Medienspiegel 22. Dezember 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Zur neuen Asylunterkunft im Gurnigelbad gibt es einige Fragen
Im Januar eröffnet der Kanton Bern eine neue Kollektivunterkunft für Asylsuchende im Gurnigelbad. Der abgelegene Standort am Gurnigelpass in der bernischen Gemeinde Riggisberg gibt an der Informationsveranstaltung zu reden, wie auch die Postautofahrten.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/zur-neuen-asylunterkunft-im-gurnigelbad-gibt-es-einige-fragen?id=12306469
-> https://tv.telebaern.tv/news/asylzentrum-in-riggisberg-schuert-skepsis-149372719
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/die-integration-wird-schwierig-das-sagen-riggisberger-zur-asylunterkunft-149368714



derbund.ch 22.12.2022

Asylunterkunft Gurnigelbad: Die Bevölkerung schwankt zwischen Skepsis und Solidarität

Dass die Gemeinde Riggisberg im Januar Geflüchtete aufnimmt, löst unterschiedliche Reaktionen aus. Vor allem aber bleiben noch einige Fragen.

Sabin Gfeller

Die Bevölkerung von Riggisberg hat 2015 Solidarität gezeigt und angefangen, Asylsuchende zu unterstützen. Die Kirche, der Frauenverein und weitere Freiwillige haben sich engagiert. Damals waren Geflüchtete in der Zivilschutzanlage mitten im Dorf untergebracht. Diese Asylunterkunft besteht mittlerweile nicht mehr. Eine andere Kollektivunterkunft wird jedoch Mitte Januar eröffnet – allerdings rund zehn Kilometer vom Dorfzentrum entfernt: im ehemaligen Kurhotel Gurnigelbad.

Durch die abgelegene Lage wird die Integration dieses Mal wohl eine grössere Herausforderung. Die Skepsis der Bevölkerung zeigte sich am Mittwochabend in der Aula der Schulanlage in Riggisberg. Der Gemeindepräsident informierte zusammen mit der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern (GSI) und dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) des Kantons Bern, das die Unterkunft betreiben wird.

Der Saal war gut gefüllt, rund 120 Personen aus Riggisberg, Rümligen und Rüti aber etwa auch aus Rüschegg waren anwesend. Während der Fragerunde waren zum Teil Ablehnung, aber auch Empathie und Solidarität zu spüren.

Doch auch nachdem die Bevölkerung informiert worden ist, bleiben einige Fragen offen. Zum einen sind zwar zusätzliche Busfahrten von Riggisberg zum Gurnigelbad geplant – momentan gibt es vier Mal pro Tag eine Verbindung vom Dorf den Hügel hoch und wieder hinunter. Allerdings ist immer noch unklar, wie eng der neue Fahrplantakt sein wird.

Zum anderen ist noch offen, wer genau im Gurnigelbad einziehen wird. Laut der GSI und dem SRK Kanton Bern werden keine unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden untergebracht. Vermutlich werden sowohl Familien als auch alleinstehende Frauen und Männer im ehemaligen Kurhotel wohnen. Hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.

Klar hingegen ist, dass der Mietvertrag für fünf Jahre unterschrieben wurde und maximal 200 Personen dort leben werden. Es würden voraussichtlich Personen untergebracht, die bereits einen rechtskräftigen Entscheid haben, dass sie bleiben dürfen, oder ein erweitertes Asylverfahren durchlaufen.

Schulen und Hausärzte in Ungewissheit

Doch wie viele und ob tatsächlich Familien einziehen werden, wird sich erst zeigen. Diese Ungewissheit ist laut der Schulleiterin Rosmarie Fischer von Riggisberg schwierig: «Wir haben bereits jetzt grosse Klassen und wissen nicht, ob und wie viele Kinder hinzukommen.»

Zuerst würden die Kinder wohl in einem Pavillon in Rüti in einer Willkommensklasse unterrichtet. Später könnten sie dann in Riggisberg zur Schule gehen. Für die Bildung müsste die Gemeinde aufkommen, sagt Gemeindepräsident Michael Bürki.

Ungewissheit herrscht auch bei der medizinischen Betreuung. Es ist noch offen, ob diese die Hausärztinnen und Hausärzte in der Region übernehmen oder ob ein mobiles Arztmodell zum Zug kommt. Dies wird laut Martina Blaser vom SRK Kanton Bern noch geprüft.

Mietzins bleibt geheim

Jemand zeigte sich enttäuscht, dass der Besitzer des Gurnigelbads, Hans-Ulrich Müller, an diesem Informationsabend nicht anwesend war. Mehrfach wurde gefragt, wie hoch die Miete für die Unterkunft sei. Diese wird über die Steuergelder finanziert. Doch Manuel Haas von der GSI entgegnete, dass dieser Betrag nicht bekannt gegeben werde. Der Grund: Der Vertrag sei privatrechtlich.

Ein Anwohner von Rüti, das direkt unterhalb des Gurnigelbads liegt, erinnert sich, dass es in der Vergangenheit, als das Gurnigelbad schon einmal als Asylunterkunft diente, zu Vandalismus kam. Bei Traktoren seien Pneus zerstochen gewesen. Ob es Securitas-Angestellte bei der Unterkunft gebe? Martina Blaser vom SRK verneinte und wies darauf hin, dass sie bei anderen Kollektivunterkünften keine solchen Probleme hatten.

Erschwerte Integration

Mehrere kritische Stimmen wurden während der Fragerunde und später beim Apéro wegen der abgelegenen Lage laut. Der Standort stelle für die Integration eine Hemmschwelle dar – auch für Einwohnerinnen und Einwohner in Riggisberg, die bereit wären, sich zu engagieren. «Wie abgeschoben» und «dermassen ab vom Schuss» sei man dort oben.

Nebst der Distanz kommen die Höhenmeter hinzu. Das Gurnigelbad liegt knapp 400 Meter höher als das Dorf Riggisberg. Ein junger Riggisberger findet es daher «logistisch sinnlos», dass die Unterkunft dort oben sei. Gerade auch, weil sie mit dem öffentlichen Verkehr nur schlecht erreichbar sei.

Einer Anwohnerin war es wichtig, etwas Positives zu sagen: «2015 waren Eritreer und Syrer in der Zivilschutzanlage.» Alle hätten selber gekocht – am Schluss noch mit nur einer funktionierenden Kochplatte. «Ich wurde eingeladen und bekam Salat in der Bratpfanne serviert.» Das sei «so härzig» gewesen.
(https://www.derbund.ch/die-bevoelkerung-schwankt-zwischen-skepsis-und-solidaritaet-616226987261)


+++AARGAU
Obersiggenthal AG: Flüchtlinge bald im Gemeindesaal?
Die Gemeinde Obersiggenthal AG ist im Bezug auf die Unterbringung von Flüchtlingen am Limit. Deshalb rechnet die Gemeinde damit, dass sie im Verlauf des Winters allenfalls den Gemeindesaal als Notunterkunft nutzen muss.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/obersiggenthal-ag-fluechtlinge-bald-im-gemeindesaal?id=12306472


+++BASELLAND
bzbasel.ch 22.12.2022

Kollektivunterkunft in Therwil: Drogen, Dreck und Diebstähle gehören zum Alltag

In einer Sammelunterkunft der Baselbieter Gemeinde leben zwölf Männer unter fragwürdigen Bedingungen. Die Ursachen sind gesetzlich gewollt.

Maria-Elisa Schrade

Die Videoaufnahmen, die der bz vorliegen, sind eindrücklich: klebrig verkrustete Oberflächen, vor Dreck starrende, schwarze Böden, Müll, Lebensmittelreste und andere organische Ausscheidungen, so weit die Handykamera reicht. Die Aufnahmen stammen aus einer Kollektivunterkunft für alleinreisende Asylbewerber in Therwil, welche für die Gemeinde vom privaten Dienstleister Convalere betrieben wird.

Imran Deeb*, einer der zwölf Männer, die in der 6,5-Zimmer-Wohnung in einem ehemaligen Polizeiposten untergebracht sind, hat sich mit den Videoaufnahmen an die Medien gewendet, weil er sich mit seiner Wohnsituation vom Betreiber Convalere alleingelassen fühlt.

Die Männer trinken sehr viel, dröhnen sich nachts zu und randalieren

Dabei geht es dem 44-jährigen Libanesen, der seit Anfang November in der Sammelunterkunft in Therwil untergebracht ist, nicht allein um die hygienischen Bedingungen. Imran Deeb berichtet ausserdem von ausgeprägtem Drogen- und Alkoholkonsum, Ausfälligkeiten und Diebstählen. «Es ist viel Kokain und Haschisch im Umlauf. Manche trinken sehr viel, dröhnen sich nachts zu und randalieren», sagt Deeb und ist überzeugt: «Es wird auch gestohlen. Allein im Flur stehen vier E-Trottinetts.» Convalere unternehme nichts dagegen.

Seine Rechtsberatung am Bundesasylzentrum Basel, wo Imran Deeb die vorangegangenen Monate untergebracht war, beurteilt die Lage folgendermassen: «Herr Deeb wird nicht unterstützt oder betreut. Ihm wird weder eine sichere noch saubere Unterkunft zur Verfügung gestellt.»

Derartige Probleme sind bei Convalere und in Therwil bekannt

Auf diese Vorwürfe angesprochen, bestätigt Convalere die mangelhaften hygienischen Bedingungen: «Die aktuelle Situation vor Ort lässt in der Tat Spielraum nach oben. Das ist ein täglicher Kampf für unsere Migrationsbegleiter, die sich vor Ort um dieses Thema kümmern.» So werde die Unterkunft einmal im Quartal grundgereinigt, sagt die Geschäftsführerin Franziska Knol. Ansonsten sei die Reinigung jedoch Aufgabe der Bewohner.

Was den mutmasslichen Drogenkonsum in der Unterkunft betrifft, sieht die Geschäftsführerin Imran Deeb in der Verantwortung, bei Verstössen die Polizei einzuschalten. Davon abgesehen, führe Convalere unregelmässige Kontrollen durch, sagt Knol.

Balz Staub, der zuständige Bereichsleiter bei der Gemeinde Therwil, gibt an, bisher keinerlei Reklamationen über Convalere erhalten zu haben. Er betont aber auch, dass die Gemeinde zwar auch eigene Kontrollen durchführe, diese jedoch nicht ausreichten, um sich einen Eindruck davon verschaffen zu können, was im Alltag in der Unterkunft geschehe.

Die von Deeb beschriebenen Konflikte unter den Bewohnern überraschen den Bereichsleiter hingegen weniger: «Es ist bekannt, dass die gemischte Unterbringung ein gewisses Spannungsfeld erzeugt», sagt Staub. Denn in dieser Wohnung lebten nicht nur Menschen mit unterschiedlichen biografischen und sozialen Hintergründen, sie verfügten auch über verschiedene Bleibeperspektiven und Aufenthaltstitel.

Konkret bedeutet das: Imran Deeb, der sich noch im Asylverfahren befindet, wohnt mit Männern zusammen, die Nothilfe erhalten, die also abgelehnt wurden, aber bislang nicht ausgeschafft werden konnten. Einige unter ihnen leben bereits seit drei bis sieben Jahren in der Kollektivunterkunft in Therwil in einem Zustand «regulärer Illegalität»: Sie dürfen keine Arbeit annehmen oder Ausbildung absolvieren und müssen permanent Angst haben, abgeschoben zu werden. Psychische und physische Erkrankungen sind oft die Folge, wie eine Situationsanalyse der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM) von 2019 zeigt.

Es fehlt das Geld, um bessere Wohnbedingungen zu schaffen

Franziska Knol ist mit dieser Problematik täglich konfrontiert: «Wir haben Personen bei uns, die seit Jahren mit Nothilfe leben, ihre Situation ist besonders aussichtslos.» Mit diesen Menschen zu arbeiten, sei sehr schwer und erfordere viel Beziehungsarbeit. Die gemischte Unterbringung von Menschen mit ganz unterschiedlichen Bleibeperspektiven sei auch für Convalere sehr herausfordernd, weil Bedürfnisse und Betreuungsaufwand Einzelner sehr weit auseinanderliegen können.

Eine mögliche Lösung sieht Franziska Knol in einer kantonsweiten Zusammenlegung besonders herausfordernder Fälle. Denn sie ist überzeugt: «Wenn wir diese Leute zusammennehmen und gemeinsam intensiver betreuen könnten, wäre das sicher für alle einfacher.»

Die Situationsanalyse der Eidgenössischen Migrationskommission zeigt: In der Praxis werden Nothilfebeziehende fast immer in Sammelunterkünften untergebracht – in Baselland auch gemeinsam mit anderen Asylbewerbenden. Denn das spart Geld.

Laut Balz Staub muss Therwil 260 Menschen aus dem Flüchtlingsbereich aufnehmen. In den letzten Jahren sei diese Quote nicht erreicht worden, weil die Gemeinde weniger Zuweisungen erhalten habe, als sie hätte aufnehmen müssen. Das Problem: «Wir mussten präventiv Wohnräume schaffen, für die wir nur finanziell entschädigt werden, wenn diese auch zur Nutzung durch zugewiesene Asylsuchende kommen», sagt Staub. Deshalb habe die Gemeinde auf finanziell tragbare Lösungen wie Sammelunterkünfte zurückgreifen müssen.

Balz Staub ist bewusst: «Da müsste viel mehr Geld präventiv in die Hand genommen werden, mit dem Risiko, dass die geschaffenen Unterbringungen nie gebraucht werden.»

Der finanzielle Druck im Asylwesen ist politisch gewollt

Doch die dafür erforderlichen Summen sind gesetzlich nicht vorgesehen, wie die «Asylverordnung 2» zeigt, nach der die Kantone für jede Person mit laufendem Asylverfahren eine monatliche Pauschale von 1573 Franken vom Bund beziehen. Darin enthalten sind ein anpassungsfähiger Mietkostenanteil von 215 Franken und 274 Franken für Betreuungskosten.

Die Beiträge für die Nothilfe sind bedeutend tiefer. Die Eidgenössische Migrationskommission (EKM) schreibt daher in ihrer Analyse: «Das Nothilferegime ist darauf ausgelegt, abgewiesene Asylsuchende zur Ausreise zu bewegen.» Doch betroffen seien auch Menschen, welche die Schweiz gar nicht verlassen könnten, etwa, weil sie die nötigen Reisepapiere nicht beschaffen könnten oder ihr Herkunftsland sie nicht wiederaufnehme.

Die Gelder, die an Gemeinden wie Therwil für zugewiesene Asylsuchende vom Kanton weitergegeben und von diesen wiederum auf private Dienstleister wie Convalere umverteilt werden, lassen entsprechend wenig Handlungsspielraum zu. Damit ein privater Anbieter im Asylbereich überhaupt rentabel wirtschaften könne, müsse er daher möglichst viele Menschen auf einmal betreuen, erklärt Balz Staub. Auch für die Gemeinde sei die Kollektivunterkunft daher günstiger gewesen, als zusätzliche Mitarbeitende einzustellen.

So habe der vorhergegangene Dienstleister ORS die Kollektivunterkunft in Therwil aufgegeben, weil die Betreuung der zwölf Männer für das international operierende Unternehmen nicht lukrativ genug gewesen sei, sagt Staub. ORS betreibt auch das Bundesasylzentrum in Allschwil, das wegen angeblicher Unterbringungsmängel in der angeschlossenen Zivilschutzanlage bereits für Schlagzeilen sorgte.

Privatfirmen verstärken Probleme, statt Rahmenbedingungen anzukreiden

Moreno Casasola, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Freiplatzaktion Basel, einer Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten, kann nicht nachvollziehen, warum die Schweiz im Asylbereich das Feld privaten Dienstleistern überlässt: «Es ist absurd, dass man versucht, in diesem Bereich Geld zu verdienen», sagt Casasola. «Die Pauschalen für die Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden sind so niedrig, wer da noch einsparen will, verstärkt die ohnehin prekären Bedingungen.»

Moreno Casasola erklärt: Das Profitinteresse privater Dienstleister verschärfe die ohnehin angespannte Situation seit Jahrzehnten und habe dazu geführt, dass sich karitative Organisationen aus dem Bereich zurückzögen, weil sie die hiesigen Bedingungen ethisch nicht mehr tragen könnten. «In der Schweiz glauben wir immer, dass Private alles besser können», sagt der Casasola. «Aber die Marktöffnung des Asylbereichs hat dazu geführt, dass sich unterschiedliche Player gegenseitig unterbieten, statt die Rahmenbedingungen anzukreiden.»

Immerhin wurde die Sammelunterkunft in Therwil seit Einschalten der bz erneut gereinigt. «Ein Mann kam vorbei und hat geputzt», sagt Deeb. «Keiner hat geholfen, das hat mir leidgetan. Also bin ich wieder eingesprungen.»

*Zum Schutz von Quellen benutzt die bz ein Pseudonym. Der echte Name ist der Redaktion bekannt.
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/asylwesen-kollektivunterkunft-in-therwil-drogen-dreck-und-diebstaehle-gehoeren-zum-alltag-ld.2390327)

-> Video 1: https://cdnapisec.kaltura.com/html5/html5lib/v2.86/mwEmbedFrame.php/p/1719221/uiconf_id/46363891/entry_id/1_50imo2oa?wid=_1719221&iframeembed=true&playerId=kaltura_player&entry_id=1_50imo2oa&flashvars[streamerType]=auto&flashvars[localizationCode]=de&flashvars[leadWithHTML5]=true&flashvars[sideBarContainer.plugin]=true&flashvars[sideBarContainer.position]=left&flashvars[sideBarContainer.clickToClose]=true&flashvars[chapters.plugin]=true&flashvars[chapters.layout]=vertical&flashvars[chapters.thumbnailRotator]=false&flashvars[streamSelector.plugin]=true&flashvars[EmbedPlayer.SpinnerTarget]=videoHolder&flashvars[dualScreen.plugin]=true&flashvars[Kaltura.addCrossoriginToIframe]=true&&wid=1_62nj3a5t

-> Video 2: https://cdnapisec.kaltura.com/html5/html5lib/v2.86/mwEmbedFrame.php/p/1719221/uiconf_id/46363891/entry_id/1_28fb5r9e?wid=_1719221&iframeembed=true&playerId=kaltura_player&entry_id=1_28fb5r9e&flashvars[streamerType]=auto&flashvars[localizationCode]=de&flashvars[leadWithHTML5]=true&flashvars[sideBarContainer.plugin]=true&flashvars[sideBarContainer.position]=left&flashvars[sideBarContainer.clickToClose]=true&flashvars[chapters.plugin]=true&flashvars[chapters.layout]=vertical&flashvars[chapters.thumbnailRotator]=false&flashvars[streamSelector.plugin]=true&flashvars[EmbedPlayer.SpinnerTarget]=videoHolder&flashvars[dualScreen.plugin]=true&flashvars[Kaltura.addCrossoriginToIframe]=true&&wid=1_9olshmtt


+++LUZERN
Luzern bereitet Notunterbringungen vor: Ruswil fordert Sicherheitspatrouillen wegen Flüchtlingen
Der Kanton Luzern bereitet derzeit Notfallunterbringungen von Flüchtlingen in Zivilschutzanlagen vor. Auch in der Gemeinde Ruswil. Diese fordert aber mehr Mitspracherechte bei den Entscheidungen.
https://www.zentralplus.ch/politik/ruswil-fordert-sicherheitspatrouillen-wegen-fluechtlingen-2504977/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/asylwesen-ruswil-will-bei-fluechtlingsunterkunft-mitsprechen-und-sicherheitspatrouillen-ld.2392391


+++ZÜRICH
«Jede dieser Ausschaffungen schadet der ASZ, ihre Seele wird verletzt.» – Eine Laudatio für die ASZ
Am 25. November 2022 fand im Kaufleuten in Zürich die Übergabe der kulturellen Auszeichnungen der Stadt Zürich statt. Der Verein «Bildung für Alle», Trägerverein der Autonomen Schule Zürich (ASZ), erhielt die mit 20’000 Franken dotierte Auszeichnung für besondere kulturelle Verdienste. Über die konkrete Verwendung des Preisgeldes informiert der Verein zu einem späteren Zeitpunkt. Eins vorweg: Die Mittel werden antirassistischen Projekten zugutekommen – gegen Rassismus und gegen das unmenschliche Migrationsregime.
Die Laudatio an der Preisvergabe hielt Karim Khider per Video – ein ASZ-Aktivist, der am 17. Mai 2022 nach 19 Jahren in der Schweiz nach Algerien ausgeschafft wurde. Nachfolgend können Sie die von den Anwesenden mit stehenden Ovationen bedachte Preisrede nachlesen.
https://papierlosezeitung.ch/de/artikel/jede-dieser-ausschaffungen-schadet-der-asz-ihre-seele-wird-verletzt-eine-laudatio-fuer-die-asz


+++SCHWEIZ
„Das Staatssekretariat für Migration (SEM) überfüllt die Bundesasylcamps (BAZ). Die bereits schlechten Verhältnisse spitzen sich zu. Die Behörden nehmen die Verletzung der Menschenwürde, des Rechts auf Leben und weiterer Menschenrechte in Kauf. Ein Threat“
-> Mehr: https://twitter.com/NetworkMigrant/status/1605882685485768704


Asylgesetz anpassen: Schweiz soll auch russische Kriegsdienstverweigerer aufnehmen
Russische Kriegsdienstverweigerer sind zu Zehntausenden vor dem Ukraine-Krieg geflohen. In der Schweiz haben sie allerdings kaum Chancen, Schutz vor dem Kreml zu erhalten. Das soll sich ändern.
https://www.blick.ch/politik/asylgesetz-anpassen-schweiz-soll-auch-russische-kriegsdienstverweigerer-aufnehmen-id18166940.html


Weiterhin angespannte Situation im Asylbereich
Bund, Kantone, Städte und Gemeinden sind bei der Unterbringung und Betreuung der Asyl- und Schutzsuchenden angesichts der sehr hohen Zahl an neuen Asylgesuchen und der anhaltenden Fluchtbewegung aus der Ukraine weiterhin stark herausgefordert. Der Bund hat die vorzeitige Zuweisung von Asylsuchenden an die Kantone beendet und wird die regulären Zuweisungen über die Feiertage reduzieren. Die genauen Modalitäten werden vom Sonderstab Asyl (SONAS) festgelegt.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-92377.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/sarah-langenauer-praesidentin-leaderinnen-ostschweiz?id=12307051
-> https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/keine-weiteren-fluechtlinge-ueber-die-festtage-fuer-die-ostschweiz-00201718/


Strategische Prozessführung zum Schutz von geflüchteten Menschen fördern
In der Schweiz kommt es immer wieder zu strukturellen Menschenrechtsverletzungen von Asylsuchenden und Migrant*innen. Um die Lücken im Schutz dieser Menschen aufzuzeigen und zu beseitigen, werden strategische Fälle bis an die internationalen Gerichte und UNO-Gremien getragen. Um das Instrument der strategischen Prozessführung zu fördern, baut humanrights.ch eine Koordinationsstelle im Bereich Asyl und Migration auf. UNHCR unterstützt das Projekt.
https://www.humanrights.ch/de/anlaufstelle-strategische-prozessfuehrung/news-strategische-prozessfuehrung-schutz-gefluechteten-menschen-foerdern


Bund verfügt über 3000 freie Plätze in seinen Asyl-Einrichtungen
Der Bund hat noch einige freie Plätze in den Asylanlagen. Noch immer bitten aber sehr viele Menschen in der Schweiz um Schutz.
https://www.nau.ch/news/schweiz/bund-verfugt-uber-3000-freie-platze-in-seinen-asyl-einrichtungen-66376203


+++GRIECHENLAND
Griechenlands Migrationspolitik: Strafverfahren gegen Helfer
Zwei prominente Flüchtlingshelfer sollen eine kriminelle Vereinigung gegründet haben. Die konservative Regierung hatte sie schon lange im Visier.
https://taz.de/Griechenlands-Migrationspolitik/!5904388/


+++ITALIEN
Flucht über das Mittelmeer: Weit entfernte Häfen für Retter
Die italienische Regierung hat Rettungsschiffen Häfen zugewiesen, zu denen sie lange unterwegs sind. Offenbar eine neue Taktik gegen private Seenotrettung.
https://taz.de/Flucht-ueber-das-Mittelmeer/!5904481/


+++FREIRÄUME
derbund.ch 22.12.2022

Unbewohnte Liegenschaften: Drei Geisterhäuser in der Stadt Bern

In Zeiten von Wohnungsknappheit sorgen leer stehende Häuser für Kritik. Die Stadt hat wenig Möglichkeiten, um die Geisterhäuser wiederzubeleben.

Jana Kehl

Eine attraktive Wohnlage, ein Balkon mit Blick aufs Grüne: Das Mehrfamilienhaus an der Berner Rodtmattstrasse könnte ein begehrtes Mietobjekt sein. Die vier Türschilder sind zwar beschriftet, aber bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das Haus nicht bewohnt ist. An einigen Stellen blättert die Farbe ab, im dunklen Treppenhaus stehen allerlei Gegenstände herum, wie alte Bilderrahmen.

Die Flyer, die der ehemalige Stadtrat Res Hofmann (SP) hier verteilen wollte, konnte er nicht einmal in die Briefkästen einwerfen. Diese waren bereits bis zur Einwurföffnung gefüllt. «Die Post häuft sich bei dieser Liegenschaft schon seit vielen Jahren», sagt er. Offensichtlich wohne hier niemand mehr, so Hofmann. Aber wieso steht das Haus leer?

Stadt ist an einem Kauf interessiert

Der Besitzer der Liegenschaft ist ein knapp 90-jähriger Mann aus dem Berner Oberland. Auf eine telefonische Anfrage hin will er allerdings keine Auskunft zum Wohnhaus und seinen Plänen damit geben.

Bereits im Oktober 2021 wurden die Immobilienverantwortlichen der Stadt Bern auf die Liegenschaft aufmerksam. «Wir haben den Besitzer schriftlich angefragt, ob für ihn ein Verkauf seiner Liegenschaft infrage käme», sagt Dagmar Boss, Leiterin des Abteilungsstabs von Immobilien Stadt Bern. Die Anfrage sei unbeantwortet geblieben.

«Wenn uns leer stehende Liegenschaften gemeldet werden, nehmen wir in der Regel Kontakt zu der Eigentümerschaft auf», so Boss. Ein Aufkauf liege im «Sinne der städtischen Wohnbaupolitik», die ein breites Wohnangebot fördern wolle.

Das Eigentumsrecht setzt die Grenzen

Auch Res Hofmann ist es wichtig, dass leer stehende Liegenschaften auch als Wohnraum genutzt werden: «Angesichts der Wohnungsknappheit finde ich es schade, wenn Gebäude an bester Lage nicht bewohnt sind», sagt er. Wie weit die Stadtverwaltung im konkreten Fall gehen könne, wisse er allerdings nicht.

Es sei bereits vorgekommen, dass die Stadt der Eigentümerschaft einen Besuch abgestattet habe, so Dagmar Boss. Allerdings basiere ein Verkauf auf Freiwilligkeit. Eine Enteignung ist kein Thema. «Diese Massnahme ist aus unserer Sicht in diesem Zusammenhang nicht verhältnismässig und wäre juristisch kaum durchsetzbar», sagt sie. Das private Eigentum geniesst in der Schweiz einen sehr hohen Schutz.

Um Leerstände zu verhindern, hat die Stadt die Koordinationsstelle «Zwischennutzung» geschaffen, an die sich auch private Hausbesitzerinnen und -besitzer wenden können. Derzeit laufen sechs Zwischennutzungsprojekte. Nicht immer kommt es aber bei Privateigentum zu einer solchen Übergangslösung.

Wenn der Leerstand in einer Hausbesetzung endet

Auch in der Nähe des Bitzius-Schulhauses gibt es ein leer stehendes Haus. Der Weg bis zur Tür der Villa: Der Weg bis zur Haustür führt durch einen kleinen Dschungel mitten im winterlichen Bern. Fenster und Türen sind mit Brettern verriegelt, Glasscheiben zersplittert. Aufgefallen ist das Haus, das bereits seit Jahren leer steht, nicht nur der Stadtverwaltung, sondern auch dem Kollektiv «Rosa Bonheur».

Das Kollektiv besetzte dieses im Oktober 2019. Das Haus ist in Privatbesitz, laut der damaligen Aussage der Polizei befanden sich auch persönliche Gegenstände darin. Aufgrund eines Strafantrags räumte die Polizei die Villa noch am gleichen Tag. Heute, drei Jahre nach der Besetzung, ist das Haus immer noch unbewohnt.

Die Hausbesetzung war zu jenem Zeitpunkt eine von vielen. «Wir wollen Räume der Begegnung und des Kennenlernens», schrieb das Kollektiv «Rosa Bonheur» in einer öffentlichen Mitteilung. «Räume, in denen die Logik des Geldes keine Rolle spielt, sondern der Mensch im Zentrum steht.»

Vielschichtige Gründe für einen Leerstand

Dem Hauseigentümerverband (HEV) missfällt es, wenn es zu Besetzungen kommt. «Unser Verband bezweckt den Schutz des Privateigentums, womit eine gewaltsame Inanspruchnahme durch Besetzerkollektive keine Zustimmung unsererseits findet», sagt Lukas Herren, Notar bei der Sektion Bern und Umgebung des HEV. Hingegen empfehle der Verband eine Zwischennutzung und verweise an die städtische Koordinationsstelle.

Gemäss Lukas Herren können die Geschichten, die hinter einem leer stehenden Haus stecken, von unterschiedlicher Natur sein: ein desolater Zustand des Gebäudes, Baupläne, Unstimmigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft oder andere unbekannte Hintergründe.

Der Leerstand der Villa an der Bitziusstrasse stehe in Verbindung mit gesundheitlichen Problemen, gab die Hausbesitzerin der Redaktion nach der Hausbesetzung bekannt. Die derzeitigen Umstände konnten nicht geklärt werden.

Im Juni dieses Jahres zählte die Stadt rund 447 leer stehende Wohnungen, von denen 23 über ein Jahr unbewohnt waren. Das Mehrfamilienhaus an der Rodtmattstrasse und die Villa an der Bitziusstrasse sind derzeit die einzigen privaten Liegenschaften, von denen die Stadt weiss, dass sie seit langem unbewohnt sind.

Auch der Bund besitzt ein Geisterhaus

Je länger ein Haus unbewohnt ist, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass es darin spukt. So scheint es jedenfalls im «Gespensterhaus» an der Junkerngasse 54 der Fall zu sein. Seit das mittelalterliche Gebäude im Jahr 1450 gebaut worden war, wohnte niemand je darin. Mit Gespenstern hat dies allerdings wenig zu tun. Das Spezielle an diesem leer stehenden Haus ist, dass es der Eidgenossenschaft gehört.

Laut Angaben des Bundesamts für Bauten und Logistik (BBL) weist das Haus eine Nettonutzfläche von rund 220 Quadratmetern verteilt über fünf Stockwerke auf. Es bestehe aber im Prinzip aus einem einzigen Raum, der in vergangenen Zeiten als unbeheiztes Lager und Unterstand für Kutschen genutzt worden war. Seit 1934 ist der Bund Eigentümer der Liegenschaft.

«Eine Umnutzung kam seither wegen Brandschutzauflagen, der schwierigen Lichtverhältnisse und der fehlenden Installationen nicht infrage», hält Mediensprecher Jonas Spirig fest. Zudem nutze der Bundesrat das Gebäude für repräsentative Zwecke, wie beispielsweise Ausstellungen.

Aus der Auskunft des Mediensprechers lässt sich jedoch schliessen, dass sich dies schon bald ändern könnte: «Es sind Studien in Arbeit, um eine nachhaltigere Nutzung im Rahmen der Baugesetzgebung ‹Untere Altstadt Berns› auszuloten», so Jonas Spirig. Genauere Aussagen könnten zurzeit keine gemacht werden. Zuerst müsse sich das Bundesamt mit allen beteiligten Parteien in Verbindung setzen.

Auch wenn diese drei Gebäude als Wohnraum genutzt würden, wäre die Wohnungsknappheit in der Stadt nur marginal gelindert. Diese drei Geschichten zeigen, dass es bei einem unbewohnten Haus lange dauern kann, bis wieder Leben einkehrt. Die Geister können somit noch eine gewisse Weile dort spuken.
(https://www.derbund.ch/drei-geisterhaeuser-in-der-stadt-bern-490447240983)


+++GASSE
Kein Geld für Geschenke: Lebensmittelhilfe statt Shoppingtour – Rundschau
In der Schweiz wird viel Geld für Weihnachtsgeschenke ausgegeben. Doch es gibt auch Familien, die kaum Geld für Geschenke haben. Höhere Heizkosten, Inflation und teurere Prämien belasten das Budget. Unterwegs in Luxusläden und dort, wo auch arme Familien Geschenke und Lebensmittel für ein Festessen erhalten.
https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/kein-geld-fuer-geschenke-lebensmittelhilfe-statt-shoppingtour?urn=urn:srf:video:0bea6196-fdab-46d4-a6b6-eb3944be568c


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Mahnwache gegen Iranisches Regime am Theater Basel
Mit einer Mahnwache protestiert eine Schauspielerin aus dem Iran zusammen mit Unterstützerinnen gegen das Regime im Iran. Die Mahnwache in der ehemaligen Billettkasse des Theaters soll 10 Tage lang dauern.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/mahnwache-gegen-iranisches-regime-am-theater-basel?id=12306478


Solibanner für Alfredo Cospito
Am Freitag, kurz vor 9 Uhr haben wir am Hauptbahnhof Bern ein Banner, in Solidarität mit Alfredo und Anna, gehängt. Auf dem Banner stand 41bis ist Folter, Gegen Knäste, für die Freiheit aller. Free Alfredo, Free Anna!
https://barrikade.info/article/5535


+++ANTI-WEF
Anti-WEF-Demonstrierende wehren sich gegen Auflagen der Behörden
Zum ersten Mal seit zwei Jahren findet das Weltwirtschaftsforum WEF wieder im Winter statt. Aus Protest wollen bis zu 300 Personen in einem Demonstrationszug während zwei Tagen durchs Prättigau nach Davos wandern. Sie wehren sich nun gegen Auflagen von Seiten der Behörden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/anti-wef-demonstrierende-wehren-sich-gegen-auflagen-der-behoerden?id=12306625


+++POLICE BE
Polizeigesetz: Gemeindeautonomie ist zu wahren
Der Kanton Bern hat eine Teilrevision des Polizeigesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Da im Grundsatz nichts an der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden ändert, kann der Gemeinderat den meisten vorgeschlagenen Änderungen zustimmen. Er begrüsst, dass im Bereich des Jugendschutzes eine Gesetzeslücke geschlossen werden soll. Bei den Änderungen betreffend Videoüberwachung sieht er aber die Gemeindeautonomie in Gefahr.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/polizeigesetz-gemeindeautonomie-ist-zu-wahren
-> https://www.derbund.ch/berner-stadtregierung-sieht-gemeindeautonomie-in-gefahr-408763297889
-> https://www.baerntoday.ch/bern/berner-gemeinderat-sieht-gemeindeautonomie-in-gefahr-149364958


++++POLIZEI SO
Bundesgericht hebt Solothurner Polizeigesetz zum Teil auf
Das Solothurner Stimmvolk hat 2020 ein neues Polizeigesetz angenommen. Nun sagt das Bundesgericht: Gewisse Bestimmungen aus diesem Gesetz verstossen gegen Bundesrecht und werden aufgehoben. So sei die automatische Nummernschilder-Fahndung so nicht rechtskonform. Die Regierung ist trotzdem zufrieden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/bundesgericht-hebt-solothurner-polizeigesetz-zum-teil-auf?id=12306925 (ab 11:14)
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittenes-polizeigesetz-bundesgericht-kassiert-teile-des-solothurner-polizeigesetzes
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/urteil-beschwerde-abgewiesen-das-solothurner-polizeigesetz-ist-in-allen-wesentlichen-punkten-rechtskonform-ld.2392273


Urteil vom 29. November 2022 (1C_39/2021)
Solothurner Gesetz über die Kantonspolizei: Automatisierte Fahr¬zeugfahndung erfordert Nachbesserungen
https://www.bger.ch/files/live/sites/bger/files/pdf/de/1c_0039_2021_yyyy_mm_dd_T_d_14_04_51.pdf


+++FRAUEN/QUEER
Debatte ums dritte Geschlecht – Ethikkommission: «Heutige Situation ist nicht länger tragbar»
Der Bundesrat will keine dritte Geschlechtsoption. Die Präsidentin der Nationalen Ethikkommission sieht Handlungsbedarf.
https://www.srf.ch/news/schweiz/debatte-ums-dritte-geschlecht-ethikkommission-heutige-situation-ist-nicht-laenger-tragbar
-> https://www.derbund.ch/arbeitsverweigerung-in-der-genderdiskussion-227424258897
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/899433476-bundesrats-aus-fuer-ein-drittes-geschlecht-so-reagiert-die-schweiz?utm_source=twitter&utm_medium=social-auto&utm_campaign=auto-share
-> https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2022-12-22 (ab 04:50)
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/operation-libero-startet-petition-gegen-mann-oder-frau-pflicht-149370908


Administratives Geschlecht – Wo «inter», «offen» oder «divers» im Ausweis stehen darf
Der Blick über die Schweizer Grenzen hinaus zeigt: Der Geschlechtseintrag treibt viele Länder um. Ein Überblick.
https://www.srf.ch/news/international/administratives-geschlecht-wo-inter-offen-oder-divers-im-ausweis-stehen-darf


+++RECHTSEXTREMISMUS
Aktion der Jungen Tat auf dem Fronwagplatz irritiert Schaffhauser Jungparteien
Die rechtsextreme Gruppierung «Die Junge Tat» schockiert mit einem neuen Video. Drehort ist der Fronwagplatz in Schaffhausen. Für die Jungparteien SVP und Grünen unverständliche Szenen, die sich auf dem Video bzw. in der Schaffhauser Altstadt abspielten. Die Schaffhauser Polizei weiss über den Vorfall Bescheid.
https://www.toponline.ch/news/schaffhausen/detail/news/aktion-der-jungen-tat-auf-dem-fronwagplatz-irritiert-schaffhauser-jungparteien-00201822/


Rechtsextreme Verschwörung: Die Reichsbürger und ihre unsichtbaren Freunde
Das Verschwörer-Netzwerk um Heinrich Prinz Reuß glaubte an Hilfe durch ausländische Mächte. Das ist so irre wie gefährlich.
https://www.zeit.de/2022/53/reichsbuerger-verschwoerung-rechtsextremismus-prinz-reuss



tagblatt.ch 22.12.2022

«Arische Kunst» im Palace-Gebäude – Mehrfache Rassendiskriminierung: Deutscher Künstler in St.Gallen für herabwürdigende Onlineposts verurteilt

Er war bis vor eineinhalb Jahren in einem von der Stadt St.Gallen vermieteten Atelier tätig und verbreitete im Internet hasserfülltes, antisemitisches und fremdenfeindliches Gedankengut. Nach einem Proteststurm warf die Stadt den 71-Jährigen aus dem Atelier. Jetzt hat die Justiz den Mann per Strafbefehl verurteilt.

Sandro Büchler

Er setze sich für schöne und erhabene Kunst ein, sagte der Maler und Bildhauer vor mehr als eineinhalb Jahren gegenüber dem «Tagblatt». Auch seien seine Aussagen im Internet aus dem Zusammenhang gerissen worden. Auf Facebook schrieb der heute 71-Jährige daraufhin, man wolle aus ihm einen «Rechten» machen und ihn wegen seiner vermeintlich «arischen Kunst» aus der Stadt St.Gallen verbannen.

Im März 2021 hatte das «Tagblatt» über den Deutschen berichtet. Zu dieser Zeit ist der Mann in einem von der Stadt vermieteten Atelier im Palace-Gebäude tätig. Nach aussen hin sei der 2002 in die Schweiz eingewanderte Deutsche freundlich, zuvorkommend, womöglich etwas verschroben, berichten andere Mieterinnen und Mieter des Hauses am Blumenbergplatz. Doch der Mann habe auch eine dunkle Seite.

Diese haben sie zufällig im Internet entdeckt. Der Künstler äusserte sich dort in der Vergangenheit wiederholt rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich – in mehreren öffentlich einsehbaren, mittlerweile gelöschten Beiträgen. Beispielsweise auf Facebook, wo die hasserfüllten Botschaften zwischen Bildern von Vernissagen und Blumenfotos erscheinen. Auch auf Telegram lässt der Mann seinem braunen Gedankengut freien Lauf. Er produziere «wahre arische Kunst», schrieb er im März 2016.

Stadtrat reagierte erst zögerlich

Die Mieterinnen und Mieter im Palace-Gebäude sind erschrocken – und reagieren. Elf Mietparteien, insgesamt 17 Personen, unterzeichnen vor zwei Jahren einen Brief, in dem sie die Stadt auffordern, den Mietvertrag mit dem Künstler sofort aufzulösen und rechtliche Schritte zu prüfen.

Doch der zuständige Stadtrat Markus Buschor zögert daraufhin. Nach einer Unterredung mit dem beschuldigten Künstler belässt er es bei einer Ermahnung. Das Mieterkollektiv ist empört und macht den Fall im März 2021 publik. Erst drei Monate und weitere ausfällige Kommentare später kündigt die Stadt das Mietverhältnis mit dem 71-Jährigen. Ausschlaggebend seien aber nicht die Äusserungen, sondern verletzte Mietersorgfaltspflichten gewesen, so der Stadtrat.

Von einer Strafanzeige will Baudirektor Buschor damals jedoch nichts wissen. «Ich sehe keinen Anlass dazu.» Eine juristische Beurteilung sei nicht Aufgabe des Stadtrats, sondern der Staatsanwaltschaft. Diese reagiert denn auch. «Aufgrund der Berichte wurde von Amtes wegen ein Verfahren eröffnet», sagt Beatrice Giger, Mediensprecherin der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen, im Juni 2021. Denn Verstösse gegen die Rassismusstrafnorm sind ein Offizialdelikt und werden in jedem Fall verfolgt. Auch das Mieterkollektiv geht zur Polizei und zeigt den Mann an.

Rassistische Äusserungen über einen Zeitraum von fünf Jahren dokumentiert

Eineinhalb Jahre nach dem Start des Verfahrens liegt nun das juristische Verdikt vor. Im Strafbefehl, den der deutsche Maler und Bildhauer Mitte Dezember per Post erhalten hat, listet die Staatsanwaltschaft auf zehn Seiten seine verbalen Entgleisungen auf. Es sind unappetitliche Sätze, die in keiner Weise «künstlerischer Schönheit» entsprechen.

Der 71-Jährige schreibt im Juni 2016 abschätzig über das Konterfei einer schwarzen Frau an der Fassade der Offenen Kirche am Unteren Graben, über «herumlungernde» Migranten und Geflüchtete. Der Beschuldigte habe gewisse Personengruppen «mehrfach bewusst und willentlich herabgesetzt» und die «Überlegenheit der weissen Rasse» betont und behauptet, schreibt die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl.

Auch leugnet und verharmlost der Deutsche den Holocaust mehrfach, beispielsweise als «durch und durch kitschigen, vierteiligen Hollywood-Spielfilm, gedreht von einem drittklassigen, miesen Regisseur». Dazu kommen zahlreiche antisemitische Bemerkungen und krude Gedanken zu «vergifteten Äpfeln», Illuminaten, Freimaurern und «satanischen Tricks der Regierenden». Er fabuliert über «Rotkäppchen und den bösen Wolf», neidige Königinnen, dunkle Mächte, den Vatikan und das «übermächtige» deutsche Volk. «Wir sind die einzigen, die nach dem Vorbild der Götter geschaffen wurden, ein Menschenexperiment unter vielen, die ‹in die Hose gegangen sind›.»

Online schreibt der Mann nicht mit seinem richtigen Namen, sondern jeweils mit Pseudonymen. Auch in einem Blog äussert er sich wiederholt und unverhohlen rassistisch – für jedermann einsehbar. Mittlerweile ist die Website auf privat gestellt worden. Die St.Galler Staatsanwaltschaft hat rassistische Äusserungen dokumentiert, die der Mann über einen Zeitraum von fünf Jahren gemacht hat.

Schlusspunkt sind zwei Beiträge im März 2021: Im einen bezeichnet er die Berichterstattung als «Pogrom» an ihm, weil er ein intellektueller Deutscher sei. Im zweiten Post leitet der 71-Jährige eine Nachricht des rechtsextremen Kochbuchautors Attila Hildmann in einem Telegram-Chat weiter. Der Berliner Hildmann wird wegen der Volksverhetzung per internationalem Haftbefehl von den deutschen Behörden gesucht – lebt aber aktuell unbehelligt in der Türkei.

Zu bedingter Geldstrafe verurteilt

Artikel 261 im Schweizer Strafgesetzbuch, der öffentliche Aufrufe zu rassistischem Hass und Diskriminierung seit 1995 in der Schweiz verbietet, sieht Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor. Der 71-jährige Künstler wird denn auch der mehrfachen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft verurteilt den Künstler zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 40 Franken. Der Vollzug der Geldstrafe wird allerdings aufgeschoben. Lässt sich der Mann innerhalb der Probezeit von zwei Jahren keine neuen Verfehlungen zuschulden, muss er die Geldstrafe nicht bezahlen.

Berappen muss der nicht vorbestrafte deutsche Staatsbürger jedoch die Verfahrenskosten. Die Gebühren und Polizeikosten belaufen sich auf insgesamt 846.80 Franken. Der Strafbefehl ist noch nicht rechtskräftig. Es gilt die Unschuldsvermutung.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/stadt-stgallen-mehrfache-rassendiskriminierung-deutscher-kuenstler-wird-fuer-herabwuerdigende-onlineposts-verurteilt-ld.2392097)


+++HISTORY
Medikamentenversuche in St. Galler Psychiatrien untersucht
Die Regierung des Kantons St. Gallen liess die Psychopharmaka-Versuche in psychiatrischen Kliniken bis 1980 untersuchen. Das Ergebnis: Eine systematische Abgabe von Medikamenten zu wissenschaftlichen Zwecken habe es in dieser Zeit nicht gegeben.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/medikamentenversuche-in-st-galler-psychiatrien-untersucht?id=12306466


Zürcher Parlament lehnt Umbenennung der Rudolf-Brun-Brücke ab
Mit der Umbenennung der Brücke wollte die AL an die Vernichtung der jüdischen Gemeinde Zürichs im Jahr 1349 erinnern. Die Forderung war im Gemeinderat jedoch chancenlos.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/judentum-zuercher-parlament-lehnt-umbenennung-der-rudolf-brun-bruecke-ab-ld.2392051



tagesanzeiger.ch 22.12.2022

Umstrittener Strassenname in Zürich: Die Rudolf-Brun-Brücke wird nicht zur Frau-Minne-Brücke

Der Zürcher Gemeinderat hat ein Postulat der AL abgelehnt, das ein Massaker an der jüdischen Minderheit im mittelalterlichen Zürich sichtbar machen wollte.

Martin Huber

Die Rudolf-Brun-Brücke über die Limmat und die Brunngasse im Niederdorf werden nicht in Frau-Minne-Brücke und in Moses-ben-Menachem-Gasse umbenannt. Der Zürcher Gemeinderat hat am Mittwochabend ein entsprechendes Postulat der Alternativen Liste mit 103 zu 9 Stimmen abgelehnt. Mit der Umbenennung wollte die AL die jüdische Gemeinschaft Zürichs ehren, die 1349 komplett ausgelöscht wurde.

Zürichs erster Bürgermeister und der Judenmord

Rudolf Brun amtete zwischen 1336 und 1360 als erster Bürgermeister der Stadt. In diese Zeit fällt eines der dunkelsten Kapitel der Zürcher Geschichte. Die Bürgerinnen und Bürger machten die jüdische Gemeinschaft für den Ausbruch der Pest verantwortlich und ermordeten am 24. Februar 1349 alle Angehörigen dieser Gemeinschaft.

Das Eigentum der Ermordeten ging entschädigungslos an die Obrigkeit, wie es im AL-Postulat heisst. So auch das Haus an der Froschaugasse 4, in dem die Synagoge untergebracht war. Dieses Haus hatte Frau Minne, einer jüdischen Geschäftsfrau und Stammesmutter, sowie ihrem Sohn Moses ben Menachem gehört, der Rabbiner und Gemeindevorsteher war. Ein Jahr nach dem Massaker übernahm Bürgermeister Rudolf Brun deren Haus zu einem symbolischen Preis.

Für die AL geht es nicht an, dass mit Brun jemand öffentlich geehrt wird, der «als Bürgermeister in verantwortungsvoller Position eine Mitverantwortung für eine der schrecklichsten Taten in der Stadtgeschichte trug», wie es im Vorstoss heisst. Die Rudolf-Brun-Brücke, die bis 1951 noch Urania-Brücke hiess, sollte deshalb den Namen der jüdischen Geschäftsfrau Minne erhalten.

Und die Brunngasse, wo Frau Minne und ihr Sohn bis zum Umzug an die Froschaugasse lebten, sollte nach Moses-ben-Menachem benannt werden. Die symbolische Umbenennung zweier Erinnerungsorte sei «eine geringe Anerkennung, die wir der jüdischen Gemeinschaft schulden», erklärten AL-Vertreter.

Zweifel an der Rolle Bruns

Die SVP lehnte den Vorstoss ab. Stefan Urech sprach von einem unseriösen Vorgehen. Der Vorwurf, Bürgermeister Rudolf Brun habe den Judenmord nicht nur geduldet, sondern sich später gar noch bereichert, sei historisch nicht belegt. Es gebe dafür Null Beweise, deshalb sei die Umbenennung der Brücke falsch.

Jehuda Spielman (FDP) bezeichnete das Postulat als «schöne Idee», aber es handle sich um reine Symbolpolitik. Brun sei eine wichtige Person in der Geschichte Zürichs gewesen, es sei nicht nachgewiesen, dass er wirklich am damaligen Massaker beteiligt war.

Vorschlag: Infos an der Brücke anbringen

Auch SP und Grünen gingen die Umbenennungen zu weit. Sie forderten stattdessen eine Kontextualisierung der damaligen Ereignisse. So sollten an der Rudolf-Brun-Brücke Schilder und QR-Codes mit weiterführenden Informationen zu Brun und dem Pogrom angebracht werden. Urs Riklin (Grüne) schlug eine entsprechende Textänderung im AL-Postulat vor, welche auch SP und FDP unterstützten.

Es sei richtig, das dunkle Kapitel des Umgangs mit der jüdischen Minderheit im mittelalterlichen Zürich sichtbarer zu machen, sagte SP-Sprecherin Maya Kägi Götz. Es brauche aber auch einen achtsamen Umgang mit der Vergangenheit. Strassennamen einfach zum Verschwinden zu bringen sei nicht angemessen, damit mache man es sich zu einfach.

Die AL war allerdings nicht bereit, den Kompromiss in Form der Textänderung zu akzeptieren und hielt an der ursprünglichen Fassung fest. Die Folge: Ihr Postulat blieb chancenlos.
(https://www.tagesanzeiger.ch/die-rudolf-brun-bruecke-wird-nicht-zur-frau-minne-bruecke-129686900828)



nzz.ch 22.12.2022

Ein Ende in Minne: Zürich will die Rudolf-Brun-Brücke nicht umbenennen – aber an ein Massaker an Juden erinnern

Wie eine verfahrene Debatte einen unwahrscheinlichen Kompromiss hervorbrachte.

Giorgio Scherrer

Eine Frau-Minne-Brücke gibt es in Zürich nicht – und es wird sie so bald auch nicht geben. An die jüdische Geschäftsfrau aus der mittelalterlichen Altstadt, ein Symbol für die lange jüdische Geschichte der Stadt, wird nicht mit einer Umbenennung erinnert. Das hat der Gemeinderat am Mittwoch entschieden.

Die Limmatbrücke zwischen Urania-Parkhaus und Zentralbibliothek wird weiterhin wie schon seit siebzig Jahren nach Rudolf Brun benannt sein. Jenem Zürcher Bürgermeister, in dessen Amtszeit das wohl grausamste Pogrom fällt, das in der Stadt an Juden begangen wurde.

Die Alternative Liste (AL) hatte eine Umbenennung gefordert – am Ende wurde sie überdeutlich mit 103 zu 9 Stimmen abgelehnt. Und doch war an dieser Debatte über historische Schuld und Aufarbeitung etwas anders als sonst. Vor allem dank den jüdischen Stimmen im Gemeinderat wurde aus einem potenziell fruchtlosen politischen Hickhack eine Chance für die städtische Erinnerungskultur.

Die Judenverbrennung von 1349

Um den Zürcher Brückenstreit zu verstehen, muss man ins Jahr 1349 zurückblicken. Die Pest wütet damals in Europa, Tausende sterben – und jüdische Mitmenschen werden vielerorts zum Sündenbock für die Katastrophe gemacht. Der damals ausgeprägte Antijudaismus führt dazu, dass Jüdinnen und Juden an den Rand der mittelalterlichen Gesellschaft gedrängt werden. Aus anderen Städten ist bekannt, dass die Obrigkeiten den Hass zum Teil gezielt schürten.

In Zürich soll sich gemäss der Stadtchronik Folgendes zugetragen haben: «Im Jahr 1349 nach Gottes Geburt, am Vorabend von Sankt-Matthias, verbrannte man die Juden, weil man sagte, sie hätten Gift in die Brunnen getan.»

Wen das «man» hinter der Judenverbrennung genau umfasst, bleibt unklar. Sicher ist: Auf einen Schlag wird ein Grossteil der jüdischen Gemeinschaft der Stadt ausgelöscht oder vertrieben.

Das zeigt sich auch im Nachgang des Vorfalls: Alle Schulden bei Juden werden von den Behörden für nichtig und sämtlicher jüdischer Besitz zum Eigentum der Stadtbürger erklärt. In der Kommission, die Letzteres beschliesst, sitzt auch Bürgermeister Rudolf Brun.

Dieser kauft 1350, also kurz nach dem Pogrom, zudem günstig eine Liegenschaft, die mutmasslich Juden gehört hat. Es soll sich um ein Haus an der Froschaugasse handeln – jener Gasse, in der die Geldverleiherin Frau Minne wohnte. Trotz dem Kauf bleibt Bruns genaue Rolle im Pogrom unklar: Hat er Hass geschürt und danach ein gutes Geschäft gemacht? Oder hat er das Ganze missbilligt und danach einen normalen Immobilienkauf getätigt?

Die Quellen lassen keine eindeutigen Schlüsse zu. Es ist wie so oft in der Geschichte: Wir wissen viel – aber nicht immer das, worauf wir heute am drängendsten Antworten suchen.

Klar ist: Brun war damals ein mächtiger Mann – ein regelrechter Stadt-Tyrann. Und verhindert hat er das Pogrom nicht. Es fand statt und kostete Dutzende von Zürcherinnen und Zürchern das Leben.

Klar ist allerdings auch: Hinter dem Massaker und der darauffolgenden Enteignung steckte nicht ein Einzelner, sondern eine ganze Gemeinschaft.

Der unwahrscheinliche Kompromiss

Wie soll Zürich heute mit diesem historischen Erbe umgehen?

Darum drehte sich die Debatte im Stadtparlament. Im Vorfeld war zu befürchten, dass Zürich dem in solchen Fragen mittlerweile bekannten Muster folgen würde: Die einen erklären eine längst verstorbene historische Figur zum Bösewicht – die anderen regen sich über angebliche Bilderstürmer und Cancel-Culture auf.

Doch es kam anders. Walter Angst (AL) betonte, es gehe seiner Partei nicht darum, Brun zu «verleugnen» oder seine Spuren in Zürich zu tilgen. Es gehe darum, «dass wir nochmals bekennen, dass Zürich auch eine jüdische Stadt ist und dass wir in Minne und Eintracht mit der jüdischen Community zusammenleben».

Diesem Bekenntnis – sowie der Notwendigkeit, an das Pogrom von 1349 zu erinnern – schlossen sich sämtliche Parteien an. Jehuda Spielman (FDP) meinte: «Es ist eine wunderschöne Idee und wäre ein schönes Symbol, mehr jüdische Namen in der Stadt zu sehen.»

Doch die Umbenennung der Rudolf-Brun-Brücke sei dazu der falsche Schritt. Deshalb hatte Spielman zusammen mit den Grünen einen Kompromiss formuliert, den im Grundsatz auch SP und GLP befürworteten. Statt der Namensänderung sollte die Brücke zum Erinnerungsort werden.

Bruns schillernde Rolle in der Stadtgeschichte solle dort ebenso thematisiert werden wie die Judenverbrennung – und zwar nicht mit einem «langweiligen Text», sondern «attraktiv und interaktiv». Die Namen von Frau Minne und ihrem Sohn, dem Rabbiner Moses ben Menachem, sollten derweil für künftige Benennungen vorgemerkt werden. Sie hätten einen weniger belasteten Ort verdient.

An das Unangenehme erinnern

Diesem geradezu salomonischen Kompromiss folgte eine Reihe differenzierter und überlegter Voten. Mit einer simplen Umbenennung mache man es sich zu einfach, hiess es etwa von der SP. Zürich solle sich lieber stärker mit der Geschichte seiner jüdischen Gemeinschaft auseinandersetzen. Und Ronny Siev (GLP) sagte: «Die Leute sollen die Geschichte kennen. Nur wenn wir uns an das Unangenehme erinnern, können wir die Zukunft richtig gestalten.»

Vollends erfolgreich war der Kompromiss am Ende nicht: Da die AL ihr Postulat nicht abändern wollte, blieb es formell bei einer reinen Ablehnung. Doch das Stadtparlament zeigte, dass es in grosser Mehrheit offen ist für eine stärkere Sichtbarmachung der jüdischen Geschichte – und für einen kritischen Blick auf Rudolf Brun, nach dem auch weiterhin eine der wichtigsten Brücken der Stadt benannt sein wird.

Gemeinderat Spielman, eine Stimme der jüdischen Gemeinschaft im Stadtparlament, zeigt sich auf Anfrage denn auch zufrieden mit dem Resultat. Die seit Jahren geführte Debatte über die Umbenennung der Rudolf-Brun-Brücke habe die Erinnerung an das Pogrom von 1349 wachgerüttelt. Nun sei es an der Stadt, auf der Brücke vertiefter daran zu erinnern.

«Diese Geschichte zeigt nämlich, dass Jüdinnen und Juden schon lange zu Zürich gehören», sagt Spielman. «Das herauszustreichen, ist auch heute wichtig für den Kampf gegen Judenhass.»

Bei der Stadt Zürich zeigt man sich nach der gestrigen Debatte offen für den Vorschlag aus dem Parlament. Man wolle eine Vor-Ort-Kontextualisierung der Rudolf-Brun-Brücke prüfen, heisst es auf Anfrage der NZZ. Der Stadtrat teile den Wunsch, die jüdische Geschichte der Stadt sichtbarer zu machen.
(https://www.nzz.ch/zuerich/rudolf-brun-statt-frau-minne-bruecke-in-zuerich-behaelt-namen-ld.1718316)