Medienspiegel 23. März 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++AARGAU
Möriken-Wildegg: Gemeinderat enttäuscht und besorgt
Der Kanton eröffnet in Möriken-Wildegg eine Asylunterkunft im Hotel Aarehof. Im Hotel sollen ab Juni während drei Jahren bis zu 140 Flüchtlinge untergebracht werden. Der Gemeinderat sorgt sich um die Sicherheit und bezweifelt, dass das Hotel nach der Zwischennutzung wiedereröffnet wird.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/moeriken-wildegg-gemeinderat-enttaeuscht-und-besorgt?id=12357040
-> https://www.telem1.ch/aktuell/asylunterkunft-statt-hotel-der-aarehof-in-wildegg-ist-ab-juni-eine-grossunterkunft-fuer-140-maenner-150681288


+++LUZERN
Ukrainische Geflüchtete können Berufslehre machen
Der Kanton Luzern passt seine Regeln an, damit Jugendliche aus der Ukraine eine Berufslehre anfangen können – und diese auch beenden dürfen, falls der Schutzstatus S nicht mehr gälte.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/ukrainische-gefluechtete-koennen-berufslehre-machen?id=12356686
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/integration-kanton-luzern-weitet-unterstuetzung-fuer-ukrainische-gefluechtete-aus-ld.2433366



luzernerzeitung.ch 23.03.2023

Flüchtlinge sollen Wohngemeinschaften mit älteren Menschen bilden

Geflüchtete erhalten ein Heim und helfen dafür im Alltag – das ist die Idee eines Luzerner Pilotprojekts. Dabei wollen die Verantwortlichen behutsam vorgehen.

Stefan Dähler

Der Wohnraum ist knapp, gleichzeitig kommen viele Menschen wegen des Ukraine-Kriegs und weiterer Krisen in die Schweiz. Die Suche nach Unterkünften für Flüchtlinge ist entsprechend anspruchsvoll. So hat beispielsweise der Bund entschieden, die Notunterkunft in der Kaserne Emmen länger zu betreiben als geplant. Auf der anderen Seite gibt es ältere Menschen, die seit dem Auszug der Kinder in halb leeren Wohnungen leben, gerne Hilfe im Alltag oder mehr soziale Kontakte hätten und sich einen Umzug nicht leisten können, weil die Mieten in der Umgebung stark gestiegen sind.

Hier setzen die Genossenschaft Zeitgut Luzern sowie der Luzerner Verein Hello Welcome mit ihrem Pilotprojekt «WohnTandem» an, wie sie mitteilen. Vorgesehen ist, dass Einheimische Geflüchtete aufnehmen. Im Gegenzug helfen Letztere den Bewohnerinnen und Bewohnern bei der Bewältigung des Alltags.

«Win-win-win-Situation» ist das Ziel

Mit dem neuen Projekt entstehe eine «Win-win-win-Situation», heisst es in der Mitteilung. Es profitierten Geflüchtete, die in schlechten Unterkünften leben, mehr Kontakt mit der Bevölkerung wünschen und bereit seien, dafür «einen Zusatzeffort zu leisten». Weiter leiste das Projekt einen Beitrag gegen die Einsamkeit, die Wohnungsknappheit, senke die Lebenshaltungskosten und entlaste die öffentliche Hand.

Damit das funktioniert, müssten die «Tandems» begleitet werden. Als Vorbild gilt der Kanton Nidwalden. Dieser habe zur Unterstützung der Gastfamilien, die Flüchtlinge aufnehmen, zwei Betreuer eingestellt. In dieser Art wollen auch Zeitgut und Hello Welcome vorgehen. Bevor jemand zusammenzieht, ist ein längerer Prozess vorgesehen:

– Einheimische melden sich bei Zeitgut, Geflüchtete bei Hello Welcome. Motivation, Interessen und Vorstellungen werden abgeklärt und passende Tandem-Partner gesucht.

– Es folgen ein erstes Gespräch, begleitet von einer Fachperson, danach der Abschluss einer Tandemvereinbarung sowie wöchentliche Treffen während zweier Monate. Erst dann wird entschieden, ob es zu einem Zusammenzug kommt und die Untermiete vertraglich geregelt wird.

– Nach dem Einzug folgt eine einmonatige Probezeit. Bleibt das «Wohn-Tandem» bestehen, stehen danach bei Bedarf weitere Fachpersonen zur Verfügung.

Mit dieser Begleitung soll verhindert werden, dass Abhängigkeitsverhältnisse entstehen und jemand ausgenutzt wird, sagt Zeitgut-Geschäftsleiter Laslo Niffeler. Er rechnet mit einer gewissen Vorlaufzeit, bis erste Tandems gebildet werden können. «Wir hoffen, dass dies im Mai/Juni der Fall ist.»

Seit Mitte März würden Wohngenossenschaften, Immobilienfirmen, Sozialstellen von Kirchen, Stadt und Kanton sowie die Zivilgesellschaft über das Projekt informiert und mit Flyern versorgt. Unter den Geflüchteten gebe es bereits erste Interessenten, Hello Welcome habe früher auch schon vereinzelt Wohngemeinschaften zwischen Geflüchteten und Seniorinnen vermittelt. «Bei Seniorinnen und Senioren dürfte noch Skepsis da sein. Wir wollen jetzt Menschen, die interessiert sind, genauer informieren», sagt Niffeler.

Mehrere Anforderungen müssen erfüllt sein

Welche Anforderungen gelten für ein Tandem? «Die Teilnehmenden müssen psychisch und physisch in der Lage sein, das Zusammenleben zu organisieren», sagt Niffeler. Stark traumatisierte oder pflegebedürftige Personen können daher nicht teilnehmen. Weiter seien Deutschkenntnisse gefordert. Zudem mache der Kanton Auflagen bezüglich Wohnraum, nötig sei insbesondere ein eigenes Zimmer für jede Person, um die Privatsphäre zu gewährleisten.

Das Pilotprojekt ist vorerst bis Ende Jahr befristet. «Das Ziel ist, bis dann fünf funktionierende Tandems zu bilden», sagt Niffeler. Danach werden Zeitgut und Hello Welcome eine Auswertung vornehmen und entscheiden, ob das Projekt weitergeführt wird. Für die Betreuung ist ein Arbeitsumfang von 10 Stellenprozent vorgesehen. Finanziert wird das durch die Katholische Kirchgemeinde Luzern, deren Parlament insgesamt 500’000 Franken für verschiedene Projekte zur Linderung von sozialen Nöten gesprochen hat.

Hinweis

Am Montag, 24. April, findet im Paulusheim von 14.30 bis 15.15 Uhr ein Informationsanlass mit anschliessendem Apéro für Interessierte statt. Anmeldung bis 14. April bei info@zeitgut-luzern.ch oder telefonisch an 079 369 57 51.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/stadt-luzern-fluechtlinge-sollen-wohngemeinschaften-mit-aelteren-menschen-bilden-ld.2433150)


+++NIDWALDEN
Zwischennutzung für Asylwesen: Aus dem alten Wohnhaus Mettenweg wird eine Unterkunft für 35 bis 50 Geflüchtete
Der Kanton Nidwalden schafft zusätzliche Kapazitäten für die Unterbringung von geflüchteten Personen. Dank dem Entgegenkommen der Gemeinde Stans kann das alte Wohnhaus Mettenweg zwischengenutzt werden.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/nidwalden/stans-zwischennutzung-fuer-asylwesen-aus-dem-alten-wohnhaus-mettenweg-wird-eine-unterkunft-fuer-35-bis-50-gefluechtete-ld.2433679


++++ZÜRICH
Keine Kinder zweiter Klasse
Minderjährige Geflüchtete haben ein Recht auf kindgerechte Betreuung. Missstände wie im Jugendasylzentrum Lilienberg lassen sich verhindern: Schaffen Sie eine tragfähige Basis für die Betreuung geflüchteter Jugendlicher und deren Begleitung in die Selbständigkeit.
https://keine-kinder-zweiter-klasse.ch/


+++SCHWEIZ
Laut Migrations-Staatssekretärin: Bund rechnet dieses Jahr mit 27’000 Asylsuchenden
Der Bund rechnet laut Migrations-Staatssekretärin Christine Schraner Burgener dieses Jahr mit 27’000 Asylsuchenden. Die Schweiz sei mit einer aussergewöhnlichen Lage konfrontiert.
https://www.blick.ch/news/laut-migrations-staatssekretaerin-bund-rechnet-dieses-jahr-mit-27000-asylsuchenden-id18424681.html


SEM-Chefin: «Der Grund für die Wohnungs-Kündigungen waren nicht die Flüchtlinge»
Asylverfahren nicht mehr in der Schweiz? SEM-Chefin im Interview
Christine Schraner Burgener erklärt, weshalb es aus ihrer Sicht das Beste wäre, Asylverfahren nicht mehr in der Schweiz durchzuführen. Und die Staatssekretärin für Migration äussert sich zum Fall Windisch.
https://www.watson.ch/schweiz/interview/623717665-asylverfahren-nicht-mehr-in-der-schweiz-sem-chefin-im-interview


Viele Geflüchtete finden in der Schweiz keine Arbeit
Geflüchtete, die in der Schweiz das Arbeitsrecht erhalten haben, finden oft keine Stelle. Dabei könnten sie zur Bewältigung des Fachkräftemangels beitragen. Mangelnde Kenntnis ihrer Rechte und Vorurteile erschweren ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt.
https://www.swissinfo.ch/ger/viele-gefluechtete-finden-in-der-schweiz-keine-arbeit/48365858


+++GROSSBRITANNIEN
UK asylum seekers who complain about conditions ‘threatened with Rwanda’
Refugee Action report calls asylum seeker accommodation ‘racialised segregation and de facto detention’
https://www.theguardian.com/world/2023/mar/23/uk-asylum-seekers-who-complain-about-conditions-threatened-with-rwanda


+++GRIECHENLAND
Griechenland: »Vom Ausrauben sind alle betroffen«
Der griechische Journalist Stavros Malichudis über den repressiven Kurs der griechischen Regierung
Die Regierung in Athen wird immer autoritärer, das zeigt sich an der Migrationspolitik und der Niederschlagung von Protesten gegen das schwere Zugunglück. Journalisten, die darüber berichten, werden überwacht.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171952.pressefreiheit-griechenland-vom-ausrauben-sind-alle-betroffen.html


+++MITTTELMEER
Bootsunglücke im Mittelmeer: Europas tödliches Kalkül
Bei zwei verheerenden Bootsunglücken im Mittelmeer starben in den letzten Wochen mehr als 100 Flüchtende. Dabei hätten viele Menschen wohl gerettet werden können, wenn die Behörden rechtzeitig eine Seenotrettung eingeleitet hätten. Für Kritiker ist die ausbleibende Rettung eine weitere Eskalationsstufe der europäischen Abschottungspolitik, die den Weg nach Europa immer schwerer macht. Nimmt die EU den Tod im Mittelmeer bewusst in Kauf, um Flüchtende abzuschrecken?
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/bootsungluecke-im-mittelmeer-europas-toedliches-kalkuel-100.html


+++GASSE
Notschlafstellen in Bern sind voll
Im Moment gibt es für obdachlose Personen in der Stadt Bern keine Garantie auf ein warmes Bett – die Notschlafstellen sind am Anschlag. Die Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten dürfte in nächster Zeit auch nicht abnehmen, vermutet die Interventionsgruppe PINTO.
https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/notschlafstellen-in-bern-sind-voll-150681473


++++DEMO/AKTION/REPRESSION
Colas, sort du bois de la Sagne ! : Les Fées ont cassé tes machines
Désarmement festif des machines de Colas à la Carrière de La Sagne (Neuchâtel)
Connaissez-vous les Fées du Bois Vert ? Sorties des contes d’enfantes, ces êtres adorables se battent contre l’accaparement des sols, les ravages agro-industriels et l’artificialisation des terres. Dans la nuit du 20 au 21 mars 2023, les Fées du Bois Vert sont sorties de leur sommeil pour aller désarmer les machines de destruction massive de la carrière de La Sagne.
https://renverse.co/infos-locales/article/colas-sort-du-bois-de-la-sagne-les-fees-ont-casse-tes-machines-3946


+++PSYCHIATRIE
Um epileptischen Anfall auszulösen: Bundesgericht erlaubt Zwangs-Elektroschocks bei Therapie
Erstmals hat das Bundesgericht festgehalten, dass Zwangstherapien mit elektrischen Reizungen zulässig sind – allerdings nicht in allen Fällen.
https://www.blick.ch/schweiz/um-epileptischen-anfall-auszuloesen-bundesgericht-erlaubt-zwangs-elektroschocks-bei-therapie-id18425742.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
tagesanzeiger.ch 23.03.2023

Hetze gegen den Westen: Wie eine Schweizer Influencerin russische Propaganda verbreitet

Eine Frau aus Zug bedient täglich eine Million Followerinnen und Follower mit antiwestlicher Propaganda. Sie hat Verbindungen nach Moskau.

Sylvain Besson, Bernhard Odehnal, Anielle Peterhans, Svenson Cornehls

Hoher Besuch im russischen Parlament, der Duma. Delegationen von über 40 afrikanischen Staaten reisten zu Beginn dieser Woche zur parlamentarischen Konferenz «Russland – Afrika» an. Als Höhepunkt und Abschluss der Veranstaltung trat Russlands Staatschef persönlich auf. Knapp zwanzig Minuten sprach Wladimir Putin über russische Investitionen in Afrika, über militärische Unterstützung und über ein gemeinsames Ziel: den Widerstand gegen eine «von aussen aufgezwungene neokoloniale Ideologie».

Neben Putin traten auf der riesigen Bühne im Prunksaal des russischen Parlaments zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter afrikanischer Regierungen auf – und eine Schweizerin. Die in Zug lebende Bloggerin Nathalie Yamb war auf Einladung der Veranstalter nach Moskau gereist. So berichtet sie es in den sozialen Medien. Yamb hielt eine Rede und gab russischen Medien Interviews, in denen sie das Ende der Dominanz von Europäern und Amerikanern in Afrika heraufbeschwor.

In der Schweiz ist der Name Nathalie Yamb praktisch unbekannt. Im frankofonen Afrika hingegen ist sie mit ihren Tweets und Youtube-Videos zur Berühmtheit geworden. Und das, obwohl sie die meisten dieser Videos an ihrem Wohnort Zug aufnimmt, vermutlich in ihrer Wohnung am Stadtrand. Für ihre Follower gilt die 53-Jährige als charismatische Kämpferin gegen europäischen Kolonialismus und für ein freies Afrika.

Yamb nutzt die sozialen Medien gekonnt. Sie hat über eine halbe Million Follower auf Facebook, eine Viertelmillion auf Youtube und über 260’000 auf Twitter. Ihre Tweets werden teilweise über 3000-mal geteilt. So etwa, als sie diesen Februar twitterte, dass die Mehrheit der Franzosen Afrikaner «wie Tiere im Zoo» betrachtet. Yambs fast wöchentlichen Videobeiträge auf Youtube werden bis zu 500’000-mal angeklickt und Tausende Male kommentiert.

Dass sie für diesen Erfolg vor allem auf russische Hilfe zählt, verheimlicht sie nicht. Seit der ersten russisch-afrikanischen Konferenz im Oktober 2019 im russischen Ferienort Sotschi nennt sich Nathalie Yamb die «Dame aus Sotschi». Und diese Woche sagt sie in Moskau zur russischen Nachrichtenagentur Sputnik, dass «sowohl Russland als auch afrikanische Länder die Chance haben, eine multipolare Weltordnung neu zu schreiben, die alle anstreben».

Mit ihren Aktivitäten ist die schweizerisch-kamerunische Doppelbürgerin Yamb längst auf den Radar westlicher Regierungen gekommen. In Frankreich hat sie seit vergangenem Jahr Einreiseverbot. Und das US-Aussenministerium warnte im November 2022 vor Yamb und einem weiteren afrikanischen Blogger, weil sie zum Netzwerk des russischen Warlords Jewgeni Prigoschin gehöre.

Die studierte Politologin Yamb meidet normalerweise westliche Medien. Doch an diesem Donnerstag spricht sie in der Sendung «Temps Présent» des Westschweizer Fernsehens RTS über ihr Leben für den Panafrikanismus – jene weltweite Bewegung, unter der sich alle aus Afrika stammenden Menschen vereinigen sollen.

Yamb wurde in den sozialen Medien mit dem Hashtag «France dégage» (Frankreich, hau ab) berühmt. «Für uns in Afrika sind Mitterrand und de Gaulle schlimmer als Hitler», sagte sie etwa 2018 in einem Youtube-Video. Mit selbstbewusstem Lächeln und ruhiger Stimme wiederholt sie immer wieder solche provokanten Aussagen. Sie unterstützt antifranzösische Regimes, die in den letzten Jahren auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind: in Mali, Burkina Faso und der Zentralafrikanischen Republik.

Mit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine wurde Yamb schliesslich zum Sprachrohr russischer Propaganda. Die russische Invasion der Ukraine sieht sie als «Nato-Russland-Krieg», ausgelöst durch «die wiederholten Aggressionen der Amerikaner und Europäer (…) gegen das russische Volk und die russischen Interessen». Im Mai 2022 bezeichnete sie die Ukraine als von «Neonazis durchsetzt».

Gegen den «Genderimperialismus»

Und in einem unlängst veröffentlichten Youtube-Video spricht sie von einem «Krieg der Zivilisationen», in dem «Anhänger des Sexual- und Genderimperialismus» ihren «Wokeismus» gegen diejenigen führen, die sich für «traditionelle Werte» einsetzten. Ganz ähnlich formulierte es auch Wladimir Putin in seiner Rede vor den afrikanischen Delegierten diese Woche in Moskau: Russland und Afrika seien vereinigt in der Verteidigung von «moralischen Normen und gesellschaftlichen Werten».

Dennoch wehrt sich Nathalie Yamb gegen den Vorwurf der russischen Propaganda. In einem Interview mit «Afrique Média» im Februar 2023 sagte sie, eine solche Anschuldigung sei «Ausdruck einer absoluten Verachtung gegenüber dem Afrikaner», der als unfähig angesehen werde, selbstständig zu denken.

Für einen europäischen Diplomaten, der nicht namentlich genannt werden will, ist Yambs Popularität der Beweis für den Erfolg prorussischer Narrative in Afrika. Der Kontinent sei zur «zweiten Front des Krieges in der Ukraine» geworden.

Nathalie Yamb hat sich schrittweise radikalisiert. Sie wuchs als Tochter eines Vaters aus Kamerun und einer Schweizer Mutter in La Chaux-de-Fonds auf. Mit «Temps Présent» spricht sie von ihrer Kindheit in der Schweiz: «Man sah damals nicht oft Schwarze (…) Ich war die Einzige, die anders war.» Die Fragen dieser Zeitung liess sie unbeantwortet.

«La dame de Sochi»

Nach ihrem Studium in Deutschland arbeitete Yamb erfolgreich für mehrere multinationale Unternehmen in Afrika. Um dann in ihrer Wahlheimat Elfenbeinküste als Beraterin einer Oppositionspartei in die Politik einzusteigen. In dieser Funktion hielt sie im Oktober 2019 an der russischen Konferenz in Sotschi eine Rede, mit der sie international auffiel. Darin prangerte sie die französische Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent an.

Nach Sotschi eingeladen wurde sie von Afric, einer 2018 gegründeten Verbindung für «freie Forschung und internationale Zusammenarbeit». Afric organisierte Veranstaltungen in Berlin und schickte unter anderem Wahlbeobachter nach Zimbabwe oder Madagaskar. Hinter der Gründung von Afric soll der Vertraute von Wladimir Putin und Chef der gefürchteten russischen Wagner-Miliz, Jewgeni Prigoschin, stehen. «Das Afric-Projekt wurde direkt in Prigoschins Büro erfunden», sagt der ukrainische Politologe und Experte für Rechtsextremismus, Anton Shekhovtsov.

Ein Powerpoint-Dokument, das in Libyen bei einem Agenten Prigoschins beschlagnahmt wurde, beschreibt das Afric-Netzwerk als «ein Instrument der Soft Power» zur Förderung der russischen Agenda unter dem Deckmantel eines «Netzwerks von Influencern». Die Finanzierung solle «aus anonymen Quellen über Kryptowährungen» erfolgen. Mittlerweile wurde die Verbindung wieder aufgelöst, die Website ging offline. «Heute arbeiten die ehemaligen Berater und Expertinnen der Afric-Struktur allein», sagt Extremismus-Experte Shekhovtsov: «Ihre früheren Verbindungen zu Afric sollen nicht mehr nachvollziehbar sein.»

In ihrem Interview mit «Temps Présent», das Tamedia vorab sehen konnte, bestreitet die Influencerin jegliche Verbindung zu Prigoschin: «Ich warte darauf, dass man mir beweist, dass ich Jewgeni Prigoschin kenne», sagt sie. «Ich bin nie von Afric, Wagner oder Herrn Putin finanziert worden», aber «ich nehme das Geld, egal, woher es kommt.»

Wie also finanziert sie sich? Klar ist, dass sie in den sozialen Medien stets ihre Follower dazu aufruft, ihre Arbeit finanziell zu unterstützen. Auch die zahlreichen Youtube-Videos bringen Geld durch Werbung. Wie viel, ist unklar. Analysen ihres Accounts ergeben, dass ihr jährliches Einkommen durch Werbung bis zu 20’000 Franken betragen könnte. An ihrem Wohnort in Zug hat sie zudem ihre Firma Nathalie Yamb Consulting gemeldet. Und sie ist im Bereich der Kryptowährungen aktiv. Eine in den USA eingereichte Klage wirft ihr vor, für eine kamerunische Kryptowährung namens Lyeplimal geworben zu haben, dessen Gründer des Betrugs beschuldigt wird.

Fall für den Geheimdienst

Seit vergangenem Jahr zeigen westliche Dienste stärkeres Interesse an Nathalie Yamb. Nach Informationen dieser Zeitung hat der französische Geheimdienst mit den Schweizer Kollegen wegen Yamb Kontakt aufgenommen: «Es gab keine Demarchen, sondern Gespräche mit den Schweizern, in denen wir ihnen mitgeteilt haben, dass es dort jemanden gibt, der extrem gewalttätige Äusserungen macht», sagt eine gut informierte Quelle, die anonym bleiben will. Die Schweizer hätten geantwortet: «Sie ist Schweizerin, also geht das uns etwas an.»

Der Nachrichtendienst des Bundes äussert sich auf Anfrage nicht zum konkreten Fall. Er erklärt jedoch allgemein, dass er mit ausländischen Behörden in Bezug auf «Beeinflussungsoperationen» und «Desinformationskampagnen», die von der Schweiz aus durchgeführt werden, in Kontakt stehe. Auch Paris will Yambs Bedeutung nicht überbewerten: Sie sei eine Videobloggerin aus dem Bereich der Verschwörungstheorien, «wie es viele im Internet gibt», relativiert eine französische Quelle aus Regierungskreisen.

Sie erhalte Todesdrohungen

Nathalie Yamb sagt, sie befürchte, das gleiche Schicksal zu erleiden wie ihre ermordeten afrikanischen Helden Thomas Sankara, Patrice Lumumba oder Félix-Roland Moumié. Letzterer, ein kamerunischer Oppositionspolitiker, sei laut Yamb «mit Billigung der Schweizer Dienste» in Genf vergiftet worden. Gegenüber «Temps Présent» sagt sie, sie werde in Zug verfolgt und fotografiert. Und es sei klar, wer dahinterstecke: der französische Geheimdienst.

Frankreich begründete das vor gut einem Jahr verhängte Einreiseverbot gegen Yamb damit, dass die Influencerin «die Anwendung von Gewalt gegen die Symbole der französischen Präsenz in Afrika billigt oder sogar fördert». Eine Analyse ihrer Social-Media-Beiträge zeigt allerdings nur indirekte Aufrufe zur Gewalt. Am 27. Februar sagte sie etwa in einem Video: «Ich glaube, dass der Kampf um die Emanzipation gewalttätig sein wird.» Zwei Jahre zuvor sagte sie, jeder französische Soldat, der in Afrika falle, sei ein «Feind, der fällt». Und dass die französische Armee mehr Soldaten töte als «Covid, Ebola und Aids zusammen».

Trotz oder gerade wegen dieser Übertreibungen hallt ihre Botschaft nach. «Die panafrikanische Welle ist ein aktuelles Thema», sagt ein europäischer Diplomat. «Diese Leute haben eine gute Basis im Volk.»

Bereits 2020 sagte Yamb, dass sie nicht die Absicht habe, sich «ewig in der Schweiz aufzuhalten». Denn ihr Kampf sei «in Afrika angesiedelt». Bis jetzt propagiert Nathalie Yamb ihren Panafrikanismus jedoch weiterhin hauptsächlich von Zug aus. Auch ihre bislang letzte Reise führte sie nicht nach Afrika – sondern zu Putin nach Moskau.
(https://www.tagesanzeiger.ch/wie-eine-schweizer-influencerin-russische-propaganda-verbreitet-549236770845)

-> https://www.20min.ch/story/diese-schweizerin-hetzt-gegen-den-westen-und-wird-zu-putins-sprachrohr-210430352761
-> https://www.watson.ch/international/afrika/513145437-de-gaulle-war-schlimmer-als-hitler-die-putin-propagandistin-aus-zug
-> https://www.blick.ch/ausland/nathalie-yamb-hat-eine-million-follower-und-soll-sogar-verbindungen-zum-wagner-chef-haben-sie-ist-putins-top-propagandistin-in-der-schweiz-id18425151.html
-> https://pages.rts.ch/emissions/temps-present/13762272-nathalie-yamb-une-suissesse-influenceuse-de-poutine.html#13762273
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/zug-putin-propagandistin-soll-vom-franzoesischen-geheimdienst-verfolgt-werden-ld.2433860



So gefährlich ist die Reichsbürgerszene
Immer häufiger kommt es zu Gewalt von sogenannten Reichsbürgern gegen Vertreter der Bundesrepublik. Wer sind diese Menschen, woran glauben sie? Die wichtigsten Antworten
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-03/reichsbuerger-szene-symbole-haeufigste-fragen-faq
-> https://www.zentralplus.ch/news/influencerin-aus-zug-ist-putin-propagandistin-2530879/
-> https://www.tagesspiegel.de/politik/extremismusforscher-uber-reichsburger-wenn-sich-die-aufmerksamkeit-legt-beginnt-die-gefahrliche-phase-9545993.html
-> https://www.kas.de/de/monitor-wahl-und-sozialforschung/detail/-/content/kein-staat-meine-regeln
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/reichsbuerger-behoerden-durchsuchten-haus-von-sahra-wagenknechts-ex-ehemann-a-7b53880e-bbd4-4dfa-b7e9-459b01a4b352


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Laura Grazioli stolpert über ihr Nähe zu Corona-Massnahmen-Gegner
Die Baselbieter Grünen haben ihre einstige Hoffnungsträgerin am Dienstagabend nicht für die Nationalratsliste nominiert. Es gab Bedenken, weil sich Grazioli für die Souveränitätsinitiative engagiert, welche massgeblich von Corona-Massnahmen-Gegnern lanciert wurde.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/laura-grazioli-stolpert-ueber-ihr-naehe-zu-corona-massnahmen-gegner?id=12356971


+++HISTORY
«Folterkommandant» in Schweizer Haft: Jetzt kommt der Prozess – Rundschau
Bundesanwaltschaft hat sechs Jahre gegen ihn ermittelt – jetzt steht die Anklage kurz bevor. Die Vorwürfe wiegen schwer: Mehrfache Folter, Mord, Freiheitsberaubung. Dringender Verdacht: Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gambia. Gleichzeitig haben die Schweizer Behörden während Sonkos Amtszeit fast sämtliche gambischen Asylsuchenden zurückgeschickt.
https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/folterkommandant-in-schweizer-haft-jetzt-kommt-der-prozess?urn=urn:srf:video:f2f11655-034e-4e31-b6cb-f22e47914e0d