Medienspiegel 3. März 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Interpellation SP: Praxis der fünf regionalen Partner, die für die Integration, Unterbringung und Unterstützung von Asylsuchenden zuständig sind, bei der Festlegung des Mietzinses von Wohnungen für Asylsozialhilfebeziehende
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=6cede16522574f5387c61b51ca8dcf32


Profit auf Kosten der Ärmsten: Rotes Kreuz verlangt horrende Mieten für Asylwohnungen
Dem Schweizerischen Roten Kreuz wird vorgeworfen, sich bei der Weitervermittlung von Wohnungen an Asylsuchenden zu bereichern. Dies zeigt ein Beispiel aus der Berner Gemeinde Wohlen. Das SRK verteidigt sich – doch der Kanton sieht Handlungsbedarf.
https://www.blick.ch/politik/profit-auf-kosten-der-aermsten-rotes-kreuz-verlangt-horrende-mieten-fuer-asylwohnungen-id18366099.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/zoff-um-rotes-kreuz-wegen-mega-miete-fur-asylwohnungen-66436657


+++AARGAU
Kämpferisch: Zeigen sich die Mieter von Windisch nach der Wohnungskündigung
Die Mieter, die in Windisch aus ihren Wohnungen geworfen werden, wollen sich gegen die Kündigungen wehren. Gleichzeitig zeigt ein Augenschein vor Ort, das Vertrauen in den Kanton fehlt komplett.
https://www.telem1.ch/aktuell/kaempferisch-zeigen-sich-die-mieter-von-windisch-nach-der-wohnungskuendigung-150366459
-> https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/geplante-asylunterkunft-ist-und-bleibt-ein-rotes-tuch-das-musst-du-wissen-150360687


In eigener Sache: 20 Minuten weist unredliche Vorwürfe der SP-Parteileitung zurück
Die SP verunglimpft 20 Minuten in einer Social-Media-Kampagne. Chefredaktorin Désirée Pomper weist die geäusserten Vorwürfe mit Nachdruck zurück und appelliert an Fairness und Respekt vor der freien Presse auch im Wahljahr 2023.
https://www.20min.ch/story/im-fall-windisch-weist-20-minuten-unredliche-vorwuerfe-der-sp-parteileitung-zurueck-659723780022


Platz für über 300 Geflüchtete: Kanton bereitet Notunterkünfte in Lenzburg und Aarau vor
Um mehr Platz für Geflüchtete zu schaffen, bereitet der Kanton bereits die nächsten Notunterkünfte vor. Vor der Inbetriebnahme in Lenzburg sind aber noch bauliche Massnahmen notwendig.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylkrise-platz-fuer-300-gefluechtete-kanton-bereitet-notunterkuenfte-in-lenzburg-und-aarau-vor-ld.2424257
-> https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/vorbereitungen-laufen-an-fuer-notunterkuenfte-in-lenzburg-und-aarau-150361270
-> https://www.ag.ch/de/aktuell/medien/medienmitteilungen?mm=bereitstellungsarbeiten-fuer-notunterkuenfte-in-lenzburg-und-aarau-e1630a14-97f2-4fd4-8f07-16b735301f45_de


+++THURGAU
tagblatt.ch 03.03.2023

«Wer auf dem Gang schläft, tut dies freiwillig»: Staatssekretariat für Migration bezieht Stellung zu den Vorwürfen aus der Notasylunterkunft Steckborn

Ein Mann, der in der Notasylunterkunft Steckborn untergebracht war, äusserte gegenüber dieser Zeitung happige Vorwürfe zur Unterbringung. Nun nimmt das Staatssekretariat für Migration (SEM) Stellung.

Janine Bollhalder

Ein ruhiges Bild gegen aussen, aber spürbar unterschwellige Spannungen: Die Flüchtlingsnotunterkunft an der Talstrasse in Steckborn sorgt für erhitzte Gemüter. Beim einem Augenschein der Thurgauer Zeitung vor Ort schilderte eine junge Mutter den Angriff eines Asylsuchenden auf ihren Mann mit den Worten: «I’ll kill you.» Der Kioskbetreiber am Bahnhof berichtete von Diebstählen und Belästigungen. Ein Mann, der bereits zwei Monate in der Unterkunft verbracht hatte, sagte: «Die Situation in der Unterkunft ist schrecklich.»

Er berichtete unter anderem von einer prekären Schlafsituation sowie Magen-Darm-Krankheiten wegen unhygienisch zubereiteten Essens. Ähnliche Aussagen gibt es in einem Artikel des «Blick» zu lesen, dessen Reporter ebenfalls vor Ort mit Asylsuchenden gesprochen hat – die Rede ist vom Auseinanderreissen von Familien und von Atemwegserkrankungen. Die Notasylunterkunft in Steckborn wird vom Staatssekretariat für Migration (SEM) geleitet. Mediensprecher Reto Kormann nimmt im Namen des SEM zu den Vorwürfen Stellung.

Von einem Asylsuchenden heisst es, die Zimmer der Unterkunft seien überfüllt, manche Personen würden auf dem Gang schlafen. Wie beurteilen Sie die Situation?

Reto Kormann: Die Anlage bietet Platz für 270 Personen. Stand 2. März sind 117 Personen untergebracht. Niemand muss auf dem Gang oder gar auf dem Boden schlafen. Wer das macht, tut es freiwillig, warum auch immer.

Wie kann man sich die Infrastruktur des Notasylzentrums Steckborn vorstellen?

Die Anlage umfasst zehn Schlafräume, fünf Badezimmer und drei Aufenthaltsräume. Ausserdem steht den Asylsuchenden tagsüber ein externer, oberirdischer Aufenthaltsraum zur Verfügung.

Wie werden die Zimmer aufgeteilt?

Wenn die Kapazitäten und Raumverhältnisse es erlauben, können Familien gemeinsam in einem Raum schlafen. Falls das jedoch nicht möglich ist, werden die Asylsuchenden nach Geschlechtern getrennt untergebracht, Frauen mit Kindern kommen in ein Zimmer mit anderen Frauen mit Kindern.

Ein Asylsuchender erwähnt, dass das servierte Essen krank mache und unter unhygienischen Zuständen zubereitet werde.

Das Essen liefert ein lokaler Anbieter. Die Hygienevorschriften für das Gastronomieunternehmen erlässt und kontrolliert der Kanton Thurgau. Dem SEM sind keine gesundheitlichen Probleme bekannt, die im Zusammenhang mit der Verpflegung der Unterbringung in Steckborn stehen.

Dürfen die Asylsuchenden beim Kochen mithelfen?

Das ist nicht möglich, weil das Essen bereits zubereitet angeliefert wird.

Können die Asylsuchenden aus Glaubensgründen auf Schweinefleisch verzichten oder eine vegane Mahlzeit wünschen?

In den Bundeszentren wird generell kein Schweinefleisch serviert. Auf Wunsch werden vegetarische oder vegane Mahlzeiten zubereitet.

Gibt es Konflikte zwischen Mitarbeitenden und Asylsuchenden?

In einer Kollektivunterkunft, in der verschiedene Altersstufen, Gewohnheiten, Bedürfnisse, soziale Prägungen und Glaubensrichtungen aufeinandertreffen, lässt es sich nicht vermeiden, dass es hin und wieder zu Diskussionen kommt. Sei es unter den Bewohnerinnen und Bewohnern wie auch mit den Mitarbeitenden. Dem SEM sind jedoch keine Zwischenfälle in der Steckborner Anlage bekannt, die über normale Alltagsdiskussionen hinausgehen.

Wie viele Personen arbeiten in der Notasylanlage Steckborn?

Mitarbeitende der Betreuung und Sicherheit sind rund um die Uhr vor Ort. Tagsüber sind bis zu acht Sicherheitsangestellte und bis zu fünf Betreuende im Einsatz, nachts sind es vier Sicherheitsangestellte und eine betreuende Person.

Was ist die Aufgabe der Sicherheitskräfte, die man am Ein- und Ausgang der Anlage sieht?

Die Sicherheitsangestellten im Eingangsbereich machen Personenkontrollen. Sie registrieren die Ein- und Austritte und stellen sicher, dass keine verbotenen Gegenstände wie Messer oder Alkohol in de Unterkunft gelangen. Sie achten auch darauf, dass die Asylsuchenden rechtzeitig für anstehende Termine losgeschickt werden.

Gibt es Probleme mit Drogen im Zentrum?

Weniger mit Drogen, eher mit Alkohol und Medikamenten. Aber das ist kein Steckborn-spezifisches Problem, sondern allgemein Thema in den Bundesasylzentren. Alkohol darf gemäss Regelung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements nicht in die Anlage eingeführt werden. Das Verbot dient unter anderem auch dem Schutz der Frauen und Kinder in den Unterkünften.

Haben Sie, seit die Anlage in Steckborn in Betrieb ist, Beschwerden aus der Bevölkerung erhalten?

Vereinzelt hat das SEM Beschwerden aus der Bevölkerung Steckborns erhalten und diese auch beantwortet. Regelmässig finden Austauschsitzungen zwischen Vertretern des SEM und der Stadt Steckborn statt. So können Rückmeldungen aus der Bevölkerung direkt mit den zuständigen Personen besprochen werden.

Was passiert mit Asylsuchenden, die in irgendeiner Form auffällig werden – etwa wegen Diebstählen?

Bei Personen, die wiederholt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, prüft man eine Verlegung in ein anderes Notasylzentrum oder gar die Unterbringung im Besonderen Zentrum in Les Verrières. Bei einer Häufung von Vorfällen, speziell in der Stadt Steckborn, werden in Rücksprache mit der Stadt geeignete Handlungsmassnahmen definiert.



Besonderes Zentrum in Les Verrières

Asylsuchende, die negativ auffallen, müssen ins Besondere Zentrum nach Les Verrières. Das Dorf im Kanton Neuenburg liegt an der Grenze zu Frankreich und hat nicht mal 700 Einwohnerinnen und Einwohner. Das Zentrum mit 20 Unterbringungsplätzen wurde 2018 geöffnet, kurz darauf aber wieder geschlossen. Die Wiedereröffnung folgte Anfang 2021. Im französischsprachigen Dorf sorgt das Zentrum für gespaltene Meinungen. (jab)
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/region-frauenfeld/interview-wer-auf-dem-gang-schlaeft-tut-dies-freiwillig-staatssekretariat-fuer-migration-bezieht-stellung-zu-den-vorwuerfen-aus-der-notasylunterkunft-steckborn-ld.2422929)


+++ITALIEN
Schweres Bootsunglück vor Italiens Küste: »Ich bin so wütend, dass ich keinen von ihnen retten konnte«
Es wurden immer mehr Tote: Hier schildert ein Fischer seinen Versuch, Ertrinkende zu retten. Er zog ein Kind aus dem Wasser, es hatte noch die Augen geöffnet. Wer trägt die Schuld an der Katastrophe?
https://www.spiegel.de/ausland/migranten-im-mittelmeer-vor-italiens-kueste-fischer-wollte-ertrinkende-retten-ich-bin-so-wuetend-dass-ich-keinen-von-ihnen-retten-konnte-a-48d6b24c-42a2-4bbf-a72a-80a1efeae7bb


+++MITTELMEER
After the Crotone shipwreck
Solidarity statement for the survivors, and the relatives, friends and community members of those who did not survive
https://alarmphone.org/en/2023/03/03/after-the-crotone-shipwreck/


+++TUNESIEN
Hassrede gegen schwarze Migranten in Tunesien: „Ich fürchte um mein Leben“
Zehntausende Menschen aus Ländern südlich der Sahara leben in Tunesien. Die Stimmung gegen sie wird immer rauer, bis hin zu brutalen Angriffen. Doch es gibt auch Solidarität. Von Sarah Mersch aus Tunis
https://de.qantara.de/inhalt/hassrede-gegen-schwarze-migranten-in-tunesien-ich-fuerchte-um-mein-leben


+++FREIRÄUME
Hardturm-Besetzer dürfen bleiben
Die Stadt lässt sie bis auf weiteres gewähren. Bürgerliche Politiker schäumen vor Wut.
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/hardturm-besetzer-duerfen-bleiben-150366934


Besetzer auf Hardturm-Brache: «Man lässt sich von einer Gruppierung auf der Nase rumtanzen!»
Die Besetzer der Hardturm-Brache dürfen vorerst bleiben – ganz offiziell. Während bürgerliche Politiker vor Wut schäumen, beschwichtigt Stadtrat Daniel Leupi: Mit der aktuellen Lösung würden die Stadt und die Besetzer profitieren.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/man-laesst-sich-von-einer-gruppierung-auf-der-nase-rumtanzen-150367595


+++GASSE
Abgabe von pharmazeutisch hergestelltem Heroin wird vereinfacht
Der Bundesrat möchte die medizinische Abgabe von pharmazeutisch hergestelltem Heroin vereinfachen. An seiner Sitzung vom 3. März 2023 hat er die entsprechende Änderung der Betäubungsmittelsuchtverordnung (BetmSV) verabschiedet. Die therapeutische Begleitung soll flexibler ausgestaltet werden, damit besser auf die spezifischen Bedürfnisse von älteren Patientinnen und Patienten eingegangen werden kann.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-93452.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/drogen/804847875-apotheken-duerfen-in-bestimmten-faellen-bald-heroin-abgeben


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Demo in Bern: Laute Rückkehr der Klimajugend
Mit Parolen gegen fossile und für erneuerbare Energien meldete sich die Bewegung in Bern zurück – ihre Kritik an der Erdöllobby und dem Bundesrat war scharf.
https://www.derbund.ch/klimajugend-mit-kundgebung-gegen-fossile-infrastruktur-268134230292
-> https://rabe.ch/2023/03/03/globaler-klimastreik-gegen-fossile-energie/
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/umweltbewegung-klimastreik-ruft-zum-protest-auf-150366555
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/die-leute-wollen-klimaschutz-mehrere-hundert-personen-demonstrieren-in-bern-150365785


Tausende Menschen an Klimastreik in Zürich
Am Freitag wird auf der ganzen Welt für mehr Klimaschutz demonstriert. Auch in der Schweiz gingen mehrere tausend Menschen auf die Strasse.
https://www.nau.ch/news/schweiz/tausende-menschen-an-klimastreik-in-zurich-66436880
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/mehrere-tausend-teilnehmende-ziehen-an-klimademo-durch-zuerich-145130875



tagesanzeiger.ch 03.02.2023

Einige Tausend auf der Strasse – «Fossile Welle brechen»: Klimademo zog durch die Zürcher Innenstadt

In Zürich sind am Freitagabend einige Tausend Menschen auf die Strasse gegangen, um für mehr Klimaschutz und gegen den Ausbau der fossilen Infrastruktur zu demonstrieren.

Martin Huber

Zur bewilligten Demonstration aufgerufen hatte die Umweltbewegung Klimastreik Zürich anlässlich des weltweiten Klimastreiktags von heute Freitag. Die Kundgebung war kurz nach 18 Uhr auf dem Münsterhof gestartet und zog von dort via Limmatquai, Rudolf-Brun-Brücke, Uraniastrasse und Sihlporte zum Helvetiaplatz im Kreis 4.

«Erdöl-Lobbyischte – ab i d Chischte!», skandierten Demonstrierende während des Umzugs. Auf Transparenten hiess es etwa: «Runter vom Erdgaspedal», «Schluss mit Kohle scheffeln» oder «Eure Untätigkeit radikalisiert mich».

Nach Angaben der Organisatoren nahmen rund 4000 Personen am Umzug teil. Während des Umzugs kam es in der Innenstadt zu Verkehrseinschränkungen. «Bitte plant genügend Reisezeit ein», hatte die Stadtpolizei im Vorfeld getwittert.

Gegen Reservekraftwerk und Flüssiggasterminal

Im Zentrum der Klimademo stand der Protest gegen den Ausbau der fossilen Infrastruktur in der Schweiz. «Wir müssen die fossile Welle brechen!», forderten die Organisatoren vorab in einem Communiqué.
Die Bewegung kritisiert insbesondere den Bau des als Reservekraftwerk geplanten Gas- und Ölkraftwerks in Birr AG. Angesichts der Klimakrise sei dieser fossile Ausbau wegen des CO₂-Ausstosses «desaströs». Und als ob dies nicht schon genug wäre, seien weitere Reservekraftwerke in Cornaux NE und ein Flüssiggasterminal in Muttenz BL geplant.

Die Schweiz müsse jetzt aus den fossilen Energien aussteigen, fordert der Klimastreik. Denn jede Tonne CO₂, die heute emittiert werde, «verursacht Leid und Tote im globalen Süden und zerstört unsere Zukunft», heisst es in der Mitteilung.

Moratorium gefordert

Bereits am Vormittag hatte die Klimabewegung an einer Medienkonferenz in Bern ein Moratorium für den Bau und den Betrieb von fossilen Kraftwerken gefordert. Stattdessen soll vermehrt Strom gespart werden.

Proteste gegen den Ausbau der fossilen Infrastruktur fanden am Freitag auch in Bern, Aarau, Lausanne, Luzern, Neuenburg, Sitten und St. Gallen statt. In einer Medienmitteilung schrieben die Organisatoren, dass an diesen Kundgebungen schweizweit rund 8500 Personen teilgenommen hätten.
(https://www.tagesanzeiger.ch/fossile-welle-brechen-klimademo-in-der-zuercher-innenstadt-912146033427)



Klimastreik demonstriert in acht Städten
Die Umweltbewegung Klimastreik hat für Freitag in acht Schweizer Städten zu Demonstrationen gegen die geplanten oder sich bereits im Bau befindenden Reservekraftwerke aufgerufen. Streiks finden auch in Zürich und St.Gallen statt.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/klimastreik-demonstriert-in-acht-staedten-00206887/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/klimastreik-in-der-schweiz-einst-100-000-nun-einige-tausend-klimabewegung-ist-abgeflacht
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/zukunft-der-fridays-for-future-bewegung?urn=urn:srf:video:87864813-a5fa-4a5b-84db-c6f6244e0e75


Klimastreik Luzern will Energiewende: 200 Personen demonstrieren gegen Klimawandel
Rund 200 Personen sind am Freitagabend im Rahmen des Klimastreiks durch die Strassen Luzerns gezogen. Sie fordern eine rasche Energiewende und sozialökologische Massnahmen. Dies sorgte bei einigen Verkehrsteilnehmerinnen für Empörung.
https://www.zentralplus.ch/umwelt/200-personen-demonstrieren-gegen-klimawandel-2525345/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/demo-klimastreik-in-luzern-500-personen-demonstrierten-fuer-eine-rasche-energiewende-ld.2424666


Klimastreik in Aarau: Aktivistinnen und Aktivisten demonstrieren gegen das Kraftwerk in Birr
Am 3. März ist Internationaler Klimastreik – auch in Aarau fand eine Demonstration statt. Die Aktivistinnen und Aktivisten forderten eine Abkehr von den fossilen Brennstoffen und eine stärkere Gewichtung der Klimaziele.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/kundgebung-klimastreik-in-aarau-aktivistinnen-und-aktivisten-demonstrieren-gegen-das-kraftwerk-in-birr-ld.2424457
-> https://www.argoviatoday.ch/aargau-solothurn/aarau-olten/ueber-300-teilnehmende-an-klima-demonstration-in-aarau-150366006


Gemeinsam gegen miese Arbeitsbedingungen in der Gastronomie
Lohnkampf und besuch bei Chefin
Am Donnerstag 2.3. stand die Schlichtungsverhandlung von den Gastro-Arbeiter*innen Anna und Hans an. Beiden wurde von ihrer Chefin gekündigt, beiden hat die Chefin mehrere Monatslöhne nicht gezahlt. Auch beim heute dritten Schlichtungstermin tauchte die Chefin nicht auf.
https://barrikade.info/article/5669


+++SPORT
Hat die Polizei in Biel alles richtig gemacht?
Der Fall mit dem verletzten Gottéron-Fan nach dem Auswärtsspiel in Biel schlägt weiter hohe Wellen. Die Kapo Bern ermittelt nun intern.
https://frapp.ch/de/articles/stories/die-kapo-bern-lanciert-interne-abklarungen


+++JUSTIZ
Vollzug von Sanktionen für Übergangstäterinnen und Übergangstäter regeln
Straftaten von Personen, die vor und nach ihrem 18. Geburtstag ein Delikt begangen haben, werden künftig grundsätzlich getrennt beurteilt und sanktioniert. Dies hat das Parlament bereits beschlossen. Für den Fall, dass aufgrund dieser Trennung mehrere Sanktionen im Vollzug zusammentreffen, müssen das Vorgehen und die Zuständigkeiten geregelt werden. Der Bundesrat hat deshalb an seiner Sitzung vom 3. März 2023 die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Änderung der Verordnung zum Strafgesetzbuch und zum Militärstrafgesetz (V-StGB-MStG) eröffnet. Sie dauert bis zum 12. Juni 2023.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-93425.html


+++KNAST
Kein Ausgang aus dem Gefängnis: Jetzt interveniert das Bundesgericht im Falle eines Schenkkreismord-Mittäters
Damit der Schenkkreis-Mörder in den begleiteten Ausgang darf, sollte er eine Therapie vollziehen. Nach einem Versetzung in die Strafanstalt Thorberg wurde diese aber nie durchgeführt. Dies geschah zu unrecht, wie nun das Bundesgericht urteilte.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/ungerechtigkeit-kein-ausgang-aus-dem-gefaengnis-jetzt-interveniert-das-bundesgericht-im-falle-eines-schenkkreismord-mittaeters-ld.2424343


+++POLICE GB
Britische Polizei: Sie vertrauen der Polizei nicht mehr
Ein früherer Londoner Polizist hat jahrelang Frauen vergewaltigt. Kein Einzelfall: Die britische Polizei steckt in der Krise. Aktivisten fordern, ihr das Geld zu kürzen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-02/britische-polizei-david-carrick-london-vergewaltigung/komplettansicht


+++FRAUEN/QUEER
Interpellation SP:  Welche Massnahmen gegen weibliche Genitalverstümmelung gibt es im Kanton Bern?
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=cea96f7bd15345f587aa6c77f4bdd246


+++RASSISMUS
Der neue Antisemitismusbericht gibt zu reden.
https://www.suedostschweiz.ch/sendungen/rondo-news-fokus/rondo-news-fokus-03-03-23


+++RECHTSPOPULISMUS
Prominenter Rückzug in der SVP: Roger Köppel tritt aus dem Nationalrat zurück
Der Zürcher SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Chef zieht sich im Herbst aus der aktiven Politik zurück. Er tritt nicht zur Wiederwahl an.
https://www.tagesanzeiger.ch/roger-koeppel-tritt-aus-nationalrat-zurueck-933752150236


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Migranten wollen Tunesien wegen Rassismus verlassen, Präsident spricht von „Bevölkerungsaustausch“
Nach Äußerungen des Präsidenten über einen orchestrierten Bevölkerungsaustausch mehren sich rassistisch motivierte Angriffe auf Menschen aus Subsahara-Afrika
https://www.derstandard.at/story/2000144091371/immer-mehr-migranten-wollen-tunesien-wegen-rassismus-verlassen?ref=rss



nzz.ch 03.03.2023

Ukrainische «Faschisten» als Schuldige des Krieges? Durch die Schweizer Linke verläuft ein tiefer Graben

Für manche Antikapitalisten ist die Regierung in Kiew mindestens so schlimm wie Putin. Dabei treffen sie sich mit Extremisten von der anderen Seite.

Daniel Gerny, Simon Hehli

«Seit fast einem Jahr führen Russland und die Ukraine mit Unterstützung der Nato einen offenen Krieg gegeneinander» – so werden in einem Communiqué dreist die Tatsachen zu Putins Angriffskrieg verdreht. Was klingt wie aus Sahra Wagenknechts «Manifest für Frieden», stammt in Wahrheit aus der Schweiz, präziser: von der Schweizerischen Friedensbewegung (SFB).

Die Organisation startete am letzten Samstag in Zürich einen ganzen Reigen von Ukraine-Demonstrationen anlässlich des Kriegsbeginns vor einem Jahr. An diesem Samstag folgt in Bern die «Nationale Friedensdemo für ein möglichst rasches Ende des Kriegs», unterstützt von SP und Grünen. Und nochmals eine Woche später will die Gruppierung Mass-Voll, in der sich während der Corona-Pandemie Massnahmenkritiker versammelt haben, auf dem Bundesplatz einen Stopp der «eskalierenden Kriegstreiberei» fordern.

Die Vielzahl der Manifestationen mag verwirrend sein. Aber sie ist insofern logisch, als sich darin die Bruchlinien in der Schweizer Ukraine-Politik zeigen.

Ein moralisches Dilemma

Ein Graben zieht sich durch die Linke. Er trennt eine radikale Splittergruppe, zu der die Schweizerische Friedensbewegung gehört, von der gemässigten linken Mehrheit. In dieser ist unbestritten, wer in diesem Konflikt die Guten und wer die Bösen sind. Die Solidarität gilt vollkommen dem Opfer des russischen Angriffskriegs, der Slogan heisst «Stand with Ukraine». Auch an der Demonstration vom 4. März.

Einig ist man sich in diesem Lager, dass die Schweiz mit ihrem Finanz- und Rohstoffhandelsplatz dazu beigetragen habe, das Putin-Regime zu stärken – und dass es deshalb möglichst scharfe Wirtschaftssanktionen brauche, um den Machthaber im Kreml zum Rückzug aus den besetzten Gebieten zu bewegen. Differenzen gibt es hingegen bei der Frage, ob die Eidgenossenschaft auch militärisch der Ukraine helfen solle, indem sie die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen und Munition aus Dänemark, Spanien oder Deutschland erlaube.

Viele Linke befinden sich da in einem «moralischen Dilemma», wie es der Grünen-Präsident Balthasar Glättli im Interview mit der NZZ formulierte. Seine Partei spricht sich gegen die Weitergabe der Rüstungsgüter aus. Anders die SP, die in dieser Frage unter der Führung des Co-Präsidenten Cédric Wermuth den Schulterschluss mit der FDP sucht.

In der Westschweiz stehen auch die Linksaussen klar im Pro-Ukraine-Lager. So spricht die antikapitalistische Bewegung Solidarités von einem «totalen Krieg», den Putin und seine Generäle gegen das ukrainische Volk führten. Nur dessen «bewundernswertem» Widerstand sei es zu verdanken, dass die Russen das Ziel, die Ukraine zu zerschlagen, nicht erreicht hätten.

Forderungen wie von Sahra Wagenknecht

«Für Solidarités ist klar: Einen dauerhaften Frieden kann es nur geben, wenn sich die Invasionstruppen aus dem ganzen Territorium der Ukraine zurückziehen, wenn es Sicherheitsgarantien gibt und die Vertriebenen zurückkehren können», schreibt die Bewegung. Es sei allein Sache des ukrainischen Volkes, zu entscheiden, zu welchen Bedingungen es Verhandlungen für eine Lösung des Konflikts führen wolle. Damit richten sich die welschen Linksaussen demonstrativ gegen Forderungen à la Wagenknecht, die Ukraine müsse nun Hand bieten für Friedensverhandlungen.

Ganz anders klingt es bei den Deutschschweizer Antikapitalisten. Die Schweizerische Friedensbewegung, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, betreibt seit einem Jahr unverhohlen Propaganda für Russland. So durfte der Pressesprecher der russischen Botschaft in der SFB-eigenen Zeitung wenige Tage nach Kriegsbeginn behaupten, die Ukraine sei von der Nato als Geisel genommen worden.

Auch heute sind die Rollen in dieser Fraktion einseitig verteilt: Ursache für den Krieg sei «das Erstarken faschistischer Kräfte in der Ukraine» sowie vor allem die Nato. Die kommunistische Partei der Arbeit (PdA), der die SFB nahesteht und die ebenfalls zur «antiimperialistisch» geprägten Linken gehört, gibt den Nato-Ländern aufgrund der Panzerlieferungen die Schuld an der Eskalation des Ukraine-Kriegs. Und das linksextreme Webportal «Barrikade» stellt die ukrainische Regierung auf dieselbe Stufe wie die russische Staatsführung: Es sei «nur logisch, sich weder für die Mächtigen in Moskau noch für jene in Kiew zu entscheiden».

Matthias Hui, Co-Redaktionsleiter der Zeitschrift «Neue Wege» und Kenner der pazifistischen Linken der Schweiz, sagt, die Positionen der SFB oder der PdA seien reaktionär. «Diese Leute stecken mental noch im Kalten Krieg. Deshalb erkennen sie nicht, dass es sich in diesem Krieg um den völkerrechtswidrigen Angriff eines autoritären und menschenverachtenden Regimes auf ein Nachbarland handelt. Sondern sie sehen darin hauptsächlich die Fortsetzung des gigantischen Kampfes der Supermächte – heute einfach nicht mehr USA gegen UdSSR, dafür Nato gegen Russland.» Dabei fehlt aus Huis Sicht völlig die Empathie für die Opfer des Krieges. «Es ist für mich keine linke Haltung, die Zivilbevölkerung zu vergessen.»

Corona-Skeptiker bezeichnen SP als Kriegstreiber

Anders als in Deutschland, wo Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer für ihr «Manifest für Frieden» bisher immerhin über 700 000 Unterschriften sammeln konnten und weit über 10 000 Personen auf die Strasse brachten, ist die Allianz der Putin-Verharmloser in der Schweiz weitgehend eine Randerscheinung geblieben.

Es fehlt ihr im Unterschied zu Deutschland mit seiner DDR-Geschichte an gesellschaftlicher Verankerung. Es fehlt an Resonanz und an zugkräftigem Personal. Älteren Beobachtern ist allenfalls Franco Cavalli bekannt, der zwischen 1999 und 2002 die Fraktion der SP im Nationalrat führte und nun zu den Erstunterzeichnern eines Appells gegen die Wiederausfuhr von Waffen gehört. Doch der mittlerweile 80-Jährige ist von der politischen Bildfläche fast verschwunden. Und sonst geben No-Names den Ton an. Für die Zürcher Demo vom letzten Samstag konnte die SFB nur etwa 200 Leute mobilisieren.

Die Verfechter eines Pro-Ukraine-Kurses geraten aber nicht nur von links aussen in die Kritik. Die Gruppe Mass-Voll, die Organisatorin der dritten Demonstration, macht die SP wegen ihrer Zustimmung zu den Russland-Sanktionen und den indirekten Waffenlieferungen verantwortlich für eine Eskalation des Krieges. Mass-Voll ging aus der massnahmenkritischen Szene während Corona hervor, die sich schon damals stark über russische Kanäle informierte. Nun bezeichnet Mass-Voll die Sozialdemokraten als Mitorganisatoren der Demo vom Samstag als heuchlerische Kriegstreiber.

Wer für den Frieden sei, könne weder für die Ukraine noch für Russland sein, behauptet die Gruppe. Deren Gründer Nicolas Rimoldi fiel schon zu Beginn des Kriegs mit Statements auf, in denen er die Methoden des Putin-Regimes verharmloste. Jetzt lässt er scheinbar neutrale «Friedens-Shirts» im Mass-Voll-Violett produzieren, auf denen Schuldige und Opfer des Krieges nicht einmal ansatzweise benannt werden.

SVP-Prominenz unterstützt Demo der Massnahmen-Kritiker

Angesagt für die Demo vom 11. März ist ein Who’s who der Corona-Massnahmenkritiker: Der Youtube-Aktivist Daniel Stricker ist ebenso mit von der Partie wie der ehemalige «Freunde der Verfassung»-Exponent Christoph Pfluger, der ein eigenes Magazin herausgibt. Sowohl Stricker als auch Pfluger lassen auf ihren Kanälen häufig Putin-freundliche Stimmen zu Wort kommen. In Sachen Nato-Kritik unterscheiden sich die Äusserungen oft kaum von jenen der linken SFB.

Prominenz aus der SVP ist an der Mass-Voll-Demo ebenfalls vertreten. So hat der Aargauer Nationalrat Andreas Glarner seinen Auftritt angekündigt, er will über die Neutralität referieren. In der «Weltwoche» des Parteikollegen Roger Köppel wird die rechte «Friedensdemo» mit warmen Worten beworben: Vielleicht trage die Demonstration dazu bei, die Menschen im Bundeshaus zum Nachdenken anzuregen, hofft ein Journalist des Blattes, das seit Monaten einen Putin-freundlichen Kurs fährt.

Und es gibt weitere Berührungspunkte zwischen den politischen Antipoden. So sympathisierte Mass-Voll nicht nur mit Wagenknechts Initiative in Deutschland, sondern lud aktiv auch die SFB und andere linke Gruppierungen zur Demo am 11. März ein. Mit Nicolas Lindt, der in den 1980er Jahren die «Wochenzeitung» mitgegründet hat, gehört ein Linker sogar zu den Mitinitianten der rechten Demo.

Die Links-aussen-Fraktion um SFB und PdA versucht zwar stärker, sich gegen rechts abzugrenzen, als umgekehrt – doch ähnlich wie in Deutschland gelingt dies nur teilweise. Unter den Unterzeichnern des antiimperialistischen Aufrufs sind Mitglieder der «Freunde der Verfassung» zu finden, und die naive Forderung nach Frieden entspricht eins zu eins der Argumentation von Mass-Voll.

So stehen die Links- und die Rechtsaussen einander in der Ukraine-Frage viel näher als dem gemässigt linken und dem bürgerlichen Lager.
(https://www.nzz.ch/schweiz/ukrainische-faschisten-als-schuldige-des-krieges-durch-die-schweizer-linke-zieht-sich-ein-tiefer-graben-ld.1728387)


+++HISTORY
Aufstand der italienischen Saisonniers in Biel
An der Café-Bar Alba in Biel hing plötzlich ein Schild: «Per tutti gli italiani è vietata l’entrata in questo locale» – Eintritt für alle Italiener in diesem Lokal verboten. Das sorgte für Tumult und Scherben.
https://www.workzeitung.ch/2023/03/aufstand-der-italienischen-saisonniers-in-biel/



landbote.ch 03.03.2023

Saisonniers in Winterthur: Zehntausende Kinder mussten sich in der Schweiz verstecken

Saisonniers haben die Schweiz mit aufgebaut. Ihre Kinder durften sie nicht in die Schweiz mitnehmen. Der Dokfilm «Das Land der verbotenen Kinder» gibt ihnen eine Stimme.

Helmut Dworschak

Der Wohnblock, in dem Luigi aufwächst, ist von Rasen umgeben. Bäume gibt es dort und einen Spielplatz, aber nicht für ihn. Denn die meiste Zeit muss er sich in der Wohnung verstecken. Er versteht nicht, warum. Er denkt, dass es in der Schweiz einfach so sei. Heute weiss Luigi Fragale, dass er in einer komplett anderen Welt lebte als gleichaltrige Schweizer Kinder. Im Dokfilm «Im Land der verbotenen Kinder» erinnert er sich an diese Zeit.

Saisonniers kamen zum Arbeiten in die Schweiz und mussten das Land nach wenigen Monaten wieder verlassen. Nach einer Wartefrist durften sie wieder einreisen. Viele führten dieses Leben jahrzehntelang. Dabei war es ihnen nicht erlaubt, ihre Kinder in die Schweiz mitzunehmen. Oft machten sie es trotzdem, heimlich.

Betroffene schweigen

Eines Tages wird Luigi von der Fremdenpolizei entdeckt. Die Familie hat jedoch Glück. Der Arbeitgeber will den Vater behalten, also drücken die Behörden ein Auge zu. Heute führt Fragale in Solothurn einen Coiffeursalon, die Eltern haben ein Restaurant. Nicht alle haben das Versteckspiel so gut überstanden. Viele wollen nicht darüber reden. Das ist mit ein Grund, weshalb das Schicksal der Saisonnierkinder bis heute kaum bekannt ist. Im Gegensatz zu dem der Saisonniers selbst, die bereits 1964 im Dokfilm «Siamo Italiani – Die Italiener» von Alexander J. Seiler zu Wort kamen.

Der Film «Im Land der verbotenen Kinder» läuft seit Januar in den Schweizer Kinos und ab Sonntag im Cameo, im Juni zudem in einer gekürzten Version im Fernsehen SRF. Die Luzerner Filmemacher Jörg Huwyler und Beat Bieri haben vier Kinder von Saisonniers gefunden, die bereit waren, vor der Kamera über ihre Erfahrungen zu sprechen. Zeitzeugen und Archivmaterial helfen beim Versuch, Licht in dieses dunkle Kapitel der jüngeren Schweizer Ausländerpolitik zu werfen.

Das 1934 geschaffene Saisonnierstatut wurde erst 2002 mit der Einführung der Freizügigkeit im Schengen-Raum aufgehoben. In der Hochkonjunktur der 1960er- und 1970er-Jahre arbeiteten pro Jahr bis zu 200’000 Saisonniers in der Schweiz, vorwiegend im Bau- und Gastgewerbe. Über die Zahl der versteckten Kinder existieren nur Schätzungen. Es dürften mehrere Zehntausend gewesen sein. Ohne die Saisonniers und ihre Kinder sähe die Schweiz heute anders aus.

Vielen Betroffenen sei es heute ein Bedürfnis, dass ihre Geschichte zur Kenntnis genommen werde, sagt Bieri im Gespräch. Die Aufarbeitung steckt erst am Anfang, historische Studien gibt es noch kaum. Das liege nicht zuletzt daran, dass es den Betroffenen schwerfalle, über ihre Erfahrungen zu reden. Den Eltern, weil sie ein schlechtes Gewissen haben. Den Kindern, weil sie ihre Eltern nicht kritisieren wollen.

Kein Bewusstsein für die Nöte

Die Schweiz sei das Land der Gesetze, meint der Erzähler im Film lapidar. Für die Nöte der Saisonniers und ihrer Kinder sei in der Schweizer Bevölkerung kein Bewusstsein vorhanden gewesen, so Bieri. «Denen geht es doch gut», ist ein Satz, der im Film zu hören ist. Das Unverständnis spiegelte sich etwa im Abstimmungsresultat der «Mitenand-Initiative» von 1981. Sie forderte das Ende des Saisonnierstatuts und wurde von 84 Prozent der Stimmbevölkerung abgelehnt. Nicht einmal die viel radikalere GSoA-Initiative zur Abschaffung der Armee wurde so massiv verworfen.

«Im Land der verbotenen Kinder» ist der dritte Teil einer Trilogie, in der sich Bieri und Huwyler mit der Zeit um 1970 auseinandersetzen. Die beiden Vorgänger «Nach dem Sturm» und «Das katholische Korsett» beschäftigen sich mit der Nachwirkung der Revolte von 1968 und der Einführung des Frauenstimmrechts in der Zentralschweiz.



Zu den Filmemachern

Beat Bieri, Jahrgang 1953, arbeitete 25 Jahre für das Schweizer Fernsehen und drehte für SRF rund 50 Dokumentarfilme. Jörg Huwyler rollte letztes Jahr in einem Dokfilm für SRF die Geschichte des hoch über dem Vierwaldstättersee gelegenen Hotelresorts auf dem Bürgenstock auf, das heute den Scheichs aus Katar gehört.
(https://www.landbote.ch/zehntausende-kinder-mussten-sich-in-der-schweiz-verstecken-954946212176)
-> Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=JinHQ0G4h2U