Medienspiegel 3. April 2023

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+++BERN
ajour.ch 03.04.2023

Im Bundesasylzentrum in Kappelen sind mehr als zwei Drittel der Betten leer

Von wegen Notstand: Aktuell hat der Kanton Bern genug Platz für alle Geflüchteten. Im Bundesasylzentrum in Kappelen sind mehr als 200 Betten frei. Doch die Lage könnte sich verschlechtern.

Carmen Stalder

Asylzentren am Anschlag, Mietende, die ihre Wohnungen für geflüchtete Menschen verlassen müssen: In den vergangenen Wochen berichteten mehrere Zeitungen darüber, dass das Asylwesen in der Schweiz an seine Grenzen stosse und die Unterbringungsmöglichkeiten langsam aber sicher ausgeschöpft seien. Die Kantone Aargau und Luzern haben gar den Asylnotstand ausgerufen.

Ganz so prekär scheint es nicht überall zu sein. Das bestätigte Anfang März schon Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren: Aktuell sei die Lage über die gesamte Schweiz gesehen nicht in besonderem Masse dramatisch, sagte sie gegenüber dem «Bund». Damals meldeten die Kantone und Gemeinden schweizweit über 7300 freie Unterbringungsplätze.

Alles andere als eine angespannte Situation zeigt sich auch im Bundesasylzentrum Kappelen bei Lyss: Hier sind aktuell lediglich 85 von 314 Plätzen belegt. Und in der gesamten Asylregion Bern seien von 1350 Plätzen deren 371 vergeben, sagt Lukas Rieder, Mediensprecher beim Staatssekretariat für Migration (SEM).

Doch wie kann es sein, dass einerseits von übervollen Zentren gesprochen wird, andererseits im Kanton Bern noch so viel Platz vorhanden ist? Laut Rieder nimmt die Zahl der Asylgesuche witterungsbedingt über die Wintermonate traditionell etwas ab. Wichtig ist aber auch die Unterscheidung zwischen den Unterbringungsplätzen des Bundes und denen der Kantone. In einem Bundesasylzentrum wie Kappelen bleiben Asylsuchende höchstens 140 Tage. Danach verlassen sie das Zentrum je nach Entscheid als anerkannte Flüchtlinge, als vorläufig Aufgenommene oder mit einer Wegweisung.

«Engpässe stehen bevor»

Hier kommt nun der Kanton ins Spiel: Alle ihm vom Bund zugewiesenen Personen werden zunächst in einer Kollektivunterkunft platziert. Wie sieht die Lage hier aus? «Aktuell haben wir noch eine genügend grosse Reserve», sagt Gundekar Giebel, Mediensprecher bei der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern. Für ukrainische Flüchtlinge habe es aktuell 350 freie Plätze, dazu kommen 400 freie Betten für alle anderen Geflüchteten. Die Reserve müsse aber laufend ausgebaut werden.

Entwarnung gibt Giebel daher nicht, im Gegenteil. Pro Monat würden dem Kanton Bern 400 bis 600 Asylsuchende zugewiesen. «Wenn sich nicht bald etwas tut, stehen uns Engpässe bevor», sagt er. Spätestens Anfang Sommer könne es knapp werden. Dann müsste der Kanton unterirdische Zivilschutzanlagen öffnen oder Turnhallen mit Betten bestücken. Das wiederum würde dem Ziel entgegenlaufen, die geflüchteten Personen möglichst oberirdisch unterzubringen.

Die Suche nach neuen Unterkünften gestaltet sich laut Giebel äusserst schwierig. Es gebe im Kanton zwar leer stehende Hotels, Firmengebäude oder sonstige geeignete Liegenschaften. Nur spielen dann oftmals die verschiedenen Beteiligten nicht mit. «Wir versuchen zu überzeugen, dass es für alle Personen, die in der Schweiz Schutz oder Asyl suchen, Unterkünfte braucht. Bei der Suche nach Kollektivunterkünften stossen wir aber immer wieder auf sehr viel Widerstand.» Für aus der Ukraine geflüchtete Menschen gebe es mehr Offenheit – für alle anderen jedoch nicht, so Giebel. Dabei handelt es sich um eine Tendenz, die sich schon im letzten Jahr gezeigt hat – und die sich anscheinend weiter verstärkt.

Biel ist die grosse Ausnahme

Ein gutes Beispiel für eine schwierige Suche ist Biel. Hier gibt es keine einzige Kollektivunterkunft. Unter den grösseren Städten im Kanton ist Biel damit eine Ausnahme. Laut Sozialdirektor Beat Feurer (SVP) hat sich der Kanton vor einem Jahr nach Unterkünften für aus der Ukraine geflüchtete Menschen erkundigt. Die Stadt hat dabei verschiedene Unterkunftsmöglichkeiten wie Turnhallen, Zivilschutzanlagen und Aulen angeboten. Von diesen Plätzen wurde jedoch nie einer belegt.

Seither habe der Kanton nicht mehr um Hilfe gebeten, sagt Feurer. Was auch daran liegen mag, dass sich die angebotenen Unterkünfte als ungeeignet erwiesen haben. Darunter das Zollhaus an der Solothurnstrasse: Die leer stehende Liegenschaft gehört der Stadt und wäre grundsätzlich verfügbar. «Doch sie befindet sich in einem schlechten Zustand, hat keine passende Raumaufteilung und müsste deshalb für viel Geld umgebaut werden», so Feurer.

Dann wären da noch die Container in Bözingen: Ab 2020 wurden sie als Rückkehrzentrum für abgewiesene Asylsuchende genutzt. Diese mussten die Anlage vor einem Jahr verlassen, da sie neu als Erstaufnahmezentrum für ukrainische Flüchtlinge angedacht war. Im November wurde dann bekannt, dass das Containerdorf für Asylsuchende aus allen Ländern hergerichtet wird. Doch auch daraus wurde nichts, wie Giebel bestätigt: «Die Anlage in Bözingen wurde nicht in Betrieb genommen, da die Personen dort nur sehr kurze Zeit hätten verbringen dürfen.»

Tatsächlich hatte die Stadt Biel die Bedingung gestellt, dass die Asylsuchenden aufgrund des schlechten Zustands der Container jeweils höchstens vier Wochen bleiben dürfen. Nun steht die Anlage vor dem definitiven Ende. Laut Giebel ist der Rückbau zum Grossteil schon erfolgt – die Rückgabe der Parzelle an die Stadt sei per Ende April geplant.

Bund sucht weiter Plätze

Zurück zum SEM: Vergangenen November teilte es dem «Bieler Tagblatt» mit, dass die Bettenzahl in Kappelen aufgestockt worden sei, sodass neu 328 Menschen einen Schlafplatz finden. Laut Rieder sind all diese Plätze weiterhin nötig, da sich die Situation rasch ändern könne. «Das SEM ist weiterhin bemüht, zusätzliche Unterkunftsplätze zu finden, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein und jederzeit genügend Kapazitäten zu haben.»

Im Herbst und Winter 2022 waren schweizweit fast alle Plätze in Bundesasylzentren belegt. Entsprechend musste das SEM Asylsuchende während rund sechs Wochen den Kantonen frühzeitig zuweisen. «Das soll, wenn immer möglich, vermieden werden», so Rieder.

Und wie geht es in den kommenden Monaten weiter? In den beiden wahrscheinlichsten Szenarien rechnet das SEM mit 24 000 beziehungsweise 40 000 neuen Asylgesuchen bis Ende Jahr. Wie hoch die Zahl Ende 2023 sein wird, hänge insbesondere davon ab, wie sich die Migration aus der Türkei über die Balkanroute und die Migration über den Seeweg nach Italien entwickeln werden, sagt Lukas Rieder.
(https://ajour.ch/de/story/im-bundesasylzentrum-in-kappelen-sind-mehr-als-zwei-drittel-der-betten-leer/65121)


+++LUZERN
Vermögen wird neu berechnet: Jetzt müssen Flüchtlinge aus der Ukraine ihre Autos verkaufen
Ein Jahr nach der Einreise in die Schweiz wird das Vermögen von ukrainischen Flüchtlingen neu berechnet. Wer ein Auto besitzt und Sozialhilfe bezieht, muss es nun verkaufen. Dafür setzt der Kanton Luzern den Ukrainern eine sportliche Frist.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/jetzt-muessen-fluechtlinge-aus-der-ukraine-ihre-autos-verkaufen-2532611/


+++SCHWEIZ
Besuch des UNO-Hochkommissars für Flüchtlinge Filippo Grandi in Bern
Bundespräsident Alain Berset und Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider haben am 3. April 2023 den UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, in Bern empfangen. In beiden Gesprächen ging es um die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem Büro des Hochkommissars in Genf (UNHCR). Hochkommissar Grandi traf in Bern zudem DEZA-Direktorin Patricia Danzi, Repräsentanten von Flüchtlingsorganisationen in der Schweiz, Parlamentarierinnen und Parlamentarier sowie Medienschaffende.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94093.html


+++GASSE
aargauerzeitung.ch 03.04.2023

Neuer Städtevergleich zeigt: Wo die Gewalt an Bahnhöfen zunimmt – und wo nicht

Eine Spezialauswertung der Kriminalstatistik belegt einen beunruhigenden Trend. Doch die Unterschiede zwischen den Städten sind erstaunlich gross.

Andreas Maurer und Bruno Kissling (Fotos)

Polizeiposten Olten-City, 17 Uhr. Draussen beginnt für viele Leute der Feierabend. Drinnen hängen sich der Postenchef Raphael Giaccari und sein Stellvertreter Andreas Kehrli kugelsichere Westen um – sie sind Standard für alle Patrouillen. Die beiden Kantonspolizisten machen sich zu Fuss auf den Weg zum Bahnhof Olten. Es ist einer von 900 Kontrollgängen durch diesen Bahnhof, den die Kantonspolizei jährlich durchführt.

Die Polizisten schreiten durch die Bahnhofsunterführung und grüssen links und rechts. Sie werden immer wieder angesprochen. Jemand will eine Zugverbindung wissen, ein anderer seine Geschichte erzählen.

Die Polizisten nicken in der Unterführung auch einer Frau und einem Mann zu, die wie die typischen Pendler aussehen, die im Feierabendverkehr durch den Bahnhof eilen. Doch es sind zivile Polizisten, die kurz darauf eine junge Frau kontrollieren und dabei auch die Schuhe durchsuchen. Sie führen eine Schwerpunktkontrolle gegen Drogenkriminalität durch.

Die Polizisten in Uniform betreiben mit ihrem Rundgang vor allem Prävention. Sie wollen Präsenz zeigen, den Leuten ein Gefühl von Sicherheit vermitteln und einschreiten, falls es nötig wird. Die Polizisten in Zivil sind vor allem für die Repression zuständig. Gleichzeitig patrouilliert auch die SBB-Transportpolizei durch den Bahnhof. Es ist eine fein austarierte Sicherheitsarchitektur, welche die dunkle Seite des Bahnhofslebens klein halten soll.

Polizist Giaccari steht in der Unterführung und scannt mit seinen Augen die Pendlerströme. Er sagt: «Am Wochenende wird der Bahnhof zum Treffpunkt.»

Viele Jugendliche und junge Erwachsene starten hier ihren Ausgang, ohne das Ziel zu haben, irgendwohin zufahren. Ihr Ziel ist der Bahnhof, weil immer etwas los und der Alkohol günstig verfügbar ist. Das war schon früher so. Und doch hat sich an den Schweizer Bahnhöfen etwas verändert.

Nationaler Trend: Die Gewalt an Bahnhöfen nimmt zu

Das Bundesamt für Statistik hat auf Anfrage von CH Media eine Spezialauswertung der Kriminalstatistik durchgeführt und alle Gewaltstraftaten mit Tatort Bahnhof herausgefiltert. Dazu gehören zwei Dutzend Delikte von Drohung bis Mord. Die Grundlage der Statistik sind die Strafanzeigen, welche die Kantonspolizeien erfassen.

Die Zahlen zeigen schweizweit einen klaren Trend: Die Gewalt an Bahnhöfen steigt seit fünf Jahren kontinuierlich an und hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchstwert erreicht. Mehr als 2000 Gewaltstraftaten mit Tatort Bahnhof wurden erfasst. Jeden Tag kommt es in der Schweiz zu fünf Gewaltdelikten an Bahnhöfen – vierzig Prozent mehr als vor fünf Jahren.

Der Trend passt zur allgemeinen Entwicklung in der Schweiz. Die Gewaltdelikte haben zugenommen. Mit einer Rückkehr des öffentlichen Lebens nach der Pandemie lässt sich die Entwicklung allerdings nicht erklären. Denn es ist nicht nur ein Anstieg gegenüber der Coronajahre, sondern auch gegenüber der Zeit davor. Besonders beunruhigend: Noch nie wurden so viele Fälle schwerer Gewalt wie schwere Körperverletzungen und Vergewaltigungen registriert.

Fakt ist auch: Der Anstieg der Gewalt geht auf ausländische Beschuldigte zurück. 2022 wurden drei Prozent weniger Schweizer wegen Gewaltstraftaten angezeigt – aber sechs Prozent mehr Ausländer. Der Ausländeranteil liegt bei den Gewaltdelikten über 50 Prozent, während er in der Gesamtbevölkerung 25 Prozent beträgt.

Vor allem die grossen Städte haben ein Problem

Das Bundesamt für Statistik hat zudem einen Vergleich der Deutschschweizer Städte mit den grössten Bahnhöfen erstellt. Ausgewählt wurden die zehn Städte, in denen sich die Bahnhöfe mit der höchsten Passagierfrequenz befinden.

Der bürokratische Aufwand für die Auswertung war gross. Denn der Bund gibt die Daten nur für jene Kantone heraus, die sich damit einverstanden erklären. Von den angefragten Kantonen gaben alle grünes Licht – mit einer Ausnahme. Die Zuger Polizei legte ihr Veto ein, mochte aber auch auf wiederholte Nachfrage keine Begründung für die Geheimhaltung nennen. So enthält der Vergleich nun nur neun und nicht wie geplant zehn Städte.

Die erste Erkenntnis ist nicht überraschend: Je grösser der Bahnhof oder die Bahnhöfe einer Stadt, umso mehr Gewalt wird registriert. Überraschend sind aber die unterschiedlichen Trends.

In den drei grossen Städten Zürich, Bern und Basel hat die Gewalt an den Bahnhöfen in den vergangenen Jahren insgesamt zugenommen – im Jahr 2022 aber nur in Zürich und Basel, während Bern zuletzt einen leichten Rückgang verbuchte.

Der Zürcher Hauptbahnhof ist dieses Jahr in die Schlagzeilen geraten, als im Februar ein 26-jähriger Eritreer mutmasslich eine 55-jährige Italienerin angriff und sie mit Faustschlägen und Fusstritten verprügelte – auch als sie schon regungslos am Boden lag. Eine 16-Jährige, die zur Hilfe eilte, soll er danach ebenfalls angegriffen haben. Er sitzt in Untersuchungshaft. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hegt einen schweren Verdacht. Er soll versucht haben, gleich beide Frauen umzubringen.

Die Zürcher Kantonspolizei bestätigt, dass es in letzter Zeit im Hauptbahnhof zu mehr Auseinandersetzungen gekommen ist. Deshalb habe sie ihre Präsenz erhöht.

Die Berner Kantonspolizei gibt zu bedenken, dass die Bahnhöfe kaum vergleichbar seien, da das Gebiet jeweils unterschiedlich definiert werde.

Die Basler Kantonspolizei kann den Anstieg in der Statistik nicht erklären. Generell stellt sie fest, dass sich an Bahnhöfen Menschen diverser Kulturen und mit unterschiedlichem sozioökonomischem Status treffen. Wo sich verschiedene Gruppierungen aufhalten, komme es immer wieder zu Problemen, die in Gewalt eskalieren.

Ein Fall, der die Bevölkerung aufwühlte, ereignete sich auch hier im Februar. Eine 46-jährige Frau wurde Opfer eines Sexualdelikts. Die Basler Staatsanwaltschaft fahndet nach einem Mann mit diesen Merkmalen: «schwarze Hautfarbe», «sprach Englisch», «ungepflegte Erscheinung». Tatzeit: Nachmittag. Tatort: eine selbstreinigende WC-Anlage im Veloparking unter dem Centralbahnplatz.

Bei den kleineren Städten fällt auf, dass die Zahlen in Luzern relativ stabil sind und zuletzt sogar gesunken sind. Hier beobachtet die Polizei vor allem an Wochenenden und bei schönem Wetter viele Jugendliche und junge Erwachsene, die am Bahnhof ihre Freizeit verbringen, sowie Randständige und Asylsuchende. Das berge Konfliktpotenzial. Die Polizei sei in diesem Gebiet deshalb im Rahmen der «Brennpunktbewirtschaftung» sehr stark präsent.

In Olten haben die Gewaltdelikte am Bahnhof nur im vergangenen Jahr zugenommen, dafür drastisch. Sie haben sich fast verdoppelt. Die Kantonspolizei stellt generell auf der Regionalzugstrecke Olten–Solothurn–Grenchen und an diesen drei Bahnhöfen fest, dass störendes und deliktisches Verhalten zunimmt. Die S-Bahn-Linie gilt als Drogenumschlagplatz. Deshalb kündigt die Kantonspolizei hier mehr Kontrollen in Zusammenarbeit mit der SBB-Transportpolizei an.

In St. Gallen steigen die Zahlen im Mehrjahresvergleich an, allerdings schwanken sie stark. Die Kantonspolizei mutmasst, es könnte sich um lose Ereignisse an unterschiedlichen Bahnhöfen handeln. Grundsätzlich seien die Bahnhöfe sicher und würden aus polizeilicher Sicht kein Problem darstellen, heisst es.

Als Problem erscheint Aarau in der Statistik. Der Bahnhof hat zwar die tiefste Passagierfrequenz unter den Vergleichsstädten, aber gleich viel Gewaltdelikte wie Winterthur. Die Kantonspolizei bezeichnet den Aarauer Bahnhof als einen von drei Hotspots des Kantons (neben dem Bahnhof Brugg und der Innenstadt von Baden). Als Täter fallen vor allem junge Männer unter Alkoholeinfluss auf. Am Abend und an Wochenenden sei die Polizei deshalb stark präsent und führe Personenkontrollen durch.

Lässt sich Kriminalität mit mehr Polizei reduzieren?

Die vermehrte Präsenz von Polizisten an Schweizer Bahnhöfen dürfte auch ein Grund für den Anstieg in der Kriminalitätsstatistik sein. Je mehr kontrolliert wird, desto mehr Straftaten werden angezeigt.

Soziologe und Gewaltforscher Dirk Baier macht dazu eine überraschende Bemerkung: «Die Idee, dass mehr Polizei automatisch zur Folge hätte, dass die Kriminalität sinkt, ist leider falsch.» Hinter Gewalt stünden persönliche Probleme wie hohe Impulsivität und Reizbarkeit sowie situative Auslöser wie Alkohol- und Drogenkonsum oder die Präsenz von Gruppen. «Auf beides hat die Polizeipräsenz keine Auswirkungen», sagt er.

Was ist also zu tun? Ein Patentrezept hat auch Baier nicht. Zuerst müsste eine systematische Datenauswertung zu den Tätern durchgeführt werden. Eine Untersuchung der Zürcher Oberjugendanwaltschaft zeigte, dass die Gewalttäter an Bahnhöfen jünger werden. Baier: «Wenn tatsächlich primär junge Menschen zu Tätern werden, muss man verstärkt mit aufsuchender Jugendarbeit reagieren.» Sollte es sich hingegen vor allem um Asylsuchende handeln, seien ganz andere Massnahmen nötig, etwa Arbeitsintegration.

Im Bahnhof Olten haben die beiden Kantonspolizisten ihren Rundgang beendet und stehen draussen an der Aare. Giaccari blickt auf 24 Dienstjahre zurück und sagt: «Der Umgang ist rauer geworden.» Es beginne damit, dass sie öfter geduzt werden – aber auch beschimpft und physisch angegriffen. Die Kunst in seinem Beruf sei, all das nicht persönlich zu nehmen: «Denn ich weiss, dass sich die Aggressionen eigentlich nicht gegen mich richten, sondern gegen meine Uniform.»

Die beiden Polizisten schreiten durch die Altstadt zurück zum Polizeiposten. Falls nichts mehr passiert, beginnt auch für sie der Feierabend.
(https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/kriminalitaet-neuer-staedtevergleich-zeigt-wo-die-gewalt-an-bahnhoefen-zunimmt-und-wo-nicht-ld.2437393)



solothurnerzeitung.ch 03.04.2023

Mehr Gewalt am Bahnhof Olten und Drogenhandel im Zug: Die Kantonspolizei fährt künftig vermehrt auf der Drogenumschlagsstrecke von Olten nach Biel mit

Die registrierten Straftaten im Kanton Solothurn nahmen im Jahr 2022 drastisch zu. Dies geht aus der aktuellen Kriminalitätsstatistik des Bundesamts für Statistik hervor. Am Oltner Bahnhof häufen sich vor allem Gewaltdelikte. Die Verunsicherung bei Passierenden hält sich aber in Grenzen.

Jeremy Soland

Die Kantonspolizei Solothurn stellt auf der Regionalzugstrecke Olten–Solothurn–Grenchen und an deren drei Bahnhöfen immer mehr deliktisches Verhalten fest. Die S-Bahn-Linie gilt als Drogenumschlagplatz. Nun werden Massnahmen ergriffen.

Die Unsicherheit fährt in der S-Bahn mit

Laut einem Beitrag des SRF «Regionaljournals Aargau-Solothurn» ist die Kantonspolizei Solothurn künftig in der S20 auf dieser Strecke präsent. Dies vermeldete auch die Kantonspolizei an der Präsentation der Kriminalitätsstatistik, die Ende März stattfand. Ab 16 Uhr bis um Mitternacht werde man die Patrouillen im Zug antreffen können. Dies soll laut dem Beitrag von SRF die Sicherheit verbessern und Drogendealende vertreiben.

Im Beitrag von SRF äussert sich die zuständige Regierungsrätin Susanne Schaffner zur Problematik auf der Strecke S20: «Ich denke, es findet sehr viel Drogenhandel dort auf diesem Zug statt», so Schaffner. Dies sei jedoch nur eine persönliche Befindlichkeit. Sie spricht von einer Verunsicherung, die gegen Abend im Regionalzug mitfahre.

Dass Drogenhandel in einem gewissen Masse verbreitet ist, und dies Unsicherheit bei der Bevölkerung auslöst, bestätigt gegenüber SRF auch Thomas Zuber, Kommandant der Kantonspolizei Solothurn. Aber: «Es ist so, dass es keine grossen Delikte sind», beschwichtigt er.

Passant: «Ich fühle mich hier sicher»

Am Bahnhof in Olten wurden laut dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2022 rund doppelt so viele Gewaltdelikte erfasst wie im Jahr zuvor, wie diese Zeitung herausgefunden hat. Dazu kommt die besagte Drogenumschlagsstrecke der S20, die von Olten aus startet. Doch beeinflusst dies das Sicherheitsgefühl von Personen, die sich am Bahnhof aufhalten? Diese Zeitung hat bei Passanten nachgefragt.

Andreas Kreuzer hält sich am Bahnhof oft nicht für lange Zeit auf. Es käme aber ab und an vor, dass er sich am Bahnhof verpflegt und somit zumindest für kurze Zeit dort verweilt. Dass die Gewaltstraftaten am Bahnhof drastisch zugenommen haben sollen, verunsichert Andreas Kreuzer nicht: «Ich fühle mich hier sicher», sagt er gegenüber dieser Zeitung.

Spätabends, etwa gegen Mitternacht, sei dies zwar nicht mehr der Fall, «das ist aber auch an anderen Orten so», sagt der Winznauer. Das Ausmass der Zunahme an registrierten Gewaltdelikten überrasche ihn jedoch.

Auch Markus Baumgartner hat grundsätzlich keine Angst, wenn er am Oltner Bahnhof unterwegs ist. Bis anhin habe er dort auch keine Gewalt beobachtet. Markus Baumgartner wohnt in Sursee und hält sich aus diesem Grund nicht regelmässig für längere Zeit auf der Bahnhofsanlage in Olten auf. Trotzdem fallen ihm «Gesellschaftsgruppen, die vermutlich auf der Strasse wohnen» auf, die sich immer wieder in der Region des Bahnhofs aufhalten.
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/olten/kriminalitaet-mehr-gewalt-am-bahnhof-olten-und-im-zug-die-kantonspolizei-faehrt-kuenftig-vermehrt-auf-der-drogenumschlagsstrecke-von-olten-nach-biel-mit-ld.2438676)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Reclaim The Streets – Let the Night Shine Bright
. . . – – – . . . Reclaim the Streets today – Reclaim the World tomorrow! . . . – – – . . .
https://barrikade.info/article/5818


Ausschreitungen in Zürich: «Die Gewalt ist massiv und erschreckend»
Die Zürcher Polizeivorsteherin Karin Rykart nimmt zu den Ausschreitungen vom Wochenende Stellung – und erntet Kritik. Es wird befürchtet, dass sich die Gewalt am 1. Mai wiederholt.
https://www.tagesanzeiger.ch/die-gewalt-ist-massiv-und-erschreckend-528839536505
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/krawall-nacht-in-zuerich?partId=12364186
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/karin-rykart-es-gab-eine-neue-dimension-von-gewalt?id=12364156
-> https://us9.campaign-archive.com/?u=56ee24de7341c744008a13c9e&id=b37250afab
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/die-meisten-verhafteten-sind-nach-zuercher-krawallnacht-wieder-frei-150839107?autoplay=true&mainAssetId=Asset:150827931
-> https://www.20min.ch/story/die-szene-ist-und-bleibt-gefaehrlich-206755517837
-> https://www.20min.ch/story/die-situation-droht-am-1-mai-zu-eskalieren-308192495900
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/940777637-die-meisten-verhafteten-sind-nach-zuercher-krawallnacht-wieder-frei
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/917819970-mass-voll-rimoldi-will-gruenen-nationalraetin-meret-schneider-anzeigen
-> https://www.nau.ch/ort/zurich/die-meisten-verhafteten-sind-nach-zurcher-krawallnacht-wieder-frei-66465631
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/schweizer-polizei-verband-fordert-hartere-strafen-und-mehr-personal-66465414
-> https://www.blick.ch/news/linksextreme-chaoten-laut-polizei-keine-halbwuechsigen-zu-denken-gibt-uns-diese-enorme-gewaltbereitschaft-id18457507.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/nach-den-ausschreitungen-vom-samstag-an-der-langstrasse?id=12365014 (ab
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-demo-eskaliert-krawallnacht-in-zuerich-neue-dimension-der-gewalt
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/kriminologe-dirk-baier-46-ueber-linksextreme-zuercher-demonstranten-sie-nehmen-teil-weil-ihnen-das-krawallmachen-spass-macht-id18458166.html
-> TalkTäglich: https://tv.telezueri.ch/talktaeglich/linksextreme-wueten-in-zuerich-150422246
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/svp-fordert-klare-massnahmen-gegen-linksextremismus-00209287/
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-krawallnacht-hat-politisches-nachspiel-00209272/
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/blinde-zerstoerungswurt-und-gewalt-gegen-polizisten-150844507
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/straffreie-teilnahme-an-unbewilligten-demos-150844554
-> https://www.blick.ch/schweiz/laut-und-kraftvoll-linksextremen-bewegung-feiert-sich-nach-krawall-in-zuerich-id18458527.html
-> https://www.nau.ch/politik/regional/svp-lothe-karin-rykart-ist-offensichtlich-uberfordert-66465444
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/da-steckt-ein-mensch-unter-der-uniform-polizeigewerkschaft-fordert-haerte-gegen-chaoten-150844617?autoplay=true&mainAssetId=Asset:150844613
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/wir-wissen-nicht-ob-in-zwei-monaten-wieder-alles-versprayt-ist-150838906


Trotz Krawallen: Zürich lockert Demo-Vorschriften
Die SVP ruft nach den jüngsten Krawallen zwischen linken Chaoten und der Polizei wieder einmal nach mehr Repression. Doch das Zürcher Parlament hat den entgegengesetzten Weg eingeschlagen.
https://www.blick.ch/politik/trotz-krawallen-zuerich-lockert-demo-vorschriften-id18458367.html
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/straffreie-teilnahme-an-unbewilligten-demos-150844554



tagesanzeiger.ch 03.04.2023

«Reclaim the Streets» in Zürich: Das Protokoll einer Krawallnacht

Eine Party-Einladung endet in einer Krawall-Nacht, von der die Polizei völlig überrascht wird. Wer steckt hinter den zertrümmerten Scheiben und Schaufenstern? Eine Spurensuche.

Sascha Britsko, René Laglstorfer

Am Samstagnachmittag machte eine unscheinbare SMS die Runde. «Lasst uns Party machen! Steil gehen! Treffpunkt: Um 21 Uhr bei der Zentralwäscherei.» Mit dieser Nachricht riefen die Autonomen ihre Sympathisanten dazu auf, an der Demonstration vom Samstag mitzumachen.

Wie viele dieser Einladung gefolgt sind, ist unklar. Am Schluss liefen etwa 500 vermummte, schwarze Gestalten die Langstrasse hinunter und schlugen Scheiben ein und sprayten Parolen an die Wände.

Am Montag lichtete sich der Nebel der Petarden allmählich wieder und es wurde klar: Die Umzug fand unter dem Motto «Reclaim the Streets» (zu Deutsch «Holt euch die Strasse zurück») statt.

Die letzte «Reclaim the Streets»-Demo fand 2014 statt und war eine der gewalttätigsten Demonstrationen, die in Zürich stattgefunden haben. Linksautonome Kreise zogen durch die Europaallee und verursachten einen Schaden von weit über einer Million Franken. Bereits damals wurde über eine Party-Einladung via SMS mobilisiert.

Dass es sich hierbei um die gleiche Bewegung handelt, zeigt eine kryptische Botschaft auf der autonomen Plattform Barrikade.info. Dort steht: «Reclaim The Streets – Let the Night Shine Bright». Und weiter: «Wir sind viele, die Diamanten am Nachthimmel.» Der Spruch stand auch auf dem Transparent des Demo-Umzugs vom Samstag. Es ist eine Anspielung auf Rihannas gleichnamiges Lied.

Aber was ist an diesem Abend passiert? Und wer steckt dahinter?

Etwa 15 Uhr

Eine unscheinbare SMS machte die Runden. Darin stand: «Lasst uns tanzen, feiern, steil gehen!» Autonome Kreise luden ein in die Zentralwäscherei. Es hiess, dass ein paar Bands auftreten sollten, und wie immer gilt: Weiterleiten der Nachricht verboten.

21 Uhr

Eine grössere Gruppe versammelte sich vor der eigentlich geschlossenen Zentralwäscherei – nur das Restaurant war geöffnet. Gegen zehn Uhr setzte sich die Gruppe in Bewegung.

Die Stadtpolizei Zürich hatte im Vorfeld keine Kenntnisse über die geplante Demo. Auch von den Nachrichtendiensten des Kantons Zürich und des Bundes gab es keine Informationen.
(Demoroute: https://www.tagesanzeiger.ch/das-protokoll-einer-krawallnacht-728360956635)

22.15 Uhr

15 Minuten später wusste die Polizei schon: Mehrere Hundert Personen demonstrieren an der Heinrichstrasse. Nahe dem Limmatplatz versuchten Demo-Teilnehmer mehrfach die Schaufenster eines Uhrengeschäftes einzuschlagen.

Die Stadtpolizei zog «im Rahmen der verfügbaren Möglichkeiten» Einsatzkräfte zusammen. Ein Teil des Korps war zu dieser Zeit beim Eishockeyspiel der ZSC Lions gegen den EHC Biel. «Unmittelbar danach» seien diese ebenfalls beigezogen worden, sagt die Stadtpolizei. Die Kantonspolizei wurde zwar informiert, aber keine Einsatzkräfte angefordert. Das sei «aus zeitlichen Gründen keine Option gewesen», so Hödl.

Währenddessen bewegte sich der Demozug auf der Langstrasse in Richtung Kreis 4. An der Spitze das Banner mit der Aufschrift «Let the Night shine bright like a Diamond».

Szenebeobachterinnen, die nicht namentlich genannt werden möchten, sagen unabhängig voneinander, dass vor allem drei Gruppierungen bei autonomen Demonstrationen im Vordergrund stehen: der revolutionäre Aufbau, die revolutionäre Jugend Zürich (RJZ) und die organisierte Autonomie Zürich (OA).

Sie waren wohl auch am Samstag vor Ort. Sowohl die RJZ wie auch die OA haben am Montag den gleichen Beitrag in den sozialen Medien mit einem Verweis auf die Demo veröffentlicht. Beide posteten zudem auf ihren Profilen die Nummer einer Anwältin. «Falls ihr Menschen vermisst, meldet auch hier», schrieben sie dazu. Zu einem Gespräch ist die Anwältin nicht bereit, sie sei «die falsche Ansprechpartnerin». Die richtigen will sie nicht nennen.

23 Uhr

Bei der Langstrassenunterführung, auf Höhe der Olé-Olé-Bar, trafen der Demozug und die Polizei aufeinander. Die Demonstrierenden durchbrachen eine Polizeisperre, und es kam zum grossen Zusammenstoss.
(Video: Tamedia – https://unityvideo.appuser.ch/video/uv448653h.mp4))

Auch die Stadtzürcher SVP-Präsidentin Camille Lothe war zufällig vor Ort. Sie war am Eishockey-Match und lief nach Hause. Weil die Langstrasse bereits gesperrt war, musste Lothe einen Umweg nehmen. Und lief direkt in die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Autonomen hinein.

Auf Höhe Lambada-Bar sei die Situation eskaliert, erzählt Lothe. «Als ich auf die Kreuzung lief, flogen Molotowcocktails.» Lothe musste sich in einen Imbiss gegenüber der Lambada-Bar flüchten. Dort hätten sich bereits andere Passanten versteckt. Erst nach einer Stunde traute sie sich, nach Hause zu gehen.

23.30 Uhr

Bei der Piazza Cella fing die Polizei an, Personen einzukesseln. Der «Tsüri»-Journalist William Stern war zufälligerweise ebenfalls vor Ort, geriet in den Polizeikessel.

Die Polizei habe die 60 eingekesselten Personen der Reihe nach an die Fassade der Lambada-Bar gestellt und kontrolliert, erzählt Stern. Die verhafteten Personen seien mit Kabelbindern gefesselt worden und in den Einsatzwagen verfrachtet. «Eine junge Frau, die zeitgleich neben mir kontrolliert wurde und deren Handgelenke in Kabelbindern steckten, hatte eine ordentliche Schramme im Gesicht und klagte über einen verstauchten Finger. Auf die Toilette durfte man während der Dauer des Kessels nicht gehen.»

Stern sagt, dass sich der eigentliche Umzug zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst habe. Eingekesselt worden seien friedliche, biertrinkende Leute wie er. «Es ging keine Gefahr von der Gruppe aus», sagt Stern.

Diverse Augenzeugen berichten ebenfalls, dass unter den Eingekesselten auch Partygänger gewesen seien. War die Einkesselung verhältnismässig? Ja, sagt die Stadtpolizei. «Bei den kontrollierten Personen wurde Demo- und Vermummungsmaterial sichergestellt», sagt Sprecherin Hödl.

Drei Personen aus den Reihen der 17 Festgenommenen haben die Einsatzkräfte der Staatsanwaltschaft Zürich zugeführt – unter anderem wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte. Die anderen 14 Personen sind bereits wieder auf freiem Fuss. «Hier wird geprüft, für welche Straftatbestände sie infrage kommen», so die Stadtpolizei.

Etwa 1 Uhr

Während des Polizei-Einsatzes wurden die Polizisten immer wieder mit Flaschen beworfen. Laut Polizei hätten Aussenstehende versucht, festgenommene Personen zu befreien. Und ein Polizist sei in einen Hauseingang gedrängt und verprügelt worden: Sechs Personen seien mit Fäusten und Fusstritten auf ihn losgegangen. Insgesamt wurden sieben Polizisten verletzt.

Um die Menge zu vertreiben, setzte die Polizei einen Wasserwerfer ein. Nach gut einer Stunde löste die Polizei den Kessel auf. Die Langstrasse wurde wieder freigegeben, doch war sie kaum befahrbar: Wo die Demonstranten vorbeigingen, erstreckte sich ein Scherbenmeer.

Der nächste Tag

Polizeivorsteherin Karin Rykart sah sich dieses Mal gezwungen, ein Statement gegenüber den Medien abzugeben. «Die Gewalt in der letzten Nacht war massiv und ist erschreckend», sagte sie gegenüber «20 Minuten». «Die Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten verurteile ich aufs Schärfste.» Ebenfalls erschreckend sei die Bereitschaft des Partyvolks an der Langstrasse, sich spontan mit den Angreifern zu verbünden.

Dass die Autonomen gerade den 1. April als Anlass nehmen, ein Zeichen zu setzen, ist wohl kein Zufall. Zahlreiche Sprayereien auf der Demo-Route rufen zur Teilnahme an der Demo am 1. Mai (Tag der Arbeit) und am 14. Juni (Frauenstreik) auf.



„Reclaim the Streets“ – eine globale Bewegung

Seit den 90er-Jahren kämpfen Globalisierungskritiker für mehr Freiräume in Städten. Ihren Slogan «Reclaim the Streets» verwenden unterschiedliche Gruppen. Die Strasse gilt als öffentlicher Raum, den sich Demonstranten in der ganzen Welt wieder zurückholen möchten.

Auch in Zürich gab es in den vergangenen Jahren verschiedene Demonstrationen unter dem Motto «Reclaim the Streets». So etwa 2003, 2010, 2013, 2014 und zuletzt dieses Wochenende. Vereinzelt kam es bei diesen Kundgebungen zu Gewalt. 2014 waren die Ausschreitungen so heftig, dass ein Sachschaden von weit über einer Million Franken entstand. Im Nachgang zur Demonstration gab es insgesamt elf Strafverfahren mit vier Verurteilungen mit bedingten Geldstrafen – drei davon per Strafbefehl. 2023 wurden 17 Personen verhaftet, davon wurden 3 der Staatsanwaltschaft zugeführt. (zac)



Dafür stehen die Gruppierungen

– Revolutionärer Aufbau: wurde 1992 als Zusammenschluss «verschiedener revolutionärer Gruppierungen» gegründet. Sie sehen sich als eine «einheitlich agierende kommunistische Organisation», die in lokale Sektionen in den Städten Basel, Bern, Winterthur und Zürich unterteilt ist. Sie haben sich als Ziel gesetzt, die «proletarische Revolution» umzusetzen – falls nötig auch «mit Gewalt». Kernfigur des «Zürcher Aufbaus» ist Mitgründerin Andrea Stauffacher.

– Organisierte Autonomie Zürich: eine politische Organisation mit dem Ziel, dem «autonomen kommunistischen Spektrum auf lokaler Ebene einen verbindlichen Rahmen geben». Man wehrt sich im Alltag, in den Betrieben, auf der Strasse.

– Revolutionäre Jugend Zürich: eine Jugendbewegung des revolutionären Aufbaus. Gemäss «Watson» handelt es sich dabei vor allem um Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren, die mehrheitlich noch am Gymnasium sind oder bereits die Matura abgeschlossen haben.
(https://www.tagesanzeiger.ch/das-protokoll-einer-krawallnacht-728360956635)



nzz.ch 03.04.2023

Sogar der Schweizer Nachrichtendienst ahnte nichts: Erneut wurde die Zürcher Stadtpolizei vom Gewaltexzess einer Demonstration überrascht

Die linksextreme Gewalt gegen Polizisten nimmt zu. Nun beginnt die politische Aufarbeitung.

Robin Bäni und Marius Huber

Linksextreme sind am letzten Samstag durchs Zürcher Langstrassenquartier marschiert und haben eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Sie besprühten Wände mit Farbe, zertrümmerten Schaufenster und schlugen Scheiben von Polizeiautos ein. Wie hoch der Sachschaden ist, kann die Stadtpolizei noch nicht abschätzen. Laut der Mediensprecherin Judith Hödl gehen nach wie vor Anzeigen ein.

In der Zerstörungswut schreckte der Mob auch nicht vor Gewalt gegenüber Polizisten zurück. Die Demonstrierenden attackierten sie mit Flaschen, Steinen und Molotowcocktails. Sieben Polizisten wurden verletzt. Eine Person musste vorübergehend ins Spital. Hödl sagt: «Die meisten von ihnen erlitten Wunden, Prellungen und Schürfungen.» Ein Polizist sei mit einer unbekannten Flüssigkeit übergossen worden.

Die Polizei hat siebzehn Personen festgenommen. Von ihnen wurden zwei Männer und eine Frau wegen Drohung und Gewalt gegen Beamte der Staatsanwaltschaft zugeführt. Die anderen vierzehn sind wieder auf freiem Fuss. Für sie werde nun geprüft, welche Straftatbestände infrage kämen.

Bereits vor einem Monat kam es in Zürich zu einer Krawallnacht. Nach der Räumung des Koch-Areals zog ein Mob durch das Langstrassenquartier und richtete Schäden in der Höhe von über einer halben Million Franken an. Ein Polizist wurde bei den Ausschreitungen verletzt. Im Hinblick auf die Krawallnächte sagt die Stadtpolizei Zürich: «Wir nehmen die Gewalt gegen Sicherheitskräfte mit grosser Besorgnis zur Kenntnis. Es ist eindeutig eine steigende Tendenz erkennbar.»

Der Zürcher Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) bereitet die Entwicklung Sorgen. Im SRF-Regionaljournal sprach sie von einer «neuen Dimension von Gewalt gegen Polizisten». Dass dies nicht mehr vorkomme, sei nun ihr oberstes Ziel. Was sie allerdings konkret dagegen unternehmen will, konnte sie noch nicht sagen. Zuerst wolle sie alles mit der Polizei abklären.

Nach der Demonstration im vergangenen Februar erklärte die Stadtpolizei, sie sei von der Gewalt überrascht worden. Und nun, am vergangenen Samstag, zeigte sich dasselbe Bild. Erst nachdem Meldungen bei der Polizei über einen Demonstrationszug eingetroffen waren, trat diese in Aktion.

Judith Hödl räumt ein: «Die Stadtpolizei hatte keine Kenntnisse über eine Demonstration, auch nicht, wo. Daher war es gar nicht möglich, präventiv vor Ort zu sein.» Dieses Mal sei im Vorfeld nicht zu einer unbewilligten Demonstration aufgerufen worden.

Nicht einmal der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) soll davon gewusst haben. «Wenn man dort Kenntnis von einer Demonstration gehabt hätte, wären diese Informationen zu uns geflossen», sagt Hödl.

Seit Jahren heisst es vom NDB, das Gewaltpotenzial der linksextremen Szene sei auf hohem Niveau. Auch der Lagebericht 2022 des NDB gelangt zu diesem Schluss. Im vergangenen Jahr wurden 202 Ereignisse mit linksextremistischem Hintergrund verzeichnet. Zum Vergleich: Im Bereich Rechtsextremismus waren es 38.

Die Zürcher SVP-Kantonsrätin Nina Fehr Düsel nimmt die Polizisten in Schutz. In einer Fraktionserklärung sagte sie am Montag: «Die machen eine super Arbeit.» Dafür kritisierte sie die Polizeivorsteherin Karin Rykart und meinte, sie sei für die Ausschreitungen verantwortlich. «Die Deeskalationsstrategie von Frau Rykart, Linksextreme einfach gewähren zu lassen, ist gescheitert und führt zu immer mehr Gewalt», sagt Fehr.

Um den Linksextremismus in der Stadt Zürich einzudämmen, brauche es ein härteres Vorgehen – so wie die Anti-Chaoten-Initiative der Jungen SVP. Diese verlangt unter anderem, dass die Kosten von illegalen Demonstrationen inklusive Polizeieinsätzen und Sachbeschädigungen den Verursachern und Teilnehmern auferlegt werden können.

Das ging dem Zürcher Regierungsrat aber zu weit, weshalb er die SVP-Initiative vor drei Wochen ablehnte. Und einen Gegenvorschlag machte: Die Verursacher sollen künftig lediglich die Kosten von ausserordentlichen Polizeieinsätzen zwingend tragen.

Während der Regierungsrat und die SVP in Richtung stärkerer Repression tendieren, machte das links-grün dominierte Zürcher Stadtparlament noch vergangene Woche einen Schritt in die andere Richtung. Am Mittwoch entschied er, dass Teilnehmer von illegalen Demonstrationen nicht mehr gebüsst werden sollen. Zuvor wandelte er die Bewilligungspflicht für Demonstrationen in eine Meldepflicht um. Das sei das falsche Zeichen, meinte die SVP am Montag beim Schlagabtausch im Zürcher Kantonsrat.

Dies provozierte Widerspruch von links. Thomas Forrer (Grüne, Erlenbach) warf der SVP vor, die Situation mit Kalkül zu dramatisieren. Linksextreme Ausschreitungen seien in Zürich nicht an der Tagesordnung. Zudem habe Karin Rykart klar gemacht, dass sie jede Form von Gewalt verurteile – unabhängig davon, ob sie von ganz links oder ganz rechts komme.

Marc Bourgeois (FDP, Zürich) von der FDP konterte, dass Forrer offenbar die letzte Debatte im Zürcher Stadtparlament entgangen sei: Als es dort kürzlich um den Umgang mit Links- und Rechtsextremismus ging, setzte sich die Linke ausdrücklich dafür ein, nur rechte Gewalt in den Fokus zu nehmen. «Daher ist es lächerlich, wenn ihr jetzt sagt, man müsse beide Seiten anschauen.»

Für die Mitte-Partei sprach Josef Widler von einem «Trauerspiel» im Gemeinderat – es sei aber die Schuld der Polparteien von beiden Seiten, dass man nicht weiterkomme. Denn genauso wie die Linke ausschliesslich Rechtsradikale bekämpfen wolle, habe die SVP im Rat ausschliesslich Massnahmen gegen Linksradikale verlangt. Beide Male habe die Gegenseite den Antrag abgelehnt, gegen jeglichen gewalttätigen Radikalismus vorzugehen.

«Wir wissen alle, dass Gewaltexzesse nirgendwo hinführen und so keine politischen Ziele erreicht werden», sagte Thomas Marthaler (SP, Zürich). Er wies wie zuvor schon Markus Bischoff (AL, Zürich) darauf hin, dass es zur Zeit der Jugendunruhen auch unter einer repressiv vorgehenden bürgerlichen Stadtregierung Ausschreitungen gegeben habe. Es sei daher falsch, jetzt mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und so zu tun, als fehle es an gesetzlichen Grundlagen, um gegen Extremismus vorzugehen.

Während Politikerinnen und Politiker über die Gründe der Gewaltexzesse streiten, steht schon bald der nächste Stresstest an: der 1. Mai. Die Stadtpolizei kündete an, die Erfahrungen von letztem Samstag in der Planung zum Tag der Arbeit zu berücksichtigen. Sie will die Lage unter Kontrolle haben.
(https://www.nzz.ch/zuerich/gewaltexzess-an-langstrasse-die-stadtpolizei-zuerich-ahnte-nichts-ld.1732951)



nzz.ch 03.04.2023

Schon wieder eine Krawall-Demo – und der Steuerzahler bleibt auf den Polizeikosten sitzen: Dabei wurden Corona-Protestler schon zur Kasse gebeten

Für die Sicherheitskosten bei Fussballspielen müssen die Vereine teilweise selbst aufkommen. Dieses Prinzip solle auch auf illegale Demos angewendet werden, verlangt die SVP.

Daniel Gerny

«Let the night shine bright» – lass die Nacht hell erleuchten: Hinter einem Banner mit dieser harmlosen Textzeile aus einem Rihanna-Song zogen am späten Samstagabend Hunderte von gewaltbereiten Demonstranten durch die Zürcher Langstrasse. Am Ende blieben Verletzte, Sachschäden – und wieder einmal die Frage, weshalb Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Kosten von unbewilligten Kundgebungen aufkommen müssen. Tatsächlich wird in verschiedenen Schweizer Städten die Forderung nach Überwälzung von Demo-Kosten immer lauter.

So verlangt die «Anti-Chaoten-Initiative» der Zürcher Jungen SVP, sämtliche Kosten für Polizeieinsätze, Sach- und andere Schäden auf die Veranstalter und Teilnehmer zu überwälzen. Der Zürcher Regierungsrat lehnt dies ab, legt aber einen Gegenvorschlag vor. In Basel, wo die Zahl der gewalttätigen Ausschreitungen spürbar zugenommen hat, seitdem die Polizei eine härtere Gangart einschlägt, drückt die SVP ebenfalls aufs Gas. Auch hier verlangt die Partei eine Kostenüberwälzung. Zudem sollen Demos künftig nur bewilligt werden, wenn der Tramverkehr in der Innenstadt dadurch nicht übermässig gestört wird.

Wichtige Vorschriften existieren schon heute

Tatsächlich erscheint der Druck auf das Portemonnaie der Veranstalter auf den ersten Blick vielversprechend. Sowohl die Sachschäden als auch die Kosten für Polizeieinsätze an unbewilligten Demonstrationen betragen regelmässig mehrere hunderttausend Franken. Die Idee, die Kosten auf die Verursacher zu überwälzen, ist ausserdem selbst bei linken Wählerinnen und Wählern durchaus populär, wie eine Umfrage des «Tages-Anzeigers» von Anfang Jahr ergab. Und schliesslich müssen auch die Fussballklubs für einen Teil der Sicherheitskosten aufkommen, die infolge von Risikospielen anfallen. Dazu haben sich die Vereine in Verträgen mit den Gemeinden und Kantonen verpflichtet.

Doch anders als die SVP-Initiativen vermuten lassen, scheitert die Kostenüberwälzung nicht in erster Linie an fehlenden Gesetzen. Wichtige Vorschriften existieren schon heute. Dass die Verursacher für Sachschäden aufkommen müssen, steht beispielsweise seit über hundert Jahren in Artikel 41 des Obligationenrechts. Doch um Demo-Teilnehmer für einen Schaden haftbar zu machen, muss eine widerrechtliche Handlung nachgewiesen werden – beispielsweise ein Steinwurf in eine Fensterscheibe. Eine Teilnahme an einer bewilligten Demo alleine reicht für die Haftung nicht aus.

Die Situation an einer unbewilligten Demo ist allerdings meist so unübersichtlich, dass sich kaum nachweisen lässt, wer für die einzelnen Schäden wirklich verantwortlich ist. Oftmals sind die Täter zudem vermummt und somit weder identifizierbar noch verklagbar. Und wenn dies doch gelingt, liegt das Prozessrisiko beim Geschädigten, also beim Ladeninhaber mit der zerstörten Scheibe. Lässt sich der notwendige Nachweis nicht erbringen, bleibt der Ladenbesitzer auch noch auf den Verfahrenskosten sitzen. Die SVP-Initiative lässt im Dunkeln, wie sie dieses Problem lösen will.

Grosses Prozessrisiko für Geschädigte

Auch die Überwälzung der Polizeikosten ist gesetzlich gesehen kein Tabu: So sieht das Polizeigesetz des Kantons Zürich schon heute vor, dass von Verursachern eines Polizeieinsatzes unter gewissen Voraussetzungen Kostenersatz verlangt werden kann. Mehrere andere Kantone kennen ähnliche Bestimmungen. Die gewöhnliche Streifenwagenfahrt zum nächtlichen Ruhestörer ist zwar Teil des steuerfinanzierten Service public, doch die Organisation einer illegalen Demo mit Gewaltbereiten könnte etwas kosten. Allerdings kommen die Bestimmungen kaum zur Anwendung.

Ein aktueller Fall deutet auf die Gründe dafür hin: Die Stadt Bern hat unter seinem Polizeidirektor Reto Nause während der Pandemie ein Gesuch auf Überwälzung der Polizeikosten auf Teilnehmer von Massnahmen-Demos gestellt – und ist damit tatsächlich durchgedrungen. Sechs Demonstranten, die im Herbst 2021 unbewilligt gegen Corona-Massnahmen protestiert hatten, wurden Anfang Jahr zur Beteiligung an den Polizeikosten verdonnert. Es handelte sich um einen Präzedenzfall. Weil die Betroffenen die Verfügungen nicht weiterzogen, wurden diese im März rechtsgültig.

Doch zur Entlastung der Steuerzahler hat das alles kaum geführt – im Gegenteil: Das ganze Verfahren dürfte unter dem Strich sogar teurer ausgefallen sein als die Einnahmen. In Rechnung gestellt werden konnten bisher sechs Beträge in Höhe von nur gerade zwischen 200 und 1000 Franken, wie die Stadt Bern gegenüber der NZZ erklärte. In acht weiteren Fällen, die jedoch noch nicht rechtskräftig sind, geht es um Summen zwischen 200 und 300 Franken. Insgesamt fliessen so kaum mehr als 5000 Franken zurück – und dies bei Polizeikosten, die auf rund 200 000 Franken beziffert wurden.

Versammlungsfreiheit ist geschützt

Selbst bei griffigen Polizeigesetzen dürfen sich die Behörden nämlich nicht einfach über rechtsstaatliche Grundsätze hinwegsetzen und einigen wenigen Teilnehmern unverhältnismässig hohe Kosten aufbrummen. Das Bundesgericht hat in mehreren Entscheiden aufgezeigt, wo die Grenzen liegen. So dürfen die Gesetze nicht dazu führen, dass die Kosten einer unbewilligten Demo am Ende von jenen gestemmt werden müssen, die die Polizei erwischt. Und Veranstalter einer bewilligten Demo dürfen grundsätzlich nicht für das Verhalten von Demonstranten zur Verantwortung gezogen werden, die sich nicht an die Auflagen halten. Die Veranstalter unbewilligter Demos sind ohnehin häufig anonym – und bleiben im Dunkeln.

Im Kanton Zürich soll die Polizei künftig dennoch dazu verpflichtet werden, von den Verursachern eines ausserordentlichen Polizeieinsatzes Kostenersatz zu verlangen, sofern diese vorsätzlich gehandelt haben. So sieht es der Gegenvorschlag zur Anti-Chaoten-Initiative der SVP vor. Fraglich ist allerdings, inwiefern der Spielraum im Vergleich zu heute wirklich wächst: Das Bundesgericht setzt wegen der Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit auch hier klare Grenzen. Die Behörden müssen beispielsweise darauf achten, dass Kundgebungen nicht alleine schon dadurch im Voraus abgewürgt werden, weil die Angst vor unabschätzbaren Kostenfolgen zu gross ist.

Aus diesem Grund hat beispielsweise der Kanton Bern Obergrenzen im Gesetz festgelegt. Auch setzt das Bundesgericht Grenzen: Der im Berner Gesetz festgelegte Höchstbetrag von 30 000 Franken dürfe nur ausnahmsweise in Betracht kommen – zum Beispiel wenn es bei einer von mehreren Veranstaltern organisierten Grossdemo zu massiven Gewaltausschreitungen komme. Selbst in einem solchen Fall könnten die Veranstalter nicht einfach so zur Kasse gebeten werden – sondern nur, wenn diese Bewilligungsauflagen vorsätzlich oder grob fahrlässig missachtet haben.

Womöglich ist das Verhängen einer Busse der einfachere Weg. Die Teilnahme an einer unbewilligten Demo kann gemäss der Polizeiverordnung der Stadt Zürich mit einer Busse belegt werden. Rechnet man die Verfahrenskosten hinzu, können so rasch mehrere hundert Franken zusammenkommen. Offen ist allerdings, wie lange noch: Vergangene Woche hat eine linke Mehrheit im Gemeinderat kurzerhand beschlossen, die Bussenbestimmung aus dem Gesetz zu streichen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/unbewilligte-demos-nehmen-zu-und-der-steuerzahler-bleibt-auf-den-polizeikosten-sitzen-weshalb-einige-corona-protestler-dennoch-zur-kasse-gebeten-wurden-ld.1732912)


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Gemeinderatsantwort auf Motion Fraktion GLP/JGLP (Corina Liebi, JGLP/Salome Mathys, GLP): Aus der Zeit gefallen – die Berner „Fremdenpolizei“ gehört umbenannt (PDF, 116.2 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-3-april-2023/motion-fraktion-glpjglp-aus-der-zeit-gefallen.pdf/download


Verwaltungsgerichtsentscheid: Langjähriger Sozialhilfe-Bezüger darf in der Schweiz bleiben
Ein 63-jähriger Türke darf in der Schweiz bleiben, obwohl er von 2008 bis 2020 Sozialhilfe im Gesamtbetrag von 343’000 Franken bezogen hat.
https://www.derbund.ch/langjaehriger-sozialhilfe-bezueger-darf-in-der-schweiz-bleiben-959374818847


+++POLIZEI CH
Schweizer Polizei-Verband fordert härtere Strafen und mehr Personal
Am Samstag werden bei einer linken Demo in Zürich sieben Polizisten verletzt. Der Verband fordert, dass Richter zur Abschreckung das Strafmass ausschöpfen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/schweizer-polizei-verband-fordert-hartere-strafen-und-mehr-personal-66465414
-> https://www.blick.ch/schweiz/schweizer-polizeiverband-will-durchgreifen-feige-angreifer-verstehen-nur-die-sprache-der-haerte-id18455924.html


Linksextreme wüten in Zürich
Massive Gewalt gegen die Polizei und hohe Sachbeschädigung: Innert kürzester Zeit kam es in Basel und in Zürich zu wüsten Ausschreitungen an unbewilligten Demonstrationen von Linksextremen. Gewalt gegen die Polizei ist ein Problem, welches sich seit Jahren zuspitzt. Wie sicher sind unsere Städte noch und braucht es jetzt ein hartes Durchgreifen statt einer Kuschelpolitik? Die kontroverse Diskussion heute live im «TalkTäglich».
https://tv.telebaern.tv/talktaeglich/linksextreme-wueten-in-zuerich-150422246


+++MENSCHENRECHTE
Die Schweizerische Menschenrechtsinstitution (SMRI) wird am 23. Mai 2023 gegründet!
humanrights.ch hat sich im Rahmen der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz seit dem Jahr 2000 sehr stark für die Gründung einer Schweizerischen Menschenrechtsinstitution eingesetzt. Der Weg zu dieser Institution war steinig, die vom Bund für die ersten vier Jahre vorgesehenen finanziellen Ressourcen sind knausrig. Aber nichtsdestotrotz: Jetzt ist die SMRI da!
https://www.humanrights.ch/de/ngo-plattform/einladung-gruendungsversammlung-smri


+++POLIZEI DE
Studie zu Rassismus in der Polizei: Mehr als nur Einzelfälle
Lange wurde über die Polizeistudie gestritten, seit zwei Jahren geforscht. Nun liegen erste Ergebnisse vor – die teils bedenklich sind.
https://taz.de/Studie-zu-Rassismus-in-der-Polizei/!5923557/


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Ausgesetzt in der Wüste, beschossen auf dem Mittelmeer, tödlich vernachlässigt im Asyllager
https://antira.org/2023/04/03/ausgesetzt-in-der-wueste-beschossen-auf-dem-mittelmeer-vernachlaessigt-bis-zum-tod-im-schweizer-lager/


+++RECHTSEXTREMISMUS
Fascho-Fashion: Sind New Balance die neuen Springerstiefel?
Was früher Springerstiefel und kahlrasierte Köpfe waren, scheint heute deutlich subtiler zu sein. Der Look von Rechtsextremen hat sich verändert, Marken wie New Balance oder Lonsdale seien das neue Erkennungsmerkmal. Doch was ist an dieser Behauptung dran? Ein Experte klärt auf.
https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/fascho-fashion-sind-new-balance-die-neuen-springerstiefel-150679874


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
«Werde überflutet»: Drohungen nach Sackmesser-Tweet – Meret Schneider überlegt sich Anzeigen
Die grüne Nationalrätin Meret Schneider wird nach einem unüberlegten Tweet mit Drohungen eingedeckt. Nun leitet sie diese der Polizei weiter und überlegt sich eine Reihe von Anzeigen.
https://www.20min.ch/story/drohungen-nach-sackmesser-tweet-meret-schneider-ueberlegt-sich-anzeigen-795714558867


Nach umstrittenem Rimoldi-Tweet: Grünen-Schneider legt wegen Mord- und Vergewaltigungs-Drohungen Twitter-Pause ein
Ein unbedachter Satz hat Konsequenzen für Grünen-Nationalrätin Meret Schneider: Sie zieht die Reissleine auf Twitter. Nach einer umstrittenen Äusserung über Corona-Skeptiker Rimoldi hat sie offenbar zahlreiche Drohungen erhalten. Sie brauche «eine Pause».
https://www.blick.ch/politik/nach-umstrittenem-rimoldi-tweet-gruenen-schneider-legt-wegen-mord-und-vergewaltigungs-drohungen-twitter-pause-ein-id18456480.html
-é> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/rimoldi-aussage-meret-schneider-macht-eine-twitter-pause-66465410
-> https://twitter.com/Schneimere/status/1642629493440249858
-> https://www.woz.ch/zoo/2023/04/03/eine-knarre-fuer-jedermann


„Radikalisierung oder Pubertät?: “ Im „erwachten Kollektiv“ – Jugendliche Verschwörungs-Influencer*innen
Was tun gegen Verschwörungsideologien? Nachhaltiger als Argumentationshilfen oder Gesprächsleitfäden ist es, wenn man versteht, was hinter dem Phänomen steckt und weshalb es für Jugendliche attraktiv sein kann. Diese Text ist ein Auszug aus der Broschüre Radikalisierung oder Pubertät? Warum Jugendliche an Verschwörungen glauben der Amadeu Antonio Stiftung in Kooperation mit dem Else-Frenkel-Brunswick-Institut.
https://www.belltower.news/radikalisierung-oder-pubertaet-im-erwachten-kollektiv-jugendliche-verschwoerungs-influencerinnen-147815/


+++HISTORY
Diskussion um rassistische Häuser-Inschriften geht weiter
Ashkira Darman ist Mitverfasserin einer ETH-Studie, die die Herkunft rassistischer Häuser-Namen erforscht hat. Sie hält es für wichtig, dass diskutiert wird, ob die Inschriften «zum Mohrentanz» und «Mohrenkopf» an Häusern im Zürcher Niederdorf abgedeckt oder nur gekennzeichnet werden sollen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/diskussion-um-rassistische-haeuser-inschriften-geht-weiter?id=12363697


Ausstellung über Verdingkinder in Urnäsch zeigt dunkles Kapitel
Bis in die 1970er Jahre haben die Schweizer Behörden zehntausende Kinder ihren Eltern entrissen und verdingt. Sie wurden an Bauernfamilien übergeben, wo sie wie Knechte arbeiten mussten. Sie wurden teilweise geschlagen und misshandelt. Dies passierte auch in der Ostschweiz. Eine Ausstellung im Appenzeller Brauchtumsmuseum in Urnäsch zeigt nun die Einzelschicksale der Verdingkinder auf.
https://www.tvo-online.ch/aktuell/ausstellung-ueber-verdingkinder-in-urnaesch-zeigt-dunkles-kapitel-150845123


«Die Schweiz steht in der Verantwortung»
Der Bund soll ein Holocaust-Memorial errichten. Der Historiker Gregor Spuhler setzt sich dabei für eine kritische Ausgestaltung ein.
https://www.zsonline.ch/2023/03/31/die-schweiz-steht-in-der-verantwortung