Medienspiegel 5. Dezember 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++ZÜRICH
Ukrainische Psychologinnen und Psychologen helfen Landsleuten
Viele Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, leiden an psychischen Problemen. Sie benötigen professionelle Hilfe. Im Kanton Zürich versuchen ukrainische Psychologinnen und Psychologen deshalb vermehrt, ihren Landsleuten zu helfen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/ukrainische-psychologinnen-und-psychologen-helfen-landsleuten?id=12297340


+++SCHWEIZ
Claudio Martelli ist neuer stellvertretender Direktor des Staatssekretariats für Migration
Claudio Martelli ist per 1. Dezember 2022 zum neuen stellvertretenden Direktor des Staatssekretariats für Migration (SEM) ernannt worden. Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), hat am 2. Dezember 2022 den Bundesrat darüber informiert.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-92066.html


+++BALKANROUTE
Schuss auf Flüchtling an der EU-Außengrenze
In diesem Jahr kommen wieder mehr Flüchtlinge nach Europa. Doch wie es an den EU-Außengrenzen zugeht, weiß niemand so genau: Sperrgebiet. Ein Video von der türkisch-bulgarischen Grenze wirft nun brisante Fragen auf: Ein Mann wurde angeschossen.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/schuss-an-der-eu-aussengrenze-auf-fluechtling,TP9btKc
-> https://www.tagesschau.de/investigativ/pushbacks-bulgarisch-tuerkische-grenze-101.html


+++MITTELMEER
Zivile Organisationen retten mehr als 250 Migranten im Mittelmeer
Mit seeuntüchtigen Schlauchbooten machen sich Hunderte Geflüchtete auf den Weg über das Mittelmeer. Dort werden knapp 270 Menschen von Hilfsorganisationen gerettet.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-12/mittelmeer-gefluechtete-sos-humanity-aerzte-ohne-grenzen


+++FREIRÄUME
Queere und Transpersonen besetzten Haus
Eine «wilde Horde von Queers und Transpersonen» besetzte an der Gärtnerstrasse in Basel ein Haus. Sie seien überdurchschnittlich von Armut betroffen.
https://telebasel.ch/2022/12/05/queere-und-trans-personen-besetzten-haus
-> Medienmitteilung Besetzung: https://barrikade.info/article/5499


+++GASSE
Kontroverse um Notschlafstelle «Pluto» in Stadt Bern – Rendez-vous
Um eine Notschlafstelle für junge Menschen in der Stadt Bern ist eine Kontroverse entbrannt. Es handelt sich um ein privat finanziertes Angebot, um eine Notschlafstelle, in der Jugendliche gratis essen und übernachten können. Minderjährige kamen aber fast keine. Am häufigsten nutzten junge, erwachsene Männer das Angebot von «Pluto».
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/kontroverse-um-notschlafstelle-pluto-in-stadt-bern?partId=12297559


Freiwilligenarbeit im Verein Sleeper: «Wir sind mit dem Herzen dabei»
Am Montag ist der Internationale Tag der Freiwilligen. Ohne Freiwilligenarbeit geht in vielen Vereinen nichts. Einer davon ist der Verein Sleeper, Betreiber einer Notfallstelle, Gassenküche und der «Dead End»-Bar.
https://www.baerntoday.ch/bern/freiwilligenarbeit-im-verein-sleeper-wir-sind-mit-dem-herzen-dabei-149069625


+++KNAST
Ein Verletzter nach Brand in Untersuchungsgefängnis
In der Haftanstalt ist am Montagabend in einer Zelle aus noch unbekannten Gründen ein Feuer ausgebrochen. Die restlichen Insassen wurden während dem Feuerwehreinsatz in einen anderen Trakt verlegt.
https://www.20min.ch/story/ein-verletzter-nach-brand-in-untersuchungsgefaengnis-943862045599
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/olten/feuerwehr-vor-ort-rauch-aus-gefaengniszellen-im-oltner-untersuchungsgefaengnis-ld.2383614


+++POLIZEI AG
«Gewalt und Drohungen auf Rekordhoch»: Jetzt legen Grossrätinnen schützend die Hand über Polizeikräfte
Ein Postulat von SVP-Grossrätin Barbara Borer-Mathys und FDP-Grossrätin Karin Faes fordert Massnahmen gegen die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte. Der Beruf soll so wieder attraktiver werden.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/postulat-gewalt-und-drohungen-auf-rekordhoch-jetzt-legen-grossraetinnen-schuetzend-die-hand-ueber-polizeikraefte-ld.2381921


+++POLIZEI LU
Bilder seien «leider auch Realität»: Luzerner Polizei wirbt mit actiongeladenem Video
Die Luzerner Polizei wirbt auf Facebook mit einem actiongeladenen Werbevideo. Erst kürzlich hat eine Werbekampagne der Polizei Kritik von linker Seite eingebracht.
https://www.zentralplus.ch/polizei/luzerner-polizei-wirbt-mit-actiongeladenem-video-2499844/



luzernerzeitung.ch 05.12.2022

«Leider die Realität»: Luzerner Polizei setzt erneut auf Action und enttäuscht damit die SP

Ende Oktober war die Luzerner Polizei wegen ihrer actiongeladenen Rekrutierungskampagne in Kritik geraten – vor allem aus linken Kreisen. Ein neues Video zeigt nun: Die Polizei setzt weiter auf Action. Man wolle schliesslich die Facetten des Berufs abbilden.

Meret Häuselmann

Einsatzkräfte mit Sturmhauben und schusssicheren Westen seilen sich auf Schiffe ab, brechen Türen auf und liegen in Tarnkleidung auf der Lauer – diese Bilder bekommt zu sehen, wer das neueste Video auf dem Facebook-Profil der Luzerner Polizei anklickt. Man wolle den Zuschauerinnen und Zuschauern damit die «Interventionseinheit» – kurz IE – etwas näherbringen, heisst es unter dem Beitrag. Die IE absolviere rund 150 Einsätze pro Jahr, heisst es weiter. Unter anderem komme die Einheit bei Einbrüchen, Banküberfällen, Geiselnahmen oder bei terroristischen Attacken zum Einsatz. «Primär lautet dabei der Auftrag stets: Gefahren abwehren und Leben retten!»

Unterlegt ist das Video mit Musik, wie man sie in einem Film aus Hollywood erwarten würde – ist diese Assoziation mit Actionfilmen gewollt? Christian Bertschi, Chef Kommunikationsdienst der Luzerner Polizei, sagt: «Nein. Die Bilder sehen durchaus martialisch aus, das ist jedoch leider auch die Realität. Unsere Spezialeinheit ist oft in heiklen Situationen im Einsatz.»

Verständnis für Arbeit soll geschaffen werden

Bereits zum zweiten Mal innert weniger Wochen präsentiert sich die Polizei mit Bildern eines sehr actionreichen Polizeialltags: Ende Oktober war eine Rekrutierungskampagne der Luzerner Polizei in Kritik geraten, welche Polizistinnen und Polizisten in Vollmontur mit Sturmhaube und Gewehr zeigte. Die ausserparlamentarische linke Gruppierung Resolut sowie die SP Kanton Luzern waren überzeugt: Mit solchen Bildern werde ein falsches Bild der Polizeiarbeit vermittelt. Eine Ansicht, die die Luzerner Polizei nicht teilte.

Kann das neueste Video der Polizei als Reaktion auf diese Vorwürfe verstanden werden? «Uns wurde durch die Kritik bewusst, dass wir die Arbeit der Intervention offensichtlich besser erklären müssen», erklärt Bertschi. «Wir zeigen immer wieder die verschiedenen Berufsfelder innerhalb der Polizei in allen Facetten auf; zuletzt wurden beispielsweise Hundeführer, Sicherheitsassistenten oder Tätigkeiten im Waffenbüro vorgestellt.» Die Interventionseinheit ebenfalls zu präsentieren, sei bereits länger geplant gewesen, jetzt – nach der Kritik – wurden die Beiträge vorgezogen. «Um Verständnis zu schaffen für die Arbeit, die wir tun», so Bertschi.

Einsätze der IE seien denn auch weiter verbreitet, als manche Person annehmen würde: «Vor wenigen Tagen hatten wir wieder einen medizinischen Notfall, bei dem die IE eine Wohnungstüre aufbrechen musste, um eine Person retten zu können», erläutert der Kommunikationschef der Luzerner Polizei.

«Werbung und Wirklichkeit klaffen auseinander»

Ebenso wie die Kampagnenbilder zuvor stösst auch das Video auf keinen grossen Anklang bei der Luzerner SP. Die Emmer Kantonsrätin Melanie Setz sagt dazu: «Es ist natürlich bedauerlich, wenn die Polizei mit Action-Videos der Spezialeinheit wirbt, die nur bei höchster Eskalationsstufe zum Einsatz kommt. Und die ‹ruhigeren› oder ‹alltäglichen› Aufgaben wie der Verkehrsdienst erhalten bloss einen langen Text mit Bild.» Abschliessend hält sie fest: «Nach wie vor finden wir es bedenklich, klaffen Werbung und Wirklichkeit, das heisst der Grossteil der Polizeiarbeit, auseinander.»

Während die einen das Vorgehen der Polizei kritisieren, sehen es andere Personen weniger eng. Unter dem Facebook-Beitrag wurde bislang nur ein Kommentar abgegeben: «Hammer Video», urteilt die Person. Und auch in der Kommentarspalte unter dem Beitrag der «Luzerner Zeitung» zur Rekrutierungskampagne hält sich die Empörung in Grenzen: «Das ist nun mal die Realität» und «Super gemacht» ist da zu lesen.

Reaktionen, die auch die Polizei erhält. «Wir haben für die Rekrutierungskampagne praktisch keine negativen Reaktionen erhalten. Im Gegenteil: In der Kommentarspalte unter unserem Beitrag haben sich die meisten Leute für unsere Arbeit bedankt», sagt Bertschi.



Erfolgreiche Rekrutierungskampagne

Die Rekrutierungskampagne war ausgelegt auf den Infotag der Luzerner Polizei Mitte November. Dieser ist gemäss Christian Bertschi erfolgreich verlaufen, rund 250 Personen nahmen daran teil. Wie viele Bewerbungen nach dem Infotag bereits eingegangen sind, kann Bertschi noch nicht sagen, aber: «Der Infotag war auch für den Ausbildungsbeginn in einem Jahr», sagt Bertschi. «Es bleibt noch genügend Zeit.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/social-media-leider-die-realitaet-luzerner-polizei-setzt-erneut-auf-action-und-enttaeuscht-damit-die-sp-ld.2380038)


+++FRAUEN/QUEER
David Gamez wollte seine Homosexualität therapieren lassen: «Ich dachte, ich könne normal werden»
David Gamez wuchs streng religiös auf. Weil er schwul ist, musste er eine sogenannte Konversionstherapie machen. Solche «Therapien» sind in einigen Kantonen bereits verboten. Am Montag entscheidet der Nationalrat, ob das schweizweit gelten soll.
https://www.blick.ch/politik/david-gamez-wollte-seine-homosexualitaet-therapieren-lassen-ich-dachte-ich-koenne-normal-werden-id18114473.html


«Sexueller Übergriff nicht ernst genommen»: Transfrau stellt Sicherheitspersonal der «Balz» an den Pranger
In einem Instagram-Video wirft die Baslerin Zayrah David dem Lokal vor, queerfeindlich zu sein. Sicherheitspersonal und Türsteher hätten sie vor anderen Partygängern böswillig als Transfrau geoutet. Der Club zeigt sich betroffen und kündigt eine Aussprache an.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/basler-club-sexueller-uebergriff-nicht-ernst-genommen-transfrau-stellt-sicherheitspersonal-der-balz-an-den-pranger-ld.2383322


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Klagen im Mittelmeer, Licht in Amsterdam, Gesundheitszugang in Zürich
https://antira.org/2022/12/05/klagen-im-mittelmeer-licht-in-amsterdam-gesundheitszugang-in-zuerich/


#unterAlmans – migrantische Geschichte(n)
„Ich bin Salwa Houmsi. Berlinerin. Meine Familie ist eine von Millionen, denn Deutschland ist ein Einwanderungsland.“ Ein selbstbewusstes Statement. Salwa spricht mit Menschen, die in den letzten 70 Jahren nach Deutschland kamen, über ihre Hoffnungen und Enttäuschungen. Über Rassismus und Heimat. Die Serie erzählt Einwanderungsgeschichte aus BRD und DDR, aus der Nachkriegszeit, vom Mauerfall und von heute. Zu Wort kommen ausschließlich Menschen, die eine Migrationsbiografie haben.
https://www.ardmediathek.de/sendung/unteralmans-migrantische-geschichte-n/staffel-1/Y3JpZDovL3JhZGlvYnJlbWVuLmRlLzMyM2Y4ZDcxLWUwYzMtNDRmZC1iZDVjLTUwNjgxYmU0Njc0NA/1


+++RECHTSPOPULISMUS
Undercover in antifeministischen Gruppen
Mit falscher Identität machte sich Tobias Ginsburg auf, um dem Hass von antifeministischen Gruppierungen auf den Grund zu gehen. Er schlich sich ein in Burschenschaften, war auf Seminaren von sogenannten Pick-Up-Artists, die versuchen mit Tricks und Strategien Frauen ins Bett zu kriegen, wobei die Frau immer nur Objekt ist, das es zu überzeugen und beherrschen gilt und nie Subjekt, dem man auf Augenhöhe begegnet. Er mischte sich unter die Alt-Right-Bewegung in den USA und knüpfte Kontakte zu den Vordenkern und den Geldgeberinnen hinter Polens krass antifeministischer Politik. Seine Erfahrungen hielt er im Buch «Die letzten Männer des Westens – Antifeministen, rechte Männerbünde und die Krieger der Patriarchats» fest, erschienen 2021 im Rohwolt Verlag, mit einem Vorwort von Günter Wallraff, der in den 1960er- und 70er-Jahren ähnliche, Aufsehen erregende Recherchereisen unternahm.
https://rabe.ch/2022/12/05/undercover-in-antifeministischen-gruppen/


Aus Ja mach Nein: Basler Autor provoziert mit Theaterstück über die SVP
Das Neue Theater in Dornach zeigt, wie rasch unsere direkte Demokratie an ihre Grenzen stösst – und bringt einen fiktiven SVP-Politiker in die Bredouille.
https://www.bzbasel.ch/kultur/basel/neues-theater-dornach-aus-ja-mach-nein-basler-autor-provoziert-mit-theaterstueck-ueber-die-svp-ld.2383083


+++RECHTSEXTREMISMUS
nzz.ch 05.12.2022

Wie sich die «Junge Tat» als rechtsextreme Kraft positionieren will – Europol warnt vor neuartiger Kommunikationsstrategie

Sie hat weniger als zwei Dutzend Mitglieder und beunruhigt Fachleute dennoch: Die rechtsextreme «Junge Tat» drängt seit Monaten aggressiv in die Öffentlichkeit. Mit aufsehenerregenden Aktionen versucht sie, an gesellschaftliche Debatten anzudocken.

Daniel Gerny, Matthias Venetz

Mitte November sorgte in Basel der brutale Mord an einem Taxifahrer für Entsetzen. Das Verbrechen gab dem Image der gefährlichsten Stadt der Schweiz wieder einmal Auftrieb. Seit Jahren gibt das Thema zu reden, häufig garniert mit dem Hinweis auf die rot-grüne Regierung und die angeblich lasche Ausländerpolitik. So erstaunte es nicht, dass zwei Tage später sechs junge, vermummte Männer auf das Dach des Bahnhofs stiegen und ein riesiges Transparent mit der Aufschrift «Kriminelle abschieben» entrollten.

Zufall? Die Guerilla-Aktion passt jedenfalls perfekt zu der Gruppe, die dahintersteckt: eine kleine rechtsextreme Clique, die mit Social-Media-tauglichen Inszenierungen aggressiv in die Öffentlichkeit drängt. Die «Junge Tat», wie sich die Organisation nennt, vermeidet allzu direkte Bezüge zu den Nationalsozialisten und greift stattdessen Themen auf, die Gesellschaft und Politik ohnehin beschäftigen. Doch sie verfolgt eine nicht minder rassistische Ideologie. In Zürich hat die «Junge Tat» zuletzt Mitte Oktober für Aufsehen gesorgt, als sie eine Vorlesestunde für Kinder störte, in der eine Dragqueen über Geschlechteridentitäten sprach.

Offene Bewunderung für Hitler

Die «Junge Tat» gehört zu den Gruppierungen der neuen Rechten, die die alten Nazi-Parteien in den letzten Jahren abzulösen begannen. Lange war die Pnos (Partei National Orientierter Schweizer) die bekannteste rechtsextreme Partei, die sich offen an der national-völkischen Gesinnung der Nationalsozialisten orientierte. Doch Anfang 2022 gab sie nach Jahren in komatösem Zustand ihre Auflösung bekannt. Verschwunden ist damit nur eine Aktionsform, nicht aber die Ideologie, wie Dirk Baier vom Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gegenüber der NZZ erklärt.

Mit dem Niedergang der Pnos wurde das Feld im rechtsextremen Lager frei für einen Generationenwechsel. Die zentralen Figuren in der «Jungen Tat» sind M. C. und T. L. – beide erst nach der Jahrtausendwende geboren. Und beide sind wegen ihrer hetzerischen Tätigkeit bereits vorbestraft: 2020 loggten sie sich zusammen mit weiteren Mitstreitern in Zoom-Vorlesungen der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ein und platzierten rassistische sowie antisemitische Sprüche und manifestierten ihre offene Bewunderung für Hitler.

In einem Videofilm der «Eisenjugend Schweiz» posierte M. C. zur gleichen Zeit mit einer Kalaschnikow. Und schon damals drängte der Winterthurer mit rassistischen Aufklebern in den öffentlichen Raum vor. In dieser Phase testete M. C. mit einigen Mitstreitern das Potenzial rechtsextremer Parolen vorerst noch auf eher grobschlächtige Weise aus, mit Folgen: M. C., der an der ZHdK studiert hatte, wird nicht nur verurteilt, er fliegt wegen seiner Aktionen auch von der Schule. All das bezeichnen M. C. und T. L. heute als «jugendlichen Leichtsinn».

Corona verleiht der Bewegung Schub

An der Gesinnung änderte sich freilich nichts. Aus der «Eisenjugend» und der «Nationalistischen Jugend Schweiz» ging die «Junge Tat» hervor, die wegen der Corona-Pandemie kräftig Schub erhielt: Die Gruppierung besuchte die Massnahmen-Demos und drängte sich immer offensiver in den Vordergrund. «Dass das möglich war und dass man sie gewähren liess, hat die Szene zweifellos bestärkt», erklärte der Freiburger Historiker Damir Skenderovic, der auf die Geschichte der Migration und des Rechtsextremismus spezialisiert ist, kürzlich gegenüber der NZZ.

Statt auf alte Naziparolen zurückzugreifen, versucht sie, an die gesellschaftspolitischen Debatten «anzudocken», wie es Dirk Baier formuliert. So ist es nicht zufällig, dass die «Junge Tat» auf dem Banner am Basler Bahnhof ein weisses Schaf abbildete, das von einem schwarzen Schaf weggeschubst wird. Mit diesem Motiv hatte die SVP vor fünfzehn Jahren für die Ausschaffungsinitiative geworben. In Zürich aber, wo die «Junge Tat» die Gender-Debatte aufnahm, verlangte die SVP prompt, dass die Vorlesestunden der Dragqueens nicht stattfinden – genauso, wie es die «Junge Tat» gefordert hatte.

Ihr Facelifting von einer aggressiven, offen rassistischen hin zu einer scheinbar harmlosen, zeitgeistigen Kraft im rechten Lager thematisiert die «Junge Tat» sogar selbst. In einem Video, das kürzlich auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht wurde, treten M. C. und T. L. offen auf. Sie nennen sich jetzt «Aktionskollektiv», sehen sich selbst als «Aktivisten». Sie geben sich betont locker und treten optisch auf wie Hipster aus dem urbanen Milieu. M. C. bezeichnet seine Zeit in der neonazistischen «Eisenjugend Schweiz» lapidar als «falschen Start». T. L. betitelt ebenfalls neonazistische Gruppierungen, wie die «Nationale Jugend Schweiz», als «verwerfliche Zusammenschlüsse». Es sei um Sport und jugendlichen Leichtsinn gegangen, heisst es im Video.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Im Video geben sich die Akteure der «Jungen Tat» belesen und inszenieren sich als nüchterne Analytiker. Sie sind die Opfer, die missverstandenen «Aktivisten», die bloss den Finger auf die wunden Punkte legen. Doch bei genauerer Betrachtung ist die rechtsextreme Ideologie unübersehbar. Prominent wird beispielsweise schon in den ersten Minuten ein Werk des in rechtsextremen Kreisen verehrten österreichischen Publizisten Martin Semlitsch in Szene gesetzt, der unter dem Pseudonym Martin Lichtmesz publiziert. Titel des Buches: «Ethnopluralismus».

Mit diesem Schlagwort versuchen rechtsextreme Gruppierungen europaweit, ihre Ideologie in die breite Gesellschaft zu tragen. Sie vermeiden dabei Wörter wie «Rasse» und sprechen lieber über «Kulturen», «Ethnien» oder «Völker». Sie unterlassen es, einzelne Völker als «minderwertig» oder «überlegen» zu betiteln, und versuchen damit, eine Distanz zum Nationalsozialismus herzustellen. Doch im Kern strebt der Ethnopluralismus, entgegen der eigentlichen Bedeutung des Wortes, strenge Homogenität an. Jedes Volk sei wertvoll, so das Narrativ – allerdings nur für sich allein und an seinem angestammten Platz auf der Welt.

Den Ethnopluralismus koppeln Rechtsextreme europaweit mit dem Verschwörungsmythos des «grossen Austausches». Also dem Mythos, wonach die weisse Bevölkerung in Nordamerika und Europa durch andere Bevölkerungsgruppen nach Plan ausgetauscht werden soll. Auch M. C. spricht in dem Video wörtlich vom Bevölkerungsaustausch. «Es bleibt unsere Heimat – Europa verteidigen», heisst es passend dazu auf dem T-Shirt, das M. C. in dem Video trägt. Und das Symbol, das die «Junge Tat» als Erkennungszeichen gewählt hat und das im Video mehrfach gezeigt wird, hat direkte Bezüge zu den Nationalsozialisten: Es ist an die sogenannte «Tyr-Rune» angelehnt. Die Absolventen der Reichsführerschulen trugen es am linken Arm, direkt oberhalb der Hakenkreuz-Binde.

Unter zwei Dutzend Mitglieder

Doch wie gross ist die Gefahr, die von Gruppierungen wie der «Jungen Tat» ausgeht? Der Luzerner Journalist Hans Stutz, der die rechtsextreme Szene seit Jahrzehnten beobachtet, erklärt gegenüber der NZZ, die Zahl der Aktivisten sei bis anhin sehr klein, wohl unter zwei Dutzend. Dazu kämen Sympathisanten im Umfeld. Aber anders als bei Rechtsextremen früherer Ausprägung, beispielsweise den Nazi-Skins, fehle eine subkulturelle Szene, die sich bei Konzerten oder an symbolträchtigen Veranstaltungen wie der 1.-August-Bundesfeier auf dem Rütli zusammenfinde und offen für rechtsextreme Ansichten sei.

Es sei deshalb noch völlig offen, welche Dynamik die «Junge Tat» in naher Zukunft entwickle. Stutz sieht allerdings die Gefahr, dass Gruppierungen wie die «Junge Tat» den Diskurs beeinflussten. Die meisten Leute könnten einer rechtsextremen Ideologie wenig abgewinnen, doch viele teilten gewisse rechtsbürgerliche Ansichten oder traditionelle Werte. Es ist deshalb auch aus seiner Sicht bezeichnend, dass die «Junge Tat» in gegenwärtige Debatten eingreift, indem sie gegen «kriminelle Ausländer» demonstriert oder eine Dragqueen-Lesung angreift.

Ähnlich beurteilt es Skenderovic: «Sie hoffen, dass die Diskussion ins Extreme kippt und ihre diskriminierenden Ideen auf breiten Widerhall stossen», erklärte er im Interview mit der NZZ. Die Grösse der Gruppierungen sei zwar überschaubar, doch im Internetzeitalter sei es fast wichtiger, wie viele Menschen erreicht werden könnten. Laut einem Bericht von Europol verfolge die Gruppe in den sozialen Netzwerken eine Kommunikationsstrategie, die in der rechtsextremen Szene bis anhin einmalig sei. «Deshalb warne ich davor, diese Gruppen zu verharmlosen», so Skenderovic.

Die Angst vor einsamen Wölfen

Die Aussagen des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) deuten darauf hin, dass genau dies passiert: Die Befürchtung, bei einem Outing als gewalttätige Rechtsextremistin oder gewalttätiger Rechtsextremist mit persönlichen Konsequenzen wie Arbeitsplatzverlust rechnen zu müssen, sei jedenfalls bei diversen Exponentinnen und Exponenten gesunken, heisst es im jüngsten Lagebericht. Dies dürfte laut NDB die Motivation erhöhen, öffentliche Aktionen durchzuführen und damit auch neue mögliche Mitglieder anzuziehen. Zur «Jungen Tat» will sich der NDB auf Anfrage der NZZ nicht weiter äussern.

Dirk Baier warnt vor einer weiteren Gefahr. Die Mitglieder der «Jungen Tat» seien derzeit selbst zwar kaum gewaltbereit – auch deshalb, weil dies zu offensichtlich mit dem angestrebten Saubermann-Image kontrastiere. Doch rechtsextreme Gewalttaten würden häufig von Einzeltätern ausgeführt, die sich im Internet durch rechtsextremes Gedankengut inspirieren liessen und sich schliesslich radikalisierten. Auch in NDB-Kreisen ist die Angst vor solchen einsamen Wölfen besonders gross.

Die rechtsextremen Nazi-Skins früherer Prägung versuchten ihr Bedrohungspotenzial mit ihrem martialischen Auftreten zur Schau zu stellen, um Schrecken zu verbreiten. Die «Junge Tat» geht genau umgekehrt vor und unterscheidet sich äusserlich kaum von der breiten Bevölkerung. Doch genau darin liegt ihre Gefahr.
(https://www.nzz.ch/schweiz/wie-sich-die-junge-tat-als-rechtsextreme-kraft-positionieren-will-europol-warnt-vor-neuartiger-kommunikationsstrategie-ld.1713554)


+++HISTORY
Un journal militant anti-carcéral : le comité d’Action des Prisonniers (CAP) de 1972 à 1980
Créé par d’anciens détenus, dont Serge Livrozet, Claude Vaudez, Michel Boraley, le C.A.P (Comité d’Action des Prisonniers), est une association lancée fin novembre 1972 qui publie un journal mensuel avec textes d’analyse, informations sur les prisons et lettres de prisonniers. Il y aura 67 numéros jusqu’en 1980.
https://renverse.co/analyses/article/un-journal-militant-anti-carceral-le-comite-d-action-des-prisonniers-cap-de-3800


Oh Schepenese. Zwischenbetrachtung einer vieldeutigen Aktion
Die ägyptisch-st.gallische Initiative «Lasst Schepenese heimkehren» bietet eine ungewöhnliche Vielfalt an Themen, Konflikten, Einsichten und grossartigen Möglichkeiten. Let’s move on!
https://www.saiten.ch/oh-schepenese-zwischenbetrachtung-einer-vieldeutigen-aktion/


50 Jahre Homosexuellen-Bewegung Schweiz – Echo der Zeit
«50 Jahre bewegt» heisst eine 250 Seiten dicke Chronik über die letzten 50 Jahre der Homosexuellen-Bewegung in der Schweiz. Sie zeigt die Geschichte und den Kampf dieser Jahrzehnte. Von Aids-Epidemie über Gay-Pride bis hin zur «Ehe für alle».
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/50-jahre-homosexuellen-bewegung-schweiz?partId=12297928


Telearena Homosexualität (1978) | Diskussion und Theater | SRF Archiv
In der Sendung „Telearena“ diskutieren Homosexuelle und Kritiker über Homosexualität. Ein Thema, bei welchem die Emotionen hoch gehen. Dazwischen wird das Thema in einem Theater von Regisseur Xavier Koller von bekannten Schauspielern wie Mathias Gnädinger und Walter Andreas Müller beleuchtet [«Telearena» vom 12. April 1978]
https://www.youtube.com/watch?v=otTIJFGLndY