Medienspiegel 13. April 2023

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+++BERN
derbund.ch 13.04.2023

Kündigung wegen Asylentscheid: Aufruhr um Lernende – «Ich möchte einfach nur meinen Weg gehen»

Das Parlament will, dass Jugendliche auch mit negativem Asylentscheid ihre Lehre beenden dürfen. Doch Stella Gazazyan musste feststellen: Das ist im Moment nur Theorie.

Nina Fargahi

Im Altersheim Senevita Aespliz in Ittigen bei Bern herrscht Aufruhr. Die 17-jährige Stella Gazazyan darf ihre Lehre als Pflegerin nicht weiterführen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Die Heimbewohner und die Arbeitskolleginnen sind entsetzt und haben mehrere Protestbriefe geschrieben. Man sei auf «engagierte und fähige Pflegepersonen wie Stella Gazazyan dringend angewiesen», heisst es in einem der Schreiben. In einem anderen Brief steht in zittriger Schrift: «Es ist uns ein grosses Anliegen, dass Stella uns erhalten bleibt.» 29 Heimbewohner haben ihre Unterschrift daruntergesetzt.

Was ist passiert? Stella Gazazyan sitzt in der Kantine des Altersheims. Sie starrt auf die Blumen auf dem Tisch, der Aufruhr um ihre Person ist ihr sichtlich unangenehm. «Ich möchte einfach nur meinen Weg als Pflegerin weitergehen, den ich vor bald zwei Jahren angefangen habe», sagt sie. Ihr Deutsch sei so gut, weil sie den Kontakt mit den betagten Menschen im Altersheim möge. Sogar jetzt, wo ihr ein Arbeitsverbot auferlegt wurde, komme sie manchmal nach Ittigen, um mit den Heimbewohnerinnen spazieren zu gehen. «Wir erzählen einander viel aus unseren Leben.»

Missstand aufgehoben, aber…

Stella Gazazyan ist vor fünf Jahren mit ihrer Mutter und ihrer Zwillingsschwester aus Russland in die Schweiz geflohen. Sie möchte nicht öffentlich über ihre Fluchtgründe sprechen, um Familienangehörige nicht zu gefährden, die noch immer in Russland sind. Gazazyan ist eine von vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Schweiz, die ihre Lehre aufgrund ihrer asylrechtlichen Situation nicht beenden dürfen.

Es gibt schweizweit keine Statistiken darüber, wie viele Personen sich zum Zeitpunkt eines negativen Asylentscheids in einer Berufsausbildung befanden oder diese abbrechen mussten. Gemäss Zahlen aus Berner Berufsschulen aus dem Jahr 2019 muss man etwa im Kanton Bern von 60 bis 100 solchen Lehrabbrüchen ausgehen.

Das Parlament hat sich letzten Dezember dieses Problems angenommen. Und entschieden: Lernende mit einem negativen Asylentscheid sollen ihre Lehre abschliessen dürfen. Erst danach müssen sie das Land verlassen. Der Bundesrat hat im März die gleiche Regelung für Jugendliche aus der Ukraine mit Schutzstatus S beschlossen. Mit diesem Entscheid kam das Parlament auch den Lehrmeistern entgegen, die ihre Zöglinge zu Ende ausbilden möchten.

Doch bis das Gesetz in Kraft ist, gibt es eine Vielzahl von Fällen wie jenen von Stella Gazazyan. Sie hat einen negativen Asylentscheid erhalten – wird aber vorerst nicht nach Russland zurückkehren. Ihr Fall wird sich durch alle juristischen Instanzen ziehen und mehrere Jahre dauern. Weil sie ihre Lehre abbrechen musste, erhält sie nun Nothilfe und lebt auf Kosten der Steuerzahlenden. Sie würde gerne ihre angefangene Lehre in der Pflege beenden, sitzt aber im Rückkehrzentrum in Aarwangen herum und hat nach eigenen Angaben «nicht viel zu tun».

Die Frage ist: Warum lassen die Behörden nicht bereits jetzt zu, was ohnehin bald kommen wird? Das Staatssekretariat für Migration (SEM) weist darauf hin, dass der Bundesrat gemäss Parlamentsgesetz zwei Jahre Zeit hat, um die neue Regelung umzusetzen. Mit einer Übergangsregelung auf dem Verordnungsweg könnte der Bundesrat allerdings schneller vorwärtsmachen und für Fälle wie jenen von Stella Gazazyan eine Lösung finden.

Zumal ein akuter Personalmangel besteht und die Schweiz auf Fachkräfte angewiesen ist. So jedenfalls sieht es Lehrmeister Benjamin Gimmel, Geschäftsführer des Altersheims Senevita Aespliz in Ittigen. «Wir erhalten wöchentlich mehrere Anfragen von verzweifelten Angehörigen, die auf der Suche nach einem Pflegebett sind, die wir leider abweisen müssen», sagt er. Gimmel sagt, er könne nicht garantieren, dass in diesem Jahr wegen Personalmangel keine Betten geschlossen werden müssten.

Gimmel kennt Stella Gazazyan, weil er sie bereits in der Vorlehre für ein Jahr betreut hat. In ihrem Arbeitszeugnis hat er geschrieben, dass er sie als «überdurchschnittlich engagiert» erlebt habe und «ausserordentlich zufrieden mit ihrer Arbeit» gewesen sei. Sie sei «überall sehr beliebt», was auch die Bestürzung im Altersheim über ihren Lehrabbruch zeigt.

Gimmel schüttelt den Kopf, während er Fragen zu diesem Fall beantwortet. «Ich bedauere es sehr, dass ich ihr mitten in der Lehre kündigen musste.» Das sei hart gewesen. Hätte er sie weiterbeschäftigt, hätte das Altersheim eine Busse erhalten. Das war im letzten September.

Kantone warten auf den Bundesrat

Etwas mehr als zwei Monate nach der Kündigung erfährt Gimmel vom Parlamentsbeschluss. Er schreibt sofort einen Brief an den Migrationsdienst in Bern und bittet um eine Weiterführung der Lehre von Stella. Doch ohne Erfolg. Der Kanton weist darauf hin, dass der Ball beim Bundesrat liege. «Bis eine entsprechende Änderung vorgenommen wurde, sind wir als kantonale Behörde daran gehalten, das geltende Recht umzusetzen.»

Weder eine Lehre noch eine höhere Ausbildung seien Teil der obligatorischen Schulzeit und würden daher nicht unter das in der Bundesverfassung garantierte Recht auf Bildung fallen. Ergebnis: Gimmel kann die Lehrstelle nicht wieder besetzen.

Auch Stella Gazazyan erinnert sich an den Tag, als sie ihre Lehre abbrechen musste: «Ich habe geweint, als wäre ein Familienmitglied gestorben», sagt sie. Auch ihre Unterbringung in einer eigenen Wohnung wurde aufgehoben. Stella und ihre Schwester mussten mit ihrer Mutter ins Rückkehrzentrum Aarwangen umziehen. Auch die Schwester darf ihre Lehre als Dentalassistentin nicht weiterführen. Und die Mutter hat ebenfalls ein Arbeitsverbot. Das Schlimmste sei die Perspektivlosigkeit, sagt Stella.

Wie geht es weiter? Die Familie hat ein Wiedererwägungsgesuch gestellt, auf welches das SEM nicht eingetreten ist. Der Fall geht wahrscheinlich nochmals ans Bundesverwaltungsgericht, wie der Anwalt der Familie mitteilt. Denn eine freiwillige Ausreise nach Russland sei ausgeschlossen.

Auf diesen Fall angesprochen, schreibt ein Sprecher von Elisabeth Baume-Schneiders Justizdepartement: «Das Ziel ist selbstverständlich, so rasch als möglich vorwärtszumachen.»
(https://www.derbund.ch/aufruhr-um-lernende-ich-moechte-einfach-nur-meinen-weg-gehen-820077735812)


+++ZÜRICH
Asylunterkunft nach Brand wieder bewohnbar
Nach dem Brand in einer Asylunterkunft in der Stadt Zürich haben die Wände eines Einstellraums eingerissen werden müssen. Die rund 70 Bewohnenden haben jedoch bereits wieder in ihre Wohnräume zurückkehren können.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/asylunterkunft-nach-brand-wieder-bewohnbar-00209926/


+++SCHWEIZ
nzz.ch 13.04.2023

Wegen rekordhoher Asylkosten und der Ukraine-Hilfe: neuer Höchststand bei den Entwicklungshilfegeldern

Während der Westen Milliarden für die Ukraine ausgibt, fliesst in die ärmsten Länder weniger Geld. Die Schweiz kürzt bei der klassischen Entwicklungszusammenarbeit, Deutschland stockt dagegen auf.

Fabian Urech

Die Industriestaaten haben im vergangenen Jahr so viel Geld in die Entwicklungszusammenarbeit gesteckt wie noch nie. Die entsprechenden Ausgaben beliefen sich 2022 auf rund 204 Milliarden Dollar, ein Anstieg von knapp 14 Prozent. Dies gab am Mittwoch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bekannt.

Ukraine wird zum grössten Empfängerland

Der Anstieg hängt vor allem mit dem Ukraine-Krieg zusammen. Erstens sind durch die Millionen von ukrainischen Flüchtlingen die Asylkosten in vielen europäischen Staaten massiv angewachsen. Die OECD-Regeln erlauben es, Ausgaben, die mit der Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen verbunden sind, zu einem grossen Teil als öffentliche Entwicklungshilfe zu verbuchen.

Die 38 OECD-Mitgliedstaaten gaben in diesem Bereich 2022 über 30 Milliarden Dollar aus; im Vorjahr hatte dieser Betrag noch bei knapp 13 Milliarden Dollar gelegen.

Zweitens stieg die Ukraine 2022 zum weltweit grössten Empfänger von Entwicklungs- und Nothilfe auf. Insgesamt erhielt das Land 2022 Hilfsgelder in Höhe von 16,1 Milliarden Dollar. Im Jahr vor Ausbruch des Krieges hatte dieser Betrag noch bei rund 900 Millionen Dollar gelegen.

Das zeigt: Der globale Anstieg bei der klassischen Entwicklungszusammenarbeit und der Nothilfe geht fast ausschliesslich auf das massiv ausgebaute Engagement in der Ukraine zurück.

Weniger Geld für die Ärmsten

Für manche Weltregionen war die Unterstützung zuletzt sogar rückläufig. In die 46 am wenigsten entwickelten Länder (LDC) flossen 2022 etwas weniger Hilfsgelder als im Vorjahr. Deutlicher war der Rückgang für Subsahara-Afrika: Hier gingen die Hilfszahlungen um über 2,5 Milliarden Dollar – oder 8 Prozent – zurück.

Damit scheint sich zu bewahrheiten, was sich vor einem Jahr abzeichnete: Die vielen Entwicklungshilfe-Milliarden, die seit dem Kriegsausbruch aus dem Westen in die Ukraine fliessen, werden von den Ausgaben an anderer Stelle abgezweigt – auch bei den ärmsten Ländern.

In der Schweiz zeigte sich dieser Verdrängungseffekt im vergangenen Jahr deutlich: Zwar stieg hier die Summe, die das Land laut OECD-Kriterien für die öffentliche Entwicklungshilfe ausgibt, um über 16 Prozent an. Grund dafür waren aber einzig die massiv gestiegenen Asylkosten. Die Ausgaben für die Hilfe im Ausland gingen derweil sogar um rund 170 Millionen Franken zurück.

Anders machte es Deutschland: Auch hier stiegen 2022 die Asylkosten massiv an. Zugleich erhöhte Berlin aber auch seine Ausgaben für die klassische Entwicklungszusammenarbeit und steigerte etwa seine Zuwendungen für die humanitären Hilfswerke der Uno.

Insgesamt blieben die USA 2022 das grösste Geberland der Welt, es folgen Deutschland, Japan und Frankreich. Gemessen am Bruttonationaleinkommen ist Luxemburg der grosszügigste Geber, dahinter folgen Schweden, Norwegen und Deutschland.
(https://www.nzz.ch/international/entwicklungshilfe-hoechststand-wegen-ukraine-krieg-und-asylkosten-ld.1733790)


+++ITALIEN
Italien: Migration steuern durch »Flüchtlings-Notstand«
Mit der Ausrufung des Notstands will Italiens Regierung die steigende Zahl von Geflüchteten bewältigen
Die italienische Regierung hat wegen der zuletzt hohen Migrationszahlen über die Mittelmeerroute landesweit einen Notstand beschlossen, zunächst für sechs Monate. Die betroffenen Regionen sollen zusätzlich Geld erhalten.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172395.migration-italien-migration-steuern-durch-fluechtlings-notstand.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/448797.massengrab-mittelmeer-rechte-l%C3%BCgen-demontiert.html
-> https://www.derbund.ch/italien-im-notstand-644233258393


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Waldbesetzung im Kanton Zürich – Aktivisten protestieren in Rümlang gegen eine geplante Deponie
In Rümlang soll ein Wald einer Deponie weichen. Aktivistinnen und Aktivisten richten sich trotz Ultimatum der Gemeinde langfristig ein.
https://www.srf.ch/news/schweiz/waldbesetzung-im-kanton-zuerich-aktivisten-protestieren-in-ruemlang-gegen-eine-geplante-deponie
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/aktivisten-wollen-mit-besetzercamp-deponie-in-ruemlang-verhindern?id=12369435 (ab 04:12)
-> https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/ultimatum-fuer-waldbesetzung-in-ruemlang?urn=urn:srf:video:f84535a7-7675-4836-84d1-d9c1fafdf158&aspectRatio=4_5


++++MENSCHENRECHTE
Anlaufstelle für strategische Prozessführung –
Bilanz nach 3 Jahren
Vor drei Jahren ist unter dem Dach von humanrights.ch die Anlaufstelle für strategische Prozessführung ins Leben gerufen worden. In der Zwischenzeit haben wir nach einigen Austauschsitzungen, Workshops, Netzwerktreffen und ersten Erfahrungen mit Anfragen zur Begleitung von strategischen Prozessen Bilanz und einige wichtige Schlüsse gezogen. Der Fokus und die Arbeitsweise der Anlaufstelle konkretisierten sich dadurch in einer Art und Weise, wie wir es zu Beginn so nicht erwartet hatten.
https://www.humanrights.ch/de/anlaufstelle-strategische-prozessfuehrung/news-anlaufstelle-strategische-prozessfuehrung-bilanz


+++KNAST
Tessiner Pionierprojekt: Frauenabteilung im Männergefängnis – Rendez-vous
Weil es im Tessin kein Frauengefängnis gibt, sind die Haftbedingungen für Frauen deutlich härter als für Männer. Eine Ungerechtigkeit, die bald aus der Welt geräumt werden soll – auf eine schweizweit einmalige Weise.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/tessiner-pionierprojekt-frauenabteilung-im-maennergefaengnis?partId=12369354


+++POLIZEI ZH
Diese Kleber ärgern die Polizei gewaltig
In Zürich sind verschiedene Kleber mit der Aufschrift «Heute Rassist. Morgen auch Polizist.» im Umlauf. Das Bild zeigt unter anderem ein Mitglied der Neonazi-Gruppe «Junge Tat».
https://www.20min.ch/story/heute-rassist-morgen-auch-polizist-macht-die-stadtpolizei-so-werbung-214014371243


+++POLIZEI CH
Polizeischule Hitzkirch: 290 Personen besuchen Frühlingslehrgang
Die interkantonale Polizeischule im luzernischen Hitzkirch bildet mehr Personen zu Polizistinnen und Polizisten aus, als in den Vorjahren. Trotzdem ist damit nicht sichergestellt, dass der Bedarf der elf angeschlossenen Kantone gedeckt werden kann. (ab 01:39)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/polizeischule-hitzkirch-290-personen-besuchen-fruehlingslehrgang?id=12369117


Die KKJPD tauscht sich mit Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider aus und wählt ein neues Co-Präsidium
Die KKJPD berät sich an ihrer Frühjahrsversammlung zu diversen Geschäften und besetzt das Präsidium neu
Die KKJPD hat sich im Rahmen ihrer Frühjahrsversammlung vom 13. April 2023 mit der Vorsteherin des EJPD über gemeinsame Geschäfte von Bund und Kantonen ausgetauscht. Zudem hat die KKJPD die Nidwaldner Justiz- und Sicherheitsdirektorin Karin Kayser-Frutschi und den Neuenburger Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Sicherheit und Kultur Alain Ribaux als neues Co-Präsidium gewählt. Sie treten die Nachfolge von Regierungspräsident Fredy Fässler (SG) an, der sein Amt aus gesundheitlichen Gründen abgibt.
https://www.kkjpd.ch/newsreader/die-kkjpd-tauscht-sich-mit-bundesraetin-elisabeth-baume-schneider-aus-und-waehlt-ein-neues-co-praesidium.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Die seltsamen Freunde der «Freunde der Verfassung»
Die Gegner des Covid-19-Gesetzes kämpfen auch gegen andere Bedrohungen freier Bürger. Zum Beispiel weisse Linien. Ein Kommentar.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/die-seltsamen-freunde-der-freunde-der-verfassung-66472810


+++FUNDIS
Veranstaltung im Zürcher Volkshaus: Widerstand gegen Kongress der Rechts-Esoteriker
Ende Mai soll im Volkshaus, dem einstigen Lokal der Zürcher Arbeiterklasse, der rechte Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser auftreten. «Kein Geschäft mit braunen Esoteriker:innen!», fordern nun linke Kreise.
https://www.tagesanzeiger.ch/widerstand-gegen-kongress-der-rechts-esoteriker-879553123386