Medienspiegel 29. Dezember 2022

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+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 29.12.2022

Was die Asylbewerber am Silvesterabend im Bundesasylzentrum erwartet

Die Zahl der untergebrachten Männer in den militärischen Hallen an der Ländistrasse in Brugg steigt langsam. Die Festtage sind auch für Asylsuchende eine spezielle Zeit. Wie sie den Jahreswechsel feiern.

Claudia Meier

Im vergangenen Oktober wurde bekannt, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Unterbringungskapazität im Bundesasylzentrum (BAZ) Brugg bis Ende März 2023 auf 440 Plätze verdoppeln wird. Diese Massnahme erfolgt in Absprache mit dem Kanton Aargau und der Stadt Brugg. Beim Start im November 2020 wurde der auf drei befristete Betrieb mit 40 Asylbewerbern und aufgrund der Pandemie mit Quarantäneabteilungen aufgenommen.

Aktuell leben laut SEM-Sprecher Reto Kormann 166 Personen im BAZ Brugg. Diese stammen mehrheitlich aus Afghanistan, Burundi und der Türkei. Die restlichen Herkunftsstaaten lägen in Asien, Afrika und Europa.

Fernab von der Familie und von Bekannten den Jahreswechsel zu begehen, wenn in der Schweiz fast das ganze Land in Partylaune ist, dürfte für die meisten Asylbewerber nicht einfach sein. Wie werden die Bewohner im BAZ Silvester feiern? Gibt es ein spezielles Menu?

Es werde einen Musikabend geben und ein grösseres Bingo, also ein Lotteriespiel, verrät der SEM-Sprecher. Nach dem Abendessen, das zwischen 18 und 19 Uhr stattfindet, würden keine warmen Speisen mehr angeboten. «Nachts werden zusätzlich Nüsse und Schokolade gereicht», fügt Kormann an.

Zu gewinnen gibt es Energydrinks

Auf Nachfrage teilt er mit, dass es zum Abendessen Penne mit Tomatensauce und Karottensalat gibt sowie Bananen zum Dessert. Das sei bei den Menschen im BAZ, die aus verschiedenen Kulturkreisen stammen, allseits sehr beliebt. Und was können die Asylbewerber beim Bingo gewinnen? Verschiedene Arten von Schokolade und Energydrinks seien gerne gesehene Preise, so Kormann. Mit etwas Spielglück ist auch eine Cola zu haben.

Da der Konsum von Alkohol in den BAZ verboten ist, stellt sich die Frage: Mit welchem Getränk können die Bewohner am Silvesterabend auf das neue Jahr anstossen? Laut dem SEM wird alkoholfreier Punsch angeboten.

Neun Polizeieinsätze seit Oktober

Die Ausgangszeiten für die Asylbewerber sind auch während Weihnachten und Silvester unverändert von 9 bis 20 Uhr. Kormann ergänzt: «Die Bewohner haben jedoch die Möglichkeit, ein verlängertes Wochenende bei Bekannten oder Verwandten zu verbringen.» Mit anderen Worten: Vom 23. bis zum 26. Dezember sowie vom 30. Dezember bis zum 2. Januar wurden und werden solche Auszeiten bewilligt.

Nicht immer läuft alles rund im BAZ Brugg. So musste die Polizei etwa Anfang November einen Streit unter den Bewohnern schlichten. Insgesamt sei die Polizei seit dem 1. Oktober neunmal zu Hilfe geholt worden, berichtet der SEM-Sprecher.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/brugg-was-die-asylbewerber-am-silvesterabend-im-bundesasylzentrum-erwartet-ld.2393316)


+++LUZERN
Drohungen gegen ukrainisches Zentrum
Unbekannte haben das ukrainische Zentrum in Reussbühl ins Visier genommen. In den vergangenen Wochen haben Jugendliche sich immer wieder einen Spass daraus gemacht, die Geflüchteten mit Parolen und Schriftzügen einzuschüchtern.
https://www.tele1.ch/nachrichten/drohungen-gegen-ukrainisches-zentrum-149483084
-> https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/unbekannte-bedrohen-ukrainisches-zentrum-in-reussbuehl-2506112/


+++SCHWYZ
Geflüchtete zeichnen den Schwyzer Integrations-Delegierten aus
Markus Cott arbeitet seit zehn Jahren als Integrations-Delegierter des Kantons Schwyz. Nun wurde er mit dem «Bedanken-Preis» des Schweizer Flüchtlingsparlaments ausgezeichnet. Markus Cott ist daher einer unserer Interviewgäste zum Jahresende. (ab 08:30)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/gefluechtete-zeichnen-den-schwyzer-integrations-delegierten-aus?id=12309877


+++ST. GALLEN
Thurklinik wehrt sich gegen Asylheim
Klinik fordert Nutzungsstopp. Sie bräuchten mehr Zeit, um sich auf die Umnutzung des Altersheims als Flüchtlingszentrum vorzubereiten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/thurklinik-wehrt-sich-gegen-asylheim?id=12309583
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/widerstand-gegen-asylheim-in-uzwil-149482643


+++SCHWEIZ
Regierung will von SVP-Forderung nichts wissen: Bundesrat will keine Asylbewerber nach Afrika abschieben
Dass Italien vorerst keine Schengen-Flüchtlinge mehr zurücknimmt, zeige, dass das Asylsystem nicht funktioniere, findet SVP-Präsident Marco Chiesa. Er will, dass der Bundesrat Flüchtlinge nach Afrika ausfliegt. Doch dieser will davon nichts wissen.
https://www.blick.ch/politik/regierung-will-von-svp-forderung-nichts-wissen-bundesrat-will-keine-asylbewerber-nach-afrika-abschieben-id18184346.html


+++ITALIEN
Mittelmeer: Italien verschärft Regeln für zivile Seenotretter
In Italien dürfen Seenotretter laut einem neuen Dekret nach einem Rettungseinsatz künftig nicht mehr nach weiteren gekenterten Booten suchen. Die Helfer kritisieren das.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-12/italien-seenotretter-mittelmeer-gefluechtete
-> https://www.nau.ch/news/europa/italien-verabschiedet-dekret-fur-zivile-seenotretter-helfer-emport-66380944
-> https://taz.de/Italien-erlaesst-Dekret-zur-Seenotrettung/!5897423/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169716.italien-regierung-erschwert-seenotrettung.html


+++GASSE
«Ich gehe gerne in die Gassenküche»
Die Gassenküche in St. Gallen ist Teil des Angebots der Stiftung Suchthilfe, welche seit über 30 Jahren in St. Gallen professionelle Hilfe für Menschen mit Suchtproblemen anbietet. Seit drei Jahren leitet Regine Rust die Stiftung. Wir haben in unseren Jahresendgesprächen mit ihr gesprochen. (ab 04:38)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/ich-gehe-gerne-in-die-gassenkueche?id=12309883


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
«Wir wollten Repressionen durch den Staat vermeiden»: Jetzt melden sich die Hausbesetzer von der Wassergasse zu Wort – und kündigen weitere Aktionen an
Transparente an der Fassade, aber keine Spur vom Kollektiv, das am Dienstag in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein leerstehendes Haus in der St.Galler Innenstadt besetzt hatte. Jetzt erklären die Aktivistinnen und Aktivsten, weshalb sie vor der Polizei geflohen sind. Der Liegenschaftsbesitzer will sich nicht zum Fall äussern.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/stadt-stgallen-wir-wollten-repressionen-durch-den-staat-vermeiden-jetzt-melden-sich-die-hausbesetzer-von-der-wassergasse-zu-wort-und-kuendigen-weitere-aktionen-an-ld.2394236


Räumung der Wassergasse 47 durch die Stadt im Namen des Profits
Am 27.12.22, wurde die Wassergasse 47 von Aktivist:innen „besetzt“, die mehr Frei- und Kulturräume forderten. Innerhalb weniger Stunden betraten Vertreter:innen der Immobilienfirma Videre in Begleitung der Polizei das Haus.
https://barrikade.info/article/5547



derbund.ch 29.12.2022

Demos während der Pandemie: Zu Unrecht gebüsst – Geld gibts trotzdem nicht zurück

Obwohl die pandemiebedingte 15-Personen-Regel bei Demos rechtswidrig war, bleiben etliche auf ihren Bussen sitzen. Ihre Revisionsgesuche wurden abgewiesen.

Michael Bucher

Recht zu haben, bedeutet nicht, recht zu bekommen. Das Bonmot aus der Juristerei trifft auf etliche Demonstrierende zu, welche im Frühjahr 2021 in Bern trotz pandemiebedingtem Kundgebungsverbot auf die Strasse gingen.

Obwohl das Verbot nachträglich als verfassungswidrig taxiert wurde, müssen sich die Gebüssten mit ihrer unrechtmässigen Strafe abfinden. Dies geht aus mehreren publizierten Entscheiden des Berner Obergerichts hervor. Die Betroffenen demonstrierten gegen das Referendum gegen die Ehe für alle, gegen Polizeigewalt oder nahmen am Sitzstreik der Klimajugend teil.

Wie kommt es zu diesem fürs allgemeine Rechtsempfinden schwer nachvollziehbaren Urteil?

Rückblick aufs Frühjahr 2021: Das Coronavirus wütet nach wie vor. Im Kanton Bern sind seit November 2020 keine Kundgebungen mit mehr als 15 Personen erlaubt, was einem faktischen Demoverbot gleichkommt. Die Vorschrift geht deutlich weiter als die in dieser Zeitspanne gültige Covid-19-Verordnung des Bundes. Mehrere Gruppierungen der politischen Linken gelangen daraufhin mit einer Beschwerde ans Bundesgericht.

Dort erhalten sie ein halbes Jahr später recht. Das höchste Gericht im Land hält fest: Die 15-Personen-Regel hat gegen die in der Bundesverfassung verankerte Versammlungsfreiheit verstossen. Was das für die mehrere Hundert zu Unrecht Gebüssten bedeutet, dazu äussert sich das höchste Gericht im Land nicht.

Streit um Rechtssicherheit

Unmittelbare Folgen hat das Urteil dennoch, allerdings nur für einen Teil der Betroffenen: So erlässt die Berner Staatsanwaltschaft nur jenen Demonstrierenden die Busse, die sich dagegen rechtlich gewehrt hatten und deren Einspracheverfahren zum Zeitpunkt des Urteils noch offen ist – laut Staatsanwaltschaft sind das allein im Raum Bern-Mittelland 114 Personen. Jene, die sich nicht gewehrt haben, gehen leer aus.

Das kann man als ungerecht empfinden, doch so sieht es die Strafprozessordnung vor. Jenen, die ihre Busse bezahlt haben, bleibt als einzige Beschwerdemöglichkeit, ein Revisionsgesuch einzureichen. Davon machen insbesondere Klimaaktivistinnen und -aktivisten Gebrauch. Unterstützt werden sie dabei von der Vereinigung Klimastreik Bern.

Die Jugendbewegung bekam die restriktive 15-Personen-Regel mit geballter Kraft zu spüren. Wegen ihres Sitzstreiks am 19. März 2021 auf dem Berner Waisenhausplatz verzeigte die Kantonspolizei Bern 180 Klimastreikende zu Bussen in der Höhe von 200 Franken. Die bezahlten Bussen stünden in einem «unverträglichen Widerspruch» mit dem späteren Bundesgerichtsentscheid, monieren die Klimastreikenden. Die Staatsanwaltschaft hingegen empfiehlt die Revisionsgesuche in einer Stellungnahme zur Ablehnung.

Interessant ist, dass beide Seiten das Argument der Rechtssicherheit ins Feld führen. «Rechtsirrtümer in rechtskräftig gewordenen Entscheiden sind irreparabel», hält die Staatsanwaltschaft grundsätzlich fest. Der Revisionsgrund des unverträglichen Widerspruchs solle nur in «äusserst krassen Fällen» zum Tragen kommen, ansonsten sei die Rechtssicherheit gefährdet.

Sehr wohl von einem «äusserst krassen Fall» sprechen hingegen die Gebüssten. Nicht wegen der Höhe der Busse, sondern weil dadurch «das Rechtsgefühl und das Demokratieverständnis in gravierender Weise verletzt werden», argumentiert etwa eine Klimaaktivistin. Jemand, der fälschlicherweise im Gefängnis sitze, würde ja auch freigelassen werden.

Nüchterne Paragrafenauslegung

Das Obergericht folgt schliesslich der Staatsanwaltschaft. Zwar spricht es von einem «schweren Mangel», findet aber gleichzeitig, sämtliche dazumal rechtskräftige Strafbefehle nun als nichtig zu erklären, würde zu weit gehen. Anders wäre es laut Gericht, wenn bereits beim Erlass der 15-Personen-Regel «offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar» gewesen wäre, dass diese verfassungswidrig sei. Dies könne jedoch nicht behauptet werden, zu unstet sei die damalige Corona-Lage gewesen. Nicht weniger als 23 Mal innert zehn Monaten sei auf Bundes- und Kantonsebene die Covid-19-Verordnung angepasst worden.

Weiter führt das Obergericht an, dass eine Revision nur infrage komme, wenn es um «sich widersprechende Strafentscheide» gehe. Doch da es sich beim Bundesgerichtsurteil bloss um eine «abstrakten Normenkontrolle einer kantonalen Verordnung» gehandelt habe und nicht um ein Urteil zu einem Strafbefehl, sei diese Vorgabe nicht erfüllt. Ob diese nüchterne Paragrafenauslegung die Beschwerdeführenden überzeugt und von einem Weiterzug abhält, bleibt vorderhand offen. Klimastreik Bern war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
(https://www.derbund.ch/zu-unrecht-gebuesst-geld-gibts-trotzdem-nicht-zurueck-745851066479)


+++BIG BROTHER
Wie im Gangster-Film: Firma will Überwachungskameras für Geheimdienste manipulieren
Mit der Software des israelischen Unternehmens Toka sollen sich Überwachungskameras in Echtzeit und nachträglich manipulieren lassen, enthüllt ein Medienbericht. Die Spähsoftware ist für Geheimdienste und Ermittlungsbehörden gedacht, Kontakte soll es auch nach Deutschland geben.
https://netzpolitik.org/2022/wie-im-gangster-film-firma-will-ueberwachungskameras-fuer-geheimdienste-manipulieren/


+++POLICE BE
Bodycams für Berner Polizisten: SP sieht rot
Der Berner Regierungsrat möchte ein Gesetz für den Einsatz von Bodycams für die Polizei schaffen. Die SP hat aber grosse Bedenken, insbesondere im Datenschutz.
https://www.nau.ch/politik/regional/bodycams-fur-berner-polizisten-sp-sieht-rot-66376103


+++RECHTSPOPULISMUS
Anti-Chaoten-Initiative stösst auf viel Zuspruch
Die Junge SVP verlangt mit der Anti-Chaoten-Initiative, dass Veranstaltende illegaler Demos die Zeche zahlen müssen. Bei den Zürcherinnen und Zürchern kommt die Initiative laut einer repräsentativen Umfrage gut an.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/anti-chaoten-initiative-stoesst-auf-viel-zuspruch-149476287



nzz.ch 29.12.2022

Härter durchgreifen bei unbewilligten Demos? Bei dieser Frage ticken die Städter stärker rechts als Bewohner von ländlichen Regionen im Kanton Zürich

Eine Umfrage im Auftrag der NZZ zeigt, dass die Anti-Chaoten-Initiative der Jungen SVP im Kanton Zürich gute Chancen haben könnte.

Jan Hudec

«Defund the police!» Diesen aus den USA abgekupferten Schlachtruf verbreiteten Junge Grüne und Jungsozialisten kürzlich auf Plakaten in Oerlikon. Der Stadtpolizei Zürich sollten die Mittel entzogen werden, finden die linken Jungparteien und brachten diese Forderung auch in der Budgetdebatte des Stadtparlaments ein.

Der Grund: «In den letzten Jahren hat die Polizeirepression an Demonstrationen spürbar zugenommen.» So jedenfalls lässt sich der junge Grüne Martin Busekros in einer Medienmitteilung zitieren, welche die beiden Parteien anlässlich der Plakataktion Mitte Dezember verschickten. Die «Repression politischer Rechte» dürfe nicht finanziert werden.

Ein Antrag, der Polizei keine neuen Stellen zu bewilligen, scheiterte im Parlament zwar, aber ein bisschen Mittel wurden ihr trotzdem entzogen: 127 000 Franken.

Man kann sich freilich fragen, wie schlimm es um die Unterdrückung von Demonstranten in Zürich steht. Zumindest in den Zahlen schlägt sich die vermeintliche repressive Schlagseite der Zürcher Stadtpolizei nicht nieder. 2021 verzeichnete die Stadt rekordhohe 360 Demonstrationen und Kundgebungen – jede dritte war gar unbewilligt.

All das verursacht einerseits hohe Kosten und schränkt andererseits auch die Stadtbewohner ein, weil gerade die unbewilligten Aktionen häufig den Verkehr blockieren.

JSVP fordert, Demonstranten Kosten zu verrechnen

Darum sehen die bürgerlichen Parteien die Situation denn auch ganz anders als die jungen Linken. Sie fordern eine härtere Gangart. Die Junge SVP hat im November die Anti-Chaoten-Initiative eingereicht. Diese verlangt unter anderem, dass Veranstalter illegaler Demonstrationen für die Kosten geradestehen sollen, die sie verursachen. Weil die Initiative auf kantonaler Ebene eingereicht wurde, müssten sich alle Gemeinden und damit auch die Stadt Zürich an die Regelung halten.

Heute verfolgt die Stadt noch eine sanftere Linie und verzichtet darauf, von Demonstranten Geld einzuziehen: «Es gehört zum Grundauftrag der Polizei, Demonstrationen zu begleiten, das wird nicht verrechnet», sagte kürzlich der Sprecher des Sicherheitsdepartements in der NZZ.

Die Initiative würde die Situation in der Stadt also zum Leidwesen der Linken auf den Kopf stellen. Und sie hat durchaus Chancen, angenommen zu werden.

Dies zeigt eine repräsentative Umfrage, die das Forschungsinstitut GfS Bern im Auftrag der NZZ durchgeführt hat. Vom 24. November bis am 8. Dezember wurden über 3000 wahlberechtigte Zürcherinnen und Zürcher befragt. Unter anderem auch darüber, ob sie ein härteres Durchgreifen bei Demonstrationen und Störungen der öffentlichen Ordnung befürworten würden.

Eine klare Mehrheit von 61 Prozent zeigte sich mit dieser Forderung sehr oder eher einverstanden.

Schaut man sich das Ergebnis genauer an, zeigt sich Überraschendes: Ausgerechnet in den grossen Agglomerationen, wozu auch die Städte zählen, unterstützen besonders viele Personen den repressiven Ansatz – nämlich 62 Prozent. Doch auch in den kleinen und mittleren Agglomerationen sowie in ländlichen Gebieten stimmen die Wähler tendenziell zu, mit 58 bzw. 57 Prozent.

Weniger überraschend ist hingegen, dass Alte eher für ein hartes Durchgreifen sind als Junge und dass Männer stärker zu Law and Order tendieren als Frauen. Hinter die Forderung stellen sich zudem die bürgerlichen Wählerinnen und Wähler stärker als die linken. Bei Anhängern von SVP und FDP sind es satte 90 Prozent und auch bei den Mitte-Wählern noch 81 Prozent. Auch bei der GLP ist es eine Mehrheit von 53 Prozent, und selbst unter den SP-Wähler wären immerhin 34 Prozent sehr oder eher einverstanden mit einem härteren Durchgreifen.

Lediglich bei Anhängerinnen und Anhängern von Grünen und AL stösst die Forderung kaum auf Begeisterung. Bei den Grünen sind es 17 Prozent, bei der AL gerade einmal 2 Prozent.

Dass sich auch die sonst eher linken Städter ein härteres Durchgreifen wünschen, könnte daran liegen, dass sie von den negativen Folgen direkt betroffen sind. Kommt es zu Ausschreitungen und Sachbeschädigungen, sind diese für die Städter sichtbar. An den Städten bleibt auch ein grosser Teil der Kosten hängen. Und diese können beträchtlich sein. Fast 700 000 Franken kosteten allein die Einsätze der Zürcher Stadtpolizei im Rahmen der «Klimawoche» von Extinction Rebellion im Oktober 2021. Die Umweltschützer hatten an mehreren Orten in der Innenstadt Strassen blockiert.

Neben Kosten und Schäden verursachen die Aktionen zum Teil auch einfach Unannehmlichkeiten für die Städter. Die weitgehend friedlich verlaufende Velo-Demo Critical Mass ruft zwar jeweils nur ein kleines Polizeiaufgebot auf den Plan. Sie führt aber während Stunden zu grossen Verkehrseinschränkungen. Diese treffen nicht nur Autofahrer, sondern auch Nutzer des öffentlichen Verkehrs.

Wie eine Auswertung des Stadtrates zeigte, sind an Spitzentagen bis zu 20 000 Fahrgäste von Ausfällen und Verspätungen auf dem Tram- und Busnetz betroffen. Innerhalb von zwei Jahren hat die Stadt insgesamt 140 000 Betroffene gezählt. Es gibt also ein gewisses Frustrationspotenzial.

Initianten sind vorsichtig optimistisch

Darauf hoffen auch die Initianten der Anti-Chaoten-Vorlage.

Sandro Strässle ist sowohl Präsident des Initiativkomitees als auch der Jungen SVP im Kanton Zürich. Die guten Umfragewerte seien natürlich ein positives Signal, sagt er. Zu früh freuen will er sich aber nicht. Im Abstimmungskampf könne die öffentliche Meinung noch umschlagen. «Gewonnen haben wir erst, wenn wir gewonnen haben.»

Weil die Initiative als allgemeine Anregung formuliert wurde, müsste der Kantonsrat entscheiden, welches Gesetz angepasst werden müsste. Als Vorbilder könnten dabei die Kantone Bern und Luzern dienen, sagt Strässle. Dort können Gemeinden die Kosten des Polizeieinsatzes sowohl Veranstaltern einer nicht bewilligten Demonstration wie auch Einzelpersonen verrechnen.

Dies aber nur dann, wenn es zu Gewalt oder Sachbeschädigungen kommt. Zudem ist der Betrag begrenzt auf 10 000 Franken beziehungsweise auf 30 000 Franken in besonders schweren Fällen. Strässle erhofft sich davon, dass weniger unbewilligte Demonstrationen stattfinden. Werde eine Veranstaltung bewilligt, laufe die Sache geordneter ab. So kann beispielsweise der öV frühzeitig umgeleitet und die Öffentlichkeit informiert werden. Das Ziel sei letztlich, dass so demonstriert werde, dass auch die Bedürfnisse der übrigen Bevölkerung respektiert würden.
(https://www.nzz.ch/zuerich/unbewilligte-demos-zuercher-wollen-haerteres-durchgreifen-ld.1718995)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Als «Wandergruppe Züger» getarnt: Neonazis feierten in Rütner Pfadiheim – Staatsanwaltschaft ermittelt
Vergangenen Juni trafen sich mehrere Rechtsextreme im Zürcher Oberland. Der Aufmarsch hat nun ein Verfahren ausgelöst.
https://www.tagesanzeiger.ch/neonazis-feierten-in-ruetner-pfadiheim-staatsanwaltschaft-ermittelt-514675649174
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/neonazi-party-in-rueti-hat-mehrere-strafverfahren-zur-folge-149474656
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/im-pfadiheim-in-rueti-zh-gefeiert-staatsanwaltschaft-leitet-verfahren-gegen-neonazis-ein-id18184683.html



nzz.ch 29.12.2022

Statt einer «Wandergruppe Züger» tauchen im Sommer deutsche Neonazis in einem Zürcher Pfadiheim auf. Doch erst jetzt hat der Aufmarsch Folgen

Rechtsextreme mieten in Rüti eine Waldhütte – und übertölpeln damit die Zürcher Behörden. Ein halbes Jahr später entscheidet sich, ob gegen Teilnehmer des Anlasses ermittelt wird.

Fabian Baumgartner

«Sieg Heil!», «Ausländer raus!» und «Juden raus!», so schallt es durch das Wohnquartier in Rüti. Auf Tonaufnahmen ist zu hören, wie der Sänger der Band FieL (Fremde im eigenen Land) auf einer Akustikgitarre ein Lied mit dem Titel «Der Tag, an dem das deutsche Herz Flammen schlägt» zum Besten gibt. Dazwischen sind aus dem nahe gelegenen Pfadiheim Gegröle und rechtsextreme Parolen zu vernehmen.

Es ist Mitte Juni 2022, und in der Gemeinde im Zürcher Oberland geht gerade einer der ersten grösseren Anlässe von Rechtsextremen in der Schweiz nach Aufhebung der Corona-Massnahmen über die Bühne. Anwesend sind an diesem Samstagabend des 18. Juni über fünfzig Neonazis, ein Grossteil von ihnen stammt aus Deutschland.

Erschrockene Anwohner alarmieren die Polizei. Die Einsatzkräfte lösen den Anlass beim Pfadiheim schliesslich auf. Sie nehmen die Personalien der Anwesenden auf, zwei Dutzend Teilnehmer weisen sie weg. Die übrigen Neonazis übernachten vor Ort. Sie sind zu betrunken, um noch nach Hause zu gehen.

Zurück bleiben offene Fragen: Haben die Nazi-Parolen und rassistischen Rufe strafrechtliche Konsequenzen? Und: Wie konnte es passieren, dass sich als Wandergruppe getarnte Neonazis ungehindert in einem Pfadiheim versammeln konnten? Und dies, obwohl es im Vorfeld Hinweise auf das Treffen gegeben hatte?

Rapport bereits im August eingereicht

In ersten Stellungnahmen nach dem Anlass verneint die Polizei noch die Frage, ob das Treffen eine Strafuntersuchung nach sich ziehen werde. Das ändert sich jedoch rasch. Bereits eine Woche nach dem Anlass erklärt ein Sprecher der Kantonspolizei gegenüber dem «Sonntags-Blick», es werde abgeklärt, ob der Tatbestand der Diskriminierung und des Aufrufs zu Hass erfüllt sei.

Mitte August reicht die Polizei ihren Rapport bei der Staatsanwaltschaft See/Oberland ein. Danach verstreichen weitere Monate, in denen die Strafverfolgungsbehörde prüft, ob überhaupt genügend Verdachtsmomente vorhanden sind, um eine Strafuntersuchung zu eröffnen.

Nun, mehr als ein halbes Jahr nach den Geschehnissen, ist klar: Es gibt sie.

Die Staatsanwaltschaft hat Strafverfahren gegen mehrere Personen eröffnet, wie Erich Wenzinger, Sprecher der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft, auf Anfrage sagt. Gegen die Beteiligten wird wegen des Verdachts auf Diskriminierung ermittelt. Zudem werde im laufenden Verfahren auch geprüft, ob Verstösse gegen weitere Straftatbestände vorlägen, sagt Wenzinger. Bis zu einem rechtsgültigen Verfahrensabschluss gilt in allen Fällen die Unschuldsvermutung.

Bands aus militantem Neonazi-Netzwerk zu Gast

Welche Kreise hinter der Neonazi-Party stecken, zeigt sich schon kurz nach dem aufgelösten Anlass. Die Spur führt zum militanten Blood-&-Honour-Netzwerk. Laut Informationen des antifaschistischen Recherchekollektivs Antifa Bern nahmen bekannte deutsche Exponenten aus der Szene an dem Anlass teil. Das zeigt sich auch bei den Bands: Neben FieL aus Mecklenburg-Vorpommern ist in Rüti eine Band zu Gast, die innerhalb der deutschsprachigen rechtsextremen Szene zu den bekanntesten Musikgruppen gehört. Ihr Name: Oidoxie.

Belege für die Anwesenheit der beiden Bands finden sich in den Tonaufnahmen, aber auch in Bildern. Ein Foto zeigt den Gitarristen von Oidoxie vor dem Pfadiheim, dahinter ist auch das Banner der Gruppe sichtbar. Die Dortmunder Band ist seit 1995 aktiv, glorifiziert rechten Terror und weist gute Verbindungen in die Schweiz auf – unter anderem zum mehrfach verurteilten Neonazi Kevin G., der selbst aus dem Zürcher Oberland stammt.

Diese bestehenden Netzwerke ermöglichten es den Rechtsextremen mutmasslich auch, in Rüti einen geeigneten Treffpunkt für ihre Party zu finden.

Doch wie konnte es den Rechtsextremen gelingen, den Anlass vor den Behörden geheim zu halten? Das Fest überrumpelte jedenfalls alle – die Waldhütten-Besitzerin, die Behörden und die Polizei. Und das, obwohl die Behörden in St. Gallen zuvor Wind von einer geplanten Zusammenkunft bekommen und die Veranstaltung verboten hatten.

Eine Erklärung lieferte der Zürcher Regierungsrat. In seiner Antwort auf einen politischen Vorstoss im Kantonsrat hielt er fest, weshalb die Polizei das Treffen im Zürcher Oberland nicht im Vorfeld verhindern konnte.

Demnach war die Kantonspolizei zwar zwei Tage vor dem Aufmarsch darüber informiert worden, dass in der Zentralschweiz ein rechtsextremistischer Anlass stattfinden könnte. Die genaue Örtlichkeit sei jedoch nicht bekannt gewesen, es habe auch keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass der Kanton Zürich zum Veranstaltungsort werden könnte, heisst es in der Antwort des Regierungsrats.

Es ist allerdings bekannt, dass die Rechtsextremen für ihre Anlässe meist mehrere Orte organisieren. Dasselbe Vorgehen wandten sie bereits in der Vergangenheit immer wieder an. Meist werden dazu einige Lokale unter einem Vorwand und manchmal auch unter falschem Namen angemietet, um sich mindestens an einem der Orte ungestört treffen zu können. Im Pfadiheim in Rüti meldeten sie sich als «Wandergruppe Züger» an.

Der Vorfall sorgte deshalb auch bei der Pfadi Züri für Bestürzung. Die Organisation prüfte sogar, ob das Anmeldeprozedere geändert werden muss. Davon ist man inzwischen wieder abgerückt, wie die Pfadi-Züri-Sprecherin Jelena Hess auf Anfrage sagt. Dies, weil eine genauere Prüfung der Anmeldung nicht praktikabel sei. «Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die ganze Verantwortung nicht bei den Gruppenheimen liegen darf – es soll vonseiten Sicherheitspolitik her mehr Regulierungen geben.» Der Vorfall habe Heimverwalterinnen und Heimverwalter aber sicherlich sensibilisiert.

St. Galler Behörden verhindern Anlass

Anders als den Zürcher Behörden gelang es der St. Galler Polizei, die Zusammenkunft zu verhindern. Sie hatte nach Hinweisen sämtliche Veranstalter im Kanton kontaktiert und war so auf ein Lokal in Kaltbrunn gestossen. Auch dort hatten die Neonazis mithilfe eines Täuschungsmanövers an das Lokal kommen wollen.

Der Mietvertrag in der St. Galler Gemeinde wurde schliesslich annulliert. Die Polizei sprach gegen den rechtsextremen Organisator ein Veranstaltungsverbot für den ganzen Kanton aus. Daraufhin wichen die Neonazis nach Rüti aus.
(https://www.nzz.ch/zuerich/neonazis-im-pfadiheim-staatsanwaltschaft-ermittelt-doch-noch-ld.1718815)


+++HISTORY
«Schepeneses Zuhause gibt es nicht mehr»
Mit scharfen Worten hat sich Peter Fux, Direktor des Kulturmuseums St.Gallen, in die Schepenese-Debatte eingebracht. Im Interview erklärt der Archäologe jetzt, warum die Mumie nicht zurück nach Ägypten soll, was ihn an der aktuellen «Wokeness-Welle» stört und wie das Kulturmuseum mit den eigenen Leichen im Keller umgeht.
https://www.saiten.ch/schepeneses-zuhause-gibt-es-nicht-mehr/


Verbrechen der sozialen Fürsorge – Zuger Verdingkind: «Das Blut lief mir über die Beine»
Jede Woche kommen an dieser Stelle Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen im Kanton Zug zu Wort. Heute springen wir weit zurück in der Zeit, bis ins 19. Jahrhunderts. Was Adolf Iten erlebte, ist so erschreckend, dass einem die Worte fehlen.
https://www.zentralplus.ch/geschichte/zuger-verdingkind-das-blut-lief-mir-ueber-die-beine-2504584/