Medienspiegel 27. März 2023

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+++BERN
derbund.ch 27.03.2023

Asylwesen im Ausnahmezustand: «Anfang Sommer sind die Kapazitäten ausgeschöpft»

Seit dem Zweiten Weltkrieg kamen nicht mehr so viele Geflüchtete in der Schweiz an. Wie lange geht das noch gut?

Cedric Fröhlich

Manuel Michel steht vor einem Betonbau im tiefsten Emmental und sagt: «Wir laufen am Anschlag.» Er ist Vorsteher des Berner Amts für Integration und Soziales. Die wuchtige Immobilie steht in Sumiswald – in deren Bauch befindet sich das neuste Asylzentrum des Kantons.

Krieg in der Ukraine, Krisen im Nahen und Mittleren Osten: Europaweit wackelt die geordnete Aufnahme von Schutzsuchenden. In Belgien und Holland sind Hunderte ohne Obdach. In Deutschland errichten die Behörden provisorische Zeltstädte. Italien sperrt sich gegen Rückführungen. Und Grossbritanniens Regierung will Geflüchtete aus aller Welt an Ruanda weiterreichen.

Die Situation in der Schweiz präsentiert sich vergleichsweise robust. Doch auch hierzulande hat sich Nervosität breitgemacht. Wie lange geht das noch gut? Manuel Michel fragt sich das. Was insofern beunruhigend ist, als dass der Mann darauf Antworten finden muss und sich damit zunehmend schwertut.

Das hat mit Zahlen wie diesen zu tun:

– Der Kanton unterhält aktuell 41 Kollektivunterkünfte, total über 4078 Plätze.

– Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine teilte der Bund dem Kanton 9564 Personen mit Status S zu. Die meisten leben heute in Wohnungen und bei Privaten.

– Die Berner Infrastruktur ist auf 150 unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) ausgelegt. Aktuell leben 500 UMA im Kanton.

– Allein in der Unterbringung der regulären Asylsuchenden fehlen dem Kanton gemäss eigenen Einschätzungen bis in einem Jahr zwischen 1000 und 1500 Betten.

Michel ist 52 Jahre alt, ein gewissenhafter Mensch in weissen On-Turnschuhen. Früher war er Wirtschaftsprüfer, später Revisor in der Bundesverwaltung. In der zweiten Hälfte seines Berufslebens verlangte es ihn nach einer «neuen Aufgabe, etwas Sinnstiftendem», wie er sagt. Und so wechselte er vor anderthalb Jahren an die Spitze des Berner Amts für Integration und Soziales.

Fast zeitgleich setzte ein, was Christine Schraner Burgener, die Chefin des Staatssekretariats für Migration (SEM), vor Monaten gegenüber dem «Blick» als die «grösste Flüchtlingskrise seit 1945» bezeichnete.

Bilder im Kopf – gestrandet am Bahnhof Bern

In der Schweiz beantragten im vergangenen Jahr knapp 100’000 Geflüchtete ein Bleiberecht. So viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. 74’959 Ukrainerinnen und Ukrainer bemühten sich um den Schutzstatus S, hinzu kamen 24’511 reguläre Asylgesuche. Das SEM prognostiziert für das Jahr 2023 keine Entspannung. Michel: «Wenn diese Szenarien eintreten, dann sind unsere Zentren bis im Juni voll.» Anfang Sommer seien die Kapazitäten ausgeschöpft.

Er benötigt dringend mehr Unterkünfte wie jene, die er an diesem Morgen besucht. In seinem Kopf spielt sich seit Monaten ein Film ab: «Die Leute stranden im Bahnhof Bern, müssen im Freien übernachten.» Es müsste noch einiges passieren, bis es so weit käme. Und doch lässt ihn dieser Gedanke nicht los.

Zweiklassengesellschaft

Seit Monaten suchen er und seine Leute nach Mietobjekten. Die Sache verläuft harzig, das Angebot ist knapp, regelmässig scheitern Verhandlungen mit den Eigentümern geeigneter Liegenschaften. Grund dafür sei auch eine Zweiklassengesellschaft, sagt Michel. In der Ukraine-Krise erlebe er eine «unglaubliche Solidarität». Bei den regulären Flüchtlingen höre diese Solidarität auf. «Für uns ist es viel schwieriger, Unterkünfte für Menschen aus der Türkei, Afghanistan und Syrien zu finden. Das ist die Realität.»

Er erzählt von einem Vermieter, der einen unterschriebenen Mietvertrag mit dem Kanton sogleich wieder kündigte, als er davon erfuhr, dass in seiner Immobilie keine Ukrainer untergebracht würden.

Der Kanton kenne den Markt einigermassen genau. Man wisse, wo die potenziellen Objekte stünden, leere Hotels etwa. Aber man könne deren Besitzer nicht zur Vermietung zwingen. Manuel Michel ist kein Ankläger, er steckt in einem Dilemma. «Ich bin dafür verantwortlich, dass all diese Menschen ein Dach über dem Kopf haben.»

Gleichzeitig hört er sie ja auch, die Einwände der Leute. «Wir haben die nicht bestellt!», sagen sie ihm am Telefon. «Wir haben ohnehin einen Wohnungsmangel», mahnen sie an Infoveranstaltungen. «Wo sollen denn die Kinder zur Schule gehen?», fragen sie in E-Mails. Es sind berechtigte Einwände, findet Michel.

Vorige Woche implodierte in Zürich eine Grossbank. Bis dahin hatte alles auf ein Wahljahr 2023 im Zeichen der Zuwanderung hingedeutet. Wohnungsnot und Teuerung, Fachkräftemangel und die Asylsituation: In Windisch ist diese Mischung, politisch und medial befeuert, kürzlich übergekocht. Als die Besitzer eines Wohnblocks ihren Mietern kündigten, um die Immobilie vor deren Sanierung an den Kanton Aargau und damit indirekt an Geflüchtete zu vermieten.

Amtsvorsteher Michel geht davon aus, dass es vermehrt zu solchen Konflikten kommt. «Die Zuwanderung wird weitergehen, weiter und weiter.» Logisch, ziehe das Folgen nach sich, für das Gesundheitswesen, die Schulen, den Wohnungsmarkt. «Alles ist überreizt.»

Win-win-Situation. Irgendwie.

Sumiswald ist eine 5000-Seelen-Gemeinde im Emmental. Der Ort war Schauplatz von Jeremias Gotthelfs «Schwarzer Spinne». Heute ist er eine Mischung aus Idylle und Industrie, die unter anderem Bahnhofsuhren produziert. Vor sechs Wochen eröffnete der Kanton hier die jüngste seiner 41 Kollektivunterkünfte. Im Forum, einem Sporttempel, wo es eine Kletterwand gibt, Tennisplätze und eine schöne Sporthalle.

Es ist nicht so, dass die Menschen in Sumiswald auf die Geflüchteten gewartet hätten. Dass sie nun da sind, ist vor allem auf den unglücklichen Geschäftsgang des Forums zurückzuführen. Der Betrieb befand sich schon länger in finanzieller Schieflage. Als die Strompreise explodierten, glich das einem Gnadenstoss. Die Betreiber liessen das Wasser aus dem Hallenbad ab, stellten den Betrieb im Bistro ein, und die Schläge der Hotellerie blieben fortan leer.

Die Betreiber des Forums waren auf neues Geld angewiesen. Der Kanton benötigte den Platz. Man fand sich, unterzeichnete den Mietvertrag. Win-win-Situation. Irgendwie. Vorerst für drei Jahre.

Zivilschutzanlagen? Aufnahmestopp?

Heute leben 93 Menschen im neuen Zentrum, viele stammen aus Afghanistan und der Türkei. Betrieben wird das Ganze von einem Team von ORS, einer der wenigen gewinnorientierten Organisationen im Asylwesen, was ihr regelmässig Kritik einbringt.

Dieses Team ist jung, bemüht, führt durch die Unterkunft. Neue Küche, ein offener Essbereich, die Zimmer in bestem Zustand. Mann grüsst sich, ein paar Männer essen gleich Spaghetti. Die Bewohner waschen und kochen selbst. Wie in den meisten Asylunterkünften geht es auch im Forum unspektakulär zu und her.

Manuel Michels Gemütslage ist vor allem dank dieser Unterkunft nicht noch nervöser. Er spricht von einer «absoluten Vorzeigelösung» und wirkt für den Moment ehrlich erleichtert. Da im Forum nach wie vor auch Sport betrieben wird, entstehe ein Austausch zwischen der Bevölkerung und den Geflüchteten. Anders als in anderen, abgelegenen Unterkünften – etwa im Gurnigelbad oder in Sornetan. Voll ausgelastet, ist in Sumiswald Platz für 240 Personen. Nur eine Asylunterkunft ist noch grösser: die Containersiedlung auf dem Viererfeld in der Bundesstadt.

Im Kanton Bern gilt die Lage im Asylsystem seit einem Jahr offiziell als «angespannt». Andere gingen einen Schritt weiter: Der Aargau und Luzern haben die Notlage ausgerufen. Sie können nun den Zivilschutz beiziehen und beginnen, unterirdische Anlagen hochzufahren. Manuel Michel will das in Bern um jeden Preis verhindern.

Eine andere Möglichkeit wäre ein Antrag ans SEM um einen zwischenzeitlichen Aufnahmestopp. «So weit sind wir im Kanton Bern noch nicht», sagt Manuel Michel. Er tritt durch die Schiebetür, hinaus aus der Sportanlage, die jetzt auch Asylzentrum ist. Seine Suche geht weiter, nach Lösungen wie jener in Sumiswald.



Notruf der Landeskirche

Anfang März sandten die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn eine Mail an ihre Mitglieder: «Der Kanton sucht händeringend nach Unterkünften.»

Schon vor einem Jahr hatte der Kanton die Kirchen um Hilfe gebeten. Die Reaktion darauf war damals beachtlich. Laut Carsten Schmidt, Leiter der Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen, boten etliche Kirchgemeinden ihre Räumlichkeiten an. Dutzende Mitglieder hätten sich gemeldet, die bereit gewesen seien, Geflüchtete privat unterzubringen.

Dieses Mal fiel das Ergebnis indes durchzogen aus. Das liegt auch am behördlichen Lösungsansatz. Das Berner Asylwesen setzt primär auf grössere Einrichtungen und damit auf Übersichtlichkeit. Laut Schmidt schafft dies Probleme: «80 Plätze oder noch mehr – das kann kaum eine Kirchgemeinde anbieten.»

Angesichts der schwierigen Situation plädiert er dafür, die private Unterbringung zu forcieren: «Es ist jetzt wichtiger denn je, das gesamte zivilgesellschaftliche Engagement abzuholen.» Selbst wenn das bedeute, dass sich die Koordination dadurch etwas aufwendiger gestalte.
(https://www.derbund.ch/anfang-sommer-sind-die-kapazitaeten-ausgeschoepft-170150353095)


++++NEUENBURG
Sicherheit im Bundesasylzentrum Boudry soll erhöht werden – Echo der Zeit
Das grösste Bundesasylzentrum der Schweiz, in der Neuenburger Gemeinde Boudry, sorgte zuletzt für Negativschlagzeilen: Die Bevölkerung beschwerte sich über Einbrüche, Pöbeleien in Bussen und über die massive Überbelegung des Bundesasylzentrums. Nun haben die Neuenburger Behörden Massnahmen vorgestellt, wie sie die Sicherheitsprobleme in den Griff kriegen wollen.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/sicherheit-im-bundesasylzentrum-boudry-soll-erhoeht-werden?partId=12358564
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/groesstes-bundesasylzentrum-bevoelkerung-von-boudry-soll-sich-wieder-sicher-fuehlen


+++SCHWEIZ
Flüchtlingshilfe kritisiert Status «Vorläufig Aufgenommen» – 10vor10
Migrantinnen und Migranten mit dem Status «vorläufig aufgenommen» bleiben oft Jahrzehnte lang oder für immer in der Schweiz. Um ihre Status zu ändern, müssen sie unter anderem Papiere aus dem Heimatstaat besorgen – das ist für die Betroffenen eine komplexe Situation, wie das Beispiel eines jungen Eritreer zeigt.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/fluechtlingshilfe-kritisiert-status-vorlaeufig-aufgenommen?urn=urn:srf:video:c89decdc-bbd6-46d0-877d-34b084d009a9


+++GROSSBRITANNIEN
Großbritannien: Menschenrechtskommissarin warnt vor geplantem britischem Asylgesetz
Die Menschenrechtskommissarin des Europarats mahnt die Achtung internationaler Verpflichtungen gegenüber Asylsuchenden an. Ein neues Gesetz soll Asylsuchende abschrecken.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-03/grossbritannien-asyl-gesetz-europarat-menschenrechte


+++MITTELMEER
Italien: Hunderte Geflüchtete erreichen in Fischerkutter italienische Küste
Am Wochenende sind Tausende Migranten in Italien angekommen. 650 weitere haben in der Nacht ohne fremde Hilfe die Küste erreicht.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-03/gefluechtete-italien-mittelmeer-seenotretter
-> https://www.watson.ch/international/migration/823087322-650-bootsmigranten-erreichen-italien
-> https://taz.de/Gefluechtete-in-Italien/!5921805/


Gefährliche Mittelmeer-Überfahrt : Deutlich mehr Bootsmigranten als 2022
Seit Jahresbeginn sind mehr als vier Mal so viele Geflüchtete an den italienischen Küsten angelandet wie im Vorjahreszeitraum. Allein an diesem Wochenende waren es 5.500 Menschen.
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/italien-bootsmigranten-gefluechtete-kueste-mittelmeer-100.html


+++EUROPA
Laut Uno-Bericht: EU hat in Libyen Beihilfe zu Straftaten geleistet
Die EU zahlt die libysche Küstenwache dafür, dass Flüchtende nicht Europa erreichen. Laut Uno macht sich der Staatenbund auf diese Weise an schlimmsten Vergehen mitschuldig.
https://www.spiegel.de/ausland/eu-hat-in-libyen-beihilfe-zu-straftaten-geleistet-a-d7d9476e-ab8b-4222-8b76-64cc957f648a
-> https://www.jungewelt.de/artikel/447709.festung-europa-uno-wirft-eu-beihilfe-zu-verbrechen-vor.html


Alarmierende Reformvorhaben zum europäischen Asylsystem: Menschenrechte geraten unter die Räder
Schläge, gewaltvolle Pushbacks, Verweigerung der Annahme von Asylanträgen – seit Jahren sind Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen immer mehr Grausamkeiten ausgesetzt. Und es soll noch schlimmer werden, auch mit mehr »sicheren Drittstaaten«. Im Innenausschuss ist die Expertise von PRO ASYL zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gefragt.
https://www.proasyl.de/news/alarmierende-reformvorhaben-zum-europaeischen-asylsystem-menschenrechte-geraten-unter-die-raeder/


+++TUNESIEN
»Saïed hofft auf Geld aus EU-Ländern«
Tunesiens Präsident profitiert von der europäischen Abschottungspolitik und hetzt gegen subsaharische Einwanderer. Ein Gespräch mit Malek Khemiri
https://www.jungewelt.de/artikel/447712.handlanger-der-festung-europa-sa%C3%AFed-hofft-auf-geld-aus-eu-l%C3%A4ndern.html


+++FREIRÄUME
„Vor 4 Jahren wurde das Fabrikool geräumt. Für was? Damit es bis heute hinter Stacheldraht & unter Bewachung zerfallen kann? Danke für nichts, Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) & Architekten Globis Hebeisen + Vatter, die eine neue Nutzung versprachen & nie lieferten“
Mehr: https://twitter.com/babydollkerosin/status/1640292356334256128


++++CRIME SCENE
Polizeiliche Kriminalstatistik 2022
Im Jahr 2022 registrierte die Polizei erstmals seit zehn Jahren eine Zunahme der Einbruch- und Einschleichdiebstähle. Mit einem Plus von 14% wurde ein ähnlicher Wert wie vor der Pandemie verzeichnet. Zugenommen haben im Vergleich zum Vorjahr die schweren Gewaltdelikte (+16,6%), insbesondere die Straftatbestände schwere Körperverletzung und Vergewaltigung.
https://www.bfs.admin.ch/news/de/2023-0189
-> https://www.kkpks.ch/de/meldungen/polizeiliche-kriminalstatistik-pks-jahresbericht-2022-290

BE:
-> https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=eae5e84e-7d45-4397-91d5-11f75b1d10ad
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/mehr-schwere-gewaltdelikte-denn-je-im-kanton-bern?id=12358348
-> https://www.derbund.ch/mehr-schwere-gewaltdelikte-denn-je-im-kanton-bern-217327976292
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/weniger-straftaten-im-kanton-bern-aber-neuer-rekord-an-schweren-gewaltdelikten-150733010
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/so-viele-schwere-gewaltdelikte-wie-noch-nie-im-kanton-bern?id=12358501
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/kriminalstatistik-kanton-bern-2022-150739851


+++JUSTIZ
In der Schweiz werden viele Straftaten mit Strafbefehlen geahndet. Die Staatsanwaltschaften entscheiden also ohne Gerichtsverhandlungen. Im Extremfall kann ein Strafbefehl bis zu 60 Tage Gefängnis bedeuten. Ein Strafrechtsprofessor ordnet ein. (ab 11:22)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/birr-das-reservekraftwerk-ist-bereit-und-nicht-sehr-laut?id=12358513


+++KNAST
Ihr Name war Kowsika
Am 12. Juni 2018 nimmt sich eine junge Frau in einem Basler Untersuchungsgefängnis das Leben. Sie erstickt, weil sich vom Aufsichtspersonal 15 Minuten niemand um sie kümmert. «Tod im Waaghof», Teil 1.
https://www.republik.ch/2023/03/27/tod-im-waaghof-teil-1-ihr-name-war-kowsika
-> https://bajour.ch/a/clfmjrrzc76808254ix4tc1s9d5/tod-im-waaghof-teil-1


Weshalb Brians Instagram-Auftritt ihm nur schaden kann
Brian Keller ist gerade wieder Thema in den Medien. Der Grund: sein Auftritt in den Sozialen Medien und die illegale Nutzung eines Handys in seiner Gefängniszelle. Ein Experte ordnet die Situation ein.
https://www.baseljetzt.ch/weshalb-brians-instagram-auftritt-ihm-nur-schaden-kann/36960


+++POLICE BE
So viele schwere Gewaltdelikte wie noch nie im Kanton Bern
Der Kanton Bern hat mit 210 Straftaten im letzten Jahr einen neuen Höchstwert erreicht. Bei den angezeigten schweren Körperverletzungen war gut jede vierte beschuldigte Person minderjährig. Die Kantonspolizei setzt deshalb weiterhin auf Jugendpatrouillen, die sich bewährt haben.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/so-viele-schwere-gewaltdelikte-wie-noch-nie-im-kanton-bern?id=12358501
(Jugendpatrouille ab 03:19)


Immer mehr Drohneneinsätze bei Polizei und Feuerwehr. Die Kantonspolizei hat 40 Stück zur Verfügung und nutzt sie zu einem grossen Teil für die Personensuche. Bei der Feuerwehr hilft die Drohne dank installiertem Lautsprecher, mit Menschen in Not zu kommunizieren. (ab 14:37)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/so-viele-schwere-gewaltdelikte-wie-noch-nie-im-kanton-bern?id=12358501


+++POLICE GB
Institutioneller Rassismus: Britische Polizei zwang Schwarze Kinder häufiger zu Leibesvisitationen
Die britische Kinderschutzbeauftragte wirft der Polizei rassistische Diskriminierung Schwarzer Kinder vor. Sie wurden viel öfter Leibesvisitationen unterzogen als Weiße.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-03/grossbritannien-polizei-institutioneller-rassismus-leibesvisitation
-> https://www.spiegel.de/panorama/england-und-wales-schwarze-kinder-sechsmal-haeufiger-einer-leibesvisitation-unterzogen-als-weisse-gleichaltrige-a-6b2d197b-9295-419c-8571-95ca10532896


+++RECHTSPOPULISMUS
Betreibe Kreml-freundliche Politik: Deutsche Zeitung bezeichnet die SVP als «Partei der Putin-Versteher»
Um die Putin-Versteher in Europa ist es still geworden – zumindest offiziell. Dem Kreml-Führer werde von europäischen Politikern und Parteien weiter die Treue gehalten, analysiert die deutsche «Welt». Die grösste Partei der Schweiz, die SVP, sei weiter Putin-freundlich.
https://www.blick.ch/ausland/betreibe-kreml-freundliche-politik-deutsche-zeitung-bezeichnet-die-svp-als-partei-der-putin-versteher-id18435787.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Lex Eric Weber: Basler Parlament will seinen Störenfried loswerden
Kleine Splitterparteien sollen künftig bei der Sitzverteilung nicht mehr berücksichtigt werden, so die Forderung von links bis rechts. Konkret gemeint ist der rechtsextreme Politquerulant Eric Weber.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/grosser-rat-lex-eric-weber-basler-parlament-will-seinen-stoerenfried-loswerden-ld.2435631


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
luzernerzeitung.ch 27. März 2023

Er war einmal ein Fan von Daniele Ganser, heute protestiert er gegen seine Vorträge – was treibt Dominik Schlegel an?

Erste Städte verbieten Daniele Gansers Vorträge zu den Ursachen des Ukraine-Kriegs. In Biberist, Basel und Kreuzlingen durfte und darf er auftreten. Dominik Schlegel – ein ehemaliger Ganser-Jünger – versucht zu retten, wer zu retten ist.

Linda Leuenberger

Früher war er selber einer von ihnen. Dominik Schlegel war 16 Jahre alt, als er täglich mehrere Stunden auf Youtube verbrachte und in jene Ecken des Internets geriet, wo alles grundsätzlich in Zweifel gezogen wird. Wo Misstrauen herrscht gegenüber den Medien, der Wissenschaft und der Politik. Wo es einen «Mainstream» gibt, gegen den man sich stellt, und eine «Elite», der man sich widersetzt. Wo nichts wahr ist – und alles möglich.

Heute ist Dominik Schlegel 26 Jahre alt und ein, wie er sagt, komplett neuer Mensch. Heute will er anderen zum Ausstieg verhelfen aus dieser Welt, in der Fakten keine Rolle mehr spielen. Und zwar mit Tee.

Anfang Februar steht Schlegel vor einem Eventlokal im solothurnischen Biberist, mit ihm rund zwanzig Menschen, einige von ihnen in ukrainische Flaggen gehüllt. Sie stehen hier draussen, eine Stunde bevor der Historiker und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser im ausverkauften Saal seinen Vortrag beginnt. Das Thema: «Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?»

Auf der Linie der russischen Propaganda

Mit seiner Vortragsreihe tourt Daniele Ganser derzeit durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. In allen Ländern stösst er auf massiven Widerstand: Politikerinnen, Antisemitismusbeauftragte, Parteien, Verbände und Religionsgemeinschaften wehren sich gegen die Auftritte; sie schreiben Protestbriefe und kündigen Demonstrationen an. In Dortmund*, Nürnberg und Innsbruck wurden die Ganser-Vorträge untersagt. In anderen Städten, darunter Basel und Kreuzlingen, wurde ein Verbot diskutiert.

Und doch: Fast überall sind die Vorträge ausverkauft. Ganser verbreitet die Idee, dass Russlands Invasion in die Ukraine zwar illegal sei und gegen das Völkerrecht verstosse, dass aber die Nato und «der Westen» den russischen Einmarsch provoziert hätten. Insbesondere beharrt er darauf, dass die USA 2014 während der Maidan-Proteste in Kiew einen Putsch auf die ukrainische Regierung gesteuert hätten. (Wo Daniele Ganser recht hat und wo nicht, lesen Sie hier.) Diese Verschwörungstheorie verbreitet auch das russische Regime, und es nutzt sie als Legitimation für den Krieg.

Die Gruppe um Dominik Schlegel hat Thermoskannen und Teebeutel dabei. Auf den Flyern, die sie den Besuchern des Vortrags in Biberist in die Hand drücken, steht eine Einladung: «Wir trinken Tee. Mit Ihnen.» Mit dem Teeprotest habe die Gruppe versucht, die Besucherinnen abzufangen, bevor sie in den Vortragssaal gelangten, sagt Dominik Schlegel ein paar Wochen später in einem Stadtberner Café. Der Grundsatz: friedlich, freundlich, kollegial statt konfrontativ. Er habe die Leute nicht mit Argumenten bombardieren wollen, sondern ihnen seine Geschichte erzählt. «Ich sagte, dass ich wüsste, wie es sei, wenn man gerne kritisch denkt. Und dass wir doch unsere Perspektiven austauschen könnten.»

Den Tee musste die Gruppe wieder wegschütten. Schlegel habe aber, wie er sagt, ein paar Gespräche führen können. «Es hat sich gelohnt für jeden Menschen, den wir dazu bringen konnten, schon nur in Betracht zu ziehen, dass Daniele Ganser zu immerhin einem kleinen Teil falsch liegen könnte.»

Putin ist «gut», die USA sind «böse»

Im Gymnasium ging Dominik Schlegel für ein Austauschsemester nach Russland, genauer nach Sibirien, in eine ländliche Gegend, in der sich auch ein Gasfeld des russischen Erdgasunternehmens Gazprom befindet. Das war 2012, er war 16 Jahre alt. Mit seiner Gastfamilie habe er nie über Politik geredet, sagt Schlegel, und wahrscheinlich hätte er auch nicht viel davon verstanden. «Aber alle waren sehr patriotisch», sagt er. Das sei ihm geblieben. «Neben dem Unterricht hat mein Sportlehrer uns gezeigt, wie man Sturmgewehre zusammensetzt.»

2014 ging Dominik Schlegel ein zweites Mal nach Russland, um Bekannte zu besuchen. Er traf seinen ehemaligen Sportlehrer, der die Erzählung aus dem allgegenwärtigen Propaganda-Fernsehen übernommen hatte: Die Ukrainer seien Nazis, die Russland nun zurückdrängen müsse. Schlegel kaufte es ihm ab.

Wenige Monate zuvor hatte die ukrainische Bevölkerung auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew protestiert, weil die ukrainische Regierung überraschend erklärt hatte, ein geplantes Abkommen mit der EU doch nicht zu unterzeichnen. Diese Proteste gingen als «Euromaidan» in die Geschichte ein. Sie eskalierten Mitte Februar 2014, als die Polizei mit so viel Gewalt gegen die Protestierenden vorging, dass über hundert Menschen starben. Der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch flüchtete, es wurde eine Übergangsregierung gebildet.

Gegen Ende der Proteste annektierte der russische Präsident Wladimir Putin die ukrainische Halbinsel Krim und liess russische Truppen in den Donbass einmarschieren. Sein Vorwand: Der Westen habe die Maidan-Proteste finanziert, und es gelte nun, angeblich bedrohte Russischsprechende in der Ostukraine zu schützen. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim begann der russisch-ukrainische Krieg. Sein bisheriger Höhepunkt ist die grosse Invasion vom 24. Februar 2022.

Einsamer Kampf gegen das System

Dominik Schlegel hatte die Russen äusserst gastfreundliche erlebt und hatte gelernt, dass die USA «böse» seien und Putin «gut». Er sei mit einer Abwehrhaltung zurück in die Schweiz gekommen, sagt er heute. Er konnte die hiesige Berichterstattung nicht mit seinen Erfahrungen in Einklang bringen. «Ich hatte das Gefühl, mich hier verteidigen zu müssen. Mich und Russland.»

Er entwickelte eine extreme Wut. Als er am Bahnhof Bern auf einen Stapel Pendlerzeitungen stiess, auf deren Frontseite Putin als Angreifer dargestellt wurde, hat ihn das rasend gemacht. «Am liebsten hätte ich den Stapel angezündet.» Schlegel legt das Gesicht in seine Hände und lacht gequält. «Heute ist mir das alles wahnsinnig peinlich.»

Die Videos von Daniele Ganser waren so etwas wie ein Zufluchtsort für den damals 18-jährigen Schlegel. Bei ihm habe er die besten Argumente gefunden in seinem einsamen Kampf gegen das System. Er zettelte immer wieder Diskussionen an, so oft, bis ihm niemand mehr widersprechen mochte. «Ich war absolut überzeugt, dass mir niemand etwas sagen kann, weil ich alles durchschaue.» Politisch driftete er sehr weit nach rechts.

Die Uni war der Wendepunkt. Dominik Schlegel hat sich für ein Politik- und Medienwissenschaftsstudium eingeschrieben. Später hat er einen Master in Volkswirtschaft angehängt. «Das Studium hat mich gerettet», sagt er heute. Dort habe er begriffen, dass es anstrengender ist, sich verlässliches, differenziertes Wissen anzueignen, als die Youtube-Videos suggeriert hatten. Als er von den neuen Ganser-Vorträgen erfuhr, fand er: «Mann, da muss man doch was machen.» Ein paar E-Mails und Videocalls später stand er mit zwanzig Leuten und fünf Liter Tee in Biberist. In Basel am 28. April werden sie nochmals aufmarschieren.

Einstiegsdroge Ganser

Bei Daniele Ganser lernt man zu zweifeln. Er öffnet das Tor zu einer Welt, in der die Ideen immer verworrener werden und die Zweifel immer grösser. Das ist es, was sein Geschäftsmodell erfolgreich macht: Er ist so etwas wie die Einstiegsdroge in eine Sucht nach unterkomplexen Antworten, er bietet für fast jede politische Antigruppierung Anknüpfungspunkte. Und er tut das auf eine subtile Art.

Gansers Methode, wie sie der deutsche Professor und Experte für Verschwörungstheorien Michael Butter beschreibt, besteht darin, Suggestivfragen zu stellen, Zitate und Bildquellen aus dem Zusammenhang zu reissen und alles zu verschweigen, was nicht in seine Argumentation passt. Berühmt geworden ist Daniele Ganser mit seinen Vorträgen zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001, die ihn seine Hochschulanstellung in Zürich kosteten. Seither hat er sich verschiedenen Krisen bedient, um daraus Kapital zu schlagen. Ganser selbst bestreitet, Verschwörungstheorien zu verbreiten, schreibt Michael Butter. Er sage, er weise nur auf Ungereimtheiten hin. Er stelle nur Fragen.

Und es stimmt – auf eine Art. Daniele Ganser ist kein Hetzer, der die Menge aufwiegelt. In seinem Publikum sitzen neben Leuten aus der Truther-Bewegung zwar auch Reichsbürger, Neo-Nazis und Corona-Querdenker. Er macht sich mit ihnen aber nicht gemein. Anders als ein Sekten-Guru, schreibt Michael Butter, gibt Ganser nicht explizit vor, was Sache ist. Im Gegenteil betont er, dass er das eben gerade nicht tue, sondern seiner Community helfe, sich selbst ein Urteil zu bilden. «Dass dieses Urteil nicht frei ist, leugnet er – und sie können oder wollen es nicht sehen.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/verschwoerungstheorien-er-war-einmal-ein-fan-von-daniele-ganser-heute-protestiert-er-gegen-seine-vortraege-was-treibt-dominik-schlegel-an-ld.2421702)


+++HISTORY
Letzter G8-Gefangener wird nicht ausgeliefert
Ein 49-jähriger Italiener soll wegen Gipfelprotesten von 2001 in Haft
Zum dritten Mal weist ein Gericht in Frankreich den italienischen Haftbefehl gegen den Anarchisten Vincenzo Vecchi zurück. Die Staatsanwaltschaft kann ein letztes Mal Berufung einlegen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172010.eu-haftbefehl-letzter-g-gefangener-wird-nicht-ausgeliefert.html
-> Kommentar: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172026.vincenzo-vecchi-g-justiz-aus-dem-faschismus.html