Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
Regierungsratsantwort auf Interpellation I 215-2022 Zimmerli (Bern, FDP) Ist es Aufgabe der Universität Bern, aktiv Beschwerdeverfahren gegen Entscheide anderer Kantone zu führen?
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=64ea54d620ac49eda9e4e159c2322309:08 – https://www.youtube.com/watch?v=_WnAWdU1__c
Photoaktion für Aufenthaltsbewillligungen
Das Schweizer Parlament entscheidet am 16. März 2023, ob abgewiesene Asylsuchende, die seit 2019 oder länger in der Nothilfe isoliert werden, eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) erhalten.
Um Druck zu machen, organisiert das Migrant Solidarity Network eine Photoaktion mit abgewiesenen Menschen, die ein Poster halten. Auf dem Poster steht das Jahr der Ankunft in der Schweiz. Wir wollen zeigen, dass so viele Personen mit Negativentscheid im Asylsystem blockiert am Warten sind. Vor der Abstimmung schicken wir alle Photos den solidarischen Parlamentarier*innen. Am Tag der Abstimmung werden wir die Photos an die Medien schicken.
Machst du mit?
https://migrant-solidarity-network.ch/2023/03/13/photoaktion-fuer-aufenthaltsbewillligungen/
+++BASELLAND
„!#NoBunker in Allschwil wiedereröffnet! Im Herbst 2022 gab es heftige Kritik an den Lebensbedingungen der unterirdischen „ZSA“ Hagematte in Allschwil. Darauf ist der Bunker geschlossen worden. Vor einigen Wochen nun: Klammheimliche Wiedereröffnung!“
https://twitter.com/3rosen/status/1635362811399512064
+++WALLIS
Wie man aus einer geplanten Asylunterkunft ein Drama macht – der Fall Brig in 7 Akten
In der Oberwalliser Stadt Brig-Glis sorgt eine geplante Asylunterkunft für grosses Aufsehen. Von Klosterschwestern, einer Entschuldigung des Stadtpräsidenten, Stimmungsmache der SVP und einem ungewöhnlichen Volksauflauf – eine Übersicht.
https://www.watson.ch/schweiz/wallis/717167018-brig-aus-einer-geplanten-asylunterkunft-ein-drama-machen-in-7-akten
+++ZÜRICH
Reformierte Kirche will bei Betreuung von Flüchtlingen helfen
Kinder hüten, Deutschkurse anbieten – die reformierte Kirche des Kantons Zürich sieht Möglichkeiten, wie sie überlasteten Gemeinden bei der Betreuung von Flüchtlingen helfen könnte. Dies sagt Kirchenratspräsident Michel Müller als «Wochengast» im Regionaljournal.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/reformierte-kirche-will-bei-betreuung-von-fluechtlingen-helfen?id=12349969
+++SCHWEIZ
Baume-Schneider erklärt: Erst 75 Notfall-Visa für Erdbebenopfer erteilt – das steckt dahinter
Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien, die Verwandte in der Schweiz haben, kommen derzeit prioritär an ein Visum. Doch nur 75 solcher Visa wurden bisher gewährt. Jetzt hat Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) erklärt, warum es nicht mehr sind.
https://www.20min.ch/story/erst-75-notfall-visa-fuer-tuerkische-erdbebenopfer-erteilt-das-steckt-dahinter-964541391875
+++DEUTSCHLAND
»Dadurch wird Seenotrettung nicht sicherer«
Bundesregierung plant Änderung der Schiffssicherheitsverordnung. Einsätzen privater Organisationen droht das Aus. Ein Gespräch mit Stefen Seyfert
https://www.jungewelt.de/artikel/446752.europ%C3%A4ische-abschottungspolitik-dadurch-wird-seenotrettung-nicht-sicherer.html
+++BELGIEN
nzz.ch 10.03.2023
In Brüssel schlafen viele Migranten selbst in kalten Nächten auf der Strasse
Das kleine Belgien erlebt eine Asylkrise: Tausende von Migranten sind obdachlos, weil das Land nicht auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen vorbereitet ist. Dabei kommt es vielerorts zu chaotischen Ereignissen.
Daniel Steinvorth, Brüssel
Es gibt Tage, da zeigt sich die belgische Hauptstadt von ihrer unfreundlichen Seite. An solchen Tagen ist der Himmel noch grauer als sonst, und der eisige Regen peitscht den Leuten fast waagerecht ins Gesicht. Nicht abgeholte Abfallsäcke liegen auf der Strasse, weil wieder einmal der öffentliche Dienst streikt.
Es gibt viele gemütliche Geschäfte und Brasserien, in die man jetzt flüchten könnte. Aber Samir, Nathaniel und Huy stehen auf einem Platz nahe der Brüsseler Metrostation Rogier und ertragen die nasse Kälte. Sie haben sich zusammen mit anderen Männern um zwei junge Frauen geschart, die laut Namen aufrufen und kleine Zettel verteilen. Es sind Freiwillige einer Hilfsorganisation, die Schlafplätze für Migranten vermittelt.
Auf gut Glück nach Brüssel
Samir, der Marokkaner, hofft, dass sich auch für ihn heute eine Bleibe findet. «Es ist hart, auf der Strasse zu leben», sagt er. Der 48-Jährige ist schon seit vier Jahren in Europa unterwegs. Auch in Deutschland habe er längere Zeit gelebt, erzählt er, in Hamburg, Köln, Mannheim, Leverkusen. Das habe aber nicht funktioniert, und nun versuche er sein Glück in Belgien.
Neben ihm steht Nathaniel, der seinen schwarzen Schal bis über die Nase hochgezogen hat und etwas wortkarger ist. Aus Äthiopien sei er geflohen, berichtet der 24-Jährige, wegen des Krieges in Tigray. Über Libyen und das Mittelmeer gelangte er nach Italien und dann weiter nach Westeuropa. Mehr möchte er nicht sagen.
Huy aus Vietnam, 31 Jahre alt, verschlug es aus einem anderen Grund nach Brüssel. Jemand habe ihm einen Job in Rumänien vermittelt und dafür 1000 Dollar abgeknöpft, erzählt er. Das habe sich jedoch als Betrug herausgestellt. Zurück in die Heimat wollte er nicht mehr. Stattdessen hörte er sich um, wo es in Europa noch Arbeit geben könnte.
Nathaniel und Huy haben Glück. Sie werden aufgerufen und bekommen einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem eine Telefonnummer und eine Adresse stehen. Nur Samir geht leer aus. Die beiden Frauen raten ihm, es über eine andere Hilfsgruppe zu versuchen.
Es sind zumeist nur temporäre Lösungen, um die Asylsuchenden wenigstens für ein paar Nächte von der Strasse zu holen. Zu Hunderten übernachten sie derzeit in Pärken, in Bahnhöfen oder unter Brücken, weil die regulären Aufnahmezentren in Belgien hoffnungslos überfüllt sind. Knapp 3000 Migranten sollen im ganzen Land obdachlos sein.
Wilder Zeltlager und besetzte Häuser
Das kleine Königreich ist mit der Situation überfordert, obwohl die Einwanderungsbehörde Fedasil schon vor Monaten Alarm geschlagen hat. Mit fast 37 000 Anträgen war die Zahl der Asylbewerber im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit der Flüchtlingskrise von 2015 gestiegen (damals gab es 45 000 Asylanträge).
Noch nicht berücksichtigt bei dieser Zahl sind die 65 000 ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die Belgien 2022 aufnahm. Für sie gelten andere Regeln, ein Asylverfahren müssen sie nicht durchlaufen. Gleichwohl berichteten die Medien, dass auch viele Ukrainerinnen und Ukrainer zeitweilig unter freiem Himmel schlafen mussten.
Dass ihr Land ein echtes Problem haben könnte, fiel der belgischen Öffentlichkeit spätestens im Dezember auf; damals war die hygienische Situation in einem von 800 Asylbewerbern und Obdachlosen besetzten Haus im Brüsseler Stadtteil Schaarbeek unhaltbar geworden. Ärzte berichteten, dass sich in dem Gebäude Krankheiten wie Tuberkulose, Diphtherie und Krätze verbreitet hatten.
Mitte Februar wurde dort sogar ein Todesfall gemeldet, woraufhin die Polizei das Haus räumte. Auf wundersame Weise fand sich für einige anderswo eine Bleibe, viele landeten jedoch erneut auf der Strasse.
Andere Migranten behalfen sich, indem sie ein Zeltlager vor dem «Petit Chateau», einem Aufnahmezentrum am Rande des Quartiers Molenbeek, errichteten. Über Wochen kampierten dort rund 250 Asylbewerber – fast ausschliesslich Männer aus Afghanistan, Syrien und Subsahara-Afrika – entlang eines Kanals.
Auch Isaad, ein 23-jähriger Afghane, gehörte zu ihnen. Er war im Januar über die Balkanroute ins Land gekommen. Bis die Polizei am vergangenen Dienstag das Lager auflöste, schlief er in einem Zelt, umtost von Autos und Bussen. Nach der Räumung beseitigte die Müllabfuhr die Schlafsäcke der Männer und begründete dies mit dem Risiko von Infektionskrankheiten. Helfer wiesen Isaad einen Platz in einer Turnhalle zu. Wie lange er dort bleiben kann, weiss er nicht.
Symptom für ein Versagen
Nun steht der junge Mann mit den unruhigen Augen und den langen Haaren, die ihm in sein Gesicht fallen, in einer Schlange vor dem Aufnahmezentrum. Er wartet auf sein Interview, das über sein vorläufiges Bleiberecht entscheidet. «Alles ist besser als in Afghanistan», sagt Isaad und zuckt die Schultern. «Ich möchte nicht zurück.»
Beginnt das offizielle Asylverfahren, ist dies freilich noch keine Garantie für einen Aufnahmeplatz. Die Asylbewerber seien derzeit auf sich selbst oder das Improvisationstalent lokaler Politiker angewiesen, meint Eva, eine freiwillige Helferin. Sie verteilt warme Getränke und Mahlzeiten.
Mit Erstaunen registriert Belgien, dass es zu einem beliebten Zielland für Flüchtlinge und Migranten geworden ist. Das habe damit zu tun, dass ihr Land stark von der Sekundärmigration betroffen sei, erklärt die belgische Staatssekretärin für Asyl, Nicole de Moor: Viele Länder an Europas Aussengrenze hielten die Regeln des Dublin-Systems nicht mehr ein und liessen die Migranten einfach nach Westeuropa weiterziehen.
Zusammen mit fünf anderen EU-Staaten und der Schweiz kritisierte Belgien unlängst vor allem Italien dafür, Flüchtlinge nicht mehr zurückzunehmen. In Rom, Athen und anderen Mittelmeerstaaten kontern die Regierungen, dass sie mit dem Migrationsdruck alleingelassen würden. So schieben sich die europäischen Länder die Schuld an der defekten Migrationspolitik gegenseitig zu. Auch in Staaten wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden klagen die Gemeinden, dass ihre Aufnahmekapazitäten erschöpft und soziale Spannungen programmiert seien.
In Brüssel feierte sich die Regierung am Donnerstag dafür, den Bau eines neuen Containerdorfes für Flüchtlinge beschlossen zu haben. Auch sollen abgelehnte Asylbewerber künftig schneller ausgeschafft werden können. Beobachter halten es jedoch nur für eine Frage der Zeit, bis in der Stadt das nächste Chaos ausbricht.
(https://www.nzz.ch/international/asylkrise-in-belgien-migranten-schlafen-trotz-kaelte-im-freien-ld.1729953)
+++MITTELMEER
Nach Bootsunglück vor Libyens Küste: Unglück mit Ansage
Unweit der libyschen Küste kentert erneut ein Flüchtlingsboot auf dem Weg nach Italien. Dort wird gegen Melonis Flüchtlingspolitik demonstriert.
https://taz.de/Nach-Bootsunglueck-vor-Libyens-Kueste/!5921980/
Frontex: Schutz der Festung Europa statt Leben
Obwohl die EU-Grenzagentur Flugzeuge, Drohnen und Satelliten im Einsatz hat, ertrinken weiter Menschen im Mittelmeer
Mit Hochtechnologie von Militär- und Geheimdienstzulieferern erhält Frontex ein detailliertes Lagebild über die Migration. Auch das vor Crotone in Italien gesunkene Boot wurde so beobachtet.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171676.flucht-ueber-das-mittelmeer-frontex-schutz-der-festung-europa-statt-leben.html
Erfolgreiche Überfahrt in die EU: Frage des Geldes
UN-Flüchtlingskommissar gibt EU-Staaten Tipps zur »Verhinderung gefährlicher Reisen« aus Libyen
Eine Präsentation des UNHCR nennt wichtige Daten zu Fluchten über das Mittelmeer. Libyens Küstenwache fängt demnach vor allem Menschen aus Mali ab. Im Durchschnitt sind 67 Prozent der Überfahrten erfolgreich.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171657.unhcr-erfolgreiche-ueberfahrt-in-die-eu-frage-des-geldes.html
+++TUNESIEN
Tunesiens Präsident sucht Sündenböcke
Seit die Politik gegen Migranten hetzt, leben Schwarze Menschen in Tunesien gefährlich. Es kommt immer wieder zu Übergriffen
Josephus floh aus Sierra Leone und ist in Tunis gestrandet. Wie so viele wartet er auf eine Gelegenheit, um nach Europa zu gelangen. Er hofft, dem Elend und den Anfeindungen in Tunesien zu entkommen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171666.hass-gegen-gefluechtete-tunesiens-praesident-sucht-suendenboecke.html
+++MADAGASKAR
23 Migranten gerettet – Schiffbruch vor Madagaskar fordert 22 Tote
Die Suche nach Überlebenden läuft weiter, wie die zuständigen Behörden mitteilten.
https://www.srf.ch/news/international/23-migranten-gerettet-schiffbruch-vor-madagaskar-fordert-22-tote
+++GASSE
Ä Tag ir „Spysi“
In den kalten Monaten eine warme Mahlzeit für alle – das ist die Vision der Speiseanstalt „Spysi“ in der unteren Berner Altstadt. Seit 1877 bietet der Verein von November bis zum Palmfreitag an den Werktagen ein warmes Mittagessen an.
https://www.neo1.ch/artikel/ae-tag-ir-spysi
DEMO/AKTION/REPRESSION
BASEL:
Gummischrot an Demos? Es müssen deutliche Hinweise auf ein Gewalt¬potenzial vorliegen
Ob ein Polizeieinsatz verhältnismässig war oder nicht, ist mit zuverlässiger Regelmässigkeit Thema von gehässigen Debatten in Basel. Umstritten ist derzeit insbesondere die Bewilligungspflicht für Demonstrationen.
https://www.bazonline.ch/es-muessen-deutliche-hinweise-auf-ein-gewaltpotenzial-vorliegen-319433194525
DemonstrantInnen wünschen sich Konzept
https://video.telebasel.ch/content/4062/4063/205412/index.html
Demo trifft auf Bummelsonntag (ab 03:19)
https://video.telebasel.ch/content/4062/4063/205387/index.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/nach-ja-zu-steuerpaket-ruhen-die-steuer-diskussionen-vorerst?id=12349945 (ab 04:03)
-> https://bajour.ch/a/clf6nf4hi11933654ix3xsfrqul/es-braucht-eine-annaeherung
-> https://www.baseljetzt.ch/clash-of-cultures-wenn-frauenrechtlerinnen-auf-fasnaechtler-treffen/30251
Offener Brief gegen polizeiliche Repression am 8. März 2023
Die Führungsverantwortlichen der Basler Polizei haben ein Gewaltproblem!
https://framaforms.org/offener-brief-gegen-polizeiliche-repression-am-8-marz-2023-1678657511?fbclid=IwAR2Mq9IK0-FAqMNCVqaHuWche-UbvbwyMa-KQhOsTrgNhqPphjlijpqbI6c
Nach Rücktrittsforderung: SP und Grüne nehmen keine Stellung dazu
Die Basler SP und die Grünen haben zusammen mit der Juso, der BastA! und dem VPOD den Rücktritt des Polizeikommandanten Martin Roth gefordert. Dies nachdem sie einen Polizeieinsatz an einer Demonstration vergangene Woche stark kritisiert hatten. Auf Anfrage des Regionaljournals wollen die Parteipräsidentinnen der SP und der Grünen nun keine Stellung mehr zur Forderung beziehen. Sie wollen sich zuerst innerhalb der Partei beraten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/nach-ruecktrittsforderung-sp-und-gruene-nehmen-keine-stellung-dazu?partId=12350350
Zur Klimademo vom 11.02 in Basel
Kurzer Kommentar zur Klimademo vom 11.2.2023 in Basel und der darauffolgenden medialen Hetze vom Revolutionären Klimakollektiv Basel
https://barrikade.info/article/5720
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bzbasel.ch 13.03.2023
Akte blieb liegen: Rüffel an die Adresse der Basler Staatsanwaltschaft
An mindestens zwei Schlägereien im Basler Bundesasylzentrum im November 2020 sollen auch Securitas-Angestellte involviert gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, liess den Fall dann aber fast zehn Monate lang liegen.
Patrick Rudin
Die Basler Staatsanwaltschaft ist eine mächtige Behörde: Sie entscheidet nicht nur darüber, wer vor Gericht muss, sondern die ihr unterstellte Kriminalpolizei stellt in den ersten Ermittlungen auch wichtige Weichen für das weitere Verfahren. Wie die «Basler Zeitung» letzte Woche meldete, kassierte die Behörde einen Rüffel wegen Rechtsverzögerung. Der 15-seitige Entscheid des Basler Appellationsgerichtes liegt nun der bz vor, er fiel bereits vor drei Monaten.
Thema sind Schlägereien an zwei Abenden im November 2020 im Asylzentrum an der Basler Freiburgerstrasse. Ein heute 37 Jahre alter Asylbewerber aus Algerien landete im Spital. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Kieferbruch und weitere Gesichtsverletzungen. Nun tobt der grosse Streit darüber, wann und wie seine Verletzungen entstanden sind – die Aussagen gehen diametral auseinander.
Securitas-Mitarbeiter angezeigt, es steht Aussage gegen Aussage
Der 37-Jährige zeigte zwei beim Zentrum beschäftigte Securitas-Mitarbeiter wegen der Gewalttaten an. Insbesondere konnte er von einem Angreifer die Dienstnummer nennen. Die Kriminalpolizei ging der Sache nach: Bei der Securitas holte man Fotos, Namen und Dienstnummern der Angestellten ein, sechs Personen wurden befragt.
Für die Kriminalisten schien die Sache danach aber nicht so klar: Die Verletzungsbilder und die Aussagen des Opfers passen offenbar nicht zusammen. Dennoch holte man später auch die gesamte Personalakte von einem der angeschuldigten Securitas-Mitarbeiter ein.
Details zu den Aussagen der Beteiligten sind nicht bekannt. Offenbar beharren die Securitas-Leute darauf, dass sich der 37-Jährige an einem Abend «auf den Boden geschmissen» und sich so die Verletzungen selber zugefügt haben soll. Allerdings hat die Securitas einem der Hauptbeschuldigten drei Wochen nach den Vorfällen das Arbeitsverhältnis gekündigt und auch ein Hausverbot verhängt. Der 37-jährige Algerier wiederum wurde zu seinem Unmut bei den Ermittlungen gefragt, ob er mit diversen Demonstrationen gegen das Bässlergut etwas zu tun habe.
Die leitende Staatsanwältin ist in den Ausstand getreten
Die Staatsanwaltschaft wollte das Verfahren mangels konkreten Tatverdachts im Sommer 2021 eigentlich einstellen, tat dies aber nicht: Die Akten wurden schubladisiert, und während fast zehn Monaten gab es keinerlei Untersuchungen. Genau diese Untätigkeit hat nun zum Rüffel des Appellationsgerichts geführt: Einzelrichter Christian Hoenen hiess die Rechtsverzögerungsbeschwerde des Anwalts Markus Husmann gut, dieser vertritt den 37-Jährigen derzeit.
Husmann bestätigt auf Anfrage, das Verfahren gehe nun endlich voran: Alleine für diese Woche seien mehrere Einvernahmen angesetzt. Auch hat er inzwischen nachgedoppelt und einen Befangenheitsantrag gegen die leitende Staatsanwältin gestellt: Diese hat jetzt das Verfahren an einen anderen Staatsanwalt abgegeben.
Mehr als zwei Jahre nach dem Vorfall dürften Beteiligte und Zeugen allerdings kaum neue hilfreiche Aussagen machen, und auch das Appellationsgericht kritisiert im vorliegenden Urteil, dass die Erinnerungen aller Beteiligten nach derart langer Zeit verblassen. Die Untersuchung müsse nun «unverzüglich» fortgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft hatte auf ihre hohe Arbeitsbelastung hingewiesen, auch haben Fälle mit inhaftierten Beschuldigten stets Vorrang.
Noch ist unklar, wie es weitergeht: Genügen die Beweise nicht, wird die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die beiden Securitas-Mitarbeiter einstellen. Im Zweifel muss sie aber die Beschuldigten anklagen und die Beweiswürdigung damit den Richtern überlassen. Dort wiederum gilt dann die Regel: Im Zweifel gibt es einen Freispruch.
Für den 37-Jährigen wird die Geschichte so oder so kein Happy End nehmen: Im Sommer 2022 wurde er wegen eigener Delikte aus dem Strafvollzug entlassen, derzeit wird er in der Schweiz geduldet, eigentlich ist seine Wegweisung rechtskräftig. Weswegen er im Strafvollzug war, ist nicht bekannt. Weil für das Basler Verfahren seine Anwesenheit benötigt wird, hat ihm das zuständige Migrationsamt in Luzern vorläufig eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/aussage-gegen-aussage-akte-blieb-liegen-rueffel-an-die-adresse-der-basler-staatsanwaltschaft-ld.2428606)
GENF:
„Nicht nur in #Basel, sondern auch in #Genf kam es zu Polizeigewalt gegen die revolutionäre 8. März Demo. Bereits im Vorfeld gab es zahlreiche Schikanen. Trotzdem versammelten sich rund 250 Teilnehmende & zogen durch die Stadt. Schon letztes Jahr wurde die 8. März Demo angegriffen“
https://twitter.com/i/status/1635358036629020673
BERN:
Prozessauftakt gegen mutmasslichen Amokfahrer
2015 rast ein Auto in eine Kurden-Gruppe, die an einer bewilligten Demo in der Stadt Bern teilgenommen hat. Der Lenker wurde 2021 vom Regionalgericht freigesprochen. Die Berner Staatsanwaltschaft zieht den Fall nun aber ans Obergericht weiter. Dort hat heute der Prozess begonnen.
https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/prozessauftakt-gegen-mutmasslichen-amokfahrer-150515202
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derbund.ch 13.03.2023
Blutige Demo in Bern: War es doch eine Amokfahrt?
Am Rande der Kurdendemo im Jahr 2015 fuhr ein Mann mit seinem Auto in die Menge. Nach einem Freispruch steht er nun erneut vor Gericht.
Regina Schneeberger
Mehr als sieben Jahre ist es her. Erinnert sich der Mann an die Ereignisse vom 12. September 2015, wird seine Stimme aber heute noch brüchig. Kurz fliessen die Tränen, bis er sich wieder fasst, die Worte wieder findet. Seine Tochter habe geschrien, «hilf uns, sie wollen uns umbringen». Irgendwie habe er es zurück ins Auto geschafft und davonfahren können.
Wenig später sollte dann das passieren, was in der ganzen Schweiz für Schlagzeilen sorgte. Jenes Ereignis, weshalb der Mann unter anderem wegen versuchter Tötung angeklagt war. Und weshalb er nun erneut als Beschuldigter aussagen muss – diesmal vor Obergericht.
Die Videoaufnahmen, wie er mit seinem dunkelblauen Mercedes in eine Menschenmenge fuhr, kursierten überall im Internet. Doch die Demo im September 2015 war schon zuvor von Gewalt gezeichnet – mehr als 20 Verletzte und gegen 100 Anzeigen, so die erschütternde Bilanz. Am Helvetiaplatz in Bern trafen eine bewilligte Kundgebung einer Gruppierung, die der türkischen Regierungspartei AKP nahesteht, und eine unbewilligte prokurdische Gegendemonstration aufeinander. Zu einer Zeit, als der Konflikt zwischen der türkischen Armee und der kurdischen PKK in Südostanatolien eskalierte.
Prügel mit Stöcken
Auch an der Schwellenmattstrasse in Bern kam es zur Eskalation. Ein wütender Mob aus dem kurdischen Lager stellte sich zwei Fahrzeugen – eines davon war der besagte Mercedes – in den Weg. In den Autos befanden sich türkische Sympathisanten, sie waren Richtung Marzili unterwegs. Die Angreifer zerrten mehrere der Insassen auf die Strasse, prügelten mit Stöcken auf sie ein, demolierten die Fahrzeuge, traten die Windschutzscheiben ein, so wurde es in der Anklageschrift geschildert.
Der Mercedesfahrer konnte sich blutüberströmt ins Auto retten, gab Gas. Zwei der Angreifer, die noch auf dem Fahrzeug standen, schüttelte er ab. Auf dem Rücksitz sassen seine Tochter und deren Cousine. Der Beifahrer und die Leute im zweiten Wagen blieben zurück. Die Brille hatte der Mann verloren, die Windschutzscheibe war zerborsten, er sah kaum mehr, was auf der Fahrbahn war.
Das Wendemanöver
Kurz darauf erreichte er den Dalmaziquai. Gemäss seiner Aussage stellten sich ihm dort erneut Vermummte in den Weg. Ob dem so war, ist bis heute unklar. Klar ist aber: Der Beschuldigte wendete das Fahrzeug, steuerte wieder in Richtung des wütenden Mobs. Dann folgte die Fahrt in die Menge mit gut 30 Kilometer pro Stunde. Sechs Personen wurden weggeschleudert. Er sagt, er habe die Leute auf der Strasse nicht gesehen.
Der Fahrer wurde angeklagt wegen versuchter Tötung, versuchter schwerer Körperverletzung und Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von acht Jahren. Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach ihn im Juni 2021 aber von allen Anklagepunkten frei.
Das Gericht sah in seinem Fall einen entschuldigenden Notstand als gegeben. Er habe zwar Recht gebrochen, für ihn sei es aber um Leib und Leben gegangen, begründete das Gericht damals.
Staatsanwaltschaft und Zivilkläger zogen das Urteil weiter. Nun befindet das Obergericht, darüber, ob der Mann für seine Tat tatsächlich nicht verantwortlich gemacht werden kann.
Psychische Probleme
Wie er sich heute fühle, will Oberrichter Jean-Pierre Vicari wissen. «Nicht gut», sagt der 48-Jährige, der von der IV lebt. Er sei psychisch nicht gesund, leide nach wie vor unter den Vorfällen von damals. Warum er attackiert worden sei, könne er sich bis heute nicht erklären. Sie hätten ja nicht einmal an der Demonstration teilgenommen. Seine Tochter habe erst an der Kundgebung mitlaufen wollen. Doch sie hätten sich dagegen entschieden, als sie von den Krawallen mitbekommen hätten.
Auch vier Zivilkläger sagen vor Obergericht aus. Sie gehörten zum Lager der prokurdischen Gegendemonstration. Die meisten der Männer wurden in Zusammenhang mit den Gewaltexzessen verurteilt. Waren zugleich aber auch Leidtragende, denn sie wurden vom Mercedes angefahren.
Einer von ihnen sagt: «Ich habe Glück, dass ich noch lebe.» Ein anderer hat nach wie vor Schmerzen in der Schulter. Alle litten einige Zeit unter der psychischen Belastung, hatten beim Überqueren einer Strasse Probleme. «Ich möchte einfach, dass der Fahrer seine gerechte Strafe bekommt», sagt einer der Männer. Das würde ihm helfen, damit abzuschliessen.
Ob das Obergericht den Mercedesfahrer tatsächlich schuldig sprechen wird, ist offen. Das Urteil wird am Donnerstag verkündet.
(https://www.derbund.ch/war-es-doch-eine-amokfahrt-511934662242)
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Linksautonome VBZ-Angreifer kassieren Freiheitsstrafen
Angehörige der linksautonomen Szene attackierten 2017 Beamte der Zürcher Verkehrsbetriebe kurz vor einer Grosskontrolle. Nun liegt das Urteil vor.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/linksautonome-vbz-angreifer-kassieren-freiheitsstrafen-150509188
+++REPRESSION DE
„Von vorne bis hinten rechtswidrig“: Radio Dreyeckland wehrt sich gegen umstrittene Razzia
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte im Januar die Redaktionsräume von Radio Dreyeckland durchsucht, weil der Sender einen Link auf das Archiv des verbotenen Portals linksunten.indymedia.org gesetzt hatte. Die Razzia hat nun ein juristisches Nachspiel.
https://netzpolitik.org/2023/von-vorne-bis-hinten-rechtswidrig-radio-dreyeckland-wehrt-sich-gegen-umstrittene-razzia
+++SPORT
Personalisierte Tickets werden in der Super League (noch) nicht obligatorisch
Für den Eintritt an Fussballspielen der Super League sollen personalisierte Tickets möglich werden – als Massnahme gegen Ausschreitungen. Obligatorisch werden sie aber (noch) nicht. Über die Einführung entscheiden die Fussballklubs der obersten Spielklasse selbst, wie die Justizdirektorenkonferenz mitteilte.
https://www.watson.ch/sport/fussball/754502557-super-league-personalisierte-tickets-werden-nicht-obligatorisch
-> https://www.bzbasel.ch/sport/livestream-jetzt-live-kommen-wegen-der-fangewalt-nun-personalisierte-tickets-ld.2428665
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/nur-freiwillig-personalisierten-tickets-bei-fussballspielen?partId=12350344
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/keine-personalisierten-tickets-in-der-super-league-150515260
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/keine-personalisierten-tickets-behoerden-verzichten-auf-massnahme-im-kampf-gegen-fangewalt-150515143
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/personalisierte-tickets-die-clubs-koennen-diese-freiwillig-einfuehren-150515317
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/doch-keine-personalisierten-tickets-in-schweizer-fussballstadien-150515369
-> https://www.blick.ch/politik/kantone-und-klubs-entscheiden-kommen-jetzt-die-personalisierten-tickets-id18394163.html
-> https://www.derbund.ch/politik-und-polizei-scheuen-den-radikalen-schritt-1-177000115478
Nach Fussballkrawallen: So erlebten Stadionbesucher den Platzsturm im Brügglifeld
Wieder einmal kam es im Brügglifeld nach einem Fussballmatch zu Tumulten. Fans stürmten den Platz, pöbelten Spieler an und eine Scheibe ging zu Bruch. Wir berichteten gestern über den Eklat vom Wochenende. Heute erzählten uns Match-Besucher, wie sie die Krawalle erlebten. Zudem haben wir exklusive Videos.
https://www.telem1.ch/aktuell/nach-fussballkrawallen-so-erlebten-stadionbesucher-den-platzsturm-im-bruegglifeld-150515172
-> https://www.telem1.ch/aktuell/sicherheitsproblem-hat-der-fc-aarau-die-lage-nicht-im-griff-150515168
++++JUSTIZ
Gemeinsame Medienmitteilung des Bundesgerichts, des Bundes¬strafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundes¬patentgerichts zu den Geschäftsberichten 2022
https://www.bger.ch/files/live/sites/bger/files/pdf/de/211.2_02_2023_yyyy_mm_dd_T_d_11_37_31.pdf
+++KNAST
«Apropos» – der tägliche PodcastEin Verwahrter – wieder in Freiheit
Adrian Schmid verbrachte über neun Jahre im Gefängnis, ohne zu wissen, wann oder ob er wieder freikommt. Dies, obwohl er kein Vergewaltiger oder Mörder ist. Was braucht es, damit jemand verwahrt wird? Und wie findet man in der Freiheit wieder zurück in einen Alltag?
https://www.derbund.ch/ein-verwahrter-wieder-in-freiheit-425153968486
Ständerat will die Verwahrung jugendlicher Straftäter ermöglichen – Echo der Zeit
Jugendliche Straftäterinnen und Straftäter sollen verwahrt werden können, wenn sie Dritte gefährden. Der Ständerat will über Anpassungen im Jugendstrafrecht debattieren. Gegen den Willen seiner vorberatenden Kommission ist er auf die Vorlage eingetreten. Er folgt damit einem Vorschlag des Bundesrats.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/staenderat-will-die-verwahrung-jugendlicher-straftaeter-ermoeglichen?partId=12350356
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/staenderat-verwahrung-jugendlicher-straftaeter?urn=urn:srf:video:52fb7913-1c22-4d4b-bb43-48b990675d2c
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/standerat-will-die-verwahrung-jugendlicher-straftater-ermoglichen-66445653
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/972364607-staenderat-gefaehrliche-jugendliche-sollen-spaeter-verwahrt-werden
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/aenderung-jugendstrafrecht-staenderat-will-verwahrung-im-jugendstrafrecht-diskutieren
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230313164152889194158159038_bsd167.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20230313161636404194158159038_bsd160.aspx
+++BIG BROTHER
Nach massiver Kritik an Lauschangriff: SBB krebsen bei Kameraüberwachung zurück
Nach Besorgnis in der Öffentlichkeit und Politik wollen die SBB ihr geplantes Kamera-Projekt anpassen. «Das Vertrauen in die SBB ist mir sehr wichtig», sagte SBB CEO Vincent Ducrot an der Medienkonferenz.
https://www.blick.ch/politik/nach-massiver-kritik-an-lauschangriff-sbb-krebsen-bei-kameraueberwachung-zurueck-id18394095.html
-> https://www.derbund.ch/sbb-macht-2022-ein-minus-von-245-millionen-franken-880962899446
-> https://www.watson.ch/schweiz/sbb/197568526-sbb-verzichten-auf-erhebung-von-alter-oder-geschlecht-bei-messsystem
+++POLIZEI DE
Bundesregierung prägt Polizeiproblem
Neue Gedenkmünze unterstreicht das Bild einer polizeilichen Schicksalsgemeinschaft
Mit einer blauen Linie wollten US-Polizisten Schwarze Bewegungen diffamieren, seit den Zehnerjahren hält die Symbolik auch in Deutschland Einzug. Das Finanzministerium verewigt sie jetzt auf einer Sammlermünze.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171655.thin-blue-line-bundesregierung-praegt-polizeiproblem.html
+++FRAUEN/QUEER
Geschlechtsangleichung: Mädchen lassen sich ihre Brüste entfernen – «das ist Körperverletzung»
68 Mädchen liessen sich zwischen 2018 bis 2021 beide Brüste entfernen. Ein Genfer Elternverein sieht die operativen Geschlechtsangleichungen kritisch.
https://www.20min.ch/story/maedchen-lassen-sich-ihre-brueste-entfernen-das-ist-koerperverletzung-618803418171
Geschlechtsangleichung: «Es gibt keine 12-Jährigen, die sich aus einer Laune heraus operieren lassen»
David Garcia Nuñez ist Psychiater und forscht am Unispital Basel zu Geschlechtervarianz. Er kritisiert die «Zahlenspielerei» und sagt: «Brustoperationen bei Minderjährigen sind absolut seltene, aber notwendige Ausnahmen.»
https://www.20min.ch/story/es-gibt-keine-12-jaehrigen-die-sich-aus-einer-laune-heraus-operieren-lassen-573644174641
«Hate-Crime-Vorfälle unbedingt anzeigen» – Queer Thurgau diskutiert mit der Polizei und der Politik
Menschen sind wegen ihres Geschlechts oder sexueller Orientierung einer Hasskriminalität ausgesetzt. Im Kampf um gleiche Rechte sowie um politische wie gesellschaftliche Anerkennung sucht Queer Thurgau das öffentliche Gespräch mit den Behörden.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kanton-thurgau/thurgau-hate-crime-vorfaelle-unbedingt-anzeigen-queer-thurgau-diskutiert-mit-der-polizei-und-der-politik-ld.2428287
+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Massvolle Friedensdemo, britisches Migrationspaket, staatliche Feigenblätter
https://antira.org/2023/03/13/massvolle-friedensdemo-britisches-migrationspaket-staatliche-feigenblaetter/
13. Aktionswoche gegen Rassismus: Türen öffnen
Zwischen dem 18. und 25. März 2023 findet die 13. Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassismus statt. Zum dritten Mal in Folge widmet sich die Aktionswoche dem strukturellen Rassismus. Dieses Jahr geht es um die Frage, mit welchen Mitteln diese Form von Rassismus nachhaltig bekämpft werden kann.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/13-aktionswoche-gegen-rassismus-tueren-oeffnen
Wie Mikroaggressionen «racial stress» verursachen
Vor zwei Jahren stand ich in einem Secondhandgeschäft und schaute mir die silbernen Creolen in der Vitrine an. Ich mag es, in Secondhandläden einzukaufen, weil auch Dinge, so wie wir Menschen, eine Geschichte mit sich tragen. Einige Sekunden später wurde ich an einen Teil meiner Geschichte erinnert, an eine Wunde, die nicht verheilt ist.
https://tsri.ch/zh/wie-mikroaggressionen-racial-stress-verursachen.Qv6ClfLpl8deeSdM
+++RECHTSPOPULISMUS
UDC – Parti du suprémacisme blanc
L’UDC tiendra son congrès à Genève le 17 et 18 mars prochain. Regardons de plus près à quoi ressemble le premier parti de Suisse. Partie 3 – Parti du suprémacisme blanc.
l’UDC tiendra son congrès national à Genève les 17 et 18 mars 2023. Une manifestation aura lieu le deuxième jour du congrès pour s’opposer à la tenue de cet événement. Nous avons souhaité à cette occasion proposer cinq textes pour montrer l’UDC pour ce qu’elle est et combattre le mythe d’un parti proche du peuple et de ses intérêts. Alors qu’on s’inquiète des scores des candidats d’extrême-droite voire fascistes ailleurs dans le monde, nous proposons de regarder de plus près à quoi s’affaire le “premier parti de Suisse” et à quoi ressemble le projet de société il défend.
https://renverse.co/analyses/article/udc-parti-du-supremacisme-blanc-3924
+++RECHTSEXTREMISMUS
«Harus»-Rufe an «Friedens»-Demo: Warum das problematisch ist
„Zur Demonstration aufgerufen hatte die Vereinigung «Massvoll». Gekommen waren unter anderem auch die sogenannten Freiheitstrychler. Eine kurze Videoaufnahme zeigt ihren Einmarsch auf den Bundesplatz und auch, wie Mitglieder der Truppe im Chor Parolen skandieren. Beendet wird das Ganze – allerdings deutlich weniger polyfon – mit dem Ruf «Harus!». Wer ihn einstimmt, wird aus den Videoaufnahmen nicht ersichtlich.“
https://www.watson.ch/schweiz/wissen/749956203-harus-rufe-an-friedens-demo-warum-das-problematisch-ist
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tagesanzeiger.ch 13.03.2023
Reichsbürger im Baselbiet: Hier finden Staatsfeinde offene Türen
Bei Basel entsteht ein Seminarzentrum mit esoterischen Referaten und Bezügen zur Szene der Staatsverweigerer. Eine Tendenz, die in der ganzen Deutschschweiz zu beobachten ist.
Mirjam Kohler
Das Seminarhotel Leuenberg oberhalb der Baselbieter Gemeinde Hölstein ist eine eigene Welt. Der abgelegene Gebäudekomplex aus dem vergangenen Jahrhundert mit einem Hotel, einem Wohnhaus, einer eigenen Kirche und einem Restaurant erinnert an ein winziges Dorf.
Hier wollte die Baselbieter Regierung ein Erstaufnahmezentrum für Geflüchtete einrichten. Doch daraus wurde nichts, weil der Leuenberg verkauft wurde. Seit Jahren scheitern hier Wiederbelebungsversuche.
Nun soll den neuen Pächtern das scheinbar Unschaffbare gelingen. In Hölstein, selbst vom Strukturwandel betroffen, freut man sich, dass der Leuenberg eine neue Chance bekommt, dass Wanderinnen und Wanderer hier bald wieder einkehren können. Ein Mehrwert, auch für die Dorfbevölkerung.
Eine Idylle, die beim genaueren Hinschauen Risse erhält.
Fantasiepass-Workshop kann mit Silber bezahlt werden
Bis 2015 wurde der Leuenberg von der reformierten Kirche als Tagungsort genutzt. Seminare führen auch die neuen Pächter des Begegnungszentrums Leuenberg durch. Der Mann, der für die Organisation der Seminare verantwortlich ist, war bis vor kurzem mitverantwortlich für ein «Begegnungszentrum» in Aarau.
Recherchen dieser Zeitung zeigen: Dort fanden mehrfach Reichsbürgerveranstaltungen statt. Reichsbürger glauben aus unterschiedlichen Gründen, dass die Schweiz in der heutigen Form kein existierender Staat sei. Sie lehnen den Staat deswegen ab, teilweise wollen sie ihn auch aktiv bekämpfen.
Im Begegnungszentrum Aarau gab es im November 2022 ein Workshop zu sogenannten «Lebenderklärungen» – einem in Reichsbürgerkreisen verbreiteten Fantasiepass, der die Inhaber vom Staat und seinen Gesetzen lossagen soll.
Der Kurs konnte in Schweizer Franken oder in Silber bezahlt werden. Ein Foto des Anlasses, das dieser Redaktion vorliegt, legt nahe, dass die Geschäftspartnerin des Leuenberg-Seminarverantwortlichen eine solche Lebenderklärung erstellte.
«Staatssimulation» und eine Vision
Ebenfalls im November 2022 erklärte ein Reichsbürger im Aarauer Begegnungszentrum die «Staatssimulation» der Schweiz. Die Reichsbürgerreferate sind nicht das Einzige, was in diesem Zusammenhang auffällt. Der Seminarverantwortliche des Leuenbergs nennt sich auf dem Messengerdienst Telegram «der Erschaffer». Den Leuenberg bezeichnet er als «Begegnungszentrum der neuen Welt».
Um eine neue Welt ging es auch bei einer Veranstaltung, die im Herbst 2022 in der Baselbieter Gemeinde Reinach stattfand. Unter dem Titel «Die neue Erde – unsere gemeinsame Vision – Umsetzung» fanden mehrere Referate statt. Das zeigen Veröffentlichungen des Recherchekollektivs «Betonmalerinnen».
Am Seminar sprachen zwei Personen vom Leuenberg. Wie alle anderen Referentinnen und Referenten waren sie auf dem Programm in der Reichsbürgerschreibweise «:vorname» angekündigt. Eine Schreibweise, die auch andere Personen aus dem Umfeld des Leuenbergs für sich selbst verwenden.
Einer der anderen Referenten ist Vertreter der Reichsbürgergruppierung Königreich Deutschland. Das «Königreich» geriet in den vergangenen Monaten in die Schlagzeilen, weil die Gruppierung in Deutschland, aber auch der Schweiz Grundstücke und Immobilien erwirbt. Ihr Ziel ist es, das «Staatsgebiet» des Königreichs zu vergrössern und ungestört beispielsweise Seminare abhalten zu können.
-> Königreich Deutschland: Reichsbürger auf Expansionskurs: https://youtu.be/aOjHs_pMbOg
Eine weitere Referentin ist Vertreterin von Wissen schafft Freiheit (WSF). Die Gruppe mit verschwörungsideologischen Bezügen baut im deutschsprachigen Raum Schulen nach dem Prinzip Schetinin auf. Die Pädagogik ist in den Post-Corona-Bewegungen – also bei Menschen, die durch die Corona-Massnahmen eine staatskritische Einstellung entwickelten beziehungsweise verfestigten – beliebt. Aber auch in der völkisch-esoterischen Anastasia-Bewegung.
Die Bewegung gilt als demokratie- und fortschrittsfeindlich, verschwörungsideologisch, rassistisch und antisemitisch. Zentrales Element der Bewegung ist die angestrebte Lebensweise: naturnah und möglichst viel Selbstversorgung. Die Bewegung gründet dazu auch eigene Siedlungen.
-> Anastasia-Bewegung in Deutschland: https://youtu.be/rowzveQexzc
Teil der «neuen Erde» soll auch die «Germanische neue Medizin» sein. Eine weitere Referentin behandelte diese in ihrem Referat. Es handelt sich dabei um eine wissenschaftsfeindliche Pseudomedizin mit rassistischen und antisemitischen Elementen. Ihr Gründer sagte beispielsweise, die Chemotherapie sei von Juden erfunden, um damit Nicht-Juden umzubringen. Die Ideologie sorgte für Schlagzeilen, weil sich Anhängerinnen und Anhänger selbst bei schwersten Erkrankungen der Schulmedizin verweigerten – und starben.
Die Veranstaltung fand statt, als ebendiese beiden Referierenden auf dem Leuenberg federführend waren. Sie planten nicht nur die Wiederbelebung des Seminarhotels, sondern auch nachhaltige Landwirtschaft mit dem Ziel der Selbstversorgung. Zudem sollten eine eigene Schule, Kräuterheilkunde oder Heilkost verwirklicht werden.
Diese Pläne des Leuenbergs wurden auch durch die Gruppierung Neues Dorf Nordwestschweiz beworben. Deren Ziel ist es unter anderem, Selbstversorgungsgemeinschaften zu errichten. Deren angestrebte Lebensweise erinnert nicht ohne Grund an die Anastasia-Bewegung. Der Gründer steht der Bewegung nahe.
Gescheiterte Vision
Wie die jetzigen Verantwortlichen des Leuenbergs betonen, sei diese Vision gescheitert. Man distanziere sich davon. Das einzige Ziel der neuen Führung, die seit Anfang 2023 verantwortlich sei: den Leuenberg durch das Abhalten von Seminaren möglichst schnell in die schwarzen Zahlen zu führen. Selbstversorgung oder die Gründung einer Schule seien kein Thema mehr.
Das bestätigt die Baselbieter Bildungsdirektion. In den vergangenen Monaten sei ein Gesuch zur Gründung einer privaten Schule auf dem Leuenberg eingegangen, jedoch wieder zurückgezogen worden.
Recherchen dieser Zeitung zeigen, dass die Personen, die an der Veranstaltung «Die neue Erde – unsere gemeinsame Vision – Umsetzung» referierten, noch immer auf dem Leuenberg arbeiten.
Gekauft wurde der Leuenberg von einer Immobilienfirma aus dem Kanton Zug, gemäss Darstellung des Leuenbergs handelt es sich dabei um einen rein finanziellen Transfer ohne ideologischen Hintergrund.
Wenige Tage nach der Ankündigung des Kaufs konfrontierte diese Zeitung den Leuenberg zum ersten Mal betreffend der Anastasia- und Reichsbürgernähe. Es kam keine Antwort.
Esoterische Seminare
Beim Seminar in Reinach handelte es sich nicht um ein einmaliges Aufeinandertreffen dieser Personen und ihrer Ideologien. Personen aus dem Umfeld des Leuenbergs stehen schon länger im Austausch mit Wissen schafft Freiheit und bewarben ihr Vorhaben der Schulgründung bei WSF.
Die Schweizer Vertreterin von WSF hielt sowohl im Aarauer Begegnungszentrum als auch im Begegnungszentrum Leuenberg Workshops und Referate. Einer der Gründer von WSF soll ausserdem im Mai auf dem Leuenberg ein Seminar abhalten. Seine Themen unter anderem: Heilkräuter und die «Germanische neue Medizin».
Im Juni soll auf dem Leuenberg eine Mittsommer-Feier nach germanischer Tradition mit Aktivitäten wie Beilwerfen und Bogenschiessen stattfinden. Solche Feiern sind auch bei Rechtsextremen und der Anastasia-Bewegung weit verbreitet.
Geplant ist weiter ein Seminar mit UFO-Experte Erich von Däniken zum Thema «Besuch der Ausserirdischen». Mitte März hält die als esoterisch und sektiererisch geltende World Foundation for Natural Science ein zweitägiges Seminar auf dem Leuenberg ab.
Leuenberg als typisches Beispiel
«Die Angebote des Seminar- und Begegnungszentrums Leuenberg passen bestens in die Landschaft der Post-Corona-Bewegungen Urig und Graswurzle, sagt Sektenexperte Georg Schmid. Die Lokalgruppen dieser Bewegungen würden sich «massiv vermehren», so Schmid. Der Bezug ins Staatsverweigerungsmilieu sei dabei typisch.
Die Entwicklung auf dem Leuenberg sei exemplarisch für die Deutschschweiz. Hier würden laufend solche Begegnungszentren entstehen.
Auf dem Leuenberg will man von nichts wissen
Leo Gschwind, Medienverantwortlicher des Seminarzentrums Leuenberg, schreibt auf Anfrage dieser Zeitung: «Wir sind ideologisch, religiös und politisch völlig unabhängig!» Der Leuenberg übernehme keine Verantwortung für die Gesinnung von Kursanbietern sowie deren Teilnehmenden. Man identifiziere sich nicht mit deren Inhalten.
Wenige Stunden nach dieser Stellungnahme äussert sich der Seminarverantwortliche des Leuenbergs in einer Telegram-Gruppe einmal mehr euphorisch über einen Workshop zum Thema «Autofahren mit Wasser», der an diesem Abend auf dem Leuenberg stattgefunden hat.
Menschen sämtlichen Alters, Herkunft oder Ethnie seien willkommen, führt der Leuenberg-Sprecher weiter aus. Der Seminarverantwortliche des Leuenbergs habe in Aarau den Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern lediglich den Raum zur Verfügung gestellt.
WSF sei der Gruppe unbekannt, ebenso das Königreich Deutschland und die Bedeutung der Reichsbürgerschreibweise «:vorname», so der Sprecher.
Die «neue Welt» im Namen des Seminarzentrums erklärt Gschwind wie folgt: «Für uns ist die sogenannte neue Welt eine ideologisch und religiös freie und politisch unabhängige Ausrichtung.»
Problematik durch Querulanten nimmt zu
Die Gemeinde Hölstein äussert sich auf Anfrage nicht zur Thematik. Man habe selbst noch keine vertieften Einblicke in die Pläne des Leuenbergs.
Obwohl ein Grossteil der Post-Corona-Bewegungen den Staat durchaus anerkenne, gäben sie der Staatsverweigerung eine Plattform, welche diese gerne nutze, so Sektenexperte Georg Schmid.
Er warnt: «Während die Gesellschaft eine überschaubare Zahl von Menschen mit querulantischen Thesen gut wegstecken kann, wird die Problematik durch deren wachsende Zahl immer gravierender. Wenn der Leuenberg zu einer Basis der Verbreitung von Staatsverweigerungslehren würde, wäre das hochproblematisch.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/hier-finden-staatsfeinde-offene-tueren-105552851824)
+++HISTORY
Rechte Geschlechterpolitik: Im Westen nichts Neues
Die Soziologin Clare Sears forscht zu »Crossdressing-Bans« in den USA des 19. Jahrhunderts – den Vorläufern der aktuellen Drag-Verbote
Die Soziologin Clare Sears forscht zu »Crossdressing-Bans« in den USA des 19. Jahrhunderts. Sie sind die Vorläufer der aktuellen Drag-Verbote, welche die US-Rechte anstrebt.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171645.soziologin-clare-sears-rechte-geschlechterpolitik-im-westen-nichts-neues.html
Die Geschichte der Saisonniers der Region
Im Neuen Museum Biel erzählen ehemalige Saisonniers, wie es war, als billige Arbeitskraft in der Schweiz zu arbeiten. (ab 05:30)
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2023-03-13
+++AARGAU
nzz.ch 13.03.2023
«Irgendwo gibt es immer Lämpen mit Asylunterkünften»: Aargauer Politiker nehmen Stellung zum Fall Windisch
Im Aargau gehen die Wogen öfters hoch beim Thema Asyl, zuletzt in Windisch. Der Aargauer Landammann Jean-Pierre Gallati und der Stadtpräsident von Aarau, Hanspeter Hilfiker, sprechen über mangelnde Unterkünfte, Hotspots und Kommunikationsfehler.
Erich Aschwanden und Irène Troxler
Herr Gallati, der Fall Windisch hat für eine schweizweite Asyldebatte gesorgt. «Mieter erhalten die Kündigung, damit Flüchtlinge einziehen können», war eine Schlagzeile. Was lief da schief?
Jean-Pierre Gallati: Der Kantonale Sozialdienst hat Fehler gemacht. Einerseits plante er den Ablauf falsch. Andererseits hat er unterschätzt, wie die Kündigungen, die die Vermieterin ausgesprochen hat, auf die Mieterschaft, die kommunalen Behörden und die Öffentlichkeit wirken. So konnte sich am Fall Windisch eine nationale Asyldebatte entzünden.
Wie kam es zu diesen Kündigungen?
Gallati: Die neue Eigentümerin hat die Liegenschaft vor ein paar Monaten gekauft. Sie schloss daraufhin mit dem Kantonalen Sozialdienst einen Mietvertrag für drei Jahre ab. Als Zwischenlösung sollten Flüchtlinge in die drei Häuser einziehen, die für einen Neubau abgebrochen werden sollen. Nach Vertragsabschluss hat die Vermieterin die Kündigungen verschickt.
Was würden Sie rückblickend anders machen?
Gallati: Wir würden zuerst mit den Mietern sprechen und ihnen die Situation erklären: dass die neue Eigentümerin die Gebäude ohnehin bald abbrechen wird und dass wir bis zum Abbruch minderjährige Asylsuchende hier einquartieren wollen. Dann würden wir die Gemeindebehörden informieren und die Öffentlichkeit.
Ist das Projekt nun auf gutem Weg?
Gallati: Ich denke schon. Ich gehe davon aus, dass wir diese Unterkunft für fünfzig bis siebzig Minderjährige in Betrieb nehmen können.
Herr Hilfiker, welche Lehren ziehen Sie als Stadtpräsident von Aarau aus diesem Fall?
Hanspeter Hilfiker: Der Vorfall ist eine Bestätigung für das, was wir bereits aus eigener Erfahrung wissen: Die Kommunikation ist enorm wichtig. Die Stadt Aarau beherbergt zusammen mit Buchs und Suhr die meisten Asylsuchenden im Kanton Aargau. Daher wissen wir, wie brisant das Thema ist. Wenn man Flüchtlinge in Wohngebieten unterbringen muss und nicht sagen kann, wie lange sie bleiben, ist das immer heikel.
Warum?
Hilfiker: Die untergebrachten Flüchtlinge verschwinden ja nicht einfach in ihrer Unterkunft, sondern bewegen sich in ihrem Umfeld. In Aarau gibt es beispielsweise beim Bahnhof einen Hotspot, wo es immer wieder zu Polizeieinsätzen kommt und die Sozialarbeit tätig ist. Das hat häufig mit jungen, asylsuchenden Männern zu tun, die sich dort tagsüber und abends treffen.
Der Fall Windisch hat politisch hohe Wellen geschlagen. Am heftigsten war die Kritik Ihrer Partei, der SVP, Herr Gallati. Wie gehen Sie damit um?
Gallati: Solche Angriffe werfen mich nicht aus der Bahn. Nach drei Jahren Corona bin ich in dieser Hinsicht einiges gewohnt. Ich wirke hier nicht als Vertreter einer Partei, sondern als Regierungsrat. Als solcher habe ich die Aufgabe, bestehende Gesetze umzusetzen.
Der SVP-Präsident Marco Chiesa hat sie im «Blick» aufgefordert, über die Bücher zu gehen und dafür zu sorgen, dass die Mieter in ihren Wohnungen bleiben können.
Gallati: Marco Chiesa hat mich bei anderen Gelegenheiten auch schon persönlich angerufen. In den letzten Monaten war dies nicht der Fall. Seine Kritik via «Blick» habe ich gar nicht mitbekommen. Es ist ja normal, dass man ab und zu unterschiedlicher Meinung ist.
Hilfiker: Das Thema Asyl ist mit vielen Emotionen verbunden und wird ganz gezielt bewirtschaftet. Das hat sich in den letzten Wochen einmal mehr gezeigt. Nachdem sich der Kanton entschuldigt hat und klar ist, dass den Mietern nicht aus Böswilligkeit gekündigt wurde, scheint der Hype um Windisch jetzt wieder abgeflaut zu sein.
Im Aargau kochen Asylthemen besonders häufig und heftig hoch.
Gallati: Tatsächlich kommt es immer wieder zu Konflikten. Das reicht zurück bis in die 1980er Jahre. Irgendwo gibt es immer Lämpen mit Asylunterkünften. Zuerst war es eine Gemeinde im Westaargau, die sich gegen die Aufnahme von Asylsuchenden wehrte. Später wurde Bettwil wegen seines Widerstands gegen eine Asylunterkunft in der ganzen Schweiz bekannt. Es gab immer wieder Gemeinden, die ein Fanal setzten. Es kommt zu Blockaden mit Traktoren, und für die kantonalen Repräsentanten wird ein Besuch in diesen Orten zu einem Spiessrutenlauf. Wenn in Windisch nichts passiert wäre, hätte es mit Garantie an einem anderen Ort in der Schweiz einen Vorfall gegeben. Im Kanton Aargau läuft aber die Kooperation zwischen Kanton und Gemeinden auch im Asylbereich sehr gut.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Asylprognose des Bundes gesehen haben? 24 000 bis 40 000 Asylsuchende werden im Jahr 2023 in der Schweiz erwartet.
Hilfiker: Es bleibt uns als Gemeinden nicht viel anderes übrig, als diese Menschen aufzunehmen und zu betreuen. Was die Zahlen betrifft: 2022 hatten wir deutlich mehr Asylsuchende als beispielsweise 2015. Positiv war, dass wir trotz dieser hohen Zahl praktisch keine polizeilichen Auffälligkeiten hatten.
Nun müssen Sie sich wieder vermehrt auf Flüchtlinge aus Asien und Afrika einstellen.
Hilfiker: Ja, und auch auf mehr junge Männer. Das wird wieder mehr Aufmerksamkeit im Parlament und in den Medien generieren. Wir versuchen, uns darauf vorzubereiten, unter anderem mit einem neuen präventiven Patrouillendienst. Damit können wir an unseren Hotspots aktiv werden, ohne immer gleich ein Polizeiaufgebot zu schicken.
Das klingt nicht, als ob sie alarmiert wären.
Hilfiker: Alarmiert nicht, aber wir müssen uns vorbereiten.
Wie bringen Sie all diese Flüchtlinge in Aarau unter?
Hilfiker: Wir haben einige eigene Unterkünfte und zusätzlich kantonale Unterkünfte auf unserem Stadtgebiet. Zusätzlich soll nun die Geschützte Operationsstelle (Gops) des Kantonsspitals Aarau für weitere 160 Flüchtlinge vorbereitet werden. Das ist eine unterirdische Zivilschutzanlage, die schon früher zur Aufnahme von Asylsuchenden diente. Die Unterbringung unter dem Boden ist natürlich nicht ideal. Für Familien, etwa aus der Ukraine, konnten wir solche Situationen bisher verhindern. Wir haben nun einen oberirdischen Aufenthaltsraum eingerichtet, um die Situation zu verbessern. Zusätzlich könnten wir notfalls auch auf weitere Zivilschutzanlagen zurückgreifen. Wichtig ist, dass wir die Unterbringung rechtzeitig vorbereiten und nicht plötzlich hektisch irgendwo Leute einquartieren müssen, ohne dass die Anwohner informiert sind.
Werden denn die Kantone rechtzeitig vom Bund informiert, Herr Gallati? Und funktioniert die Zusammenarbeit?
Gallati: Ja, die Prognosen des Bundes waren in den letzten drei Jahren recht gut. Wir haben in Brugg auch ein Bundesasylzentrum für Personen, deren Gesuch abgewiesen wurde. Dort leben über 200 Menschen. Jetzt sollen es noch mehr werden. Wir waren zuerst skeptisch, aber es hat sich gezeigt, dass die Einrichtung funktioniert. Für die Stadt Brugg hat dies den Vorteil, dass sie weniger andere Asylsuchende aufnehmen muss, weil ihr die Personen im Bundesasylzentrum angerechnet werden.
Alles bestens also?
Gallati: Die Zusammenarbeit mit dem Bund funktioniert aus meiner Sicht tatsächlich gut. Und wenn ich ein Problem habe, gehe ich damit nicht an die Öffentlichkeit, sondern ich schreibe den Verantwortlichen einen Brief. Der Kanton Aargau hat im Februar beispielsweise einen Aufnahmestopp von vier Wochen für unbegleitete Minderjährige verlangt und erhielt dies bewilligt. Natürlich müssen wir den Rückstand der zu wenig aufgenommenen Personen später wieder kompensieren.
Wie lange geht das gut, wenn immer mehr Flüchtlinge kommen? Sie haben ja auch Engpässe bei der Betreuung.
Gallati: Wir haben ein Personalproblem, ja, aber ich will nicht jammern, das kennen heute fast alle Branchen. Wenn es so weitergeht, stellt sich die Frage: Sind wir noch aufnahmefähig? Der Bund sollte solche Szenarien im Auge haben. Er hat dafür gemäss Asylgesetz auch einen Werkzeugkasten.
Was befindet sich in diesem Werkzeugkasten?
Gallati: Die Schweiz könnte gemäss Artikel 15 des Asylgesetzes in Ausnahmesituationen die Voraussetzungen für Asyl anpassen. Sie könnte beispielsweise nur noch vorübergehend Asyl gewähren oder internationale Verhandlungen über die Verteilung von Flüchtlingen aufnehmen. Weiter sieht dieser Gesetzesartikel vor, dass die Schweiz nur so lange Asyl gewährt, wie ihr dies möglich ist. Was sich davon wirklich umsetzen lässt, ist aber offen.
Der Kanton Aargau hat die Notlage erklärt, ebenso wie der Kanton Luzern. Weshalb?
Gallati: Wir haben die Prognose des Bundes angeschaut und nachgerechnet, wie viele Unterkünfte wir bereitstellen können. Je nach Szenario werden wir im April oder im Juli am Anschlag sein.
Hilfiker: Es wird tatsächlich enger. Zwar gibt es immer noch neue private Unterbringungen, allerdings nur noch sehr wenige. Von den Ukrainerinnen und Ukrainern kamen letztes Jahr bis 80 Prozent privat unter. Heute sind immer noch 38 Prozent bei Gastfamilien. Bei den Flüchtlingen aus Asien und Afrika sind die Anteile deutlich tiefer.
Verändert die Erfahrung mit der ukrainischen Flüchtlingswelle auch den Umgang mit anderen Asylbewerbern?
Hilfiker: Ja, man kann tatsächlich gewisse Lehren ziehen. Wir haben beispielsweise realisiert, dass es viele Angebote privater und gemeinnütziger Organisationen gibt – von Deutschkursen über Sporttrainings bis zu allerlei Beratungen –, die wir noch besser kommunizieren sollten. Unsere Regionale Integrationsfachstelle leistet da gute Arbeit.
Gilt das auch für Flüchtlinge, die nicht aus der Ukraine kommen?
Hilfiker: Diese Angebote wurden nicht wegen der Ukraine-Krise kreiert, sondern aus dem Bedürfnis heraus, geflüchteten Menschen zu helfen.
Gallati: Der Kanton Aargau hat die Caritas für die Betreuung der Gastfamilien beigezogen. Sie hilft, wenn es Fragen zum Zusammenleben gibt oder wenn Schwierigkeiten auftreten. Dies entlastet die Behörden in den Städten und Gemeinden.
Hilfiker: Solche Angebote helfen uns sehr. Bei den Ukrainern kommt der heikle Moment, wenn der Aufenthalt bei der Gastfamilie endet und sie eine andere Unterkunft suchen müssen. Um hier möglichst gute Lösungen zu finden, haben die Gemeinden dem Kanton vorgeschlagen, dass er eine Clearingstelle schafft und von dort aus die Verteilung organisiert. Das ist aber nicht geschehen.
Gallati: Wir haben den Gemeinden Kontingente zugeteilt, wie viele Personen mit Schutzstatus S sie aufnehmen müssen. Wenn sie nicht erfüllt werden, kostet es 90 Franken pro Tag und Platz. Im ganzen Jahr beläuft sich diese Ersatzabgabe auf fast 33 000 Franken. Vor allem für kleinere Gemeinden ist das ein hoher Betrag.
Sind Container eine gute Möglichkeit, um Asylsuchende unterzubringen?
Hilfiker: Für die Stadt Aarau ist dies in absehbarer Zeit keine Lösung. Wir haben die erwähnte unterirdische Zivilschutzanlage. Dort werden wir aber wenn möglich keine Familien unterbringen. Für Gemeinden, die keine solchen Möglichkeiten haben, sind Container sicher eine Alternative. Es gibt auch Schulcontainer und andere provisorische Unterkünfte.
Gallati: In den meisten Fällen kann man nicht einfach einen Container hinter dem Gemeindehaus aufstellen, wie sich das einige vorstellen. Das Problem ist, dass der Standort zonenkonform sein muss. Mit der kantonalen Notlageverordnung haben wir geprüft, ob provisorische Bauten zur Unterbringung von Asylsuchenden auch ausserhalb der Bauzone aufgestellt werden dürfen. Das geht leider nicht. Wir können nicht mit kantonalem Notrecht Bundesrecht brechen.
Könnte der Bund dafür eine rechtliche Grundlage schaffen?
Gallati: Wir haben in den letzten drei Jahren im Zusammenhang mit Corona gesehen, was der Bund alles kann, wenn es eine Notlage gibt. Momentan fordere ich aber keine solche Ausnahmeregelung.
Wie läuft die schulische Integration?
Hilfiker: Die Schule hat sich als erstaunlich flexibel erwiesen. In der Kreisschule Aarau haben wir auf der Oberstufe zwei Schulklassen mit Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine gebildet. Die Jüngeren wurden in die Regelklassen integriert. Es lief zwar nicht alles reibungslos, aber es hat funktioniert.
Und die Integration in den Arbeitsmarkt?
Gallati: Im Kanton Aargau beträgt die Erwerbsquote bei Flüchtlingen aus der Ukraine rund 15 Prozent. Das ist nicht berauschend. Häufig sind die Qualifikationen nicht so gut, wie wir uns das erhofft haben. Viele der Geflüchteten sind auch junge Mütter, die ihre Kinder betreuen müssen und deshalb nicht arbeiten können.
Hilfiker: Bei den Flüchtlingen aus Asien oder Afrika, also zum Beispiel aus Afghanistan oder Eritrea, ist die Integration noch viel schwieriger. Das sehen wir zum Beispiel bei den Lehrstellen, die wir in einem städtischen Restaurant zur Verfügung stellen. Das Erfolgsmodell in diesem Bereich haben wir noch nicht gefunden. Am ehesten klappt es noch in der Pflege, wo relativ viele mit einer Anlehre den Einstieg ins Berufsleben schaffen, allerdings erst, wenn sie schon zehn oder fünfzehn Jahre in der Schweiz sind. Der Integrationsprozess dauert einfach lange. Im internationalen Vergleich ist der Schweizer Weg aber recht erfolgreich.
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Jean-Pierre Gallati
Der SVP-Politiker Jean-Pierre Gallati ist Vorsteher des Aargauer Departements für Gesundheit und Soziales und in diesem Jahr Landammann. Er wurde 2009 in den Grossen Rat gewählt und ist seit 2019 Regierungsrat.
Hanspeter Hilfiker
2013 wurde der freisinnige Hanspeter Hilfiker in den Stadtrat von Aarau gewählt. Zunächst leitete er das Ressort Kultur und Sport. 2017 wählte ihn Aarau zum Stadtpräsidenten.
(https://www.nzz.ch/schweiz/interview-asyl-kampf-zwischen-kantonen-und-gemeinden-jean-pierre-gallati-aargau-und-hansruedi-hilfiker-aarau-ld.1728610?mktcid=smch&mktcval=twpost_2023-03-13)