Medienspiegel 27. November 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Petit-Val BE | 27. November 2022
Ein weiteres Asylheim im Kanton Bern
Das ehemalige Hotel Centre de Sornetan wurde bereits im Frühling als Kollektivunterkunft eingerichtet und hätte Waisenkinder aus der Ukraine beherbergen sollen. Dazu kam es aber nicht.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/205191/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
„From Bern to Athens: Defend Rojava and .@Prosfygika
In den frühen Morgenstunden des 22.11.22 begann eine gewaltvolle Polizeioperation in der besetzten Nachbarschaft Prosfygika in Athen. Thread“
Mehr: https://twitter.com/farbundbeton/status/1596843413210472450
-> https://barrikade.info/article/5490


Basel: «Abmahnung half nichts» – Polizei schiesst mit Gummi auf Frauen-Demo
Am Freitag fand eine unbewilligte Demonstration gegen Gewalt an Frauen statt. Die Polizei intervenierte. Nun veröffentlichen Demonstrierende Fotos von Verletzungen, die ihnen durch Gummischrot zugefügt worden seien. Der Einsatz war verhältnismässig, so die Polizei.
https://www.20min.ch/story/demoteilnehmerinnen-wurden-durch-gummigeschosse-am-kopf-verletzt-297673741865


+++RASSISMUS
«Sie wollen nicht, dass wir mitreden»
Yuvviki Dioh, Diversitätsbeauftrage am Schauspielhaus, und Critical Race Theoretikerin Danielle Isler über den Hass, der einem entgegenschlägt, sobald man sich als Schwarze Frau öffentlich exponiert, weshalb «Lauwarm» nicht einmal ein tausendstel Tropfen von kultureller Aneignung ist und wie sie es hinkriegen wollen, am Ende ihres Kampfes gegen Rassismus nicht verbittert zu werden.
https://tsri.ch/zh/sie-wollen-nicht-dass-wir-mitreden-yuvviki-dioh-danielle-isler-im-interview.znHrdDTVnvVjenlK


+++RECHTSEXTREMISMUS
Erst nach 20-Minuten-Intervention verschwand das Profil des Neonazis
In eindeutig antisemitischen Posts eines bekannten Basler Neonazis konnte die «Technologie» von Instagram keine Verstösse gegen die Gemeinschaftsrichtlinien erkennen.
https://www.20min.ch/story/trotz-meldungen-instagram-ignoriert-antisemitische-posts-von-neonazi-957841581444


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Corona-Verschwörungstheorien – «Beide Lager haben sich wechselseitig sehr stark abgewertet»
Soziologe Nachtwey befragte für sein Buch Querdenker. Im SRF-Gespräch erklärt er die Gründe für deren Radikalisierung.
https://www.srf.ch/news/gesellschaft/corona-verschwoerungstheorien-beide-lager-haben-sich-wechselseitig-sehr-stark-abgewertet


+++ANTI-WOKE-POPULISMUS
Sonntagszeitung 27.11.2022

Kommentar zum Blackfacing-Jodler: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen falscher Schminke. Geht es noch absurder?

Ein Jodler verkleidete sich als Afrikaner, jetzt soll das Antirassismus-Gesetz zum Zug kommen. Der Fall zeigt: Die Strafnorm wird zusehends missbraucht.

Rico Bandle

Der Jodlerchor Walzenhausen hatte sich zu einem Lied mit afrikanischen Klängen einen besonderen Gag ausgedacht: Einer der Jodler trat mit schwarz geschminktem Gesicht und einem Bastrock auf die Bühne.

Ein Zuschauer filmte die Szene und schickte das Video an «20 Minuten». Das Onlineportal nahm es dankbar auf. «Blackfacing – Jodlerverein sorgt für Rassismus-Eklat», titelte das Blatt. Viele andere Medien nahmen das Thema auf, im Appenzellerland machte sich Nervosität breit. Am nächsten Tag konnte «20 Minuten» triumphierend vermelden: «Die Staatsanwaltschaft von Appenzell Ausserrhoden hat aufgrund der Berichterstattung von ‹20 Minuten› zum Blackfacing-Vorfall beim Jodlerchor Walzenhausen ein Strafverfahren eröffnet.»

Man kann die Aktion des Chors deplatziert und geschmacklos finden oder sogar eine Verhöhnung von Dunkelhäutigen. Selbstverständlich soll man dies auch deutlich äussern können. Aber daraus gleich einen Straffall machen? Selbst Rechtsprofessor Marcel Niggli, Verfasser eines Standardwerks zum Antirassismus-Gesetz, kritisiert, wie die Strafnorm «in alle Richtungen ausufert»: «Es kann doch nicht sein, dass ich bestraft werde, weil ich etwas mache, durch das sich andere beleidigt fühlen.»

Dass das Gesetz wegen falscher Schminke aufgerufen wird, widerspricht auch der ursprünglichen Absicht der Strafnorm.

Der Videobeitrag von «20 Minuten».
Video: 20 Min
https://unityvideo.appuser.ch/video/uv10860080h.mp4

Als die Vorlage 1994 vors Volk kam, sprach sich selbst SVP-Tribun Christoph Blocher für eine Annahme aus. Zwar äusserte er einige Bedenken, kam aber zum Schluss, ein Ja sei «das kleinere Übel»: «Sie [die Strafnorm] versucht, die Auswüchse des Rassismus – ein ernsthaftes Problem – zu bekämpfen.»

Die Schweiz hatte damals tatsächlich ein Problem. Nazis aus ganz Europa nutzten das Land als Stützpunkt, um ihre Propaganda zu verbreiten – im Gegensatz zum umliegenden Ausland war dies hier legal. Ein unhaltbarer Zustand, da war man sich bis weit ins rechte Spektrum einig. Dies zu unterbinden, war das Hauptargument für das neue Gesetz. Alle Einwände, man dürfe dann gewisse Witze nicht mehr erzählen, es handle sich um einen «Maulkorb-Artikel», wiesen die Befürworter weit von sich. Es gehe nur um krasse Fälle von Rassismus, wie eben Holocaust-Leugnung.

Selbst wenn es beim Fall mit dem schwarz geschminkten Jodler zu keiner Verurteilung kommt: Dass die Staatsanwaltschaft überhaupt ermittelt, ist eine bedenkliche Entwicklung. Sollte dies Schule machen, sind die Konsequenzen gravierend: Wer sich an der Fasnacht als Indianerhäuptling oder als Aladin verkleidet, müsste fürchten, in die Fänge der Justiz zu geraten.

Der Schritt dahin ist klein: Bei der Antirassismus-Strafnorm handelt es sich um ein Offizialdelikt. Das heisst, jede Person kann einen Vorfall melden; die Behörden sind verpflichtet, den Sachverhalt zu prüfen. Dass unter dem Druck der Medien dann Ermittlungen aufgenommen werden – wie jetzt beim Jodler –, ist schnell geschehen. Schliesslich wollen sich die Behörden auf keinen Fall dem Vorwurf aussetzen, Rassismus zu dulden.

Dabei ist nach aktueller Auslegung das «Blackfacing» weit davon entfernt, unter die Strafnorm zu fallen. «Selbst wenn es sich dabei um eine Beleidigung einer Gruppe handeln würde: Dies allein ist nicht strafbar», sagt Niggli. Dazu müsste klar geäussert werden, dass eine bestimmte Bevölkerungsgruppe weniger wert sei oder weniger Rechte haben soll. «Wenn der Jodler gesagt hätte, Afrikaner seien Schädlinge, Verbrecher oder dass sie alle eingesperrt oder vernichtet werden sollten, dann wäre das strafbar. Eine Verkleidung oder ein geschmackloser Witz reicht nicht.»

Die erweiterte Auslegung des Antirassismusgesetzes ist nicht nur bezüglich der Meinungsfreiheit – in diesem Fall: Verkleidungsfreiheit – fragwürdig, sondern auch aus gesellschaftlicher Sicht: Dass Konflikte und Meinungsverschiedenheiten zunehmend juristisch ausgetragen werden, statt miteinander zu reden, kann niemand ernsthaft gut finden.
(https://www.derbund.ch/staatsanwaltschaft-ermittelt-wegen-falscher-schminke-geht-es-noch-absurder-906132408877)



Sonntagszeitung 27.11.2022

Anna Schneider im Interview: «Gleichstellung? Mich ekelt fast schon das Wort»

Sie kämpft für freiheitliche Werte – und wird dafür entweder geliebt oder gehasst. Die Buchautorin Anna Schneider erklärt, weshalb sie gegen Frauenquoten ist, sie die Klimabewegung für gefährlich hält und die Schweiz ein Vorbild ist.

Rico Bandle

Eben kommt sie von einem Auftritt im Sat1-Frühstücksfernsehen, am Abend zuvor war sie in der ARD-Talkshow «Maischberger» zu Gast. Überall stellt die 32-jährige Journalistin ihr neues Buch «Freiheit beginnt beim Ich» vor – und sorgt dabei für Wirbel. Mit markanten Worten und einer guten Portion Humor stellt sie sich gegen den Zeitgeist: Sie prangert die staatliche Bevormundung an, kritisiert die Opferhaltung von Frauen und Minderheiten und plädiert für mehr Eigenverantwortung.

Frau Schneider, Sie setzen sich für Freiheit und Individualismus ein. Geht es nicht eher um Egoismus?

Das wird mir oft vorgeworfen. Aber das ist falsch. Die letzten Krisen, vor allem die Corona-Krise, haben gezeigt, wie schnell der Staat grundlegende Freiheitsrechte einschränken kann. Und leider auch, wie egal das vielen Leuten ist. Dabei basiert unser ganzer Menschenrechtsgedanke darauf, dass der Einzelne Rechte und Freiheiten hat, nicht das Kollektiv. Das hat nichts mit Egoismus zu tun, im Gegenteil.

Um eine Pandemie zu managen, sind gewisse Freiheitseinschränkungen unumgänglich.

Das wird so gesagt. Mich irritiert aber, wie viele Leute, vor allem Intellektuelle, plötzlich behaupten, es gebe so etwas wie «kollektive Rechte» und dass das Individuum kein Primat über das Kollektiv habe. Das widerspricht unseren westlichen Freiheitsvorstellungen fundamental.

Nochmals: Wenn man den Freiheitsbegriff so absolut fasst, ist das doch ein Freipass für egoistisches Verhalten.

Überhaupt nicht. Freiheit entbindet den Einzelnen nicht von der Verantwortung für seine Taten. Man muss sich der Konsequenzen für sein Handeln bewusst sein und diese auch tragen. Es wird ja immer der verhängnisvolle Satz zitiert: «Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt.» Das impliziert, dass Freiheit eine Gefahr darstellt. Dabei erwächst meistens etwas Positives, wenn beide Menschen Freiheit geniessen.

Nehmen wir ein Beispiel. In der Schweiz wird darüber diskutiert, laute Fahrzeuge in Wohnvierteln zu büssen, ähnlich wie bei Geschwindigkeits­überschreitungen. Welche Freiheit ist höher zu gewichten: mit einem lauten Auto herumfahren zu dürfen oder ungestört schlafen zu können?

Kaum jemand würde sagen, dass es richtig ist, nachts laut durch eine bewohnte Strasse zu fahren. Aber stellen Sie sich vor, was ein solches Verbot zur Folge hätte. Was ist dann, wenn sich jemand am Lärm eines Kinderspielplatzes stört? Würde man dann die Kinder zum Flüstern auffordern?

Früher hätte man bei lauten Autofahrern wohl einfach an die Eigenverantwortung appelliert. Doch «Eigenverantwortung» ist zu einem toxischen Begriff geworden, selbst in der Schweiz. Weshalb?

Nach Corona erleben wir mit dem Ukraine-Krieg gerade die nächste Krise. Und Krisen sind immer schwere Zeiten für den Liberalismus. Alle rufen sofort nach dem Staat. Niemand kommt auf die Idee, erst einmal selber zu schauen, was man zur Bewältigung beitragen könnte. Corona war eine grosse Entmündigungsmaschinerie, ein Eigenverantwortungs-Abtrainierungsprogramm. Mit verheerenden Folgen. Den Freiheitsmuskel muss man trainieren, sonst verkümmert er.

Die Pandemie hat gezeigt, dass sich viele Leute nach klaren Regeln und Ansagen sehnen. Man ist froh, wenn einem gesagt wird, wie man sich zu verhalten hat und nicht selber entscheiden muss.

Das ist genau das Grundprinzip der Grünen. Die Partei, zumindest in Deutschland, lebt vom Glauben, dass der Mensch gerne entlastet werden möchte und dass er Verbote braucht, um Mutter Erde nicht zu zerstören. Als freiheitsliebende Person kann ich dazu nur sagen: Wenn das jemand wirklich will, dann soll er so leben. Für Liberale kann das aber kein Ziel sein.

Sie schreiben in Ihrem Buch: «Freiheit ist nichts für Feiglinge.» Weshalb ist es so schwierig, für die Freiheit einzustehen?

Weil der Zeitgeist aus einer anderen Richtung weht. Die beiden grossen gesellschaftskritischen Bewegungen der letzten Jahre haben den Kollektivismus zum Ziel: Die Antirassismusbewegung «Black Lives Matter» will die Menschen nach Hautfarben und anderen Kategorien schubladisieren und alle Weissen kollektiv zu Tätern erklären. Die Klimabewegung sagt offen, «der Kapitalismus ist gescheitert, wir brauchen ein neues System». Beide wollen also die Grundlage unseres Wohlstands abschaffen. Und dies zugunsten eines hehren Ziels, von dem kein Mensch weiss, ob wir es je erreichen werden. Mich schaudert es jedes Mal, wenn ich Klimaaktivisten skandieren höre «System Change, not Climate Change».

Haben die Aktivisten nicht auch ein Stück weit recht? Das Klimaproblem lässt sich kaum lösen, wenn alle weiterhin schrankenlos um die Welt fliegen können.

Das kann man so sehen. Aber dann muss man sich der Konsequenzen bewusst sein. Wenn ich viele Entscheidungen nicht mehr für mich selbst treffen kann, sondern mich dem Kollektiv fügen muss, verlieren wir alle freiheitlichen Errungenschaften, die wir uns über viele Jahrhunderte erkämpft haben. Es geht um grundlegende Werte: Dass jeder Mensch selber für sich entscheiden kann, unabhängig davon, woher er kommt, wie er ausschaut und was er machen will.

Wie will man grosse Probleme lösen, ohne Einschnitte durch den Staat?

Indem man Forschung und Innovation fördert. Man kann eine Person wie Elon Musk für crazy halten – ich finde ihn super. Ich glaube wirklich, dass Menschen wie er über genug Innovationsgeist verfügen, um uns Möglichkeiten offenzulegen, von denen wir heute nicht mal eine Ahnung haben. Wissenschaft und Technik werden uns bald die besseren Lösungen bieten als zurück in die Planwirtschaft und Unfreiheit zu gehen.

Sie schreiben im Buch: Je freier unsere Gesellschaft ist, desto mehr Leute sehnen sich nach Kollektivismus. Ähnliches gilt bei der Diskriminierungsfrage: Je gleichberechtigter die Gesellschaft, desto mehr fühlen sich diskriminiert. Wie kommt das?

Nie waren die Möglichkeiten der Selbstverwirklichung grösser als jetzt. Offensichtlich verursacht das in vielen Köpfen Stress. Man beschäftigt sich auf viel einfachere Art mit sich selbst, wenn man sich aufgrund seiner äusserlichen Merkmale einer klar definierten Opferkategorie zuordnen und auf die Täter zeigen kann. Sich damit auseinanderzusetzen, was im eigenen Kopf stattfindet, ist die wesentlich grössere Herausforderung.

Sie sagen, dass es Ihnen egal wäre, wenn ein Parlament nur aus Männern bestehen würde.

Diese Aussage hat für viel Herzrasen gesorgt im deutschen Fernsehen. Dabei wiederhole ich nur das, was unser repräsentatives Wahlsystem vorsieht: Dass ich Menschen aufgrund ihrer Inhalte wähle und nicht aufgrund ihres Aussehens, ihrer sexuellen Neigung, ihrer Religion oder ihres Geschlechts. Deswegen ist es logisch, dass es für mich auch in Ordnung wäre, wenn nur Männer im Parlament sitzen.

Frauen haben manchmal einen anderen Blick auf ein Problem, deshalb ist Vielfalt doch wünschenswert.

Es ist absurd zu glauben, dass man nur von einer Person repräsentiert werden kann, die dieselben äusserlichen Merkmale teilt. Meinungsvielfalt ist wichtiger als die Vielfalt von Äusserlichkeiten.

Die Schweizer SP lässt für die kommende Bundesratswahl nur Frauen zur Kandidatur zu, da sie sagen, sie seien eine «Gleichstellungspartei». Das ist doch verständlich.

Allein dieses Wort, «Gleichstellung»! Mich ekelt davor schon fast. Das bedeutet, dass man Menschen gleichmacht und ihnen das Individualistische abspricht. Doch kein Mensch ist gleich und wird es hoffentlich auch nie sein! Ich bin für Gleichberechtigung. Alle sollten gleiche Rechte und Chancen haben. Das ist etwas anderes als Gleichstellung.

Sie finden alle Bemühungen falsch, mehr Frauen in Führungsetagen zu bringen?

Man sagt immer, in den Geschäftsleitungen sässen zu wenig Frauen. Aber das ist doch kein Argument, um Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu bevorzugen. Man kann doch nicht eine vielleicht stattgefundene Diskriminierung mit neuer Diskriminierung bekämpfen. Alle diese Feministinnen, die am Glauben festhängen, «Oh mein Gott, wir leben noch immer im Patriarchat, alles ist so furchtbar!», liegen komplett falsch. Die Welt ist längst eine andere als vor 50 Jahren.

Sie sind mit 32 Jahren Chefreporterin bei der «Welt», einer grossen deutschen Zeitung. Sind Sie sicher, dass Sie die Stelle nicht erhalten haben, weil Sie eine Frau sind?

Eigentlich schon. Aber ich bin ja nicht naiv. Es gibt nicht viele liberale Frauen in unserem Beruf. Ich besetze eine Marktlücke, dessen bin ich mir bewusst. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass alle meine bisherigen Chefs mich ausgesucht haben, weil sie dachten: Da ist jemand, der die Dinge etwas anders sieht als die anderen – und dafür auch manch einen Shitstorm in Kauf nimmt.

Untersuchungen zeigen: Frauen wählen eher links als Männer, haben mehr Mühe mit dem Liberalismus. Weshalb?

Frauen entscheiden sich im Zweifel offenbar eher für die soziale Harmonie. Umweltschutz, soziale Gleichheit oder Feminismus sind ihnen wichtig, wie Studien belegen. Also landen sie eher bei linken Parteien, die diese Themen aktiv bespielen. Man weiss aus Studien auch, dass es Männern öfter egal ist, was andere Menschen von ihnen denken. Deshalb wählen sie häufiger kleine und extreme Parteien.

Sie haben nach ihrem Jus-Studium noch ein Semester Gender Studies studiert. Was haben Sie gelernt?

Das war ein Selbstversuch, weil ich der Meinung bin, dass man sich mit Dingen beschäftigen soll, die man hinterfragt oder kritisiert. Leider war das genau so erschreckend, wie ich gedacht hatte. Da herrschte so ein beklemmendes Gefühl, wie man es an einer Uni nie haben sollte.

Wie meinen Sie das?

Wir sassen am Anfang in einem Kreis und haben besprochen, welche Worte wir hier lieber nicht verwenden, damit sich niemand verletzt fühlt. Da war eine latente Angst: Wenn ich etwas Falsches sage, dann werde ich schief angeschaut oder bin dann nicht mehr erwünscht. Immer war klar: Die Welt ist ganz schlimm wegen des Patriarchats. Das zu hinterfragen oder gar Kritik am Fach zu üben, war ein Tabu.

Das tönt wie eine Karikatur eines solchen Studiengangs.

Hinzu kam, dass die subjektive Perspektive immer das Wichtigste war. Die «lehrveranstaltungsleitende Person» sagte jeweils, «es geht darum, wie ihr euch fühlt» und «es gibt kein Richtig und kein Falsch». Ich dachte mir: Welches Wissen soll ich hier erwerben, wenn es nur darauf ankommt, wie ich mich fühle und wie ich mich definiere? Gender Studies sind eine reine Pseudowissenschaft. Aber natürlich gibt es auch Vorlesungen, die durchaus bereichernd sind, etwa im Bereich Frauengeschichte, das möchte ich schon noch festhalten.

Macht man es sich nicht etwas gar einfach, wenn man sich über die Woke-Welle lustig macht. Am Ende geht es doch darum, dass niemand diskriminiert wird.

Ein Liberaler kann gar nicht für Diskriminierung sein, da zählt per Definition das Leistungsprinzip. Mich stört aber, wenn man sich in eine unmündige Opferrolle begibt. Will man wirklich so durchs Leben gehen? Klar, man soll und muss Missstände aufzeigen, aber sich auf das Opferdasein zu kaprizieren und das zu seinem einzigen Lebensinhalt zu erheben, finde ich schwierig.

Es gibt Stimmen, die sagen, wir haben den Höhepunkt Woke-Welle überschritten. Also, dass Menschen nach Hautfarbe und sexueller Ausrichtung eingeordnet und Opferpyramiden erstellt werden.

Das glaube ich nicht. Öffentliche Stellen fördern dieses Denken. In den Medien gibt es einen grossen Überhang an Redaktoren, die das gut finden. Von den Unis ganz zu schweigen, da gibt es viele Studiengänge, die diesem Thema frönen. Tatsächlich haben das einige Konservative und Liberale als Problem für die Freiheitswerte erkannt. Aber es gibt zu wenige Leute, die jenseits der simplen «Gender-Gaga»-Polemik klar zum Ausdruck bringen: «Freunde, wir pflegen das Leistungsprinzip, bei uns zählen die Fähigkeiten des Einzelnen und nicht, wie jemand ausschaut.»

An der Fussball-WM wollen alle «ein Zeichen setzen», in den westlichen Ländern wird fast mehr über Moral als über Sport gesprochen. In Deutschland scheint das am extremsten.

Das ist so. Alles, was in Deutschland passiert, passiert in der Schweiz und in Österreich mit drei Tagen Verspätung und hundert Dezibel leiser. Zudem tönt es in Deutschland immer moralisch erhaben. Im Sinne von: «Wir sind die Besten, und wir erklären der Welt jetzt, wie es richtig funktioniert.» Egal ob beim Klima oder den Frauenrechten in Katar. Diese Überheblichkeit, die man da an den Tag legt, ist sehr deutsch.

Ist das immer noch eine Art moralische Kompensation für den Zweiten Weltkrieg?

Ich weiss nicht. Jedenfalls wird damit der gegenteilige Effekt erzielt: Die Deutschen stellen sich wieder so dar, als wären sie die Allerbesten.

Die Schweiz sieht sich gerne als Land der Freiheit. Ein Vorbild für Sie?

Von aussen gesehen: ja. Ich habe die Schweiz während meiner Zeit bei der NZZ aber von innen erlebt und weiss, dass sie mit denselben gesellschaftspolitischen Themen kämpft wie Deutschland und Österreich. Doch nach wie vor fehlt der Schweiz vor allem dieses Bevormundende, dieses Paternalistische, das in Deutschland sehr ausgeprägt ist. Mein Land, Österreich, steht diesbezüglich irgendwo dazwischen.



Chefreporterin Freiheit

Anna Schneider(32), aufgewachsen in Niederösterreich, ist «Chefreporterin Freiheit» bei der deutschen Tageszeitung «Die Welt». Allein der Titel brachte ihr viel Häme ein, passt aber perfekt zur Journalistin, die sich konsequent für liberale Werte einsetzt. Sie hat in Wien Jura studiert und war Redaktorin im Berliner Büro der NZZ, bevor sie zur «Welt» wechselte. Durch ihre Talkshow-Auftritte und ihre Twitter-Aktivität gehört sie zu den bekanntesten und meistangefeindeten Journalistinnen im deutschsprachigen Raum. Eben erschien im DTV-Verlag ihr Buch «Freiheit beginnt beim Ich. Liebeserklärung an den Liberalismus». (rb)
(https://www.tagesanzeiger.ch/gleichstellung-mich-ekelt-fast-schon-das-wort-299182199571)


+++HISTORY
Sonntagszeitung 27.11.2022

Brians Anwalt im Porträt: «Bin ich Ihnen zu zynisch?»

Seit 50 Jahren kämpft der Anwalt Bernard Rambert für die Freilassung von Gefangenen. Nun setzt er sich ein für Brian, den berühmtesten Häftling der Schweiz. Was treibt den 76-Jährigen an?

Andreas Tobler

Den Begriff «Kampf» lehnt er ab. Er ist ihm zu militärisch. Aber kürzlich hat er wieder öffentlich gekämpft. Da sass Bernard Rambert im «Club» des Schweizer Fernsehens und setzte sich für Brian K. ein, den berühmtesten Häftling der Schweiz, der wegen mehrerer Delikte, die er während der Haft begangen haben soll, weiterhin in Untersuchungshaft bleibt. Nach sechs Jahren, die der heute 27-Jährige bereits in Gefangenschaft lebt.

Seit fünfzig Jahren kämpft der Zürcher Rechtsanwalt schon für bessere Haftbedingungen und die Freilassung von Gefangenen. Rambert hat fast alle vertreten, die es dabei zu einer gewissen Berühmtheit brachten: den Öko-Anarchisten Marco Camenisch, den Ausbrecherkönig Walter Stürm, die Aktivistin Andrea Stauffacher, den Zürcher Marc Rudin, der sich der palästinensischen Volksbefreiungsfront anschloss – und Mitglieder der Roten Brigaden. 1976 war er gar in Stammheim bei Andreas Baader, um für die RAF-Terroristen eine Haftbeschwerde vorzubereiten.

«Wir gingen sehr weit», hat Rambert vor einigen Jahren in einem Interview gesagt, in dem er auf sein Leben zurückblickte. Geht er jetzt wieder weit, vielleicht sogar zu weit, wenn er die sofortige Freilassung von Brian fordert? Wo verlaufen für Rambert eigentlich die Grenzen?

Er bezeichnet sich noch immer als Kommunist

Beim Treffen zeigt sich schnell: Der 76-Jährige ist ein freundlicher Mensch, der sich in der Gesellschaft zurechtgefunden hat. Obwohl er das wirtschaftliche System weiterhin ablehnt. Rambert bezeichnet sich noch immer als Kommunist.

Ein Widerspruch? Rambert verweist auf den griechischen Autor Periklis Korovessis: Zwei Jahre vor seinem Tod wurde dieser gefragt, ob er nun ein Bürgerlicher oder ein Linker sei. Der damals 77-jährige überlegte lange – und sagte dann, er wisse es nicht. Nur eines sei klar: dass er «nicht als Arschloch» sterben wolle.

Bisher habe er das «halbwegs» gut hinbekommen, meint Rambert. Wie schafft man das, kein Arschloch zu werden? Rambert überlegt und sagt: seinen eigenen Überzeugungen treu bleiben und von seinen politischen, ethisch-moralischen Vorstellungen nicht abweichen, um etwas zu erreichen.

Der Vater war Chef einer der grössten Elektrokonzerne

Rambert bezeichnet sich als Spät-68er: Erst gegen Ende seines Studiums, als er sich marxistischen Jura-Studenten anschloss, politisierte er sich. Begonnen hatte er sein Studium bereits 1966. Warum er so spät zur Bewegung kam, kann er heute nicht erklären. Schon zuvor habe es Momente gegeben, die wichtig waren für seine spätere Politisierung: Zusammen mit seinem Vater besuchte er die hochalpinen Staudämme, für die dieser als Ingenieur und späterer Chef von Elektrowatt verantwortlich war.

Bei diesen Besuchen habe ihn die Verachtung der Schweizer für die italienischen Gastarbeiter gestört. «Das fand ich abscheulich», sagt Rambert. Ein weiterer prägender Moment war der Fall einer jungen Frau, den er nach seinem Studium übernahm: Die damals 19-Jährige wurde zwangssterilisiert, weil sie einen Intelligenzquotienten von 70 hatte. Als sie die Beziehung zu ihrem Partner aufrechterhalten wollte, wurde die junge Frau in Hindelbank eingesperrt, «administrativ» versorgt, wie man damals sagte.

«Die Schweiz war damals wirklich noch im Mittelalter, womit ich nicht sagen will, dass sie heute in der Neuzeit angekommen ist», sagt Rambert. Das Recht habe damals nicht für alle gegolten. Und so sei das eigentlich noch heute.

Rechtsberatung zum Einheitstarif – das gibt es noch heute

Zusammen mit früheren Studienkolleginnen und -kollegen gründete Rambert 1975 das legendäre Anwaltskollektiv. «Die Arbeiterbewegung hatte Verbesserungen im Arbeits-, Miet- oder Sozialversicherungsrecht erkämpft», erinnert sich Rambert, «aber was nützen diese Errungenschaften, wenn sie nicht wahrgenommen werden können?»

Die Hürden für Rechtssuchende mussten gesenkt werden. Deshalb bot das Anwaltskollektiv Auskünfte zum fixen Tarif von 30 Franken an. Unabhängig davon, ob die Beratung nun 30 Minuten oder 2 Stunden dauerte. Sie seien buchstäblich überrannt worden, erinnert sich Rambert. Aus der gesamten Bevölkerung und mit unterschiedlichsten Anliegen.

Die Rechtsauskunft gibt es noch heute. Doch im Anwaltskollektiv gab es schon bald Streit, ob man auch Leute vertreten dürfe, die mit Waffen das System bekämpften.

Rambert war anderer Ansicht als seine Kollegen. Er wurde aus dem Kollektiv ausgeschlossen und machte sich selbstständig: Seine erste Klientin war die italienische Anarchistin Petra Krause, die Sprengstoffanschläge in der Schweiz verübt sowie Waffen an die RAF und weitere terroristische Organisationen geliefert hatte. Als der Schah von Persien Anfang 1975 in Zürich im Hotel Dolder abstieg, wollten Krauses Schweizer Kollegen den Schah mit Bomben in die Luft jagen.

Während der Haft trat Krause in den Hungerstreik. Eine Delegation weiblicher Abgeordneter aus Italien reiste nach Zürich, um sich für sie einzusetzen. Unter ihnen Susanna Agnelli, Schwester des damaligen Fiat-Direktors Giovanni Agnelli.

Heute nennt Rambert den Fall der italienischen Terroristin sein «Gesellenstück»: Er konnte mit der Zürcher Staatsanwaltschaft einen Deal abschliessen, weil die Schweiz damals das Doppelsteuerabkommen mit Italien nicht gefährden wollte. 1977 kam Krause frei und wurde in Rom wie ein Popstar empfangen.

Für ihn gibt es keine Wahrheit, sondern nur Sichtweisen

Ein Jahr vor Krauses Freilassung besuchte er den RAF-Terroristen Andreas Baader. In anwaltlicher Funktion, um die Haftbeschwerde für Strassburg vorzubereiten, wie Rambert betont. Natürlich habe es auch «ein propagandistisches Moment» gegeben, wenn ein Schweizer Anwalt die deutschen Terroristen besuchte. Aber damals sei ja auch Jean-Paul Sartre in Stammheim gewesen, meint Rambert. Tatsächlich hatte der Nobelpreisträger 1974 Baader ebenfalls besucht.

Die Methoden der RAF-Terroristen seien «natürlich diskutabel» gewesen, aber eine grundsätzliche Diskussion darüber würde bei diesem Gespräch zu weit führen, sagt Rambert. Was seine Klienten tatsächlich gemacht hatten oder planten, habe ihn als Strafverteidiger nicht zu interessieren, sagt er.

Wie er das meint, erklärt Rambert an einem Beispiel aus der Praxis: Eine Mutter misshandelte ihre Kinder auf schlimme Art und Weise, mit brennenden Zigaretten, die sie an die Finger der Kinder hält. Wenn er die Mutter verteidige, dann habe er zwar die Kinder zu respektieren, aber ihr Schicksal sei nicht sein Problem, sagt Rambert. «Um die Kinder kümmern sich die Staatsanwaltschaft und die Jugendorganisationen.» Aber die Mutter habe in diesem Moment nur ihn. Er sei dafür zuständig, dass sie einen fairen Prozess erhielte. «Unabhängig von dem, was sie gemacht hat.» Das sei ein sehr einseitiges Rollenverständnis. Aber ebenso einseitig sei der Staatsanwalt auf der anderen Seite des Prozesses.

Politisch fand er den Freispruch seines Vaters «zweifelhaft»

«Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Staatsanwalt nicht straffällig wird», sagt Rambert etwas später. Solch knackige Sätze platziert er einige im rund dreistündigen Gespräch. Die Wahrheit gibt es nicht, sagt er einmal, nur Sichtweisen. Es gebe auch keine Gerechtigkeit, kein Recht und Unrecht. Letztlich nehme jeder für sich in Anspruch, was ihm weiterhelfe.

«Bin ich Ihnen zu zynisch?», fragt er einmal. Das nicht. Aber man glaubt beim Gespräch einem Strafverteidiger gegenüberzustehen, der einst das grosse Ganze ändern wollte – und noch heute an die Grenze geht, um seinen Überzeugungen treu zu bleiben. Das schafft Rambert aber nur, indem er in seinem Leben Spaltungen und Widersprüche in Kauf nimmt.

So war das auch mit seinem Vater, der für den Mattmark-Staudamm verantwortlich war. Also für jenes Hochgebirgskraftwerk, bei dem es 1965 zur Katastrophe kam: Durch einen Gletscherabbruch wurden 88 Bauarbeiter, darunter 56 italienische Gastarbeiter, unter Eis und Geröll begraben. Keiner von ihnen überlebte. Ramberts Vater kam zusammen mit 16 weiteren Angeklagten vor Gericht. Alle wurden freigesprochen – «natürlich», fügt Rambert hinzu, der auch in diesem Fall von Klassenjustiz ausgeht. Durchaus begründet: Seit einigen Jahren ist bekannt, dass die Mattmark-Verantwortlichen wussten, welche Gefahr der Allalingletscher darstellte.

Persönlich habe er sich für den Freispruch seines Vaters gefreut, politisch fand er ihn «zweifelhaft», sagt Rambert. So war das auch, als seine Eltern während der Anti-AKW-Bewegung bedroht wurden, als Aktivisten Autos von Elektrowatt-Mitarbeitern anzündeten: Um seine Eltern habe er sich damals grosse Sorgen gemacht, sagt Rambert, zugleich habe er die Aktionen der AKW-Gegner politisch «nachvollziehbar» gefunden.

Einmal wollte er aussteigen und Lastwagenchauffeur werden

«Das Leben ist voller Widersprüche», sagt Rambert, «plus minus» habe er sie gut ausgehalten. Nur einmal wollte er aussteigen: In den 1980er-Jahren fühlte er sich ausgelaugt – und wollte Lastwagenchauffeur werden. «Meine Vorstellung war, allein in meiner Kabine meine Ruhe zu haben und mit niemandem reden zu müssen, wenn ich von Schweden bis nach Süditalien durchfahre.» Es blieb bei der Idee. Am Ende hat ihn sein Anwaltsberuf dann doch wieder gepackt.

Rambert ist es wichtig, zu betonen, dass er in seiner Karriere neben Fällen, die Schlagzeile machten, auch ganz gewöhnliche Rechtsstreitigkeiten als Anwalt übernahm. Heute ist er in zweiter Ehe verheiratet, Kinder hat er keine. Dass sich «das grosse Ganze» zu seinen Lebzeiten nicht mehr ändern lasse, habe er vor 25 oder 30 Jahren eingesehen. «Alle unsere Kämpfe waren vergebens, aber nicht sinnlos», zitiert er einen Roman des deutschen Autors Alfred Andersch, den er gerade gelesen hat. Rambert würde den Satz etwas abändern: Viele Kämpfe der radikalen Linken seien vergeblich gewesen in Bezug auf das grosse Ganze, «aber nicht sinnlos, wenn es um das Schicksal des Einzelnen geht».

So sei das auch jetzt bei der angestrebten Freilassung von Brian: Erstmals begegnet ist er dem berühmtesten Häftling der Schweiz im Frühling 2021. Sein Bürokollege Philip Stolkin hatte Rambert angefragt, ob er ihn unterstützen wolle.

Bei der ersten Begegnung habe ihn Brian tief beeindruckt: «Er sass in einem kleinen Räumchen», erzählt Rambert, «an den Händen gefesselt.» Durch ein Panzerglas von seinem Anwalt getrennt. So etwas habe er noch nie erlebt. «Als ich rausging, hat er gesagt: ‹Lassen Sie bitte die Tür auf›.» Brian habe noch einen Blick in das Besucherzentrum werfen wollen. «Ich habe in seinen Augen gesehen, wie gierig er es aufsog, andere Menschen sehen zu können.»

Brian habe ein Netz von Leuten, die ihn stützen würden

Als Strafverteidiger hat Rambert auch Enttäuschungen erlebt. Einige seiner Klienten wurden rückfällig. Einer von ihnen hat ihn gar betrogen. «Da haben wir uns so viel Mühe gegeben und dann … fuck it», fasst Rambert seine Emotionen in solchen Momenten zusammen.

Selbstverständlich entstünden aber auch Beziehungen zu Klienten, die Bestand hätten. Aber er könne sich nach einer Freilassung nicht um jeden Einzelnen kümmern, ihm eine Wohnung oder einen Job suchen. «Das übersteigt meine Möglichkeiten, und es ist auch nicht meine Aufgabe, sondern die des Staates», sagt Rambert.

Viele könnten sich schon während der Haft auf ein Netz verlassen, das sie in der Freiheit auffangen werde. So sei das bei Marco Camenisch gewesen. Und so wäre es auch bei Brian, der viele Leute um sich habe, die ihn respektieren und stützen würden, sagt sein Anwalt.

Aber was, wenn Brian freikommt und dann jemanden tätlich angreift? Brian sei nicht gefährlicher als der Durchschnitt, sagt Bernard Rambert. «Jetzt muss man ihm endlich die Möglichkeit geben, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/bin-ich-ihnen-zu-zynisch-879816609023)