Medienspiegel 9. Februar 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++AARGAU
Neue Flüchtlingsunterkunft in Birmenstorf ab März (ab 04:06)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/grenchen-profitiert-von-rad-europameisterschaft?id=12332860


+++SCHWEIZ
Berufslehre für Flüchtlinge
Geflüchtete Personen können in der Schweiz eine sogenannte Integrationsvorlehre absolvieren. Dies ist eine Chance auf schnelle und nachhaltige Integration.
https://frapp.ch/de/articles/stories/berufslehre-fur-fluchtlinge


Wieder bei Null anfangen – AfghanInnen im Exil
Intellektuelle, die aus einem Land fliehen, gewinnen an persönlicher Sicherheit. Ansonsten verlieren sie alles: ihre berufliche und soziale Stellung, ihre Perspektiven, die Sprache. Drei Geflüchtete aus Afghanistan berichten von ihrem Leben im Exil.
https://www.srf.ch/audio/kontext/wieder-bei-null-anfangen-afghaninnen-im-exil?id=12327019


+++ITALIEN
»So funktioniert kein faires Verfahren«
Italien: Seenotretter der »Iuventa« stehen weiter vor Gericht. An ihnen soll ein Exempel statuiert werden. Ein Gespräch mit Kathrin Schmidt
https://www.jungewelt.de/artikel/444578.eu-abschottungspolitik-so-funktioniert-kein-faires-verfahren.html


+++GRIECHENLAND
Flucht: Die namenlosen Toten vom Evros
Der Grenzfluss Evros trennt Griechenland und die Türkei. Der Fluss liegt damit an einer der Außengrenzen der EU. Eine Fluchtroute, auf der Menschen ertrinken und erfrieren. Ein Rechtsmediziner und ein Bestatter in Griechenland versuchen, den namenlosen Toten vom Evros die letzte Würde zu erweisen: Identitäten zu klären und Angehörigen eine traurige Gewissheit zu geben. ARD-Korrespondent Rüdiger Kronthaler hat sie begleitet und erzählt bei 11KM: der tagesschau-Podcast von seiner Reportage.
https://www.ardaudiothek.de/episode/11km-der-tagesschau-podcast/flucht-die-namenlosen-toten-vom-evros/tagesschau/12364623/


Geflüchtetenkrise auf Lesbos: Nur ein Freispruch zählt
Eine Afghanin zündet sich in einem griechischen Geflüchtetenlager selbst an. Das Urteil fällt mild aus – doch die Verteidigung will in Berufung gehen.
https://taz.de/Gefluechtetenkrise-auf-Lesbos/!5914800/


+++EUROPA
Die wichtigsten Antworten zum Migrations-Gipfel der EU-Chefs: Wie betrifft es die Schweiz?
Die EU-Chefs diskutieren an ihrem Sondergipfel vom Donnerstag über Migration. Die Flüchtlingszahlen sind 2022 stark angestiegen – auf rund 330’000. Die Diskussion ist wegen der Schengen/Dublin-Assoziierung auch für die Schweiz von Interesse. Worum geht es genau?
https://www.blick.ch/news/die-wichtigsten-antworten-zum-migrations-gipfel-der-eu-chefs-wie-betrifft-es-die-schweiz-id18300345.html


EU will mehr Überwachungstechnik an Außengrenzen
Aktivisten warnen vor Zunahme von illegalen Zurückschiebungen und Polizeigewalt
Die Kommissionspräsidentin verspricht Unterstützung für Drohnen an den Land- und Seegrenzen der Union. Diese begünstigen schon jetzt illegale Zurückweisungen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170840.festung-europa-eu-will-mehr-ueberwachungstechnik-an-aussengrenzen.html


EU-Migrationsgipfel: Pro Asyl befürchtet „Demontage des europäischen Asylrechts“
Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung von Pro Asyl, kritisiert die EU-Migrationspolitik. Nach der Einigung über die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge gehe es darum, die anderen Kriegs- und Krisengeflüchteten nicht abzuhängen.
https://www.deutschlandfunk.de/eu-migrationspolitik-interview-mit-karl-kopp-leiter-europaabteilung-pro-asyl-dlf-ddf0d045-100.html


Die EU will mehr Abschiebungen
Respektvoller Abschieben
Die EU berät wieder mal über mehr Grenzschutz und darüber wie sie erfolgreicher abschieben kann. Die deutsche Bundesregierung streitet sich unterdessen darüber, wie man die Regierungen der Herkunftsländer zur Kooperation bewegen könnte.
https://jungle.world/artikel/2023/06/respektvoller-abschieben


Migration: EVP-Chef Weber will „legale Wege nach Europa“
Der Chef der Europäischen Volkspartei EVP Manfred Weber wünscht sich ein entschiedeneres Vorgehen beim Schutz der EU-Außengrenzen. Gleichzeitig müsse man legale Wege für Fluchtwillige in die EU aufbauen. Vom EU-Gipfel in Brüssel fordert er Antworten.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/migration-evp-chef-manfred-weber-will-legale-wege-nach-europa,TVNtccM



nzz.ch 09.02.2023

Migration: Warum immer mehr EU-Staaten auf Grenzzäune drängen und Deutschland zunehmend isoliert ist

Wie lässt sich irreguläre Migration eindämmen? Deutschland will «positive» Abkommen mit den Herkunftsstaaten schliessen und lehnt Zäune an der Aussengrenze ab. Etliche Mitgliedstaaten sehen das anders und verlieren die Geduld mit Berlin, wie der EU-Gipfel zeigt.

Daniel Steinvorth, Brüssel

Wie hört es sich an, wenn europäische Regierungschefs über ihr ewiges Konfliktthema Migration streiten?

Zum Beispiel so: «Es wäre eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde, mit den europäischen Sternen drauf.» Dies sagte am Donnerstag Xavier Bettel, der luxemburgische Premierminister.

Oder so: «Physische Infrastruktur und Barrieren sind notwendig, um diese Aussengrenzen zu schützen.» Dies sagte – ebenfalls im Vorfeld des EU-Gipfels in Brüssel – Karl Nehammer, der österreichische Bundeskanzler.

Das kleine Luxemburg zählt zu einer Minderheit von Ländern in Europa, die weder Grenzzäune noch eine restriktivere Visa-Politik für geeignet halten, um etwas gegen den Migrationsdruck zu tun.

Das mittelgrosse Österreich stützt sich dagegen auf eine Koalition von acht EU-Ländern, die den Bau von Zäunen nicht ausschliessen wollen und zudem wirtschaftlichen Druck auf die Herkunftsstaaten befürworten, wenn diese nicht bereit sind, abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen.

Die Kommunen stöhnen

An einem Sondergipfel in Brüssel versuchten die Regierungen sich irgendwo in der Mitte zu finden. Schon seit Wochen kocht das Thema Migration hoch. Die Grenzschutzagentur Frontex meldete, dass es 2022 mehr als 308 000 irreguläre Einreisen in die EU gegeben habe. Real bekommen das Staaten wie die Niederlande oder Österreich zu spüren, wo die Kommunen seit langem über erschöpfte Aufnahmekapazitäten klagen.

Nehammer und sein niederländischer Amtskollege Mark Rutte hatten deswegen auf den ausserplanmässigen Gipfel gedrängt. Eine weitere Allianz, bestehend aus Österreich, Dänemark, Griechenland und fünf weiteren Staaten, verschickte am Montag einen Brief an Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin, und an Charles Michel, den Rats-Chef, um zusätzlich Tempo in der Sache zu machen. Es gelte «eine weitere Migrationskrise grösseren Ausmasses zu verhindern».

Es hätte also ein reiner Asyl-Gipfel werden sollen, wenn der Besuch von Wolodimir Selenski am Donnerstag nicht alle anderen Themen in den Hintergrund gerückt hätte. Dennoch wurden beim Zankapfel Migration sogleich wieder die alten Fronten sichtbar.

Obwohl sich die EU-Staaten derzeit im Grundsatz darüber einig sind, dass man einerseits die Aussengrenzen besser schützen und andererseits abgelehnte Asylbewerber schneller ausschaffen muss, um ein Szenario wie 2015 zu vermeiden, gibt es über den Weg dahin keinen Konsens. Im Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen (der zum Redaktionsschluss noch nicht verabschiedet wurde) ist etwa die Rede davon, dass die EU-Staaten auch Druck auf unkooperative Staaten ausüben könnten.

Keine Abkommen mit Maghreb-Staaten

Dies lehnt die deutsche Regierung jedoch bis jetzt ab. Sie möchte lieber Rückführungsabkommen mit den Herkunftsstaaten schliessen, die auch Anreize enthalten und im gegenseitigen Einvernehmen sind. Und sie verweist dabei auf entsprechende Vereinbarungen mit Ländern wie Weissrussland. Für wichtigere Herkunftsländer wie Marokko oder Tunesien gibt es allerdings keine vergleichbaren Abkommen. Nach Angaben der EU-Kommission verlassen derzeit nur 21 Prozent der nicht asylberechtigten Migranten Europa.

Auch die Idee, Entwicklungsgelder, Handelsverträge oder Visa-Abkommen als Druckmittel zu nutzen, sieht Berlin eher skeptisch. Mit dieser Haltung geraten Deutschland und seine verbliebenen Verbündeten Luxemburg und Portugal allerdings zunehmend ins Abseits, weil andere Staaten noch viel weiter gehen möchten.

Dem Vernehmen nach weigerte sich Österreich am Donnerstag sogar, den Entwurf der Abschlusserklärung mitzutragen. Konkret forderte Nehammer von der Kommission 2 Milliarden Euro, um einen Zaun an der bulgarischen Grenze zu bauen.

Wird es dazu kommen? Zu vermuten ist, dass sich die EU eher auf einen ihrer typischen Kompromisse einlassen wird: So dürfte Geld zur Verstärkung der Aussengrenze sicher fliessen, allerdings eher in zusätzliche Grenzposten und Überwachungstechnik als in physische Barrieren.
(https://www.nzz.ch/international/migration-warum-immer-mehr-eu-staaten-auf-grenzzaeune-dringen-und-deutschland-zunehmend-isoliert-ist-ld.1725406)


+++GASSE
«Hauptsache meine Kinder und Tiere haben immer genug zu essen»: Die Futterbox unterstützt Bedürftige und ihre Tiere
Mit der Herzenswunsch Futterbox gibt es in Herisau nun wieder eine Tafel für Tierfutter und -zubehör. Wer seine finanzielle Bedürftigkeit nachweisen kann, erhält hier gegen einen kleinen Unkostenbeitrag Unterstützung beim Tierunterhalt.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/unterstuetzung-hauptsache-meine-kinder-und-tiere-haben-immer-genug-zu-essen-die-futterbox-unterstuetzt-beduerftige-und-ihre-tiere-ld.2409062


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Soutien du Silure à l’occupation en cours
Ce matin un immeuble de la Rue Royaume dans le quartier des Pâquis a été occupé. le Silure soutient cette occupation avec enthousiasme et espère qu’elle dure et soit suivie de nombreuses autres.
 https://renverse.co/infos-locales/article/soutien-du-silure-a-l-occupation-en-cours-3876
-> https://renverse.co/infos-locales/article/occupation-en-cours-a-la-rue-royaume-8-3875


„Heute Morgen wurde die Rue Royaume 8 in Genf besetzt. Die Bullen kamen rasch um die Eigentumsverhältnisse mit Gewalt durchzusetzen. So wurde das Haus am späteren Nachmittag geräumt. Dabei kam es zu Polizeigewalt, mehrere solidarische Menschen und auch ein Journalist bekamen..
…den Schlagstock des Staates zu spüren.
Das Haus steht seit dem Brand 2021 leer. Zuvor war es in baufälligem Zustand, vom Besitzer & Multimillionär Jean-Pierre Romy zu Wucherpreisen vermietet worden. Beim Brand 2021 wurden 46 Menschen, meist mit Migrationserfahrung…
…gefährdet & obdachlos. Der Multimillionär und Ausbeuter Jean-Pierre Romy hat noch zahlreiche weitere Immobilien.
Alles ausführlich zu lesen auf https://renverse.co/infos-locales/article/occupation-en-cours-a-la-rue-royaume-8-3875
Freiheit & viel Kraft den Inhaftierten!
Squat the world!“
(https://twitter.com/gegen_oben/status/1623733531896684545)


Die UBS stinkt bis zum Himmel!
In der vergangenen Woche wurden korridiniert in mehreren Ortschaften, Filialen der UBS mit Stinkbomben angegriffen.
https://barrikade.info/article/5607


Farbe gegen Handelskammer Basel
Gestern Nacht (7.2.23) haben wir den Eingangsbereich des Geschäftshauses an der St Jakobsstrasse 25 in Basel mit Farbe verunstaltet.
Die Krise ist jetzt – die Verantwortlichen sind hier: Heraus zur revolutionären Klima-Demo am Sa 11.Februar in Basel!
https://barrikade.info/article/5606


Kaputte Scheiben & Graffitis – Sachbeschädigungen an Berner Polizeiwachen kommen immer wieder vor
In der Lorraine wurden Scheiben einer Wache der Kantonspolizei Bern beschädigt. Das sei kein Einzelfall und komme im ganzen Kanton Bern vor, wie die Polizei erklärt.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/sachbeschaedigungen-an-berner-polizeiwachen-kommen-immer-wieder-vor-150046102
-> Aktionserklärung: https://barrikade.info/article/5600


Darum besetzen Klimaaktivisten jetzt auch Schulen
Neben Demonstrationen und Strassenblockaden besetzen Klimaaktivisten seit Neustem auch Schulen. Aber wieso? Was wollen die Aktivistinnen und Aktivisten dort?
https://www.nau.ch/news/schweiz/darum-besetzen-klimaaktivisten-jetzt-auch-schulen-66415529
-> https://www.20min.ch/story/buergerliche-kritisieren-kanti-enge-rektor-fdp-fordert-dessen-ruecktritt-172368789757


Das Blatt hat sich gewendet: Wenig Chancen für «Lex Klimastreik» im St.Galler Kantonsrat
Die «Lex Klimastreik», welche eine Verschärfung der Absenzenregelung an den St.Galler Mittelschulen vorsieht, dürfte kommende Woche im St.Galler Kantonsparlament wenig Chancen haben. Trotzdem hat die St.Galler Klimajugend eine Demonstration angekündigt.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/vorschau-februarsession-das-blatt-hat-sich-gewendet-wenig-chancen-fuer-lex-klimastreik-im-stgaller-kantonsrat-ld.2413916


+++KNAST
limmattalerzeitung.ch 09.02.2023

Viele U-Häftlinge und ein hoher Bedarf an Kriseninterventionsplätzen: Das Gefängnis Limmattal war zu 82 Prozent ausgelastet

Die Plätze im Dietiker Gefängnis waren 2022 oft belegt. Trotz der Auslastung hat sich einiges verbessert.

Lydia Lippuner

Das Bevölkerungswachstum zieht wieder an: Um 15’000 Menschen ist der Kanton Zürich letztes Jahr gewachsen. Und das Spital Limmattal hat 2022 mehrere Fallzahl-Rekorde gebrochen. Und wie sieht es im Gefängnis Limmattal aus?

Seine Erwachsenenabteilung verzeichnete 2022 eine durchschnittliche Auslastung von 82 Prozent, wie das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung der kantonalen Direktion der Justiz und des Innern auf Anfrage der «Limmattaler Zeitung» mitteilt. Damit lag die Erwachsenenabteilung des Dietiker Gefängnisses unter dem nationalen Durchschnitt von 86 Prozent, wobei ein Vergleich schwierig ist, zumal das Bundesamt für Statistik den Durchschnitt nicht über das ganze Jahr, sondern zum Stichtag 31. Januar 2022 erhoben hat.

In den Jahren vor 2022 war die Auslastung im Gefängnis Limmattal im Durchschnitt höher.

«Die Auslastung der Erwachsenenabteilung im Gefängnis Limmattal betrug in den vergangenen fünf Jahren rund 95 Prozent», sagt Elena Tankovski, Sprecherin des kantonalen Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung.

95 Prozent entsprechen einer Vollbelegung, denn die Institution braucht einen Spielraum, um inhaftierte Personen zu verschieben und Plätze für kurzfristige Inhaftierungen zur Verfügung stellen zu können. Zudem wolle die Gefängnisleitung nach Möglichkeit die geplante Auslastung der Einer- und Doppelzellen nicht überschreiten.

Zurzeit sind alle Zellen belegt

Die Untersuchungshaft im Gefängnis Limmattal kommt zuweilen ans Limit. So seien derzeit alle Zellen des Untersuchungsgefängnisses belegt. Wegen der harten Bedingungen, die in der Schweizer U-Haft herrschen, sorgte diese immer wieder für Negativschlagzeilen. Tankovski erklärt, dass die Betreuerinnen und Betreuer in diesem Setting häufig Krisenarbeit leisten. Dabei müsse man einen Balanceakt ausführen: Einerseits braucht es die Untersuchungshaft, damit die Staatsanwaltschaft ihre Strafuntersuchung ungehindert durchführen kann. Andererseits müssen die negativen Haft-Begleiterscheinungen, die in diesem Fall möglicherweise eine unschuldige Person betreffen, abgefedert werden.

Konkret heisst dies, dass eine inhaftierte Person durch die U-Haft beispielsweise ihre Arbeitsstelle verliert oder es zu Spannungen in der Beziehung und der Familie kommen kann. Angesichts dieser Belastungen habe man die Verhältnisse in der Untersuchungshaft bereits ein wenig gelockert.

«In den Zürcher Untersuchungsgefängnissen können sich inhaftierte Personen täglich durchschnittlich während sieben Stunden auf der Abteilung frei bewegen», sagt Tankovski. Dieses Setting bezeichnet man als Gruppenvollzug. Zudem gebe es oftmals Zugang zu Bildung, Arbeit und Sport. Ausserdem werde seit einigen Jahren mehr Wert auf Kommunikation und sozialen Austausch gelegt. «All diese Massnahmen sollen den schädlichen Nebenwirkungen der Untersuchungshaft entgegenwirken», sagt Tankovski.

Akupunktur, Duschen und Videocalls für Inhaftierte

Das Gefängnis Limmattal soll nicht trist und grau sein. Letztes Jahr kamen zwei Street-Art-Künstler ins Gefängnis, die mit Pinsel und Spraydose bewaffnet farbige Welten auf die Betonwände kreierten. Die Wände sind aber nicht alles. Auch in den internen Strukturen soll es lebensnaher werden.

So gibt es mittlerweile diverse Verbesserungen, die den Häftlingen entgegenkommen sollen. So können sich die Insassen im Gruppenvollzug austauschen und dürfen zweimal täglich ohne zeitliche Begrenzung duschen. Weiter dürfen sie während der ganzen Woche Besuch empfangen und per Video telefonieren. Ausserdem steht den inhaftierten Personen auch Komplementärmedizin wie Akupunktur zur Verfügung.

Seit gut vier Jahren gibt es im Gefängnis Limmattal eine Kriseninterventionsabteilung mit neun Plätzen. In den hellen Räumen mit gelbem Boden werden Häftlinge betreut, die unter akuten psychischen Krisen leiden. Eine solche Krise kann auch durch den Eintritt in die U-Haft ausgelöst werden. «Das Angebot der Kriseninterventionsabteilung wird sehr gut genutzt», sagt Tankovski. Die Nachfrage sei kontinuierlich hoch. So seien seit der Eröffnung 162 Inhaftierte aufgenommen worden.

Jugendliche müssen zur Schule – mit praktischem Anteil

Die separate Jugendabteilung der Jugendlichen sei in den vergangenen Jahren deutlich weniger ausgelastet gewesen als jene der Erwachsenen, erklärt die Mediensprecherin weiter. Für die Jugendlichen gelten andere Bedingungen als für Erwachsene. Das Ziel sei, dass die Minderjährigen dabei unterstützt werden, ein deliktfreies Leben zu führen. «Im Jugendstrafrecht steht Schutz und Erziehung im Vordergrund, spezifische Vorgaben von den betreffenden Jugendanwaltschaften werden entsprechend berücksichtigt», sagt Tankovski.

Für alle gelte, dass gesetzliche Vorgaben wie das Rauchverbot für Jugendliche unter 16 Jahren strikt eingehalten werden. Auch der Schulbesuch ist obligatorisch. Dieser findet im Gefängnis an zwei Tagen unter der Woche und im Einzelunterricht statt. Der Unterrichtsinhalt sei dem jeweiligen Bedürfnis und Wissensstand des Jugendlichen angepasst. «Neben Deutsch wird auch praxisbezogener Unterricht vermittelt», sagt Tankovski. So üben sich die Jugendlichen beim Gärtnern in der Pflanzenkunde oder beim Werken und Reparieren in der Velowerkstatt. Dort werde theoretisches und praktisches Wissen verbunden.

Anders als 2016, als die Flucht des Sexualstraftäters Hassan Kiko mit seiner Aufseherin Angela Magdici für nationales Aufsehen sorgte, gab es letztes Jahr übrigens keinen Fluchtversuch aus dem Gefängnis Limmattal.



Häftlinge waren zu 94 Prozent männlich

Von den insgesamt 7341 Haftplätzen in der Schweiz waren am 31. Januar 2022 laut dem Bundesamt für Statistik 86 Prozent belegt. Die Inhaftierten waren in insgesamt 91 Institutionen untergebracht. Das Amt teilte überdies mit, dass von den insgesamt 6310 Inhaftierten 94 Prozent Männer und 6 Prozent Frauen waren. Das Gefängnis Pöschwies in Regensdorf ist mit seinen 399 Plätzen das grösste Gefängnis der Schweiz. Es gibt unterschiedliche Gefängnisarten, neben geschlossenen Anstalten auch offene Anstalten oder Massnahmenzentren wie jenes in Uitikon.
(https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/region-limmattal/dietikon-gefaengnis-war-stets-gut-ausgelastet-ld.2403754)



aargauerzeitung.ch 09.02.2023

Tunesier in Aarau geflüchtet: Asylbewerber war gewalttätig, doch die Behörden sahen kein erhöhtes Sicherheitsrisiko

Der tunesische Asylbewerber, der vor vier Monaten in Aarau bei einem Gefangenentransport entkam, sass zuvor wegen Gewaltdelikten mehr als zwei Jahre hinter Gittern. Trotzdem wurde er für eine Befragung vom Ausschaffungsgefängnis zum Migrationsamt transportiert.

Fabian Hägler

Am 3. Oktober 2022 hatte Amin T. (Name geändert) im Gefängnis im Amtshaus Aarau «bei einer Auseinandersetzung einen Mithäftling erheblich verletzt». Der tunesische Asylbewerber, der die Schweiz schon seit 2014 hätte verlassen müssen und zuvor wegen Gewaltdelikten insgesamt 27 Monate hinter Gittern sass, sollte am Tag darauf für eine Befragung dem Aargauer Migrationsamt zugeführt werden.

Danach hätte der Tunesier «zum Vollzug der Disziplinarstrafe ins Zentralgefängnis in Lenzburg überführt werden sollen», wie es in der Antwort des Regierungsrats auf eine Interpellation von SVP-Fraktionschefin Désirée Stutz im Grossen Rat heisst. Doch so weit kam es nicht, dem Asylbewerber gelang zuvor am Bahnhof Aarau beim Ausstieg aus dem Gefangenenfahrzeug die Flucht.

Warum wurde ein Gewaltstraftäter durch Aarau transportiert?

Dies allein wirft schon Fragen auf, zumal der Tunesier mit Handschellen gefesselt war, an den Füssen Crocs-Schuhe trug und von einem Sicherheitsangestellten begleitet wurde. Doch für Stutz beginnen die Probleme schon früher: Sie will wissen, warum die Befragung des Asylbewerbers nicht direkt im Gefängnis im Amtshaus Aarau vorgenommen wurde. Aus ihrer Sicht ist die Zuführung von Gefangenen zum Migrationsamt ein unnötiges Sicherheitsrisiko.

Der Regierungsrat antwortet, beim Migrationsamt stehe für die Befragungen eine abgeschlossene, gemischte Zone mit drei Gesprächsräumen zur Verfügung. Diese Räume enthielten die notwendige Informatikinfrastruktur, zugleich seien die Mitarbeitenden des Amtes bestmöglich geschützt. Deshalb würden die Amtshandlungen «im Regelfall sinnvollerweise» beim Migrationsamt durchgeführt.

Befragungen «bei erhöhtem Sicherheitsrisiko» im Gefängnis

Zudem sei die Mehrzahl der Personen, bei denen das Amt eine ausländerrechtliche Administrativhaft anordne, nicht oder nur in geringem Mass straffällig. Die Regierung schreibt: «Wenn ein erhöhtes Sicherheitsrisiko besteht, werden die ausländerrechtlichen Ausschaffungshäftlinge nicht dem MIKA zugeführt, sondern die Amtshandlungen im Amtshaus vorgenommen.»

Der später geflüchtete Tunesier sass wegen Gewaltdelikten mehr als zwei Jahre im Gefängnis. Warum die Behörden bei ihm kein erhöhtes Sicherheitsrisiko sahen, geht aus der Antwort nicht hervor. Normalerweise würden Gefangenentransporte durch einen einzelnen Securitas-Mitarbeiter begleitet, schreibt die Regierung. Wenn dem «Dienst Gefangenentransport» der Kantonspolizei Hinweise auf ein erhöhtes Sicherheitsrisiko vorläge, werde die Besatzung erhöht.

Securitas-Angestellte werden für Gefangenentransport speziell geschult

Grundsätzlich stehen sechs ausgewählte Securitas-Mitarbeitende für Gefangenentransporte zur Verfügung. Sie verfügen über eine Grundausbildung im Sicherheitsdienst und durchlaufen eine dreitägige Instruktion bei der Kantonspolizei. Dabei würden unter anderem Funktionsweise der Dienstfahrzeuge, Abläufe von Gefangenentransporten sowie Routen zu den Gefängnissen und Amtsstellen vermittelt.

Besonderer Wert werde dabei auf die korrekten Fesselungstechniken gelegt, schreibt der Regierungsrat. Am dritten Ausbildungstag nehmen die neu eingesetzten Securitas-Mitarbeitenden in Begleitung eines Polizisten erste Transporte und Zuführungen wahr. Zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit erfolge eine enge Begleitung der neuen Mitarbeiter durch den Gruppenchef Gefangenentransport.

Regierung will möglichst wenig Transporte von gewalttätigen Häftlingen

Der Regierungsrat findet: «Transporte von gewalttätigen Häftlingen über kurze Distanzen und ohne zwingende Notwendigkeit stellen ein unnötiges Sicherheitsrisiko dar.» Sie müssten auf ein absolutes Minimum beschränkt werden, die Häftlinge sollten für Einvernahmen, Hafteröffnungen und administrative Geschäfte möglichst im Gefängnis aufgesucht werden.

Zudem könnten Einvernahmen per Videokonferenz durchgeführt werden, wenn dies technisch und rechtlich möglich sei. Das konkrete Vorgehen sei aber immer im Einzelfall zu prüfen, schreibt die Regierung zur Frage von Stutz, ob ein Fussweg von 10 Minuten für die Migrationsamtsangestellten zum Gefängnis zumutbar wäre. Dabei seien die Sicherheit der Bevölkerung und der Mitarbeitenden sowie der Gesamtaufwand massgebend.

Ausschaffungshäftlinge seit Anfang Jahr nicht mehr in Aarau

Würde der flüchtige Tunesier nun gefasst und festgenommen, so würde er nicht mehr in Aarau inhaftiert. Seit dem 1. Januar werden Aargauer Ausschaffungshäftlinge im Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft am Flughafen Zürich untergebracht. Im Amtshaus Aarau wird nur noch die vorläufige Festnahme bzw. Inhaftierung bis zur richterlichen Überprüfung der Haftanordnung vollzogen.

Der Entscheid, das Amtshaus Aarau nicht mehr als Ausschaffungsgefängnis zu nutzen, sei unabhängig von der Flucht des Tunesiers getroffen worden, sagt Sandra Olar, Sprecherin des Innendepartements. Aufgrund von bundesgerichtlichen Entscheiden seien die Anforderungen im Amtshaus an die Haftbedingungen für die ausländerrechtliche Administrativhaft nicht optimal erfüllt, hält sie fest.

Doch wo werden die Befragungen von Aargauer Ausschaffungshäftlingen nun durchgeführt? Werden diese Personen dem Migrationsamt in Aarau zugeführt, oder finden die Einvernahmen im Ausschaffungsgefängnis am Flughafen Zürich statt? Konkret will sich Olar dazu nicht äussern, sie teilt lediglich mit: «Der Durchführungsort von Befragungen ist abhängig vom Einzelfall.» Dabei gehe es unter anderem um Sicherheitsfragen und den Handlungsdruck aufgrund des Zeitfaktors.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylwesen-tunesier-in-aarau-gefluechtet-asylbewerber-war-gewalttaetig-doch-die-behoerden-sahen-kein-erhoehtes-sicherheitsrisiko-ld.2412704)


+++POLICE VD
Manifestation le 1er mars 2023 en hommage à Mike Ben Peter
Cinq longues années se sont écoulées depuis le meurtre de Mike par les forces de polices lausannoises en 2018. Après une attente sans fin, la décision tombe : les assassins seront envoyés au tribunal pour homicide par négligence
https://renverse.co/infos-locales/article/manifestation-le-1er-mars-2023-en-hommage-a-mike-ben-peter-3873


+++POLICE VS
Das Wallis will künftig seine Polizistinnen und Polizisten auf dem Kantonsgebiet ausbilden. (ab 04:19)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bundesgericht-gibt-stadt-thun-im-streit-um-hoffmatte-recht?id=12333019


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
ajour.ch 09.02.2023

Ausländische Fahrende – Transitplatz Wileroltigen erst 2025: Problem mit illegalen Landbesetzungen bleibt vorerst ungelöst

Der Transitplatz für ausländische Fahrende soll die Situation mit illegalen Landbesetzungen entschärfen. Gebaut wird aber später als geplant – das hat auch Auswirkungen auf die Region Biel.

Lino Schaeren

Im Raum Biel und im Seeland kommt es vor allem in den wärmeren Monaten immer wieder zu illegalen Landnahmen durch ausländische Fahrende. Das wiederum führt zu Konflikten mit betroffenen Unternehmen und der lokalen Bevölkerung. Das Problem: Es gibt zu wenige offizielle Halteplätze für die Fahrenden. Seit vielen Jahren ringt der Kanton um eine Lösung, gefunden hat er diese in Wileroltigen.

Für die Saison 2024 sollte der neue Transitplatz für ausländische Fahrende mit 36 Stellplätzen zur Verfügung stehen. Jetzt zeigt sich aber: Diese Zielsetzung war wohl zu ambitioniert. Es dürfte mindestens 2025 werden, wenn nicht sogar noch später.

Das bestätigt Monika Suter, Vorsteherin Abteilung Kantonsplanung beim Kanton Bern, gegenüber Radio «Canal 3». Suter sagt: «2024 wird knapp.» Grund für die Verzögerung ist die öffentliche Projektauflage, die eigentlich für 2022 vorgesehen war, aber noch immer nicht erfolgt ist. «Wir sind dabei, die Unterlagen für das Baugesuch zu finalisieren, damit das Projekt aufgelegt werden kann», so Suter. Das dauert länger als geplant, da nach der öffentlichen Mitwirkung diverse Projektanpassungen vorgenommen wurden.

Kostenpunkt: 3,3 Millionen Franken

So wurde aufgrund der Eingaben beschlossen, dass die Dauer der Nutzung des Platzes nicht mehr auf einen Monat beschränkt wird. Dies gebe dem Kanton mehr Flexibilität im Umgang mit den Fahrenden, teilte dieser nach der öffentlichen Mitwirkung mit.

Weiter wurde entschieden, einen temporären Sichtschutz einzurichten, um die Zeit zu überbrücken, bis die Bepflanzung genügend gewachsen ist. Auf einen Erdwall rund um den Platz soll andererseits verzichtet werden. Und: Es wurde angeregt, zusätzliche Einrichtungen zur Entsorgung von Schmutzwasser einzurichten, da die Fahrenden auf den Stellplätzen mit ihren eigenen Waschmaschinen waschen.

Liegt das Bauprojekt öffentlich auf, kann dagegen Einsprache erhoben werden. Dass das Vorhaben ohne weitere Verzögerung genehmigt werden kann, ist dabei wenig realistisch. Schliesslich war der Plan, in Wileroltigen für ausländische Fahrende einen Platz zu realisieren, gerade in der lokalen Bevölkerung auf heftigen Widerstand gestossen.

Die Realisierung des Transitplatzes kostet den Kanton Bern 3,3 Millionen Franken, den Kredit hat die Stimmbevölkerung des Kantons Bern im Februar 2020 gutgeheissen. Der Platz in unmittelbarer Autobahnnähe soll einen geregelten Aufenthalt ermöglichen und illegale Landbesetzungen eindämmen. Der Platz soll damit auch einen positiven Effekt für die Stadt Biel und die Agglomeration haben, die jeweils besonders stark von Landnahmen vorab durch Fahrende aus Frankreich betroffen ist.

In Biel braucht es einen Platz

Entsprechend sind die Verzögerungen beim Bau des Transitplatzes in Wileroltigen für die Region Biel keine gute Nachricht. Wobei André Glauser, Leiter der Abteilung öffentliche Sicherheit bei der Stadt Biel, relativiert: «Der Platz in Wileroltigen würde einen Teil des Problems für uns auffangen», sagt er, «aber eben nur einen Teil.»

Glauser sagt also, dass sich illegale Landnahmen im Raum Biel durch einen Platz in Wileroltigen nicht grundsätzlich verhindern liessen. «Sie werden sich in Biel weiterhin illegal Halteplätze suchen und auch finden.»

Die Politik im Raum Biel ist sich daher einig, dass es auch hier einen Transitplatz für ausländische Fahrende braucht – sei es zu Beginn auch nur eine temporäre Lösung. Eine solche lässt jedoch weiter auf sich warten.

Derweil machen die Fahrenden mit ihren Gespannen bereits mitten im Winter wieder in der Stadt Biel halt: Derzeit campiert eine Gruppe illegal an der Solothurnstrasse im Bözingenfeld. Laut Glauser ist die Frist der Stadt für das Verlassen der Parzelle letzte Woche ungenutzt verstrichen. Biel wird daher Strafanzeige erstatten.
(https://ajour.ch/de/story/transitplatz-wileroltigen-erst-2025-problem-mit-illegalen-landbesetzungen-bleibt-vorerst-ungel%25C3%25B6st/55110)


+++FRAUEN/QUEER
Drag Queens wurden in Zürich angegriffen
Am Wochenende sind drei Drag Queens auf dem Heimweg von einem Auftritt von jungen Männern verprügelt worden. Die Stadtpolizei Zürich erhebt solche Angriffe wegen der Sexualität seit einiger Zeit. Letztes Jahr wurden 15 Vorfälle registriert. Oft melden sich die Opfer aber gar nicht bei der Polizei.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/drag-queens-wurden-in-zuerich-angegriffen?id=12333058
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/teenager-verprugeln-dragqueens-mitten-in-zurich-66415858
-> https://www.tagesanzeiger.ch/dragqueens-nach-auftritt-verpruegelt-mitten-in-zuerich-136432318594
-> https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/drag-queens-verpruegelt—polizei-ruft-zu-mehr-anzeigen-auf?urn=urn:srf:video:a1adcc3a-bb34-4df3-adcc-ff7ba108e33c&aspectRatio=4_5


+++RASSISMUS
Jede dritte Person in der Schweiz macht Diskriminierungs- oder Gewalterfahrung
Ein Drittel der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz hat nach eigenen Angaben Diskriminierung oder Gewalt erlebt, meistens aus rassistischen Gründen. Die Mehrheit der Bevölkerung stuft Rassis-mus als aktuelles, ernstzunehmendes Problem ein. Das zeigen die neusten Ergebnisse der Erhe-bung «Zusammenleben in der Schweiz», die vom Bundesamt für Statistik im Auftrag der Fach-stelle für Rassismusbekämpfung und dem Staatssekretariat für Migration alle zwei Jahre durchgeführt wird.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-92922.html
-> https://www.bzbasel.ch/news-service/inland-schweiz/umfrage-jede-dritte-person-in-der-schweiz-wurde-schon-einmal-diskriminiert-besonders-betroffen-sind-migranten-ld.2413740?mktcid=smch&mktcval=twpost_2023-02-09
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/jede-dritte-person-erlebt-gewalt-und-diskriminierung-im-alltag-150047585


+++RECHTSEXTREMISMUS
Nazis in der Schweiz: Bitte Moos drüber wachsen lassen!
Jahrzehntelang steht ein Nazidenkmal unentdeckt mitten in Chur. Das ist keine Sonderbarkeit, sondern typisch Schweiz. Ein Kommentar.
https://daslamm.ch/nazis-in-der-schweiz-bitte-moos-drueber-wachsen-lassen/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Desinformation zu Erdbeben: Verschwörungsmythen und falsche Videos
Nach dem Erdbeben kursieren in den Sozialen Netzwerken einige Falschmeldungen. So stammt das Video einer angeblichen Explosion eines türkischen Kernkraftwerks in Wahrheit aus dem Libanon. Auch andere Mythen sind im Umlauf.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/tuerkei-erdbeben-desinfomation-101.html
-> https://twitter.com/marko_kovic/status/1623680830441762818


„Verschwörungsunternehmer“: Die schleichende Radikalisierung des Daniele Ganser
Wo Daniele Ganser auftreten möchte, löst der Schweizer Historiker heftige Debatten aus. Manche Städte haben geplante Veranstaltungen bereits abgesagt. Warum?
https://www.t-online.de/region/stuttgart/id_100124494/daniele-ganser-darum-der-ganze-aerger-um-verschwoerungsunternehmer-.html


+++ANTI-WOKE-POPULISMUS
Vom Flüchtlingskind zum provokativen Comedian
Er ist ein ehemaliges Flüchtlingskind und mischt die Comedy-Szene in der Schweiz gehörig auf. Hamza Raya polarisiert mit seinen rassistischen Witzen. Kann das gut gehen? Im «TalkTäglich» erzählt der erfolgreiche Secondo-Comedian, warum er politische Korrektheit für unehrlich hält und wie er seine Reichweite auch für humanitäre Hilfe nutzt.
https://tv.telezueri.ch/talktaeglich/vom-fluechtlingskind-zum-provokativen-comedian-149693184


+++HISTORY
St. Galler Regierung antwortet auf Interpellation im Zusammenhang mit der Mumie Schepenese (ab 03.20)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/deutlich-mehr-veloverkehr-rund-um-den-bodensee?id=12332845


Wink mit dem Mahnmal
In ihrem neuen Dokfilm lassen Jörg Huwyler und Beat Bieri die versteckten Kinder von Gastarbeiter:innen in der Schweiz zu Wort kommen. Eine gelungene und sensible historische Aufarbeitung, die in diesen Zeiten des erneuten Fachkräftemangels umso relevanter ist.
https://www.saiten.ch/wink-mit-dem-mahnmal/


Koloniale Raubkunst: Auch Verdachtsfälle sollen Nigeria gehören
Laut einem Bericht ist die Hälfte aller Benin-Bronzen in Schweizer Museen zweifelhafter Herkunft. Sie sollen bald wieder in Nigerias Besitz übergehen.
https://www.swissinfo.ch/ger/koloniale-raubkunst–auch-verdachtsfaelle-sollen-nigeria-gehoeren/48271558



HARVARD, PJÖNGJANG, HANOI, EMS: DIE UNRÜHMLICHE GESCHICHTE DER «FEUERBOMBE»
Das Bild des «Napalm Girl» Kim Phuc ging 1972 um die Welt. Es trug entscheidend dazu bei, dass der ­Brandkampfstoff Napalm international geächtet wurde. Aber vorher wollte auch die Schweiz die Bombe.
(Regula Bochsler, magazin.nzz.ch 08.02.2023)

Fällt das Wort Napalm, sehen die meisten Menschen vor ihrem inneren Auge ein nacktes, vor Entsetzen und Schmerzen schreiendes Mädchen, das zusammen mit anderen Kindern auf einer Strasse rennt, während im Hintergrund ein südvietnamesisches Dorf in Flammen aufgeht. Das weltberühmte Foto von Kim Phuc, für das der Fotograf Nick Út einen Pulitzerpreis erhielt, entstand am 8. Juni 1972.

Am Tag danach veröffentlichte es die New York Post auf der Titelseite, es folgten Zeitungen und Zeitschriften auf der ganzen Welt. Fernsehstationen zeigten Filmaufnahmen, auf denen auch Kims Mutter zu sehen ist, die ihren von Napalm verbrannten sterbenden kleinen Sohn trägt. Auch in der Schweiz war man schockiert.

Der Walliser Bote schrieb über den Einbruch des Grauens in die gute Stube: «Auf dem Bildschirm taucht das kleine, nackte Mädchen auf, dem die Bombe die Kleider vom Leibe gerissen hat. Dann kommt der Krimi und würzt den Abend mit Spannung und Sex. Gruseln wird zu Gutnacht­geschichtchen, und man steigt in das ‹Traumboot der Liebe›. Ein Bier noch, und der Schlaf übermannt die Seligen, Frommen, Christlichen.»

Die ikonische Fotografie von «Napalm Girl» Kim wurde zum Symbol für das unsägliche Leid der Zivilbevölkerung im Vietnamkrieg und steht bis heute für die Unmenschlichkeit von Krieg schlechthin.

Weniger bekannt sind die Hintergründe des damals eingesetzten Brandkampfstoffs Napalm, der bereits 1943 vom Harvard-Chemiker Louis Fieser zum Patent angemeldet worden war. Die klebrige Masse aus Benzin und einem Verdicker wurde von den US-Streitkräften erstmals gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und im pazifischen Raum eingesetzt.

Am verheerendsten waren die Angriffe auf japanische Städte: Allein in der Nacht vom 9. März 1945 fielen 1500 Tonnen Napalm auf Tokio. Sie legten ein 41 Quadratkilometer grosses Stadtgebiet in Schutt und Asche, machten über eine Million Menschen obdachlos und forderten mehr als 80 000 Todesopfer. Bis Juni 1945 warf die US-Luftwaffe 34 000 Tonnen Napalm über Japan ab, doch die Atombomben, die Hiroshima und Nagasaki zerstörten, sowie eine oft eurozentrische Sicht auf den Zweiten Weltkrieg verstellen bis heute den Blick auf dieses Grauen.

Ähnliches gilt für den Koreakrieg, einen der tragischen Höhepunkte des Kalten Kriegs. Entgegen einer landläufigen Meinung fand der erste ­«Na­palm­krieg» nämlich nicht in Vietnam, sondern in Korea statt. Als die Vereinten Nationen unter amerikanischer Führung von 1950 bis 1953 einen blutigen Krieg gegen die kommunistische Demokratische Volksrepublik Korea und die mit ihr verbündete Volksrepublik China führten, war Na­palm, laut der New York Herald Tribune, die «Waffe Nummer eins».

Und weil es auf der koreanischen Halbinsel ungleich mehr Bal­lungs­zent­ren gab als in Vietnam, waren die Opfer­zah­len und die Schäden an der Infrastruktur weitaus verheerender. Insgesamt warf die US-Luftwaffe fast so viel Napalm ab wie über Japan im Zweiten Weltkrieg. Das war kein Zufall: Viele US-Befehlshaber hatten in Japan gekämpft und verfolgten nun dieselbe Strategie der verbrannten Erde.

Bereits einen Monat nach Kriegsbeginn beantragte ein Offizier bei der US-Luftwaffe, drei Städte «auszulöschen». Anfang 1951 befahl der Chef der 8. US-Armee einen Angriff auf Pjongjang, «mit dem Ziel, die Stadt mit Brandbomben in Schutt und Asche zu legen». Bei Kriegsende waren 18 der 22 grössten Städte mindestens zur Hälfte zerstört und ungezählte Dörfer ausradiert.

Im Sommer 1950, drei Wochen nach Kriegsbeginn, tauchten in der Schweizer Presse die ersten Meldungen über ein «neues Mittel» der Kriegsführung auf. Noch stand der Begriff «Napalm» meist in Anführungszeichen, wie in den Schaffhauser Nachrichten, die ihren Leserinnen und Lesern erklärten, in Korea würden «mit ‹Gasolin-Gelée› gefüllte Bomben» verwendet, deren Füllung «als ‹Napalm› bezeichnet» werde.

Der Berner Bund erläuterte im Detail, wie die neue «Feuerbombe» funktionierte: «Die Bombe besteht aus einem Benzinbehälter mit einem Fassungsvermögen von 150 Litern. Dem Benzin wird ein Stoff beigemischt, welcher die Gelierung des Benzins bewirkt. Der Behälter ist mit einer Phosphor-Granate versehen, welche als Zün­der wirkt, bei der Explosion wird das Benzin-Gelee in alle Richtungen geschleudert. Der Wirkungskreis einer Napalmbombe hat die Grösse eines Fussballplatzes.»

In der Technikbeilage der NZZ hiess es, im Vergleich zu herkömmlichen Sprengstoffen sei Napalm «sehr vorteilhaft». Die Produktion sei «auf jedem Flugplatz mit primi­tiven Mitteln» möglich, und es könnten grosse Mengen «in relativ sehr kurzer Zeit» hergestellt werden. Bereits eine Zweihundert-Liter-Bombe genüge, «um über einer Kreisfläche von ungefähr 60–80 m Durchmesser eine solche Hitze zu erzeugen, die für einen Soldaten mit gewöhnlicher Kleidung unerträglich ist».

Es dauerte fast ein Jahr, bis die Opfer erstmals ins Blickfeld rückten. Die Schweizer Zeitung Tat berichtete: «Eine Napalmbombe bedeckt eine Fläche von fast 2000 Metern im Quadrat mit ihren sengenden Flammen und vernichtet alles Lebende in ihrem Bereich.» Meist würden die Menschen «in der Körperstellung getötet, in der sie von der Masse getroffen werden».

Ein New-York-Times-Reporter schrieb von einem «Sinnbild für die Totalität des modernen Krieges» und berichtete aus Korea: «Im Dorf und auf den Feldern waren die Dorfbewohner getroffen und getötet worden, und alle waren in der Bewegung erstarrt, die sie ausführten, als sie der Napalmangriff traf: Ein Mann stieg gerade auf sein Fahrrad, in einem Waisenhaus spielten fünfzig Jungen und Mädchen, eine Hausfrau, der man merkwürdig wenig ansah, hielt eine aus dem Sears-Roebuck-Katalog herausgerissene verkohlte Seite in der Hand, auf der sie den Artikel Nr. 3811294 angekreuzt hatte, eine ‹bezaubernde rosa Bettjacke› für 2 Dollar 98.»

In den USA wurden Berichte über zivile Opfer in der Regel als kommunistische Desinformation abgetan. Der Generalstabschef der US-Luftwaffe versicherte der New York Times, die Vereinten Nationen hätten «nie Napalm gegen Zivilisten eingesetzt». Dörfer würden «mit Flugblättern und Radiomeldungen vor drohenden Angriffen gewarnt und die Bewohner gedrängt, sich an­ders­wo in Sicherheit zu bringen». Für alle anderen hatte die Zeitung einen zynischen Trost zur Hand: Versuche des US Chemical Corps hätten gezeigt, «dass der Tod durch Flammenwerfer oder andere Feuerwaffen meist schnell erfolgt».

Einzig Douglas MacArthur, der Oberbefehlshaber der alliierten Truppen im Südwestpazifik, der ein Jahr lang die Uno-Truppen in Korea befehligt hatte, redete Klartext – allerdings erst nach Kriegsende. «Ich glaube, ich habe so viel Blut und Zerstörung gesehen wie kein anderer lebender Mensch», erklärte er vor dem amerikanischen Kongress, «und es hat mir einfach den Magen umgedreht, als ich das letzte Mal dort war. Nachdem ich die Trümmer und diese Tausenden von Frauen und Kindern und alles gesehen hatte, musste ich mich übergeben.»

Dass die Verwüstungen nicht zu einem kollektiven Aufschrei führten, war einerseits dem Kalten Krieg, andererseits der Medienlandschaft geschuldet. Der Koreakrieg war, wie später der Vietnamkrieg, ein Stellvertreterkrieg des «freien Westens» gegen den Kommunismus, und das Fernsehen, das später schockierende Bilder vietnamesischer Napalmopfer verbreitete, steckte noch in den Kinderschuhen.

In der Schweiz gab es noch nicht einmal Fernsehnachrichten, der offizielle TV-Versuchsbetrieb startete just in der Woche, als der Koreakrieg zu Ende ging. Die Presse wiederum zeigte keine Bilder der zerstörten Städte oder der schweren Verbrennungen, die be­reits Spritzer von brennendem Napalm be­wir­ken. Zu sehen war, wenn überhaupt, ein Abwurf der neuen «Feuerbombe» auf ausrangierte Panzer auf einem Testgelände in den USA. Selbst ­Illustrierte wie der deutsche Stern und die Schwei­zer Woche veröffentlichten nur Bildstrecken mit modernen Kriegsgeräten, Uno-Soldaten und kommunistischen Gefangenen.

Der Koreakrieg schürte weltweit die Angst vor einem Dritten Weltkrieg. Deshalb unterbreitete der Bundesrat in der Frühjahrssession 1951 dem Parlament ein 1,5 Milliarden Franken schwe­res Rüstungsprogramm (teuerungsbereinigt heu­­te 7,5 Milliarden Franken). Es sei unklar, ob der Krieg «auch auf Europa übergreifen wird», hiess es in der Botschaft, und es sei ein Gebot der Stunde, «ohne Verzug» aufzurüsten, auch wenn niemand wisse, «ob der allgemeine Rüstungswettlauf der Erhaltung des Friedens dienen oder zum Ausbruch der Katastrophe führen» werde. Die Vorlage wurde, mit Ausnahme der Partei der Ar­beit, von sämtlichen Parteien gutgeheissen. Die sechs Kommunisten, die im Parlament dagegen stimmten, wurden ausgebuht.

Für die Armeespitze war klar, dass eine wehrhafte Schweiz Napalm braucht. In derselben Woche, in der die bundesrätliche Botschaft veröffentlicht wurde, traf auf dem Militärflugplatz Dübendorf das erste amerikanische Napalm­muster ein.

Ein paar Monate später schickte die Ferro Corporation, einer der drei grossen US-Napalmproduzenten, ein weiteres Muster und bot an, entweder Napalm «vom besten und neuesten Typ» zu liefern oder in der Schweiz eine schlüsselfertige Produktionsanlage zu erstellen.

Weitere Muster kamen aus Holland und Frankreich, die mit Metavon beziehungsweise Octogel eigene Napalmvarianten entwickelt hatten. Die US-Regierung schickte dem Eidgenössischen Militärdepartement (EMD, heute VBS) Instruktionsfilme und lud eine Delegation zu einem Treffen «mit Leuten mit Kampferfahrung» auf einen Luftwaffenstützpunkt in Deutschland ein.

Im Sommer 1952 fanden auf dem Waffenplatz Thun die ersten Testabwürfe der Schweizer Luftwaffe statt, und die Eidgenössische Waffenfabrik Wimmis untersuchte in ihren Labors die verschiedenen Napalmsorten. Am 8. Juli 1952 teilte die Holzverzuckerungs AG (Hovag), die heutige Ems-Chemie, der Kriegstechnischen Abteilung des EMD mit, dass es ihr nach längerer Zeit ge­lungen sei, ein «verbessertes Napalm» mit dem ­Markennamen Opalm zu entwickeln.

Kurz zuvor hatte die Inventa, die zum Emser Konzern gehörte, ein Patent für ein «Verfahren zum Verdicken flüssiger Brennstoffe» angemeldet. Herkömmliches Napalm, so heisst es in der Patentschrift, habe mehrere Nachteile: Die «frisch hergestellte Mischung» müsse «durch Altern aus­reifen», klumpe leicht und brenne «relativ kurz». Das Emser Opalm hingegen brenne «mehr als 100 Pro­zent länger» und entwickle «grössere Bodenhitze». Im folgenden Jahr meldete die Inventa den weltweiten Patentschutz an, und in Ems wurde fleissig weitergeforscht, um Opalm mit diversen Zusätzen noch tödlicher zu machen.

Betriebswirtschaftlich gesehen, hatte es für die Hovag Sinn, auf Opalm zu setzen. Die Firma war 1941 mit öffentlichen Mitteln errichtet worden, um für die Kriegswirtschaft einen Ersatztreibstoff zu produzieren, der zu sechzig Prozent aus Alkohol bestand, der durch die Verzuckerung von Holzabfällen gewonnen wurde.

Doch das «Emser Wasser», wie der Treibstoff im Volksmund hiess, war ein teures Kriegskind, das niemand mehr kaufen wollte, als sich der Benzinimport nach 1945 wieder normalisierte. Um die Arbeitsplätze zu erhalten, räumte der Bundesrat der Hovag eine zehnjährige subventionierte Übergangsfrist ein, um neue Produkte zu entwickeln. Opalm sollte eines dieser Produkte sein, denn Napalm besteht grösstenteils aus Benzin.

Im Herbst 1952 lud Firmengründer Werner Oswald das EMD zu einer Vorführung nach Ems ein. Um Bombenabwürfe zu simulieren, wurden mit Opalm gefüllte Plastiksäcke gezündet und in eine Sandgrube geworfen. Anschliessend fackelten die Hovag-Chemiker die Brandmasse auf Wasser ab, um zu zeigen, dass sie sich nicht löschen liess: «Auf dem ruhig fliessenden Abwasserbach des Werkes», heisst es im Bericht des EMD, «brannten 50 kg Gallerte regelmässig ab, der Rest verbrannte nach einem 30 m hohen Fall noch kurz auf dem Rhein.»

Um ihre Chancen auf einen Verkauf an die Schweizer Armee zu erhöhen, rührte die Hovag eifrig die Werbetrommel und organisierte Vorführungen für Zivilschutz, Luftschutz und Of­fiziersgesellschaften. Während einer Demons­tration von «Brandstiftungsmitteln» wie «Elek­tron, Thermit, Brandbomben, Brandgranaten und Phosphor-Brandkanistern» vor Basler Luftschutzoffizieren hinterliess Opalm «stärkste Eindrücke».

Laut Protar, der Schweizerischen Zeitschrift für Luftverteidigung, entwickelte es «ein rasendes Feuer», das «über eine Viertelstunde unvermindert tobte» und «viel wirksamer und im zischenden Abbrand beängstigender» war als das seit dem Koreakrieg bekannte Napalm.

Als der Flughafen Zürich im August 1953 mit einer Flugschau eingeweiht wurde, gelang ­Hovag-Chef Werner Oswald ein Reklamecoup: Die Luftwaffe warf die «neueste schweizerische Feuerbombe» ab. Während den 75 000 Zuschauerinnen und Zuschauern über Lautsprecher verkündet wurde, dass «diese eindrucksvolle Abwehrwaffe mit Stoffen aus Ems hergestellt» wer­de, «wütete» am Boden «eine mindestens hundert Meter lange, riesige Feuerschlange».

Diesem Ungetüm wäre, wie die NZZ anerkennend bemerkte, im Kriegsfall «eine ganze Kompanie» zum Opfer gefallen. Die Demonstration überzeugte offenbar auch EMD-Vorsteher Karl Kobelt. Kurz darauf erklärte er in einer Rede zur Lan­desverteidigung, die Armee stehe kurz vor der Einführung einer «Opalm-Bombe aus Schweizer Fabrikation».

Im November 1953 offerierte Oswald dem EMD vierzig Tonnen Opalm-Granulat zum stolzen Preis von 16 Franken das Kilo. Das war bedeutend teurer als die ausländischen Produkte, also bat man ihn, das Angebot nachzubessern. In der zweiten Offerte verlangte Oswald noch immer gleich viel und machte klar, es gehe ihm nicht um eine einmalige Lieferung. Er plane eine Anlage mit einer «Produktionskapazität von 100, even­tuell 200 Tonnen pro Jahr».

Wie schon beim «Emser Wasser» argumentierte er mit der wirtschaftlichen Autarkie: Im Kriegsfall garantiere der Produktionsstandort Ems «eine ungleich grössere Sicherheit der Belieferung» als der Bezug aus dem Ausland. Er erwarte deshalb «gerne» und «möglichst bald» eine definitive Bestellung.

Napalm trieb auch die Verantwortlichen des Schweizer Zivilschutzes um. Besonders die Verbrennung koreanischer Dörfer bereitete ihnen Sorge, auch wenn sie überzeugt waren, «dass die europäische Bauweise besseren Widerstand bietet als die asiatische». Auch der Indochina-Krieg, wo die Kolonialmacht Frankreich seit Ende 1951 Napalm gegen den Vietminh einsetzte, die kommunistische Liga für die Unabhängigkeit Vietnams und Vorläuferorganisation des Vietcong, zeigte, wie schwierig der Schutz der Zivilbevöl­kerung war.

Deshalb wurde im November 1953 eine erste grosse Übung des Zivilschutzes ver­anstaltet. Ein Abbruchhaus in der Nähe von Genf wurde mit 400 Litern Napalm abgefackelt, und die Schweizer Filmwochenschau dokumentier­te, wie Soldaten den Brand bekämpften und Kameraden, die Verletzte mimten, aus dem Luftschutzkeller bargen.

Dieser habe standgehalten, vermeldete die Wochenschau, und anschliessend hätten die Soldaten, «wie in den Ruinenstädten der Kriegsländer», die «schwankenden Mauern» niedergelegt. Das Napalm, das die Soldaten so erfolgreich bekämpft hatten, entsprach einer einzigen Bombe, wie sie in Korea und Indochina zu Tausenden vom Himmel fielen.

Während Frankreich in der Schlacht um Dien Bien Phu vergeblich versuchte, den Indochina-Krieg mit Napalmbrandregen für sich zu entscheiden, beratschlagte der Bundesrat über die Anschaffung von «Feuerbomben». Am 19. März 1954 erklärte EMD-Vorsteher Kobelt während einer Sitzung, Opalm sei den ausländischen Produkten «mindestens ebenbürtig», aber fast dreimal so teuer wie französisches Octogel und viermal so teuer wie amerikanisches Napalm. Da man für die Opalm-Bomben aber den Emser Treibstoff verwenden könnte, müsse man sich fragen, ob die Preisdifferenz «aus nichtmilitärischen, d. h. aus volkswirtschaftlichen Gründen» gerechtfertigt sei.

Finanzvorsteher Hans Streuli fand, ein derart bedeutender Preisunterschied sei «kaum zu rechtfertigen», und lehnte eine nicht militärisch motivierte Verteuerung ab. Auch die anderen Bundesräte kauften lieber drei- bis viertausend ausländische statt tausend eidgenössische Napalmbomben. Sie lehnten die Offerte aus Ems einstimmig ab und beschlossen die Beschaffung eines «gleichwertigen ausländischen Produkts».

Die Schweizer Luftwaffe trainierte in der ­Regel mit Attrappen, doch der Abwurf von richtigen Brandbomben während Flugmeetings entwickelte sich zur beliebten Volksunterhaltung. Wie am 26. Mai 1956 anlässlich einer interna­tionalen Flugschau: Bereits in den frühen Morgenstunden wälzten sich Fahrzeugkolonnen in Rich­tung Militärflugplatz Dübendorf.

Wer kein eigenes Gefährt besass, reiste mit einem Extrabus der Zürcher Verkehrsbetriebe oder einem der Sonderzüge an, die im Viertelstundentakt Menschen auf die Perrons spuckten. Familien schlepp­ten Wolldecken, Lunch­taschen und Feld­stecher mit, vor den Kassenhäuschen bildeten sich lange Schlangen.

Der Höhepunkt der Flugschau, von der NZZ als «helvetisches Finale» bezeichnet, war ein Venom-Düsenjäger, der «mit ­be­wundernswerter Präzision» zwei Napalm­bomben abwarf. Die Hitze war auf den Zu­schau­er­rän­gen «deutlich zu spüren», und die als At­trap­­pen aufgestellten Häuschen verwandelten sich in­nert kürzester Zeit «in einen schwarzen, qualmenden Rauchpilz».

Doch nicht immer hatte die Luftwaffe eine glückliche Hand. «Hart an der Katastrophe vorbei», hiess es 1965 in der Presse, als bei Bern aus Versehen mehrere Bomben in der Nähe von Hunderten von Zuschauerinnen und Zuschauern und einem Tanklager einschlugen. Wenig später musste EMD-Vorsteher Paul Chaudet im Parlament kleinlaut eingestehen, der Pilot habe den Knopf des Funkgeräts mit dem Knopf des Abwurfmechanismus verwechselt.

Zu dieser Zeit wurde Napalm vornehmlich von Kolonialmächten eingesetzt, die damit nationale Befreiungsbewegungen bekämpften, wie das Königreich England die aufständischen Mau-Mau in Kenya, Frankreich den Front de Libération National in Algerien oder die portugiesische Salazar-Diktatur die bewaffneten Befreiungsbewegungen in ihren afrikanischen Kolonien.

In Vietnam griffen die USA erstmals 1963 zu Napalm, zwei Jahre später erhielt die Firma Dow Chemical den Zuschlag als Hauptlieferantin der US-Streitkräfte.

Ned Brandt, ein ehemaliger Dow-Chemical-Direktor, ist überzeugt, dass der Zweite Weltkrieg auch hier – wie schon in Korea – seine langen Schatten warf: Der CEO, der Präsident und die meisten Verwaltungsräte hätten als junge Männer im Krieg gedient, deshalb sei es für sie «ziemlich natürlich» gewesen, «zu produzieren, was die Regierung verlangte, auch wenn es sehr schreckliches Zeugs war».

Dieser Entscheid sollte das Image des Unternehmens nachhaltig beschädigen. Napalm wurde rasch zum Symbol für einen ungerechten Krieg, und Dow Chemical galt als gewissenloser, profitgieriger Handlanger der US-Regierung. Im Oktober 1966, anlässlich von Rekrutierungsveranstaltungen von Dow Chemical an den Universitäten von Kalifornien und Michigan, kam es zu ersten studentischen Protesten. Es half nichts, dass ein Firmenvertreter öffentlich erklärte, Napalm mache nur «ein halbes Prozent» der Produktion und «weniger als das» des Gewinns der Firma aus.

Im Januar 1967 veröffentlichte die linke Zeitschrift Ramparts einen Foto-Essay über von Napalm versehrte vietnamesische Kinder. Die Bilder waren so schrecklich, dass sie den Bürgerrechtler Martin Luther King offenbar dazu bewogen, sich erstmals öffentlich gegen den Krieg auszusprechen.

Im Verlauf des Jahres kam es an Hunderten von amerikanischen Universitäten zu Sit-ins und Teach-ins, und Rekrutierer von Dow Che­mical wurden bedroht, bespuckt und als «Baby-­Killer» beschimpft.

Im Frühling 1968 schwappte der Protest in die Schweiz über. Am Ende einer Veranstaltung zum Vietnamkrieg im Zürcher Volkshaus flatterten Handzettel von der Empore herab, die einen Marsch zur europäischen Generalvertretung von Dow Chemical ankündigten.

Eine Viertelstunde später tauchte laut NZZ «der ‹Ho Chi Minh› skandierende Umzug» auf, der «nach einem kurzen Wettlauf ungefähr gleichzeitig mit der Polizei» den Geschäftssitz von Dow Chemical International an der Zürcher Beethovenstrasse erreichte. Kurz darauf trafen auch «weibliche Demonstrantinnen mit Taschen» ein. Ihr Inhalt – «rote, blaue und gelbe Farbkugeln» – wurde unter den Augen der Polizei gegen das Haus geschleudert.

Bereits einen Monat später, am 27. April 1967, fand die zweite Vietnam-Napalm-Demonstration statt, an der rund fünfhundert vorwiegend junge Menschen teilnahmen. Die Aktivisten und Aktivistinnen hatten im Vorfeld erwogen, öffentlich einen lebenden Hund mit Napalm abzufackeln, um die Bevölkerung «aufzurütteln».

Da die Tierfreunde in der Abstimmung die Oberhand behalten hatten, wurde am Bürkliplatz mithilfe von drei Litern Napalm schliesslich eine lebensgrosse Puppe verbrannt und noch brennend in den See geworfen, wo sie für alle sichtbar den Beweis erbrachte, dass Napalm mit Wasser nicht gelöscht werden kann.

Anschliessend zogen die Protestierenden erneut vor den Dow-Chemical-Sitz, wo sie die verkohlte Puppe vor dem Eingang deponierten. Der Tages-Anzeiger fragte besorgt: «Erreicht die ‹Kulturrevolution› nach dem Vorbild Maos oder Rudi Dutschkes jetzt auch die Zürcher und Schweizer Studenten?»

Die beiden Anti-Napalm-Demonstrationen sollten sich als Auftakt zum Schweizer Mai 68 und zum Zürcher Globuskrawall erweisen. Der Protest gegen den Vietnamkrieg war ein wich­tiges Element der studentischen Proteste, doch bis Napalm erneut zum zentralen Thema einer Demonstration wurde, dauerte es mehr als ein Jahr.

Am 13. September 1969 demonstrierten in Bern Hunderte gegen den offiziellen «Höflichkeitsbesuch» von US-General William Westmore­land, dem ehemaligen Oberkommandierenden der US-Streitkräfte in Vietnam. Im Vorfeld hatten fünfzig Persönlichkeiten, unter ihnen die Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt und Peter Bichsel, diesen als Exponenten «der härtesten Falken Amerikas» kritisiert. Vor Kasernen war ein Flugblatt verteilt worden, das den «Gessler aus Washington» anklagte, er habe in Vietnam «Napalm, Bombenteppiche und Giftgase» eingesetzt und «Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen».

Als Westmoreland nach einem Treffen mit EMD-Vorsteher Rudolf Gnägi das Bundeshaus verliess, erhoben zwei linke Journalisten den Arm zum Hitlergruss – und wurden prompt verzeigt. Dafür bot die Armeeführung dem Fünf-Sterne-General ein Spektakel, das offenbar ganz nach seinem Gusto war.

Als Gast des Generalstabschefs und des Waffenchefs der Luftschutztruppen durfte er mitverfolgen, wie mehrere Abbruchhäuser mittels Brandbomben und tausend Litern Napalm abgefackelt wurden. Laut der Zeitschrift Schutz und Wehr quittierte Westmoreland das «Höllenspektakel» mit der anerkennend-bewundernden Bemerkung: «Exceptional.»

In der Schweiz mehrten sich derweil die Proteste gegen den «imperialistischen» Krieg in Vietnam. Napalm war dabei ein zentrales Motiv: An einer Kundgebung in Bern etwa wurde ein Schild mit dem zynischen Spruch «Napalm macht frei» mitgeführt, in Zürich waren es Fotos von Napalmopfern, unter anderem aus der Zeitschrift Ramparts, mit der Forderung «Schluss mit dem Massaker».

Als das Pressefoto von Kim Phuc 1972 um die Welt ging, wurden die Forderungen nach einer Ächtung von Napalm immer lauter. Doch noch wollte keine Armee auf diese effektive, einfach zu handhabende und erst noch billige Waffe verzichten. Bis der Krieg 1975 endlich ein Ende fand, wurden rund 400000 Tonnen Napalm über Vietnam abgeworfen.

Zwei Jahre später beschloss die Uno-Vollversammlung, eine Konferenz über ein Verbot von Brandwaffen aus humanitären Gründen abzuhalten. An einer vorbereitenden Sitzung in Genf präsentierten die Schweiz und neun andere Länder einen Entwurf zur Ächtung «grausamer Waffen», insbesondere Napalm, Flammenwerfer und Phosphorbomben, und am 10. Oktober 1980 wurde in Genf das Protokoll III der Konvention zur Ächtung unmenschlicher Waffen verabschiedet. Heute sind Fachleute überzeugt, dass das Foto von Kim Phuc massgeblich dazu beigetragen hat.

Allerdings wurde nur der Abwurf von Napalm über besiedeltem Gebiet geächtet, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Gegen Soldaten durfte es nach wie vor eingesetzt werden. Die Schweizerische Bundesversammlung nahm das Protokoll III 1982 an, Ende 1983 trat es in Kraft. 1990 verschrottete die Schweiz ihre letzten Napalmbomben.

2016 gab das Foto von «Napalm Girl» Kim noch einmal zu reden: Facebook hatte das Bild aus dem Posting einer norwegischen Zeitung entfernt, weil das Mädchen nackt ist. Nach geharnischtem Protest krebste Facebook zurück. Kim Phuc selbst schrieb in einem Essay: «Wir müssen uns dieser Gewalt direkt stellen, und der erste Schritt besteht darin, sie zu betrachten.»

Seit der Inkraftsetzung des Protokolls III der Uno-Konvention über den Einsatz konventioneller Waffen findet alle fünf Jahre eine Überprüfung der Sachlage statt. Anlässlich der letzten Konferenz forderten zwanzig Staaten, darunter auch die Schweiz, eine Diskussion über eine allfällige Verschärfung. Russland machte sich die Konsensregel zunutze und verhinderte die Diskussion. Wenige Wochen später griffen russische Truppen die Ukraine an. Seither gibt es immer wieder Meldungen über den verbotenen Abwurf von Brandbomben über Wohngebieten.

Kim Phuc, die noch immer jeden Tag unter starken Schmerzen leidet, unterzog sich kürzlich der siebzehnten und, wie sie hofft, letzten Operation.

Regula Bochsler, Autorin bei NZZ Geschichte, ist Historikerin und Ausstellungsmacherin. Im Herbst 2022 erschien bei Hier und Jetzt ihr Buch über die Emser Werke: «Nylon und Napalm». Im Rahmen der Forschung dazu hat sie sich auch mit der globalen Napalm-Geschichte befasst.
(https://magazin.nzz.ch/empfehlungen/napalm-die-unruehmliche-geschichte-der-feuerbombe-ld.1724983)