine Reihe von guten Beispielen in den überprüften Bereichen hin.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94504.html
-> https://www.derbund.ch/junge-asylsuchende-werden-in-der-schweiz-ungenuegend-betreut-245693420523
-> https://www.blick.ch/politik/kritik-von-kommission-jugendliche-asylsuchende-mangelhaft-betreut-id18515293.html
-> https://frapp.ch/de/articles/stories/jugendliche-asylsuchende-mangelhaft-betreut
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/uma
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/antifolter-kommission-kritisiert-umgang-mit-umas?partId=12375537
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/minderjaehrige-asylsuchende-kommission-kritisiert-den-bund-wegen-mangelnder-betreuung
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/kommission-kritisiert-mangelnde-betreuung-von-minderjaehrigen-00210722/
+++DEUTSCHLAND
Frauen auf der Flucht: »Niemand hat mich gefragt, wie es mir geht«
Derya* ist eine junge Frau aus dem Nordirak. Als sie mit ihrem Mann im Oktober 2021 Deutschland erreicht, ist sie schwanger, geschwächt und traumatisiert. Sieben Wochen nach ihrer Ankunft verliert sie ihr Kind. Deryas Geschichte wirft ein Schlaglicht auf die mangelnde Identifizierung und Versorgung vulnerabler Menschen im deutschen Aufnahmesystem.
https://www.proasyl.de/news/frauen-auf-der-flucht-niemand-hat-mich-gefragt-wie-es-mir-geht/
+++BALKANROUTE
Video: Serbische Polizei schlägt Geflüchtete an der Grenze
Im Internet ist eine Aufnahme aufgetaucht, die gewaltsames Vorgehen gegen Geflüchtete an der Grenze zu Bosnien zeigt.
https://kurier.at/mehr-platz/video-serbien-polizei-gefluechtete-grenze/402423200
+++MITTELMEER
Seeunglück im Mittelmeer: Tunesiens Marine findet Dutzende angespülte Leichen
Vermutlich waren es Schutzsuchende auf dem Weg nach Europa: An mehreren tunesischen Küstenorten wurden die Leichen mehrerer Ertrunkener angeschwemmt. Unter den Opfern sind auch Kinder.
https://www.spiegel.de/ausland/tunesien-marine-findet-dutzende-angespuelte-leichen-a-f5ce403b-67b6-4cef-b552-752b7d79214f
+++LIBYEN
In Libyen sind die politischen Kräfte am Status Quo interessiert – nicht an der Bevölkerung
Tödliche Hilfe
Einem UN-Bericht zufolge unterstützt die EU libysche Organisationen, denen schwere Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen werden. Das Bürgerkriegsland wird weiterhin von konkurrierenden Milizen dominiert, die Friedensbemühungen kommen nur schleppend voran.
https://jungle.world/artikel/2023/16/toedliche-hilfe
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nzz.ch 24.04.2024
Gestrandete Flüchtlinge in Libyen: «Sie haben uns so lange gefoltert, bis sie merkten, dass wir nichts besitzen»
Hunderttausende Flüchtlinge leben in Libyen. Manche kamen, um zu arbeiten, andere wollen über das Meer weiter nach Europa. Die meisten von ihnen haben im nordafrikanischen Chaosstaat Schreckliches erlebt.
Daniel Böhm (Text), Dominic Nahr (Bilder), Tripolis und Zintan
Abubaker steht am Rande eines Kreisels, irgendwo in Tripolis. Neben ihm präsentieren afrikanische Männer ihre Werkzeuge: Vorschlaghämmer, Sägen oder Geräte für die Reinigung verstopfter Toiletten. Ab und zu hält ein Wagen an, und der Fahrer fragt durch das geöffnete Fenster: «Wie viel?»
Manchmal packt ein Libyer dann gleich eine ganze Handvoll Arbeiter auf die Ladefläche seines Pick-ups. In diesem Fall haben die Taglöhner, die hier jeden Tag stehen und auf Jobs warten, Glück gehabt. Oder auch Pech. «Es kommt immer wieder vor, dass dich die Libyer für die Arbeit nicht bezahlen», sagt Abubaker. «Dagegen kannst du nichts tun. Du bist ihnen ausgeliefert.»
Abubaker, der seinen vollen Namen nicht nennen will, stammt aus Ghana und kam vor acht Monaten nach Libyen. «Ich hatte zu Hause keine Arbeit», sagt er. Er nahm den Bus über Togo nach Niger. Von dort aus fuhr er in einem Konvoi aus Toyota Hilux-Pick-ups quer durch die Wüste nach Libyen, gemeinsam mit fünfzig weiteren Migranten, die nur eines wollten: ein besseres Leben im Norden, am liebsten in Europa.
Eine der gefährlichsten Flüchtlingsrouten der Welt
Jetzt sitzt Abubaker in Tripolis fest und kommt nicht weiter. «Der Weg nach Europa ist zu», sagt er. «Es fahren kaum mehr Boote, es ist teuer, und entweder ertrinkst du, oder die Küstenwache verhaftet dich.» So bleibt dem 23-Jährigen nichts anderes übrig, als sich auf den staubigen Strassen von Tripolis mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen. Aber auch hier lauern Gefahren. «Immer wieder kommt die Miliz und verhaftet uns», sagt er.
Mindestens 600 000 Flüchtlinge und Arbeitsmigranten halten sich derzeit in Libyen auf, einem kaputten, von Milizen beherrschten Land, wo in den letzten Jahren immer wieder Krieg herrschte. Viele von ihnen kommen zum Arbeiten her und verdingen sich in dem chaotischen, aber nach wie vor reichen Ölstaat auf Baustellen, Feldern oder als Putzkräfte. Andere wollen nach Europa, aber sie stecken fest.
Libyen liegt auf einer der gefährlichsten und wichtigsten Flüchtlingsrouten der Welt, die von den Ländern Afrikas quer durch die Sahara ans Mittelmeer führt. Doch das Land hat die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 nicht unterschrieben und kennt kein geordnetes Asylwesen. Die meisten Fremdarbeiter und Flüchtlinge im Land sind deshalb völlig rechtlos.
Zwangsarbeit und Misshandlungen
Unzählige von ihnen sterben auf der Fahrt durch die Wüste oder ertrinken beim Versuch, nach Europa überzusetzen. Erst letzte Woche sind vor der Küste Libyens wieder dreissig Migranten auf See verschollen. Andere werden Opfer von Schmugglern und kriminellen Banden, die sie erpressen, zu Zwangsarbeit verpflichten, ermorden oder misshandeln.
So wie Tanina, die ihren Nachnamen ebenfalls nicht nennen will. Sie floh aus der sudanesischen Provinz Darfur nach Libyen. In Sabha, einer Wüstenstadt im Süden des Landes, wo viele Flüchtlinge ankommen, waren sie und ihr Mann in die Fänge einer Miliz geraten. «Sie haben meinen Mann gefoltert und mich vergewaltigt. Immer wieder. Bis sie gemerkt haben, dass wir nichts besitzen. Dann haben sie uns gehen lassen», sagt sie.
Die 27-Jährige hatte schon im Sudan in einem Flüchtlingslager gelebt. In Darfur herrscht seit einer gefühlten Ewigkeit Krieg zwischen Rebellen und sudanesischen Regierungstruppen, unterstützt von brutalen Milizen. Dabei sind Hunderttausende Zivilisten gestorben. Nachdem Taninas Mann von einer der bewaffneten Gruppen beinahe umgebracht worden war, entschloss sich das Paar zur Flucht.
«Ich habe keine Wahl, ich muss Geld verdienen»
Jetzt ist Tanina in Tripolis gestrandet, wo sie mit ein paar anderen Frauen in einem finsteren Kellerloch lebt. Ihr Mann ist auf der Arbeit, er erntet Oliven und Kartoffeln auf einem Feld ausserhalb der Stadt. Sie selbst putzt Wohnungen. Dabei wird sie immer wieder sexuell belästigt. Trotzdem arbeitet sie weiter. «Ich habe keine Wahl, ich muss Geld verdienen, für das Kind», sagt sie und zeigt auf ihren Bauch. Sie ist im achten Monat schwanger.
Als Sudanesin hätte Tanina eigentlich Anrecht auf Schutz, sie ist beim Flüchtlingswerk der Uno (UNHCR) als politischer Flüchtling registriert. Aber das hilft ihr offenbar nicht viel. «Seit ich registriert wurde, hat sich bei mir niemand gemeldet», sagt sie. Tatsächlich führt das UNHCR nur selten Evakuierungsflüge aus Libyen in Drittländer durch. Von 2017 bis Juni 2022 wurden 9000 Flüchtlinge ausgeflogen.
Trotzdem klammern sich viele Flüchtlinge an jeden noch so kleinen Strohhalm. Am Freitag bildet sich vor dem Tor der einzigen verbliebenen katholischen Kirche in Tripolis eine grossen Menschentraube. Drinnen liest ein Pastor auf Englisch die Messe, im Innenhof werden Essen und Kleider verkauft. In einem Nebengebäude halten ein paar Nigerianer eine improvisierte Bibelstunde ab.
Immer wieder verschwinden Flüchtlinge in Lagern
Die meisten Afrikaner sind allerdings nicht wegen der Predigt gekommen, sondern weil die Caritas hier ein Büro betreibt. «In der letzten Zeit machte hier fälschlicherweise das Gerücht die Runde, die Caritas würde Flüchtlinge nach Europa ausfliegen», sagt George Bugeja, der Vikar von Tripolis, in seinem Büro. «Jetzt rennen uns die Menschen die Türe ein.»
Auch Tanina ist gekommen, sie hält ihre UNHCR-Registrierung in der Hand. Rund um sie herum drängen sich Dutzende Afrikaner. Sie stecken einem ihre Telefonnummern zu, bitten um Hilfe. Eine Frau, die ebenfalls aus dem Sudan stammt und auf dem Fussboden sitzt, hat ihren Mann verloren. Er sei einfach verschwunden, sagt sie. «Vielleicht hat ihn eine der Milizen mitgenommen und in ein Lager gesteckt. Ich weiss es nicht.»
Immer wieder landen Migranten in den Internierungslagern, die es überall im Land gibt. Offiziell dienen sie als Auffanglager für Flüchtlinge, die von der libyschen Küstenwache aus dem Meer gefischt wurden. Doch weil es in Libyen keine zentralisierten Sicherheitskräfte gibt und viele der dafür zuständigen Milizen mit Schmugglern und Kriminellen zusammenarbeiten, gelten die Lager als schwarze Löcher, in denen jeder verschwinden kann.
«Die Männer verschwanden einfach»
Othman Mohamed, ein Sudanese, der ebenfalls zur Kirche gekommen ist, war in mehreren solcher Lager. «Es sind schreckliche Orte. Dreckige, überfüllte Hallen ohne Tageslicht», sagt er. Mohamed versuchte 2017 illegal über das Meer nach Europa überzusetzen, wurde erwischt und inhaftiert. «Im ersten Lager gab es kaum etwas zu essen, und wir wurden geschlagen», sagt er. «Im zweiten, in der Nähe der Flughafenstrasse, verschwanden immer wieder Männer spurlos. Wir wissen nicht, ob sie getötet wurden.»
Mohamed musste Zwangsarbeit leisten und wurde später bei einem Gefecht zwischen verfeindeten Milizen von einem Querschläger getroffen. 2022 versuchte er nochmals, übers Meer zu fliehen, doch er landete in den Fängen brutaler Schmuggler, die ihn folterten. «Erst nachdem ein Freund aus Frankreich umgerechnet 1400 Euro überwiesen hatte, liessen sie mich gehen», sagt er. Jetzt ist er wieder frei, aber völlig mittellos.
Offiziell unterstehen die Lager einer zentralen Behörde. Aber weil in Libyen unzählige Milizen das Sagen haben, gibt es auch viele inoffizielle Camps. Menschenrechtsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, die Zugang zu einigen der Internierungslager haben, bestätigen, dass dort grauenvolle Zustände herrschen.
Doch manche Libyer weisen die Verantwortung von sich. «Die Bedingungen in den Lagern sind tatsächlich schlimm», sagt Abdulbased al-Salam, der Chef des Roten Halbmondes in Zintan, einer Bergregion südlich von Tripolis. «Aber das ist nicht nur unsere Schuld.» Oftmals wären es Afrikaner, die ihre eigenen Leute folterten, behauptet er.
Europa will die Flüchtlinge fernhalten
Zintan liegt auf einem staubigen Hochplateau und befindet sich an einer der wichtigsten Schmuggelrouten. Immer wieder finden Salam und seine freiwilligen Helfer Flüchtlinge, die von den Pick-ups und Lastwagen gefallen sind. «Wir versorgen sie und übergeben sie den Behörden», sagt er. «Aber uns fehlt es hier an allem. Wir haben kein Geld und nicht genügend Lebensmittel oder Medikamente.»
Salams Leute besuchen auch regelmässig das nahe gelegene Internierungslager von Daher al-Jabal, welches lange Zeit einen besonders schlechten Ruf hatte. «Wir sind die Einzigen, die den Leuten dort Boxen mit Verpflegung bringen», sagt er. «Keine internationale Organisation lässt sich da blicken.» Die meisten Flüchtlinge wollten sowieso nach Europa. «Es ist einfach, uns dafür verantwortlich zu machen. Aber in unserem Land herrscht Chaos und Krieg.»
Trotz den Zuständen in den Lagern unterstützen die Europäer, welche die Flüchtlinge von ihren eigenen Küsten fernhalten wollen, die Libyer. So hilft die EU der libyschen Küstenwache mit Informationen, Ausbildung und Material. Jüngst hat Italien ein neues Patrouillenboot zur Verfügung gestellt. Die Libyer sollen verhindern, dass die Flüchtlinge überhaupt erst in See stechen, oder die Boote abfangen, bevor sie internationale Gewässer erreichen.
Ein kleines Stück Heimat
Gleichzeitig betreibt die Internationale Organisation für Migration (IOM) ein Rückführungsprogramm, bei dem gestrandete, mittellose Flüchtlinge in ihre Heimatländer ausgeflogen werden. Aber auch das läuft offenbar nur schleppend. «Ich habe mich beworben und seit Monaten keine Antwort erhalten», sagt ein Nigerianer in Tripolis, der die Nase voll vom libyschen Horror hat und zurück nach Hause will.
So bleibt vielen Afrikanern in Libyen nichts anderes übrig, als sich mit der schwierigen Lage zu arrangieren. Jeden Freitagabend treffen sie sich in Tripolis am Rande einer Autobahnbrücke zum Fussballspielen. Sie haben sogar ihre eigene Liga. Auf einem kreisrunden Feld mit zwei rostigen Toren treffen dann Mannschaften mit Namen wie FC BKK oder AS Roma aufeinander, die Spieler stammen aus Ghana und Niger.
Auf den Betonrampen, die zur Autobahn hochführen, sitzen Hunderte Zuschauer. Händler verkaufen Nüsse und Telefonkarten. In der Halbzeitpause strömen alle auf den Platz, um auf die unterlegene Mannschaft einzureden. «Das Leben ist hart», sagt Moussa, einer der beiden Trainer, mit Juventus-Jacke und Schirmmütze. «Aber das hier ist wenigstens ein Stück Heimat.»
(https://www.nzz.ch/international/gestrandete-migranten-in-libyen-ausgeliefert-und-ausgenutzt-ld.1727377)
+++GASSE
Obdachlosigkeit in Schweizer Städten nimmt zu – Rendez-vous
In vielen Schweizer Städten nimmt die Zahl von Obdachlosen zu. In der Stadt Bern bestätigen zuständige Stellen eine Verdoppelung von obdachlosen Personen. Fachleute erstaunt das nicht.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/obdachlosigkeit-in-schweizer-staedten-nimmt-zu?partId=12375147
Noch vor dem Einzug: Farbbeutel-Attacke auf neue Wohnungen in der Stadt Bern
In der Berner Lorraine gibt es neuen, günstigen Wohnraum. Die Vorfreude auf das neue Zuhause dürfte aber den meisten bereits jetzt wieder vergangen sein. Das ganze Gebäude wurde von Vandalen versprayt.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/farbbeutel-attacke-auf-neue-wohnungen-in-der-stadt-bern-151156728?autoplay=true&mainAssetId=Asset:151156723
+++KNAST
Schweizer Gefängnisse: 13 Prozent weniger Inhaftierte als im Vorjahr
Ende 2022 sind 6445 Frauen und Männer in der Schweiz hinter Gittern gesessen. Das sind 7 Prozent weniger als vor der Covid-19-Pandemie 2019.
https://www.derbund.ch/13-prozent-weniger-inhaftierte-als-im-vorjahr-390268702471
Abriss des Zürcher Polizeigefängnisses «Propog» – Schweiz Aktuell
Das provisorische Polizeigefängnis auf dem Zürcher Kasernenareal wird abgerissen. Aus dem Provisorium für festgenommene Drogenhändler vom Letten wurden am Ende fast 30 Betriebsjahre. Die harten Haftbedingungen des «Propog» wurden in all den Jahren immer wieder kritisiert.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/abriss-des-zuercher-polizeigefaengnisses-propog?urn=urn:srf:video:f0c6774d-59bb-4d9e-9117-8982e93f3bb4
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nzz.ch 24.04.2023
Gericht kritisiert Verstoss gegen Folterverbot: Genfer Gefängnis Favra ungeeignet für Administrativhaft
Ein Genfer Gericht hat die Behörden beauftragt, Gefangene aus dem Administrativgefängnis Favra zu verlegen. Anwälte und die Menschenrechtsliga fordern die Schliessung der Einrichtung.
Annegret Mathari, Genf
Die Situation im Genfer Gefängnis Favra verstösst gegen das Folterverbot gemäss der Europäischen Menschenrechtskonvention, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom Freitag festhielt. Das Gefängnis war früher für kurze Aufenthalte im Rahmen des Strafvollzugs eingesetzt worden. Heute dient es der Administrativhaft für abgelehnte Asylsuchende und weitere Ausländer, die aus der Schweiz ausgewiesen werden.
Nachdem sich ein tunesischer Häftling am 8. April in seiner Zelle erhängt hatte, wurden vergangene Woche zwei Gefangene angehört, die aufgrund der unhaltbaren Zustände in Favra ihre Freilassung beantragt hatten. Ihre Anwälte forderten die Schliessung des Gefängnisses. Damit stehen sie nicht allein. Bereits 2020 hatte dies die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) verlangt. Das Gericht gab den Behörden Zeit bis am Dienstag, um die Gefangenen entweder an einen anderen Ort zu verlegen oder freizulassen. Ob der Suizid des Tunesiers in direktem Zusammenhang mit den in Favra herrschenden Zuständen stand, wird zurzeit untersucht.
Nach Angaben von Marc Morel, der bei der Anhörung als Vertreter der Schweizerischen Menschenrechtsliga als Zeuge befragt wurde, entspricht die Infrastruktur des veralteten Gebäudes nicht den Voraussetzungen für Administrativhaft. So bestehe zu wenig Platz, um sich frei zu bewegen. Es gebe zu wenige Beschäftigungsmöglichkeiten, und die Gefangenen hätten weder ein Handy noch Internetzugang. Weiter sei die medizinische und psychiatrische Versorgung ungenügend. Laut Morel kommen Suizidversuche häufig vor. Bei seinen Besuchen habe er auch zahlreiche Selbstverstümmelungen festgestellt.
Kaum frische Luft
Als Grund für den Verstoss gegen das Folterverbot nannte das Gericht eine Kumulierung mehrerer Faktoren. So sind auch die Möglichkeiten, an die frische Luft zu gehen, sehr eingeschränkt. Die beiden Gefangenen bezeichneten bei der Anhörung den dafür vorgesehenen kleinen vergitterten Betonplatz als «Hühnerkäfig». Ein kleiner begrünter Platz daneben war für sie nicht zugänglich. Der fehlende Internetzugang verletzt laut Gericht das Recht auf Meinungsbildung.
Als einer der beiden Gesuchsteller – ein Algerier, der seit vier Monaten in Favra war und sich zum Zeitpunkt der Anhörung seit 52 Tagen im Hungerstreik befand – zuvor damit gedroht hatte, sich ebenfalls umzubringen, kam er für zwei Tage in Einzelhaft. Das Gericht bezeichnete dieses Vorgehen als erstaunlich, vor allem nach dem «tragischen Vorfall vom 8. April» und nachdem ein Arzt bestätigt habe, der Algerier sei aufgrund des Hungerstreiks geschwächt. Laut Morel wurde der Gefangene nackt in seine Isolationszelle gesteckt, in der es nur eine Schaumgummi-Matratze und eine Feuerschutzdecke gab. Die Gefängnisbehörde machte geltend, dies sei zum Schutz des Gefangenen geschehen.
Am Samstag wurde nun der andere Gesuchsteller laut seinem Anwalt Léonard Micheli-Jeannet nach elf Monaten in Favra nach Frambois verlegt, in das zweite Genfer Gefängnis für Administrativhaft. Mehrere afrikanische Länder hatten die Staatsbürgerschaft des Mannes nicht anerkannt. Am Montag wurde auch der Algerier nach Frambois gebracht. Seine Anwältin, Dina Bazarbachi, und Micheli-Jeannet hatten nach dem Gerichtsurteil mit einem Rekurs bei der höheren Instanz die sofortige Freilassung der beiden Gefangenen verlangt. Der nun zuständige Gerichtshof will sich am Dienstag vor Ort ein Bild der Lage in Favra machen. Inzwischen haben die verbliebenen acht Häftlinge in Favra ebenfalls ihre Freilassung beantragt. Nach unbestätigten Angaben wurden einige von ihnen bereits verlegt.
Poggia in der Kritik
Die Anwälte der beiden Gesuchsteller sowie die Menschenrechtsliga hatten geltend gemacht, dass das Ausländergesetz auch Alternativen zur Administrativhaft vorsehe. So können kantonale Behörden einer Person die Auflage machen, ein bestimmtes Gebiet nicht zu verlassen. Zudem habe ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Mai 2022 zum Verzicht auf die Administrativhaft aufgerufen, da sie schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben könne.
Unterdessen geriet Genfs zuständiger Staatsrat Mauro Poggia in Kritik. Er hatte nach dem Suizid des Tunesiers in einem Interview eingeräumt, die Lage in Favra sei nicht ideal. Nach dem Gerichtsentscheid schrieb Poggia auf Facebook, die von Menschenrechtsorganisationen kritisierte Isolation der Gefangenen in Administrativhaft habe es (einem Häftling) immerhin doch erlaubt, mit Journalisten zu telefonieren, um auf skandalöse Weise vom Suizid eines Gefangen zu profitieren. Die Menschenrechtsliga erklärte sich schockiert über diese Behauptung, wie sie in einem Brief an mehrere Behörden schrieb. Poggias Post habe einen Sturm von Hassäusserungen ausgelöst.
(https://www.nzz.ch/schweiz/gericht-kritisiert-verstoss-gegen-folterverbot-genfer-gefaengnis-favra-ungeeignet-fuer-administrativhaft-ld.1735053)
+++ARMEE
Militärische Grossübung in der Westschweiz
Vom 1. bis zum 9. Mai 2023 trainiert die Schweizer Armee, insbesondere die Territorialdivision 1, mit der Übung «LUX 23» einen subsidiären Sicherungseinsatz und die Vorbereitung einer Verteidigungsoperation. Die Übung unter Einbezug von rund 4000 Armeeangehörigen findet in den Kantonen Genf, Waadt, Neuenburg und Bern statt.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94510.html
-> https://www.20min.ch/story/schweizer-armee-uebt-mit-franzoesischen-truppen-den-ernstfall-520156386810
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
«Sehr anständig»
Die Fahrenden sind jetzt auf dem Hirzi-Parkplatz in Münchenbuchsee
Fahrende aus Frankreich mussten am vergangenen Freitag Bern verlassen. Jetzt sind einige von ihnen auf dem Hirzi-Parkplatz in Münchenbuchsee. Gemeindepräsident Manfred Waibel sieht keine Problem.
https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/die-fahrenden-sind-jetzt-auf-dem-hirzi-parkplatz-in-muenchenbuchsee-151166936
++++FRAUEN/QUEER
Bern schaut hin: Stadt lanciert Meldetool gegen Belästigung
Heute lanciert die Stadt Bern das online Meldetool «Bern schaut hin» und die gleichnamige Kampagne. Wer in der Stadt Bern eine sexistische, queerfeindliche oder sexualisierte Belästigungen erlebt oder beobachtet, kann diese über www.bernschauthin.ch anonym und sicher melden. Die Sensibilisierungskampagne richtet sich mit der Botschaft «Schauen Sie hin und zeigen Sie Zivilcourage!» an alle Menschen, die in Bern unterwegs sind. Eine breite Allianz von zivilgesellschaftlichen Organisationen und städtischen Dienststellen trägt durch diverse Aktivitäten dazu bei, Sexismus, Queerfeindlichkeit und sexualisierte Gewalt in der Stadt Bern zu reduzieren.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/bern-schaut-hin-stadt-lanciert-meldetool-gegen-belaestigung
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/stadt-bern-lanciert-meldetool-gegen-sexismus-und-queerfeindlichkeit-151166683
-> https://www.blick.ch/politik/vorbild-zuerich-stadt-bern-hat-neu-ein-sexismus-meldetool-id18515578.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/649917433-die-stadt-bern-lanciert-meldetool-gegen-sexismus-und-queerfeind
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/stadt-bern-will-sexistische-belaestigungen-sichtbar-machen?id=12375219 (ab 04:38)
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/sexismus-meldestelle-151173728
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/sexuelle-belaestigung-gegen-die-angst-berner-meldetool-soll-stadt-sicherer-machen
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derbund.ch 24.04.2023
Queerfeindlichkeit und Sexismus: Verschärfter Kampf für mehr Vielfalt in Bern
«Bern schaut hin»: Die Stadt startet ihre Kampagne für weniger Belästigungen im öffentlichen Raum. Schliesslich wird das Problem in der Gesellschaft akuter.
Jana Kehl
Schmatzgeräusche.
«Möchte dich f*****.»
«Regebogä isch verbii! Ihr huere Schwuchtlene!»
Seit 2021 verzeichnet die Stadt Zürich im Durchschnitt zwei bis drei solcher sexistischen, queerfeindlichen oder sexualisierten Belästigungen täglich. Eingegangen sind diese Meldungen aber nicht bei der Polizei, sondern direkt bei den Behörden über die digitale Meldestelle «Zürich schaut hin». Wie in Genf wurde eine solche Plattform im Rahmen des städtischen Gleichstellungsplans lanciert.
Nun zieht eine weitere Stadt nach: Auch Bern «schaut hin», die Kampagne «gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit» startete am Montag. Für die Dachkampagne und das Meldetool hat der Stadtrat für die nächsten zwei Jahre ein Budget von rund 140’000 Franken gesprochen. Doch wie äussert sich das Problem, das die Stadt nun zu bekämpfen versucht?
Was heute als normal gilt
«Belästigungen mit Worten», «Verfolgen», «Geräusche» und weitere fünf Belästigungsformen: Die Bandbreite an möglichen Vorfällen ist gross. Ein paar wenige Klicks genügen, um diese auf der neuen digitalen Plattform anonym zu melden. Zudem können Betroffene, aber auch Beobachtende in einem Freitextbereich die Zwischenfälle mit eigenen Worten beschreiben:
«Spruch über meine Tochter (13) von einem Handwerker zu seinen Kumpels laut und auf sie hindeutend: In zwei Jahren ist die gut!»
Sprüche wie dieses Zürcher Beispiel würden nicht auf Randgruppen abzielen, betont der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried: «Sexismus und Queerfeindlichkeit sind ein Mehrheitsproblem, das Frauen aufgrund ihres Geschlechts, aber auch andere Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und ihrer sexuellen Orientierung besonders zu spüren bekommen.» Um dies zu ändern, sei Zivilcourage gefragt.
«Niederschwellige Belästigungen gelten in unserer Gesellschaft oft als normal», fügt Mirjam Baumgartner hinzu. Laut der Projektleiterin von «Bern schaut hin» darf es nicht länger «klar sein, dass blöde Sprüche oder Blicke einfach so in Kauf genommen werden müssen». Aus diesem Grund sei es wichtig, diese auch der Gesellschaft vor Augen zu halten.
Zur Anzeige kommt es oft nicht
Letztlich stehen bei den städtischen Kampagnen auch Verhaltensweisen im Zentrum, die einen schweren Stand haben, um rechtlich als «sexuelle Belästigung» oder «Verstoss gegen die Diskriminierungsstrafnorm» anerkannt zu werden:
«Kurz vor 8 Uhr im Bus, ich muss arbeiten und dieser ältere Herr starrt ununterbrochen. Grausam unangenehm, er versucht, Augenkontakt herzustellen. Einfach hässlich.»
Dennoch: Im letzten Jahr wurden 38 Fälle von sexueller Belästigung in der Stadt Bern bei der Kantonspolizei angezeigt. Die Dunkelziffer dürfte aber um ein Vielfaches grösser sein: Laut einer Studie im Auftrag des Bundes meiden viele Betroffene eine Anzeige, weshalb auf der Plattform auch Informationen über die rechtliche Situation aufgeführt sind.
In der Anzeigebereitschaft gibt es also Potenzial nach oben. Hinweise, dass dieses genutzt wird, gibt es.
Steigende Zahlen, verlässliche Zahlen?
Schweizweit, aber auch im Kanton Bern ist die Anzahl registrierter sexueller Belästigungen zwischen 2014 und 2020 um ein Drittel gestiegen. Seit diesem Jahr erfasst die Berner Kantonspolizei auch sogenannte «Hate Crimes», wobei es hierzu noch keine Zahlen gibt. Dabei handelt es sich nicht um spezifische Straftatbestände. Massgebend ist das Motiv einer Straftat, die auf einer feindlichen Haltung gegenüber bestimmten Personengruppen beruht.
Der Anstieg der Fälle lässt laut Expertinnen und Experten Interpretationsspielraum: Zum einen kann er bedeuten, dass es mehr «Täter» und Delikte gibt. Ebenfalls dürfte er aber ein Indiz dafür sein, dass sich das Bewusstsein der «Opfer» geändert hat und die Anzeigebereitschaft gestiegen ist.
Der Zeitgeist hat also die Statistiken geprägt. Doch ist das so schlimm?
Auch in Bern dürfte die Zahl gemeldeter Fälle steigen, wenn die Plattform bei der Bevölkerung auf Interesse stösst. Viele Meldungen geben aber laut den Verantwortlichen der Stadt auch einen Einblick in das «Problem», das viele Debatten bestimmt und dennoch kaum fassbar ist. Nur damit liessen sich letztlich auch Handlungsmöglichkeiten ableiten.
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Die im Originalton aufgeführten Zitate und Beispiele für Belästigungen stammen aus dem Auswertungsbericht der Stadt Zürich in Bezug auf die Nutzung des digitalen Meldetools. Der ganze Bericht wurde auf der Website «Zürich schaut hin» veröffentlicht.
(https://www.derbund.ch/verschaerfter-kampf-fuer-mehr-vielfalt-371835323704)
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Transgender in der Schweiz – Jung und trans – Justins Weg vom Teenager zum erwachsenen Mann
Justin aus Winterthur ist 18-jährig und trans. Anfang 2022 hat er sein amtliches Geschlecht ändern lassen – von weiblich zu männlich. Auf seinem Weg zum erwachsenen Mann konnte er mittlerweile auch eine geschlechtsangleichende Operation vornehmen lassen. Wie geht es ihm heute?
https://www.srf.ch/news/gesellschaft/transgender-in-der-schweiz-jung-und-trans-justins-weg-vom-teenager-zum-erwachsenen-mann
+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Litauen legalisiert Pushbacks, UNHCR lässt Protestcamp räumen, Waadt schafft nach Kroatien aus
https://antira.org/2023/04/24/litauen-legalisiert-pushbacks-unhcr-laesst-protestcamp-raeumen-waadt-schafft-nach-kroatien-aus/
Rassismus an Schulen – Kinder sind vermehrt auf Rassismus sensibilisiert
116 Fälle von Rassismus wurden 2022 an Schweizer Schulen gemeldet. Die Kinder reagieren anders als noch vor einigen Jahren.
https://www.srf.ch/news/schweiz/rassismus-an-schulen-kinder-sind-vermehrt-auf-rassismus-sensibilisiert
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tagblatt.ch 24.04.2023
«Sie kommen aufgrund Ihres Kopftuches nicht in Frage»: Bund meldet so viele Fälle von Rassismus wie noch nie – das sagt die Expertin
Die neusten Zahlen des Rassismus-Reports des Bundes für 2022 zeigen: Am häufigsten melden Betroffene Fälle am Arbeitsplatz oder der Schule. Der Bericht gibt verstörende Beispiele wider.
Aylin Erol
Die Frau hatte sich auf eine Stelle in einer Apotheke beworben, bekam aber eine Absage. Die mündliche Begründung: «Sie kommen aufgrund Ihres Kopftuches nicht für das Praktikum in Frage.» Die Frau meldete sich daraufhin bei einer der 25 Beratungsstellen gegen Rassismus in der Schweiz.
Die Beratungsstelle bat die Apotheke um eine schriftliche Stellungnahme. Die Antwort: Eine Mitarbeiterin mit Kopftuch könne dem Vertrauensverhältnis mit der auf Naturmedizin ausgerichteten Kundschaft schaden. Dass diese Begründung rassistisch ist, davon wollte der Arbeitgeber nichts wissen. Die diskriminierte Frau zog den Fall in der Folge nicht vor Gericht.
Dies ist einer von insgesamt 708 Fällen von Rassismus, die Betroffene und Augenzeugen in der Schweiz im vergangenen Jahr gemeldet haben. Das sind so viele Fälle wie noch nie, wie das Beratungsnetz für Rassismusopfer festhält, das in Kooperation von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (ERK) und der Menschenrechtsorganisation humanrights.ch geführt wird.
Bevölkerung ist sensibilisierter
Haben rassistische Einstellungen in der Schweiz also zugenommen? «Wahrscheinlich nicht», sagt Alma Wiecken, Geschäftsleiterin der ERK. Sie stützt sich bei dieser Aussage auf die Umfrage «Zusammenleben in der Schweiz» des Bundesamtes für Statistik (BFS). In dieser ging 2022 hervor, dass sich 31 Prozent der Bevölkerung durch als «anders» empfundene Personen gestört fühlen. «Dieser Wert hält sich seit einigen Jahren etwa auf diesem Niveau. Und auch andere Ergebnisse der Umfrage legen nahe, dass die Verbreitung von rassistischen Einstellungen in der Schweiz konstant ist», sagt Wiecken.
Die Zunahme der gemeldeten Fälle von Rassismus erklärt sich die Expertin mit einer erhöhten Sensibilisierung in der Schweizer Bevölkerung für das Thema. Es werde inzwischen im Allgemeinen häufiger über Rassismus gesprochen und das Thema auch immer wieder in den Medien aufgegriffen.
Hat der DJ beim Sechseläuten richtig reagiert?
Ein Beispiel lieferte jüngst der Blackfacing-Eklat einer Zürcher Zunft. Im Vorfeld zum Sechseläuten trat ein Mann, der einen Bastrock trug, sein Gesicht schwarz angemalt hatte und einen Knochen schwenkte, vor Publikum auf. Ein von der Zunft engagierter DJ filmte das Geschehen und schickte das Video dem «Tages-Anzeiger», welche die Bilder publik machte. Aber hat der DJ damit richtig reagiert? Oder hätte er besser gleich einschreiten und Licht und Ton abschalten sollen, wie er das laut eigenen Aussagen in Erwägung gezogen hat?
Gemäss Wiecken gibt es kein Richtig oder Falsch. «Es kommt immer auf die konkrete Situation an. Bei Bild- und Tonaufnahmen muss man jedoch aufpassen, dass man die Persönlichkeitsrechte der aufgenommenen Personen nicht verletzt», sagt Wiecken. Grundsätzlich gelte aber: «Wenn man rassistische Szenen beobachtet und sich in der Lage fühlt, darauf zu reagieren, ist es wichtig, dass man das auch tut.» Das brauche aber natürlich Zivilcourage.
Rassismus im Schulalltag
Am häufigsten wurden 2022 Fälle von Rassismus gemeldet, die sich am Arbeitsplatz abspielten wie beim Beispiel mit der Frau mit dem Kopftuch. Der am zweithäufigsten betroffene Lebensbereich ist jedoch die Schule. Hier diskriminieren nicht etwa Kinder andere Kinder, sondern Erwachsene Schülerinnen und Schüler.
Von einer Schule meldeten sich etwa verschiedene Personen bei der Beratungsstelle, weil muslimischen Kindern im Kochunterricht Alternativen zu Schweinefleisch verweigert wurden. Eine Lehrerin gab einem Kind gar eine Schweinswurst und sagte ihm, dass es sich um Poulet handle. Daneben berichteten Betroffene und Augenzeugen von Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zum N-Wort – vonseiten Kantinenpersonal, Hausmeister und Lehrpersonen.
«Betroffene lassen solche alltäglichen Erfahrungen nicht kalt», sagt Wiecken. Einige würden sich deshalb irgendwann von der Gesellschaft zurückziehen. «Rassismuserfahrungen können darum auch zu schwerwiegenden Depressionen führen», sagt Wiecken. Am häufigsten richteten sich rassistische Angriffe 2022 gegen Schwarze (276 Fälle) und Ausländer/ Fremde (275 Fälle). An dritter Stelle befindet sich Fremdenfeindlichkeit gegen Menschen aus dem arabischen Raum (47 Fälle).
(https://www.tagblatt.ch/leben/diskriminierung-sie-kommen-aufgrund-ihres-kopftuches-nicht-in-frage-bund-meldet-so-viele-faelle-von-rassismus-wie-noch-nie-das-sagt-die-expertin-ld.2446963)
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SVP: Nationalrat Giezendanner findet Zunft-Blackfacing lustig
Die Kritik am Blackface-Auftritt am Rande des Sechseläuten ist laut. Benjamin Giezendanner (SVP) verteidigt die Zünftler und sagt sogar, er hätte mitgelacht.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/svp-nationalrat-giezendanner-findet-zunft-blackfacing-lustig-66479901
-> https://tv.telebaern.tv/sonntalk/cs-uebernahme-klimaschutzgesetz-blackfacing-an-zuenfter-anlass-die-themen-im-sonntalk-150751855 (ab 23:22)
+++RECHTSPOPULISMUS
«Electro-Boy im leuchtenden Putinland»: Roger Köppel provoziert aus Moskau
Am Donnerstag hat das EDA den russischen Botschafter einbestellt. Dieser hatte einem «NZZ»-Journalisten wegen dessen Berichterstattung mit Gefängnis gedroht. Zwei Tage später sendet SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Chef Roger Köppel aus Moskau.
https://www.blick.ch/politik/electro-boy-im-leuchtenden-putinland-roger-koeppel-provoziert-aus-moskau-id18513635.html
-> https://www.20min.ch/story/roger-koeppel-sendet-aus-moskau-und-sorgt-damit-fuer-einen-aufschrei-729705798113
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/566131465-koeppel-reist-mitten-im-krieg-nach-russland-sp-molina-spricht-klartext?utm_source=twitter&utm_medium=social-auto&utm_campaign=auto-share
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/roger-koppel-seine-russinnen-sollen-vom-geheimdienst-bezahlt-sein-66479942
-> https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/svp-gegen-svp-roger-koeppel-schiesst-aus-moskau-verbal-gegen-jean-pierre-gallati-ld.2446734
«F**k uf d Esther Friedli»: Rapper beleidigen SVP-Friedli auf SRF – SP-Rivalin teilt Video
Via SRF beleidigen Rapper die St. Galler SVP-Ständeratskandidatin Esther Friedli. Ihre Konkurrentin Barbara Gysi (SP) verbreitete das Video – und entschuldigt sich nun öffentlich dafür. SRF dagegen sieht kein Problem.
https://www.20min.ch/story/rapper-beleidigen-svp-friedli-auf-srf-sp-rivalin-teilt-video-956894520492
-> https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/wahlkampf-fck-uf-d-esther-friedli-rapper-beleidigen-die-svp-staenderatskandidatin-auf-srf-barbara-gysi-teilt-das-video-ld.2446781
+++RECHTSEXTREMISMUS
Pelda, der Erfüllungsgehilfe
Womit bloss beginnen? Am besten mit der Tyr-Rune. Einem Symbol, das auf Abzeichen der Reichsführerschulen im Hitler-Reich prangte. Die Nationalsozialistische Partei NSDAP verlieh es dem «Führernachwuchs» – etwa Mitgliedern der paramilitärischen Kampforganisation SA.
https://www.woz.ch/zoo/2023/04/24/pelda-der-erfuellungsgehilfe
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tagesanzeiger.ch 24.04.2023
Reichsbürger-Prozess im Baselbiet: «Er hätte mit einer Sondereinheit geholt werden müssen»
Der Beschuldigte taucht nicht auf. Wie ein Reichsbürger gegen das System aufbegehrt und warum ein Landesverweis gemäss Staatsanwaltschaft alternativlos ist.
Mirjam Kohler, Sebastian Schanzer
Ein liebevoll gezimmertes Holzhäuschen für Kinder, eine an hohen Bäumen aufgehängte Nestschaukel, Kindervelos und Trottinette vor dem Eingang – das sind eigentlich keine Hinweise darauf, dass in diesem Haus in einem Oberbaselbieter Dorf ein erbitterter Staatsfeind leben soll.
Einzig die mannshohen Hecken um die Liegenschaft und der dicke aufgemalte gelbe Streifen vor der Einfahrt mit dem Schriftzug «Privat» deuten an: Hier will jemand weder von seinen Nachbarn noch von sonst wem beobachtet werden. Und wer genauer hinsieht, entdeckt auch die Überwachungskameras am Haus. Wer sich auf dieses Grundstück begibt, tut dies offensichtlich nicht unbemerkt.
Hier hat Detlef Schultze (Name geändert) über Jahre hinweg mit seiner Familie gelebt. Im Dorf habe er mit niemandem Kontakt. Er habe immer freundlich gegrüsst, mehr nicht, heisst es im Gespräch mit Nachbarn. Und trotzdem: Man wünscht sich Ruhe von Detlef Schultze. «Man weiss ja nie, was da noch alles passiert», «die Justiz hätte schon viel früher durchgreifen müssen», «vielleicht hat er ja auch Waffen». Grund für das Misstrauen sind die Polizeieinsätze, die es im Zusammenhang mit Schultze in der Oberbaselbieter Gemeinde gab.
Lieber Selbstverletzung als Zwangsversteigerung
Etwa im August 2020, als Pfändungsbeamte in Begleitung der Polizei sein Grundstück betreten. Sie wollen eine öffentliche Besichtigung des Grundstücks im Rahmen der betreibungsrechtlichen Zwangsversteigerung durchführen. Schultze verhält sich dermassen unkooperativ, dass sich die Polizei entscheidet, ihn festzunehmen. Plötzlich sackt Schultze auf die Knie, es gehe ihm nicht gut.
Die Polizei ruft den Rettungsdienst und legt ihm die Handschellen an. Schultze soll jetzt zum Gefangenentransporter gehen, weigert sich aber. Schliesslich müssen ihn vier Polizisten tragen. Beim Transporter angekommen, sperrt sich Schultze gegen die Verladung, er habe Platzangst.
Schultze verhält sich so auffällig, dass Polizei und Sanität eine fürsorgerische Unterbringung – also eine behördlich angeordnete Zwangsunterbringung in einer Psychiatrie – prüfen. Damit der Sanitätswagen auf das Grundstück fahren kann, wird der Gefangenentransporter weggebracht.
Schultze, der noch immer auf dem Boden liegt, schwingt seine Beine absichtlich unter den Transporter, sodass dieser mit dem linken Vorderrad über seine Füsse fährt.
Reihenweise Anzeigen
Im April 2021 dann die nächste gröbere Eskalation auf Schultzes Grundstück: Weil sich Detlef Schultze vom Entzug seines Fahrausweises nicht beeindrucken lässt und weiterhin mit dem Auto unterwegs ist, wird das Auto, das er benutzte, durch die Polizei beschlagnahmt. Es soll abgeschleppt werden.
Schultze greift einen Polizisten und eine Polizistin mit Pfefferspray an und wirft dann einen grossen Hammer gegen die Scheibe des Abschlepp-LKW.
Die Anklageschrift umfasst 27 Anklagepunkte. Es wird deutlich: Seit Frühjahr 2020 legt sich der heute 45-Jährige mit den Behörden an. Scheinbar jeder Kontakt mit staatlichen Stellen bedeutet eine Anzeige gegen Schultze – und auch er hält sich mit Anzeigen gegen Beamte nicht zurück.
Verfolgungsjagden und Beamtenbedrohung
Schultze sperrt sich spätestens 2018 gegen Steuerzahlungen, verweigert die Verkehrssteuern und weitere Gebühren, zahlt Versicherungen nicht mehr und ignoriert behördliche Anweisungen. Er liefert sich Verfolgungsjagden mit der Polizei, bedroht Beamte, fälscht Autovignetten.
Dafür muss er sich vor dem Baselbieter Strafgericht in Muttenz verantworten. Nachdem er die gerichtliche Vorladung erhalten hat, soll er dem vorsitzenden Richter einen Brief geschrieben haben, vermeldet das Recherchekollektiv Betonmalerinnen auf Twitter.
Der Brief besteht aus einem Fragen- und Forderungskatalog. Unter anderem will Schultze, dass der Kanton Basel-Landschaft eine «Sicherheitsleistung» von hundert Millionen hinterlegt. Das Gericht soll ausserdem seine Handlungsvollmacht beweisen.
Schultze ist Staatsverweigerer. In Anlehnung an eine ähnliche deutsche Bewegung spricht man auch in der Schweiz oft von Reichsbürgern. Die Schweizer Reichsbürger sagen, den Staat gebe es nicht und alle Beamten würden ohne Legitimierung arbeiten, weil der Staat ein Konstrukt aus Firmen sei.
Die Bezeichnung «Person» stehe für die Einwilligung in dieses Konstrukt, sie wird deswegen von Reichsbürgern abgelehnt. Stattdessen bezeichnen sich die Staatsverweigerer als «Mensch» und erstellen sogenannte «Lebenderklärungen», eine Art Fantasieausweis, der nach eigenem Verständnis vom Staat und seinen Gesetzen lossagt.
In einschlägigen Chats auf der Plattform Telegram wird zur Begleitung des Prozesses gegen Schultze aufgerufen. Möglichst viele Gleichgesinnte sollen beim Gerichtstermin dabei sein und bezeugen, dass Schultze eben nicht diese vorgeladene Person Detlef Schultze sei, sondern der Mensch.
Schultze sei nicht einer, der sich um den Finger wickeln lasse, schon nur wegen des «Kinos», das Schultze wohl veranstalten werde, lohne es sich, zu kommen, heisst es im Aufruf.
Doch dann kommt alles anders. «Die Verhandlung wird stattfinden – ohne den Menschen», heisst es in einer neuen Nachricht. Man sei sich einig geworden, dass Schultze nicht am Prozess teilnehmen sollte. Es drohe die Verhaftung, das wolle man nicht riskieren. «Die Person wird anwesend sein, er schickt sie per Post ab», das Gericht könne mit der Person verhandeln.
Staatsanwalt fordert Polizeieinsatz
Tatsächlich trifft beim Gericht Post ein: ein zerschnittener deutscher Reisepass, eine abgelaufene Aufenthaltsbewilligung und eine Geburtsurkunde. Schultze selbst taucht am 7. Februar 2023 nicht vor Gericht auf.
Wo er sich derzeit aufhält, ist nicht klar. Gemäss Nachbarschaft und Polizei ist Schultze regelmässig im Haus anzutreffen, wohnt aber nicht da. Schultze habe sich im Baselbiet abgemeldet und gebe als neuen Wohnort Bad Säckingen (D) an. Gemäss Gericht hat er sich da aber nie angemeldet. Einträge auf Social Media legen nahe, dass er sich in Norddeutschland aufhält. Nachrichten auf Telegram implizieren hingegen, dass Schultze untergetaucht ist.
Das Gericht setzt eine neue Verhandlung an – für den 24. April 2023. Die Staatsanwaltschaft beantragt, dass Schultze notfalls durch die Polizei zum Gericht gebracht wird, falls er nicht erscheint.
Das passierte am Montagmorgen nicht. Der fallführende Staatsanwalt zeigte sich darob erbost: «Es läuft darauf hinaus: Wer blöd genug tut, erfährt nicht die ganze Härte des Gesetzes», sagte er.
Weitere Radikalisierung
Das stimme nicht, entgegnete der vorsitzende Richter der Dreierkammer. Die Anwesenheit von Schultze sei für die Verhandlung nicht erforderlich. Es sei die Ausnahme, nicht die Regel, dass Beschuldigte von der Polizei abgeholt und vor Gericht gebracht würden.
Dazu komme, dass Schultze sich jeglichem staatlichen Zugriff entziehe und bei Begegnungen mit der Polizei zu Gewalt neige. Gemäss Polizeibericht habe sich Schultze in den letzten Monaten weiter radikalisiert. «Er hätte mit einer Sondereinheit geholt werden müssen», so der Richter. Dazu entschied sich das Gericht nicht.
Wegen der Abwesenheit Schultzes bestand die Verhandlung am Montagmorgen in erster Linie aus den Plädoyers des Staatsanwalts und des amtlichen Verteidigers von Schultze.
Es gebe unabhängig vom aktuellen Verfahren bereits vier neue Strafverfahren, die gegen Schultze liefen, betonte der Staatsanwalt. Eines davon beziehe sich auf den Verdacht des Betrugs im Zusammenhang mit Covid-Krediten. Dabei sei eine zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft bei Schultze festzustellen. Schultze habe die «fanatische Überzeugung, dass für ihn die Regeln nicht gelten».
Landesverweis als einzige Option?
Der Staatsanwalt fordert für den wegen eines Gewaltdelikts vorbestraften Deutschen eine unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten, eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Franken und eine Ordnungsbusse von 1000 Franken sowie eine Landesverweisung für sieben Jahre.
«Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu weiteren schweren Zwischenfällen kommt», begründet der Staatsanwalt. Schultze sei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Nur eine Landesverweisung könne da helfen.
Es sei sinnlos, in diesem Falle eine Geldstrafe auszusprechen, die Erfahrung zeige, dass Schultze diese sowieso nicht bezahlen würde.
Das Plädoyer des amtlichen Pflichtverteidigers fiel denkbar kurz aus. «Leider kann ich der Staatsanwaltschaft nichts bis sehr wenig entgegenhalten. Ich habe keinerlei Kontakt zum Beschuldigten.» Dieser habe auf seine Kontaktaufnahmen nicht reagiert. Er gehe aber davon aus, dass die Forderung nach einem kostenlosen Freispruch und der Abweisung der Zivilforderung in dessen Sinne sei.
Das Urteil wird am Mittwochvormittag bekannt gegeben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
(https://www.tagesanzeiger.ch/er-haette-mit-einer-sondereinheit-geholt-werden-muessen-262734738287)
-> https://www.20min.ch/story/reichsbuerger-schwaenzt-strafprozess-staatsanwalt-wollte-polizeieinsatz-268726075350
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Umstrittener Auftritt von Daniele Ganser: Uni Basel macht Podium
Der Schweizer Historiker Daniele Ganser tritt diese Woche zweimal auf in Basel, im Stadtcasino mit einem Vortrag über den Krieg in der Ukraine. Seine Ansichten sind umstritten. Die Universität Basel veranstaltet deshalb im Vorfeld ein Podium. Man wolle Ganser nicht alleine die Bühne überlassen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/umstrittener-auftritt-von-daniele-ganser-uni-basel-macht-podium?id=12374733
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittener-auftritt-in-basel-historiker-wollen-daniele-ganser-die-buehne-nicht-ueberlassen
+++HISTORY
Psychiatrie im Umbruch – Letzter Einblick in den Alltag von Bellelay
Die psychiatrische Klinik Bellelay im Jura muss nach 130 Jahren die Tore schliessen. Nicht zeitgemäss und wirtschaftlich nicht tragbar sei das abgeschieden gelegene Spital. Patienten und Pflegerinnen müssen nach Moutier umziehen. Dieser Film gibt einen letzten, seltenen Einblick in den Klink-Alltag.
https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/psychiatrie-im-umbruch—letzter-einblick-in-den-alltag-von-bellelay?urn=urn:srf:video:2adda0cc-02ed-4de1-96d8-4401ee2ad04d&aspectRatio=16_9