Themen
- Athen beendet Wohnungsprogramm – 10’000 Geflüchtete verlieren ihre Unterkunft
- Die widersprüchliche Gesetzeslage in Italiens Seenotrettung
- EU-Migrationsgipfel: mehr Aufrüstung, mehr Abschottung, mehr Abschiebungen
- Erdbebenopfer: Keine Visa, wenn der Pass in den Trümmern begraben ist
- Moria: Angeklagt nach Suizidversuch
- #StopDublinKroatien: Familie mit drei kleinen Kindern nach Kroatien ausgeschafft
- 3 Jahre danach: #Hanauistüberall
Was ist neu?
Athen beendet Wohnungsprogramm – 10’000 Geflüchtete verlieren ihre Unterkunft
In Griechenland gab es für Geflüchtete, die als besonders verletzlich gelten, seit 2015 das Wohnungsprogramm «Estia». Als Alternative zu den herkömmlichen Geflüchtetenlagern bot es tausenden asylsuchenden Menschen die Möglichkeit, in Wohnungen unterzukommen. Doch nun hat die griechische Regierung beschlossen, das Programm zu beenden, weshalb rund 10’000 Menschen ihre Wohnung verlassen mussten.
Von der Athener Altstadt ins Camp – dies wurde vor kurzem für Tausende Realität. Geflüchtete Menschen, die teils seit 2015 durch das Wohnungsprogramm „Estia“ in der Stadt leben konnten, wurden in Camps verlegt. Eine betroffene Mutter berichtet von schwierigen Lebensbedingungen, Kälte, fehlendem Warmwasser und gar Problemen bei der Wasserversorgung im 80 Kilometer von Athen entfernten Lager. Die Entscheidung der griechischen Regierung, das staatliche Wohnungsprogramm für Asylsuchende einzustellen, wird von solidarischen Organisationen stark kritisiert, da Menschen nun gezwungen sind, in abgelegenen Lagern zu leben, wo ihre Würde und Teilhabe an der Gesellschaft beeinträchtigt wird. Es wird befürchtet, dass viele Geflüchtete in der Obdachlosigkeit enden könnten – denn wer sich weigert, im staatlichen Aufnahmesystem unterzukommen, bekommt keine finanzielle Hilfe mehr.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/griechenland-10-000-asylsuchende-verlieren-obdach?partId=12337717
https://www.srf.ch/news/international/fluechtlinge-in-griechenland-athen-beendet-wohnungsprogramm-fuer-asylsuchende
Die widersprüchliche Gesetzeslage in Italiens Seenotrettung
Ein Gericht in Catania stufte ein im November erlassenes Dekret als rechtswidrig ein. Dieses betrieb willkürliche und diskriminierende Selektion der Menschen, die aus Seenot gerettet worden waren und in Italien an Land gehen wollten. Gleichzeitig erliess das italienische Parlament ein Gesetz, welches zivile Seenotrettung behindern soll, indem es Rettungsschiffe dazu zwingt, nach einer Rettung direkt in einen Hafen einzufahren und keine weiteren Rettungen vorzunehmen.
Es ist ernüchternd, aber nicht überraschend zu sehen, wie verlogen europäisches Recht ist. Das europäische Asyl- und Migrationsregime, das so viele Menschen per Gesetz in Ketten hält; das Gesetz, auf das Politiker*innen pochen, die „illegale & irreguläre Migration“ als beständige Schlagwörter nutzen, um Menschen auf der Flucht zu kriminalisieren; das Gesetz, mit dem sich EU-Organe brüsten und schmücken: „die ach-so-zivilisierte EU“, „die europäischen Werte, die es zu schützen gilt“ – was auch immer die sein sollen, und was daran zu schützen sein soll – genau diese aufgeladene und wertvoll scheinende Rechtsstaatlichkeit wird gleichzeitig mit Füssen getreten. Diese Doppelmoral wird momentan an einem Beispiel in Italien ersichtlich. Seitdem die faschistische Regierungschefin Georgia Meloni an der Macht ist, wird alles dafür getan, die Erlasse und Dekrete noch weiter nach rechts zu rücken.
So wurde u.a. im November 2022 die Humanity 1 der Berliner Organisation SOS Humanity dazu angewiesen, die italienischen Hoheitsgewässer zu verlassen, sobald nur die als besonders vulnerabel geltenden, aus Seenot geretteten Personen von Bord gegangen waren. 36 Männer, die von der Regierung als gesund eingestuft wurden, hätten den italienischen Hafen an Bord des Schiffes wieder verlassen müssen. Einer der Männer erlitt daraufhin einen Schock und wurde ins Krankenhaus eingeliefert, die anderen 35 entschieden sich dazu, als Zeichen des Widerstands in den Hungerstreik zu treten. Wenige Tage später konnten die geretteten Menschen an Land gehen. Des weiteren klagte die Organisation vor einem Gericht in Catania.
Dieses Gericht fällte nun das Urteil, dass der interministerielle Entscheid vom November „in diskriminierender Weise das Recht auf Rettung und den Zugang zum Asylverfahren“ verhindert habe. Eine Sprecherin der Organisation SOS Humanity liess zudem vermerken, dass das Dekret gegen internationales Seerecht, europäisches Recht und gegen Menschenrechte verstosse. Der Richter in Catania wies in seinem Urteil auf die Pflicht der italienischen Regierung hin, allen Menschen in Seenot zu helfen, nicht nur einer Auswahl.
Doch das Parlament interessierte dieser Gerichtsentscheid und internationales Recht anscheinend überhaupt nicht. Denn es machte nun ein Dekret zum neuen Gesetz, welches zivile Seenotrettungsorganisationen auf andere Weise in ihrer Arbeit behindert. Unter anderem werden zivile Seenotrettungsschiffe dazu angehalten, nach jeder Rettung sofort einen Hafen anfahren zu müssen. Auf ihrem Weg nach Italien dürfen sie keine weiteren Rettungen mehr vornehmen. Dies steht nicht nur in vollständiger Diskrepanz zu der – laut internationalem Seerecht vorgesehenen – Verpflichtung, Menschen in Seenot zu retten, sondern wirkt besonders absurd in Zusammenhang mit einem weiteren Element des Gesetzes: nämlich der Zuteilung von Häfen durch die italienische Regierung. Diese können bis zu vier Seetage vom aktuellen Standort eines Schiffes entfernt sein. So müssen Seenotrettungsschiffe weitere Strecken zurücklegen und dürfen trotzdem keine Menschen retten.
Hinter dem Gesetz steht eindeutig der politische Wille, zivile Seenotrettung zu blockieren. Doch es gibt auch nach wie vor Widerstand und einen politischen Willen auf den Strassen!
https://medium.com/are-you-syrious/ays-news-digest-15-3-2023-italy-sar-decree-becomes-law-18e6a0e3928
https://www.infomigrants.net/en/post/46824/italian-court-declares-government-decree-on-sea-rescue-unlawful
https://www.lastampa.it/cronaca/2023/02/13/news/migranti_il_tribunale_di_catania_lo_sbarco_selettivo_dallhumanity_1_fu_illegale-12640857/?callback=in&code=YWYXYTVIODITZMY0YI0ZMDM1LWJLZGYTMZM5OTDLZDG1MGU5&state=c188b3e31c9441819c3c1af158d77e02
EU-Migrationsgipfel: mehr Aufrüstung, mehr Abschottung, mehr Abschiebungen
Migration war einmal mehr das Hauptthema am EU-Sondergipfel in Brüssel am 9. und 10. Februar. Und einmal mehr wurden stärkere Massnahmen zur Abschottung und Externalisierung beschlossen.
«Wir werden handeln, um unsere Aussengrenzen zu stärken und irreguläre Migration zu verhindern», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die vier wichtigsten «operativen Massnahmen», die Ursula von der Leyen nach dem Gipfeltreffen präsentiert:
1. Stärkung der Aussengrenzen und der Grenzverfahren
2. beschleunigte Rückführung und Bekämpfung des Schmuggels
3. Zusammenarbeit mit den Partner*innen im Bereich Rückkehr und Migrationssteuerung
4. Bekämpfung der Sekundärmigration und wirksame Solidarität
Zusätzlich sind zwei Pilotprojekte beschlossen worden. Ersteres soll die bulgarisch-türkische Grenze mit Fahrzeugen, Kameras, Strassen und Wachtürmen aufrüsten. Denn von der EU wird diese Grenze als eine der Hauptproblemzonen gesehen: doppelt so viele illegalisierte Einreisen seien vermerkt worden. Diese sollten aus EU-Mitteln, dem bulgarischen Haushalt und Beiträgen der EU-Staaten finanziert werden. Im zweiten Projekt soll es um die Registrierung von Migrant*innen, ein schnelles Asylverfahren, sowie um Rückführungen an der Aussengrenze gehen. Der Standort sei noch offen.
Die Diskussion um Finanzierungshilfen von Grenzzäunen seitens der EU, die bereits beim EU-Innenminister*innentreffen Ende Januar in Stockholm geführt wurde, ging auch in Brüssel weiter. Unter anderem Österreich fordert von der EU, einen Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei zu finanzieren. Deutschland stellte sich bis anhin dagegen – vielmehr sollen Migrationsabkommen mit Herkunftsländern geschlossen werden. In der Abschlusserklärung des Sondergipfels wird eine EU-Finanzierung von Grenzzäunen nicht direkt genannt: Die EU soll weitere EU-Mittel für «Infrastruktur» an den Grenzen mobilisieren.
Und dabei indirekt einen «besseren» Grenzzaun finanzieren. Denn zwischen der Türkei und Bulgarien steht bereits ein Zaun, den Bulgarien selbst gebaut hat, der seine Funktion jedoch mangelhaft erfüllt: Lastwagengrosse Löcher werden in den Zaun geschnitten. In dem die EU nun Gelder für Wachtürme und Patrouillenfahrzeuge zur Verfügung stellen will, finanziert sie einen «besseren» Grenzzaun bzw. eine aufgerüstete und militarisierte Grenzregion. In einem Land, in dem Menschen auf der Flucht in Käfige gesperrt werden.
https://www.srf.ch/news/international/asyl-und-migrationspolitik-kameras-und-wachtuerme-eu-ruestet-an-den-aussengrenzen-auf
https://erik-marquardt.eu/2023/02/10/der-ruf-nach-neuen-zaeunen-ist-die-kapitulation-vor-den-echten-herausforderungen/
https://medium.com/are-you-syrious/ays-news-digest-10-02-23-eu-commission-summit-will-the-eu-commit-to-funding-border-fences-7d1f5f2ee0a4
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/eu-verstaerkt-grenzschutz-an-aussengrenzen?partId=12333568
https://pbs.twimg.com/media/Fokcqs_XoAQ-4uZ?format=jpg&name=medium
Was geht ab beim Staat?
Erdbebenopfer: Keine Visa, wenn der Pass in den Trümmern begraben ist
Das zerstörerische Erdbeben in der Türkei und Syrien zeigt einmal mehr, wie fest europäische Solidarität von der Hautfarbe und Religion abhängt. Auf die Bedürfnisse der Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien reagiert die offizielle Schweiz bislang völlig anders, als sie es auf die Not der Menschen in der Ukraine tat.
Putins schrecklicher Angriffskrieg fordert täglich Tote. Nach einem Jahr Krieg zählt das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) mindestens 7’199 zivile Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung. Ein Berater Selenskyjss spricht zudem von mindestens 13’000 toten ukrainischen Soldat*innen. Die solidarischen Reaktionen in Europa sind bekannt: Offene Grenzen und unbürokratischer Schutz für ukrainische Geflüchtete.
Wie sieht es im Fall der Türkei/Syrien aus? Die Zahl der bestätigten Todesopfer des Erdbebens im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien liegt bereits bei mehr als 40’000. Überlebende kämpfen ums Überleben. Wer kann, versucht bei Angehörigen Unterschlupf zu finden, auch im Ausland.
Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) sind bereits 1’200 Visa-Anträge eingegangen. Doch von offenen Grenzen und unbürokratischer solidarischer Hilfe kann in diesem Fall nicht die Rede sein. Wenn Pässe irgendwo in den Erdbebentrümmern begraben liegen, gibt es kein Visum.
Sogar die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates hat verlangt, diese absurde Regelung fallenzulassen. Trotzdem wollen Baume-Schneider und das SEM die Visavergabe nicht erleichtern. Der SEM-Sprecher Bach rechtfertigt die menschenfeindliche Praxis kurz und kalt: „Wir müssen diese Personen identifizieren. Hier geht es insbesondere auch um die Frage der Sicherheit.»
Aufgrund der Schweizer Sicherheit müssen jene, die ihren Pass vorweisen können, auch beweisen, dass ihre Eltern, Geschwister oder Kinder in der Schweiz genug Geld verdienen, um vollständig für sie aufzukommen. Syrische Erdbebenopfer scheinen noch gefährlicher für die Schweizer Sicherheit. Von ihnen wird verlangt, das Visumsgesuch auf der Botschaft in Beirut einzureichen. Derzeit ist es aber für sie aufgrund der Situation in Syrien unmöglich, dorthin zu gelangen.
Das offizielle Deutschland, auf welches sich das SEM üblicherweise gerne beruft, ist diesmal einen Mikroschritt weiter gegangen. Da alle wissen, dass viele ihre Pässe in den Trümmern verloren haben, gibt es auf den deutschen Botschaften in der Türkei eine Taskforce, um im Einzelfall auch ohne Pass ein Visum zu erteilen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/amtliche-dokumente-noetig-tuerkischen-erdbebenopfern-ohne-pass-droht-blockade-bei-aufnahme
https://www.tagesschau.de/wissen/technologie/erdbeben-gelaende-101.html
https://www.watson.ch/international/ukraine/529531506-100-000-tote-die-opferbilanz-des-russischen-angriffs-auf-die-ukraine
https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/sem/aktuell/erdbeben-tuerkei-syrien.html
https://www.infomigrants.net/en/post/46820/germany-simplified-visa-process-for-turkish-and-syrian-citizens-affected-by-earthquakes
Was nun?
Moria: Angeklagt nach Suizidversuch
Am 8. Februar 2023 wurde eine 29-jährige Frau, die versucht hat, sich im berüchtigten Camp Moria 2 auf der griechischen Insel Lesbos aus Verzweiflung selbst zu verbrennen, wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung verurteilt.
Pressemitteilung der Initiativen CPT Aegean Migrant Solidarity, borderline-europe e.V. und You can’t evict Solidarity vom 09.02.2023:
„M.M. wurde zwar von der Anklage der Brandstiftung mit Gefährdung anderer Personen freigesprochen. Eine Verurteilung für dieses Kapitalverbrechen hätte bis zu 10 Jahren Gefängnis bedeutet. Sie wurde jedoch für vorsätzliche Brandstiftung und Beschädigung von fremden Eigentum schuldig befunden, was zu einer 15-monatigen Haftstrafe auf Bewährung führte.
Dies wurde von einer gemischten Jury einstimmig entschieden, obwohl selbst der Staatsanwalt das Fallenlassen der Anklage wegen Brandstiftung angemessen sah, da der Tatbestand laut Gesetz nicht vorlag. Skandalös ist, dass die Jury die Tat nicht als Selbstverletzung bewertete, die in Griechenland nicht unter Strafe steht.
Die Anwält*innen der Organisation HIAS Greece zeigten sich von dem Urteil zunächst entsetzt und enttäuscht. Eine Anerkennung der Fakten hätte zu einem Freispruch führen müssen. Eine Verzweiflungstat ist kein Verbrechen. Deshalb werden die Anwält*innen Berufung gegen das Urteil einlegen.
Die Entscheidung des Gerichts, die katastrophalen Umstände des Camps, die die Ursache der Verzweiflungstat waren und für die der griechische Staat verantwortlich ist, nicht anzuerkennen, war ebenso politisch motiviert wie das Verfahren an sich. Zahlreiche Supporter*innen verfolgten den Prozess, fast 500 Menschen hatten eine Petition für einen Freispruch unterschrieben.“
https://cantevictsolidarity.noblogs.org/news/
https://cantevictsolidarity.noblogs.org/post/2023/02/03/presseerklarung-15-6-2022-kriminalisierung-von-gefluchteten-erreicht-neue-eskalationsstufe-junge-frau-muss-sich-in-griechenland-wegen-versuchtem-selbstmord-vor-gericht-verantworten/
https://cantevictsolidarity.noblogs.org/files/2022/06/TrialM.M.-624×624.jpeg
Was schreiben andere?
#StopDublinKroatien: Familie mit drei kleinen Kindern nach Kroatien ausgeschafft
Heute am frühen Morgen holte die Polizei eine Familie mit Kindern im Alter von fünf, drei und zwei Jahren im Asylcamp Sonnenbühl in Oberembrach (ZH) ab. Die Polizei fesselte die Mutter an den Händen und den Vater am ganzen Körper, setzte ihm einen Helm auf den Kopf und steckte ihm einen Gegenstand in den Mund, um ihn zu knebeln. Zusammen mit ihren Kindern wurden sie von mehr als einem Dutzend Polizist*innen abgeführt. Sie sollen nach Kroatien ausgeschafft werden. In Kroatien droht der Familie die weitere Abschiebung in die Türkei, dem Staat, aus dem sie geflohen sind. Die anderen Menschen, die im Lager untergebracht sind, haben die brutale Verhaftung miterlebt. Die Auswirkungen auf ihre Psyche sind ungewiss.
https://migrant-solidarity-network.ch/2023/02/16/stopdublinkroatien-familie-mit-drei-kleinen-kindern-nach-kroatien-abgeschoben/
Wo gabs Widerstand?
3 Jahre danach: #Hanauistüberall
Zum dritten Jahrestag des Attentats von Hanau fanden in über 70 Städten Gedenkveranstaltungen statt. Am 19.02.2020 wurden Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov von einem Rassisten ermordet.
«Seit drei Jahren tragen wir Eure Namen überall hin. […] Wir sind auf offene Türen und Ohren gestoßen. Aber nicht auf offene Herzen. Uns wurde Gerechtigkeit versprochen. Und doch müssen wir auch zum dritten Jahrestag weiterhin nach Konsequenzen fragen, die es immer noch nicht gibt. Der Untersuchungsausschuss, der unsere Fragen beantworten sollte, wird seinem Auftrag nicht gerecht. Wir fragen uns, wie lange wollen hessische Sicherheitsbehörden noch vertuschen, wie lange noch schweigen, wie lange noch ignorieren? Heute, fast drei Jahre später, wissen wir: die Grenze der Gerechtigkeit heißt Konsequenzen.» (Initiative 19. Februar)
Wieder einmal haben Politiker*innen und Behörden ihre Versprechen gebrochen, dass die rassistischen Morde Konsequenzen haben werden. Es lag bei den Angehörigen, Überlebenden, Freund*innen und Journalist*innen, sich dafür einzusetzen, dass es überhaupt Untersuchungen gibt. Alle Anzeigen der Angehörigen wurden mittlerweile eingestellt. Es gab keinen Gerichtsprozess in Hanau und es wird wohl auch keinen geben. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der auf Druck der Initiative 19. Februar ins Leben gerufen wurde, hat an 15 Sitzungstagen kaum Erkenntnisse gebracht. Es gibt auch drei Jahre nach den Morden noch kein Mahnmal in Hanau.
Das Aufklärung möglich ist, zeigt die Ausstellung „Drei Jahre Erinnerung und Aufklärung». Sie ist in Zusammenarbeit zwischen der unabhängigen Ermittlungsagentur Forensic Architecture/Forensis und den Angehörigen, Überlebenden, sowie der Initiative 19. Februar Hanau entstanden. Mittels einer Zeitleiste, in Video-Rekonstruktionen und in Audio-Beiträgen wird die Tatnacht detailliert dokumentiert. Dabei werden zentrale Fehler und Versäumnisse der Polizei thematisiert. Ein zweiter Teil der Ausstellung zeichnet den Kampf der Angehörigen, Überlebenden und ihrer Unterstützer*innen um Erinnerung und Aufklärung nach.
Hanau war kein Einzelfall. Die rassistischen Morde in Hanau, das Verhalten der Polizei und Behörden und die Reaktion der Justiz sind die Konsequenzen eines strukturellen Rassismus in der Gesellschaft.
https://forensic-architecture.org/investigation/racist-terror-attack-in-hanau-the-police-operation
https://www.swr.de/swr2/programm/3-jahre-nach-hanau-was-bleibt-ausser-bitterkeit-und-misstrauen-100.html
https://www.swr.de/swr2/doku-und-feature/die-luecke-von-hanau-100.html
Was steht an?
Demonstration zu Ehren von Mike Ben Peter
01.03.23 I 17:30 I Lausanne, Place de la Riponne
Abendveranstaltung zu Ehren von Mike Ben Peter
04.03.23 I 19:00 I Lausanne, Espace Autogéré
Fünf lange Jahre sind seit dem Mord an Mike durch die Lausanner Polizei im Jahr 2018 vergangen. Nach endlosem Warten fällt die Entscheidung: Die Mörder werden wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht gestellt.
https://renverse.co/infos-locales/article/manifestation-le-1er-mars-2023-en-hommage-a-mike-ben-peter-3873
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Bundesasylzentren: Dumpinglöhne für Geflüchtete
In Beschäftigungsprogrammen leisten Asylsuchende Hunderttausende Arbeitsstunden im Dienst der Allgemeinheit – und erhalten dafür minimalste Anerkennungsbeiträge. Betroffene fühlen sich ausgebeutet.
https://www.woz.ch/2307/bundesasylzentren/dumpingloehne-fuer-gefluechtete/!K8AK2AEX4FVY
Grundlagestudie zu strukturellem Rassismus in der Schweiz
Die «Grundlagenstudie zu strukturellem Rassismus in der Schweiz» zeigt auf, dass in der Schweiz in vielen Lebensbereichen dokumentierte Hinweise auf institutionell-strukturelle Diskriminierungen bestehen. Vor diesem Hintergrund sind Massnahmen zur Bekämpfung rassistischer Diskriminierung auch auf struktureller Ebene erforderlich.
https://www.edi.admin.ch/edi/de/home/fachstellen/frb/publikationen/Grundlagestudie-zu-strukturellem-Rassismus-in-der-Schweiz-2022.html
Racisme et validisme, histoire d’une lutte commune
La lutte pour le 504 incarne les possibilités d’une politique concrète de solidarité entre les luttes pour le handicap et la justice raciale. Les implications théoriques incarnées par l’histoire du mouvement 504 continuent de figurer en bonne place dans les idées des chercheur·euses et des militant·es qui s’intéressent aux épistémologies superposées, croisées et sous-estimées des études noires sur le handicap.
https://renverse.co/analyses/article/racisme-et-validisme-histoire-d-une-lutte-commune-3881
Kurdistan, wo der Widerstand zu Hause ist
Wie die Kurdinnen zur Speerspitze der aktuellen Protestbewegung im Iran wurden. Und was das mit dem ureigenen kurdischen Feminismus zu tun hat. Serie «Islamische Republik versus Iran», Teil 1.
https://www.republik.ch/2023/02/17/islamische-republik-versus-iran-teil-1-die-wiege-des-widerstands