Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
Abgewiesener Asylbewerber Ken Robins (55) im Rückkehrzentrum Bern-Brünnen: «Drei Tage lang bemerkt niemand das Verschwinden»
Immer wieder verschwinden in der Schweiz Menschen ohne gültige Papiere. Doch eigentlich sollten sie sich nach dem negativen Asylentscheid in einem sogenannten Rückkehrzentrum aufhalten. Von dort aus abzutauchen, ist aber offenbar ein Kinderspiel.
https://www.blick.ch/schweiz/bern/abgewiesener-asylbewerber-ken-robins-55-im-rueckkehrzentrum-bern-bruennen-drei-tage-lang-bemerkt-niemand-das-verschwinden-id18328159.html
++BASELLAND
Wenslingerin kämpft für geflüchtete Familie aus Tschetschenien
Weil der Grossvater der Familie C.* in Tschetschenien eine Hinrichtung beobachtete, musste sie überstürzt fliehen. Nun droht ihr die Ausschaffung. Unterstützer:innen versuchen dies zu verhindern.
https://www.baseljetzt.ch/wenslingerin-kaempft-fuer-gefluechtete-familie-aus-tschetschenien/18719
+++AARGAU
Um im Aargau Sozialhilfe zu bekommen: Ukrainer müssen Autos verkaufen
Im Aargau müssen ukrainische Flüchtlinge ihre Autos verkaufen – oder auf Sozialhilfe verzichten. Das hat der Regierungsrat beschlossen.
https://www.blick.ch/politik/um-im-aargau-sozialhilfe-zu-bekommen-ukrainer-muessen-autos-verkaufen-id18327447.html
+++SCHWEIZ
Vertrackte rechtliche Situation: Aus Deutschland abgeschoben, in der Schweiz abgetaucht
Ein afghanischer Kinderschänder, der deswegen in Deutschland eine Haftstrafe absass, wurde in die Schweiz abgeschoben. Hier ist er untergetaucht. Aktiv gesucht wird er nicht.
https://www.bazonline.ch/aus-deutschland-abgeschoben-in-der-schweiz-abgetaucht-316619285535
+++MITTELMEER
Rettungsschiff «Ocean Viking» in italienischem Hafen Ravenna
Das Schiff «Ocean Viking» der französischen Hilfsorganisation SOS Méditerranée ist am Samstag mit 84 Migranten an Bord im Hafen der italienischen Stadt Ravenna eingelaufen. Dies meldeten die italienischen Nachrichtenagenturen Ansa und Adnkronos. Das Schiff hatte die Migranten am Dienstag im Mittelmeer in internationalen Gewässern an Bord genommen, weit von der Adria-Stadt Ravenna entfernt.
https://www.watson.ch/international/italien/623647141-rettungsschiff-ocean-viking-in-italienischem-hafen-ravenna
+++FREIRÄUME
«Untragbarer Zustand»: Wieder hängen Transparente am leerstehenden Grindelwaldner Hotel
Das Kollektiv «Fang den Fisch» hat wieder zugeschlagen: Nachdem sie im Dezember das leerstehende Grand Hotel Regina in Grindelwald besetzt haben, machen sie nun mit Transparenten erneut auf den knappen Wohn- und Kulturraum im Tourismusort aufmerksam.
https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/wieder-haengen-transparente-am-leerstehenden-grindelwaldner-hotel-150182160
Was bedeutet die Räumung des Koch-Areals? Eine Kontroverse
10 Jahre lang war das Koch-Areal in Zürich besetzt. Nun ist es geräumt. Schade, findet der Stadthistoriker Thomas Stahel. Schade, dass solche Räume in der Stadt immer mehr verloren gehen. Ganz anders sieht das FDP-Präsident Përparim Avdili. Er wohnt direkt neben dem Koch-Areal. Eine Kontroverse. (ab 04:10)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/was-bedeutet-die-raeumung-des-koch-areals-eine-kontroverse?id=12339322
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Demo gegen Wohnungsnot: Versprayte Wände, fliegende Steine und kaputte Scheiben
Geschätzte 1000 Personen nehmen am Samstagabend in Zürich an einer unbewilligten Demonstration gegen die Wohnungsnot in der Stadt teil. Während des Umzugs kommt es zu Sachbeschädigungen.
https://www.tagesanzeiger.ch/demonstration-zur-wohnungsnot-angekuendigt-936476346181
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/demo-wegen-kochareal-raeumung-stimmung-in-der-stadt-aufgeheizt-150181345
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/kaputte-scheiben-demolierte-autos-mob-wuetet-in-zuercher-innenstadt-150180703
-> https://www.20min.ch/story/linksautonome-demonstrieren-wegen-koch-areal-raeumung-diesmal-beim-landesmuseum-750808412220
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%C3%BCrich/289553275-hunderte-demonstrieren-in-zuerich-gegen-wohnungsnot
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/hunderte-personen-demonstrieren-in-zurich-gegen-wohnungsnot-66425736
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/gegen-wohnungsnot-hunderte-personen-demonstrieren-in-zuerich-id18330051.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/demonstration-in-zuerich-hunderte-demonstrieren-unbewilligt-gegen-wohnungsnot
-> Demo-Aufruf: https://barrikade.info/article/5622
-> https://twitter.com/S_Jacoby
-> https://twitter.com/RaimondLueppken
-> https://twitter.com/MegahexF
-> https://twitter.com/realaydemir
-> https://twitter.com/zureich_rip
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nzz.ch 18.02.2023
Eine laute Demo und Sachbeschädigungen – Zürich erlebt den unvermeidlichen Abspann auf die Räumung des Koch-Areals
Etwa tausend Personen haben am Samstagabend gegen die Wohnungsnot und für Freiräume demonstriert. Einige Teilnehmer schlugen Schaufenster ein und beschädigten Tram-Anlagen.
Stefan Hotz
Es begann recht gemächlich an diesem fast frühlingshaften Februarabend. Erst nach und nach versammelten sich einige hundert Personen um 18 Uhr vor dem Landesmuseum. Angekündigt war eine Grossdemonstration, nachdem im Verlauf der Woche das während Jahren besetzte Koch-Areal in Zürich-Altstetten geräumt worden war.
Dort entstehen über 360 gemeinnützige Wohnungen und ein Park. Das Ende des Freiraums auf dem Koch-Areal sehen die Demonstranten jedoch nicht als vertretbaren Verlust im Namen des sozialen Wohnungsbaus, wie es im Vorfeld in einem Aufruf aus der Besetzerszene hiess. Solche Freiräume seien in den letzten Monaten von der Stadt mit fadenscheinigen Argumenten verhindert worden.
«Suscht gits Krawall»
Der schwarze Block machte seinem Namen alle Ehre und versammelte sich, beobachtet von seiner langjährigen Anführerin Andrea Stauffacher, dicht gedrängt hinter einem hohen Banner. «Wohnruum für all, suscht gits Krawall», stand darauf neben der Zeichnung einer undefinierbaren Kreatur. Unterschrieben war es von einem «offenen antifaschistischen Treffen».
Bald ertönten Slogans: «Genug von der Räumungspolitik. Holen wir uns die Stadt zurück. Wir gehen auf die Strasse.» Und natürlich: «Alles wird besetzt», die abgewandelte ironische Losung der Wohlgroth-Besetzung zu Beginn der 1990er Jahre: Alles wird gut.
Die früh aufmarschierte Stadtpolizei hatte da bereit die Bahnhofbrücke und den Bahnhofquai mit Kastenwagen abgesperrt. Je ein Wasserwerfer mit aufgeblendeten Scheinwerfern über der Fahrerkabine machten klar, dass in diese Richtung kein Durchkommen wr.
Angeleitet von einem Polizeifahrzeug setzte sich der Zug, der mit der Zeit wohl auf 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschwoll, am abgesperrten Hauptbahnhof vorbei in Bewegung. Langsam ging es durch das Industriequartier weiter. Verschiedentlich kamen Pyros zum Einsatz. Zwischen den hohen Neubauten entlang der Gleisanlagen knallten die Böller besonders laut.
Mit dem Ende der Besetzung im Koch-Areal fehlt der Hausbesetzerszene ein grosser Treffpunkt. Vorübergehend ist ein Teil auf die Brache des Hardturmstadions umgezogen. In den Sprechchören ertönte immer wieder die Forderung, dass autonome Freiräume in die Stadt zurückkehren müssten. Der Zug hatte unterdessen Verstärkung durch einen Anhänger mit Musikanlage und einer blau-rot beleuchteten riesigen Faust erhalten.
Zahlreiche Sachbeschädigungen
Nachdem die Demonstration die Langstrassenunterführung passiert hatte, wurden auf der anderen Seite die Scheiben eines Cafés eingeschlagen. Immer wieder richteten in der Folge Vermummte aus der Deckung des Umzugs heraus Sachbeschädigungen an. Nach der Überquerung des Helvetiaplatzes war ein Uhrengeschäft an der Langstrasse an der Reihe.
Permanent wurden die Fassaden versprayt. «Eat the Rich», hiess ein häufig zu lesender Schriftzug, ein anderer «Koch bleibt». Das KPMG-Gebäude bei der Kalkbreite wurde mit Steinen beworfen, die Garage nebenan für Autos der gehobeneren Klasse wurde nicht zum ersten Mal beschädigt.
Die Aggressivität einzelner Teilnehmer war erschreckend. In einer Seitenstrasse bei der Kalkbreite griff ein Vermummter mit einer Eisenstange in der Hand einen Polizisten auf dem Motorrad an und warf einen Stein nach ihm. Dieser suchte noch rechtzeitig das Weite. Nicht weit entfernt davon wurde einem Tram der Linie 2, das blockiert und bis auf dem Fahrer leer war, die Scheiben eingeschlagen. Auch Tramhaltestellen und Ticketautomaten wurden nicht verschont.
Auf der Fritschiwiese endete der Demonstrationszug. Über Lautsprecher wurde der Menge und der Öffentlichkeit ein weiteres Mal versichert, es werde «weiter gekocht», und die Besetzer seien immer noch da. Auf dem Weg zurück in die Innenstadt war zu sehen, das die Feuerwehr einen umgestürzten und angekündeten Abfallcontainer löschen musste.
(https://www.nzz.ch/zuerich/eine-laute-demo-und-sachbeschaedigungen-zuerich-erlebt-den-unvermeidlichen-abspann-auf-die-raeumung-des-koch-areals-ld.1726778)
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Klimajugend will radikalere Massnahmen
Sie wollen mehr Aufmerksamkeit und wären auch bereit deswegen Gesetzte zu brechen. Die Klimajungend aus der ganzen Welt trifft sich dieses Wochenende in Bern. Sie besprechen radikalere Massnahmen.
https://tv.telebaern.tv/news/klimajugend-will-radikalere-massnahmen-150181859
+++BIG BROTHER
Expertin Ursula Uttinger zur SBB-Überwachung mit Gesichtskameras: «Das ist zumindest heikel»
Den SBB reichen ihre bislang 700 Überwachungskameras nicht mehr. Sie wollen nun mehrere Bahnhöfe auch noch mit Gesichtserkennungskameras ausstatten und deren Daten kommerziell nutzen. Erlaubt das das Gesetz? Expertin Ursula Uttinger gibt Auskunft.
https://www.blick.ch/politik/expertin-ursula-uttinger-zur-sbb-ueberwachung-mit-gesichtskameras-das-ist-zumindest-heikel-id18328268.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/was-bedeutet-die-raeumung-des-koch-areals-eine-kontroverse?id=12339322
-> https://www.20min.ch/story/inakzeptabel-junge-gruenliberale-wollen-den-sbb-die-kameras-verbieten-588397108241
+++POLICE DE
Attacke auf Beamte vor Diskothek: Polizei relativiert Angaben zu Angriff in Trier
Bei einem Angriff vor einer Disco in Trier wurden fünf Polizisten verletzt, zum Teil allerdings von ihren Kollegen. Das hat die Polizei eingeräumt – und auf Spekulationen zum Hintergrund der Verdächtigen reagiert.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/trier-angriff-vor-disco-polizei-relativiert-angaben-a-59bac006-5527-416c-ba22-fb08d3947f3a
+++FRAUEN/QUEER
Pride-Parade in St.Gallen – queere Community will in der Ostschweiz gesehen werden
Nach dem Zürcher Vorbild soll es im Sommer auch in der Stadt St.Gallen eine Pride-Parade geben. Denn auch nach dem Ja zur «Ehe für Alle» gibt es bei der Akzeptanz für die Anliegen der queeren Community noch Luft nach oben.
https://www.tvo-online.ch/aktuell/pride-parade-in-st-gallen-queere-community-will-in-der-ostschweiz-gesehen-werden-150181290
Kultur-Talk: Sexismus und Machtmissbrauch am Arbeitsplatz
Der Artikel der Ex-«Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani im «Spiegel» weckt viel Interesse und Empörung: Ist die Medienbranche, ist die Arbeitswelt heute tatsächlich so machistisch, so abwertend gegenüber Frauen?
https://www.srf.ch/audio/kontext/kultur-talk-sexismus-und-machtmissbrauch-am-arbeitsplatz?id=12334621
+++ANTI-WOKE-POPULISMUS
tagesanzeiger.ch 18.10.2023
Tamedia-Umfrage im Kanton Zürich: Der Genderstern ist nicht einmal bei den Jüngeren in der Stadt populär
Im Kontakt mit Behörden will kaum jemand einen Genderstern oder einen inklusiven Doppelpunkt sehen. Viel beliebter ist eine andere Form, wie eine Umfrage zeigt.
Pascal Unternährer
Die Sprachwelt ist komplizierter geworden, sowohl für Schreibende wie auch für Lesende. Gross sind die Bemühungen, Personen inklusiv anzusprechen, also niemanden auszuschliessen, trans Personen zum Beispiel, Nonbinäre oder andere.
Ein zufälliger Auszug von einem Stellenportal illustriert die Vielfalt der Ansprachen – oder die Unsicherheit jener, die Arbeitnehmende rekrutieren. Alle Beispiele sind gleich untereinander aufgelistet: Eine Firma sucht «Texterin / Texter (all genders)», eine weitere «Online-Redakteur:in». Ein anderes Unternehmen ist auf der Suche nach «Texter/-in», wieder ein anderes wünscht sich «Junior Texter (m/w/d)», wobei männlich, weiblich und divers gemeint ist. Es folgt: «Online-RedaktorIn». Ausgeschrieben wird eine Stelle auch in der geschlechtertechnisch hürdenlosen Sprache Englisch: «Correspondent».
Die Stadt Zürich gendert mit *
Es ist wohl Zufall, dass hier neben Gender-Doppelpunkt, Binnen-I und anderen Versionen der Genderstern fehlt. Genau diesen hat die Stadt Zürich Mitte 2022 eingeführt für die Kommunikation nach innen und aussen. Seither ist in Mitteilungen von landwirtschaftlichen Betriebsleiter*innen und von Vertreter*innen der ukrainischen Diaspora die Rede, und die Stadtpolizei sucht Zeug*innen von Unfällen.
Dass in einem Polizei-Tweet gemeldet wurde, dass Angestellt*innen eines Coiffeurgeschäfts bedroht worden sind, zeugt auf unterhaltsame Weise von der Verunsicherung der Kommunikationsabteilung, die sich darauf (und nach einem kleinen Shitstorm) mit Humor für die «hier effektiv zu kreative» Umsetzung der neuen städtischen Vorgaben entschuldigte.
Der Kanton Zürich hat kürzlich beschlossen, sich für die Kommunikation am «Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren» zu orientieren, den der Bund Ende Januar herausgegeben hat. Inklusiv ja, aber ohne Sonderzeichen, lautet da die Leitlinie.
Am populärsten ist die Doppelform
Die Bevölkerung wiederum hat eine recht klare Vorstellung, wie sie angesprochen werden möchte. Das zumindest geht aus einer Umfrage hervor, die das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag von Tamedia durchgeführt hat. 8836 Antworten konnten ausgewertet werden, sie wurden nach statistischen Kriterien gewichtet.
Gefragt wurde, mit welchen Personenbezeichnungen die kantonalen Behörden mit der Bevölkerung kommunizieren sollen. Gut die Hälfte der Antwortenden bevorzugen eine Anrede mit beiden Geschlechtsformen: «Leserinnen und Leser». Etwas mehr als ein Viertel präferiert die männliche Form. Mit dem sogenannten generischen Maskulinum, liebe «Leser», sind Frauen bei der Anrede mitgemeint. Nur ein Fünftel hat sich für den Stern, Gender-Doppelpunkt oder andere Formen mit typografischen Zeichen entschieden: «Leser*in», «Leser:in».
Werden die Antworten nach Parteipräferenz aufgeteilt, ergibt sich ein Links-rechts-Gefälle. Nur die Anhängerschaft der Grünen will mehrheitlich mit den neuen inklusiven Zeichen angesprochen werden. Bereits die AL-Basis bevorzugt herkömmlichen Anreden. Auch von der SP-Gefolgschaft sprechen sich nur zwei von fünf Teilnehmenden für Genderstern oder den Doppelpunkt aus.
SVP-Basis hat nichts gegen männliche Form
Von den GLP-Wählerinnen und -Wählern ist noch ein Viertel für Stern oder Doppelpunkt oder Ähnliches. Die Anhängerschaft der bürgerlichen Parteien ist klar gegen Sonderzeichen. Bei der SVP ist die Hälfte für die ausschliesslich männliche Form und nur 1 Prozent für den Stern. Beim Freisinn und der Mitte wird vor allem die Doppel-Anrede gewünscht.
Bemerkenswert ist, dass selbst die jüngeren Befragten in der Mehrheit nicht warm werden mit den neuen Anredeformen. Nur ein Drittel der 18- bis 35-Jährigen befürwortet Sonderzeichen. Die älteren Semester lehnen Stern und Doppelpunkt in Bausch und Bogen ab.
Frauen sind gegenüber dem Genderstern etwas offener eingestellt als Männer, wobei die Zustimmung 24 respektive 16 Prozent nicht übersteigt. Sogar in den als aufgeschlossen geltenden Zürcher Städten wollen drei von vier Umfrageteilnehmenden nichts vom Sternchen wissen und bevorzugen die anderen Anreden. In der Agglo und auf dem Land ist Gendern noch weniger populär.
Warum ist der Widerstand gegen neue Formen derart gross? Helena Trachsel befürwortet inklusive Sprache. Die Leiterin der kantonalen Fachstelle Gleichstellung stellt fest, dass bereits das Wort «Gender» bei einer Mehrheit der Menschen Gegenwehr erzeuge. «Diese Art Sprachpolizei der akademisch-feministischen Seite irritiert», sagt Trachsel und spricht von einer «wahrgenommenen Bevormundung, wie geschrieben oder gesprochen werden soll». Gesprochen, weil einige, auch Radio-Moderatorinnen und -Moderatoren, eine kurze Pause einlegen, um alle Personen anzusprechen: «Hörer (Pause) innen».
Machtfaktor Sprache
«Sprache übt Macht aus», sagt Trachsel. Mit der Sprache können Menschen ein-, aber auch ausgeschlossen werden. Letzteres sei das wahre Problem. «Der Streit über die Ansprechart wird zur Stellvertreterdiskussion über die Inklusion von transgender Personen, von Nonbinären und auch von Menschen mit Behinderung», sagt die Gleichstellungsexpertin.
Sie plädiert für den inklusiven Doppelpunkt: «Er weckt am wenigsten Widerstand, weil er das Schriftbild weniger stört als der Genderstern.» Entsprechend hat die Fachstelle ein Merkblatt mit Empfehlungen verfasst, das sie auf Anfrage von interessierten Firmen oder Bildungsinstitutionen zur Verfügung stellt.
Jenen, die aufgrund des Sterns oder anderer Zeichen von Sprachverhunzung sprechen, rät Trachsel, auch die «gedankenlos übernommenen Anglizismen» zu hinterfragen. Die Sprache sei im stetigen Wandel, gibt sie zu bedenken, aber: «Sprache ist auch Emotion», weshalb mit dem Genderstern auch für «politische Furore gesorgt werden» könne.
Offensive gegen «Woke-Wahnsinn»
Für diese Furore sorgt die SVP. In dieser Zeitung hat Nationalrätin Esther Friedli angekündigt, auf allen politischen Ebenen mit Vorstössen gegen die «Woke-Kultur» anzukämpfen. Im neuen SVP-Programm hat das Thema ein eigenes Kapitel mit dem Titel «Gender-Terror und Woke-Wahnsinn» erhalten.
Schon vor Friedli hat Susanne Brunner, SVP-Stadtparlamentarierin und kürzlich gewählte Kantonsrätin, die städtische Volksinitiative «Tschüss Genderstern» lanciert. Damit reagierte sie auf die neue Sprachpolitik der Stadtverwaltung. Der Satz, die Stadt «verzichtet in behördlichen Texten auf die Verwendung von Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter» soll in die Gemeindeordnung festgeschrieben werden.
Brunner war nicht erreichbar für einen Kommentar zur Umfrage. SVP-Gemeinderat Stephan Iten ist ebenfalls im Initiativkomitee und sagt, er sei nicht erstaunt über die Ergebnisse. «Eine Minderheit mit ideologischem Hintergrund zwingt einer Mehrheit etwas auf, was nur eine kleine Minderheit betrifft», sagt er.
Dass das generische Maskulinum, das die SVP nicht stört, offenbar ebenso wenig populär ist wie der Genderstern, irritiert Iten nicht. «Die Frauen, mit denen ich spreche, stört die männliche Form nicht», sagt der Politiker. Er selbst brauche aber «meist die Doppelform». Die Unterschriftensammlung für die Tschüss-Genderstern-Initiative läuft gemäss Iten gut. «Die Leute wehren sich gegen die Verhunzung der Sprache.»
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In eigener Sache
Die Tamedia-Publikationen haben einen Sprach-Leitfaden. Sie schreiben diskriminierungssensibel, heisst es darin. Das Ziel ist eine zeitgemässe, faire, gut lesbare und schöne Sprache. Sonderzeichen werden nur in Ausnahmefällen verwendet. (red)
(https://www.tagesanzeiger.ch/der-genderstern-ist-nicht-einmal-bei-den-juengeren-in-der-stadt-populaer-621855074256)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/was-bedeutet-die-raeumung-des-koch-areals-eine-kontroverse?id=12339322 (AB 01:43)
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/zuercherinnen-und-zuercher-wollen-keinen-genderstern-in-behoerdentexten-150181370