Medienspiegel 13. Dezember 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Junge Afghanen bringen Berner Asylwesen an den Anschlag
Es kommen immer mehr jugendliche Flüchtlinge ohne Eltern in die Schweiz. Vor allem junge Afghanen. Viele bräuchten psychologische Hilfe. Doch die Psychiatrien sind überlastet und die Jugendheime voll. Deshalb sucht der Kanton Bern nun Betreuungsplätze und spricht von einer ohnmächtigen Situation. (ab 04:56)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/junge-afghanen-bringen-berner-asylwesen-an-den-anschlag?id=12301651
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/jugendliche-fluechtlinge-berner-asylwesen-am-anschlag


+++AARGAU
Mäuse, Schimmel und Dreck in Kölliken AG: Diese Flüchtlings-Unterkunft stinkt zum Himmel
In dem alten Gebäude direkt hinter dem Bahnhof Kölliken AG muffelt es. Es gab einen Wasserrohrbruch. Die Bewohner, Flüchtlinge aus der Türkei und Afghanistan, müssen unfreiwillig die Räume mit Mäusen teilen. Sie rufen um Hilfe.
https://www.blick.ch/schweiz/mittelland/aargau/maeuse-schimmel-und-dreck-in-koelliken-ag-diese-fluechtlings-unterkunft-stinkt-zum-himmel-id18138695.html


+++BASELLAND
Baselbieter Anlaufstelle für Flüchtlinge
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/die-wuensche-der-baslerinnen-und-basler?id=12301117
-> https://www.heks.ch/medien/neue-koordinationsstelle-flucht-und-ankommen-kanton-basel-landschaft


+++GRAUBÜNDEN
Marcel Suter ist nicht mehr Amtsleiter
Das Amt für Migration und Zivilrecht soll neu positioniert werden. In diesem Zusammenhang ist Marcel Suter nach elf Jahren als Amtsleiter am 12. Dezember von seiner Funktion zurückgetreten.
https://www.suedostschweiz.ch/politik/neue-leitung-gesucht-marcel-suter-ist-nicht-mehr-amtsleiter


+++LUZERN
Der Kanton Luzern erweitert Ausbildungsmöglichkeiten für geflüchtete Jugendliche aus der Ukraine (ab 03:59)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/schwyzer-regierung-soll-steuerentlastung-pruefen?id=12301438


Chance für den Kanton Luzern – Lehre für Geflüchtete aus der Ukraine: SP macht Druck
Förderalismus pur: In Zürich kann eine Lehre machen, wer aus der Ukraine in die Schweiz geflohen ist – in Luzern geht das nicht. Das findet die SP ungerecht. Und eine dreifach verpasste Chance.
https://www.zentralplus.ch/politik/lehre-fuer-gefluechtete-aus-der-ukraine-sp-macht-druck-2502310/


+++ST. GALLEN
Bürgerliche sind «schockiert»: Ehemaliges Pflegezentrum Linthgebiet könnte langfristig eine Asylunterkunft bleiben
Seit Anfang Dezember wird das Pflegezentrum Linthgebiet (PLZ) in Uznach als kantonales Asylzentrum genutzt. Vereinbart wurde eine zweijährige Zwischennutzung. Nun möchte der Trägerverein für Integrationsprojekte St.Gallen (TISG) das PLZ aber abkaufen und dauerhaft ein Asylheim einrichten. Das stösst auf Kritik.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/asylwesen-buergerliche-sind-schockiert-ehemaliges-pflegezentrum-linthgebiet-koennte-langfristig-ein-asylunterkunft-bleiben-ld.2387137


+++SCHWEIZ
Abschiebungen nach Sri Lanka stoppen
Letzte Woche wurden Geflüchtete per Flugzeug aus der Schweiz nach Sri Lanka abgeschoben. Verschiedene Organisationen, beispielsweise das Migrant Solidarity Network und die Schweizerische Flüchtlingshilfe kritisieren die Schweiz für dieses Vorgehen scharf, denn Zurückgekehrte erleben oft Folter und Misshandlung.
https://rabe.ch/2022/12/13/abschiebungen-nach-sri-lanka-stoppen/


Das Experiment mit den Gastfamilien
Mit dem Russland-Ukraine-Krieg wurde in der Schweiz die private Unter¬bringung von Geflüchteten auf einen Schlag populär. Was dieses Modell kann – und was nicht.
https://www.republik.ch/2022/12/13/das-experiment-mit-den-gastfamilien


Brutale Repression in Iran: Hinschauen und Schutz gewähren
Die landesweiten Proteste in Iran nach der mutmasslichen Tötung einer jungen Frau wegen Verstosses gegen die Kleidervorschriften halten mittlerweile seit fast drei Monaten an. Die Sicherheitskräfte reagieren mit brutaler Gewalt, die fassungslos macht. Statt Weg- ist aber Hinschauen gefragt. Und geflüchteten iranischen Demonstrierenden ist in der Schweiz Asyl zu gewähren.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/standpunkt/brutale-repression-in-iran-hinschauen-und-schutz-gewaehren?_ga=2.3631600.198040294.1670942998-336379557.1670942998


Die Schweiz und Deutschland gehen gemeinsam gegen irreguläre Migration vor
Nach dem bilateralen Aktionsplan mit Österreich, verstärken auch Deutschland und die Schweiz ihre Zusammenarbeit in der Bekämpfung der irregulären Migration. Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser haben am 13. Dezember in Berlin einen entsprechenden Aktionsplan vereinbart. Beide Länder wollen die Schleuserkriminalität grenzüberschreitend bekämpfen und Rückführungen konsequent durchführen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-92189.html



nzz.ch 13.12.2022

Deutschland und die Schweiz wollen irreguläre Migration gemeinsam unterbinden

Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die deutsche Innenministerin Nancy Faeser haben einen Aktionsplan beschlossen. Damit soll die illegale Einwanderung in den Schengenraum gestoppt werden.

Fatina Keilani, Berlin Aktualisiert

Mehr als 17 000 Migranten sind seit Anfang Jahr illegal in die Ostschweiz eingereist. Sie nutzen die Reisefreiheit im Schengenraum aus und wollen weiter in andere Länder. Nachdem die Kritik an der Schweiz von deutscher Seite immer lauter geworden war, haben sich die beiden Länder nun zusammengetan und einen Aktionsplan verabschiedet, um die irreguläre Migration zu bekämpfen. Zu diesem Zweck besuchte Karin Keller-Sutter, die Noch-Vorsteherin des Justizdepartements, am Dienstag die deutsche Innenministerin Nancy Faeser in Berlin. Beide Länder wollen gegen die Schleuserkriminalität grenzüberschreitend vorgehen und Rückführungen konsequent durchführen.

Allein im Oktober habe es fast 7900 rechtswidrige Aufenthalte in der Schweiz gegeben, sagte Keller-Sutter. Die Zahl der Asylgesuche sei im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent gestiegen. Seit dem Ende der Pandemie habe die Mobilität wieder deutlich zugenommen, die verschiedenen Fluchtrouten würden wieder benutzt. Ein grosser Teil der Asylantragsteller sei nicht schutzbedürftig. Für sie sei die Schweiz nicht attraktiv, da das Land sie schnell ablehne und ausschaffe, damit sie nicht das Asylsystem überlasteten.

Wer nach Deutschland kommt, bleibt in der Regel

In Deutschland sieht das anders aus. Die Rückführungsquote ist in der Schweiz viel höher als in Deutschland, unter anderem weil das Land mit mehr Staaten entsprechende Abkommen geschlossen hat. Die Schweiz hat auch während der Corona-Pandemie durchgehend rückgeführt, anders als viele andere Nationen. Deutschland ist laut Faeser nun dabei, ebenfalls solche Abkommen zu schliessen. Derzeit ist es aber so, dass jemand, der Deutschland erst einmal erreicht hat, mit hoher Wahrscheinlichkeit faktisch da bleibt, auch wenn sein Gesuch abgelehnt wurde. Darauf setzen viele.

«Es ist wichtig, dass jedes Land seine Hausaufgaben macht. Aber alleine kann die irreguläre Migration nicht wirksam bekämpft werden, es braucht internationale Koordination und die Absprache unter Nachbarn», sagte Keller-Sutter. Deshalb habe man sich zu diesem Aktionsplan entschlossen. Eigentlich brauche es jedoch mehr: ein einheitliches europäisches Vorgehen. Bisher hätten einzelne Länder mit einzelnen anderen Ländern Rückführungsabkommen unterzeichnet. Einige Länder könnten zum Beispiel gut nach Marokko rückführen, andere gerade nicht: «Wenn man Rückübernahmeabkommen im ganzen Schengenraum abschliessen könnte, hätte man einen viel wirksameren Hebel», sagte Keller-Sutter.

Die deutsche Innenministerin Faeser ergänzte, man wolle zwar zwischen Deutschland und der Schweiz offene Grenzen für die Bürger und den Wirtschaftsverkehr, die Migrationsbewegungen möchte man aber unter Kontrolle bekommen. «Dabei wollen wir schwerwiegende Massnahmen wie die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen vermeiden», sagte Faeser. «Mit unserem gemeinsamen Aktionsplan treffen wir deshalb Massnahmen, mit denen wir insbesondere die Registrierung und Rückführung voranbringen.»

Die Migranten kommen oftmals aus Österreich und sind damit bereits im Schengenraum. An sich müsste die Schweiz sie nach Österreich zurücksenden, so wie im Dublin-Abkommen vorgesehen – allerdings erst dann, wenn ein Asylantrag gestellt wird. Dies passiert jedoch nicht, da die meisten Ankömmlinge nicht in der Schweiz bleiben wollen, sondern rasch weiterreisen. Eingereist sind die Migranten vielfach visafrei über Serbien. «Wir erlauben formell die Weiterreise», sagte Florian Schneider von der Kantonspolizei St. Gallen der «NZZ am Sonntag» Ende Oktober.

Diese Politik verärgerte Deutschland. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge warf der Schweiz sogar vor, nicht im Sinne des Dubliner Abkommens zu handeln. Aus der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag kam ebenfalls Kritik: Die Schweiz ermögliche mit ihrem Durchwinken illegale Einreisen nach Deutschland und erfülle ihre Pflichten als Mitglied des Schengenraums nicht.

Die Kritik ist wohl auch deshalb so scharf im Ton, weil die Dimension des Problems immer grösser geworden ist. Über die Westbalkan-Route und über die zentrale Mittelmeer-Route sind in den letzten Monaten Tausende Migranten in die Schweiz und nach Deutschland gelangt. Viele dieser Personen reisen dabei durch andere Schengenstaaten oder haben bereits anderswo ein Asylgesuch gestellt.
(https://www.nzz.ch/schweiz/deutschland-und-schweiz-wollen-irregulaere-migration-unterbinden-ld.1716828)


+++ÖSTERREICH
30 Beamte sollen Migranten Weg nach Österreich versperren
Innenminister Karner will mit der “Operation Fox” auf die “Asylbremse” steigen – und die Zahl der Aufgriffe in Österreich reduzieren
https://www.derstandard.at/story/2000141759415/30-beamte-sollen-migranten-weg-nach-oesterreich-versperren?ref=rss


+++OSTEUROPA
Zwischen Abwehr und Aufnahme: Geflüchtete an der polnisch-belarussischen Grenze
Vor einem Jahr versuchten Tausende über Belarus nach Polen zu gelangen. Polens Regierung reagierte mit Militär und einem Grenzzaun. Trotzdem werden pro Monat noch immer etwa 1.000 Versuche registriert, die Grenze zu überwinden.
https://www.deutschlandfunk.de/hintergrund-gefluechtete-an-der-polnisch-belarussischen-grenze-100.html


+++KALININGRAD
Mit russischen Visa in die EU
Die russische Exklave Kaliningrad ist Ort einer neuen Fluchtroute, seit Russland sie für ausländische Airlines geöffnet hat. SWR-Recherchen zeigen, dass mehr Menschen aus dem Nahen Osten versuchen, über Kaliningrad in die EU zu fliehen.
https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/fluchtrouten-russland-kaliningrad-eu-101.html
-> https://www.youtube.com/watch?v=aI-ENfpqW1o


+++SPANIEN
Behörden leugnen Verantwortung für blutige Tragödie in Melilla
Auch sechs Monate nach der Tragödie an der Grenze der spanischen Exklave Melilla kommen die Ermittlungen nicht in Gang. Im Juni dieses Jahres waren dort mindestens 37 Migrant*innen getötet worden, 77 weitere gelten nach wie vor als vermisst. Das klägliche Versagen der spanischen und marokkanischen Behörden riecht nach Vertuschung. Zu diesem Schluss kommt Amnesty International in einem neuen Bericht.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/spanien/dok/2022/behoerden-leugnen-verantwortung-fuer-blutige-tragoedie-in-melilla


+++GASSE
Kalte Nächte in Bern: Minustemperaturen sind für Obdachlose lebensbedrohlich
Vor einigen Tagen waren die bisher kältesten Nächte des Jahres, die Temperaturen sanken in den zweistelligen Minusbereich. Für Obdachlose ohne Notlösung kann eine Nacht im Freien deshalb lebensbedrohlich werden.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/minustemperaturen-sind-fuer-obdachlose-lebensbedrohlich-149206138


Viele Obdachlose schlafen trotz klirrender Kälte draussen
Arktische Polarluft beschert der Schweiz die kältesten Nächte des Jahres. Doch sogar bei diesen Temperaturen schlafen Randständige noch unter freiem Himmel.
https://www.nau.ch/news/schweiz/viele-obdachlose-schlafen-trotz-klirrender-kalte-draussen-66365364


+++KNAST
Über 50 Todesfälle im Freiheitsentzug seit 2018
Am 10. Dezember 2022, dem internationalen Menschenrechtstag, kamen auf dem Berner Waisenhausplatz Menschen zusammen, um sich an Kilian zu erinnern. Kilian starb 2018 in der Polizeiwache nebenan mit nur 20 Jahren. Weitere 50 Kerzen wurden angezündet; eine für jede Person, die seit 2018 in Freiheitsentzug in der Schweiz gestorben ist. Die Versammelten fragen sich: Warum werden keine unabhängigen Untersuchungen eingeleitet? Wie wird die Hafterstehungsfähigkeit von verhafteten Personen geprüft?
https://www.humanrights.ch/de/fachstellen/fachstelle-freiheitsentzug/50-todesfaelle-freiheitsentzug-2018


+++REPRESSION DE
Hausdurchsuchungen an elf Orten: Razzia gegen Klimaaktivisten der »Letzten Generation«
Seit dem Morgen durchsucht die Polizei Wohnungen von Mitgliedern der »Letzten Generation«. Nach SPIEGEL-Informationen wirft die Staatsanwaltschaft den Aktivisten die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor.
https://www.spiegel.de/panorama/letzte-generation-razzia-gegen-klima-aktivisten-a-983e759f-34c0-43d1-be18-1746e47f777a
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-12/letzte-generation-ermittlungen
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/letzte-generation-durchsuchungen-in-mehreren-bundeslaendern,TPtUFCx
-> https://taz.de/Ermittlungen-gegen-die-Letzte-Generation/!5902589/
-> https://www.rnd.de/politik/razzia-bei-letzter-generation-polizei-durchsucht-elf-wohnungen-von-klimaaktivisten-S4RDIMMNPVE4BA5VFV5EA4UONQ.html
-> https://twitter.com/AimeevanBaalen/status/1602608671724273666
-> https://taz.de/Vorwurf-kriminelle-Vereinigung/!5902573/
-> https://taz.de/Razzien-bei-der-Letzten-Generation/!5899043/
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169319.letzte-generation-erfolgreiche-stimmungsmache.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169314.klimaproteste-denkt-ihr-ernsthaft-dass-wir-aufhoeren.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/440859.repression-gegen-klebeaktivisten-razzia-gegen-klimasch%C3%BCtzer.html
-> https://www.derbund.ch/razzien-bei-aktivisten-der-letzten-generation-765285468875


+++RECHTSEXTREMISMUS
Sondersitzung nach Razzia: Reichsbürger-Gruppierung hatte offenbar zahlreiche Mitwisser
Bei den bundesweiten Razzien wurden Erklärungen entdeckt, die auf eine dreistellige Zahl von Mitwissern hindeuten. Die Gruppe plante “Heimatschutzkompanien”.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-12/reichsbuerger-razzia-mitwisser-innenausschuss-sitzung
-> https://www.spiegel.de/politik/deutschland/reichsbuerger-razzia-wehrbeauftragte-verlangt-hartes-durchgreifen-gegen-rechtsextreme-in-der-bundeswehr-a-fefa91a4-7dda-44b7-8f85-4c7f6276b023
-> https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/reichsbuerger-nrw-110.html
-> https://www.deutschlandfunk.de/mehr-als-90-waffen-bei-reichsbuerger-razzien-beschlagnahmt-100.html
-> https://www.tagesschau.de/inland/reichsbuerger-razzia-forderungen-103.html
-> https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100096466/-reichsbuerger-razzia-ermittlungspanne-warnte-verdaechtige-vor.html


Reichsbürger gibt es auch in der Region Basel
In Deutschland haben Spezialeinheiten der Polizei Anfang Dezember 25 Personen verhaftet wegen Terrorismusverdacht. Sie gehören der Reichsbürgerszene an. Auch in der Region stellen die Behörden fest, dass es Vertreter aus dieser Szene gibt. Eine Rolle spielt die Grenznähe.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/reichsbuerger-gibt-es-auch-in-der-region-basel?id=12301429
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/immer-haeufiger-ist-das-messer-im-spiel?id=12301573 (ab 08:17)



nzz.ch 13.12.2022

Was wollen die Reichsbürger? Für ihre alternativen Ordnungen haben sie äusserst heterogene Utopien

Von Antisemitismus über Esoterik bis zu völkischer Kapitalismuskritik: In der Szene der Reichsbürger vermischen sich verschiedene Strömungen. Mit ihrer Ablehnung staatlicher Strukturen sind sie aber zuvorderst Libertäre.

Andrea Kretschmann

Als zwangsbewehrte politische Ordnung verwehrt sich auch der demokratisch verfasste Staat gegen allzu unterschiedliche Staatsauffassungen – immer dann nämlich, wenn diese an den Grundfesten seiner Ordnung rütteln. Ebendies ist letzten Mittwoch geschehen, als, um einen mutmasslich geplanten Staatsstreich zu verhindern, eine der bisher grössten Razzien in der Reichsbürgerszene durchgeführt wurde.

Soweit sie uns bekannt sind, wären die Pläne der jetzt Beschuldigten nur konsequent, denn es gehört zur Programmatik der Reichsbürger, die offizielle Verfassungsordnung infrage zu stellen, indem sie «Gegengründungen» vornehmen. So reichen ihre Aktivitäten über das Verfassen von Eingaben an die staatlichen Behörden und das Verweigern ihrer Staatsbürgerpflichten weit hinaus. Reichsbürger gründen ihre eigenen Gemeinwesen, indem sie ihre Besitztümer – ob den Schrebergarten, die Wohnung oder das Landgut – als «andere Ordnung» mit eigenen Grenzen ausweisen. Teilweise geben Reichsbürger sich eine eigene Administration und fertigen eigene offizielle Dokumente an.

Dabei weisen sie, wie der Soziologe Heinz Steinert dies einmal formuliert hat, eine «juridizentrische Weltsicht» auf: Dem Recht kommt eine zentrale Rolle zu. Manchmal schreiben sich Reichsbürger eigene Verfassungen, und mitunter werden sogar eigene Gerichte ausgerufen. In Österreich ging eine Gruppierung sogar so weit, eine offizielle Behördenvertreterin und weitere Personen selbstermächtigend «verurteilen» zu wollen. Folgt man einmal dieser Logik, so war es womöglich ein aus Reichsbürgersicht «unautorisierter Grenzübertritt», der im Jahr 2016 zur Erschiessung eines Polizisten im mittelfränkischen Georgensgmünd durch einen Reichsbürger führte, als der Polizist dessen unerlaubten Waffenbesitz zu ahnden versuchte.

Keine kohärenten Visionen

Dabei sind es äusserst unklar konturierte und äusserst heterogene Utopien, die die Reichsbürger für ihre alternativen Ordnungen im Blick haben. Reichsbürger betrachten die BRD als illegitim oder bestreiten deren Eigenstaatlichkeit. Geltendes Recht und Staatlichkeit werden von ihnen teilweise als eine Art Vertrag interpretiert, aus dem sich beliebig austreten liesse. Zugleich wird die fortdauernde Existenz des Deutschen Reiches unterstellt.

Kern der Argumentation ist die Behauptung, das Deutsche Kaiserreich bestehe fort, da es weder durch die Kapitulation der Wehrmacht noch durch die Gründung der BRD oder durch die Deutsche Einheit 1990 untergegangen sei. Dabei wird mit juristischen Versatzstücken gearbeitet und sich auf vermeintliche oder tatsächliche Inkonsistenzen und Formfehler des geltenden Rechts berufen, wobei laienhafte oder willkürliche, oft einfach wörtliche Rechtsauslegungen vorgenommen werden.

Kohärente Visionen für eine politische Ordnung ergeben sich daraus zumeist nicht, auch wenn – wie im aktuellen Fall – gelegentlich monarchistische Töne anklingen. Oft fügen Reichsbürger völlig inkommensurable Versatzstücke unterschiedlicher Ideologeme zusammen.

Deutlich sind Schnittmengen und Nahverhältnisse zum Antisemitismus und Rechtsextremismus, zur Esoterik, zu völkischer Kapitalismuskritik und zum Aussteigertum gegeben. Die Szene weist grundsätzlich eine antipluralistische, antidemokratische und autoritaristische Grundhaltung auf und ist in diesem Sinne eine typische Vertreterin des «libertären Autoritarismus», wie Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ihn jüngst in einem Buch definiert haben. Zudem sind in den letzten Jahren die Grenzen zwischen Szenen der Reichsbürger und der Corona-Leugner fluide geworden.

Von passiver zu aktiver Emigration

Nun ist der individuelle Austritt aus einer staatlichen Gemeinschaft – so man nicht beabsichtigt, das Staatsterritorium auch zu verlassen, und über keine weitere (anerkannte) Staatsbürgerschaft verfügt – gar nicht so einfach. Die Paradoxien eines privatistischen Sezessionismus zeigen die permanenten Konflikte der Reichsbürger mit der geltenden Rechtsordnung: Längst hat sich die Programmatik des Rechtsphilosophen und Strafrechtsreformers Cesare Beccaria aus dem 18. Jahrhundert durchgesetzt, dass das Recht dem Individuum folgen solle wie der Schatten dem Körper; rechtsfreie Räume sind im konsolidierten Nationalstaat endgültig passé.

Die Gegengründungen der Reichsbürger blieben daher bislang auch stark begrenzt. Diese waren in vielfacher Hinsicht nur symbolischer Natur: Sie kamen als Grenzmarkierungen, als Flaggen, als alternative Ausweisdokumente daher, über die Identifikationsangebote demonstrativ zur Schau gestellt wurden und sich neue Zugehörigkeitsbekenntnisse den Glanz der Förmlichkeit gaben. Doch die Emigration blieb weitgehend eine passive. Konflikte mit den Behörden bezogen sich vorrangig auf das Moment der Verweigerung.

Umfassender und ohne andauernde Sanktionierung durch staatliche Organe lässt sich operieren, wenn man diese Organe gleich ganz beseitigt und das Territorium der BRD für sich beansprucht, wie es wohl das Bestreben von Heinrich Reuss und seinen Mitstreitern war: ihrem geplanten Gemeinwesen Allgemeinverbindlichkeit zukommen zu lassen.

Tatsächlich mag es nicht immer leichtfallen, sich als Teil einer Gemeinschaft zu verstehen in einer Zeit, in der nicht nur multiple Krisen die gesellschaftliche Komplexität erhöhen und den Individuen ein jeweils gesteigertes Mass an Orientierung und flexibler Anpassung abverlangen, sondern in der diese Gemeinschaft auch die Anforderungen an die eigene Selbstverantwortung zusehends höher hält und entsprechend die gesellschaftliche Solidarität schwindet.

Vielleicht ist auch der vordergründig skurrile Wunsch nach Emigration in einer US-amerikanischen freeman-Tradition, der eine autarke monadische Souveränität als Ideal galt, in einer individualisierten, vorrangig nach ökonomischen Rationalitäten strukturierten Gesellschaft, nicht nur unverständlich, sondern eine subjektiv radikalisierte Pointe. Statt die beschriebenen gesellschaftlichen Entwicklungen passiv zu verfolgen, entzieht man sich dieser Gesellschaft umso aktiver.

Prominente Vorbilder in den USA

Der bisher letzte Umsturzversuch der deutschen Geschichte war der 20. Juli 1944, eine Verschwörung gegen ein Terrorregime durch moralische Staatsanhänger. Die BRD als tiefenziviler und demokratisch veränderbarer Staat ist damit nicht vergleichbar, putschender Widerstand in dieser Hinsicht also weder plausibel noch legal oder legitim. Reichsbürger, auch wenn sie gelegentlich Monarchen sein wollen, sind in ihrer Ablehnung der staatlichen Strukturen zuvorderst Libertäre.

Als solche haben sie derzeit weltweit prominente – und ähnlich militant agierende – Vorbilder, allen voran in den USA. Reichsbürgerschaft soll zur Souveränität führen, verstanden als Freiheit im Sinne der Befreiung – in einer Variante der Reichsbürgerschaft – aus der «Versklavung» durch eine «Deutschland GmbH». Dafür agiert die Szene nicht zum ersten Mal militant, wie die früher geplante Entführung von Gesundheitsminister Lauterbach zeigt.

Damit ist eine Grenze überschritten, die der Verfassungsschutz und aufmerksame Beobachterinnen und Beobachter aus der Zivilgesellschaft schon lange vorausgeahnt hatten. Eine Gruppe von Reichsbürgern kehrt den Eskapismus um. Es scheint ihnen nicht mehr auszureichen, die eigene Mitgliedschaft zu verneinen, ausziehen soll der Staat selbst, um einer anderen politischen Ordnung Platz zu machen. Die Reichsbürger haben sich so seit Mitte der 1980er Jahre aus einem versprengten Häufchen zu einer Szene gewandelt, die sicherheitspolitisch ernst zu nehmen ist. Dies umso mehr, weil wenigstens ehemalige Mitglieder aus den Sicherheitsbehörden ebenfalls mitmischen. Der Verfassungsschutz rechnet den Reichsbürgern derzeit 21 000 Personen zu, wobei in den letzten vier Jahren jährlich um die 1000 Personen hinzugekommen sind.

Im Gegensatz zum Linksterrorismus der 1970er Jahre, auf den angesichts des geplanten Coups dieser Tage manchmal verwiesen wird, streben die Reichsbürger eine Rückkehr zu alten politischen Verfasstheiten an – keine Radikalisierung demokratischer Strukturen ist hier angedacht, sondern das Gegenteil dessen. Eher als in den Kontext des Linksterrorismus muss man die jüngst vereitelten Planungen daher in der langen Tradition des Rechtsterrorismus sehen.

Andrea Kretschmann ist Professorin für Kultursoziologie an der Leuphana-Universität Lüneburg und assoziierte Forscherin am Centre Marc Bloch in Berlin.
(https://www.nzz.ch/feuilleton/die-ideologien-der-reichsbuerger-was-wollen-sie-ld.1716593)



HipHop Rechtsaußen: Ein neuer Versuch
Die rechten Rapper*innen vom Label „Neuer Deutscher Standard“ versuchen, aus der musikalischen Bedeutungslosigkeit zu entfliehen. In den neuen Singles wird ihre Gesinnung und ihre Vernetzung in der rechtsextremen Szene mehr als deutlich.
https://www.belltower.news/hiphop-rechtsaussen-ein-neuer-versuch-144227/