Medienspiegel 10. Februar 2023

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+++BERN
derbund.ch 10.02.2023

Digitalisierung im Asylbereich: Teure Websites, die kaum jemand kennt

Der Kanton Bern, Caritas und andere haben Internetplattformen aufgezogen, die Asylsuchende im Alltag unterstützen sollen. Lohnen sich die Investitionen?

Sabin Gfeller

Es ist bitterkalt. Hängt man zu lange am Smartphone, werden die Finger klamm. Besser, man bewegt sich. Und das tut die Männergruppe, die sich an diesem Abend zum wöchentlichen Fussballtraining auf dem Sportplatz Bodenweid in Bümpliz getroffen hat. Organisiert wird das Training vom Verein Mazay, der auf freiwilliger Basis Geflüchtete in Bern unterstützt.

Trotz der Kälte trudeln 33 Männer ein. Die meisten von ihnen sind einst geflüchtet – etwa aus Afghanistan, Burundi oder Eritrea. Einige trainieren heute das erste Mal mit. Zu ihnen gehören Abraham Resom und Muzammil Khaksar. Andere waren schon mehrmals da, zu ihnen gehört Mohammad Shah Abbasi. Bevor das Training losgeht, stehen sie in Gruppen da, spielen sich den Ball zu, unterhalten sich. Man hört Farsi, Deutsch, Englisch und andere Sprachen.

Doch dieser direkte Kontakt nimmt wie in anderen Gesellschaftsbereichen auch im Asylwesen ab. Personelle Ressourcen werden knapper, vermehrt wird auf digitale Angebote gesetzt. Und zwar auf Apps oder Websites, die sich an Angestellte im Migrationsbereich und direkt an Geflüchtete richten und diese im Alltag unterstützen sollen. Darauf finden diese Informationen zu Wohnen, Bildung, Gesundheit, Integration und vielem mehr. Der Vorteil: Das Ganze ist in verschiedenen Sprachen verfügbar.

Neue Plattformen

Im letzten Jahr ploppten plötzlich überall neue Angebote auf: Der Kanton Bern ging mit der Plattform Hallo-Bern in fünfzehn Sprachen online, das Schweizerische Rote Kreuz machte einen Relaunch für seine Website Migesplus und testet momentan eine weitere App für Geflüchtete, die Website des nicht kommerziellen Vereins Migraweb ist auch eher neu. Etwas früher, im Herbst 2021, ging das Staatssekretariat für Migration mit Asylum Info online. Vorreiterin war Caritas Bern mit i-Need, die Website und App mit Angeboten für den Kanton Bern sind seit 2019 in fünf Sprachen abrufbar. Die Stadt Bern hat eine Website in zwölf Sprachen.

Hallo-Bern punktet mit einer klaren Übersicht, bei der man als Erstes die Sprache auswählen kann. Bei Migesplus hingegen muss man sich zuerst in Deutsch, Französisch, Italienisch oder Englisch hindurchklicken, bevor man andere Sprachen anwählen kann. Sie richtet sich denn auch in erster Linie an Fachpersonen aus dem Asylwesen und nur indirekt an Geflüchtete. Migraweb steht noch ziemlich am Anfang – bisher gibt es die Website in Deutsch, Französisch oder Englisch. Die Plattformen überschneiden sich in vielerlei Hinsicht.

Die Kosten für diese einzelnen Plattformen beginnen bei 60’000 für Hallo-Bern, steigern sich bei Asylum-Info auf 130’000 und für den Relaunch von Migesplus vom SRK sogar auf 182’000 Franken. Finanziert werden sie mit Steuer- und Spendengeldern. Doch werden diese Angebote überhaupt genutzt?

Am Zielpublikum vorbei

Beim Fussballtraining in Bümpliz zeigt sich: Niemand kennt die Plattformen. Weder Resom oder Khaksar noch Abbasi.

Während sich die anderen aufwärmen, erzählt Muzammil Khaksar. Vor seinem Mund bilden sich Atemwolken. Seit drei Monaten lebt der 25-Jährige in der Schweiz, seit kurzem in Steffisburg. Bevor er vor den Taliban floh, die im August 2021 in Afghanistan die Macht an sich rissen, unterrichtete er dort Maschinenbau.

Leute aus der Kollektivunterkunft erzählten ihm vom Fussballtraining. Doch die Websites, die sich gerade auch an Menschen wie ihn richten, kennt er nicht. Braucht er Informationen zu Deutschkursen oder Integrationsangeboten, wendet er sich an Leute aus der Unterkunft, Bewohnerinnen oder Angestellte. Als Khaksar die anwählbaren Sprachen auf Asylum Info sieht, sagt er: «Oh, das ist Farsi.» Seine Muttersprache. Dann joggt er aufs Feld.

Abraham Resom spielt bei einer Aufwärmübung noch einen Pass und kommt dann an den Spielfeldrand. Wenn er sonst nicht gerade im Restaurant serviert, geht er oft joggen oder fährt Velo. An diesem Abend trainiert er zum ersten Mal zusammen mit den Vereinsmitgliedern von Mazay, in der Schweiz ist er jedoch bereits seit acht Jahren.

An wen er sich wende, wenn er Informationen zur Wohnungs- oder Jobsuche brauche? «Ich versuche selber klarzukommen», sagt der 28-Jährige. Während er spricht, reibt er die Hände aneinander, hüpft zwischendurch von einem Bein auf das andere. Er lebt in Gümligen und arbeitet in einem Restaurant in Bern. Die Stelle hat er nicht mithilfe einer der erwähnten Plattformen gefunden, sondern über Jobsuche.ch. Trotzdem findet er es gut, gibt es diese Apps und Websites. Dann wendet er sich ab und joggt mit den anderen mit, kreist abwechslungsweise einen Arm.

Mohammad Shah Abbasi lebt seit sieben Jahren in der Schweiz. Der 28-Jährige aus Afghanistan sagt ganz direkt: «Ich brauche keine dieser Apps.» Wenn er im Alltag irgendwo ansteht, fragt er Freunde. Über den Kontakt mit Schweizerinnen und Schweizern hat er denn auch eine Ausbildung und Arbeit gefunden – und dank der Website von Berufsberatung.ch. Diese Plattform lobt er. Über sie kam er zu einer Lehrstelle als Sanitär.

Heute lebt er mit einem Kollegen zusammen in Ostermundigen. Es waren denn auch Freunde, die ihm vom Mazay-Training erzählten. Fussball spielt er schon lange.

Nach einer Stunde gibt es eine kurze Pause. Einige der Fussballer kommen an den Spielfeldrand. Fragt man in die Runde, klingt es ähnlich: Egal, ob jemand seit ein paar Monaten oder mehreren Jahren in der Schweiz ist – die Internetplattformen sind dem Zielpublikum nicht bekannt. Zumindest in dieser 33-köpfigen Gruppe nicht.

Viele Besuche

Doch offenbar werden die Plattformen durchaus genutzt. Das sagen zumindest die Betreibenden der Plattformen: Letztes Jahr gab es je 40’000 Besuche auf Hallo-Bern und Asylum-Info, bei Migesplus vom SRK waren es sogar 180’000.

Für Dominik Galliker würde eine App ausreichen. Der 31-Jährige hat den Verein Mazay vor fünf Jahren gegründet. Die Informationen in Fremdsprachen seien zwar bestimmt hilfreich. Aber: «Wenn öffentliche Gelder vorhanden sind, sollten sie meiner Meinung nach in Menschen investiert werden und nicht in Versuche, sie zu ersetzen.»

Die Integration lebe von Menschen. «Ich kenne kaum eine erfolgreiche Integrationsgeschichte, bei der nicht ein Kontakt, eine Vertrauensperson, eine Beziehung im Mittelpunkt stand.» Gleichwohl werde im Asylbereich bei den Menschen gespart: Eine Sozialarbeiterin betreue über 150 Personen, oft fehle Geld für Dolmetschende, und wichtige Organisationen wie das Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer des Schweizerischen Roten Kreuzes seien komplett überbucht. Das Resultat: «Freiwillige wie wir müssen immer wichtigere Aufgaben im Asylbereich übernehmen.» Das findet er problematisch.

Alternative Investitionen

Statt in Online-Plattformen würde er in Peer-Projekte investieren, wie es diese bereits in Gemeinden wie zum Beispiel Kehrsatz, Ittigen oder Münsingen gibt. Hier unterstützen Schlüsselpersonen mit Migrationshintergrund Neuangekommene. Zum Beispiel informieren die Schlüsselpersonen über Rechte und Pflichten, die Schule, das Gesundheitssystem, oder sie übersetzen. Eine andere Investitionsmöglichkeit sieht Galliker in den Sozialdiensten: damit die Zahl der Dossiers überschaubarer werde.

Dass sich soziale Angebote schneller herumsprechen als digitale Plattformen, zeigt sich an diesem Abend. Nun pfeift jemand das Spiel an, Lederschuh trifft Ball, im Hintergrund rauscht die Autobahn.
(https://www.derbund.ch/braucht-es-so-viele-websites-fuer-gefluechtete-222084702276)


+++BASELLAND
Wenn Armut zum Verbrechen wird: Letzte Chance auf Bleiberecht für Anouchkas Mutter
Nach 26 Jahren in der Schweiz droht Anouchka Gwens Mutter aus dem Baselbiet die Wegweisung. Auch das Bundesgericht hat den Rekurs abgelehnt, jetzt bleibt der Kongolesin nur noch der Gang an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
https://bajour.ch/a/cldx5ejks80203954ixns2zbhk8/wegweisung-aus-baselbiet-wenn-armut-zum-verbrechen-wird


Temporäre Nutzung der Truppenunterkunft Aesch Löhrenacker durch das SEM
Wegen der weiterhin sehr angespannten Lage im Asylbereich und im Hinblick auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine ist der Bund gezwungen, zusätzliche Unterkunftsplätze für die temporäre Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden bereitzustellen. Das SEM nutzt darum die von der Gemeinde Aesch zur Verfügung gestellte, frisch renovierte Truppenunterkunft Löhrenacker ab dem 13. Februar 2023 mit 120 Unterbringungsplätzen vorerst bis Ende 2023.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-92991.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/asyl-bund-nimmt-weitere-asylunterkunft-in-aesch-bl-in-betrieb?partId=12333745
-> https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/fluechtlingswelle-truppenunterkunft-in-aesch-bietet-120-zusaetzliche-plaetze-fuer-asylsuchende-ld.2413387


+++LUZERN
luzernerzeitung.ch 10.02.2023

Guido Graf: «Ich habe grosse Bedenken, dass wir die Integration in den Arbeitsmarkt verschlafen»

Eine Klage gegen die vermeintlich zu tiefe Asylsozialhilfe im Kanton Luzern, die verzweifelte Suche nach Wohnungen für Asylsuchende sowie die Debatte um die Integration von Geflüchteten aus der Ukraine: Der Luzerner Regierungsrat Guido Graf nimmt Stellung.

Interview: Reto Bieri und Dominik Weingartner

Bekommen Flüchtlinge im Kanton Luzern zu wenig Geld? Diesen Vorwurf erhebt der Grünen-Kantonsrat Urban Frye. Der Kanton Luzern erhalte vom Bund 550 Franken pro Person für die Sozialhilfe, ausbezahlt erhalten die Flüchtlinge aber 350 Franken, so Fryes Rechnung. Der Kanton mache deshalb mit jedem Flüchtling 200 Franken Gewinn. 39 Geflüchtete gelangen deshalb vor das Kantonsgericht und wollen die Rechtmässigkeit dieser Regelung überprüfen lassen. Im Interview nimmt der für den Asylbereich zuständige Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf (Mitte) Stellung.

Der grüne Kantonsrat Urban Frye wirft dem Kanton Luzern vor, die Sozialhilfebeiträge für Flüchtlinge seien zu tief und darum menschenunwürdig. Was sagen Sie zu diesem happigen Vorwurf?

Ich stelle infrage, ob Urban Frye das Finanzierungssystem unseres Asyl- und Flüchtlingswesens versteht.

Wie ist es denn korrekt?

Es gibt nicht nur den Grundbedarf, der an die Bedürftigen ausgerichtet wird. Der Grundbedarf dient der existenziellen Grundsicherung – Essen, Hygiene und persönliche Bedürfnisse. Zudem werden sämtliche Gesundheitskosten im Rahmen der gesundheitlichen Grundversorgung, zum Beispiel Franchisen, Selbstbehalte, Rollstühle, Prothesen, Zahnarztkosten und die Wohnkosten übernommen. Dazu kommen situative Leistungen wie beispielsweise ÖV-Kosten, wenn ein Deutschkurs besucht wird oder wenn nötig Kosten für einen Aufenthalt in einer Langzeitpflegeeinrichtung.

Der Vorwurf, dass der Kanton Luzern an den Flüchtlingen Geld verdient, ist also falsch?

Ja. Der Vorwurf basiert auf einer falschen Rechnung. Der Grundbedarf ist in der Asylverordnung festgelegt. In den Zentren erhält eine Person 350 Franken, in einer Wohnung 432 Franken. Das ist aber nur ein Teil der Sozialhilfe, hinzu kommen die bereits genannten Leistungen.

Können Sie die Rechnung aufschlüsseln?

Das habe ich jetzt geschildert. Eine Person kann über den Grundbedarf, die Wohnkosten und die medizinische Grundversorgung hinaus Leistungen beziehen. Diese situationsbedingten Leistungen unterscheiden sich von Fall zu Fall.

39 Flüchtlinge gehen nun juristisch gegen den Kanton vor. Welchen Ausgang erwarten Sie von diesem Rechtsstreit?

Ich äussere mich nicht zu einem laufenden Verfahren.

Ist die Asylsozialhilfe im Kanton Luzern zu tief?

Das ist eine anspruchsvolle Frage. Wir sind zurzeit daran, die Kantonale Asylverordnung zu überarbeiten, und überprüfen in diesem Zusammenhang auch die Ansätze der Asylsozialhilfe. Wir werden dazu eine Vernehmlassung durchführen.

Der Schutzstatus S ist rückkehrorientiert. Doch der Krieg in der Ukraine ist weit davon entfernt, beendet zu werden. Macht der Schutzstatus S überhaupt noch Sinn?

Der Schutzstatus S war zu Beginn des Krieges wichtig. Ohne ihn hätten wir die Flüchtlingsströme aus der Ukraine nicht bewältigen können. Aber dass man ihn jetzt bis im Frühling 2024, ohne Anpassungen anzubringen, verlängern will, verstehe ich nicht. Ich habe grosse Bedenken, dass wir so die Integration der Personen mit Status S in den Arbeitsmarkt verschlafen. Ich wünsche mir vom Bund einen Schritt in Richtung beruflicher Integration.

Wie sehen das die anderen Kantone?

Ich kann nicht für andere Kantone sprechen. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Arbeitsintegration beginnen müssen. Wir haben im Kanton Luzern 32’000 Unternehmen. Diese sind daran interessiert, motivierte Arbeitskräfte einzustellen. Jede Person, die wir ausbilden, ist ein Gewinn.

Welche Schritte unternimmt der Kanton Luzern in dieser Sache?

Für die Integration ist die Sprache wichtig. Unsere Sprachkurse laufen gut, die Kinder gehen in die Schule. Die jüngst vom Kantonsrat gewünschte Möglichkeit zur Absolvierung einer Berufslehre ist der nächste richtige Schritt. Dazu ist der Kanton Luzern mit Dritten im Gespräch, die dazu aktiv werden sollen.

Können alle Flüchtlinge einen Sprachkurs besuchen?

Es ist in unserem Interesse, dass alle Geflüchteten Deutsch lernen. Bei fast 7000 Personen aus dem Asylbereich im Kanton Luzern kann es zu Wartezeiten kommen. Fakt ist: Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass viele Menschen aus der Ukraine bei uns bleiben werden.

Sie fordern den Bund immer wieder öffentlichkeitswirksam zum Handeln auf. Warum machen Sie das?

Wenn man in der Politik etwas erreichen will, gibt es verschiedene Schritte, die man machen kann. Irgendwann muss man an die Öffentlichkeit. Es ist nicht so, dass der Kanton Luzern nichts erreicht hat. Die Erhöhung der Bundesbeiträge für Integrationsmassnahmen von 6000 auf 18’000 Franken wurde damals von uns angestossen.

Ist der Kanton Luzern selber auch bereit, Geld für die Integration in die Hand zu nehmen?

Ja. Der Kanton Luzern nimmt seine Verantwortung wahr. Und es lohnt sich.

Sind Sie zuversichtlich, dass man die Ukrainerinnen und Ukrainer beruflich integrieren kann?

Man muss sie mehr fördern. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge im Kanton Luzern hat einen Job. Bei den Ukrainerinnen und Ukrainer sind es gesamtschweizerisch gesehen nur rund 14 Prozent, bei uns im Kanton Luzern etwa 20 Prozent.

Der Kanton Luzern ist demnach gut unterwegs.

Ja, aber es reicht bei weitem nicht. Möglichst viele sollten arbeiten. Wenn man den Bildungsstand der Ukrainerinnen und Ukrainer mit anderen Nationalitäten vergleicht, nützen wir das Potenzial zu wenig.

Sie haben in einem Interview kürzlich gesagt, Flüchtlinge aus der Ukraine seien fordernder als andere, Stichwort Botox und Autos. Ist das ein weit verbreitetes Problem oder sind es Einzelfälle?

Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind zum Teil fordernder als andere, zum Beispiel wenn es ums Wohnen geht oder Umplatzierungen, etwa von einer temporären Unterkunft in eine Wohnung auf der Landschaft. Einige wollen dort nicht hin, sondern in der Stadt bleiben. Da mussten wir auch schon die Unterstützung der Luzerner Polizei beanspruchen.

Führt der Kanton solche Umplatzierungen in jedem Fall durch?

Ja. Dazu muss man sagen, dass Menschen aus der Ukraine sich einen anderen Lebensstandard gewohnt sind als etwa Personen aus Libyen oder Afghanistan. Manche kamen mit der Erwartung, in der Unterkunft werde das Essen serviert und die Wohnung geputzt. Aber in einem Zentrum erledigen die Bewohnenden dies per Ämtliplan selber. Auf die Wünsche nach einer Botox-Behandlung sind wir natürlich nicht eingegangen. Genaue Zahlen, auch zu den Autos oder Zahnbehandlungen, werden wir in der Antwort zum Vorstoss von Urban Frye mitteilen.

Dennoch, wie oft wurde nach einer Botox-Behandlung nachgefragt?

Wir führen keine Statistik. Die Antwort des Regierungsrates auf Urban Fryes Vorstoss folgt noch.

Einige Gemeinden, die aufgrund fehlender Flüchtlingsunterkünfte Ersatzzahlungen leisten müssen, prüfen rechtliche Schritte dagegen. Macht das Bonus-Malus-System noch Sinn?

Die Ersatzabgabe ist im Sozialhilfegesetz verankert. Und der Kanton erhält keine Beiträge aus der Ersatzabgabe. Bis jetzt hat noch keine Gemeinde rechtliche Schritte ergriffen. Dass die Rechnungen kontrolliert werden, ist richtig, das würde ich auch machen. Der Kanton hat ein Interesse, gemeinsam mit den Gemeinden eine Lösung zu finden. Wir kriegen die Herausforderungen im Asyl- und Flüchtlingsbereich nur in den Griff, wenn alle drei Staatsebenen miteinander zusammenarbeiten. Wir sind in einer Notsituation.

Aus einigen Gemeinden ist zu hören, der Kanton lehne geeignete Wohnungen ab. Können Sie nachvollziehen, dass dies auf Kritik stösst?

Wir lehnen Wohnungen ab, wenn sie nicht geeignet sind. Es darf nicht sein, dass der Kanton für Vermieter die Wohnungen renoviert und aufräumt.

In Dagmersellen leben Flüchtlinge in einer unterirdischen Zivilschutzanlage. Kann es sich der Kanton überhaupt leisten, oberirdische Wohnungen abzulehnen?

Die unterirdischen Unterkünfte nutzen wir als Notunterkünfte. In diesem Jahr erwartet der Bund rund 30’000 Asylgesuche. Dazu kommen weitere Personen aus der Ukraine, die den Schutzstatus S beantragen werden. Es können gesamthaft 3000 für den Kanton Luzern sein im Jahr 2023, wofür wir Unterkünfte benötigen. Diese haben wir schlicht nicht.

Ist die Lösung, Containersiedlungen auf der grünen Wiese zu bauen?

Das kann eine Lösung sein. Wir brauchen grosse Gebäude, etwa Hallen, sowie Containersiedlungen, allenfalls auch Zelte. Der Kanton Bern baut Zeltsiedlungen. Der Auftrag der Regierung ist es, dass alle ein Dach über dem Kopf haben, verpflegt werden und Zugang zur Gesundheitsversorgung haben.

Hat der Kanton schon Wohnungen abgelehnt, weil sie zu teuer waren?

Wir haben Mietzinsrichtlinien, an denen wir uns orientieren und an die wir uns halten. Im Gegensatz zu 2015 haben wir keine Vermieter, die aus der Situation Profit schlagen wollen.

Verspricht der Kanton Wohnungsbesitzenden, dass nur ukrainische Flüchtlinge einziehen werden?

Es ist richtig, dass gewisse Vermieterinnen und Vermieter sowie Gemeinden nur Ukrainerinnen und Ukrainer aufnehmen wollen. Darauf gehen wir nicht ein.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/kanton-luzern-guido-graf-ich-habe-grosse-bedenken-dass-wir-die-integration-in-den-arbeitsmarkt-verschlafen-ld.2409310)


+++THURGAU
Neues Angebot für ukrainische Schülerinnen und Schüler im Thurgau
An der Kantonsschule Kreuzlingen soll es künftig eine Klasse geben für ukrainische Schülerinnen und Schüler, die das Potenzial haben, aber noch nicht über genügend Deutsch-und Französischkenntnisse verfügen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/neues-angebot-fuer-ukrainische-schuelerinnen-und-schueler-im-thurgau?id=12333523
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/ukrainische-schueler-im-thurgau-nach-einem-vorbereitungsjahr-fit-fuer-die-mittelschule


+++SCHWEIZ
«Arena» zur Asylsituation – Geflüchtete: Wir sollen uns integrieren und zugleich wieder gehen
Bei einem emotionalen Auftritt konfrontierte eine geflüchtete ukrainische Mutter Politiker und Politikerinnen mit ihrer Realität. Umstritten war in der Debatte, wie es mit dem Status S weitergehen soll.
https://www.srf.ch/news/schweiz/arena-zur-asylsituation-gefluechtete-wir-sollen-uns-integrieren-und-zugleich-wieder-gehen


+++EUROPA
EU verstärkt Grenzschutz an Aussengrenzen – Rendez-vous
Weil die Zahl der Asylgesuche starkt steigt, will die EU den Grenzschutz an ihren Aussengrenzen verstärken. In einem Pilotprojekt richtet sie ihren Fokus nun auf die bulgarisch-türkische Grenze. Weshalb?
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/eu-verstaerkt-grenzschutz-an-aussengrenzen?partId=12333568
-> https://www.srf.ch/news/international/asyl-und-migrationspolitik-kameras-und-wachtuerme-eu-ruestet-an-den-aussengrenzen-auf
-> https://www.spiegel.de/ausland/europaeische-union-verschaerft-asyl-und-migrationspolitik-a-1087c051-f4a9-4b16-9a2f-a205948efc38
-> https://www.derstandard.at/story/2000143409501/auch-ohne-zaun-war-der-eu-gipfel-fuer-nehammer-ein?ref=rss
-> https://www.srf.ch/news/international/asyl-und-migrationspolitik-kameras-und-wachtuerme-eu-ruestet-an-den-aussengrenzen-auf
-> https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/migration-einwanderung-fluechtlinge-durchfuehrung-asylverfahren-drittstaaten-praktische-probleme-europaeische-union/
-> https://taz.de/EU-Gipfel-zu-Migration/!5914972/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170890.eu-gipfel-europaeische-migrationspolitik-einigkeit-und-abschottung.html
-> https://www.deutschlandfunk.de/eu-staaten-wollen-aussengrenzen-staerker-schuetzen-und-abschiebungen-forcieren-100.html
-> https://www.deutschlandfunk.de/neue-zaeune-fuer-die-eu-dlf-0f0cabeb-100.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/444646.grenzregime-eu-macht-dicht.html


+++FREIRÄUME
tagesanzeiger.ch 10.02.2023

Besetzer im Zügelstress: Nach dem Ende des Koch-Areals wissen viele nicht, wohin

Die Zürcher Szene sucht vergeblich einen Ersatz für die Grossbesetzung in Albisrieden. Ein Besuch «im Koch» kurz vor der Räumung.

Beat Metzler

Die Belichtungsmaschine im Koch-Areal gilt als Legende. Seit über 30 Jahren nutzen sie Zürcher Hausbesetzerinnen, um Flyer und T-Shirts zu bedrucken.

Der wuchtige Apparat wurde von einer Grossbesetzung zur nächsten gezügelt. Doch nun findet die Maschine nirgends mehr Platz. Wie ihr ergeht es einem Teil der autonomen Zürcher Szene.

Die Besetzenden müssen das Koch-Areal in Albisrieden bis am kommenden Mittwoch verlassen haben. Aufschub gibt es keinen mehr. Die Bewilligungen für den Baustart liegen vor. Gerade ist die Rekursfrist für den Koch-Park und die Siedlung der Genossenschaft Kraftwerk 1 verstrichen.

Letzten Herbst hat die Szene eine Besetzungsoffensive gestartet. Die Stadtpolizei bestätigt, dass sich gegen Ende 2022 sowohl Haus- wie Arealbesetzungen häuften. Doch fast immer wurden die Besetzerinnen rasch vertrieben. Einen Ersatz für das Koch-Areal haben sie bis heute nicht in Aussicht.

Unbeständigkeit gehört dazu

Rosa, Reto und Rolf halten das für einen grossen Verlust. Diese Zeitung hat die drei im Januar auf dem Koch-Areal getroffen. Reto und Rolf wohnen dort, Rosa ist oft «im Koch» tätig. Die drei sind Ende 30 und engagieren sich seit langem in der alternativen Szene. Aus Angst vor Strafverfolgung treten sie unter Pseudonym auf. Die drei betonen, dass sie ihre eigene Sicht schildern. Das basisdemokratisch organisierte Koch-Areal hat keine offiziellen Vertretenden.

Über 100 Menschen hätten im Koch-Areal gelebt, sagt Reto. «Viele wissen nicht, wohin sie nun sollen.» Allzu beunruhigt wirken Rolf und Reto im Januar nicht deswegen. «Die Unbeständigkeit gehört zu diesem Leben», sagt Rolf. Einige seien bereits weggezogen.

Theoretisch wäre es keine schlechte Zeit für neue Besetzungen, sagt Reto. «Es wird viel gebaut in Zürich. Das führt zu Leerständen.» Trotzdem sehen die Besetzenden kaum Chancen, noch etwas Vergleichbares zu finden wie das 12’000 Quadratmeter grosse Grundstück, auf dem sich einst eine Autogarage und Lagerhallen befanden.

Vor fast zehn Jahren liessen sich Autonome dort nieder. Seither hat sich vieles gegen die Besetzerinnen gewendet in Zürich. Rosa, Rolf und Reto nennen vier Punkte.

Erstens: Zwischennutzungsfirmen. Viele Eigentümer, in deren Häusern sich ein Leerstand abzeichnet, wenden sich an Zwischennutzungsfirmen. Diese vermieten die Häuser weiter, bis der Umbau oder der Abbruch ansteht. «Das verhindert Besetzungen und bringt gleichzeitig Geld», sagt Reto. Erfunden hat dieses Geschäftsmodell das Projekt Interim im Jahr 2011. Seither boomen ähnliche Firmen. «Dadurch fallen viele Liegenschaften weg, die sich für uns eignen würden.»

Zweitens: Städtische Zwischennutzungen. Auch die Stadt Zürich richtet in ihren Abbruchliegenschaften vermehrt Zwischennutzungen ein, zum Beispiel die Zentralwäscherei in Zürich-West. Sie hätten nichts gegen diese, betonen Rosa, Reto und Rolf. «Aber sie wird von der Politik oft als Ersatz für Besetzungen dargestellt. Und das stimmt nicht.» Denn an Orten wie der Zentralwäscherei behalte die Stadt die Kontrolle.

Drittens: Schwindende Industrieareale. Bei den wichtigen Orten der Zürcher Besetzungsgeschichte handelt es sich fast immer um ehemalige Industrie- oder Gewerbegebiete: Wolgroth, Sihlpapier, Rüdigerstrasse, Binz, Autonomer Beauty Salon, Koch. Sie boten viel Platz und Offenheit. «Nach 30 Jahren Umnutzung der Industrieflächen gibt es in Zürich praktisch keine solchen Grundstücke mehr», sagt Reto.

Viertens: Die Polizei. Die Stadtpolizei räumt besetzte Häuser üblicherweise erst dann, wenn die Eigentümerinnen eine Abbruchbewilligung vorweisen können, eine Umbaufreigabe oder eine Umnutzung. So steht es im städtischen «Merkblatt Hausbesetzungen». Für die Szene bietet dieses eine Art Rechtssicherheit. «Wir können relativ genau einschätzen, in welchen Häusern wir geduldet werden», sagt Rolf. Aus Sicht der Besetzenden hält sich die Stadtpolizei aber immer weniger an diese Regeln. Von Fall zu Fall gehe sie unterschiedlich vor. «Das hängt offenbar stark vom Einsatzkommando ab», sagt Reto. Zudem habe die Stadtpolizei in letzter Zeit frisch besetzte Liegenschaften oft früh «gerazzt». Das heisst: Durchsucht und alle Besetzenden aufgeschrieben, falls diese nicht schon verschwunden waren.

Das erhöht das Risiko für die Besetzenden. Was sie tun, gilt als Hausfriedensbruch. «Dank vorsorglichen Personenkontrollen hat die Polizei alle Namen, falls die Eigentümerinnen später eine Anzeige machen», sagt Rosa. Für die erste Verzeigung gibt es eine Busse. Nach mehrfachem Erwischtwerden droht eine Gefängnisstrafe.

Bei der raschen Räumung des Altstetter Juch-Areals im letzten Dezember sei die Polizei ausserdem unnötig brutal eingefahren. «Sie haben Leute gejagt und zu Boden gedrückt», erzählen die drei.

Die Stadtpolizei widerspricht. Sie verfolge seit mehreren Jahren eine unveränderte Strategie, sagt Sprecherin Judith Hödl. Personenkontrollen führe die Stadtpolizei nicht häufiger durch als früher. Dies geschehe erst dann, wenn die Eigentümerschaft eine Anzeige eingereicht habe. Dadurch lasse sich das Strafverfahren einleiten. Bei der Räumung des Juch-Areals sei der Stadtpolizei kein ausserordentlicher Zwischenfall bekannt, sagt Judith Hödl.

Irritiert hat die Szene auch die Räumung des Kesselhauses, das dem EWZ gehört. Eine offizielle Unterstützung der Stadt wünschen sich die drei zwar nicht – sonst wären sie zu nahe dran am Modell Zentralwäscherei. «Aber es wäre schön, wenn man uns nicht wie gewalttätige Störenfriede behandeln würde», sagt Rolf.

Eine Bereicherung für Zürich?

Aus der Sicht der drei liefern Grossbesetzungen wie das Koch-Areal einen wichtigen Beitrag zum Zusammenleben in Zürich. «Wir sind ein offener Ort und dienten immer wieder als Auffangstelle für Leute, die sonst nirgends unterkommen», sagt Rolf.

Das Koch habe auch das Kulturleben bereichert. Manche Anlässe strahlten weit über die Szene hinaus. An einer der Abschlusspartys zum Beispiel, die während der letzten Wochen stattfanden, reichte die Schlange der Wartenden bis zur benachbarten Tankstelle.

Das Koch-Areal ist eine Stadt in der Stadt, neben dem Konzertraum und der Bar gibt es ein Kino, Werkstätten, die Siebdruckerei, eine Grossküche, Räume, um sich zu treffen. «Viele Hunderte haben sich hier politisch und kreativ betätigt», sagt Rosa. Die Menschen hätten vieles ausprobieren können, eine Bar zimmern zum Beispiel, eine Rollschuhdisco organisieren, einen Boiler reparieren, für 50 Menschen kochen. Alles sei aus Eigeninitiative geschehen, sagt Rosa. «Das Vorurteil der faulen Besetzerinnen könnte falscher nicht sein.»

Im Koch-Areal habe auch niemand Geld verdient. Für die Anlässe könne man zahlen, so viel man will. Niemand müsse konsumieren. «Was vorig bleibt, wird solidarisch an Politprojekte im In- und Ausland verteilt», sagt Reto. Die Kosten für Strom, Heizung und Wasser hätten jene bezahlt, die auf dem Areal wohnten.

Thomas Stahel teilt diese Einschätzung. Der Historiker hat ein Buch über die Zürcher Wohnbewegungen geschrieben, heute arbeitet er für die SP. «Orte wie das Koch-Areal hinterfragen die aktuelle Stadtentwicklung mit den immer stärker steigenden Mieten.» Sie ermöglichten vieles, was es im profitorientierten Zürich kaum mehr gebe. Das Verschwinden solcher «Kulturbesetzungen» sieht Stahel als Ausdruck dafür, dass es in Zürich für Teile der Bevölkerung immer enger werde. Derzeit werde so viel günstiger Wohnraum vernichtet wie noch nie. «Die Stadt läuft Gefahr, die in den 80er-Jahren erkämpfte kulturelle Vielfalt zu verlieren.»

Ein Teil der Zürcherinnen sieht das Koch-Areal hingegen als Ärgernis. In den ersten Jahren beklagten sich Nachbarn immer wieder über den Partylärm. 2016 setzte die Stadt strengere Regeln durch, die Besetzenden isolierten ihre Partyräume. Seither hätten die Beschwerden deutlich abgenommen, heisst es beim Finanzdepartement. Eine Ausnahme bildet das Unite-Festival, das die Besetzenden im September 2022 aufzogen. Die Konzerte im Hof sorgten für 36 Lärmklagen an einem Wochenende.

Einer, der froh ist, dass das Koch-Areal wegkommt, ist Përparim Avdili. Der Präsident der Stadtzürcher FDP wohnt ganz in der Nähe. Die Besetzung habe Zürich keinen Mehrwert gebracht, sagt er. «Profitiert hat nur eine kleine Klientel.» Ein Teil des Quartiers habe hingegen unter Lärm und Littering gelitten.

«Am meisten stört mich die Ungleichbehandlung», sagt Avdili. Ein Restaurant in der Nachbarschaft bekomme von der Stadt keine Bewilligung, um abends länger offen zu bleiben. Gleichzeitig würden die Besetzer ohne eine einzige Auflage ein riesiges Festival veranstalten und nächtelang durchfesten. «Das ist extrem unfair.» Eine kontrollierte Zwischennutzung wie die Zentralwäscherei hätte der Stadt viel mehr genützt als ein rechtsfreier Raum, sagt Avdili. «Nun sollen endlich günstige Wohnungen entstehen.»

25’000 Franken Kaution

Davor muss allerdings noch viel Material weg. Während der letzten zehn Jahre hat sich im Koch-Areal einiges angesammelt: Party-Deko, Traktoren, Boxen, Schweissgeräte, die legendäre Belichtungsmaschine. «Das meiste befindet sich in Kollektivbesitz», sagt Reto. Bislang wurden diese Dinge nach Räumungen an neue Besetzungen gezügelt. Weil ein Ersatzareal fehlt, funktioniert das nicht mehr im gleichen Umfang.

Bereits Anfang Jahr haben erste Besetzende angefangen, ihre Werkstätten und Lager aufzulösen. Diesen Samstag gibt es einen Flohmarkt. Und falls am Mittwoch Material übrig bleibt, zahlen die Besetzenden zumindest einen Teil der Entsorgung selber. Bei der Stadt haben sie 25’000 Franken Kaution hinterlegt.

Ob alle ohne Widerstand abziehen werden, können Rosa, Reto und Rolf nicht sagen. Dies sei noch nicht beschlossen. Es gebe beide Positionen.



Die längste Zürcher Besetzung – eine Chronologie

Am 8. Mai 2013 lassen sich Aktivistinnen und Aktivisten, die sich «Familie Wucher» nennen, auf dem leeren Koch-Areal an der Ecke Flüela-/Rautistrasse nieder. Viele ziehen aus dem Binz-Areal nach Albisrieden. Die UBS, der das Gelände gehört, möchte die Besetzerinnen wieder loswerden.

Im Juli 2013 heisst es, dass zwei Söhne von Stadtrat Richard Wolff (AL) auf dem Areal verkehren. Wolff ist politischer Verantwortlicher der Stadtpolizei. Er äussert sich nicht dazu, was ihm Kritik einbringt.

Ende Dezember 2013 gibt die Stadt bekannt, dass sie das 30’000 Quadratmeter grosse Areal für 70 Millionen Franken von der UBS abkaufen kann. Die SVP fordert seither mehrfach die Räumung, immer vergeblich.

2016 kritisieren Bürgerliche, dass die Planung für eine Überbauung zu lange daure. Sie vermuten eine absichtliche Verzögerung zugunsten der Besetzer. Die Stadt widerspricht.

Im September 2016  wehren sich Nachbarn wegen des Partylärms. Es folgen hitzige politische Debatten.

Im Oktober 2016 lanciert die FDP ihre Initiative, um das Koch-Areal zu verkaufen. Kurz darauf tritt Richard Wolff in Bezug auf das Koch-Areal in den Ausstand, als Grund gibt er «familiäre Gründe» an. Finanzvorstand Daniel Leupi (Grüne) übernimmt das Dossier.

Im September 2017 präsentiert die Stadt Zürich ihre Pläne für das Areal. Es sollen 325 günstige Wohnungen entstehen und ein Park. Die Genossenschaften Kraftwerk 1 und ABZ erhalten später den Zuschlag.

Im Juni 2018 stellt sich das Stimmvolk mit 72 Prozent hinter das städtische Projekt. Die Initiative der FDP bleibt chancenlos. Der Baustart rückt weiter nach hinten.

Im Oktober 2022 demonstrieren Hunderte gegen das angekündigte Ende der Besetzung.

Am 15. Februar 2023 müssen die Besetzenden fort sein. Mit fast zehn Jahren Existenz war das Koch-Areal die bisher wohl längste Zürcher Besetzung. (bat)
(https://www.tagesanzeiger.ch/nach-dem-ende-des-koch-areals-wissen-viele-nicht-wohin-576658921222)


+++GASSE
Polizei verstärkt Patroullien am Zürcher Hauptbahnhof (ab 03:27)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/in-zuerich-immer-noch-kalt-im-meilen-wieder-wohlig-warm?id=12333373
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/viele-polizeieinsaetze-zuerich-hb-wird-zur-problemzone-150060141



ajour.ch 10.02.2023

Obdachlose in Biel – Eisige Temperaturen: In der Bieler Notschlafstelle braucht es derzeit zusätzliche Betten

Für Randständige sind die tiefen Temperaturen eine besondere Herausforderung. Institutionen wie die Notschlafstelle oder die Gassenküche sind derzeit besonders gefragt. Doch reicht das?

Deborah Balmer

Auf dem Bieler Bahnhofplatz, wo an wärmeren Tagen Randständige auf den Bänkli sitzen, herrscht derzeit Leere: Es ist schlicht zu kalt, um im öffentlichen Raum Gleichgesinnte zu treffen. Das heisst allerdings nicht, dass sie stattdessen in der warmen Wohnung sitzen.

Es mag etwas überraschen, doch auch in der Stadt Biel gibt es obdachlose Menschen. Und die sind bei den aktuell tiefen Temperaturen vor besondere Herausforderungen gestellt. Wer die Nacht nicht draussen verbringen will, muss sich rechtzeitig organisieren. Etwa schauen, dass er bei Bekannten unterkommen kann.

Andere suchen die Bieler Notschlafstelle Sleep-In auf. An der Mattenstrasse 13 stellen Frauen und Männern Schlafmöglichkeiten in einem Mehrbettzimmer zur Verfügung. Sie können duschen oder Kleider waschen und etwas Kleines essen. Sechs Franken kostet die Nacht im Sleep-In.

Knapp 30 Plätze stehen im Sleep-In zur Verfügung. Das sind aktuell nicht genug: Die Nachfrage ist wegen der tiefen Temperaturen zurzeit besonders hoch. «Wir sind jede Nacht voll besetzt, ja, wir müssen sogar Notmatratzen auslegen», sagt Vera Fabbri vom Sleep-In. Das erklärte Ziel sei klar: «Bei der Kälte soll keiner draussen schlafen müssen.» Ein Nein erhält nur, wer einen alternativen Schlafplatz in Aussicht hat. So gibt es auch Menschen, die von Biel nach Freiburg, Yverdon oder Lausanne weiterziehen, um dort eine Notschlafstelle aufzusuchen.

In der Stadt Biel gibt es anders als etwa in Lausanne bei anhaltend tiefen Temperaturen nachts nicht einfach ein zusätzliches Übernachtungsangebot für die Menschen, die durch alle sozialen Maschen gefallen sind.
Steigende Rückfallgefahr: Einige macht die Kälte noch einsamer

In der Bieler Gassenküche, die in den Wintermonaten längere Öffnungszeiten hat, bemerkt man ebenso ein verändertes Verhalten der Besucherinnen und Besucher: «Wenn es kalt ist, kommen nicht nur viel mehr Menschen als sonst zu uns, sie bleiben auch länger sitzen, um sich aufzuwärmen», heisst es dort. Die Gassenküche hat in den Wintermonaten von Mittag bis abends um neun Uhr geöffnet.

Oft sind es Menschen, die ein Problem im Umgang mit Alkohol haben, die sich im Perron bleu an der Florastrasse 32 in Biel treffen. Sie haben vielleicht keine Tagesstruktur und der Besuch im Perron bleu gibt ihnen Halt. Sie können dort ähnlich wie in der Gassenküche etwas essen und sich aufwärmen. Arbeitsagogin Karin Zumbrunn vom Perron bleu sagt: «Die Kälte macht viele von ihnen noch einsamer, als sie es sonst schon sind. Denn bei den eisigen Temperaturen verlassen sie ihr Daheim nicht mehr gerne.»

Wer sich allein fühlt, der riskiert vielleicht, in die alte Sucht zurückzufallen und wieder zur Flasche zu greifen. Generell herrsche derzeit eher eine depressive Winterstimmung unter den Besuchern des Perron bleu, sagt Zumbrunn.
(https://ajour.ch/de/story/eisige-temperaturen-in-der-bieler-notschlafstelle-braucht-es-derzeit-zus%C3%A4tzliche-betten/55117)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Communiqué provisoire du Groupe Antirep suite à l’occupation du 8 rue Royaume
Le jeudi 9 février 2023, le collectif Rue Royaume a investi l’immeuble du 8 rue Royaume vide depuis plusieurs années (plus d’infos ici :).
Le Groupe Antirep Genève communique ci-après sur la répression qui s’est ensuivie selon les informations dont il dispose ce vendredi 10 février à 11h.
https://renverse.co/infos-locales/article/communique-provisoire-du-groupe-antirep-suite-a-l-occupation-du-8-rue-royaume-3879


Contre les évacuations, résistons !
Le 9 février à 10h, un immeuble des Pâquis, au 8 rue Royaume a été occupé pour dénoncer la spéculation immobilière et les agissements spéculatifs et illégaux de ses propriétaires.
https://renverse.co/infos-locales/article/contre-les-evacuations-resistons-3878


Kanti-Besetzung sorgt für rote Köpfe
Am Dienstag besetzten Schüler und Studentinnen die Kantonsschule Enge, um für ein ökologisches und soziales Bildungssystem zu demonstrieren. Die Aktion verlief friedlich, der Unterricht konnte uneingeschränkt stattfinden. Trotzdem fordern die bürgerlichen Parteien den Rücktritt des Rektors.
https://www.pszeitung.ch/kanti-besetzung-sorgt-fuer-rote-koepfe/#top


Genfer Politiker Jean Burgermeister klagt an: «Polizisten haben mir mehrmals auf den Kopf geschlagen»
Am Donnerstag hat die Genfer Polizei ein besetztes Haus geräumt. Dabei sollen der Kantonsrat Jean Burgermeister und ein Fotograf Schläge erhalten haben. Der linke Politiker, der für die Kantonsregierung kandidiert, erzählt Blick seine Version der Ereignisse.
https://www.blick.ch/politik/genfer-politiker-jean-burgermeister-klagt-an-polizisten-haben-mir-mehrmals-auf-den-kopf-geschlagen-id18306515.html


Demo in Genf: Ging Polizist mit Schlagstock auf Pressefotograf los?
Steeve Iunker wurde an einer Genfer Demo von zwei Schlägen getroffen. Als er seinen Presseausweis vorzeigte, sei ihm dieser entrissen und weggeworfen worden.
https://www.20min.ch/story/ging-polizist-mit-schlagstock-auf-pressefotograf-los-623823089682


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Ob sie ihren Pass noch finden? Erdbebenopfer brauchen ein Visum für die Schweiz
Türkische Angehörige in die Schweiz holen und sie bei sich aufnehmen? Das geht bisher nur mit gehörigem Papierkram. Nun fordern Politiker unbürokratische Hilfe.
https://www.blick.ch/politik/ob-sie-ihren-pass-noch-finden-erdbebenopfer-brauchen-ein-visum-fuer-die-schweiz-id18303301.html


Elisabeth Baume-Schneider fordert Sondervisa für Erdbebenopfer
Die Erdbeben in der Türkei und Syrien haben bereits mehr als 20’000 Menschenleben gefordert: Jetzt verlangt Elisabeth Baume-Schneider Sondervisa für Betroffene.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/elisabeth-baume-schneider-fordert-sondervisa-fur-erdbebenopfer-66417578


Erleichterte Einreise für Erdbebenopfer mit Schweizer Angehörigen – Echo der Zeit
Trotz Erdbeben gilt weiterhin: Wer aus der Türkei oder aus Syrien in die Schweiz einreisen will, braucht ein gültiges Visum. Doch es gibt sogenannte Fast-Track-Formulare für Verletzte oder Kranke. Beim Staatssekretariat für Migration sind bereits 500 Anfragen dazu eingegangen.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/erleichterte-einreise-fuer-erdbebenopfer-mit-schweizer-angehoerigen?partId=12333769
-> https://www.blick.ch/politik/tuerkische-erdbebenopfer-sollen-voruebergehend-bei-verwandten-in-der-schweiz-wohnen-duerfen-das-turbo-visum-kommt-id18306703.html
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/lockerungen-visapflicht-vom-erdbeben-betroffene-tuerken-sollen-einfacher-einreisen-koennen-150065315
-> https://www.telem1.ch/aktuell/vom-erdbeben-betroffene-tuerken-sollen-einfacher-einreisen-koennen-150065451



derbund.ch 10.02.2023

Kritik an Visumspraxis für Erdbebenopfer: Türkische Grossmutter darf nicht in die Schweiz reisen – weil ihr Pass unter den Trümmern liegt

Ihre Enkelin aus dem Aargau versucht ein Visum für die 83-Jährige zu erhalten. Doch das Schweizer Konsulat stellt sich quer.

Nina Fargahi

Die junge Aargauerin Gülcan Sefil ist verzweifelt. Sie versucht, ihre 83-jährige Grossmutter aus dem Erdbebengebiet in der Türkei vorübergehend in die Schweiz zu holen. «Sie ist allein dort, und ihr Haus liegt in Schutt und Asche.» Verschüttet worden seien auch ihre Dokumente, die sie aber dringend bräuchte, um in die Schweiz zu reisen. Quasi als Verschnaufpause vom Chaos an der türkisch-syrischen Grenze.

Sefil hat dem Schweizer Konsulat in der Türkei eine Passkopie der Grossmutter geschickt, weil diese vor einem Jahr bereits ein Visum für die Schweiz erhalten hatte. Das heisst, dass die Schweizer Behörden bereits über die Daten der Grossmutter verfügen. Aber das Konsulat schreibt in seiner Antwort, die dieser Redaktion vorliegt: «Die Visabestimmungen haben sich aufgrund des Erdbebens nicht geändert. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass für die Ausreise aus der Türkei der Besitz eines gültigen Reisepasses Voraussetzung ist.»
Sefil versteht diesen Entscheid nicht: «Meine Grossmutter steht im Pyjama draussen bei minus 14 Grad und übernachtet in einem Auto – wo soll sie diese Dokumente herholen?»

Es gibt zwar ein vereinfachtes Visaverfahren, um Menschen mit medizinischen Problemen rasch in die Schweiz zu holen. Auch das hat Sefil bereits versucht, doch auch hierfür braucht es einen Pass. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) schreibt ihr: «Wir verstehen Ihre Besorgnis um Ihre Angehörigen und Verwandten und Ihren Wunsch, ihnen rasch zu helfen. Doch für sämtliche türkische und syrische Staatsangehörige gelten die üblichen Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt in der Schweiz.»

Dokumente suchen im Erdbebengebiet

Was sind die üblichen Bedingungen? Gemäss SEM benötigen Drittstaatsangehörige aus Syrien und aus der Türkei bei der Einreise in den Schengen-Raum für den kurzfristigen Aufenthalt von maximal 90 Tagen ein anerkanntes Reisedokument, welches mindestens drei Monate über das Datum der vorgesehenen Ausreise aus dem Schengen-Raum hinaus gültig ist und vor weniger als zehn Jahren ausgestellt wurde. Zudem werden Belege benötigt, die den Zweck und die Umstände des Aufenthalts in der Schweiz ausweisen, sowie ausreichende finanzielle Mittel – im Fall von Sefils Grossmutter sind das Kontoauszüge, die einen Betrag von mindestens 10’000 türkischen Lira bezeugen.

Allerdings können die «üblichen Bedingungen» in unüblichen Situationen nicht erfüllt werden. Die Beschaffung nötiger Dokumente und Reisepässe ist derzeit im Erdbebengebiet unmöglich. Das habe, so ein Bericht des «Blicks» vom Freitagmorgen, die neue Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider erkannt und wolle nun bestimmte Visaerleichterungen einführen, um Angehörige aus dem Erdbebengebiet vereinfacht und vorübergehend in die Schweiz zu holen. Doch das SEM dementiert diesen Bericht auf Nachfrage dieser Redaktion. Zwar hat das Staatssekretariat am Freitag nach Lösungen gesucht, wie eine Meldung auf Twitter andeutete.

Doch am Abend teilte das SEM mit, dass es weder Visaerleichterungen noch sonstige Sonderregelungen geben wird für Angehörige in der Türkei und in Syrien. Man stehe mit den türkischen Behörden in engem Kontakt, um die «rasche Ausstellung eines Notfallpasses möglichst pragmatisch zu lösen». Das SEM weist darauf hin, dass die Visumverfahren «in Übereinstimmung mit dem Schengen-Recht» durchgeführt werden. Allerdings verfügt die Schweiz über die eigene Kompetenz, um Visa zu erteilen.

Migrationsexperte und Rechtsanwalt Marc Spescha kritisiert diesen Entscheid: «Angesichts dieser Notsituation im Erdbebengebiet ist es ein Gebot der Humanität, die Visumspraxis vorübergehend anzupassen.» Das wäre keine Einzigartigkeit gewesen. Bereits im Jahr 2013 beschloss der Bundesrat eine vorübergehende Visaerleichterung für syrische Staatsangehörige mit Verwandten in der Schweiz. Ziel dieser befristeten Massnahme war es, vom Krieg betroffenen Familienangehörigen rasch einen temporären Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen.

Sefil sagt: «Jetzt ist der Moment, um unbürokratisch Hilfe zu leisten.» Der Präsident der Dachorganisation der türkischen Vereine in der Schweiz kennt weitere solche Fälle. Sahin Suat sagt: «Ich bin sehr dankbar für die Hilfe, die die Schweiz in der Türkei leistet, und hoffe, dass es für die Familienangehörigen in der Schweiz bald möglich sein wird, Erdbebenopfer vorübergehend zu sich in die Schweiz zu holen.»
(https://www.derbund.ch/tuerkische-grossmutter-darf-nicht-in-die-schweiz-reisen-weil-ihr-pass-unter-den-truemmern-liegt-908161554971)



nzz.ch 10.02.2023

Visaerleichterungen für Erdbebenopfer: Baume-Schneider soll es wie Sommaruga machen und sorgt damit für Unruhe

Die Schonfrist der neuen Justizministerin ist bereits vorbei.

David Biner, Bern

Die Schweiz will Erdbebenopfern aus der Türkei und Syrien helfen, indem sie in bestimmten Fällen Visumsgesuche beschleunigt. Demnach sollen Anträge von Personen, deren Haus oder Wohnung zerstört worden ist und die vorübergehend bei engen Verwandten in der Schweiz unterkommen können, prioritär behandelt werden. «Für eine Terminvereinbarung und zur Beschleunigung der Verfahren können sich diese Personen via ‹Fast-Track-Formular› bei der Schweizer Vertretung in Istanbul melden», teilt das Justizdepartement (EJPD) mit. Die Visumsgesuche würden «sorgfältig» geprüft, die Verfahren «in Übereinstimmung mit dem Schengen-Recht» durchgeführt.

Einreise nur mit Visum, dafür tiefstmögliche Hürden für dessen Erhalt – dies der Grundsatz, auf den sich das (dem EJPD zugehörende) Staatssekretariat für Migration (SEM) und das Aussendepartement (EDA) am Freitagabend verständigt haben. Der Weg dahin wurde von einer Unruhe begleitet, die darauf hinweist, dass Elisabeth Baume-Schneider, die neue EJPD-Chefin, ihre kommunikative Maschinerie noch justieren muss.

Am Vormittag meldete der «Blick», dass Baume-Schneider «auf Hilfe statt auf Bürokratie» setzen und den Erdbebenopfern helfen wolle. Am Mittag – und als Folge von Medienanfragen – verwies ihr Departement dann auf «Abklärungen» und stellte den Entscheid in Aussicht. Die Bundesrätin habe sich «über eine mögliche Unterstützung der Erdbebenopfer in der Türkei informieren lassen», schrieb das SEM auf Twitter. Also was jetzt? Hatte der «Blick» lediglich vorweggenommen, was sie ohnehin wollte, oder gab er vor, was sie zu wollen hat?

Sicher ist, dass der SP-Bundesrätin nicht viel Zeit bleibt, die Kontrolle über ihre Einflusssphäre zu gewinnen. Der Migrationsdruck auf die Schweiz bleibt ungebrochen hoch. Das SEM rechnet im laufenden Jahr mit bis zu 40 000 Asylgesuchen, 2022 waren es rund 22 500. Fast 75 ooo Personen aus der Ukraine haben in der Schweiz einen S-Status erhalten. Die SVP hat deshalb die neue Justizministerin schon länger im Visier.

Aber auch der Druck aus den eigenen Reihen wächst. Die Linke erwartet von «ihrer» Bundesrätin unbürokratische Hilfe und uneingeschränkte Solidarität für die Opfer in den Erdbebengebieten. «Danke, Elisabeth Baume-Schneider», twitterte SP-Nationalrätin Sarah Wyss bereits Stunden vor dem Entscheid des SEM. Dass dieser nicht schon früher getroffen wurde, auch dafür hatte der «Blick» schon früh am Tag eine Erklärung: In Bern gebe es Zweifel, «wie kooperativ sich das Aussendepartement» von Bundesrat Ignazio Cassis zeigen werde.

Deren konsularische Aussenstellen müssten die Sondervisa ausstellen. Damit das schnell gehe, brauche es genügend Ressourcen, mehr Personal. Und auch hier fragt man sich: Streut hier die neue Justizministerin nach wenigen Wochen im Amt bereits ihre Unzufriedenheit über Bundesratskollegen? Oder wollten EDA-Beamte vorsorglich Bremsklötze in der Entscheidfindung aus dem Weg räumen?

«Zur Unterstützung des Generalkonsulats der Schweiz in Istanbul werden das EDA und das SEM zusätzliche Mitarbeitende in die Türkei entsenden», hiess es dann am Abend aus dem Bundeshaus West, wo das EJPD sowie das EDA einquartiert sind. Hier weiss man, dass Visaerleichterungen schnell zum innenpolitischen Bumerang werden können. Unbürokratische Massnahmen für kriegsbetroffene Familienangehörige mussten während des Syrien-Kriegs nach wenigen Monaten wieder ausgesetzt werden. Aufgrund der hohen Anzahl von Visabegehren entstanden im konsularischen Aussennetz monatelange Wartezeiten, vor allem in Istanbul. Das war vor zehn Jahren und unter der damaligen Justizministerin Simonetta Sommaruga. Der «Blick» spricht beim ersten Härtetest für Baume-Schneider nun von «Sommaruga 2». Ob er ihr damit einen Gefallen erweist, wird sich zeigen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/visaerleichterungen-fuer-erdbebenopfer-baume-schneider-macht-die-sommaruga-kommt-das-gut-ld.1725515)


+++POLIZEI SG
Nationalitäten in Polizeimeldungen auf der Kippe
Seit 2011 nennen die Polizei und Justizbehörden im Kanton St. Gallen in Mitteilungen über Straftaten die Nationalitäten der Tatverdächtigen. Diese Praxis im St. Galler Polizeigesetz wurde vor allem bei der Einführung kontrovers diskutiert. Ein Bundesgerichtsurteil bringt die Praxis nun ins Wanken.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/nationalitaeten-in-polizeimeldungen-auf-der-kippe?id=12333391


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Fahrende im Seeland: Entsteht in Biel schon bald ein neuer Transitplatz?
Fahrende halten ein Gelände auf dem Bieler Bözingenfeld illegal besetzt. Nun will die Stadt Biel Abhilfe schaffen und einen Transitplatz zur Verfügung stellen – wenn die umliegenden Gemeinden die Stadt finanziell unterstützen.
https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/entsteht-in-biel-schon-bald-ein-neuer-transitplatz-150065438



ajour.ch 10.02.2023

Fahrende zurück in Biel – Fahrende statt Geflüchtete: Im Bieler Bözingenfeld wird wohl bald ein Transitplatz gebaut

Biel ist nach langem Hin und Her offenbar bereit, einen Transitplatz für ausländische Fahrende zu bauen. Aber nur, wenn sich genügend Seeländer Gemeinden finanziell beteiligen.

Lino Schaeren

Noch ist es tiefer Winter und doch sind sie schon wieder da: die Fahrenden aus Frankreich. Sie haben ein Gelände im Besitz der Stadt Biel im Bözingenfeld illegal besetzt. Es handelt sich dabei um dieselbe Gruppe, die im letzten Oktober für Aufregung sorgte, als sie über viele Wochen den Aussenparkplatz nördlich der Tissot Arena belegte, den der EHC Biel bei seinen Heimspielen für seine VIP-Kundschaft nutzt.

«Sie kommen tendenziell immer früher und bleiben immer länger», sagt Biels Sicherheitsdirektor Beat Feurer (SVP). Mehrere Gruppen Fahrender aus Frankreich machen jedes Jahr länger im Raum Biel halt. Weil es keine offiziellen Halteplätze gibt, besetzen sie illegal Grundstücke. Es sind Familienclans, die oft in grösseren Verbänden unterwegs sind. So hielten sich die Fahrenden etwa im April 2021 mit mehr als 100 Gespannen gleichzeitig auf Bieler Boden auf.

Hier finden sie Arbeit, erledigen Aufgaben im Garten oder übernehmen Reinigungsjobs. Viele von ihnen haben sich inzwischen im Raum Biel eine Stammkundschaft aufgebaut. Sie verkaufen nicht nur einzelne Arbeiten, sondern teilweise auch eine Art Abonnement. Mit dem Versprechen: In einem Jahr sind wir wieder da.

Das weiss man auch auf der Direktion von Beat Feurer und ist sich daher bewusst, dass auch der Bau des Transitplatzes für ausländische Fahrende in Wileroltigen das Problem mit den Landbesetzungen nicht wird lösen können. «Wir werden auch mit dem Platz in Wileroltigen Fahrende in Biel haben, die nach einer Haltemöglichkeit suchen und auch finden werden, wenn nötig illegal», sagt André Glauser, Leiter der städtischen Abteilung Sicherheit.

Solidarität mit Geld bezeugen

Biel sucht deshalb seit mehreren Jahren händeringend mit den umliegenden Gemeinden nach einer Lösung. Alle sind sich einig, dass es im Raum Biel einen Transitplatz für ausländische Fahrende braucht, bloss auf eigenem Grund und Boden will diese keine Gemeinde haben. Zu schlecht ist der Ruf, den sich die Fahrenden teils selbst erarbeitet haben, zu ablehnend die Stimmung ihnen gegenüber in der Bevölkerung.

Mit einem Transitplatz auf dem eigenen Terrain können sich Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten eigentlich nur die Finger verbrennen. Feurer sagt: «Ein Halteplatz für ausländische Fahrende hat einen politischen Preis.»

Einen, den Biel jetzt offenbar bereit sein könnte zu zahlen. Ajour.ch weiss, dass die Direktion von Beat Feurer allen Gemeinden in den Verwaltungskreisen Biel und Seeland einen Vorschlag unterbreitet hat. Dieser sieht vor, dass Biel während drei bis vier Jahren einen Platz für ausländische Fahrende betreibt.

Die umliegenden Gemeinden müssten im Gegenzug jährlich eine finanzielle Abgeltung an Biel entrichten, da sie gleichermassen profitierten. Steht in Biel ein offizieller Platz bereit, kommt es auch in den umliegenden Gemeinden nämlich kaum mehr zu illegalen Landbesetzungen. Das hat ein einmonatiger Versuchsbetrieb im Frühjahr 2022 gezeigt.

Feurer bestätigt das Angebot der Stadt Biel grundsätzlich. Dass neu nicht nur die Gemeinden im Verwaltungskreis Biel, sondern auch jene aus dem Seeland einbezogen werden, sei auf Vorschlag des Vereins Seeland.Biel/Bienne erfolgt, sagt er. Der Verein vernetzt die Gemeinden der Region, im Vorstand sind 14 Gemeindepräsidien aus allen Teilen des Seelands vertreten. «Wir sind der Meinung, dass die ganze Region betroffen ist, und dass der Lösungsansatz der Stadt Biel ein guter Weg ist», sagt Madeleine Deckert (FDP), Präsidentin von Seeland.Biel/Bienne und Gemeindepräsidentin von Leubringen/Magglingen.

Sie erachtet eine offizielle Lösung auch deshalb für dringend nötig, weil nur so durch die öffentliche Hand Spielregeln durchgesetzt werden könnten; etwa, dass auf dem Stellplatz, wo die Fahrenden häufig mit Chemikalien hantieren, Massnahmen zum Umweltschutz umgesetzt werden.

Die Gemeinden hatten bis Ende Januar Zeit, zum Vorschlag Feurers Stellung zu beziehen, derzeit läuft in Biel die Auswertung. Laut dem Sicherheitsdirektor sollen jetzt schnell Nägel mit Köpfen gemacht werden: «Geredet wurde in den letzten Jahren genug, jetzt ist es Zeit, Entscheide zu fällen.» Noch diesen Frühling, so der Bieler Sicherheitsdirektor, werde die Stadtregierung wohl die Weichen stellen.

Mit Transitplatz Geld verdienen

Sei die Basis an Gemeinden, die mit finanziellen Beiträgen Solidarität zeigt, breit genug, will Biel noch für diesen Sommer einen Platz bereitstellen. Es liegt nahe, dass es sich dabei um dieselbe Parzelle beim Werkhof im Brüggmoos handeln würde, die bereits vor einem Jahr für den Testbetrieb genutzt wurde. Für 2024 würde dann aber wohl gezügelt.

Im Bözingenfeld steht nach dem Abtransport der Container, in denen bis zuletzt Flüchtlinge wohnten, bald ein deutlich besser befestigtes und erschlossenes Stück Land zur Verfügung. Feurer bestätigt, dass der Kanton Bern, dem das Grundstück gehört, dieses für einen provisorischen Transitplatz angeboten hat.

Beteiligen sich die umliegenden Gemeinden finanziell, könnte Biel mit dem Transitplatz sogar Geld verdienen. Der Vorschlag Biels beinhaltet laut Feurer, dass Biel den Seeländer Gemeinden zu Hilfe eilt, sollte es trotz Halteplatz zu illegalen Besetzungen kommen. Die Stadt würde die Verhandlung mit den Fahrenden übernehmen – und wenn nötig auch die polizeiliche Räumung durchsetzen.

Beat Feurer stellt nicht in Abrede, dass das komplette Paket unter dem Strich für Biel finanziell lohnend sein könnte. Er sagt aber auch, dass ein solcher Transitplatz Aufgaben wie den ständigen Austausch mit der Nachbarschaft mit sich bringen würde. «Und wir müssten der Bevölkerung die Vor- und Nachteile erklären. Ein solches Projekt ist ein Unterfangen, das politisch schwer bewältigbar ist.»

Wie viel jede Gemeinde zahlen müsste, damit Biel das «Problem» mit den Fahrenden für die Region löst, will Feurer nicht kommentieren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der jeweilige Beitrag abhängig ist von der Einwohnerzahl der Gemeinde. Nidau (rund 7000 Einwohnende) müsste also mehr bezahlen als Orpund (rund 3200 Einwohnende), Orpund seinerseits mehr als Meinisberg (rund 1300 Einwohnende) und so weiter.

Biel hat Strafanzeige erstattet

Doch noch ist es nicht so weit. Und so lange schlägt sich Biel weiterhin mit illegalen Landbesetzungen herum. Der Grund und Boden, auf dem sich im Bözingenfeld derzeit der Familienclan aus Frankreich breitgemacht hat, ist im Besitz der Stadt. Das durch diese gestellte Ultimatum zur Abreise ist bereits letzte Woche verstrichen. Biel hat also Strafanzeige erstattet und strebt eine polizeiliche Räumung an.

Die Fahrenden ihrerseits kennen das Vorgehen und die Schweizer Gesetzgebung ihrerseits bestens. Gibt ein Gericht grünes Licht für eine Räumung, verschwinden sie im Normalfall freiwillig, bevor diese durchgeführt werden kann. Bis dahin werden aber wohl noch einige Tage ins Land ziehen.
(https://ajour.ch/de/story/fahrende-statt-gefl%25C3%25BCchtete-im-bieler-b%25C3%25B6zingenfeld-wird-wohl-bald-ein-transitplatz-gebaut/55378)


+++RASSISMUS
Jede dritte Person in der Schweiz erlebt Diskriminierung oder Gewalt
Ein Drittel der Schweizer Wohnbevölkerung hat nach eigenen Angaben bereits Diskriminierungs- oder Gewalterfahrungen gemacht. Meistens sind Nationalität, Hautfarbe oder Religion die Motive. Das zeigt eine Erhebung, die vom Bundesamt für Statistik im durchgeführt wurde. Die Zahl bleibt auf hohem Niveau stabil.
https://www.toponline.ch/news/schaffhausen/detail/news/jede-dritte-person-in-der-schweiz-erlebt-diskriminierung-oder-gewalt-00205330/


Sarah Akanji und Mandy Abou Shoak: «Der Kanton muss Hate Speech ernst nehmen»
SP-Politikerin Sarah Akanji zieht sich aus dem Kantonsrat zurück. Grund sind rassistische und sexistische Angriffe. Gleichzeitig will ihre Parteikollegin Mandy Abou Shoak nachrücken. Ein Gespräch über Sexismus und Rassismus in der Politik und was es braucht, damit Politiker:innen besser geschützt sind.
https://www.pszeitung.ch/sarah-akanji-und-mandy-abou-shoak-der-kanton-muss-hate-speech-ernst-nehmen/#top


++++RECHTSPOPULISMUS
SVP will Asylsuchende nach Afrika schicken: «Wie ein Zombie, der immer wieder auftaucht»
Die SVP will Asylverfahren auslagern – und zwar nach Afrika. Auch international gibt es ähnliche Überlegungen. Doch Migrationsexperte Alberto Achermann winkt ab: Es gebe zu viele Hürden.
https://www.blick.ch/politik/svp-will-asylsuchende-nach-afrika-schicken-diese-idee-ist-wie-ein-zombie-id18304608.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Verschwörungsideologe Daniele Ganser vergleicht sich mit Sophie Scholl
Der Schweizer Historiker tourt als Star der verschwörungsgläubigen Szene durch Deutschland. Nach Absagen in Nürnberg und Dortmund gibt es auch in Kiel Protest.
https://www.watson.ch/digital/youtube/472110758-verschwoerungsideologe-daniele-ganser-vergleicht-sich-mit-sophie-scholl
-> https://www.t-online.de/region/hamburg/id_100126002/vergleich-mit-sophie-scholl-politiker-fordern-absage-fuer-daniele-ganser.html


Bund brauchte anderthalb Jahre für die Übersetzung: Corona-Skeptiker lancieren Monster-Initiative
Es ist die wohl längste Initiative der Schweiz: Corona-Skeptiker lancieren bald ein Volksbegehren, das zur Aufarbeitung der Covid-Pandemie ein Sondertribunal schaffen will. Weil der Initiativtext so umfangreich ist, braucht es Unterschriftenbögen in Extragrösse.
https://www.blick.ch/politik/bund-brauchte-anderthalb-jahre-fuer-die-uebersetzung-corona-skeptiker-lancieren-monster-initiative-id18306386.html


Ganser-Auftritte in Deutschland werden abgesagt – nicht so jener in Basel
Der umstrittene Historiker darf mit seinem Vortrag über den Ukraine-Krieg in Dortmund und Nürnberg nicht auftreten. In Basel ist ein Verbot (noch) kein Thema. Ein ukrainischer Verein will gegen Ganser demonstrieren. Auch der Israelitische Gemeindebund äussert Kritik.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/verschwoerungstheorien-ganser-auftritte-in-deutschland-werden-abgesagt-nicht-so-jener-in-basel-ld.2413664



derbund.ch 10.02.2023

Antisemitismus-Vorwurf: Darf Daniele Ganser in der Schweiz noch auftreten?

Mehrere Veranstaltungen des umstrittenen Schweizer Historikers wurden in Deutschland abgesagt. Unter anderem verglich er sich mit Sophie Scholl. Heute Abend will Ganser in einem Saal der Stadt Kloten auftreten.

Andreas Tobler

Zuletzt häufen sich die Negativnachrichten für Daniele Ganser: In Nürnberg und Dortmund wurden Veranstaltungen abgesagt, wo der Schweizer in grossen Sälen hätte auftreten sollen.

Den Absagen voraus gingen heftige Proteste – gegen den streitbaren Historiker, der mit seinen Ansichten zum Einsturz des World Trade Centers bekannt wurde – und der nun mit seiner Theorie zum Ukraine-Krieg die Säle füllen will: Gemäss Ganser ist Russlands Angriffskrieg die Folge eines «Putsches» der Amerikaner im Jahr 2014 gegen die damalige Regierung der Ukraine.

Vorwurf: Antisemitismus und Holocaust-Verharmlosung

Bereits während der Pandemie hat Ganser das Repertoire seiner Verschwörungserzählungen erweitert: Mit seiner Impfskepsis wurde er im Lager der Massnahmenkritiker zum Star. Nun wird Ganser wegen Äusserungen zur Corona-Pandemie Antisemitismus und Holocaust-Verharmlosung vorgeworfen. Tatsächlich hat Ganser unter anderem die Impfung als Spaltung der Gesellschaft beschrieben – wie während der Zeit des NS-Regimes, «als zwischen Juden und Nicht-Juden» unterschieden wurde.

Diese Ansicht hat Ganser in einem gestern veröffentlichten Interview bekräftigt. In Deutschland wurden solche Äusserungen als «eine Form des Antisemitismus» kritisiert. Ganser relativiere die Verbrechen der Nazis, urteilte etwa ein Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg gegenüber dem Nachrichtenportal «T-Online».

Daniele Ganser vergleicht sich mit Sophie Scholl

Nun soll Daniele Ganser heute Abend in einem Saal der Stadt Kloten auftreten. Für April und Mai sind weitere Auftritte in Basel und Kreuzlingen geplant. Und dies, nachdem sich der promovierte Historiker in dem gestern veröffentlichten Interview mit der vom NS-Regime ermordeten Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglich, als ihm die Frage gestellt wurde, wie er trotz der Vorwürfe «mutig» bleibe.

«Der Mut braucht unbedingt die Wahrheit als Stütze», sagte Ganser da. «Sophie Scholl hat sich im ‹Dritten Reich› gegen Hitler gewendet. (…) Sie hatten die Wahrheit auf ihrer Seite, der Krieg war auch damals ein Wahnsinn, wurden dann aber festgenommen und wurden enthauptet. Das heisst: Auch wenn du die Wahrheit auf deiner Seite hast, kann es sein, dass du getötet wirst.»

Vergleicht sich mit Sophie Scholl: Daniele Gansers jüngstes Interview in voller Länge.
Video: Youtube
https://youtu.be/RWUs9AQDGAQ


Stadt Kloten hat sich bei der Polizei erkundigt

Trotz solcher Äusserungen sieht die Stadt Kloten offensichtlich kein Problem darin, dass die Veranstaltung heute Abend in ihrem Stadtsaal stattfindet. Als die Reservationsanfrage eintraf, habe die Stadt lediglich abgeklärt, «ob allfällige Sicherheitsrisiken bestehen». Aufgrund der Rückmeldung der Polizei «wurde die Reservation bestätigt», schreibt die Stadt Kloten auf Anfrage.

Eine Nachfrage, wie sich die Stadt Kloten zu den Vorwürfen gegen Ganser verhält, bleibt unbeantwortet. Dafür äussert sich Remko Leimbach, Veranstalter des heutigen Abends und Mitglied von Aufrecht-Zürich, einer Gruppierung, die sich aus dem Lager der Corona-Massnahmen-Kritiker rekrutiert. Und die in diesem Jahr bei den Zürcher Kantonsratswahlen antreten will.

Leimbach findet es «absolut daneben», dass man Ganser nun auf den Vergleich der Geimpften und Nicht-Geimpften mit den Juden und Nicht-Juden während des NS-Regimes «reduziert», wie Leimbach sagt. Selbstverständlich könne und dürfe man Daniele Ganser kritisieren. Aber was nun geschehe, sei eine «Kampagne». Er habe Daniele Ganser «schon sehr oft zugehört und ihn noch nie etwas Böses oder Aggressives sagen hören», sagt Leimbach. Er bewundere Gansers Einsatz «für den Frieden, die Verständigung und die Menschheitsfamilie».

Gewinnorientierter Event-Veranstalter organisiert Ganser-Vortrag in Basel

In Basel wird Ganser im April im Stadtcasino auftreten, dessen Trägerschaft gemeinnützig und unabhängig von staatlichen Subventionen ist. Wobei sich der Kanton Basel zuletzt mit 49 Prozent an den Kosten der Gesamtsanierung und der Erweiterung des Veranstaltungsorts beteiligt hat, wie der frühere Basler FDP-Regierungsrat und heutige Präsident der Casino-Gesellschaft Basel, Baschi Dürr, auf Anfrage mitteilt.

Gansers Vortrag in Basel organisiert Act Entertainment, ein gewinnorientierter Event-Veranstalter. «Die Stadtcasino-Gesellschaft ist selbst kein Veranstalter, sondern vermietet das Stadtcasino an Veranstalter, in diesem Fall an die Act Entertainment», sagt Dürr. «Gemäss unserer langjährigen Praxis können im Stadtcasino Vorträge und Lesungen explizit stattfinden. Solange sich solche Veranstaltungen im rechtsstaatlichen Rahmen bewegen, sehen wir aus grundsätzlichen Gründen davon ab, deren Inhalte im Detail zu bewerten oder zu kommentieren.»

In Kreuzlingen wird der «besondere Fall» nochmals geprüft

Anders sieht es in Kreuzlingen aus, wo Ganser im Mai auf Einladung eines Vereins namens «Neutrale Sicht» auftreten soll: Die Stadt als Besitzerin und Vermietern des Sport- und Kulturzentrums Dreispitz, wo Ganser vor bis zu 600 Zuschauerinnen und Zuschauern der Frage nachgehen will, warum der Ukraine-Krieg ausbrach, habe sich mit seinem «Vortrag und den Kritikpunkten beschäftigt», erklärt die Kreuzlinger Stadträtin Dorena Raggenbass.

Bis anhin sei für den Kreuzlinger Stadtrat klar gewesen, dass «die Meinungsfreiheit übergeordnet» sei – «vor anderen Rahmenbedingungen», wie Raggenbass weiter schreibt. In diesem «besonderen Fall» wird die Kreuzlinger Stadtregierung die Veranstaltung in der kommenden Woche «besprechen», teilt die Stadträtin auf Anfrage mit.

Daniele Ganser selbst hat die Vorwürfe gegen ihn immer bestritten. Er stehe für «Frieden, Völkerverständigung und ein gewaltloses Miteinander in einer ehrlichen, offenen Gesellschaft» ein, teilte seine Veranstaltungsagentur dem Nachrichtenportal «T-Online» mit.

Zu Anfragen von Tamedia nahm Daniele Ganser keine Stellung.



Das sagt der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG)

«Zu Daniele Ganser haben wir bisher keine antisemitischen Vorfälle registriert. Hingegen schätzen wir Gansers Haltungen und insbesondere seine Rolle in verschwörungsaffinen Umfeldern generell als problematisch ein.

Ganser verbreitet eigene Thesen und Theorien, die er als Geschäftsmodell gängigen gesellschaftspolitischen und wissenschaftlich anerkannten Sachverhalten und Lehrmeinungen entgegenstellt. Er verkauft im Grunde gesellschafts- und staatskritische alternative Realitäten. Damit werden Menschen mit solchen Einstellungen und einem Hang zu Verschwörungstheorien bestätigt und weiter bestärkt. Bei einem nicht zu vernachlässigenden Anteil der Verschwörungstheorien schwingen erfahrungsgemäss immer auch antisemitische Inhalte mit.

Mit Liveauftritten vor grossem Publikum in prestigeträchtiger Umgebung kann Daniele Ganser seiner Person und seinen Inhalten einen seriösen und glaubhafteren Anstrich geben. Das unterstützt die Verbreitung seiner ‹alternativen Fakten› und spornt verschwörungsaffine Menschen in ihrer alternativen Realität weiter an. Hier tragen auch die Veranstaltenden eine Mitverantwortung, die Ganser diese prestigeträchtige Bühne zur Verfügung stellen.»

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG).
(https://www.derbund.ch/darf-daniele-ganser-in-der-schweiz-noch-auftreten-663270193923)


+++ANTI-WOKE-POPULISMUS
Knatsch bei Junger  SVP: «Jeden woken Seich aufbauschen, ist einfach nicht unser Ding»
Anti-Woke hier, Anti-Woke da: Die junge SVP Schweiz kennt derzeit nur ein Thema. Das sorgt bei den Kantonalparteien für Unmut. An der Delegiertenversammlung soll es zu einer Aussprache kommen.
https://www.20min.ch/story/junge-svp-macht-sich-laecherlich-aufstand-gegen-anti-woke-strategie-818345381831


Adrian Spahr + Nils Fiechter erklären „Woke“
https://www.tiktok.com/@nilsfiechter/video/7198621876820757766?_r=1&_t=8ZlmZEgU3U6



landbote.ch 10.02.2023

Kantonsspital Winterthur«Weltwoche» bauscht Kritik am Gendern im KSW auf

Das KSW habe der Belegschaft das Gendern befohlen, schreibt die «Weltwoche». Einige Ärzte protestierten dagegen. Dass diese gar nicht am KSW arbeiten und es sich nur um freiwillige Empfehlungen handelt, steht nicht im Artikel.

Jonas Keller, Roger Meier

Zwingt das KSW seinen Angestellten eine geschlechtergerechte Sprache auf und hat damit einen Teil der Belegschaft gegen sich? Das jedenfalls könnte man meinen, wenn man den Artikel «Befehl zum Gendern» in der aktuellen Ausgabe der «Weltwoche» liest.

In den Gängen des Kantonsspitals Winterthur «spukt der woke Zeitgeist», schreibt die Wochenzeitschrift, deren Chefredaktor und Verleger der SVP-Nationalrat Roger Köppel ist. Die Spitalleitung habe 3900 Angestellten das Gendern verordnet. Das habe für Ärger gesorgt: «Eine Gruppe von sieben Ärzten intervenierte bei der Spitalführung.»

Keine Beschwerden aus der Belegschaft

Das KSW stellt die Sache auf Nachfrage dieser Zeitung allerdings anders dar. Negative Reaktionen seitens der Mitarbeitenden habe man nicht erhalten, schreibt es. Im Gegenteil: «Wir spüren einen grossen Goodwill und werden immer wieder um Unterstützung gebeten», sagt Joe Sopko, Leiter Kommunikation.

Was aus dem «Weltwoche»-Artikel nicht hervorgeht: Die sechs Ärzte und eine Ärztin arbeiten nicht am Kantonsspital und sind deshalb gar nicht selbst betroffen. Es handelt sich um Ärzte mit eigener Praxis in Seuzach, Nürensdorf und Winterthur. Sie werfen dem KSW in einem Brief vom vergangenen November vor, es lasse sich «vor den Karren einer politischen Agenda spannen, die fundamentalistisch auftritt». Man versuche, den Angestellten eine aktivistische Sprache aufzudrängen.

Das KSW hingegen betont, dass es sich beim Leitfaden nicht um einen «Befehl zum Gendern» handle, sondern um eine Empfehlung und Orientierung: «Wir zwingen niemanden, den Gender-Doppelpunkt zu verwenden», sagt Sopko. Dies steht auch im Leitfaden: «Ob Schreibweisen wie ‹Besucher:innen› eingesetzt werden oder nicht, entscheiden am KSW alle selbst, aber jedes Mal bewusst.»

Das Spital sagt auf Anfrage aber auch, dass man das generische Maskulinum nicht gern sehe. «Das ist unserer Ansicht nach nicht mehr zeitgemäss.» Hätte es also doch irgendwelche Konsequenzen, wenn Mitarbeitende in ihrer Kommunikation nur die männliche Form verwenden? «Würde uns auffallen, dass jemand das konsequent so macht, würden wir wohl das Gespräch suchen und erklären, warum wir eine inklusive Sprache für wichtig halten», sagt Sopko. Solche Fälle habe es aber bislang keine gegeben. Der Leitfaden wurde im Juni 2022 eingeführt.

«Undemokratische» Einstellung

Dass es in der KSW-Belegschaft keinen Widerspruch gegen den Leitfaden gebe, stimme nicht, sagt Hausarzt und Mitunterzeichner Lorenz Friedrich aus Seuzach. Ein Kadermitglied des KSW habe ihn auf den Leitfaden aufmerksam gemacht. «Die Person störte sich ebenfalls an der von oben verordneten Gendersprache.» Ein Gespräch mit dieser Zeitung lehne die Person aus Sorge um die eigene Stelle ab, so Friedrich. Seine Angaben lassen sich deswegen nicht überprüfen.

Laut Friedrich weisen die sieben Unterzeichnenden dem KSW regelmässig Patienten zu und kooperieren mit dem Spital. Friedrich verweist auf verschiedene Umfragen, denen zufolge eine Mehrheit der Bevölkerung das Gendern nutzlos findet oder es ablehnt. Für ihn ist die Einstellung des KSW deshalb undemokratisch. An die Freiwilligkeit der Massnahmen glaube er nicht.

Das KSW beantwortete den Protestbrief im Januar mit dem Verweis darauf, dass das Gendern freiwillig sei und dass man sich «als Spital für die gesamte Bevölkerung» für eine «inklusive und gleichberechtigte Sprache» einsetze. Den Protestierenden reichte die Antwort nicht, die Spitalleitung sei nicht auf die Vorwürfe eingegangen. Deshalb habe man sich an die Medien gewandt.

«Weltwoche» streitet Fehler ab

Bei der «Weltwoche» verteidigt man den Text. «Das Handeln des KSW hat grossen Einfluss auf alle Akteure im Einzugsgebiet des Spitals», schreibt die Zeitschrift auf Anfrage. Es spiele darum keine Rolle, ob die Kritik aus der Belegschaft oder von zuweisenden Ärzten komme. Zudem werde im Artikel nirgends explizit geschrieben, dass es sich um KSW-Angestellte handle.

Auch zur Formulierung, dass es sich beim Leitfaden um einen «Befehl» handle, stehe man. Die «Weltwoche» verweist dazu auf die Formulierung im Antwortschreiben der Spitalleitung an die sieben Ärzte, dass man «keine Diskriminierung dulden» werde.
(https://www.landbote.ch/weltwoche-bauscht-gender-kritik-am-ksw-auf-598746212640)


+++HISTORY
Historische Versammlung im Restaurant «Lädeli» – Wie Luzerner Polizisten bei den Kommunisten versagten
Die kommunistische Bewegung Luzerns ist nicht gross. Dennoch wird sie von Regierung und Polizei als gefährlich wahrgenommen und stellte 1923 gar einen Stadtrat. Trotzdem werden Kommunisten von der Staatsgewalt überwacht – und ihr Stadtrat Walker wohl als Marionette der Regierung genutzt.
https://www.zentralplus.ch/blog/damals-blog/wie-luzerner-polizisten-bei-den-kommunisten-versagten/


Neue Enthüllungen – Der Schweizer Terrorist, der beim CIA anheuerte
Der Schweizer Bruno Breguet war Mitglied der Bande des berüchtigten Terroristen «Carlos». Jetzt zeigt ein neues Buch: Breguet arbeitete als Agent für die CIA.
https://www.srf.ch/news/schweiz/neue-enthuellungen-der-schweizer-terrorist-der-beim-cia-anheuerte
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/terrorist-und-cia-agent-geschichte-des-schweizers-bruno-breguet?urn=urn:srf:video:2f0e9197-4588-466c-a211-56ce7aa303eb