Medienspiegel 13. Februar 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Bemühungen für Intimsphäre auf Thuner Waffenplatz
Auf dem Waffenplatz in Thun wird heute eine zweite temporäre Asylunterkunft in Betrieb genommen – aufgrund der weiterhin angespannten Lage im Asylbereich und im Hinblick auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine. Trotz wenig Intimsphäre ist das Staatssekretariat für Migration dankbar dafür.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bemuehungen-fuer-intimsphaere-auf-thuner-waffenplatz?id=12334549
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/unterkunft-fuer-asylsuchende-auf-thuner-waffenplatz?urn=urn:srf:video:8558c133-96a6-436b-bba2-be9d67187934


+++SCHWYZ
Neue Flüchtlingsunterkunft in Brunnen SZ
Der Kanton Schwyz hat heute eine weitere temporärer Unterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine eröffnet. In Brunnen hat es Platz für 80 Personene, finanziert wird sie durch den Kanton Schwyz:
https://www.tele1.ch/nachrichten/neue-fluechtlingsunterkunft-in-brunnen-sz-150103979


+++SCHWEIZ
Asylstatistik 2022
Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz 24 511 Asylgesuche gestellt, 9583 mehr als im Vorjahr (+64,2 %). Für 2023 rechnet das Staatssekretariat für Migration (SEM) in seinem wahrscheinlichsten Szenario mit 27 000 (± 3000) neuen Asylgesuchen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-93006.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/64-prozent-mehr-als-im-vorjahr-24511-asylgesuche-in-der-schweiz-eingereicht-id18312354.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/620989675-2022-sind-in-der-schweiz-24-511-asylgesuche-eingereicht-worden
-> https://www.20min.ch/story/schweiz-meldet-64-prozent-mehr-asylgesuche-als-im-vorjahr-870413759489
->  Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/starke-zunahme-der-asylgesuche-in-der-schweiz?urn=urn:srf:video:058471af-0d0e-421f-9530-9648797d6c4d
-> https://www.derbund.ch/anzahl-asylgesuche-um-64-prozent-gestiegen-478883614431
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/mehr-asylgesuche-bringen-asylwesen-an-den-anschlag?urn=urn:srf:video:6dc12adb-597d-4e51-bfb9-e5edbce51e1f
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/hohe-zahlen-der-ukraine-krieg-belastet-das-schweizer-asylsystem


+++MITTELMEER
Festung Europa: Ignorierte Notrufe aus Kalkül
Die Notwendigkeit ziviler Seenotrettungseinsätze auf dem Mittelmeer bleibt enorm. Doch europäische Staaten verweigern den Schiffen regelmäßig das Einlaufen.
https://www.antifainfoblatt.de/artikel/festung-europa-ignorierte-notrufe-aus-kalk%C3%BCl


+++GASSE
Schwierige Wohnungssuche für Randständige
In Luzern gibt es immer weniger Wohnungen, die leer stehen: Und die, die es noch gibt, werden laut Statistik immer teurer. Besonders prekär ist die Lage für randständige Mencshen. Alleine sind sie auf dem Wohnungsmarkt chancenlos, wenn, dann klappt es meistens erst nach Jahren und auch nur mit Hilfe.
https://www.tele1.ch/nachrichten/schwierige-wohnungssuche-fuer-randstaendige-150104001


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
bernerzeitung.ch 13.02.2023

Teilnehmende aus 44 Ländern: Klimajugend will an Kongress in Bern «radikale» Massnahmen planen

Am nächsten Wochenende kommen in Bern 250 Klimastreikende aus aller Welt zusammen. Auch Gesetzesbrüche werden ins Auge gefasst.

Damaris Hohler

Die Skiferien sind vorbei, und in Berns Schulen wird seit Montag wieder unterrichtet – bislang ohne Zwischenfälle. Während in Basel und Zürich in den vergangenen Wochen zwei Gymnasien von der Klimajugend besetzt wurden, ist es in Bern noch ruhig. «Unser Fokus lag bisher darauf, die Schulbesetzungen in Zürich und Basel zu unterstützen», sagt die Berner Klimaaktivistin Anna Matter. Interne Diskussionen zu ähnlichen Aktionen in Bern seien am Laufen, sagt die 19-jährige Gymnasiastin. Genaueres wollte sie gegenüber den Medien allerdings noch nicht kommunizieren.

Fest steht dagegen, dass am 3. März die nächste Klimademonstration in Bern auf dem Programm steht. Die Plakate hängen bereits.

Bislang war nur Insidern der Klimabewegung bekannt, dass die Stadt Bern am kommenden Wochenende im Zentrum der internationalen Klimabewegung stehen wird: 250 Klimaaktivistinnen und -aktivisten aus 44 Ländern treffen sich in Bern zu einem internationalen Kongress, wie die Bewegung Klimastreik Schweiz bestätigt. Organisiert wird der Anlass von der internationalen Bewegung Fridays for Future, zu der auch der Klimastreik Schweiz gehört. Die Veranstaltung soll sich laut Programm insbesondere um folgende Frage drehen: «Wie können wir effektiv Druck aufbauen, sodass die Politik handeln muss?»

Klimajugendliche gehen einen Schritt weiter

Die Klimabewegung ist nun bereits seit vier Jahren am Demonstrieren. Verändert habe sich dabei auf politischer Ebene allerdings nichts, sagt der Zürcher Aktivist Cyrill Hermann – trotz grüner Welle bei den vergangenen nationalen Wahlen. Der Gymnasiast ist einer der Hauptorganisatoren des kommenden Klimakongresses. Nun sehe sich die Klimajugend dazu gezwungen, einen Schritt weiterzugehen. «Angesichts dieser politischen Untätigkeit erachten wir es als legitim, auch Gesetze zu brechen», meint der 19-Jährige.

In den letzten Monaten wurden über 100 Schulen und Universitäten in 20 Ländern besetzt. «End Fossil: Occupy» wird diese neue Strömung der Klimajugend genannt. Die Klimabewegung will sich damit bewusst radikalisieren; anstelle von Schulstreiks werden nun Schulen besetzt. Das Ziel ist dabei nichts weniger als das «Ende der fossilen Ära», wie es im Programmheft des Kongresses heisst.

Das Credo lautet dabei «Occupy until you win» – besetze so lange, bis du gewinnst. Am Kongress in Bern wollen die Aktivisten zuerst ihre bisherigen Aktionen reflektieren: Was hat funktioniert und wurde von den Medien aufgenommen? Danach sollen die nächsten Schritte konkretisiert werden. Der Klimajugend schwebt Grosses vor: In einem «May of Occupation», einem Mai der Besetzungen, sollen auf der ganzen Welt radikale und grossflächige Aktionen stattfinden.

Aktionen über die Schulen hinaus

Auch in der Schweiz sei bereits eine zweite Welle angedacht, sagt Cyrill Hermann. Bei der letzten Besetzung an der Kantonsschule Enge in Zürich seien Schülerinnen verschiedener Schulen beteiligt gewesen. Das Wissen, wie man Schulen besetze, sei nun vorhanden.

Auch wenn die Klimabewegung in letzter Zeit immer weniger Teilnehmende für ihre Demonstrationen zu mobilisieren vermochte, zeigt sich der Aktivist zuversichtlich. «Uns war bewusst, dass das Momentum vom Jahr 2019 nicht ewig anhalten wird», sagt Cyrill Hermann.

Die Schulbesetzungen der vergangenen zwei Wochen hätten der Bewegung nun neue Dynamik und Aktivisten verschafft. Der zivile Ungehorsam soll allerdings über die Schulen hinausgehen. Dem Klimaaktivisten schwebt vor, vermehrt mit anderen Klimagruppen zusammenzuspannen: «Wir wollen aufzeigen, dass nicht nur die Schulen versagen, sondern das ganze System.»

Einige reisen aus Übersee an

Der internationale Klimakongress findet von Freitag bis Montag im Kirchgemeindehaus Johannes im Berner Breitenrainquartier statt. Die meisten Beteiligten stammen aus der Schweiz und Europa. Einige reisen allerdings auch aus dem ferneren Ausland an, aus Kolumbien oder der Demokratischen Republik Kongo. Diese Aktivisten werden via Flugzeug anreisen.

Cyrill Hermann sieht darin allerdings keinen Widerspruch zu den Zielen der Klimabewegung; die Klimakrise könne nicht durch Eigenverantwortung gelöst werden. Ob eine Einzelperson fliege oder nicht, sei schlussendlich nicht ausschlaggebend. Wichtiger sei es, dass auch Personen aus dem globalen Süden integriert würden. Diese leiden zurzeit bereits am stärksten unter dem Klimawandel.
(https://www.bernerzeitung.ch/klimajugend-will-an-kongress-in-bern-radikale-massnahmen-planen-305019084164)



MEDIENSPIEGEL (13.02.2023) REVOLUTIONÄRE KLIMADEMO BASEL 11.02.2023:
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/im-landrat-sitzen-erstmals-seit-40-jahren-wieder-weniger-frauen?id=12334525 (ab 03:26)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/am-tag-nach-der-baselbieter-wahl-buergerliche-ueben-selbstkritik?id=12334690 (ab 13:57)
-> https://telebasel.ch/telebasel-news/?channel=15881
-> https://www.baseljetzt.ch/polizei-zur-krawall-demo-in-diesem-fall-war-das-resultat-unserer-lagebeurteilung-falsch/15548
-> https://www.baseljetzt.ch/bei-der-demo-kultur-ist-der-wurm-drin/15527
-> https://www.bazonline.ch/demo-in-basel-ein-debakel-mit-ansage-324935180526
-> https://twitter.com/i/status/1624876068090920963



bzbasel.ch 13.02.2023

Nach eskalierter Demonstration in Basel: Klimastreik distanziert sich

Das «Revolutionäre Klimakollektiv Basel» wurde vor knapp einem Jahr gegründet. Am Samstag rief die Gruppe zu ihrer ersten grossen Demo. Die neue Bewegung setzt nicht auf demokratische Mittel, sondern will das System bekämpfen.

Zara Zatti

«Es gibt keinen grünen Kapitalismus» – so steht es auf einem Banner, hinter welchem sich am Samstag eine Gruppe von Demonstrierenden durch die Elisabethenstrasse in Richtung St.Alban-Graben bewegte. Die rund 60 Personen an vorderster Front waren schwarz gekleidet, ihre Augen schützten sie mit Taucherbrillen.

Zur «Klimademo in Basel» gerufen, hatte das «Revolutionäre Klimakollektiv Basel», welches vor knapp einem Jahr gegründet wurde. Auf ihrem grünen Emblem steht «Jetzt kämpfen!», darunter prangt der fünfzackige Stern, der für eine sozialistische oder kommunistische Weltanschauung steht. Aus dem Stern wachsen Zweige. Das Symbol fand sich auch auf dem Banner am Demokopf vom Samstag.

Ein Blick auf die Homepage des neuen Klimakollektivs zeigt: Im Vordergrund der Bewegung steht die Bekämpfung des Kapitalismus, auf parlamentarische Prozesse will die Gruppe nicht setzen. So heisst es etwa: «Die Hoffnung auf «grüne» oder «sozialere» Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist vergeblich, ja sogar gefährlich, weil sie der ausserparlamentarischen Bewegung die Energie und ihre Radikalität raubt.» Ans «Appellieren an Parteien oder Regierungen» verzichten sie im Vorhinein, auch Polizei und Justiz lehnen sie klar ab.

Polizei spricht von einem Novum an Gewaltbereitschaft

Zur Demonstration am Samstag sagt Rooven Brucker, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt: «Rund die Hälfte der 400 Personen waren dort, um für das Klima zu demonstrieren. Die andere Hälfte war dort, um Radau zu machen.» Die erste Hälfte habe sich nach einer weiteren Abmahnung der Polizei beim Bankverein entfernt, ein Grossteil der Zurückgebliebenen sei gewaltbereit gewesen: «Polizeikräfte wurden gezielt angegriffen und die Eskalation wurde aktiv gesucht.» Zwei Polizistinnen und ein Polizist seien verletzt worden.

An vielen Demonstrationen habe es auch gewaltbereite Personen dabei, sagt Brucker, «doch diese Anzahl und Konzentration war ein Novum.» Brucker gibt auch zu, dass die Demonstration im Vorfeld unterschätzt worden sei: «Unsere Lageeinschätzung entsprach nicht der Realität.»

Klimastreik Basel distanziert sich von der Demonstration

Das dürfte auch daran gelegen haben, dass Klimademos, die bis anhin vor allem vom «Klimastreik Schweiz» veranstaltet worden sind, in der Regel friedlich verliefen. «Die Veranstaltung wurde nicht von uns organisiert, es fand keine Zusammenarbeit zwischen den Organisatoren und uns statt», sagt Marvin Aelen vom Klimastreik Basel.

Das Revolutionäre Klimakollektiv und der Klimastreik seien denn auch zwei völlig unabhängige Organisationen und würden sich auch inhaltlich unterscheiden: «Wir kritisieren sehr spezifisch den Ausbau von fossiler Infrastruktur und arbeiten auch mit der institutionellen Politik zusammen.»

Wegen zu wenig Einsatzkräfte: Keine Festnahmen

SVP-Grossrat Joël Thüring reichte als Reaktion auf die Demonstration eine Interpellation ein, in welcher er vom Regierungsrat etwa wissen will, wie es zur Fehleinschätzung durch die Polizeileitung kommen konnte. In seinem Vorstoss spricht er mehrmals von «Klima-Chaoten». Schadet die Demonstration auch dem Klimastreik in der öffentlichen Wahrnehmung?

«Das hängt davon ab, ob wir jetzt in den gleichen Topf geworfen werden», sagt Aelen. «Der Klimastreik ist eine gewaltfreie Bewegung und kann nicht dahinterstehen, wenn aktiv die Konfrontation mit der Polizei gesucht wird.»

Personen wurden an der Demonstration keine verhaftet. Dafür fehlte es der Polizei offensichtlich an Einsatzkräften: «Das Gefälle zwischen Demonstrierenden und Einsatzkräften war schlicht zu gross», sagt Brucker.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/neue-klimabewegung-nach-eskalierter-demonstration-in-basel-klimastreik-distanziert-sich-ld.2415562)



Basler Zeitung 13.02.2023

Krawalle an der Klimademo«Wir lassen uns nicht durch eine Randgruppe diskreditieren»

Die Gruppe Klimastreik Basel distanziert sich seit je von Gewalt. Die Wut über die Schweizer Klimapolitik teile man allerdings mit den Chaoten vom vergangenen Samstag. Derweil nimmt Regierungsrätin Stephanie Eymann die in der Kritik stehende Polizei in Schutz.

Sebastian Schanzer

Es hätte eine friedliche Demo unter dem Motto «Die Klimakrise ist jetzt, die Verantwortlichen sind hier» werden sollen – zumindest für die rund 200 Sympathisanten und Mitglieder der Bewegung Klimastreik Basel. Sie haben sich am Samstag dem Zug ab der Elisabethenanlage angeschlossen. Mit dessen Organisation hätten sie aber nichts zu tun gehabt, betont Marvin Aelen von Klimastreik Basel. «Für uns war klar, dass wir friedlich durch die Innenstadt marschieren wollen, dort, wo wir gesehen werden und wo wir unsere Frustration über die derzeitige Klimapolitik in der Schweiz kundtun können.»

Es kam anders. Am Samstag wurde die Polizei geradezu überrumpelt vom Aufmarsch von zusätzlichen rund 200 «gewaltbereiten» Demonstrierenden. Die vermeintliche Klimademo war unbewilligt, es kam zu Angriffen auf Polizeibeamte mit Knallkörpern und zu wenigen Sachbeschädigungen. Zudem gelang es den Demonstrierenden, eine Absperrung der Polizei zu durchbrechen. Auch die in die Defensive gedrängte Polizei sparte nicht mit Gewalt: Sie setzte Gummischrot, Pfefferspray und Reizgas ein.

Man habe die Lage im Vorfeld falsch eingeschätzt, gesteht die Polizei später gegenüber der «Basler Zeitung». Deshalb sei zu wenig Personal vor Ort gewesen, um härter durchzugreifen beziehungsweise Personen festzunehmen. In den Onlinekommentaren dieser Zeitung geht die Leserschaft nun hart ins Gericht mit Basler Polizei und Politik: Nichts weniger als eine Bankrotterklärung des Staats sei es, wenn die Polizei mangels Einsatzkräften nicht durchgreifen und mutmassliche Straftäter nicht dingfest machen könne.

Die Ironie dieser Geschichte: Erst vor knapp einem Monat sagte Polizeichef Martin Roth im Interview mit dieser Zeitung, aufgrund der Überbelastung und des Mangels an Personal wolle man gerade an Wochenenden künftig mit weniger Personal vor Ort sein, sofern es die Sicherheitslage erlaube.

«Keine Anzeichen von Gewalt»

Muss man sich künftig also darauf einstellen, dass sich die Polizei nicht mehr durchsetzen kann? Nein, einen Zusammenhang zwischen dieser Eskalation und dem Personalmangel bei der Polizei will Stephanie Eymann, Vorsteherin des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements, nicht bestätigen. Auf Anfrage sagt sie: «Wir sind trotz Unterbestand sehr wohl in der Lage, solche Demonstrationen zu bewältigen. In diesem Fall war es aber – gemäss meinen Informationen – nicht vorhersehbar, dass so viele gewaltbereite Personen aus der ganzen Schweiz teilnehmen würden.»

Das erstaunt, da doch die Ankündigungen und Aufrufe zur Teilnahme an der Demo im Vorfeld breit gestreut wurden. Die anonyme Gruppe «Revolutionäres Klimakollektiv», die auf der Website Barrikade.info zur Teilnahme an dieser Demo aufrief, hatte im Vorfeld mit Sachbeschädigungen Werbung in eigener Sache gemacht: Farbanschläge und Fensterbrüche bei der UBS-Filiale in Basel oder Schmierereien im Eingangsbereich der Geschäftsstelle der Handelskammer beider Basel. Eymann bleibt dabei: «Nein, es gab laut Aussage der Kantonspolizei im Vorfeld keine Anzeichen von Gewaltbereitschaft in diesem Ausmass.» Dass für Demonstrationen zunehmend in der ganzen Schweiz mobilisiert werde, mache die Lagebeurteilung aber tatsächlich schwierig.

Die Bilder vom Samstag seien für sie deshalb «höchst verstörend und die gezielte Verletzung von drei Polizeiangehörigen inakzeptabel», fügt Eymann an und stellt klar: «Wir akzeptieren in Basel keine Gewalt an Demonstrationen.» Gleichzeitig fordert sie: Wer eine Demonstration organisiert oder daran teilnimmt, soll sich von solchem Verhalten distanzieren, etwa indem er oder sie vorgängig Bewilligungen einholt und mit den Behörden kollaboriert.

«Tag der Schande»

Genau das tut die Gruppe Klimastreik Basel laut eigener Aussage. Nun wehrt sie sich dagegen, kollektiv als «Klimaterroristen» und «Chaoten» bezeichnet zu werden. Marvin Aelen betont: «Wir positionieren uns seit je gegen jegliche Gewalt. Für uns ist jedoch klar, dass die grösste Gewalt von den wahren Klimaterroristen ausgeht – Konzernen wie Syngenta, Tesla oder Credit Suisse.»

Anstelle von Krawallen nutze der Klimastreik aber andere, möglichst inklusive Aktionsformen. «Was wir allerdings mit den Vermummten teilen, ist die Wut und Frustration über eine Politik, die sich um die vereinbarten Klimaziele foutiert», so Aelen. Dass es den Vermummten lediglich darum gegangen sein soll, Krawall zu veranstalten und die Polizei anzugreifen, hält er für unwahrscheinlich.

Das sieht SVP-Grossrat Joël Thüring diametral anders. Er will von der Basler Regierung erfahren, wie es zu einer «derart eklatanten Fehleinschätzung der Polizeileitung» gekommen sei. In seinem am Montag eingereichten Vorstoss bezeichnet er den vergangenen Samstag als «Tag der Schande». Einmal mehr habe eine illegale Demonstration linksextremer Klimachaoten die Innenstadt lahmgelegt, schreibt er.
(https://www.bazonline.ch/wir-lassen-uns-nicht-durch-eine-randgruppe-diskreditieren-630025863972)



nzz.ch 13.02.2023

Klimaproteste als Vorwand für Krawalle: wie vermummte Aktivisten die Basler Innenstadt in Beschlag nahmen

Eine unbewilligte Demo artete am Samstag in Basel völlig aus. Von links bis rechts herrscht Empörung. Zur Kundgebung aufgerufen hatte ein anonymes Komitee. Es schien im Voraus zu wissen, worauf die Veranstaltung hinauslaufen sollte.

Daniel Gerny

«Klimaterroristen dürfen unsere Stadt nicht länger als ihr Eigentum betrachten. Holen wir uns Basel zurück», twitterte der baselstädtische SVP-Grossrat Joël Thüring am frühen Samstagabend in scharfem Ton. Stunden zuvor war eine unbewilligte Klimademonstration in Basel komplett ausgeartet. Gegen 15 Uhr trafen sich rund 400 Personen in einer kleinen Parkanlage in Bahnhofsnähe und begaben sich zum Bankverein. Trotz Warnung der Polizei blieben rund 200 vermummte Demonstrierende vor Ort.

    Klimaterroristen dürfen unsere Stadt nicht länger als ihr Eigentum betrachten! Holen wir uns Basel zurück! Ich freue mich, dass die @svpbasel mit ihren bald lancierten Volksinitiativen diesem Chaotentum bald ein Ende setzen wird. https://t.co/9eXnufxYuo
    — Joël Thüring (@JoelThuering) February 11, 2023

Was dann geschah, hatte mit Protest gegen die derzeitige Klimapolitik nichts mehr zu tun. Im vorderen Bereich des Demonstrationszugs, geschützt von stabilen, mit Haltevorrichtungen ausgerüsteten Transparenten, befanden sich nach Angaben der Polizei rund 60 besonders militante Demonstrantinnen und Demonstranten, die weiter in die Stadt drängten. «Die Stimmung war nun aufgeheizt und aggressiv», so die Polizei. Mehrere Kisten wurden auf offener Strasse aufgetürmt, mit einer Flüssigkeit übergossen und angezündet.

    In Basel bei der revolutionären Klimademo lässt die herrschende Klasse ihre Hunde los und schrotet aus nächster Nähe. Die Demo läuft trotzdem entschlossen weiter. Schön zu sehen, dass die Angst die Seite wechselt ✊ pic.twitter.com/4gpaVlLl5M
    — WIDERSPRUCH (@RadWiderspruch) February 11, 2023

Die Aktivisten zündeten Feuerwerk und warfen Steine und Flaschen, während der Demonstrationszug sukzessive weiter Richtung Innenstadt vordrang. Beim Barfüsserplatz schliesslich, wo sich am Samstag jeweils besonders viel Volk in Shoppinglaune aufhält, setzte die Polizei Gummischrot, Pfefferspray und Reizgas ein. Dennoch gingen die Krawalle in ähnlichem Stil noch bis gegen 17 Uhr 30 weiter, wobei sich der Zug ins Kleinbasel verlagerte. Es kam laut Polizei erneut zu Angriffen sowie zu diversen Schmierereien. Zwei Polizistinnen und ein Polizist wurden im Verlaufe des Nachmittags durch Feuerwerkskörper verletzt.

Zur Demo aufgerufen hatte eine anonyme Basler Organisation mit dem Namen «Revolutionäres Klimakollektiv», das aber anonym blieb. «Wir gehen gegen Kapitalismus, Konzernmacht, Ausbeutung und die Zerstörung unserer Umwelt auf die Strasse», schrieben die Aktivisten in ihrem Aufruf. Sie rechneten dabei ganz offensichtlich von Anfang an mit Ausschreitungen. So hiess es in den Informationen zur Kundgebung, es stehe ein Rückzugsort zur Verfügung, «für Menschen, die sich von der Demo ausklinken möchten/müssen». Ausserdem wurden die Teilnehmer verklausuliert dazu aufgefordert, «nur mitzubringen, was du wirklich brauchst, und überlege dir gut, was du mitbringst»: Die Basler Polizei bevorzuge bei Demos den Einsatz von Gummischrot, Tränengas und Pfefferspray. Auch ein Sanitätsdienst sei organisiert.

In Basel, wo Demonstrationen in der Innenstadt seit Jahren ein politischer Dauerbrenner sind, kocht das Thema nun erneut hoch. Im Raum steht die Frage, wie es zu derartigen Ausschreitungen bei einer nicht bewilligten Demo überhaupt hat kommen können. «Anders als bei anderen Kundgebungen war ein überwiegender Teil der Demonstranten gewaltbereit», schreibt dazu die Kantonspolizei. Gegenüber der «Basler Zeitung» erklärte ein Mediensprecher der Polizei, die Lage sei falsch eingeschätzt worden. So wurde dem Gewerbe vorab mitgeteilt, dass mit einer friedlichen Demo zu rechnen sei. Es seien deshalb zu wenig Einsatzkräfte aufgeboten worden. Laut Polizeiangaben ist es aber zu keinem Zusammentreffen gewaltbereiter Demonstranten mit Innenstadtbesuchern gekommen.

Die Empörung ist nach den Ereignissen in Basel von links bis rechts gross. «Klima retten, aber öV beschmieren. Schweizer Waffen thematisieren, aber selber böllern», ärgerte sich die FDP-Politikerin Tamara Alù auf Twitter. Auch von der Linken wurden die Krawalle überaus scharf verurteilt, so zum Beispiel von der SP-Nationalrätin Sarah Wyss: «Die Demonstrations- und die freie Meinungsäusserungsfreiheit sind ein wertvolles Gut in einer Demokratie. Was in Basel abging, hat damit nichts zu tun.» Aus Sicht des früheren SP-Präsidenten Pascal Pfister schaden solche Krawalle der Klimabewegung.

    Die Demonstrationsfreiheit und freie Meinungsäusserung ist ein wertvolles Gut in einer Demokratie. Was gestern in #Basel abging, hat damit nichts zu tun! https://t.co/7sbQaOhiVE@Kapo_BS
    — Sarah Wyss (@Sarah_Wyss) February 12, 2023

Zusätzliche Brisanz erhalten die Krawalle, weil die SVP schon seit Monaten mit zwei Volksinitiativen liebäugelt, um der Häufung von Demonstrationen und Ausschreitungen in der Innenstadt entgegenzuwirken. Noch liegen die Initiativtexte nicht vor, doch die Ereignisse bestärken die Partei in ihren Plänen. In Zürich reichte die SVP bereits ein Volksbegehren unter dem Titel «Anti-Chaoten-Initiative» ein. Sie verlangt, dass Demonstranten die Rechnung für Polizeieinsätze und angerichtete Schäden künftig in allen Fällen übernehmen müssen – und dies auch, wenn die Kundgebung zuvor bewilligt worden ist. Im Basler Parlament hatte die SVP schon früher gefordert, dass Kundgebungen an Samstagen in der Innenstadt verboten werden – allerdings ohne Erfolg: Der Grosse Rat lehnte den Vorschlag ab.
(https://www.nzz.ch/schweiz/klima-proteste-als-vorwand-fuer-krawalle-wie-vermummte-aktivisten-die-basler-innenstadt-in-beschlag-nahmen-ld.1725809)


+++POLIZEI ZG
Vorfälle nehmen zu: Mehrere Zuger Polizisten bei Angriffen verletzt
In der letzten Woche wurden gleich zwei Polizisten der Zuger Polizei tätlich angegriffen. Schweizweit nimmt die Gewalt gegenüber Polizistinnen zu. Was ist da los?
https://www.zentralplus.ch/polizei/polizistin-wird-bei-hausdurchsuchung-beschimpft-und-verletzt-2519515/


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Gerüchte in Minsk, Bunker in der Schweiz, antirassistische Aktionen
https://antira.org/2023/02/13/geruechte-in-minsk-bunker-in-der-schweiz-antirassistische-aktionen/


«Läuft eine junge Frau vor mir, halte ich bewusst Abstand» – «Würde ich nie tun»
Suda (35) und Abi (31) sind in der Schweiz geboren. Ihre Eltern flüchteten vor rund 40 Jahren vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka. Die Brüder haben die Schule, die Lehre und Weiterbildungen hier abgeschlossen. Trotzdem haben sie manchmal das Gefühl, dass es nicht genug ist. Im Video erzählen sie darüber, wie sie Alltagsrassismus erleben, was das mit ihnen macht und wie sie damit umgehen. So viel vorneweg: Die Brüder gehen ganz unterschiedlich mit ihrer Situation um.
https://www.20min.ch/video/laeuft-eine-junge-frau-vor-mir-halte-ich-bewusst-abstand-wuerde-ich-nie-tun-110233464172


+++RECHTSEXTREMISMUS
derbund.ch 13.02.2023

Affäre um Hans-Georg Maassen: Deutscher Rechtsaussen-Politiker gründete geheimnisvolle Stiftung in der Schweiz

Wegen wiederholt extrem rechter Aussagen will die CDU den Ex-Chef des deutschen Verfassungsschutzes aus der Partei schmeissen. Nun zeigen Recherchen, dass sich Maassen eine Stiftung in der Schweiz zugelegt hat.

Alexandra Aregger, Bernhard Odehnal

Der Briefkasten ist ein Albtraum für jede Postträgerin: Die Adresse liegt zwar an der belebten Bahnhofstrasse im Herzen der Stadt Zug. Die Hausnummer 28 aber ist versteckt in einer Passage, deren Eingang man zwischen Spielzeugladen und Männermodegeschäft nur schwer findet. Es scheint so, als solle dieser Briefkasten nicht so einfach gefunden werden.

«Ja, hallo», antwortet eine Frau durch den Lautsprecher: «Zu wem wollen Sie?» Die Frage ist berechtigt. Schliesslich sind hier an einem einzigen Briefkasten 42 Firmen und Stiftungen angeschrieben. Sie sind alle bei einer Bürovermietungsfirma im 4. Und 5. Stock des grossen Bürogebäudes untergekommen. Auch die Stiftung Atlantis, deren Vorsitzender nur leider nicht anwesend ist, wie ein Mann am Empfang bedauernd feststellt.

50’000 Franken als Startkapital

Die Atlantis-Stiftung war bislang in der Öffentlichkeit völlig unbekannt. Nicht so ihr Stifter und Präsident: Es ist der umstrittene CDU-Politiker und ehemalige Chef des deutschen Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maassen.

Wie Informationen der «Süddeutschen Zeitung», des WDR und des NDR zeigen, kam Maassen am 2. Juli 2021 persönlich nach Zug und unterzeichnete hier die Gründungsurkunde seiner Atlantis-Stiftung. Das Anfangskapital von 50’000 Franken war wenige Tage zuvor auf ein Konto der Stiftung bei der Credit Suisse eingezahlt worden.

In Deutschland macht Maassen derzeit wieder einmal Schlagzeilen: Monatelang wollte ihn seine Partei CDU zu einem freiwilligen Austritt überreden. Grund dafür sind Aussagen und Tweets von Maassen, in denen er nach Ansicht von CDU-Granden antisemitische Codes verwendet, Rassismus verharmlost und seine Sympathie für Rechtsextreme zeigt. So etwa klagte Maassen in einem Interview über eine «grün-rote Rassenlehre», wonach man afrikanische und arabische Männer ins Land holen müsse.

Als Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz musste Maassen 2018 zurücktreten, nachdem er rechtsextreme Exzesse in Chemnitz verharmlosend kommentiert hatte. In der CDU opponierte er heftig gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, die seiner Meinung nach dazu führt, dass «1,8 Millionen Araber ins Land kommen».

CDU-Chef Friedrich Merz hatte dem 60-jährigen Maassen Anfang Februar ein Ultimatum zum freiwilligen Parteiaustritt gestellt. Maassen liess es verstreichen und betonte immer wieder, dass er nur ausspreche, was das Volk in Deutschland denke. Gestärkt wurde seine Position durch die Wahl zum Präsidenten der sogenannten Werteunion im Januar 2023. Dieser 2017 gegründete private Verein versteht sich als «Basisbewegung innerhalb der CDU/CSU» und möchte aus den Unionsparteien eine «echt» konservative Bewegung machen. Nach eigenen Angaben hat die Werteunion etwa 4000 Mitglieder.

In der CDU sehen allerdings viele die Werteunion eher als Bedrohung. So forderte die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Karin Prien, in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» einen Unvereinbarkeitsbeschluss ihrer Partei: Wer Mitglied der Werteunion sei, dürfe nicht gleichzeitig Mitglied der CDU sein. Denn die Werteunion wolle die Partei weit nach rechts, Richtung AfD verschieben.

Maassen selbst wurde vorgeworfen, AfD-nahe Positionen in der Migrationspolitik zu vertreten. Zudem soll er als Chef des Inlandnachrichtendienstes die AfD vor einer Beobachtung geschützt haben. Deshalb tauchen immer wieder Gerüchte auf, Maassen könnte mit dem harten Kern der Werteunion zur AfD wechseln. Oder eine eigene Partei gründen.

Im Juli 2021, als in der Schweiz die Atlantis-Stiftung gegründet wurde, diskutierte man in Deutschland bereits öffentlich über einen möglichen Parteiausschluss Maassens. Er selber war damals auf Wahlkampftour in Thüringen, wo er als Direktkandidat der CDU für die Bundestagswahl am 26. September antrat (und scheiterte). Die Bundespartei unterstützte damals Maassen in seinem Wahlkampf kaum.

Der in der Gründungsurkunde festgehaltene Zweck von Maassens Atlantis-Stiftung in Zug klingt wie ein politisches Programm. Die Stiftung will «die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos fördern». Dazu gehörten die Förderung einer «internationalen Gesinnung, der Toleranz, des Völkerverständigungsgedankens sowie des demokratischen Staatswesens» sowie von «Massnahmen gegen Extremismus und Totalitarismus».

Für die Erfüllung ihres Zwecks kann Maassens Stiftung laut Gründungsurkunde «Workshops, Seminare, Podiumsdiskussionen» veranstalten und auch eigene Publikationen veröffentlichen. Durch die Öffentlichkeitsarbeit soll ebenfalls um Zuschüsse zum Stiftungsvermögen geworben werden. Andererseits will aber auch die Stiftung Geld vergeben, in Form von «Preisen an Personen und Gruppen». Die Entscheidung, was genau gemacht und wer gefördert werde, obliege ganz allein dem Stiftungsrat, heisst es in der Stiftungsurkunde. Und es wird festgehalten: «Der Wirkungsbereich der Stiftung ist nicht auf die Schweiz eingeschränkt.»

Ausser Maassen selbst sitzt im Stiftungsrat der Atlantis-Stiftung ein weiterer deutscher Staatsbürger, der jedoch in Luzern lebt. Er stammt aus einer deutschen Industriedynastie. In der Schweiz hat er eine eigene Consultingfirma, die ihren Sitz an seiner Wohnadresse hat – abgeschottet im Luzerner Villenviertel mit bester Sicht auf den Vierwaldstättersee. Auch sonst scheint der Unternehmer nicht gross am gesellschaftlichen Leben in Luzern teilzunehmen. In der lokalen Wirtschaftsszene ist er kaum bekannt.

Gleichzeitig hat seine Firma ebenfalls einen Sitz an derselben Adresse in Zug, an der auch die Stiftung Atlantis gemeldet ist: Bahnhofstrasse 28. Genau dort sitzen noch mehrere Unternehmen, bei denen der Mann im Verwaltungsrat ist. Eines dieser Unternehmen wurde etwa zur selben Zeit wie die Atlantis gegründet, eine andere erst im vergangenen Jahr.

Ein dritter Mann aus Deutschland ist zwar im Zuger Handelsregister immer noch als Stiftungsrat der Atlantis eingetragen. Er sagt jedoch der «Süddeutschen Zeitung», dass er diese Funktion längst zurückgelegt habe: «Als ich von den Entwicklungen um die Person Maassen Kenntnis bekam, habe ich meine Resignation als Stiftungsrat kundgetan und dann vollzogen.» Auch der Industrielle aus Luzern teilt mit, dass er seinen Rückzug aus der Stiftung veranlasst habe.

Die Stiftung hinterlässt keine Spuren

Welchen Zweck hat nun die Stiftung? Wo wurde sie bisher aktiv? Wie viel Kapital besitzt sie, und wo wird dieses eingesetzt?

In der Zuger Bahnhofstrasse 28 will ein Vertreter der Bürovermietungsfirma keine Informationen über Kundinnen und Kunden preisgeben. Nur so viel: Die am Briefkasten angeschriebenen Firmen seien «alle real». Und Leute der Atlantis seien «regelmässig hier». Bloss in diesem Moment gerade nicht.

Obwohl Maassens Stiftung laut Stiftungsurkunde mit ihrer Arbeit an die Öffentlichkeit will, bleibt sie bemerkenswert geheim. Sie hat keine Website, und es gibt keine Hinweise auf von ihr organisierte Veranstaltungen oder Publikationen. Auch Maassen selbst war offenbar bisher nicht daran interessiert, die Atlantis öffentlich zu machen.

In einem Videointerview vom Februar 2022 wird der umstrittene CDU-Politiker von «Weltwoche»-Herausgeber Roger Köppel in Berlin über sein Verhältnis zur Schweiz befragt. Maassen spricht von einer «sehr langen Beziehung» schon seit Schultagen: «Seitdem hat mich das Land eigentlich nicht losgelassen.» Er finde die Schweizer «sehr, sehr liebenswert und ich bin immer wieder gerne da», sagt Maassen. Die von ihm gegründete Stiftung in Zug erwähnt er mit keinem Wort.

Kurz vor Redaktionsschluss antwortet Hans-Georg Maassen doch noch auf die Fragen der Journalisten: Er habe mit der Atlantis-Stiftung ein lang gehegtes Projekt verwirklicht, «eine bürgerliche Stiftung zu gründen, die dem freiheitlichen Gedanken verpflichtet ist». Derzeit befinde sie sich noch in der Aufbauphase. Die Stiftung, schreibt Maassen, solle Projekte fördern, «die die freiheitliche Demokratie und den Rechtsstaat stärken», und sei in der Schweiz gegründet worden «wegen des einfacheren Stiftungsrechts». Für die Funktion des Stiftungsratspräsidenten erhalte er keine Vergütung. Die Stiftung Atlantis unterstütze keine Parteien, auch nicht die Werteunion, und habe ihn auch nicht im Wahlkampf unterstützt, so Maassen.

Seiner Mail legt Maassen einen Flyer bei, der sich bisher öffentlich nirgends finden liess. Darin wird um finanzielle Unterstützung gebeten und ein Auftrag der Stiftung definiert: die Förderung von Projekten, «die sich gegen Totalitarismus und zeitgenössischen Sozialismus richten».

Mitarbeit: Katja Riedl, Sebastian Pittelkow, Jörg Schmitt

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CDU beschliesst Ausschlussverfahren gegen Maassen

Montagmittag hat der Bundesvorstand der CDU beschlossen, ein Parteiausschlussverfahren gegen Hans-Georg Maassen einzuleiten. Bereits jetzt seien Maassen alle Mitgliedsrechte entzogen worden, erklärte Parteichef Friedrich Merz. Über den Ausschluss muss nun ein Kreisparteigericht in der Stadt Erfurt entscheiden. Maassen ist dort Mitglied und kandidierte in Thüringen zur Bundestagswahl. Gleichzeitig betonte der CDU-Vorstand auch seine Distanz zur Werteunion, deren Vorsitz Maassen im Januar übernommen hatte. Vorsitzender Merz sprach von einem «Trennungsstrich mit dem heutigen Tag». Die CDU sei konservativ, liberal und christlich-sozial, aber nicht rechtsradikal, und «wir nähern uns auch nicht der AfD an». Maassen will einen Ausschluss nicht akzeptieren und bei Gericht anfechten. (bo)
(https://www.derbund.ch/deutscher-rechts-aussen-politiker-gruendete-geheimnisvolle-stiftung-in-der-schweiz-499524371473


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
tagblatt.ch 13.02.2023

Auf den Spuren von Echsenmenschen, Freimaurern und Einhörnern: Ein Stadtrundgang durch St.Gallen mit Verschwörungsgläubigen

Befeuert durch das Internet und die sozialen Medien, sind Verschwörungstheorien spätestens seit Corona mitten in der Gesellschaft angekommen. Unser Journalist hat sich unter eine Gruppe von Verschwörungsgläubigen gemischt und ist ihnen auf einer Spurensuche nach Freimaurern, Pharaonen und Riesen gefolgt.

Enrico Kampmann

Eine jahrtausendealte Pharaonen-Kaste, die von reptilienartigen Ausserirdischen abstammt, regiert die Welt. Beweise dafür finden sich überall, besonders viele in der Stiftsbibliothek St.Gallen. So zumindest sieht es Sandro, der sich aus diesem Grund den Platz vor der Bibliothek als Startpunkt für seinen Stadtrundgang «St.Gallen for Insider» ausgesucht hat.

Sandro, der in Wirklichkeit anders heisst, betreibt einen Telegramkanal mit rund 1300 Mitgliedern, in dem den ganzen Tag lang Artikel und Videos geteilt werden, die Verschwörungstheorien propagieren. Rund 30 Mitglieder haben sich an diesem Sonntagnachmittag bei knapp über null Grad und Nieselregen eingefunden, um dem von Sandro geführten Stadtrundgang durch St.Gallen «mit Fokus auf Freimaurer-, Pharaonen-Symbolik und speziellen ‹Insiderplätzen›» beizuwohnen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind bunt durchmischt. Unter ihnen befinden sich viele Paare, ein Baby im Kinderwagen, Teenager mit ihren Eltern, Damen und Herren in ihren Sechzigern. Auch sind zwei bekannte Vertreter der Ostschweizer Reichsbürgerszene anwesend – und ein Journalist, der sie inkognito begleitet. Sie alle trotzen dem garstigen Wetter, um sich von dem kleinen runden Mann mit neonfarbener Leuchtjacke die Welt erklären zu lassen.

Lückenlose Beweisführung

Die Schweiz dient laut Sandro den herrschenden Pharaonen-Echsen-Aliens als wichtiges Zentrum der Macht. Die geradezu erdrückende Beweislage dafür wird etwa wie folgt dargelegt: Wie jeder weiss, nennt sich die Schweiz auf Französisch Suisse, was sich von «Son of Isis» ableitet. Isis ist eine Göttin der ägyptischen Mythologie, die unter anderem auch Herrin der Unterwelt ist. Es sei also kein Zufall, dass die ägyptische Mumie Schepenese in St.Gallen ausgestellt ist.

Wen wundert es da noch, dass auf einem der Sarkophage der Schepenese gespreizte Flügel abgebildet sind. Raben haben bekanntlich auch Flügel und sind laut Sandro ein Symbol fürs Spionieren. Kein Zweifel also, dass wir unter der totalen Kontrolle von Pharaonen-Echsen stehen.

Der lückenlosen Beweisführung des Experten hat niemand etwas entgegenzusetzen und so watschelt die Gruppe langsam ins Innere der Stiftsbibliothek, um sich dort weiter erleuchten zu lassen.

Spätestens seit Corona sind Verschwörungstheorien (VT) mitten in der Gesellschaft angekommen. Kaum jemand hat heute nicht eine Person im Bekanntenkreis, die regelmässig «interessante» Links teilt. Pascal Wagner-Egger ist an der Universität Fribourg Dozent für Sozialpsychologie und forscht bereits seit 20 Jahren zu VT, und zu denen, die an sie glauben. 2021 hat er ein Fachbuch veröffentlicht, indem er die Forschung der letzten 20 Jahre zum Thema ausgewertet und zusammengefasst hat.

20 bis 30 Prozent der Menschen glaube an VT, sagt Wagner-Egger. Bei etwa 10 Prozent sei der Glaube stark ausgeprägt, diese Menschen glaubten an eine Vielzahl von verschiedenen Verschwörungstheorien. Während die erste Zahl seit einigen Jahren mehr oder weniger stabil bleibe, sei zu beobachten, dass immer mehr Betroffene einen stark ausgeprägten Glauben hätten. Eine Entwicklung, die mit der Coronapandemie ihren bisherigen Höhepunkt erreicht habe.

Wagner-Egger sagt: «Die Hauptgründe sind das Internet und Social Media.»

Es habe schon immer Narren gegeben, die abstruse Ideen verbreiteten. Doch während sie dies früher nur in der Dorfkneipe getan hätten, könnten sie ihre Theorien heute in Rekordtempo über die ganze Welt verteilen und sich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Teil einer erleuchteten Elite

Die Gruppe steht inmitten der jahrhundertealten barocken Stiftsbibliothek um den St.Galler Globus herum, während Sandro erklärt, dass unser Planet in Wirklichkeit eine Scheibe sei. Man gaukle uns vor, dass die Erde rund sei, «um die Länder zu verstecken, von denen wir nichts wissen sollen, und damit die Afrikaner nicht merken, wie klein Europa im Vergleich zu ihrem Kontinent ist».

Der Journalist stutzt. Da der Rest der Gruppe die Zusammenhänge aber offenbar auf Anhieb verstanden hat, hält er den Mund. Ohnehin ist Sandro bereits beim nächsten Thema. Er vergleicht gerade Corona mit dem Holocaust: «Früher rannten alle Adolf Hitler hinterher, heute Alain Berset.»

«Nicht alle!», entgegnet ein älterer Herr laut, worauf die Anwesenden kichern. Sie lassen sich schliesslich nicht von den Echsenmenschen einlullen.

Verschwörungsgläubige wiesen in der Regel leichte paranoide Züge auf und tendierten zu Narzissmus, sagt Sozialpsychologe Pascal Wagner-Egger. Wie Sektenmitglieder, hätten sie oft ein ausgeprägtes Bedürfnis, etwas Besonderes zu sein. «Ihr Verschwörungsglaube erlaubt ihnen, sich als Teil einer auserwählten, erleuchteten Elite zu fühlen.»

Ausserdem habe es auch etwas mit politischem und sozialem Kontrollverlust zu tun, sagt Wagner-Egger. Zwar gebe es zahlreiche Beispiele von reichen und sehr gebildeten Verschwörungsgläubigen, aber statistisch stammten sie hauptsächlich aus den niedrigeren sozialen Schichten mit geringem Bildungsgrad und tiefem Einkommen.

So seien VT auch sehr oft ein Rache-Diskurs gegen Eliten. Reiche und mächtige Menschen würden zum Sündenbock für die fehlende Kontrolle über das eigene Leben. Wagner-Egger sagt: «Es ist psychologisch erfüllender, ein heroischer Freiheitskämpfer gegen eine böse Machtelite zu sein, als ein Durchschnittsbürger in finanziellen Schwierigkeiten.»

Auf dem Weg zur Kathedrale lernen wir, dass die Schweiz kein Staat, sondern eine Firma ist und vom US-Geheimdienst regiert wird, dass das St.Galler Wappen in Wirklichkeit ein Nazisymbol ist und, dass die Tore der Kathedrale so gross sind, damit die Riesen bequem ein und aus gehen können. Die gibt es nämlich – genauso wie Einhörner.

Kritisches Denken ist nicht ihre Stärke

Wer jemals mit Verschwörungsgläubigen gesprochen hat, weiss, wie gerne diese damit prahlen, wie kritisch sie seien. Sie würden eben Fragen stellen und nicht blind den Obrigkeiten vertrauen. Allerdings haben Studien von Pascal Wagner-Egger und anderen Sozialpsychologen ergeben, dass Verschwörungsgläubige tendenziell unterdurchschnittliche Fähigkeiten zum kritischen Denken aufweisen.

In der Psychologie nenne man das Phänomen kognitive Asymmetrie, erklärt Wagner-Egger. So seien Verschwörungsgläubige zwar extrem skeptisch gegenüber jeglichen «offiziellen Quellen», gleichzeitig aber völlig naiv und leichtgläubig bezüglich allem, was in ihr Weltbild passe. Während sie Informationen aus Medien und Politik kategorisch als Lüge abstempelten, werde jeder Satz und jedes Video aus Verschwörungschats auf Telegram unhinterfragt als Wahrheit akzeptiert.

Echte Verschwörungen existierten, sagt Wagner-Egger, beispielsweise der Watergate-Skandal in den USA oder die Affäre um die Crypto-AG in der Schweiz. Doch wahre Verschwörungen seien stets erst durch die akribische Recherchearbeit von Journalistinnen oder Staatsanwaltschaften ans Licht gekommen und ausserdem zweifelsfrei belegt worden. Verschwörungsgläubige hingegen würden zusammenhangslose Dinge, die sie als «Anomalien» wahrnehmen, bündeln und dann als Beweise werten. Wagner zitiert dazu einen Arbeitskollegen: «Kein Verschwörungsgläubiger hat jemals eine Verschwörung aufgedeckt.»

Nicht nur lustig

Der Nieselregen hat sich mittlerweile in schweren Schneeregen verwandelt, der Parka des Journalisten ist völlig durchnässt. Die Menschentraube trottet auf ihrem Weg zum Kulturmuseum an etlichen Dreiecken, Halbkreisen und Abbildungen von Tieren vorbei; allesamt sind sie Beweise für eine grosse Verschwörung, in die nebst den Echsenmenschen nun auch die Freimaurer, der Vatikan und selbstverständlich die Juden verwickelt sein sollen.

Für die meisten Menschen sind VT in erster Linie belustigend. Doch sie bergen auch Gefahren. Die rechtsextremen Attentäter von Christchurch in Neuseeland und Halle in Deutschland glaubten an eine jüdische Weltverschwörung. Der Angriff auf das Capitol in Washington wurde ebenfalls durch den Glauben an verschiedene VT befeuert, allen voran jener der «gestohlenen Wahl» Trumps.

In der Schweiz verbreitet die wachsende Neonazigruppe Junge Tat den Verschwörungsmythos des grossen Austauschs. Gemäss diesem würden politische Eliten versuchen, durch Einwanderung die weissen Mehrheitsbevölkerungen in Europa und den USA zu ersetzen.

Vor dem italienischen Konsulat in der Katharinengasse erklärt Sandro, dass die Sterne auf der Europaflagge eigentlich Pentagramme seien und die EU daher eine Organisation Satans. Daraufhin folgen derart antisemitische Aussagen, dass der Journalist sie wieder aus seinen Notizen streicht.

Ausserdem hat er kalte Füsse und ist trotz Sandros bald zweieinhalb Stunden andauernder Auflistung von Beweisen für weltumspannende Verschwörung immer noch nicht zu hundert Prozent überzeugt. Tropfnass und durchfroren gibt sich der Journalist also dem Schicksal hin, für den Rest seines Lebens eine Marionette der zionistischen Pharaonen-Echsen-Aliens zu sein und lässt die Gruppe von Gläubigen vor der Kirche St.Mangen im Regen stehen.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/verschwoerung-auf-den-spuren-von-echsenmenschen-freimaurern-und-einhoernern-ein-stadtrundgang-durch-stgallen-mit-verschwoerungsglaeubigen-ld.2414742)