Medienspiegel 18. November 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Auch geflüchtete Kinder haben das Recht auf Freizeit und Spiel
Geflüchtete Kinder und Jugendliche brauchen nicht nur Schutz und die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse, sondern haben auch ein Recht auf Freizeit, Ruhe und Spiel. Dies unterstreicht die Stadt Bern zum Internationalen Tag der Kinderrechte am Sonntag, 20. November.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/auch-gefluechtete-kinder-haben-das-recht-auf-freizeit-und-spiel


+++THURGAU
Flüchtlingsunterkunft in Konstanz sorgt auf Schweizer Seite für Kritik
Vor knapp einem Monat wurde im Festzelt in Konstanz, nahe der Schweizer Grenze, noch das Oktoberfest gefeiert. Jetzt soll dieses Zelt in eine Flüchtlingshalle für Ukrainerinnen und Ukrainer umfunktioniert werden. Das sorgt bei der Kreuzlinger SVP für Kritik und sie stellen eine schriftliche Anfrage an den Stadtrat Thomas Niederberger.
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/fluechtlingsunterkunft-in-konstanz-sorgt-auf-schweizer-seite-fuer-kritik-00199029/


+++SCHWEIZ
Sozialhilfe: «Wenn ich mein Auto abgeben muss, gehe ich zurück in die Ukraine»
Schluss mit der Sonderbehandlung. Ukrainische Geflüchtete, die in der Schweiz Sozialhilfe beziehen, müssen bald ihr Auto verkaufen. Für Kateryna K. eine Katastrophe. Volodymyr B. könnte allerdings Glück haben und seinen VW behalten.
https://www.20min.ch/video/wenn-ich-mein-auto-abgeben-muss-gehe-ich-zurueck-in-die-ukraine-842125512301


Anzahl illegaler Grenzübertritte steigt weiter deutlich
Im Oktober sind über 1200 mehr Menschen aufgegriffen worden als im Vormonat – meist aus Afghanistan oder Tunesien.
https://www.srf.ch/news/schweiz/schweiz-anzahl-illegaler-grenzuebertritte-steigt-weiter-deutlich


Geflüchtete können künftig Bargeld nicht mehr eintauschen
Geflüchtete können ihre ukrainischen Banknoten schon bald nicht mehr in Schweizer Franken umtauschen. Der Bargeldumtausch wird auf Wunsch der ukrainischen Zentralbank eingestellt.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/ukraine-krieg-gefluechtete-koennen-kuenftig-bargeld-nicht-mehr-eintauschen-ld.2374816


+++FRANKREICH
Migration: Frankreich weist 123 Flüchtlinge der „Ocean Viking“ ab
Als Italien sich weigerte, ließ Frankreich 234 Menschen von einem Rettungsschiff Land gehen. Einreisen darf ein Großteil der Geflüchteten jedoch nicht.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-11/ocean-viking-frankreich-rettungsschiff-gefluechtete-einreise


Frankreich: Die Kinder von Calais
Gut 40 Kilometer trennen die französische Küste von England, die Überfahrt erscheint vielen leicht, und deshalb schicken die Schleuser in letzter Zeit auch immer mehr Schlauchboote nur mit Kindern und Jugendlichen los, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in England.
https://www.arte.tv/de/videos/111234-000-A/frankreich-die-kinder-von-calais/


+++BALKANROUTE
Frontex will mit vier Balkanstaaten enger zusammenarbeiten
Die EU-Grenzschutzagentur soll exekutive Befugnisse in Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien erhalten
https://www.derstandard.at/story/2000140975534/frontex-will-mit-vier-balkanstaaten-enger-zusammenarbeiten?ref=rss


Flucht und Migration: Wie ist die Situation entlang der Balkanroute?
Die Anzahl der Flüchtenden, die versuchen, über die Balkanroute in die EU zu gelangen, steigt wieder. Doch wer genau nutzt diesen Korridor? Welche Sonderrolle spielt Serbien dabei? Und: Ist die Flüchtlingssituation mit der von 2015 vergleichbar?
https://www.deutschlandfunk.de/situation-balkanroute-fluechtlinge-100.html


+++DROGENPOLITIK
Cannabis für Basler Versuch soll aus Kanada kommen
Die Basler Behörden wollen Cannabis aus Kanada importieren. Der Hanf wird im Rahmen des Versuchs mit einer kontrollierten Cannabis-Abgabe gebraucht. Ursprünglich sollte das Gras im Fricktal angebaut werden. Wegen Pestizid-Rückständen mussten die Behörden aber Alternativen suchen.  (ab 06.16)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/cannabis-fuer-basler-versuch-soll-aus-kanada-kommen?id=12289069
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/basel-stadt-importiert-drogenhanf-aus-kanada?urn=urn:srf:video:eb35c6c9-5d61-4815-8fd5-2f083a13a84a


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Prozess in Zürich – Ziviler Ungehorsam fürs Klima: Wie urteilen Schweizer Gerichte?
Neun Klimaaktivisten stehen vor dem Zürcher Obergericht. Ähnliche Fälle wurden zuvor ganz unterschiedlich behandelt.
https://www.srf.ch/news/schweiz/prozess-in-zuerich-ziviler-ungehorsam-fuers-klima-wie-urteilen-schweizer-gerichte
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/bundesgericht-hebt-aenderung-des-zuercher-strassengesetzes-auf?id=12288925 (ab 04:03)
-> https://www.blick.ch/politik/nach-cs-blockade-klimaaktivisten-verweigern-vor-gericht-die-aussage-id18064229.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/streit-um-strassen-staedte-siegen-vor-bundesgericht?id=12289051 (ab 07:35)
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/sitzblockade-vor-credit-suisse-zuercher-gericht-erhoeht-strafe-fuer-klima-protest
-> https://www.watson.ch/schweiz/klima/549841491-klimaaktivisten-stehen-wegen-banken-blockade-vor-zuercher-gericht
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/zuercher-gericht-verurteilt-klima-aktivisten-wegen-banken-blockade-148801639


«Fürs Klima würde ich ins Gefängnis» – Klebe-Aktivistin erzählt
Seit Wochen blockieren Schweizer Klimaaktivistinnen und -aktivisten Verkehrswege in der Schweiz. Mit Leim kleben sie sich auf den Strassen fest. Sie nerven viele Autofahrer, stossen aber auch auf Verständnis. «Renovate Switzerland» – die Organisation hinter den Strassenblockaden – will damit «Generalmobilmachung für die thermische Gebäudesanierung» bewirken.
https://www.watson.ch/schweiz/spass/794001688-fuers-klima-wuerde-ich-ins-gefaengnis-klebe-aktivistin-erzaehlt


Demonstrierende fordern vom Kanton Bern vollen Teuerungsausgleich
Der Kanton Bern soll seinen Angestellten den vollen Teuerungsausgleich gewähren. Das haben knapp tausend Personen am Freitag an einer Kundgebung in Bern gefordert.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/demonstrierende-fordern-vom-kanton-bern-vollen-teuerungsausgleich-148798831
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bericht-kritisiert-pzm-ueberforderung-und-fehlendes-fachwissen?id=12289126 (ab 00:45)
-> https://www.derbund.ch/vielen-bernern-droht-kaufkraftverlust-497471737437


Klimakollektiv reagiert empört auf «Streikverbot» an Mittelschulen
Schülerinnen und Schüler der St.Galler Mittelschulen sollen nicht mehr frei bekommen, wenn sie an Klimastreiks oder anderen Demonstrationen teilnehmen. Dies schlägt die Regierung vor. Das Klimakollektiv St.Gallen reagierte darauf am Freitag mit harscher Kritik.
https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/klimakollektiv-reagiert-empoert-auf-streik-verbot-an-mittelschulen-00199022/



derbund.ch 17.11.2022

Aktivistinnen in Biel vor Gericht: Sie setzten sich nackt in einen H&M – und wurden freigesprochen

Vor zwei Jahren hatten Umweltaktivisten von Extinction Rebellion die Bieler H&M-Filiale besetzt. Nun mussten sich fünf Beteiligte vor Gericht verantworten – und wurden freigesprochen.

Alexandre Waelti (BT)

«Wir sind erleichtert», erklärten die fünf Entlasteten von Extinction Rebellion einstimmig beim Verlassen des Regionalgerichts Berner Jura – Seeland. Sie wurden für die Besetzung der H&M-Filiale vom 15. August 2020 auf der ganzen Linie freigesprochen. Das Urteil sei «eine kleine Überraschung», kommentierten die fünf den richterlichen Entscheid. Ihre Umweltorganisation erlebe an den Gerichten anderer Kantone «eine Enttäuschung nach der anderen».

Immerhin hat das Kleidergeschäft keine Anzeige erstattet. Deshalb drohte den Angeklagten lediglich eine Verurteilung wegen Nichtbefolgens einer polizeilichen Anordnung. Einige Besetzerinnen und Besetzer hatten sich nämlich im Laden angekettet.

Gerichtspräsidentin Doris Romano begründete den Freispruch mit drei Argumenten: Die Beschuldigten hätten die Filiale nach Aussagen der Polizisten friedlich besetzt. Die Aktivisten verliessen den Ort nach weniger als zwei Stunden ohne Schäden zu hinterlassen; die Verkaufstätigkeit im Geschäft war nicht lange behindert. Schliesslich leisteten die Aktivisten keinen Widerstand gegen die Aufforderung der Polizei, die Aktion zu beenden.

Räumung ohne Widerstand

Am Donnerstagmorgen wurden zwei Bieler Polizisten als Zeugen vernommen. Sie waren als Verstärkung vor Ort eingetroffen, weil im H&M-Kleidergeschäft eine Sitzblockade stattfand. Es ging darum, für die «äussere Sicherheit» um den Laden zu sorgen.

Auf Anweisung seines Vorgesetzten betrat einer der Polizisten das Geschäft und legte den Besetzern Fragebögen zum Ausfüllen vor. «War die Intervention gewalttätig?», fragte Richterin Romano. «Der Kontakt mit den Aktivisten war durchweg friedlich, und wir konnten unsere vorgedruckten Formulare problemlos ausfüllen», bezeugte der Ordnungshüter.

Die Befragung des zweiten Polizisten, der am Einsatzort war, brachte weitere Einzelheiten. «Wie verlief der Abzug der Aktivisten? Waren die fünf Angeklagten die letzten, die das Gebäude verliessen? Haben sie die Räumlichkeiten unbeschädigt hinterlassen?», fragte die Richterin.

Dazu erklärte der Polizist: «Es gab mehrere Phasen. Einige Aktivisten sind freiwillig gegangen, andere sind geblieben, vor allem diejenigen, die in Ketten lagen.» Allerdings sei es nicht einfach gewesen, die Demonstranten von den Schaulustigen zu unterscheiden. Er könne sich nicht erinnern, ob die Angeklagten die letzten waren, die das Gebäude verliessen, «aber sie hinterliessen keine Schäden im Laden», bestätigte der Zeuge.

Im Mittelpunkt der Debatte stand die Verwendung eines Fragebogens der Polizei. Mit diesem Formular wurde während des Einsatzes festgehalten, ob die Besetzer die Aufforderung zur Beendigung der Aktion akzeptiert hatten oder nicht. Gleichzeitig wurden die Namen der Besetzer erhoben.

Halbherzige Anordnung der Polizei

Die Verteidiger der Angeklagten befragten die beiden Zeugen nacheinander zur Sinnhaftigkeit des Vorgehens: «Was ist der Zweck dieses vorgedruckten Formulars?», wollte Anwalt Frédéric Isler wissen. Der Leiter des Einsatzes betonte, dass dieses Verfahren schon bei ähnlichen Einsätzen in der Stadt Bern angewendet wurde und erläuterte: «Zuerst habe ich nach Verantwortlichen oder einem Sprecher der Bewegung gesucht. Ich fand niemanden.»

Schliesslich stiess er auf einen jungen Mann, der als Vermittler fungierte: «Ich teilte ihm mit, dass die Demonstranten das Geschäft verlassen müssen.»

Genau dieses Fehlen eines eindeutigen polizeilichen Befehls wurde zur Munition für die vier Strafverteidiger: «Eine Einladung ist keine Anordnung», so ihr Plädoyer. Kritisiert wurde auch die Ermittlung der Identität der Besetzer. Diese ermögliche den Behörden eine Strafanzeige mit Kostenfolge für den Polizeieinsatz.

Dazu sagte der Waadtländer Anwalt Frédéric Isler: «Diese Praxis ist in meinem Kanton fast schon die Norm. Ich wünsche mir, dass es in Bern anders ist und beantrage den Freispruch der Angeklagten.»
(https://www.derbund.ch/sie-setzten-sich-nackt-in-einen-h-m-und-wurden-freigesprochen-171669952736)


+++PSYCHIATRIE
Bericht zur Psychiatriezentrum Münsingen AG liegt vor
Dem Gesundheitsamt des Kantons Bern liegen die Untersuchungsergebnisse zur Psychiatriezentrum Münsingen AG (PZM) vor. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass das PZM ein leistungsfähiger und funktionierender Betrieb ist, der jährlich rund 3’500 Patientinnen und Patienten in hoher fachlicher Qualität behandelt. Bei der Anwendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen gab es strukturelle und persönliche Führungsmängel. Dies zeigte sich auch in der Anstellung von Personen aus dem Umfeld der Kirschblütengemeinschaft sowie im Umgang mit dem Thema «Dissoziative Identitätsstörung» bzw. «Täterkontakt». In der Zwischenzeit wurden die notwendigen Massnahmen ergriffen.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=c0e06d9e-95f7-4e7c-a1d4-b39a970cd085
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/bericht-gesundheitsdirektion-mangelhafte-fuehrung-im-psychiatriezentrum-muensingen
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/untersuchung-ortet-fuehrungsmaengel-im-psychiatriezentrum-muensingen-148796312
-> https://www.neo1.ch/artikel/untersuchung-ortet-fuehrungsmaengel-im-psychiatriezentrum-muensingen
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/204986/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bericht-kritisiert-pzm-ueberforderung-und-fehlendes-fachwissen?id=12289126 (ab 03.02)
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/was-lief-falsch-im-psychiatriezentrum-muensingen?partId=12289156
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/vorwuerfe-gegen-psychiatriezentrum-muensingen-bestaetigt?urn=urn:srf:video:1966538c-912d-4826-a692-835ccf9ffc74
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/im-psychiatriezentrum-muensingen-sind-fehler-passiert-148801634
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/bericht-gesundheitsdirektion-mangelhafte-fuehrung-im-psychiatriezentrum-muensingen



derbund.ch 18.11.2022

Zwangsmassnahmen in Münsingen: Wie zwei Psychiatrie-Stationen ausser Kontrolle gerieten

Überfordertes Personal, mangelhafte Führung und fehlende Sensibilisierung: Die Liste der Mängel am Psychiatriezentrum Münsingen ist lang.

Brigitte Walser, Marius Aschwanden

Es sind erschreckende Zustände, die der jüngste Untersuchungsbericht zum Psychiatriezentrum Münsingen (PZM) aufzeigt. Ein Experte schildert darin, wie zwei Stationen – sie hätten einst als der Stolz der Institution gegolten – in den vergangenen fünf Jahren immer mehr ausser Kontrolle gerieten.

Er schildert, dass es fast täglich zu Notfallsituationen kam und dass Angestellte angegriffen und teilweise erheblich verletzt wurden.

Er schildert, dass Pflegeteams nachts manchmal bis zu sieben fixierte Patienten betreuten und tagsüber ums Überleben von Patientinnen kämpften.

Und er schildert, dass das Personal in letzter Sekunde schwer kranke Patienten, die sich von der Klinik entfernt hatten, von einem Suizid abhielt.

Wer den Bericht liest, erhält das Bild eines Pflegealltags, der weit weg von aller Normalität funktioniert.

Es erstaunt nicht, dass angesichts dieser Missstände langjähriges Personal kündigte, neu Angestellte die Psychiatrie nach kurzer Zeit wieder verliessen und der Eindruck eines sinkenden Schiffes entstand. Mehrmals sei die Geschäftsleitung informiert worden, habe aber die Zusammenhänge entweder fachlich zu wenig verstanden oder aus Angst und Respekt vor dem zuständigen Professor nicht eingegriffen.

Fachlich und personell überfordert

Für den Experten ist klar: Die zwei Stationen der Klinik für Depression seien zeitweise fachlich und personell überfordert gewesen und von den pflegerischen und ärztlichen Vorgesetzten im Stich gelassen worden.

Suizide und Suizidversuche hätten zu Traumatisierungen geführt. Im Bericht ist auch die Rede von einem Dilemma zwischen Helfen und Schützen. Die Teams hätten in den letzten drei Jahren aufgrund des Erlebten teilweise übervorsichtig gearbeitet und im Zweifelsfall aus Hilflosigkeit mit freiheitsbeschränkenden Massnahmen reagiert.

Diese Zwangsmassnahmen waren es, die im Frühling an die Öffentlichkeit gelangten. Hinzu kamen umstrittene Anstellungen von Mitgliedern der Kirschblütengemeinschaft. Die bernische Gesundheitsdirektion gab daraufhin eine Untersuchung bei Thomas Maier, dem Ärztlichen Direktor der Psychiatrie St. Gallen Nord, in Auftrag. Sie veröffentlichte den entsprechenden Bericht am Freitag.

Der Experte schreibt darin nicht nur über den desolaten Zustand der beiden Stationen, sondern bestätigt auch den Vorwurf, dass Zwangsmassnahmen wie Isolation und Fixierung in Münsingen teilweise zu rasch angewendet und zu lange aufrechterhalten wurden. So wurden solche Massnahmen etwa auch als Druckmittel eingesetzt, um ein erwünschtes Verhalten zu erreichen. Als Beispiel nennt Maier einen Fall, bei welchem dem Patienten gesagt wurde, dass die Isolation erst aufgehoben werde, wenn er die Medikamente eingenommen habe.

Wann ist Zwang erlaubt?

«Wir schätzen die klare Sprache des Gutachters sehr», schreibt Thomas Ihde auf Anfrage zum Bericht. Er ist Präsident von Pro Mente Sana. Die Stiftung vertritt die Interessen von psychisch beeinträchtigten Menschen. Die Untersuchung benenne die Mängel explizit, würdige aber auch, «dass viele Mitarbeitende mit Herzblut einen guten Job machen».

Der Handlungsbedarf sei klar. Denn: «Zwangsmassnahmen gehören zu den grössten Eingriffen in die Autonomie eines Menschen. Vorschnelle und nicht verhältnismässige Zwangsmassnahmen und ‹Zwangsmassnahmen auf Vorrat› darf es nicht geben», so Ihde.

Rechtlich zulässig sind sie nur dann, wenn Personen im Zusammenhang mit einer psychischen Störung eine Gefahr für andere oder sich selbst darstellen. Gemäss Dirk Richter, Professor von der Berner Fachhochschule, kommt in der Schweiz – anders als in vielen anderen Ländern – noch der Aspekt der Verwahrlosung hinzu.

Allerdings: «Seit einigen Jahren werden Zwangsmassnahmen in der Psychiatrie von ethischer, juristischer, fachlicher und Betroffenen-Seite generell infrage gestellt», so Richter. Und dies, obwohl ihre Anzahl in psychiatrischen Kliniken in den vergangenen Jahren eher zu- als abgenommen hat.

Richter führt dies auch auf einen generellen gesellschaftlichen Trend zur Risikovermeidung zurück. «Westliche Gesellschaften sind zunehmend sicherheitsorientiert, und die Bereitschaft, Menschen gegen ihren Willen behandeln zu lassen, ist relativ hoch in der Bevölkerung.»

Alternativen zum Zwang

Gemäss Richter, der zur psychiatrischen Versorgung forscht, gibt es aber sehr wohl Alternativen zu Zwangsmassnahmen, und zwar sowohl inner- als auch ausserhalb von Kliniken. Innerhalb seien es Schulungsprogramme, die auf Deeskalation abzielten. «Sie setzen aber eine ausreichende Anzahl von gut geschulten Mitarbeitenden voraus, was angesichts des Fachkräftemangels derzeit vielerorts ein Problem darstellt.»

Ausserhalb seien zum Beispiel Patientenverfügungen ein gutes Mittel oder eine ambulante Wohnbegleitung sowie eine ambulante Akutbehandlung. «Diese Interventionsformen werden in der Schweiz definitiv nicht im ausreichenden Umfang genutzt», so Richter.

Laut Thomas Ihde wird das Thema der Zwangsmassnahmen innerhalb der Pro Mente Sana kontrovers diskutiert. «Es gibt Menschen, die auch Behandlungen gegen ihren damaligen Willen zum Beispiel bei einem akuten Sterbewunsch als hilfreich oder gar lebensrettend erlebt haben.» Andere Personen hätten solche Behandlungen als schwer traumatisierend wahrgenommen und seien grundsätzlich gegen den Einsatz von Zwangsbehandlungen.

Klar ist für Ihde aber: Zwangsbehandlungen sollten als Ultima Ratio eingesetzt werden, und es muss institutionsinterne Sicherungssysteme geben, die einen übermässigen Gebrauch verhindern.

15 Empfehlungen

Am Psychiatriezentrum Münsingen gibt es zwar solche Weisungen. Allerdings empfiehlt Thomas Maier, der für die Gesundheitsdirektion den Untersuchungsbericht verfasst hat, dass diese aktualisiert und präzisiert werden. Insgesamt gibt er fünfzehn Empfehlungen ab, um die Situation zu verbessern.

So sollen freiheitsbeschränkende Massnahmen etwa künftig nur noch auf weniger Stationen erlaubt sein. Dann könnten sie besser kontrolliert, standardisiert und instruiert werden. Zudem sollte die ärztliche fachliche Führung verstärkt und dafür zusätzliche Stellen geschaffen werden.

Pro Mente Sana ist froh um die angedachten Schritte. «Wir erwarten aber auch eine proaktive Entschuldigung bei Menschen, die zu teilweise ausgeprägtem Schaden kamen.» Es gehe hier um Menschen, nicht um Haftpflichtschadensfälle.

Die bernische Gesundheitsdirektion teilte mit, sie werde die Umsetzung der Empfehlungen regelmässig prüfen. Vieles habe das PZM bereits umgesetzt oder in weitere Verbesserungsmassnahmen einfliessen lassen.

Tatsächlich hat das Psychiatriezentrum bereits selber eine Untersuchung veranlasst und sich im Anschluss daran vom Ärztlichen Direktor und Chefarzt der Klinik für Depression und Angst getrennt. Am Freitag sagte CEO Ivo Spicher zudem, die Untersuchung von Thomas Maier bestätige die eigene Analyse und bestärke die Institution in den bereits ergriffenen oder geplanten Massnahmen.

Erste Erfolge seien bereits sichtbar. So habe sich in den zwei hochproblematischen Stationen die Situation deutlich beruhigt. Oder wie es im Untersuchungsbericht heisst: «Damit ist zwar das Schiff notdürftig wieder flottgemacht worden, aber der ‹PZM-Dampfer› ist insgesamt noch nicht hochseetauglich.»



Verschwörungstheorie am PZM

Bestätigt hat sich auch der Vorwurf, wonach am Psychiatriezentrum Münsingen mit der Verschwörungserzählung «Mind Control» gearbeitet wurde. Konkret betroffen waren rund ein Dutzend junge Patientinnen, die allesamt schwer krank sind und über die Jahre hinweg diverse Suizidversuche unternommen haben.

Sie alle seien von manchen Therapeutinnen in ihrem Irrglauben bestärkt worden, dass sie von Tätern über lange Zeit hinweg verfolgt, bedroht, überwacht und schwer misshandelt würden. Objektive Beweise dafür gebe es allerdings nicht. Die betreffenden Angestellten wie auch der ehemalige Ärztliche Direktor des PZM hätten diesbezüglich eine zu unkritische Haltung eingenommen. Die Folge: Die Therapeutinnen hätten zur Aufrechterhaltung der Störung beigetragen, und die Behandlungen seien womöglich sogar schädlich gewesen.

PZM-Direktor Ivo Spicher sagte dazu, dass dies wegen «Führungsmängeln und Überforderung» geschehen sei. Inzwischen habe der Grossteil der involvierten Mitarbeiterinnen Münsingen verlassen. Jene, die noch dort arbeiteten, würden eng begleitet. (mab/bw)
(https://www.derbund.ch/experte-bestaetigt-ungerechtfertigte-zwangsmassnahmen-942047079665)


+++POLIZEI BS
Abgänge bei der Basler Polizei: «Es fehlt auch an der internen Wertschätzung»
Der Polizei laufen die Leute davon. 90 Vollzeitstellen sind nicht besetzt. Im Talk redet der Vizepräsident des Polizeibeamtenverbandes Harald Zsedényi.
https://telebasel.ch/2022/11/18/abgaenge-bei-der-basler-polizei-es-fehlt-auch-an-der-internen-wertschaetzung/?channel=105100


+++RECHTSPOPULISMUS
Wegen illegaler Trauungen: SVP fordert Hochzeits-Verbot im Haus der Religionen
Im Berner Haus der Religionen gab es illegale Trauungen. Sogar der Verdacht auf Zwangsehen besteht. Die Bestürzung ist gross. Die SVP fordert nun harte Konsequenzen.
https://www.blick.ch/politik/wegen-illegaler-trauungen-svp-fordert-hochzeits-verbot-im-haus-der-religionen-id18062784.html
-> https://www.svp.ch/aktuell/publikationen/medienmitteilungen/staatlich-unterstuetzte-zwangsheiraten-muessen-konsequenzen-haben/


+++RECHTSEXTREMISMUS
luzernerzeitung.ch 18.11.2022

Neonazis bei Morgarten: Wie das Denkmal immer wieder zum Treffpunkt rechtsradikaler Gruppen wird

Noch am Mittwoch nahmen bei Morgarten 1240 Schützinnen und Schützen am traditionellen Schiessanlass teil. Am Wochenende soll das dortige Denkmal zum Treffpunkt rechtsradikaler Gruppen werden. Was Kanton, Gemeinde und Polizei zum Aufruf der Neonazi-Gruppierung «Kameradschaft Edelweiss» sagen.

Kristina Gysi

Sie heben den rechten Arm gestreckt zum Gruss, propagieren die «arische Rasse», bezeichnen Transgender als «psychisch krank». Sie teilen Memes unter der Headline «It’s f****** Führer Friday» (dazu ein Video von Adolf Hitler), teilen Schreiben der «Reichsdeutschen Jugend in der Schweiz», huldigen einem SS-Obersturmbannführer.

Es sind grausige Welten, die sich einem beim Stöbern in der Telegram-Gruppe der «Kameradschaft Edelweiss» eröffnen. Offenkundig rechtsradikale, den Nationalsozialismus und Militaristen des dritten Reiches verherrlichende Inhalte werden auf dem sozialen Netzwerk geteilt.

Unter den Fotos findet sich auch ein vertrauter Anblick. Ein Bild des Morgartendenkmals prangt auf rotem Hintergrund. Darunter die Aufforderung, das Memorial am Wochenende zusammen mit der Gruppe zu besuchen, um der Schlacht von 1315 zu gedenken.

Eine offenkundig rechtsradikale Gruppierung soll sich also am Wochenende beim Morgartendenkmal einfinden – und das nicht zum ersten Mal. Angeblich findet jedes Jahr ein Fackelmarsch rechtsradikaler Gruppen zum Morgartendenkmal statt, heisst es aus anonymer Quelle. Abschliessend überprüfen konnte das diese Zeitung nicht.

Jedoch tauchte vor gut einem Jahr ein Video der ähnlich gesinnten Gruppe «Junge Tat» auf, die mit Fackeln und vermummt zum Denkmal hochmarschiert. Das Video ist hinterlegt mit der Geräuschkulisse einer Schlacht; kreuzende Klingen, Schreie, Feuer, das Wiehern von Pferden. Um dem Video keine Plattform zu geben, zeigen wir davon lediglich folgende zwei Ausschnitte:

Und nun also die «Kameradschaft Edelweiss». Die Gemeinde Oberägeri schreibt auf Anfrage, sie habe weder Kenntnis von besagtem Film, noch vom angekündigten Treffen am Wochenende. Grundsätzlich gelte es aber anzumerken, dass das Grundstück dem Kanton gehöre und die Thematik somit in dessen Zuständigkeitsbereich falle.

Eine Bewilligung für ein solches Treffen durch Kanton oder Gemeinde sei nicht nötig, da «es sich dabei nicht um eine offizielle Veranstaltung handelt und das Denkmal öffentlich zugänglich ist».

Bisherige Treffen seien ohne Zwischenfälle verlaufen

Anders als in Oberägeri weiss man bei der Zuger Polizei sowohl vom Video als auch vom geplanten Treffen. Solche hätten auch in der Vergangenheit stattgefunden, heisst es. Diese seien ohne Zwischenfälle verlaufen und es seien keine Verstösse gegen die Strafnormen festgestellt worden.

Sofern die Nutzung gemeinverträglich sei – sprich, die Benutzung durch andere nicht erheblich erschwert wird – sei keine Bewilligung für ein solches Treffen erforderlich. Zu den Fragen, ob mit Widerstand aus linken Gruppierungen gerechnet und ob die Polizei anwesend sein werde, wollte die Behörde keine Angaben machen.

Kanton sieht keinen Handlungsbedarf

Der Kanton schreibt auf die Frage, wie er mit diesen Treffen umgehe, nur Folgendes: «Die Sicherheitsdirektion hat und nimmt Kenntnis von diesem Treffen.» Auch er verweist darauf, dass Treffen dieser Art keine Bewilligung erfordern. Zudem habe der Kanton keine Handhabe, die Versammlungsfreiheit einzuschränken, wenn diese Treffen ohne Zwischenfälle verlaufen und keine Verstösse gegen Strafnormen festgestellt würden.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/unteraegeri-neonazis-bei-morgarten-wie-das-denkmal-immer-wieder-zum-treffpunkt-rechtsradikaler-gruppen-wird-ld.2374259)


+++FUNDIS
Selbstversorger-Gemeinschaften: Autark und spirituell – Bewegung will eigene Dörfer in der Schweiz gründen
Die Bewegung «Das Neue Dorf» plant Selbstversorger-Gemeinschaften in der Schweiz. Die Vision stammt von einem umstrittenen Uniprofessor aus Deutschland.
https://www.20min.ch/story/autark-und-spirituell-bewegung-will-eigene-doerfer-in-der-schweiz-gruenden-848680277035


+++HISTORY
PoetikvorlesunG: Die Rückeroberung der Zukunft
Wie gespeicherte Vergangenheit zur Kunstaktion für die Zukunft wird: Sechs Gesetze, um die St. Galler Mumie Schepenese in einen neuen Common Sense einzubinden. Ein Vortrag, gehalten im Kunsthaus Zürich am 16. November 2022.
https://www.woz.ch/2246/poetikvorlesung/poetikvorlesung-die-rueckeroberung-der-zukunft/%218QPYGYZC1EAJ


Politik uneinig über Rückführung der Mumie Schepenese
Eine tote Frau sorgt in der Stadt St.Gallen für lebhafte Diskussionen. Die Mumie Schepenese, welche in der Stiftsbibliothek liegt, soll nach Ägypten zurück. Dies fordert der Regisseur Milo Rau. In der St.Galler Politik sorgt dieses Thema nun für Gesprächsstoff.
https://www.tvo-online.ch/aktuell/politik-uneinig-ueber-rueckfuehrung-der-mumie-schepenese-148801130
-> https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/rueckfuehrung-von-schepenese-wir-koennen-mumien-ausstellen-solange-es-aegypten-nicht-stoert