Medienspiegel 7. Februar 2023

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+++BERN
derbund.ch 07.02.2023

Infrastruktur am Anschlag: Asylsuchende müssen wieder unterirdisch leben

Der Kanton Bern hat abgewiesene Asylsuchende in eine Zivilschutzanlage unter der Erde einquartiert. Damit befeuert er einen alten Streit mit der Bundesstadt.

Cedric Fröhlich

Die Riedbachstrasse führt vorbei am Konsumtempel Westside, hinaus in die ländlich geprägten Ausläufer der Stadt Bern. Entlang dieser Passage stehen ein paar rechteckige Betonbauten, eingerahmt von Geleisen, Autobahn und Äckern. Der Detailhändler Coop verlädt hier seine Waren auf weisse Lastwagen. Motoren röcheln, über dem Komplex thront ein Kran. Es ist ein Ort der Arbeit – und neuerdings auch ein Ort, um die Bredouille zu verstehen, in der das Schweizer Asylwesen steckt.

Anfang Jahr hat der Kanton Bern in der Zivilschutzanlage unter der Verteilzentrale das «Rückkehrzentrum Bern-Brünnen» eingerichtet. Dort hausen jetzt Menschen, die mit ihren Asylgesuchen gescheitert sind. Am 1. Februar waren es gemäss der kantonalen Sicherheitsdirektion 30 alleinstehende Männer.

Bern sah, wie viel andere Kantone, in den letzten Jahren von längerfristigen Unterbringungen in unterirdischen Einrichtungen ab. Anhaltend hohe Gesuchszahlen, bedingt auch durch den Krieg in der Ukraine, haben die Asylinfrastrukturen des Landes aber an ihre Grenzen manövriert. Der Kanton Bern sah sich deshalb zum Paradigmenwechsel gezwungen.

Die zuständige Sicherheitsdirektion kommunizierte anlässlich der Eröffnung, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer «einige Wochen» betragen werde. Allerdings zeichnet sich kein Ende der Platznot ab. Im Entscheid, diese Zivilschutzanlage mit Abgewiesenen zu füllen, steckt politische Sprengkraft.

Geknacktes Auto – die SVP fordert Härte

Die Stadtberner SVP spricht von «unhaltbaren Zuständen». Nachts würden sich Bewohner der Unterkunft auf das Privatgelände von Anwohnerinnen und Anwohnern begeben. Einer der Männer hat mutmasslich versucht, in ein Auto einzubrechen. Die Berner Kantonspolizei bestätigt den Vorfall. Generell stellt sie seit Anfang Jahr mehr Vermögensdelikte in Bern-Brünnen fest. Ob dieser «Trend» etwas mit dem Rückkehrzentrum zu tun hat, ist laut der Kapo nicht erstellt.

Die SVP fordert, dass der Kanton «die Schliessungszeiten» der Unterkunft sowie «die nächtliche Anwesenheitspflicht» der Bewohner durchsetze. Ansonsten gehöre die Anlage geschlossen.

Nur: In Asylzentren gilt keine Anwesenheitspflicht. «Der Einschluss über Nacht würde einem Freiheitsentzug entsprechen», schreibt die zuständige, kantonale Sicherheitsdirektion (SID).

«In diesem Zentrum wohnen Leute, die nichts mehr zu verlieren haben, umso genauer muss man hinschauen», sagt SVP-Stadtrat Janosch Weyermann und verlangt einen Sicherheitsdienst vor Ort: «Auf dem Viererfeld stehen sich die Sicherheitsleute die Beine in den Bauch, hier draussen ist kein Mensch.» Die Kollektivunterkunft auf dem Viererfeld wurde zu Beginn des Ukraine-Kriegs errichtet und seither rund um die Uhr bewacht.

Die SID schreibt dazu, abgesehen von einem Streit unter Bewohnern, der einen Polizeieinsatz ausgelöst habe, verlaufe der Betrieb in Bern-Brünnen bislang ruhig. «Unangebrachtes», «störendes» und «unrechtmässiges» Verhalten ausserhalb des Zentrums zu verhindern, sei schwierig. Auch mit einem Sicherheitsdienst.

Raus aus dem Bunker – Linke fordern Schliessung

Kritik an der neuen Anlage übt auch David Böhner, Stadtrat der Alternativen Linken (AL): «Die Behörden haben die Pflicht, für eine menschenwürdige Unterbringung zu sorgen.» Bunkeranlagen würden für den Kriegsfall gebaut und nicht um abgewiesene Asylsuchende unterzubringen.

Unterirdische Anlagen sind eng und stickig, Privatsphäre gibt es so gut wie keine. Die Bewohner schlafen in grossen Räumen, in Bern-Brünnen in dreistöckigen Betten. Es soll einen TV geben und einen Töggelikasten, schreibt eine, die die Unterkunft besichtigen konnte. Ein Bewohner, der anonym bleiben will, sagt am Telefon: «In einem solchen Umfeld wirst du in die Kriminalität getrieben.» Medienschaffende können all das aktuell nicht überprüfen. Der Kanton untersagt ihnen den Zutritt bis auf weiteres.

AL, Grüne, SP, Juso und Junge Alternative verlangen von der Berner Stadtregierung, dass auf städtischem Boden niemand unter Tag leben muss. Allerdings ist die Unterbringung Sache des Kantons. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Stadt und Kanton in dieser Frage in die Quere kämen.

Affront, Bettläuse und ein Déjà-vu

2016, es war Flüchtlingskrise. Damals wurde in der Berner Länggasse eine Asylunterkunft in einem Zivilschutzbunker unterhalten. Bewohner klagten über Bettwanzen, sie demonstrierten. Teile der Nachbarschaft solidarisierten sich und die Stadtregierung gleich mit.

Der Gemeinderat drängte auf die Schliessung der Anlage. Der Kanton zügelte die Unterkunft schliesslich vom Stadtzentrum in den Westen: richtig, an die Riedbachstrasse. Die Berner Sozialdirektorin Franziska Teuscher (GB) sprach damals von einem «Affront».

Gemäss Teuscher lehnt der Berner Gemeinderat die Unterbringung in unterirdischen Zivilschutzanlagen nach wie vor ab.  Offenbar sehe der Kanton im Moment keine andere Möglichkeit, schiebt sie nach. Sie «bedauere» es, dass die letzten Jahre mit tiefen Flüchtlingszahlen nicht dazu genutzt wurden, in dieser Sache bessere Voraussetzungen zu schaffen. Es liest sich wie eine Spitze gegen den Kanton.

Der Bunker an der Riedbachstrasse wird noch zu reden geben.
(https://www.derbund.ch/asylsuchende-muessen-wieder-unterirdisch-leben-399460200975)

Rückkehrzentrum Bern-Brünnen: Zunahme von Delikten – SVP will mehr Sicherheitspersonal, Kanton winkt ab
Seit der Eröffnung des Rückkehrzentrums Bern-Brünnen kam es in der Umgebung vermehrt zu Diebstählen aus Fahrzeugen. Die SVP-Politiker fordern einen Sicherheitsdienst, der Kanton schätzt die Lage als «ruhig» ein.
https://www.20min.ch/story/zunahme-von-delikten-svp-will-mehr-sicherheitspersonal-kanton-winkt-ab-105828365410

Kleine Anfrage Fraktion AL/PdA (Matteo Micieli, PdA/Eva Chen, AL): Neues Rückkehrzentrum in Brünnen – Was unternimmt die Stadt Bern gegen die menschenverachtende Politik des Kantons?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=8d0bf8cc94434aeba693446d2eb77bb8


+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 07.02.2023

Jung, motiviert und traumatisiert – ein Besuch in der Asylunterkunft bei «Mama Ute» und den 70 Jungs

Im Aargau leben mehr als 200 Jugendliche, die ohne ihre Eltern geflüchtet sind – so viele wie noch nie. Wie der Kanton der Herausforderung begegnet und warum ein offenes Herz im Alltag mit den jungen Menschen oft mehr hilft, als ein tonnenschweres Konzept.

Noemi Lea Landolt

Sie strukturieren und planen alles, was sie können. Aber es gibt keinen Tag ohne Überraschung. Einer fällt vom Velo und schürft sich im besten Fall nur das Knie auf. Ein anderer traut sich auf einmal, über ein schlimmes Erlebnis zu reden. Ein dritter hat sein Handy im Zug verloren. Ein vierter hat Stress mit dem Lehrer. Ein fünfter schafft es nicht aus dem Bett. Und vielleicht steht plötzlich auch noch ein neugieriger Nachbar vor der Tür und will mal schauen, wie die Menschen hier so leben.

Hier, das ist eine Asylunterkunft in Villmergen. Die Menschen, das sind 70 Teenager, 16 oder 17 Jahre alt, die ohne ihre Eltern geflüchtet sind. Unbegleitete minderjährige Asylsuchende, kurz UMA, werden sie im Behördensprech genannt. Ute Fritzsch, die Leiterin der Unterkunft, spricht von den Jungs. Und die Jungs nennen sie «Mama Ute».

Am 1. Februar lebten 219 minderjährige Flüchtlinge im Kanton Aargau. Die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan. Sie haben den Iran durchquert, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Kroatien, Slowenien … bis sie irgendwann in einem Bundesasylzentrum in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt haben und von dort dem Kanton Aargau zugewiesen wurden.

Die Zahl der Asylgesuche von Minderjährigen, die ohne ihre Eltern geflüchtet sind, hat letztes Jahr stark zugenommen. Im November 2020 lebten 72 von ihnen im Aargau. Im November 2022 waren es 157 und seither sind bereits wieder mehr als 60 Jugendliche angekommen. Günter Marz, Bereichsleiter UMA beim Kantonalen Sozialdienst, stellt sich darauf ein, dass es dieses Jahr im Aargau 160 zusätzliche Plätze für minderjährige Flüchtlinge brauchen wird.

Die Flucht ist geprägt von Gewalt

Es sei eine «wahnsinnige Herausforderung», gibt er zu. «Wir müssen Jugendliche aufnehmen, Mitarbeitende einarbeiten und parallel dazu schon wieder neue Strukturen planen, damit wir noch mehr Jugendliche aufnehmen können.» Gleichzeitig wollen die Verantwortlichen den geflüchteten Kindern auch in dieser Ausnahmesituation gerecht werden. Die Jungs haben hier niemanden. Sie sind auf die Menschen, deren Aufgabe es ist, sich um sie zu kümmern, zu 100 Prozent angewiesen.

Laut einer Studie der Organisation Safe the Children aus dem Jahr 2022 sind die Kinder im Durchschnitt vier Jahre unterwegs, bis sie Westeuropa erreichen. Auf der Flucht erleben und sehen sie schwere Gewalt, etwa wenn sie versuchen, eine Grenze zu überqueren und von Grenzwächtern zurückgeprügelt werden. Solche Erlebnisse sind traumatisch und hinterlassen Spuren.

Es gibt Kinder, die wegen der Traumata schlecht oder gar nicht schlafen, die von Albträumen oder Flashbacks geplagt werden, sich selbst verletzen oder sich mit Suchtmitteln betäuben, um die Bilder wenigstens für einen Moment aus dem Kopf zu bringen, oder nicht daran denken zu müssen, wie es wohl ihrer Familie in Afghanistan geht.

Die Fluchterfahrungen müssen hier korrigiert werden. «Die jungen Menschen müssen wieder Vertrauen fassen», sagt Günter Marz. Das gelinge nicht mit einem tonnenschweren Betreuungskonzept, das auf strengen Regeln und Sanktionen beruhe, sondern vor allem mit viel Menschlichkeit. «Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, für die Jungs ein sauberes, sicheres Zuhause auf Zeit zu sein», umschreibt es Ute Fritzsch. «Mit den Möglichkeiten, die wir haben.»

Ein Stofftier und eine warme Mahlzeit zum Empfang

Der Betreuungsschlüssel ist mit 4,5 UMA pro Mitarbeitendenstelle nicht derselbe, wie in anderen Jugendhilfeeinrichtungen und auch die finanziellen Möglichkeiten sind beschränkt. Die Jugendlichen erhalten Asylsozialhilfe: 9 Franken pro Tag und 20 Franken Kleidergeld pro Monat. Damit müssen sie über die Runden kommen.

In der Unterkunft können sie nur gratis essen, wenn es eine Lebensmittelspende gab. Wenn sie nicht selber kochen möchten, können sie sich fürs Mittagessen anmelden, müssen aber drei Franken bezahlen. «Wir müssen strikt sein», sagt Günter Marz. «Wir können nicht anfangen, ihnen Dinge zu finanzieren, die andere Asylsuchende im Kanton nicht bekommen. Aber wenn wir dank der Spenden einen Unterschied machen können, tun wir das natürlich.» Einmal hat jemand zwei Kisten Unterhosen gespendet, zwei für jeden. Eine willkommene Spende. Oft fehlt es nämlich an den alltäglichen Dingen.

Die Geflüchteten warm aufzunehmen, ist Ute Fritzsch ein Anliegen. Für die Neuankömmlinge gibt es in der Unterkunft als Erstes eine warme Mahlzeit. Und in ihrem Bett liegt ein Stofftier. «Sie lachen jetzt vielleicht, weil ich 16- oder 17-Jährigen ein Stofftier ins Bett lege», sagt sie. «Aber wenn ich die Jungs am Morgen wecke, liegen nicht wenige mit ihrem Igel im Bett.»

In der Unterkunft in Villmergen leben 70 Jugendliche. Immer zwei teilen sich ein Zimmer. Ein Schrank, zwei Betten. Mehr passt nicht ins Zimmer. «Klar wäre uns lieber, wenn jeder sein eigenes Zimmer hätte, weil fehlende Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten für die Jungs Stress bedeuten», sagt Günter Marz. «Aber bei den aktuellen Zahlen ist das illusorisch.»

Im Moment geht es vor allem darum, neue Unterkünfte zu finden, um zu verhindern, dass in den Zimmern plötzlich vier statt zwei Jugendliche schlafen müssen. Eine «Verdichtung», wie sie in den Aargauer Asylunterkünften für Erwachsene in der aktuellen Notsituation gang und gäbe ist, versuchen die Verantwortlichen in den UMA-Unterkünften zu vermeiden.

Mit 18 Jahren müssen sie ausziehen

Die Erfahrung, mit mehr als einer Person das Zimmer zu teilen, machen die Jungs früh genug. Dann nämlich, wenn sie volljährig werden, ihr Stofftier an den Rucksack schnallen und ausziehen müssen. «Auch ich mag die Transfertage nicht», sagt Ute Fritzsch. Dieses Umpflanzen an einen neuen Ort sei nicht einfach für die Jugendlichen, auch wenn sie darauf vorbereitet werden und wissen, dass es passieren wird.

Erst kürzlich habe einer der Jungs gefragt, ob sie nicht etwas tun könne, damit er noch bleiben kann. Aber bei diesem Thema sind auch «Mama Ute» die Hände gebunden. Sie kann den Jungs nur sagen, dass sie an sie glaubt und sie das schaffen werden. So wie es die paar hundert vor ihnen auch geschafft haben, die Ute Fritzsch in den letzten sieben Jahren auf ihrem Weg begleitet hat.

Zwar gibt es im Aargau Anschlusslösungen für Sorgenkinder, sogenannte UMAplus-Unterkünfte, in denen täglich eine Betreuungsperson anwesend ist. Und es gibt Erwachsenenunterkünfte mit Coaching. Da ist mehrmals pro Woche jemand vor Ort, der die jungen Erwachsenen unterstützt. «In normalen Zeiten konnten wir einen grossen Teil unserer Jungs in diese Strukturen weitergeben», sagt Günter Marz. «Aber jetzt haben wir eine andere Situation. Leider.» Die 20 Plätze reichen nicht für alle Jugendlichen, die volljährig werden.

Bis zum letzten Tag alles geben

Im Gespräch wird rasch klar, dass Ute Fritzsch und Günter Marz die Schwachstellen des Systems nur zu gut kennen. Sie reden sie auch nicht schön. Aber es bringe nichts, sich in dieser Ausnahmesituation zu überlegen, was es alles noch bräuchte. Die Jungs zu bemitleiden, bringe auch nichts, sagt Ute Fritzsch. Das heisse nicht, dass sie als Mensch nicht Anteil nehme und einfühlsam sei. «Aber meine Aufgabe ist es, sie stark zu machen und das Fundament zu legen für eine Zukunft in der Schweiz.»

Natürlich sitze einem dabei die Zeit im Nacken. «Wir haben hier in Villmergen im besten Fall zwei Jahre Zeit, bis die Jungs volljährig sind.» Sie habe aber noch nie gedacht, dass sich der Aufwand für die paar Monate nicht lohne. Wirklich nie.

Und viele der jungen Geflüchteten gehen ihren Weg in der Schweiz. Sie lernen Deutsch, machen ein Praktikum, dann eine Lehre, werden selbstständig. «Es kommt uns in der täglichen Arbeit zugute, dass sie unglaublich motiviert sind», sagt Günter Marz. Er führt das auch darauf zurück, dass die Jungs wissen, dass es ihre einzige Chance ist. Sie können nicht zurück. Einer habe ihm mal gesagt: «Entweder schaffe ich es hier oder ich bin tot.»



Es mangelt an qualifizierten Fachkräften

Per Anfang Jahr 2023 waren in den UMA-Unterkünften pensumsmässig alle Stellen besetzt. Im Qualifikationenmix verfüge der Kantonale Sozialdienst im UMA-Bereich aber über zu wenig Fachkräfte, teilt das Departement Gesundheit und Soziales mit. Weniger als die Hälfte der Personen verfügen über eine sozialpädagogische oder gleichwertige Ausbildung auf tertiärer Stufe. Wegen des Fachkräftemangels stellt der Kanton vermehrt Personen aus den Herkunftsländern der Geflüchteten als Mitarbeiter Betreuung ein. Diese ergänzten die Fachspezialistinnen durch ihren sprachlich kulturellen Hintergrund als Brückenbauer und als Vorbilder für eine gelungene Integration sehr gut.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/reportage-jung-motiviert-und-traumatisiert-ein-besuch-in-der-asylunterkunft-bei-mama-ute-und-den-70-jungs-ld.2409182)



Wegen Asylnotlage: Vereine müssen die Zivilschutzanlage räumen
Wie vom Kanton gefordert, hat Birmenstorf die zivil genutzten Räume der Zivilschutzanlage geräumt. Bis zu 200 Asylbewerbende können künftig in der Anlage untergebracht werden. Für die betroffenen Vereine wurden Alternativen gefunden.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/baden/birmenstorf-wegen-asylnotlage-vereine-muessen-die-zivilschutzanlage-raeumen-ld.2412381


+++LUZERN
Geflüchtete Lehrerin unterrichtet geflüchtete Kinder
In der Stadt Luzern werden geflüchtete Kinder zuerst in Aufnahmeklassen unterrichtet. Im Schulhaus Utenberg ist die Lehrerin der Aufnahmeklasse selber aus der Ukraine geflüchtet. Sie ist stolz, dass ihre Schüler und Schülerinnen jetzt genügend Deutsch können, um in Regelklassen zu wechseln.  (ab 05:00)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/gefluechtete-lehrerin-unterrichtet-gefluechtete-kinder?id=12332197


+++ST. GALLEN
Ukraine-Krieg: Ostschweizer feiern Fasnacht in Flüchtlingsunterkunft
Im alten Feuerwehrdepot von Wil SG leben vom Ukraine-Krieg geflüchtete Familien. Jetzt plant die Stadt in dem Gebäude sechs Fasnachts-Partynächte.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ukraine-krieg-ostschweizer-feiern-fasnacht-in-fluchtlingsunterkunft-66414421


+++DEUTSCHLAND
Nach Brokstedt-Angriff: Polizeigewerkschaft fordert Abschiebegefängnis
Ibrahim A. hätte nicht auf freiem Fuß sein dürfen, sagt der Chef der Polizeigewerkschaft Wendt. Die Forderung nach Abschiebegewahrsam findet Unterstützer bei der CSU.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-02/brokstedt-messerangriff-polizeigewerkschaft-abschiebegefaengnis


Neues Migrationspaket der Ampel: SPD und FDP wollen Abschiebungen forcieren
Politiker der Ampelkoalition arbeiten offenbar an einem neuen Gesetzespaket zur Migration. Im Zentrum stehen der Zugang zum Arbeitsmarkt und Familiennachzüge, aber auch Abschiebungen.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/migrationspolitik-spd-und-fdp-wollen-abschiebungen-forcieren-a-2bba9ad9-6fc3-4c2c-9c10-53855ce8b6f0


Geplanter Flüchtlingsgipfel: Forderung nach „Masterplan“
Der Städte- und Gemeindebund fordert vom angekündigten Flüchtlingsgipfel klare Ergebnisse. Die Unterbringung von Geflüchteten müsse besser organisiert werden.
https://taz.de/Geplanter-Fluechtlingsgipfel/!5914378/


+++ITALIEN
Sea-Eye: Seenotretter bringen mehr als 100 Menschen in Neapel an Land
Tagelang hatten 105 Migranten auf dem Schiff „Sea-Eye 4“ ausgeharrt, nun durften sie in Italien an Land. Den italienischen Behörden machen die Helfer schwere Vorwürfe.
https://www.zeit.de/politik/2023-02/sea-eye-seenotretter-105-migranten-italien


+++MITTELMEER
Migranten auf der Mittelmeer-Route: „Das verheißene Land“
Rettung von Bootsflüchtlingen, die Zusammenarbeit von NGOs mit Behörden und das Aufnahmesystem in Italien. Wie die Abläufe aussehen.
https://www.telepolis.de/features/Migranten-auf-der-Mittelmeer-Route-Das-verheissene-Land-7487333.html


+++FREIRÄUME
derbund.ch 07.02.2023

Wegen prekärer Sicherheitslage: Eine neue Anlaufstelle kommt auf die Schützenmatte

Die Stadt stellt einen Rückzugsraum im Berner Nachtleben bereit, um Gewaltbetroffenen zu helfen. Das soll auch vorbeugend wirken.

Jana Kehl, Sarah Buser

Die Schützenmatte und ihre Umgebung gelten als Epizentrum des Berner Nachtlebens. Das Kulturzentrum Reitschule, der ISC, das Kapitel, Le Ciel und die Aarbergergasse befinden sich in unmittelbarer Nähe.

Um die Sicherheit zu erhöhen, setzt die Stadt seit einem halben Jahr auf einen privaten Sicherheitsdienst. Doch das reicht nicht: «Die Sicherheitslage auf der Schützenmatte und dem Vorplatz ist hinsichtlich körperlicher, psychischer oder sexualisierter Gewalt weiterhin prekär», sagt Alex Haller, Leiter Familie & Quartier bei der Bildungsdirektion der Stadt Bern.

Besonders Freitag- und Samstagnacht. Mit dem Pilotprojekt «Sicherer Rückzugsraum Schützenmatte» soll die Umgebung zwischen dem Bollwerk und der Reitschule nun sicherer gestaltet werden.

Pilotphase ab Frühling

Dieser Rückzugsort soll im öffentlichen Raum entstehen. Alex Haller kann wenig Konkretes sagen, Ort und Raum seien noch in Prüfung. Klar sei bisher, dass es von draussen nicht möglich sein soll, in den geschützten Raum hineinzuschauen. Er soll Freitag- und Samstagnacht durchgehend geöffnet bleiben.

Betroffene von sexualisierter, körperlicher oder psychischer Gewalt sollen von geschultem Personal mit sozialer Ausbildung betreut und an weitere Beratungsstellen vermittelt werden. Die Personen werden über die Abteilung Familie & Quartier der Stadt Bern angestellt. Die dafür nötigen 135’000 Franken sollen mit dem Budget der Abteilung bezahlt werden. Der Rückzugsort soll vorerst für eine Pilotphase ab Frühling 2023 ein Jahr lang betrieben werden.

Auch für den privaten Sicherheitsdienst auf der Schützenmatte hat der Berner Stadtrat nach einer Pilotphase einen Kredit in Höhe von 750’000 Franken gesprochen. Damit wird der Einsatz für die nächsten fünf Jahre finanziert.

Sicherheitsdienste seien die erste Anlaufstelle, wenn es Probleme gebe, hielt Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) im letzten Sommer fest. Auch deshalb werden sie eng mit der neuen Anlaufstelle zusammenarbeiten, sagt Alex Haller.

Willkommenes Angebot

Betreibende angrenzender Lokale und Kulturinstitutionen bewerten die Initiative der Stadt positiv: «Wir begrüssen es sehr, dass es neben dem eher repressiven Mittel, der Sicherheitsfirma, nun auch eine Anlaufstelle geben soll, wo sich Menschen Unterstützung holen können», sagt Diego Dahinden, Co-Geschäftsführer des Kapitels. Auch Jan Kamarys, Besitzer des Nachtlokals Le Ciel, beurteilt das Pilotprojekt positiv. Laut der Mediengruppe der Reitschule ist es «ein erfolgversprechender und niederschwelliger Versuch», den sie begrüsse.

Massnahmen, um die Sicherheit auf dem Areal der Reitschule zu verbessern, sorgen in der Stadt Bern immer wieder für Diskussionen. Jüngstes Beispiel liefert eine Bestimmung im teilrevidierten Polizeigesetz. Nach dieser soll der Kanton die Möglichkeit erhalten, bei «erhöhter Gefahrenlage» an öffentlichen Orten auch gegen den Willen der Gemeinde eine Videoüberwachung anzuordnen.

Neben demokratiepolitischen Bedenken dreht sich die Kritik an dieser Bestimmung in der Stadt Bern auch um die Lex Reitschule – die These, der Gesetzesartikel würde vor allem auf das autonome Kulturzentrum abzielen. «Videokameras können zur Aufklärung von Delikten beitragen, sie haben allerdings kaum oder gar keine präventive Wirkung gegen physische, psychische oder sexualisierte Gewalt», sagt Alex Haller von der Stadt Bern dazu. Persönliche Präsenz vor Ort wirke hingegen deeskalierend und könne Gewalt vorbeugen.
(https://www.derbund.ch/eine-neue-anlaufstelle-kommt-auf-die-schuetzenmatte-307532103518)


+++GASSE
Bettelbanden in Bern
Organisierte Bettelbanden halten die Stadt Bern und vor Allem den Chef der Fremdenpolizei, Alexander Ott, auf Trab. Sie werden in grösseren Gruppen in die Hauptstadt gefahren, wo sie den ganzen Tag betteln und am Abend wieder abgeholt werden. Mittels Aufruf warnen die Behörden vor Bettelbanden. Dies wiederum rief die politische Linke auf den Plan, welche einen Vorstoss einreichte, da sie den Aufruf als rassistisch taxiert. Denn unter welchen Bedingungen auch immer: Betteln ist in der Stadt Bern erlaubt. Im TalkTäglich bei Markus von Känel spricht Alexander Ott über den täglichen Kampf gegen solche Bettelbanden und welche Massnahmen man dagegen ergreifen müsste.
https://tv.telebaern.tv/talktaeglich/bettelbanden-in-bern-149775081


+++DROGENPOLITIK
Drohendes Mischmasch bei Cannabis-Pilotprojekten
Der hiesige Konsum illegaler Drogen ist eine Blackbox. Während die Schweiz bezüglich Datenerhebung und Analyse des Schweizer Drogenkonsums noch vor 10 Jahren zu den Vorreitern gehörte, würden heutzutage meist erst reaktiv entsprechende Daten erhoben, kritisiert Frank Zobel, Vize-Direktor und Co-Leiter der Forschungsabteilung der Stiftung Sucht Schweiz. Als Beispiel nennt Zobel den Mischkonsum von Jugendlichen, welcher erst in Reaktion auf die Medienberichterstattung in Windeseile genauer analysiert wurde. Dabei seien regelmässige Datenerhebungen für eine zeitgemässe Drogenpolitik sehr wichtig.
https://rabe.ch/2023/02/07/drohendes-mischmasch-bei-cannabis-pilotprojekten/


«Sucht Schweiz» kritisiert im Suchtpanorama 2023 die Politik – Tagesschau
Die Stiftung «Sucht Schweiz» fordert die Politik auf, bei Suchtproblemen von Jugendlichen mehr zu machen. Fachstellen sorgen sich vor allem um den Mischkonsum der Jugendlichen, nämlich das Einnehmen verschiedener Substanzen gleichzeitig.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/sucht-schweiz-kritisiert-im-suchtpanorama-2023-die-politik?urn=urn:srf:video:a7175b32-418a-4b68-8911-01bdbf8ed65f


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Fribourg et région : des panneaux-horaires tactiles CFF sabotés
Dans la nuit du 31 janvier au 1er février, de nombreux écrans tactiles déployés par les CFF dans les gares de la campagne fribourgeoise ont été endommagés et tagués.
https://renverse.co/infos-locales/article/fribourg-et-region-des-panneaux-horaires-tactiles-cff-sabotes-3864


Soldiarität mit Alfredo Cospito und allen Gefangenen
Wir haben in der Nacht auf den 6. Februar den Polizeiposten in der berner Lorraine mit Hammer und Farbe besucht.
https://barrikade.info/article/5600


ZH: Farbe gegen Holcim
In der Nacht auf Dienstag den 7.Februar 2023 haben wir den Sitz von Holcim in Zürich Oerlikon besucht und eine farbige Botschaft hinterlassen.
https://barrikade.info/article/5603



bzbasel.ch 07.02.2023

Buttersäure-Attacken auf UBS im Baselbiet: Grosses Aufgebot, unklares Motiv

In Liestal und Laufen wurden in der Nacht auf Montag zwei Stinkbomben in Bankfilialen platziert. Die Vorfälle stehen wahrscheinlich in Zusammenhang. Die UBS kommentiert die Attacken vorerst nicht.

Andreas Schwald

Ein Zusammenhang sei nicht auszuschliessen, sagt Adrian Gaugler, Sprecher der Baselbieter Polizei: In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden auf gleich zwei UBS-Filialen im Baselbiet Buttersäure-Attacken verübt. Es handelt sich um die Filiale in Liestal an der Rheinstrasse und auf diejenige in Laufen an der Hauptstrasse. Buttersäure ist extrem geruchsintensiv und kann daher rasch Übelkeit hervorrufen. Abgesehen von der Geruchsbelästigung ist der Stoff ätzend, aber grösstenteils ungefährlich. Verletzte gab es keine.

Aufgeboten wurden Dispositive der Chemiewehr, des Feuerwehrinspektorats, der Polizei, der Sanität und der Industriefeuerwehr Region Basel. Vor den Orten des Geschehens befand sich also jeweils ein ansehnlicher Wagenpark, was vor allem an der Rheinstrasse-Kreuzung in Liestal für Aufsehen sorgte.

Das Dispositiv habe aber rasch wieder heruntergefahren werden können, wie Polizeisprecher Gaugler sagt. Der Stoff wurde jeweils neutralisiert und die Bankfilialen waren danach wieder begehbar. In Liestal wurde bereits in den frühen Morgenstunden alarmiert, in Laufen erst am Nachmittag. Zudem dürfte es sich nach ersten Erkenntnissen in Laufen um eine geringere Menge des Stoffs gehandelt haben als in Liestal. Das Motiv für die Attacken ist unklar.

Derzeit werden die Video-Aufzeichnungen ausgewertet und die Polizei sucht Zeugen: Personen, die in den entsprechenden Gebieten «sachdienliche Wahrnehmungen» gemacht haben wie Personen, Geräusche, Fahrzeuge und ähnliches, werden gebeten, sich bei der Einsatzleitzentrale der Polizei Basel-Landschaft in Liestal zu melden.

Backoffices der UBS waren nicht betroffen

In Liestal verschaffte sich die Täterschaft offenbar in der Nacht Zugang zum Eingangsbereich und verschüttete dort geringe Mengen der Buttersäure. Danach machte sie sich aus dem Staub. Buttersäure steht oft im Zusammenhang mit Unmutsäusserungen. Sie dient als vorsätzliche Gestanksattacke auf Läden und andere Einrichtungen mit Kundenfrequenz.

Auf Anfrage äusserte sich UBS Schweiz am Montag mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht vertieft zu den Vorfällen im Baselbiet. Man habe allerdings keine Kenntnis von weiteren betroffenen Filialen. Sobald die Reinigung vollzogen war, nahmen die Filialen im Kundenbereich ihren Dienst wieder auf. Die Backoffices seien von der Attacke nicht betroffen gewesen.
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/buttersaeure-attacken-auf-ubs-im-baselbiet-grosses-aufgebot-unklares-motiv-ld.2411591)


+++REPRESSION DE
Razzia bei Radio Dreyeckland: Staatsanwaltschaft wollte sogar IP-Adressen
Bei der Hausdurchsuchung beim Sender Radio Dreyeckland wegen Setzens eines Links hat die Polizei Kommunikation mit Journalist:innen und Quellen beschlagnahmt und kopiert. Die Staatsanwaltschaft wollte sogar alle IP-Adressen der Menschen haben, welche die Webseite des Senders besucht hatten. Der Sender kritisiert einen tiefen Eingriff ins Redaktionsgeheimnis.
https://netzpolitik.org/2023/razzia-bei-radio-dreyeckland-staatsanwaltschaft-wollte-sogar-ip-adressen


Letzte Generation und Autofahrer zusammengerechnet
Bei der Erfassung von Klebe-Straftaten werden in Berlin offenbar auch Angriffe gegen die Aktivisten selbst hinzugezählt
Wie eine Schriftliche Anfrage zeigt, wird in Statistiken zu Klebe-Blockaden nicht danach unterschieden, wer die Straftaten begeht. Grünen-Abgeordneter Vasili Franco wirft Innensenatorin Einseitigkeit vor.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170673.klimaproteste-statistik-letzte-generation-und-autofahrer-zusammengerechnet.html


+++POLIZEI LU
Grüne und SP klagen
Luzerner Polizeigesetz wird ein Fall fürs Bundesgericht
Das neue Luzerner Polizeigesetz ist mit den Grundrechten nicht vereinbar. Davon sind SP und Grüne überzeugt. Vor Bundesgericht versuchen sie jetzt zu verhindern, dass es in Kraft tritt.
https://www.zentralplus.ch/politik/luzerner-polizeigesetz-wird-ein-fall-fuers-bundesgericht-2516992/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/kanton-luzern-sp-und-gruene-gelangen-wegen-polizeigesetz-vor-bundesgericht-ld.2412417


+++POLIZEI DE
Polizeigewalt – psychisch Kranke immer wieder betroffen
Einsätze mit psychisch kranken Menschen gehören zum Alltag von Polizisten. Für sie braucht es spezielle Fähigkeiten, doch ihre Ausbildung bereitet Polizisten kaum darauf vor. Das Resultat: Wenn Polizisten im Einsatz auf psychisch Kranke treffen, kommt es immer wieder zu Gewalt – und dem Tod der Betroffenen.
https://www.ardmediathek.de/video/mittagsmagazin/polizeigewalt-psychisch-kranke-immer-wieder-betroffen/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2FyZC1taXR0YWdzbWFnYXppbi8xNTM2OTM3Yi0xMTE3LTRlNzctOTU3My1hOGQ4N2JjOGY4YTM


+++POLIZEI ESP
»Er hat uns als Frauen und als Aktivistinnen benutzt«
Die Aktivistin Clara beschreibt ihre intime Beziehung mit einem verdeckten Ermittler in Barcelona, ohne seine wahre Identität gekannt zu haben
In der katalanischen Hauptstadt ist abermals ein Polizeispitzel aufgeflogen. Mit Tattoos und einer wachsweichen politischen Haltung hat er sich das Vertrauen verschiedener Gruppen und Personen erschlichen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170802.verdeckte-ermittler-er-hat-uns-als-frauen-und-als-aktivistinnen-benutzt.html


+++FRAUEN/QUEER
Dragqueens bei Europaallee attackiert – Polizei schreitet nicht ein
An der Zürcher Europaallee ist es in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu einer homophoben Attacke gekommen. Fünf Personen wurden dabei von drei jungen Männern beleidigt und tätlich angegriffen. Die Polizei reagierte nicht, sagt Dragqueen Vio la Cornuta.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/dragqueens-bei-europaallee-attackiert-polizei-schreitet-nicht-ein-150024712


+++RECHTSEXTREMISMUS
tagesanzeiger.ch 07.02.2023

Verhandlung «geschwänzt»: Reichsbürger lässt Baselbieter Strafgericht auflaufen

Ein 44-jähriger Mann, dem unter anderem Gewalt und Drohung gegen Beamte vorgeworfen werden, lässt sich von der Verhandlung entschuldigen. Die angeklagte Person habe mit ihm als Mensch nicht viel zu tun.

Sebastian Schanzer

Wegen Abwesenheit des Beschuldigten musste das Baselbieter Strafgericht in Muttenz am Dienstag eine Verhandlung absagen. Ein zerschnittener deutscher Reisepass, eine abgelaufene Aufenthaltsbewilligung und eine Geburtsurkunde waren alles, was der zumindest zeitweise in einem Oberbaselbieter Dorf lebende Mann dem Gericht zur Verfügung stellte. Zu den ihm vorgeworfenen Delikten, 27 an der Zahl, konnte er folglich nicht befragt werden.

Die Dokumente reichte der 44-jährige Deutsche, der offiziell über keinen Wohnsitz in der Schweiz verfügt, gemeinsam mit einem Schreiben beim Gericht ein. «Hier erhalten Sie wunschgemäss Ihre Person für die Verhandlung», schrieb er. Mit ihm als Mensch habe diese Person aber nicht viel zu tun, weshalb er der Verhandlung fernbleibe.

Die Argumentation legt nahe, dass der Beschuldigte der Bewegung der sogenannten Reichsbürger nahesteht. Reichsbürger zeichnen sich insbesondere durch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Staat und seinen Institutionen aus. In Deutschland wurden bei einer gross angelegten Razzia Ende des vergangenen Jahres 25 Menschen aus der Reichsbürgerszene festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, den gewaltsamen Umsturz des Staates vorbereitet zu haben.

Mit Pfefferspray und Brecheisen gegen die Polizisten

Auch die Delikte, die dem Mann von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen werden, zeugen von gänzlich fehlendem Respekt gegenüber Behörden. Insbesondere Polizei, Grenzwächter und Betreibungsamt hatten in zahlreichen Fällen mit seiner Verweigerungshaltung zu kämpfen. Einige Beispiele: Im April 2020 verwehrte ein Zöllner dem Beschuldigten die Einreise beim Grenzübergang Rheinfelden aufgrund der damals geltenden Covid-Verordnung. Der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein, wechselte die Spur und fuhr dann «mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen» über die Grenze, wie es in der Anklageschrift heisst.

Bei einer weiteren Kontrolle am Zoll rund einen Monat später weigerte sich der Beschuldigte, seinen Kofferraum zu öffnen. Er verriegelte sein Auto und harrte aus, bis er plötzlich ausstieg und versuchte, zu fliehen. Bei der anschliessenden Einvernahme ging er drohend auf einen Beamten zu. Später gelang es dem Mann sogar, sich zurück in den Verhörraum zu schleichen, Protokoll und weitere Dokumente zu zerreissen sowie eine gefälschte Autovignette verschwinden zu lassen, die an seinem Auto sichergestellt worden war.

Der Mann weigerte sich offenbar zudem, die Verkehrssteuern und Gebühren für mehrere Motorfahrzeuge zu bezahlen. Der Aufforderung, entsprechende Fahrzeugausweise und Kontrollschilder abzugeben, widersetzte er sich. Als die Polizei einen Wagen an seinem Wohnort im Oberbaselbiet abschleppen liess, sprühte er einem Polizisten Pfefferspray ins Gesicht und warf einen Hammer gegen die Windschutzscheibe des Abschleppwagens. Die vorübergehende Festnahme des Manns im Juli 2021 an seinem Wohnort gelang der Polizei erst mithilfe eines Tasers. Zuvor hatte er mit einem Brecheisen drohend herumgefuchtelt.

Teilnahme am Verfahren bleibt unwahrscheinlich

Wenige Tage vor seiner Festnahme soll der Beschuldigte zudem einem Chefbeamten des Baselbieter Betreibungs- und Konkursamts in einem Schreiben gedroht haben, an dessen Privatadresse vorbeizukommen und ihm und seiner Familie Gewalt anzutun. Das Amt hatte ihn wegen seines hängigen Betreibungsverfahrens mehrere Male im Oberbaselbiet besucht, etwa um die Grundstücksversteigerung vorzubereiten oder Wertgegenstände für die Pfändung zu beschlagnahmen.

Das Verfahren gegen den Mann ist vom Baselbieter Strafgericht am Dienstag auf einen Termin im April verschoben worden. Unklar ist, ob der Beschuldigte mit Gewalt zur Präsenz an der Verhandlung gezwungen werden soll, wie es der Staatsanwalt beantragt. Immerhin gehe es auch um einen drohenden Landesverweis. Selbst der amtliche Verteidiger des Beschuldigten konnte am Dienstag indes nicht abschätzen, ob sein Mandant im April überhaupt vor Gericht auftauchen will, um sich zu den ihm vorgeworfenen Taten zu äussern. «Ich habe schon sehr lange keinen Kontakt mehr zu meinem Mandanten. Er hält wohl nicht viel von mir.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/reichsbuerger-laesst-baselbieter-strafgericht-auflaufen-375536375057)


+++HISTORY
Kunstmuseum vertieft Erforschung der Neumann-Sammlung
Das Kunstmuseum St.Gallen will mit Bundesgeldern die Provenienzen der Sammlung Neumann untersuchen. Und in den Fall eines seit Langem umstrittenen Hodler-Gemäldes kommt endlich Bewegung. Saiten hat mit Museumsmitarbeiter und Provenienzforscher Samuell Reller über NS-Raub- und Fluchtkunst gesprochen.
https://www.saiten.ch/kunstmuseum-vertieft-erforschung-der-neumann-sammlung/


SG Nazi-Denkmal auf Aussichtspunkt: Geplante Gedenkstätte scheiterte am heftigen Widerstand aus der Bevölkerung. (ab 10:43)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/st-galler-regierungspraesident-faessler-wieder-an-der-arbeit?id=12332215


Genf gibt rituelle Objekte an Indigene Nordamerikas zurück
Nachdem 2022 ein entsprechender Antrag eingegangen war, gibt das Ethnografische Museum in Genf rituelle Gegenstände an Indigene Nordamerikas zurück.
https://www.nau.ch/news/schweiz/genf-gibt-rituelle-objekte-an-indigene-nordamerikas-zuruck-66414880


+++ MEDIENSPIEGEL KLIMABESETZUNG KANTONSSCHULE ENGE 07.02.2023:
-> Offener Brief: https://act.campax.org/petitions/offener-brief-an-bildungsdirektion
-> Medienmitteilung Erde brennt: https://mailchi.mp/climatestrike/schulbesetzung-zrich-erde-brennt
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/e-auto-in-zuerich-ist-ein-umstieg-teilweise-schwierig?id=12332026 (ab 03.48)
-> https://twitter.com/klimastreik
-> https://twitter.com/klimaaktivistCH
-> https://www.20min.ch/story/klimastreik-will-gymi-enge-besetzen-schule-ueberlaesst-ihnen-mehrere-raeume-823066480678
-> https://www.watson.ch/schweiz/klima/305655102-klimaaktivisten-besetzen-heute-gymi-in-zuerich-watson-live-vor-ort
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/klimaschutzer-besetzen-sechs-zimmer-von-zurcher-gymnasium-66414525
-> https://www.blick.ch/schweiz/erde-brennt-schule-pennt-klimaaktivisten-besetzen-zuercher-kantonsschule-enge-id18294502.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/erde-brennt-an-der-kantonsschule-enge-614279503179
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/besser-als-sich-auf-eine-autobahn-zu-kleben-150018716
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/wer-am-klima-unterricht-teilnimmt-bekommt-ein-unentschuldigt-150014716
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/klimaschuetzer-besetzen-sechs-zimmer-von-zuercher-gymnasium-1-00205081/
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/klimaschuetzerinnen-besetzen-zuercher-kantonsschule-enge?urn=urn:srf:video:3c4b2411-ed74-41f1-b280-c4d9d924d080
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/klima-demo-in-der-kantonsschule-enge-150023823
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/klima-demo-in-der-kantonsschule-enge-150023823
-> https://www.20min.ch/video/klimaaktivisten-wollten-eine-schule-besetzten-doch-es-verlief-nicht-wirklich-nach-plan-606480266291



tagesanzeiger.ch 07.02.2023

Klimastreik-Aktion in Zürich: Klima-Aktivistinnen besetzen Kanti Enge und fordern Silvia Steiner heraus

Am Dienstagmorgen machen sich Jugendliche der Gruppe «Erde brennt» in sechs Zimmern der Kantonsschule Enge breit. Sie kritisieren das Bildungssystem als zu wenig aktuell und kritisch.

Jan Bolliger

«Besetzt!», verkünden Banner an der Kantonsschule Enge. Klimaaktivistinnen und -aktivisten von der Gruppe «Erde brennt» haben am frühen Dienstagmorgen sechs Zimmer in Beschlag genommen. Sie fordern ein «soziales und ökologisches Bildungssystem».

Wer dabei verbarrikadierte Türen, vermummte Schülerinnen und Schüler und einen wutentbrannten Rektor erwartet, wird jedoch enttäuscht. In der Eingangshalle ist die Stimmung ausgelassen. Von der Galerie tönt Musik, einige Schülerinnen tanzen. Am Boden werden Transparente gemalt, welche die Bildungspolitik von Silvia Steiner anprangern und Solidarität mit weltweitem Klimaaktivismus bekunden. Rektor Moritz Spillmann gibt den zahlreich anwesenden Medien gelassen Interviews, ein Lehrer bietet Kaffee an.

«Wir haben mit der Besetzung gerechnet und uns entsprechend vorbereitet», sagt Spillmann. Schon seit vergangener Woche wurde in den sozialen Medien die Besetzung von Schulen angekündigt. Nachdem am vergangenen Freitag ein Gymnasium in Basel friedlich besetzt worden war, war am Dienstag Zürich an der Reihe.

Schule bildet Krisenstab

Bis zum Schluss blieb geheim, welche Schule die Aktivisten in Beschlag nehmen würden. Doch Spillmann ahnte bereits, dass die Kantonsschule Enge das Ziel sein würde: «Wir haben einen kleinen Krisenstab gebildet, eine gemeinsame Haltung und rote Linien definiert und Sicherheitskräfte engagiert.» Am Dienstagmorgen hatte man die Besetzerinnen und Besetzer in Empfang genommen. Es sei schnell klar geworden, dass man sich auf gewisse Zimmer einigen könne und der reguläre Unterricht nicht gestört werden würde.

Auch Cyrill Hermann, Teil des Kommunikationsteams der Aktivisten, war überrascht, wie reibungslos alles gelaufen ist: «Hätten wir das im Vorfeld gewusst, hätten wir wohl einfach die Schulleitung kontaktiert und gesagt, welche Zimmer wir benötigen.»

In den Zimmern haben sich unterdessen über hundert Jugendliche aus verschiedenen Zürcher Schulen versammelt, um an den diversen Workshops teilzunehmen. Unter anderem gibt es ein «offenes queer-feministisches Plenum» mit der LGBTQ-Aktivistin Anna Rosenwasser, einen Input mit den Politikern Nicola Sigrist (SP) und Dominik Waser (Grüne) zu «Wieso die institutionelle Politik an der Klimakrise scheitert» und einen Workshop zu empathischem Kommunizieren. Am Abend stand Stricken und Häkeln an, und auch ein Konzert war geplant.

Heftige Kritik an Silvia Steiner

Die Hauptforderungen der Besetzung seien mehr kritischer politischer Unterricht, besonders über ökologische Krisen, und ein Bildungssystem, das mehr Rücksicht nimmt auf die Jugendlichen, sagt Hermann. Der 18-Jährige ist selber Schüler an der Kantonsschule Enge. «Zum ersten Mal thematisiert wurde die Klimakrise in der dritten Klasse. Man erzählte uns von schmelzenden Gletschern und wärmerem Wetter. Dass die Klimakrise zu über 1,2 Milliarden Klimaflüchtlingen führt, sagte uns niemand.» Die Klasse habe ihren persönlichen CO₂-Fussabdruck berechnet, jedoch nicht angeschaut, wie sich das ganze System ändern müsste. Dabei sei sich die Wissenschaft einig: «Wollen wir die Klimakrise abwenden, muss sich unser politisches System ändern.»

Um das System zu ändern, sei die Bildung der Jungen zentral. Doch anstatt auf mehr kritische Diskussionen im Klassenzimmer zu setzen, werde der Druck auf die Jugendlichen immer grösser. Die Verantwortung dafür trage insbesondere Bildungsdirektorin Silvia Steiner. Aktivistin Fanny Wissler redet sich zu ihr regelrecht in Rage: «Ich habe die Sparmassnahmen bei der Bildung persönlich miterlebt. Anstatt mehr auf die psychische Gesundheit der Jugendlichen zu achten, wurden die Freifächer gestrichen, und der Leistungsdruck wird aufrechterhalten!»

Die Aktivisten haben Bildungsdirektorin Steiner eingeladen, vor Ort Stellung zu beziehen. Die Medienstelle der Bildungsdirektion schreibt auf Anfrage, Steiner werde die Besetzung nicht besuchen, sie sei jedoch gern bereit, mit einer «Delegation der Schülerinnen und Schüler ein Gespräch zu führen».

Dass die Besetzerinnen wichtige Themen ansprechen, findet auch der ehemalige SP-Kantonsrat und Rektor Moritz Spillmann: «Wir wollen uns dieser Diskussion nicht verwehren. Die Besetzung benutzt uns hier jedoch als Plattform für eine Kritik, mit der wir als Kanti Enge nicht viel zu tun haben.» Denn so veraltet, wie von den Aktivistinnen dargestellt, sei die Schule nicht. So würden aktuelle Krisen wie der Klimawandel durchaus im Unterricht behandelt. Auch hätten sie gerade die Schulsozialarbeit an der Kantonsschule Enge eingeführt, und man versuche den Druck auf die Schüler zu verringern, indem man sich zum Beispiel bei Prüfungsterminen besser untereinander abspreche.

Etwas enttäuscht ist Spillmann, dass die Schülerinnen und Schüler nie das Gespräch mit ihm gesucht hätten. Auch bedauert er, dass die Inputs so einseitig geplant sind und keine Gegenmeinungen eingeladen sind.

Breite Unterstützung an der Schule

Wenig Verständnis für die Besetzung hat ein Schüler, der sie mit etwas Abstand beobachtet und sich als Luca vorstellt: «Ich teile ihre Meinung nicht. Offen für eine Diskussion sind sie jedoch nicht.» Er kritisiert die Schulleitung, dass diese die Aktion überhaupt dulde. «Eine Besetzung vom anderen politischen Spektrum wäre wohl kaum toleriert worden», sagt er.

Ähnliches schreibt die Zürcher SVP. In einer Medienmitteilung fordert sie die Bildungsdirektion auf, solche Aktionen in Zukunft mit den «notwendigen Massnahmen» zu verhindern.

Die grosse Mehrheit der Schule scheint jedoch hinter der Besetzung zu stehen. So zeigen auch viele Lehrpersonen mehr oder weniger unverhohlen ihre Sympathie mit der Aktion, und viele Schülerinnen sind hin- und hergerissen zwischen Unterricht und Workshops. Die einen hält die Angst vor Absenzen an einer Teilnahme ab, andere wollen den Deutschlehrer nicht im Stich lassen, der für den Tag extra eine Lesung organisiert hatte. Jemand liest eine Nachricht der Lehrerin aus dem Klassenchat vor: «Achtung, Achtung, der Unterricht findet statt!»

Ursprünglich wollten Hermann und die Besetzerinnen über Nacht bis mindestens Mittwochabend bleiben. Für Spillmann dagegen war klar, dass am Mittwoch wieder Regelbetrieb herrschen muss. «Morgen sind die Präsentationen der Maturaarbeiten, da dulden wir keine Störung.» Nach Androhungen von Konsequenzen beschlossen die Aktivisten, die Besetzung am Dienstagabend um neun Uhr zu beenden. Für die nächsten Tage seien jedoch weitere Aktionen geplant, sagt Hermann.
(https://www.tagesanzeiger.ch/klima-aktivistinnen-besetzen-kanti-enge-und-fordern-silvia-steiner-heraus-915268932579)



nzz.ch 07.02.2023

Klimaaktivisten besetzen eine Zürcher Kantonsschule – und werden «wohlwollend» empfangen

Wie viel Politik erträgt eine Schule?

Nils Pfändler, Daniel Fritzsche

Am Dienstag haben junge Klimademonstranten die Kantonsschule Enge in der Stadt Zürich besetzt. Die Gruppe, laut eigenen Angaben rund 130 Personen, bezeichnet sich als Ableger einer internationalen Bewegung mit dem Namen «End Fossil: Occupy», die in den vergangenen Wochen weltweit unzählige Schulen und Universitäten besetzt hat.

Die Demonstranten hängten im Hauptgebäude Plakate auf und veröffentlichten gleichzeitig Parolen in den sozialen Netzwerken. Das Themenspektrum, das sie ansprachen, reichte von der Klimapolitik über Bildungsfragen bis hin zu Gender-Themen. Sprüche wie «Die Erde brennt, Schule pennt!», «Schulische Hierarchien brechen» oder «Burn down the Cis-tem» waren zu lesen.

Die Klimaprotestler trafen in der Schule nicht etwa auf Gegenwehr – im Gegenteil. Die Schulleitung war über die Pläne informiert und wies die Lehrerinnen und Lehrer am Montag in einer E-Mail an, die Aktivisten «grundsätzlich wohlwollend» zu empfangen.

Der Rektor und frühere SP-Kantonsrat Moritz Spillmann begründet die Massnahme wie folgt: «Es wäre ein schlechtes Zeichen, wenn eine Bildungsinstitution ihre Türen verschliessen würde», sagt er. «Unsere Aufgabe ist Dialog und Auseinandersetzung.»

Eine härtere Gangart gegen die Besetzer wäre zudem nur schwer umsetzbar gewesen, meint Spillmann. Zur Sicherheit habe man aber vorab die Polizei informiert und am Morgen zwei Security-Mitarbeiter angestellt, die allerdings das Lehrerzimmer nicht verliessen.

Räume zur Verfügung gestellt

Damit der Unterricht trotz der Besetzung stattfinden konnte, hat man den Aktivisten sechs Räume zur Verfügung gestellt, wie der Rektor sagt. Dort wurde tagsüber eine ganze Reihe von Veranstaltungen abgehalten: ein «queerfeministisches Plenum» mit der Zürcher LGBT-Aktivistin Anna Rosenwasser, ein Gespräch von Juso-Präsident Nicola Siegrist und Grünen-Gemeinderat Dominik Waser zum Thema «Wieso die institutionelle Politik an der Klimakrise scheitert» oder ein Call mit der Umweltaktivistin und Naturwissenschafterin Julia Steinberger.

Die Grenze zwischen dem, was alles in einer Schule erlaubt sein soll, und dem, was nicht gestattet ist, ist laut dem Rektor Spillmann nicht einfach zu ziehen. So sorgte etwa ein Transparent der Revolutionären Jugend Zürich für Gesprächsstoff. Die Gruppe gilt laut dem Nachrichtendienst des Bundes als Taktgeber der gewalttätigen linksextremen Szene. Die Schulleitung hat das Plakat im Verlauf des Tages entfernt.

Das Vorgehen, den Aktivisten Räume zu überlassen, habe gut funktioniert, sagt Spillmann. Der Unterricht sei nicht gestört worden. Allerdings, sagt er, hätte er sich mehr Austausch mit den Besetzern gewünscht. «Eine echte Debatte ist nicht entstanden», bilanziert der Rektor. Die Aktivisten seien mehrheitlich unter sich geblieben.

«Auftritt hat mich abgeschreckt»

Viele Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Enge dürften Spillmanns Einschätzung teilen. Die meisten wurden am frühen Morgen von der Besetzung überrascht – und manch einer war mit dem Vorgehen der Aktivisten gar nicht einverstanden. «Die Besetzer haben uns überhaupt nicht einbezogen», sagt eine Schülerin. «Ihr Auftritt hat mich eher abgeschreckt.»

Ein Schüler regte sich lautstark über die Klimaaktivisten auf, die das Hauptgebäude mit einem hüfthohen Lautsprecher den ganzen Tag mit Musik beschallten. «Sollen sie sich doch in einem Museum festkleben, wenn sie Aufmerksamkeit wollen. Hier stören sie nur den Schulbetrieb.»

Im Verlauf des Tages rissen Schülerinnen und Schüler einige Transparente der Aktivisten herunter, was zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen führte. Am Nachmittag endete eine Auseinandersetzung zwischen einer Aktivistin und einem Schüler sogar handgreiflich – und mit Beulen an den Köpfen der beiden Streithähne.

Einladung an Silvia Steiner

Die Klimaaktivisten selber sehen sich trotz Kritik im Recht. Eine von ihnen ist die 15-jährige Johanna. Sie sagt: «Wir haben es schon oft auf anderem Weg versucht. Es hat sich aber nie etwas verändert.» Eine Besetzung sei deshalb gerechtfertigt. Gewalt lehne sie aber in jeder Form ab.

Neben Veränderungen in der Klimapolitik fordert die Gymnasiastin auch Reformen im Schulwesen. So solle es in den Schulen künftig zwei sogenannte Gegenwartslektionen pro Woche geben, in denen über die Krisen der Zeit gesprochen werde.

Ihre Forderungen richteten die Klimaaktivisten auch an Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) und luden sie bis zum geplanten Ende der Besetzung am Mittwochmittag zu einem Gespräch in die Kantonsschule Enge ein.

Steiner habe auf die Einladung direkt geantwortet, heisst es vonseiten der Bildungsdirektion. Sie sei auch gerne bereit, mit einer Delegation der Schülerinnen und Schüler ein Gespräch zu führen. Allerdings zu einem Zeitpunkt, der für beide Seiten möglich sei. Die Forderungen der Schülerinnen und Schüler werde sie in diesem Gespräch thematisieren.

SVP und FDP üben Kritik

Die SVP richtete ebenfalls einen Appell an Silvia Steiner. Jedoch unter anderen Vorzeichen: Die Bildungsdirektion müsse die notwendigen Massnahmen treffen, damit künftig ähnliche politische Proteste an Schulen nicht mehr stattfinden könnten. «Unsere Kinder und Jugendlichen dürfen nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden», schreibt die Partei in einer Stellungnahme zur Schulbesetzung.

In Bildungsinstituten müsse das Vermitteln von Wissen im Vordergrund stehen; «Stör- und Blockade-Aktionen» dürften nicht toleriert werden. Die Beeinflussung des Verhaltens der Kinder, «getrieben durch aktuelle tagespolitische Geschehnisse», müsse sofort gestoppt werden.

Auch Vertretern der FDP stiess die geduldete Besetzung sauer auf. Hans-Jakob Boesch, Präsident der Kantonalpartei, bedauert, dass der Klimastreik immer radikaler werde und zu undemokratischen Mitteln greife. «Damit ist dem Klima nicht geholfen», sagt er. Das Land brauche keine besetzten Schulen, sondern demokratische Lösungen wie etwa den Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative.

Der freisinnige Kantonsrat Marc Bourgeois schrieb auf Twitter, dass der Rektor und frühere SP-Politiker Spillmann seine berufliche Stellung missbrauche, um «Jugendliche zu indoktrinieren». Er empfiehlt ihm die Lektüre der Kantonsverfassung und des Bildungsgesetzes – «Suchbegriff: politische Neutralität».
(https://www.nzz.ch/zuerich/politik-in-zuerich-klimaaktivisten-besetzen-kantonsschule-ld.1725011)



aargauerzeitung.ch 07.02.2023

Klimaaktivistin schliesst Schulbesetzung im Aargau nicht aus – Jungfreisinnige kritisieren Aktionen als rechtswidrig und extrem

Zuerst wurde eine Schule in Basel von Klimaaktivisten besetzt, am Dienstag folgte eine Besetzung in Zürich. Die Jungfreisinnigen Aargau kritisieren, damit werde die politische Neutralität der Schulen verletzt. Mechthild Mus von den Jungen Grünen entgegnet, gerade an der Schule müssten aktuelle und drängende Themen diskutiert werden.

Fabian Hägler

«Die Juso darf an der Kantonsschule Enge linkspopulistische Workshops durchführen. Wann sind die bürgerlichen Jungparteien dran?» Das schrieb Anna Staub, Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen Aargau, am Dienstag auf Twitter. Staub kritisierte die Besetzung eines Gymnasiums in der Stadt Zürich durch Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Gruppe «Erde brennt».

    Die #Juso darf an der Kantonsschule Enge #linkspopulistische #Workshops durchführen. Wann sind die #bürgerlichen #Jungparteien dran @bildung_zh? So viel zu politisch #neutralen Schulen…@JFZH @fdp_zh @Jungfreisinnige @FDP_Liberalen pic.twitter.com/TlYvoUhHfD
    — Anna Staub (@anna_staub_fdp) February 7, 2023

Das Bündnis fordere «aus der besetzten Schule heraus ein ökologisches und soziales Bildungssystem», heisst es in einer Mitteilung der Klimastreik-Bewegung. Staub wies auf Twitter auf ein Gespräch mit Juso-Präsident Nicola Siegrist und einen weiteren Input der Jungsozialisten an der besetzten Kantonsschule hin. «So viel zu politisch neutralen Schulen…», schreibt sie an die Zürcher Bildungsdirektion.

Jungfreisinnige: «Hoffentlich keine solchen Aktionen im Aargau»

Schon nach der Besetzung des Gymnasiums Münsterplatz in Basel letzte Woche hatten sich die Aargauer Jungfreisinnigen auf Twitter kritisch geäussert. «Linke Schüler besetzen eine Basler Schule und machen antikapitalistische Workshops… Der Rektor lässt sie gewähren, weil ihm das Anliegen gefällt…»

    Linke Schüler besetzen eine Basler Schule und machen antikapitalistische Workshops… 🤓

    Der Rektor lässt sie gewähren weil ihm das Anliegen gefällt… 😑

    Wegen solchen Vorfällen kämpfen wir für politisch neutrale Schulen! pic.twitter.com/ogqDpmlYd4
    — Jungfreisinnige AG (@JFAargau) February 5, 2023

Tim Voser, Präsident der Jungfreisinnigen Aargau, kritisiert die beiden Schulbesetzungen auf Nachfrage der AZ scharf: «Wir hoffen sehr, dass es im Aargau nicht so weit kommt, dass rechtswidrige Aktionen von Gruppierungen mit extremer politischer Ausrichtung an Schulen stattfinden und geduldet werden.»

Obwohl es bisher erst Aktionen in Basel und Zürich gegeben habe, wollten die Jungfreisinnigen laut Voser darauf hinweisen, «dass die Schulen auch im Aargau ein Problem mit der politischen Neutralität haben». Er spielt damit auf die Untersuchung der politischen Gesinnung von Lehrpersonen und Schulleitungen an, welche der Grosse Rat im Aargau beschlossen hat. Bildungsdirektor Alex Hürzeler (SVP) erteilte im Juni 2022 dem Institut Sotomo den Auftrag, eine entsprechende Befragung durchzuführen.

«Es kann nicht sein, dass linke Schulbesetzungen geduldet werden»

Voser erwartet von den Schulen, «dass sie das geltende Recht durchsetzen und den Schulbetrieb aufrechterhalten, auch wenn Lehrpersonen den linken Klimaaktivisten gegenüber positiv eingestellt sind». Er vermutet: «Man stelle sich vor, wenn Libertäre die Schule besetzen und einen Unterricht verlangen würden, der stärker auf Freiheit und Wirtschaft ausgerichtet ist – da würden Schulleitungen und Rektoren anders reagieren.»

Die Schulen müssten sich politisch neutral verhalten, auf dem Schulareal seien keine Demonstrationen und Kundgebungen zulässig – «und eine Besetzung schon gar nicht», kritisiert Voser. Natürlich sollten die Behörden verhältnismässig vorgehen, aber der Aspekt der Gleichbehandlung sei wichtig. Voser betont: «Es kann nicht sein, dass linke Schulbesetzungen geduldet werden, die Aktivisten sollen ihre Demos ausserhalb des Schulareals durchführen.»

Klimaaktivistin schliesst Schulbesetzungen im Aargau nicht aus

«Im Moment sind im Aargau keine Schulbesetzungen geplant, ich würde aber nicht ausschliessen, dass es auch hier solche Aktionen geben wird», sagt Mechthild Mus, Klimaaktivistin und Co-Präsidentin der Jungen Grünen Aarau. Die Klimastreikbewegung im Kanton sei allerdings durchaus aktiv, sie führe am 3. März einen Klimastreik durch, ergänzt Mus.

Dass nun Schülerinnen und Schüler in Basel und Zürich forderten, die Klimakrise im Unterricht stärker zu integrieren und intensiver zu behandeln, sei nicht per se linke Politik, erklärt die junge Grüne. «Mir scheint, die Jungfreisinnigen versuchen mit ihrer Kritik davon abzulenken, dass sie zu dieser drängenden Frage keine brauchbaren Antworten haben.»

Von linken Schulen zu sprechen, sei in diesem Zusammenhang falsch. «Die Besetzung kommt von der Gruppe ‹Erde brennt› aus, sie ist nicht von der Schule organisiert», führt Mus aus. Sie findet die Aktion sinnvoll und konstruktiv: «Es ist keine Blockade, die Aktivistinnen und Aktivisten suchen das Gespräch mit der Bildungsdirektorin und den Schulverantwortlichen.» Es könne nicht das Ziel sein, dass die Forderung nach politisch neutralen Schulen dazu führe, «dass dort keine aktuellen und wichtigen Themen mehr diskutiert werden können», sagt die Klimaaktivistin.

Bildungsdepartement und Schulen haben Besetzungen «auf dem Radar»

Wie würde der Kanton auf eine Schulbesetzung im Aargau reagieren und welche Empfehlungen gibt es für die Rektorinnen und Rektoren? Laut Simone Strub, Sprecherin des Bildungsdepartements, ist seit Herbst die Rede von allfälligen Schulbesetzungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Klimawandels. «Das Departement und die Schulen haben das Thema auf dem Radar und haben sich dazu ausgetauscht», sagt Strub.

Und wo steht die Untersuchung der angeblich linken Schulen im Aargau? Strub teilt mit, die Befragung der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrpersonen und auch die Gespräche mit den Schulleitungen seien abgeschlossen. Ein Schlussbericht liegt derzeit noch nicht vor, das Bildungsdepartement will im April oder Mai über die Ergebnisse informieren.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/erde-brennt-klimaaktivistin-schliesst-schulbesetzung-im-aargau-nicht-aus-jungfreisinnige-kritisieren-aktionen-als-rechtswidrig-und-extrem-ld.2411407)