Medienspiegel 29. November 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Weitsicht statt Segregation: Containersiedlung auf dem Viererfeld für alle ankommenden Asylbewerber*innen öffnen
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=d1483cd7e522450aa9ebe0cacc694749


+++AARGAU
Keine Stipendien für vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer
Im Aargau sind S-Schutzbedürftige stipendienberechtigt, Ausländerinnen und Ausländer mit Status F aber nicht. Stipendien seien ein Gewinn für die KMU. Darum will eine Motion der SP-Fraktion, dass die Berechtigung ausgeweitet wird. Damit haben sie im grossen Rat einen schweren Stand.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/grosser-rat-keine-stipendien-fuer-vorlaeufig-aufgenommene-auslaenderinnen-und-auslaender-ld.2380603


+++BASEL
„***AUFRUF ZUR KLEIDERSAMMLUNG***
Der Winter und dessen Kälteeinbruch hat uns alle unlängst eingeholt. Und nach wie vor werden Menschen
vom SEM in Basel in Bunkern untergebracht. Während sie sich gegen ihre unmenschlichen Bedingungen wehren, fehlt es ihnen an warmen Kleidern! 1/2
Bringt eure Spenden bis am kommenden Samstag im „Runzel“ an der Elsässerstrasse 128 in Basel vorbei. Bringt bitte nur Kleider die ihr auch selber noch tragen würdet. Erzählt es euren Freund*innen und Kompliz*innen. 2/2“
(https://twitter.com/3rosen/status/1597611189739360258)


+++BASELLAND
(FB 3 Rosen gegen Grenzen)
Statement zur Schliessung des Bunkers in Allschwil:
Nach unserem Wissenstand wurde die Zivilschutzanlage (Bunker) Hagmatten in Allschwil in den letzten Tagen wieder geschlossen. Dies geschah nach starker Kritik aufgrund von Videos, Bildern und Statements aus der Unterkunft, die von dort lebenden Menschen veröffentlicht wurden.
Wir verurteilen die Zwei-Klassen-Strategie des SEM, in dem die Geflüchteten aus der Ukraine in relativ guten Bedingungen untergebracht und selbst die Unterbringung in Privathaushalte gefördert wird. Gleichzeitig werden Menschen aus anderen Regionen, die aus unterschiedlichen Gründen den Weg hierhin gefunden haben, in Lager und Bunker untergebracht und teilweise eingesperrt.
Wir sind der Ansicht, dass allen Geflüchteten eine wesentlich bessere und menschlichere Unterbringung als Lager und Bunker organisiert werden sollte. Das aktuelle rassistische Regime gehört abgeschafft, weil es zu grossen Leid und Retraumatisierungen führt.
Selbstverständlich freuen wir uns, dass die Menschen nicht mehr im Bunker Hagmatten leben müssen. Jedoch sind wir traurig und wütend darüber, dass sie in die halbe Schweiz verlegt und auseinandergerissen worden sind. Auch das ist eine Folge und ein Ziel der Lagerpolitik: Isolation der Geflüchteten voneinander und von der Bevölkerung. Die Praxis der Verlegung zielt auch darauf ab, politische Organisierung zu unterbinden und zu bekämpfen.
Der Bunker in Allschwil hat viel mediale Aufmerksamkeit genossen und ist deswegen geschlossen worden. Andere Bunker sind – wie z.B. der Notunterkunft-Bunker in Urdorf ZH – seit Jahren in Betrieb.
Auch der Kanton Basel-Stadt stellt dem SEM nach wie vor zwei Bunker im Kleinbasel zur Verfügung: Einen an der Neuhausgasse (IWB-Gelände) und einen an der Bonergasse 30. Die beiden Anlagen sind weiterhin geöffnet und Menschen müssen darin leben.
Unser Widerstand geht weiter! Bis auf dass alle Bunker und Lager geschlossen sind!
#NoBunker #FightSEM
(https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=pfbid02RVZ16M2YYUr4yQchFCbgmr6WpMp2zeFUw2ckNmGWTLc2xsDpdqpNz9Pt3gUgNf8hl&id=100063625713191)
-> https://twitter.com/3rosen/status/1597651727037394944
-> https://www.bazonline.ch/unterirdische-asylunterkunft-in-allschwil-aktuell-nicht-belegt-965104751203


+++LUZERN
SVP will’s wissen: So viel zahlt Luzern für Gesundheitskosten von Flüchtlingen
Flüchtlinge und Geflüchtete werden durch den Kanton in einer Krankenkasse versichert. SVP-Kantonsrätin Barbara Lang wollte wissen, wie viel das den Kanton Luzern kostet.
https://www.zentralplus.ch/politik/so-viel-zahlt-luzern-fuer-gesundheitskosten-von-fluechtlingen-2498202/


Überforderte Gemeinden können für Flüchtlingsunterkünfte mit Nachbargemeinden zusammenspannen
Der Kanton Luzern will Gemeinden explizit erlauben, für die Unterbringung von Flüchtlingen regionale Lösungen zu suchen. Dafür sollen aber klare Regeln gelten.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/kantonsratsentscheid-ueberforderte-gemeinden-koennen-fuer-fluechtlingsunterkuenfte-mit-nachbargemeinden-zusammenspannen-ld.2380046
-> https://www.20min.ch/story/regionale-unterkuenfte-sollen-notstand-im-asylbereich-lindern-909075500273


+++ST. GALLEN
Kritik nach Schliessung einer Unterkunft für Flüchtende aus der Ukraine (ab 02:18)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/st-galler-kantonsrat-stimmt-olma-finanzspritze-zu?id=12294112


+++SCHWEIZ
Parlament verlängert Zwangs-Covid-Tests bei Ausschaffungen
Zwangsweise Covid-Tests bei Ausschaffungen sollen bis Ende Juni 2024 möglich bleiben. Nach dem Nationalrat hat am Dienstag auch der Ständerat der Verlängerung der entsprechenden Bestimmung im Ausländer- und Integrationsgesetz zugestimmt.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2022/20221129085650164194158159038_bsd046.aspx
-> https://www.blick.ch/politik/parlament-gibt-gruenes-licht-zwangs-covid-tests-bei-ausschaffungen-bis-2024-id18097083.html
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/parlament-verlangert-zwangs-covid-tests-bei-ausschaffungen-66352650
-> https://www.aargauerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/asylprozess-parlament-verlaengert-coronatest-zwang-fuer-auszuschaffende-ld.2376580


Parlament für Bundesbeiträge an Kantone mit Ausreisezentren
Der Bund soll künftig Kantone, welche bei einer ausserordentlich hohen Zahl von illegalen Grenzübertritten Ausreisezentren für Flüchtlinge einrichten, finanziell unterstützen können. Dafür hat sich nach dem Nationalrat am Dienstag auch der Ständerat ausgesprochen.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2022/20221129102154743194158159038_bsd070.aspx
-> https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/illegale-grenzuebertritte-bei-starkem-migrationsdruck-bund-soll-grenzkantone-finanziell-unterstuetzen-ld.2376584



nzz.ch 29.11.2022

An der Schweizer Südgrenze werden nur wenige zurückgeschickt

Über die Mittelmeerroute kommen wieder vermehrt Migranten in Chiasso an. Doch die Situation unterscheidet sich von der letzten Flüchtlingskrise.

Gerhard Lob (Text), Maurice Haas (Bilder), Chiasso

Es herrscht wenig Betrieb an diesem Nachmittag im Bahnhof Chiasso. Der Eurocity von Mailand nach Zürich hat bereits 50 Minuten Verspätung. Nichts Aussergewöhnliches. Vor allem die blau uniformierten Grenzwächter fallen in der grauen Bahnhofsanlage auf. In regelmässigen Abständen eskortierten sie junge Männer in einen Büroraum am Perron des Gleis 1. Die Behörden holen diese aus den Zügen aus Italien und kontrollieren die Identität. Die Migranten sind ausschliesslich männlich und mit wenig Gepäck unterwegs.

Kaum Rückstellungen nach Italien

Was passiert bei der Kontrolle? Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) verweist jene Migranten, die ein Asylgesuch stellen wollen, ans Bundesasylzentrum in Chiasso. Wer darauf verzichtet, wird nach Möglichkeit den italienischen Behörden übergeben. Ist das nicht möglich, erfolgt eine Wegweisung, wonach die aufgegriffene Person die Schweiz innert einer bestimmten Frist verlassen muss. Unbegleitete Minderjährige werden den kantonalen Behörden übergeben. Wer medizinischer Hilfe bedarf, wird an eine entsprechende Institution verwiesen.

Die Zahl der Rücküberstellungen nach Italien liegt jedoch tief. Im Oktober waren es laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) bloss 22 – und dies bei 7891 aufgegriffenen Personen in der ganzen Schweiz, davon 2435 an der Südgrenze zu Italien. Seit Anfang Jahr gab es 302 Rückstellungen nach Italien. Das sind wenige angesichts von Tausenden von Aufgriffen.

Auch die Zahl der gestellten Asylgesuche liegt tief. Im Oktober waren es nicht einmal 200. Daraus lässt sich schliessen, dass die meisten der aufgegriffenen Migranten von Chiasso in Richtung Norden weiterziehen. Ob diese Migranten via Strasse, grüne Grenze oder mit dem Zug in die Schweiz ein- und weiterreisen, will die Grenzwacht «aus einsatztaktischen Gründen» nicht bekanntgeben.

Tatsache ist: Auf dem Bahnsteig in Chiasso stehen einige junge Männer, die offenbar weggewiesen wurden. Andere sitzen auf einer Wartebank und starren auf ihr Handy. Alle wollen weiter in Richtung Norden. Einer zeigt ein Billett bis nach Zürich, ein anderer nach Lugano. Die Verständigung ist fast unmöglich. Sie sprechen weder Englisch noch Französisch, von Deutsch und Italienisch ganz zu schweigen. Auch die einfache Frage «Where are you from?» verstehen die meisten nicht. Einer sagt schliesslich «Afghanistan». Die anderen nicken. Ein anderer sagt «Turkey». Wo sie genau herkommen, wohin sie wollen? Sie können es nicht sagen. «Germany?» Einer nickt.

Dieses Jahr sorgte vor allem die sogenannte Balkanroute für Schlagzeilen, bei der Migranten von der Türkei und Griechenland über Bulgarien und Österreich kamen, um dann via Schweiz nach Frankreich, Grossbritannien oder Deutschland zu gelangen. Auf dem Schienenweg war der Nachtzug Wien–Zürich beliebt. Am Grenzübergang Buchs (SG) holte die Grenzwacht viele Migranten aus dem Zug. Sie wurden dann über eigens reservierte Wagen nach Zürich und Basel weitergeleitet, was in Deutschland für politische Irritationen sorgte. Andrea Lindholz, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, kritisierte die Schweiz. Die SBB würden die illegale Einreise nach Deutschland fördern.

Doch neben der Balkanroute wird in den letzten Monaten auch die Mittelmeerroute wieder stärker genutzt. Sie führt Migranten, die in der Regel von Libyen starten, von Sizilien über Mailand an die Schweizer Südgrenze. Laut SEM handelt es sich bei den aufgegriffenen Personen hauptsächlich um Afghanen und Tunesier. Weitere Herkunftsländer sind die Türkei, Marokko und Syrien.

Prekäre Zustände im Bundesasylzentrum?

Dass viele Migranten nicht unbedingt die Schweiz als Endziel haben, zeigt die relativ geringe Zahl der Asylanträge im Vergleich zur Anzahl aufgegriffener Personen. Dies spiegelt sich auch in der Auslastung des Bundesasylzentrums von Chiasso wider. Das SEM spricht in seiner Statistik von einer Auslastung von 70 Prozent, wobei in dieser Erfassung die Zentralschweiz mitgezählt wird, da sie zur gleichen «Asylregion» zählt. Von 1502 Betten sind derzeit 1064 belegt. Das SEM teilt selbst mit: «Die Schweiz ist ein traditionelles Transitland für Migranten.» Die SBB präzisieren ihrerseits, dass es auf der Nord-Süd-Route zwischen Chiasso und Zürich/Basel keine für Migranten reservierten Wagen gebe.

In Bundesasylzentrum von Chiasso landen viele Asylsuchende im Centro Pasture, das sich im Niemandsland des Industriegebiets Balerna befindet. Es handelt sich um ein heruntergekommenes ehemaliges SBB-Gebäude mit 220 Betten, das als Übergangslösung dient, bis ein definitives Zentrum an diesem Standort mit 350 Plätzen bereitsteht. Diakon Marcel Mattana amtet dort als Seelsorger. Er spricht in der «Catholica», der Zeitungsbeilage des «Corriere del Ticino», von prekären Zuständen und einer chronischen Überfüllung. Minderjährige und Familien begleitet er zwei Mal pro Woche am Nachmittag nach Balerna und Novazzano, wo in den Kirchgemeinden Aktivitäten organisiert werden.

Besuche durch Medienschaffende sind im Centro Pasture nicht vorgesehen. Eine Anfrage wird durch das Staatssekretariat für Migration mit Hinweis auf die Präsenz von Asylsuchenden und verfolgten Menschen höflich abgelehnt: «Deren Schutz und damit deren unbedingte Anonymität zu wahren, ist eine Kernaufgabe des SEM.» Das Recht auf Privatsphäre müsse gewahrt bleiben. Auch ein Gespräch mit der Zentrumsleiterin wird abgelehnt: «Ihre Agenda ist ausgelastet – sie hat keine Kapazität für Mediengespräche.»

Zeit nimmt sich hingegen Pfarrer Don Giusto auf der anderen Seite der Landesgrenze. Er leitet die Pfarrgemeinde im Quartier Rebbio von Como und ist als Flüchtlingspfarrer in der ganzen Gegend bekannt. In seinem «Oratorio», dem Gemeindesaal, sitzen am Mittag rund 60 junge Männer beim Mittagessen – alles Minderjährige. Seit der Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 seien nicht mehr so viele eingetroffen wie in diesem Jahr, erzählt der Geistliche. «Fast alle kommen aus Ägypten, einige aus Tunesien – sie wollen in Italien bleiben», so Don Giusto. Flüchtlinge aus Afghanistan oder Syrien träfen kaum noch ein. «Wenn ja, nur für eine Nacht», so der 61-jährige Priester. Sie versuchten, nach einer kurzen Pause weiterzureisen in Richtung Norden. Gelegentlich würden sie aufgegriffen und wieder nach Italien überstellt.

Doch nicht im Ausmass wie 2016. Damals gab es buchstäblich ein Grenz-Pingpong, mit Migranten, die an der Grenze immer wieder zurückgewiesen wurden. Am Bahnhof von Como biwakierten Hunderte von Migranten, die wiederholt und meist erfolglos die Einreise in die Schweiz versuchten. Die Schweizer Behörden reagierten und eröffneten in Mendrisio-Rancate im August 2016 sogar ein Rückweisungszentrum, das mit der Zeit aber immer weniger benutzt wurde. Im August 2020 schloss es seine Tore definitiv.
(https://www.nzz.ch/schweiz/chiasso-an-der-schweizer-suedgrenze-werden-nur-wenige-abgewiesen-ld.1713633)


+++ÖSTERREICH
Chef der Asylbetreuungsagentur: „Das müsste in einem Rechtsstaat nicht sein“
Andreas Achrainer gibt vor dem zu erwartenden Wintereinbruch in Sachen Asylquartiere keine Entwarnung
https://www.derstandard.at/story/2000141300651/chef-der-asylbetreuungs-agentures-gibt-noch-keine-neuen-quartiere?ref=rss


+++GROSSBRITANNIEN
Grossbritannien: Mann nach Tod von 27 Migranten im Ärmelkanal festgenommen
Vor einem Jahr ertranken vor der Küste Grossbritanniens innert weniger Stunden fast 30 Migrantinnen und Migranten. Jetzt wurde ein Mann verhaftet – es soll aber auch Hinweise auf ein Versagen der Küstenwache geben.
https://www.20min.ch/story/mann-nach-tod-von-27-migranten-im-aermelkanal-festgenommen-429867180852


+++GRIECHENLAND
Nicht alles funktioniert im neuen Flüchtlingscamp auf Samos
Vor mehr als einem Jahr ist auf der griechischen Insel Samos ein neues Flüchtlingscamp eröffnet worden, anstelle eines überfüllten Zeltlagers. Im neuen Camp solle es den Flüchtlingen an nichts fehlen, versprach die griechische Regierung. Ein Augenschein zeigt jedoch, auch im neuen Camp funktioniert vieles nicht.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/nicht-alles-funktioniert-im-neuen-fluechtlingscamp-auf-samos?partId=12295015


+++GASSE
Obdachlosigkeit bei Jungen – Gassenarbeit kritisiert Berner Notschlafstelle für junge Menschen
In der Notschlafstelle Pluto finden Jugendliche in Notsituationen Schutz. Nun kommt Kritik von ungewohnter Seite.
https://www.srf.ch/news/schweiz/obdachlosigkeit-bei-jungen-gassenarbeit-kritisiert-berner-notschlafstelle-fuer-junge-menschen


Soziale Stadtführungen standen vor dem Aus – Guides gesucht: So geht’s dem Verein «Abseits Luzern»
Bei den «Abseits»-Führungen zeigen Menschen am Rande der Gesellschaft ihren Blick auf die Stadt. Aber wie lange noch? Weil der Verein zu wenig Guides hat, stand er im Sommer vor dem Aus. Wir haben nachgefragt.
https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/guides-gesucht-so-gehts-dem-verein-abseits-luzern-2497214/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
China-Proteste erreichen die Schweiz: Demonstrierende versammeln sich zum Protest gegen die Politik Chinas
In China gehen zurzeit Tausende auf die Strasse. In Zürich wollen chinesische Staatsbürger am Dienstag auf die Situation in ihrem Heimatland aufmerksam machen.
https://www.20min.ch/story/demonstrierende-versammeln-sich-zum-protest-gegen-die-politik-chinas-955139715900



derbund.ch 29.11.2022

Chinesen protestieren in Zürich: Ihre Angst vor dem Staat ist so gross wie ihre Wut

Rund 100 Ausland­chinesinnen wehren sich gegen Chinas «Zero Covid»-Politik. Sie tun es vermummt, denn sie fürchten staatliche Überwachung – auch in der Schweiz.

Thomas Knellwolf, Beat Metzler

Es ist eine ungewöhnliche Kundgebung, für die sich am frühen Dienstagabend rund 100 Menschen mitten in Zürich versammelt haben. Weder Parolen gibt es noch Fahnen noch laute Reden. Dafür brennen Kerzen am Boden, Trauerlieder werden gesungen und weisse Blätter in die Höhe gehalten.

Die Teilnehmenden gedenken der zehn Toten, die in der chinesischen Stadt Urumqi starben, weil sie ein brennendes Haus nicht verlassen konnten – offenbar wegen der strengen Corona-Massnahmen. «Aber wir protestieren auch gegen die ‹Null Covid›-Politik, unter der sehr viele Menschen in China leiden», sagt eine Teilnehmerin.

Noch etwas ist ungewöhnlich an der Kundgebung auf der Zürcher Rathausbrücke. Fast alle Teilnehmenden tragen eine Schutzmaske. Die Demonstrierenden fürchten sich allerdings weniger vor Viren als vor der Überwachung durch den chinesischen Staat.

Bei den meisten von ihnen handelt es sich wohl um chinesische Staatsangehörige, die in der Schweiz leben. Sie wollen nicht als Kritiker erkannt werden. Mithilfe von Gesichts­erkennungs­software, die es mittlerweile für jedes Smartphone gibt, lassen sich Demonstrierende relativ leicht identifizieren.

Die junge Frau, die im Vorfeld als Organisatorin der Demonstration aufgetreten ist, beschreibt sich als «Studentin um die 30». Mehr will sie nicht von sich verraten. Solange die Kommunistische Partei China beherrsche, werde sie zwar nicht in ihr Heimatland zurückkehren. Doch sie wolle weiterhin ihre Eltern besuchen können und diese in Sicherheit wissen. «Beides wäre nicht garantiert, wenn die chinesischen Behörden herausfänden, dass ich im Ausland zu einer Demonstration aufgerufen habe», sagt sie.

Die jüngsten Ereignisse in China empören die Organisatorin. Unter den Demonstrierenden auf der Rathausbrücke gebe es verschiedene politische Positionen. «Aber alle wollen ohne Angst und Lügen leben. Alle wollen, dass unsere Menschenrechte respektiert werden.»

Vor allem jüngere Menschen nahmen am Zürcher Protest teil. «Sie sind besser informiert, über die sozialen Medien, und leidenschaftlicher als die älteren Chinesinnen und Chinesen in der Schweiz», sagt die Organisatorin.

So bescheiden und ruhig die Demonstration ausfiel, sie war etwas Besonderes. China-Experte Ralph Weber von der Universität Basel kann sich an keine Kundgebungen von regierungskritischen Chinesinnen und Chinesen in der Schweiz erinnern: «Das ist schon lange nicht mehr vorgekommen, abgesehen von Aktionen verfolgter Minderheiten wie Tibeter oder Uiguren.»

Das bedeute nicht, dass in der Schweiz keine parteikritischen Chinesinnen und Chinesen lebten. Doch diese hätten sich in der Vergangenheit eher zurückgehalten, weil sie oft Repressionen gegen ihre Familien in China befürchteten, sagt Weber. «Die Diaspora in der Schweiz befindet sich wie überall im Blick der chinesischen Botschaft, des Konsulats sowie zahlreicher patriotischer Vereinigungen.»

Auch die gebürtige Hongkongerin Rosa Lee möchte nicht, dass ihr richtiger Name in der Zeitung steht, obschon sie seit Jahren in der Schweiz lebt und längst eingebürgert ist. Sie macht mit Stickern auf die Menschenrechtslage in Hongkong und an anderen Orten aufmerksam, die sie an öffentlichen Orten aufklebt und verteilt. Sie fürchtet sich vor Unterwanderung und Observation: «Wir wissen nicht, wem wir trauen können. Es kann sich relativ leicht jemand unter eine Protestgruppe mischen und dann Aufnahmen machen oder Informationen an staatliche Stellen liefern.»

Kritik von Bundesrätin Amherd

Dieses generelle Misstrauen schildert auch die Organisatorin der Zürcher Kundgebung. Sie sagt, dass sie nur mit wirklich engen Freundinnen über ihre politischen Ansichten rede. Ansonsten schweige sie. «Selbst in der Schweiz kann ich mich nicht sicher fühlen.»

Solche Ängste sind nicht unbegründet. So sieht der Bundesrat in China, was Spionage betrifft, «eine relativ grosse Bedrohung für die Schweiz». 2020 schrieb er: «Chinesische Dienste sind an in der Schweiz ansässigen Diaspora­gemeinschaften interessiert, darunter Personen tibetischer und uigurischer Ethnie.» Verteidigungs­ministerin Viola Amherd sagte in der Fragestunde des Nationalrats: «Die Überwachung von im Exil lebenden Gemeinschaften in der Schweiz verletzt die Souveränität sowie die demokratischen Werte der Schweiz. Der Nachrichtendienst verfolgt diese Aktivitäten sehr genau.»

Gerade an Pro-Tibet-Demonstrationen tauchen immer wieder Männer auf, die fotografieren und filmen. Auf die Frage, wer sie seien, antworteten sie beispielsweise 2018 in Genf: Touristen. Öfter bleiben sie stumm und laufen weg. Ein politisch aktives uigurisches Paar erzählte, die chinesische Staatssicherheit habe sie überzeugen wollen, über ihre Landsleute in der Schweiz zu berichten: «Sie drohten, unseren Angehörigen geschehe etwas, wenn wir nicht kooperieren oder Separatisten unterstützen würden. Wir haben abgelehnt.»

Die chinesische Botschaft in Bern bestreitet derlei Einmischung: Man respektiere die Versammlungsfreiheit in der Schweiz, lehne aber «böswillige Anti-China-Aktionen, die auf Lügen beruhen oder auf die Einmischung in die innere Angelegenheiten Chinas abzielen», ab. «Es gibt einige Personen mit Anti-China-Gedanken, die mit ihren Betrügereien die internationale Gemeinschaft vortäuschen und in die Irre führen wollen, mit dem Ziel, China zu verleumden und zu spalten.»

Die Demonstration in Zürich war längst nicht die einzige jenseits der chinesischen Grenzen. Auch in London, Tokio, Paris oder Sydney haben sich kürzlich kritische Chinesinnen und Chinesen versammelt. Ein Teilnehmer auf der Zürcher Rathausbrücke sagte, dass die Kundgebungen im Ausland den Menschen zu Hause Mut machen sollten. «Dort erleben wir die grössten Proteste seit 1989. Ich hoffe, sie ändern etwas.»
(https://www.derbund.ch/ihre-angst-vor-dem-staat-ist-so-gross-wie-ihre-wut-527043896649)




Wenige demonstrieren in Zug gegen die WM in Katar
Die JUSO Zug hat sich gestern Abend auf dem Landsgemeindeplatz in der Stadt Zug versammelt, um ein Zeichen gegen die Fussball-WM in Katar zu setzen. Während dem Schweizer Nati-Spiel gegen Brasilien haben sie gegen Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung demonstriert. Viele sind aber nicht gekommen.
https://www.tele1.ch/nachrichten/wenige-demonstrieren-in-zug-gegen-die-wm-in-katar-148973859


Zürich und Winterthur: Klimaaktivisten lassen Luft aus mehr als 170 SUV-Reifen
Die Aktivistinnen und Aktivisten von «The Tyre Extinguishers» lassen nicht locker. In der Nacht auf Dienstag lüftelten sie gemäss eigenen Angaben im grossen Stil in Winterthur und Zürich. Die Polizei bestätigt den Eingang Dutzender Anzeigen.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/klimaaktivisten-lassen-luft-aus-mehr-als-170-suv-reifen-148968523


+++REPRESSIOM FR
Klimaprotest in Frankreich: Als „Ökoterroristen“ angeklagt
Fünf Personen mussten sich wegen der Teilnahme an einer Klimademo vor Gericht verantworten. Paris vergleicht sie mit der Letzten Generation.
https://taz.de/Klimaprotest-in-Frankreich/!5898460/
-> https://taz.de/Festnahme-franzoesischer-Umweltaktivisten/!5895202/


+++SPORT
Ausschreitungen nach FCL-Spielen: Kantonsrat Luzern votiert für personalisierte Tickets
Das Parlament beauftragt die Luzerner Regierung, neue Massnahmen gegen Vandalismus und Gewalt in Zusammenhang mit FCL-Spielen zu prüfen. Im Zentrum der Diskussion steht die Kontroverse um personalisierte Tickets.
https://www.zentralplus.ch/politik/kantonsrat-luzern-votiert-fuer-personalisierte-tickets-2498520/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/kantonsrat-personalisierte-tickets-an-fcl-spielen–ld.2380404


++++JUSTIZ
Studie „Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen“
Grundlagen zum Diskriminierungsschutz in der Schweiz
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/geschlechterpolitik/publikationen/diskriminierungsstudie.html?zur=2


+++PSYCHIATRIE
derbund.ch 29.11.2022

Unfreiwillig in Psychiatrie: Happige Kritik am Obergericht wegen Zwangsmassnahmen

Zu lange Verfahrensdauern und potenziell befangene Gutachter: Ein Bericht beschreibt Mängel am Gericht, das im Kanton Bern über Zwangsmassnahmen urteilt.

Marius Aschwanden, Brigitte Walser

Jeder dritte Patient im Psychiatriezentrum Münsingen (PZM) kam nicht freiwillig dorthin. Er wurde entweder von den Behörden oder einer Ärztin eingewiesen – gegen seinen Willen. Fürsorgerische Unterbringung (FU) nennt sich das in der Schweiz. 2021 waren im gesamten Kanton Bern 1700 Personen von einer unfreiwilligen Einweisung in eine Psychiatrie betroffen. Die Tendenz ist in den vergangenen Jahren steigend.

Auch in den Psychiatrien selbst ist Zwang – Fixierung, Isolation, Zwangsmedikation – als letztes Mittel zugelassen.

Patientinnen und Patienten sind dem aber nicht schutzlos ausgeliefert. Sie können sich dagegen wehren. Jetzt zeigt allerdings der Untersuchungsbericht zu den Missständen am PZM nicht nur, dass dort Zwangsmassnahmen zu oft und zu lange angewendet wurden. Er weist auch darauf hin, dass das Beschwerdeverfahren im gesamten Kanton Bern nicht richtig funktioniert.

Thomas Maier, der Autor des Berichts, kommt zu einem vernichtenden Fazit: Das zuständige Gericht nehme seine Aufsichtspflicht nicht wirksam wahr und untergrabe die Rechtssicherheit und das Vertrauen von Patienten und Angehörigen in die Vorgänge in der Psychiatrie. «Für den Ruf der Psychiatrie ist das ein folgenschwerer Missstand.»

Um was geht es konkret?

Fristen werden oft nicht eingehalten

Patientinnen und Patienten, die eine Zwangsmassnahme erfahren haben, können beim Kindes- und Erwachsenenschutzgericht (KES-Gericht) Beschwerde dagegen einreichen. Das Gericht muss dann schnell – gemäss Gesetz «in der Regel innert fünf Arbeitstagen» – entscheiden, ob die Zwangsmassnahme rechtens ist oder aufgehoben werden muss.

Maier kritisiert, dass im Kanton Bern diese Frist oft nicht eingehalten werde – und nennt verschiedene Beispiele. In einem von ihm untersuchten Fall vergingen zwischen Beschwerdeeingang und Verhandlung 20 Arbeitstage. Anschliessend sei der Rekurs ohne Entschuldigung für die Verzögerung mit dem Verweis abgewiesen worden, der Zwangsaufenthalt in der Klinik sei ohnehin bald zu Ende.

«Das kommt praktisch einer Rechtsverweigerung gleich, da dem Patienten die gerichtliche Überprüfung der Unterbringung nahezu bis zum Ablauf der Unterbringungsdauer verweigert wird», so Maier im Bericht.

Das Gericht muss seinen Entscheid auf das Gutachten einer sachverständigen Person stützen, so verlangt es das Gesetz. Auch in diesem Punkt übt der Experte Kritik: Wohl der Einfachheit halber würden Fachpersonen aus dem PZM beauftragt, Patienten aus dem PZM zu begutachten. Damit leide das Vertrauen in das Verfahren, denn interne Gutachter könnten die Fälle nicht unabhängig beurteilen.

Schliesslich stellte Maier bei seiner Untersuchung fest, dass das KES-Gericht im Rahmen solcher Beschwerdeverfahren verschiedentlich Hinweise auf fragwürdige Behandlungsmethoden bei schwer traumatisierten Patientinnen erhalten hat. Trotzdem hätten die Richter dies in ihren Urteilen nicht kommentiert und schon gar nicht Aufsichtsbeschwerde bei der Gesundheitsdirektion eingereicht.

Pro Mente Sana kennt das Problem. Die Stiftung, die sich für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung einsetzt, weiss ebenfalls von Fällen, die länger dauerten als fünf Tage. Werde diese Frist nur kurz überschritten, um eine sorgfältige Abklärung zu ermöglichen, könne dies im Sinne einer guten Qualität sein. Doch 20 Tage seien nicht tolerierbar.

Gericht sieht sich nicht als Aufsichtsbehörde

Die Gerichtsbehörde selbst teilt «viele» der im Untersuchungsbericht über die KES-Gerichts-Verfahren gemachten Schlussfolgerungen nicht, wie es in einer schriftlichen Stellungnahme heisst. Sie ist der Meinung, dass «aus gewissen Einzelfällen verallgemeinernde, nicht zutreffende Schlüsse gezogen wurden».

Insbesondere sei das KES-Gericht nicht Aufsichtsbehörde über die psychiatrischen Kliniken. Deshalb sei es auch nicht an ihm, die fachliche Qualität der Behandlungen «generell zu beurteilen».

Zum Vorwurf, dass die Beschwerdeverfahren bei fürsorgerischen Unterbringungen zu lange dauern, hält das Gericht fest, dass diese bis im Oktober 2021 «durchschnittlich rund fünf Arbeitstage» gedauert hätten. Seit damals sei es allerdings tatsächlich nicht mehr möglich, die Frist einzuhalten. Dies aufgrund eines Bundesgerichtsurteils.

Darin kritisierten die obersten Schweizer Richter, dass der Kanton Bern bei Beschwerdeverfahren gegen ärztlich angeordnete FU keine externen Gutachten einholte. Der Kanton Bern hatte darauf verzichtet, weil dem Gericht Psychiater als Fachrichter angehörten. Mit der Umsetzung des Urteils sei die durchschnittliche Frist bis zu einem Entscheid auf acht Arbeitstage angestiegen, schreibt das KES-Gericht.

Die Situation, dass als Gutachter auch Ärzte aus derselben Institution zum Zug kommen, in der sich der betroffene Patient aufhält, finden allerdings auch die Gerichtsbehörden nicht ideal. Momentan würden aber im Kanton Bern schlicht externe Profis fehlen, die derart kurzfristig und in der benötigten Anzahl Gutachten erstellen könnten.

Um das Problem ein wenig zu entschärfen, dürften die beigezogenen Klinikärzte aber nicht in die Behandlung der Person involviert sein. Zudem sei man daran, den Prozess zu verbessern und anzupassen – dies allerdings unabhängig vom Untersuchungsbericht. «Es ist geplant, künftig einen Pool mit unabhängigen Sachverständigen zu bilden», so das KES-Gericht.

Auch Ethiker äussert Bedenken

Die Argumentation, dass es sich lediglich um Einzelfälle handelt, bei welchen die Beschwerdefrist nicht eingehalten werden kann, scheint allerdings zumindest fraglich. Denn auch Manuel Trachsel sagt: «Mir ist das Problem im Kanton Bern aus eigener ärztlicher Tätigkeit bekannt.» Er hat bis vor einigen Jahren als Oberarzt an den Psychiatrischen Diensten Thun gearbeitet.

Aktuell ist Trachsel klinischer Medizinethiker am Universitätsspital Basel sowie an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. In dieser Funktion befasst er sich unter anderem mit ethischen Aspekten von Zwangsmassnahmen.

Zur Situation im Kanton Bern sagt Trachsel: «Aus ethischer Sicht ist das ein unhaltbarer Zustand.» Für einen Patienten, der unfreiwillig in die Klinik eingewiesen wurde, sei es hoch relevant, wie rasch das Gericht einen Entscheid fälle. «Wenn die Anhörung erst nach 20 Tagen stattfindet, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Aufenthaltsdauer in der Klinik in der Summe länger ausfällt, als wenn rasch entschieden würde», sagt Trachsel.

Noch problematischer sei es bei Fixierungen oder Isolation innerhalb der Kliniken. Hier sei schon die gesetzlich vorgeschriebene Frist von 5 Tagen lang. «Dauert es noch länger, wird man der besonderen Verletzlichkeit dieser Patientengruppe zu wenig gerecht.»

40 Prozent der Fälle landen vor Gericht

Wenn man sich unter psychiatrischen Fachpersonen umhört, wird klar, dass niemand einen genauen Überblick hat, wie gut die zuständigen Gerichte die Beschwerdefristen einhalten oder eben nicht. Trachsel ist aber der Meinung, dass es durchaus Kantone gebe, die schneller entscheiden als Bern.

Klar ist, dass jeder Kanton selber bestimmen kann, welche Gerichtsbehörde für Zwangsmassnahmen zuständig ist. Sie muss die eingewiesene Person persönlich anhören. Gemäss Pro Mente Sana geschieht das meistens in der Klinik.

Im Kanton Bern hingegen werden die Patientinnen und Patienten in einen Gerichtssaal vorgeladen, was mitunter mit Schwierigkeiten verbunden ist. Nicht selten muss das Gericht zum Schutz der Betroffenen oder der Gerichtsmitglieder die Polizei zur mündlichen Verhandlung aufbieten, wie den Tätigkeitsberichten zu entnehmen ist.

Beschwerden gegen fürsorgerische Unterbringungen gibt es nicht wenige. Gegen 40 Prozent der FU im Kanton Bern gelangen vor Gericht. Wie oft eine solche Beschwerde erfolgreich ist, ist unklar. In manchen Kantonen schätzen Fachpersonen aber, dass rund ein Drittel aller fürsorgerischen Unterbringungen durch das zuständige Gericht aufgehoben werden.
(https://www.derbund.ch/fuer-den-ruf-der-psychiatrie-ist-das-ein-folgenschwerer-missstand-427316234721)

-> Bericht: https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=c0e06d9e-95f7-4e7c-a1d4-b39a970cd085


+++KNAST
Staatsanwaltschaft führt Verfahren wegen Begünstigung, passiver Bestechung und Amtsmissbrauchs: Zwei Wärter von Basler Knast verhaftet!
Im Untersuchungsgefängnis Waaghof in Basel-Stadt soll mit Handys und Drogen gedealt worden sein. Laut Blick-Recherchen wurden kürzlich zwei Angestellte verhaftet. Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass sie «ein Verfahren gegen mehrere Personen im Umfeld» des UGs führt.
https://www.blick.ch/schweiz/basel/staatsanwaltschaft-fuehrt-verfahren-wegen-beguenstigung-passiver-bestechung-und-amtsmissbrauch-zwei-angestellte-des-basler-waaghof-knastes-verhaftet-id18096745.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/polizeirapport/638379625-handys-sex-und-fluchtplaene-basler-gefaengnis-angestellte-in-u-haft
-> https://www.20min.ch/story/securitas-verhaftet-sicherheitsfirmen-im-gefaengnis-sind-fragwuerdig-729555806338
-> https://www.20min.ch/story/sex-drogen-und-handys-fuer-haeftlinge-securitas-angestellte-verhaftet-870805659356
-> https://telebasel.ch/2022/11/29/gefaengnisaufseher-von-waaghof-selbst-in-u-haft/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%204&channel=105100



tagesanzeiger.ch 29.11.2022

Sex und Drogen im Basler Waaghof: Gefängnisaufseher und Insassen stecken unter einer Decke

Zwei Securitas-Mitarbeitende sind verhaftet worden. Sie sollen den Häftlingen geholfen haben, Fluchtpläne zu schmieden – und noch mehr.

Leif Simonsen

Von wegen öder Gefängnisalltag. Im Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof sorgten Securitas-Angestellte wenn nicht für Rock ’n’ Roll, so doch zumindest für Sex und Drugs. So lange, bis die Staatsanwaltschaft intervenierte. Am 5. November war der Spass vorbei. Die Gefängnisleitung informierte die Mitarbeitenden per Mail darüber, dass zwei Securitas-Mitarbeitende vorläufig festgenommen worden seien. Der Vorwurf: Amtsmissbrauch. Es handelt sich um eine 26-jährige Schweizerin sowie einen 27-jährigen Deutschen.

Der Gefängnisleiter zog es vor, die Mitarbeiter mündlich darüber ins Bild zu setzen, was im Waaghof passiert ist. «Er erzählte uns, dass Handys und Drogen im Spiel gewesen seien, aber auch sexuelle Dienstleistungen», sagt eine Person, die im Waaghof arbeitet. Es sei zu den Mitarbeitenden durchgedrungen, dass die beiden Securitas-Angestellten kooperiert hätten. «Der Vorwurf lautet auch auf Hilfe zur Vorbereitung der Flucht», heisst es aus der Mitarbeiterschaft. Als gesichert gilt zudem, dass die 26-jährige Schweizerin den Häftlingen sexuelle Dienstleistungen angeboten hat, während ihr Securitas-Arbeitskollege Wache stand.

Getrennt in Lenzburg untergebracht

Martin Schütz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt (Stawa), bestätigt, dass derzeit «gegen mehrere Personen im Umfeld des Untersuchungsgefängnisses» Verfahren geführt würden. «Dabei geht es um den Verdacht unter anderem auf Begünstigung, passive Bestechung und Amtsmissbrauch.» Wegen des Amts- und Untersuchungsgeheimnisses sowie mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten äussere sich die Stawa aber nicht weiter zum hängigen Verfahren. Schütz sagt nur so viel: «Zurzeit sind zwei Personen in Untersuchungshaft.»

Hierbei wird es sich um die 26-jährige Schweizerin sowie den 27-jährigen deutschen Securitas-Angestellten handeln. Wohl aus Angst vor Absprachen und weiterer Zusammenarbeit mit den Häftlingen sind die beiden in die Untersuchungshaft nach Lenzburg AG gebracht worden. Dies mit dem Hinweis, die Beschuldigten während des Verfahrens zu trennen.

Immer wieder Fluchtversuche mit Aufseherinnen

Die Securitas will zum Fall keine Auskunft geben – dies ebenfalls mit dem Argument, es handle sich um ein «hängiges Verfahren». Securitas-Sprecher Urs Stadler stellt aber klar, dass eine Verurteilung der Angestellten eine Kündigung zur Folge hätte. «Bereits bei der Anstellung müssen die Bewerber nachweisen, dass sie keine Vorstrafen haben. Und wenn sie sich während des Anstellungsverhältnisses strafbar machen, ist eine Weiterbeschäftigung unmöglich.»

Dass Gefängnisaufseherinnen und -aufseher die nötige Distanz zu den Häftlingen vermissen lassen, kommt immer wieder vor. Erst im Sommer sorgte ein spektakulärer Ausbruch im US-Bundesstaat Indiana für Aufsehen, wo eine Justizvollzugsbeamtin gemeinsam mit einem inhaftierten Mordverdächtigen türmte. Zehn Tage war das Liebespaar auf der Flucht, ehe es gefasst wurde. Die Justizvollzugsbeamtin brachte sich daraufhin um.

Auch in der Schweiz kommt es vor, dass sich Aufseherinnen in Insassen verlieben und ihnen zur Flucht verhelfen. Zur schweizweit bekanntesten Fluchthelferin wurde 2016 Angela Magdici. Sie hatte sich bei der Arbeit in den verurteilten Vergewaltiger Hassan Kiko verliebt und diesem den Ausbruch aus dem Limmattaler Gefängnis ermöglicht. Dieser Fluchtversuch endete ebenfalls nach zehn Tagen. Immerhin schaffte es das Liebespaar in die Lombardei, ehe es aufgegriffen wurde.

Anders in Basel. Der Gefängnisleiter schrieb am 5. November in seinem Informationsmail an die Mitarbeitenden, es habe «am Morgen um 7.10 Uhr einen Zugriff der Stawa/Kapo bei uns im Untersuchungsgefängnis» gegeben. Ein ziemlich nüchternes Ende der feuchtfröhlichen Eskapaden also.
(https://www.tagesanzeiger.ch/gefaengnisaufseher-und-insassen-stecken-unter-einer-decke-505948453879)



Todesfälle im Freiheitsentzug
Diese Übersichtsliste beinhaltet Medienberichte zu Todesfällen und Gesundheitsschäden von Gefangenen in Zusammenhang mit einer Inhaftierung. Der Schutzbereich des Rechts auf Leben nach Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention erstreckt sich nicht nur auf Todesfälle, sondern auch auf Situationen, die gesundheitsschädigend sind und potenziell tödliche Auswirkungen mit sich bringen.
https://www.humanrights.ch/de/anlaufstelle-strategische-prozessfuehrung/falldokumentation/menschenwuerdiger-freiheitsentzug/todesfaelle-freiheitentzug/


+++ZOLL
Parlament ist einverstanden mit Schengen-Weiterentwicklungen
Die Schweiz kann mehrere Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstandes übernehmen. Als Zweitrat hat am Dienstag der Ständerat einer Reihe von Gesetzesänderungen zugestimmt. Zudem erklärte er sich einverstanden, dass das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) Zugriff auf mehrere Schengen-Datenbanken erhält.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2022/20221129090157560194158159038_bsd051.aspx


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Todesfall in Auffanglager, Umweg humanitäres Visum, Demos für Kurdistan & Iran
https://antira.org/2022/11/28/todesfall-in-auffanglager-umweg-humanitaeres-visum-demos-fuer-kurdistan-iran/


Gesucht: Bessere Handhabe gegen rassistische Diskriminierung
Die Bekämpfung von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist unzureichend
In der Schweiz sind die Gesetze zur Verhinderung und Bestrafung von rassistischer Diskriminierung lückenhaft. Die Schweiz wird deswegen regelmässig von internationalen Menschenrechtsgremien kritisiert. Das SKMR hat mehrere Interviews mit Kennerinnen der Praxis in anderen Ländern geführt und als Beispiel den belgischen Rechtsrahmen analysiert. Es dokumentiert Erfahrungen, die Ansätze für eine Verbesserung in der Schweiz liefern können.
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/migration/artikel/gesucht-bessere-handhabe-gegen-rassistische-diskriminierung.html?zur=2


+++HISTORY
Hergeholt, doch ausgegrenzt
Hergeholt, doch ausgegrenzt: Prekäre Arbeitsmigration gestern und heute.
In dieser Sendung widmen wir uns den prekären Arbeitsbedingungen von Migrant:innen in der Schweiz, gestern und heute. Wir reden mit einem ehemaligen Saisonnier, der aus Italien in die Schweiz einreiste und hier jahrelang auf Baustellen gearbeitet hat. Auch eine Portugiesin kommt zu Wort, die zwar seit Jahrzehnten in der Schweiz arbeitet, aber immer noch keinen sicheren Aufenthaltsstatus hat. Fest steht: Es muss sich etwas ändern an der Migrationspolitik.
Eine Sendung der Gewerkschaft Unia, produziert von Wilma Rall und Sarah Heinzmann.
https://rabe.ch/2022/11/29/hergeholt-doch-ausgegrenzt/


Die Vergangheit des Zermatter Gemeiindeschriebers Daniel Anrig:
https://twitter.com/marcokistler/status/1597347084109504513?t=aYnfr_yugzUqPsr2yY5AWw&s=31


Bulletin Nr. 39; Oktober 2003
Die Glarner Polizei misshandelt und demütigt Asylbewerber
«Das machen wir immer so»
Bei einer Razzia im Kanton Glarus kam es in drei Durchgangszentren für Asylsuchende zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Die Kantonspolizei Glarus streitet nichts ab, findet ihr Vorgehen aber «normal». Ein gefährlicher Präzedenzfall.


Bulletin Nr. 40; Dezember 2003
Entscheid über die Razzien in den Flüchtlingsunterkünften im Kanton Glarus
Illegal ja, strafbar nein
Der Entscheid des Untersuchungsrichters zu den Razzien in den Asylbewerberheimen im Kanton Glarus ist überraschend: Obwohl er die Ungesetzlichkeit des polizeilichen Vorgehens feststellt, wird das Strafverfahren eingestellt. Die Justiz bleibt weiterhin blind, wenn es um Rassismus und Taten der Polizei geht.
https://www.augenauf.ch/bulli/art/b040a03.php