Themen
- Faschistische Meloni und liberaler Macron: Unterschiedliche Interessen am selben Abschottungsziel
- Neue Abschottungsdeals mit Zypern und Nordmazedonien
- England: Brandanschlag auf Auffanglager & Aufstand in Abschiebezentrum
- Struktureller Rassismus: Brian K. kommt nicht frei
- PMT, PAG und Co.: Wenn die Behörden nur noch Gefährder*innen sehen
- Lagebericht aus dem Norden Serbiens
- Transfeindlichkeit als Instrument rechter Hetze
- Frontex-Drohnen in Griechenland
- Call to Action: Internet Nazifrei
- From Tripoli to Geneva: Mobichannel für die Protesttage am 09. und 10. Dezember in Genf
- Aktionstage: Break down Climate Walls
- Antifa: Gedenken an die Blutnacht von Genf
Was ist neu?
Faschistische Meloni und liberaler Macron: Unterschiedliche Interessen am selben Abschottungsziel
Hunderte gerettete Migrant*innen mussten erneut auf Seenotrettungsschiffen ausharren. Meloni, die faschistische Präsidentin Italiens, verwehrte zuerst das Einlaufen in einen italienischen Hafen. Nach Protesten und langem Ringen konnten die geretteten Personen der Humanity 1 und der Geo Barents von Bord. Die Menschen auf der Ocean Viking konnten schliesslich erst im französischen Toulon von Bord. Dadurch ist ein heuchlerischer Konflikt zwischen Macron und Meloni entfacht.
Das offizielle Frankreich gibt sich humanitär und sagt, Italien verletze internationales Seerecht. Der nächstgelegene sichere Hafen für jedes der drei Schiffe, die diese Woche in den Schlagzeilen landeten, sei ein italienischer gewesen. Italien sei für die Geretteten zuständig. Nur ausnahmsweise und nur, weil Italien sich nicht ans Gesetz halte, biete Frankreich im Sinne der Menschlichkeit Hand.
Doch nur ein Drittel der Migrant*innen erhielt Zutritt zum französischen Festland. Die französischen Behörden versicherten sich zuvor, dass auch Behörden in Deutschland zusagten, ein Drittel der Personen aufzunehmen. Die übrigen Geretteten werden verteilt auf Kroatien, das täglich Geflüchtete von der Polizei jagen und schlagen lässt, wie auch Bulgarien, Litauen, Luxemburg und Norwegen. Diese Staaten signalisierten zumindest Bereitsschaft, einen Teil der Menschen an Bord aufzunehmen. Diese Bereitschaft geht auf ein Abkommen zurück, dass die Staaten im Sommer abgeschlossen hatten. Darin versprechen sie sich, gerettete Personen, die mit Booten ankommen, stärker zu verteilen.
Angesichts der Vorwürfe seitens der französischen Behörden, zeigten sich Meloni und ihr Apparat erstaunt und unschuldig: «Mich hat die aggressive Reaktion der französischen Regierung getroffen.» Dann griff sie ihrerseits an, indem sie sagte, dass «zum ersten Mal überhaupt so ein Schiff einer NGO in Frankreich andockt», während «seit Anfang des Jahres fast 90’000 Migranten Italien erreicht hatten.“ Italien sei eine Art Opfer: „Irgendetwas funktioniert hier nicht, soll Italien denn das einzige Land sein, das Häfen für Migranten bereitstellt?» Vermutlich herrsche ein unsolidarischer Komplott gegen Italien. Deutschland habe innerhalb kurzer Zeit Hilfe zugesagt. Italien gegenüber seien bisher jedoch nie solche Angebote gemacht worden.
Dass Melonis Regierung Geflüchtete loswerden will, zeigte sich zudem ein paar Tage zuvor. Im Fall des Seenotrettungsschiffes Humanity 1 wurden die Geretteten in „bedürftig“ und „nicht bedürftig“ unterteilt. Zuerst wurden nur Frauen, Kinder und erkrankte Männer in Sizilien an Land gelassen. Die restlichen Männer sollte das Boot jedoch wieder ins internationale Gewässer wegfahren. Die sich auf dem Boot befindenden Geflüchteten traten in einen Hungerstreik und die Humanity 1 hat Beschwerde vor Gericht eingereicht. Proteste gab es auch auf dem zivilen Seenotrettungsschiff Geo Barents. Auch dort wurde zuerst zwischen „bedürftig“ und „unbefürftig“ unterschieden. Drei gerettete Personen sprangen aus Protest und Verzweiflung über Bord und brachten sich damit in Lebensgefahr.
Legale Einreisemöglichkeiten für Flüchtende und Migrant*innen könnten dazu führen, dass der Satz „Lieber sterben als zurück nach Libyen“ nicht mehr gesagt werden muss. Der Fokus ist im Moment auf Meloni gerichtet, die während ihres Wahlkampfes brutal Abschottung versprach. Doch es zeigt sich, dass die abweisende Haltung ihr nicht alleine zueigen ist. Diese findet sich genauso bei Macron. Abschottung ist kein Projekt der faschistischen Rechten, sondern tief im europäischen Herrschaftskonsens verankert. Abschottung wurde nicht von faschistischen Schläger*innengruppen erkämpft, sondern wird von demokratisch Gewählten – Linken wie Rechten – angeordnet und verwaltet.
https://www.watson.ch/international/frankreich/531100415-rettungsschiff-ocean-viking-im-suedfranzoesischen-toulon-eingelaufen
https://www.derstandard.at/story/2000140762662/macron-stellt-meloni-eine-falle-und-faellt-auch-gleich-hinein?ref=rss
http://www.infomigrants.net/en/post/44561/italy-migrants-on-blocked-rescue-ship-jump-overboard
https://www.lasicilia.it/cronaca/news/la-francia-assegna-il-porto-di-marsiglia-alla-ocean-viking-la-nave-carica-di-migranti-gia-in-navigazione-1957073/
https://www.nzz.ch/international/bootsfluechtlinge-in-italien-melonis-aussichtslose-kraftprobe-ld.1711337
https://www.spiegel.de/ausland/italien-migranten-auf-deutschem-seenotrettungsschiff-in-hungerstreik-getreten-a-0580ba4f-848e-4a73-90c4-1e27a060c82f
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-11/humanity-1-seenotrettung-italien-gericht
https://taz.de/Seenotrettung-im-Mittelmeer/!5890587/
Neue Abschottungsdeals mit Zypern und Nordmazedonien
Kaum einer anderen Bundesrätin gelang es dermassen gut, dem europäischen Abschottungswahn Taten folgen zu lassen. Diese Woche unterzeichnete Bundesrätin Karin Keller-Sutter (KKS) ein Abschiebeabkommen mit Nordmazedonien. Einige Wochen zuvor mit Zypern. Durch die beiden Abkommen wird die Externalisierung der Grenzgewalt weiter verstärkt. Drittstaaten werden in die Abschottung der Festung Europa eingespannt.
Nordmazedonien ist neben Bosnien, Serbien und dem Kosovo die vierte sogenannte Migrationspartnerschaft auf dem Westbalkan. Ausserhalb Europas bestehen ähnliche Abkommen auch mit Nigeria, Tunesien, Georgien und Sri Lanka. Mit Euphemismen wie ‚Dialog‘ und ‚Partnerschaft‘ wird eine vermeintliche Augenhöhe behauptet, die das vorhandene Machtgefälle zwischen der Schweiz und den anderen Staaten ausser Acht lässt.
In der Medienmitteilung des Bundes werden die Ziele des Abkommens mit Nordmazedonien zusammengefasst: „Prävention irregulärer Migration, die Rückübernahme, die Förderung regulärer Migration oder Synergien zwischen Migration und Entwicklung.“ Es gehe um eine „wirksame Steuerung der Migration“ und eine Verstärkung der „Grenzverwaltung in Nordmazedonien“. Die Worte sind gut ausgewählt, denn so verharmlosen und abstrahieren sie doch, worum es tatsächlich geht: Abschottung und Abschiebungen.
Irreguläre oder illegale Migration wird, im Gegensatz zu regulärer Migration, als gefährlich und zu bekämpfen dargestellt. Hiermit wird eine Zweiteilung bedient, die Menschen in Not gegeneinander ausspielt. Zudem wird mit diesem Begriff behauptet, es gäbe regen Zugang zu regulärer Migration. Diese ist jedoch durch die Abschaffung des Botschafts-Asyls, durch das Erschweren von Visa-Erteilungen, die Unterentwicklung von Resettlement-Programmen und die aktive Behinderung von aufnahmebereiten Städten kaum möglich.
Begriffe wie „wirksame Steuerung der Migration“ lassen darauf schliessen, dass nur wirtschaftlich lukrative Migration gefördert wird. Menschen, die nicht verwertbar sind, sollen wieder „rückübernommen“ werden. „Synergien zwischen Migration und Entwicklung“ wiederum zeugt von der Idee eines Aufbaus von Regierung und Infrastruktur nach west-europäischem Vorbild. In diesen und ähnlichen Abkommen geht es also auch um Kontrolle, um zukünftige Einflussnahme zu gewährleisten. Die nordmazedonische Regierung hatte bereits Ende Oktober einen Vertrag mit der EU-Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex unterzeichnet. Es fehlt nur noch die Zustimmung des Europaparlaments.
In dem Abkommen mit der zypriotischen Regierung geht es um 10 Mio. Franken, welche in den Bereichen „Asylinfrastruktur“, sowie „freiwillige Rückkehr und Reintegration“ eingesetzt werden sollen. Bei dem Besuch einer zypriotischen Delegation in der Schweiz ging es vor allem um das Schweizer Asylsystem und die „Arbeit im Rückkehrbereich“. In der Medienmitteilung wurde zudem die „Registrierung und Unterbringung“ von geflüchteten Menschen erwähnt. Also auch in diesem Fall geht es vor allem um Abschiebungen und um die Kontrolle und Verwaltung von Menschen auf der Flucht.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-91243.html https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/bern-und-skopje-vereinbaren-eine-migrationspartnerschaft-66330000
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/schweiz-schliesst-migrationspartnerschaft-mit-nordmazedonien?partId=12282592
https://www.srf.ch/news/schweiz/migrations-und-aussenpolitik-migrationspartnerschaften-kaum-genutzt-und-doch-sehr-nuetzlich
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90997.html
England: Brandanschlag auf Auffanglager & Aufstand in Abschiebezentrum
In Dover warf ein Mann mehrere Brandsätze auf eine Unterkunft für Geflüchtete und tötete sich danach selbst. Bei dem Brand wurden zwei Menschen leicht verletzt.
In diesem sogenannten Auffanglager sind Menschen untergebracht, welche den Ärmelkanal von Frankreich her überquerten. Nach mehrtägiger Ermittlung hielt die Polizei fest, dass es sich um einen „terroristischen Akt“ gehandelt habe und der Täter „vor allem durch eine rechtsextreme Ideologie angetrieben“ handelte. In Dover spitzt sich die Situation weiter zu, da mit den steigenden Migrationszahlen, begleitet von einer alarmistischen Antimigrations-Rherotik von Politiker*innen, (Boulevard-) Medien oder rechtsextremen Gruppierungen, die Radikalisierung von Migrationsgegner*innen zunimmt.
In einem Abschiebezentrum am Londoner Flughafen Heathrow ist es am Samstagvormittag zu einem Aufstand von etwa hundert Gefangenen gekommen. Das britische Innenministerium teilte mit, dass sich eine bewaffnete Gruppe von Menschen in einem Innenhof des Zentrums versammelte. Auslöser soll der Stromausfall, der bis zu 24 Stunden gedauert haben soll, gewesen sein. Medienangaben zufolge wurde bei dem Vorfall niemand verletzt.
https://www.derstandard.at/story/2000140567366/unruhen-in-englischem-abschiebegefaengnis?ref=rss
https://www.srf.ch/news/international/angriff-auf-fluechtlingsheim-brandanschlag-in-england-polizei-vermutet-rechtsextremismus
https://calais.bordermonitoring.eu/2022/11/06/anschlag-in-dover-war-rechtsextrem-motiviert/
Was geht ab beim Staat?
Struktureller Rassismus: Brian K. kommt nicht frei
Brian K., der unter dem von Medien zugewiesenen Pseudonym «Carlos» zum bekanntesten Gefangenen der Schweiz gemacht wurde, hat in seinem Leben schon 8 Jahre im Gefängnis verbracht. Laut einem Entscheid des Zürcher Obergerichts vom 31. Oktober 2022 hätte der 27-Jährige in diesen Tagen freigelassen werden sollen. Das Zürcher Zwangsmassnahmengericht ordnete aber am 8. November auf Antrag der Staatsanwaltschaft erneut Untersuchungshaft für Brian an. Mit der Begründung, es bestünde zum jetzigen Zeitpunkt Wiederholungsgefahr. Ein Blick zurück auf die Geschichte von Brian lässt die Frage aufkommen, welche Gefahr sich genau wiederholt – und welche Sicherheit für wen gewährleistet werden soll.
Das erste Mal wird Brian inhaftiert, als er als 10-Jähriger fälschlicherweise der Brandstiftung verdächtigt wird. Als 12-Jähriger wird er nach einem Streit mit seinem Vater für mehrere Monate «zu seinem eigenen Schutz» in Einzelhaft im Erwachsenengefängnis inhaftiert. Brian ist 15-jährig, als er einen 18-Jährigen nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Messer zweimal in den Rücken sticht. Er wird zu 9 Monaten Haft verurteilt, diese sitzt er während der Untersuchungshaft ab. In dieser Zeit versucht er zweimal, sich das Leben zu nehmen, er wird in die psychiatrische Klinik eingeliefert und 13 Tage ans Bett gefesselt. Die Medikamente werden dreimal stärker dosiert als üblich. Später reicht Brians Schwester Anzeige wegen Körperverletzung ein – alle Ärzte werden freigesprochen. In dieser Zeit wird ein Sondersetting für den Jugendlichen ausgearbeitet, welches später medial ausgeschlachtet wird. Medien erschaffen die Figur «Carlos», den Messerstecher. Die Skandalisierung des Sondersettings führt dazu, dass Brian wieder inhaftiert wird, mit der Begründung, ihn vor der medialen Aufmerksamkeit «schützen» zu wollen. Als 19-Jähriger kommt Brian fälschlicherweise 6 Monate in Untersuchungshaft, weil eine Person behauptet, er habe sie mit einem Klappmesser bedroht. Die Vorwürfe erweisen sich als haltlos. Als 20-Jähriger bricht Brian einem Kickbox-Kollegen in einer Auseinandersetzung per Faustschlag den Kiefer. Das Bezirksgericht Zürich verurteilt Brian wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten. Kurz vor Ende der Haft wird Brian mitgeteilt, dass er den Rest seiner Haft in einer Einzelzelle verbringen müsse – zu «seiner eigenen Sicherheit». Brian wird wütend und wirft einen Stuhl um, es kommt zu einem Gerangel, bei welchem sowohl Brian als auch ein Aufseher leichte Verletzungen erleiden. Brian wird zu 6 Jahren und 4 Monaten unbedingter Haft verurteilt.
Seit fünf Jahren befindet sich Brian nun in Untersuchungs- und sogenannter Sicherheitshaft. Im Januar dieses Jahres kündigte die zuständige Zürcher Justizdirektion seine Verlegung in ein normales Untersuchungsgefängnis an. Dies, nachdem Brian mehrere Monate in einer Einzelzelle in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies inhaftiert war. In der 12 m²-Zelle mit offener Toilette und zugeklebten Fenstern darf Brian während Monaten seine Finger- und Fussnägel nicht kürzen, er darf sich nicht rasieren, nichts lesen ausser Anwaltspost und Koran, darf keinen Stift benutzen, um Briefe zu schreiben, keinen Besuch erhalten und nicht telefonieren. Um eine formell zu verfügende «Arreststrafe» zu umgehen, wird Brian ein Fernseher vor die vergitterte Glasscheibe gestellt. Brian sieht den Bildschirm nur im Stehen, wenn er mit dem Gesicht nahe genug an die Glasscheibe herangeht. Zu Beginn besteht das Gitter nur aus Längsprofilen, später wird es durch horizontale Stäbe ergänzt. Brian sieht das Bild nur gerastert. Den Hofgang muss Brian mit Hand- und Fussfesseln begehen, trotz Intervention der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), die darauf hinweist, dass die Abnahme der Fesseln im Hof absolut notwendig ist. Trotz anhaltender Schmerzen und offener Wunden an Hand- und Fussgelenken bleiben die Fesseln bestehen. Begleitet wird Brian in den Hofgängen von 6 Aufseher*innen mit Helm und Schutzschild, welche ihm mehr als einmal Schläge erteilen und auf ihn eintreten, als er schon am Boden liegt.
Sowohl der Uno-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, als auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) kritisieren die Haftbedingungen von Brian zu dieser Zeit. Das «International Rehabilitation Council for Torture Victims (IRCT)» kritisiert die Haftbedingungen von Brian in einem Gutachten scharf. Es hält namentlich fest, dass die Isolation, der Brian zu diesem Zeitpunkt seit 2 Jahren und 6 Monaten unterworfen ist, in hohem Masse der Definition von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung gemäss der UNO-Antifolterkonvention entspricht. Auch die UNO-Expert*innengruppe für Menschen afrikanischer Abstammung verfolgt den Fall. Im Januar 2022 treffen sie sich mit Brian im Gefängnis Pöschwies. In ihrem Bericht sprechen sie von einer gestohlenen Kindheit und einer aufgesetzten Erwachsenenidentität. Rassistische Diskriminierung und Ungerechtigkeit seien in jeder Phase seiner Inhaftierungen offensichtlich. Dies geschehe in der Verweigerung und Aberkennung der Kindheit, des Zugangs zur Familie und zur Bildung, aber auch durch rassistische Äusserungen und Schikanen durch das Personal. Anhaltende Inhaftierungen, oft in Einrichtungen, die für sein junges Alter ungeeignet sind, und jahrelange Einzelhaft lassen die Arbeitsgruppe darauf schliessen, dass sich der Staat stark auf negative rassistische Stereotypen und rassistische Überzeugungen über Schwarze Männer und Jungen stützt. In ihrem Bericht halten sie fest, dass die Situation von Brian K. ein krasses Beispiel für systemischen Rassismus und gesetzlich sanktionierte Folter in der Schweiz sei.
Brian kommt nicht frei. Frei und ohne Konsequenzen bleiben jedoch der strukturelle Rassismus, die unmenschliche Behandlung und die ungerechtfertigte Gewalt seitens der Staatsanwaltschaft, des Gefängnispersonals und der Richter*innen. Sie schützen sich in ihren Wiederholungstaten gegenseitig und werden dabei von bürgerlichen Medien bestens unterstützt.
https://www.humanrights.ch/de/beratungsstelle-freiheitsentzug/falldokumentation/brian/
Untersuchungshaft angeordnet.
https://www.ohchr.org/en/statements/2022/01/statement-media-united-nations-working-group-experts-people-african-descent
https://www.srf.ch/news/schweiz/zuerich-fall-brian-gericht-bestaetigt-untersuchungshaft
https://www.woz.ch/2220/strafvollzug/struktureller-rassismus-ist-kein-geist-im-getriebe
https://www.bigdreams.ch
PMT, PAG und Co.: Wenn die Behörden nur noch Gefährder*innen sehen
In Bayern werden Klimaaktivist*innen in Präventivhaft genommen. Und in der Schweiz kommt erstmals das PMT zum Einsatz. Und wieder einmal stellt sich die Frage: Wer gefährdet hier eigentlich wen?
Letzte Woche ist es in der Schweiz erstmals zur Anwendung von polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) gekommen. Gegen wen und aus welchen Gründen die Massnahmen erlassen wurden, darüber schweigt sich das Fedpol aus. Bekannt ist einzig, dass eine Gesprächsteilnahmepflicht und eine Ausgrenzung sowie die elektronische Überwachung der Ausgrenzung verfügt worden sind. Das PMT öffnet behördlicher Willkür Tür und Tor. Es ist auf anti-muslimischem Rassismus aufgebaut und bedeutet für Nichtschweizer*innen generell eine grössere Gefahr, da neben Überwachung und repressiven Massnahmen auch ein Landesverweis angeordnet werden kann.
In Bayern wurde letzte Woche erstmals Präventivhaft für Klimaaktivist*innen ausgesprochen. Damit sollen weitere «Anklebe-Aktionen» verhindert werden. Grundlage für die Anordnung ist das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG), dessen Einführung von massiven Protesten begleitet war. Auch in der Schweiz wird von bürgerlichen Politiker*innen eine härtere Gangart gegen Klimaaktivist*innen gefordert. Dabei ist Klimaaktivismus nicht nur unter einer rein ökologischen Perspektive zu betrachten. Von der Klimakatastrophe sind Menschen im Globalen Süden früher und stärker betroffen, sie potenziert die bestehenden globalen Machtverhältnisse also weiterhin.
Gesetzesverschärfungen im Bereich Terrorismus und öffentliche Sicherheit werden immer vom Argument begleitet, dass damit systemfeindliche Kräfte abgewehrt würden. Doch PMT, PAG und viele weitere Beispiele zeigen, dass sich solche Gesetze keineswegs nur gegen (mögliche) Täter*innen richten, welche die politische und soziale Ordnung gefährden. Sie können schlicht jede Form von linkem Aktivismus treffen, welche den Herrschenden ein Dorn im Auge ist. Klimagruppierungen wie Renovate Switzerland oder Letzte Generation fordern keinen Systemumsturz. Die Kriminalisierung von Klimaprotesten ist dabei nur die Fortsetzung einer Entwicklung, die im Bereich Asyl und Migration bereits an der Tagesordnung ist. Von den Stansted 15 in England bis zu den Seenotretter*innen auf dem Mittelmeer werden Aktivist*innen von den Behörden zu Terrorist*innen und Gefärder*innen erklärt. Gleichzeitig können Neonazis im Wissen der Geheimdienste Schusswaffen besitzen, ohne dass dies für die Behörden eine Gefahr darstellt, wie zum Beispiel die Aufarbeitung des NSU-Untersuchungsberichtes in Deutschland zeigte.
https://www.20min.ch/story/terrorgefahr-fedpol-greift-erstmals-gegen-gefaehrlichen-extremisten-durch-813833619157
https://www.woz.ch/2245/buergerliche-weltsicht/buergerliche-weltsicht-der-unfug-von-der-klima-raf/%21HT253935Y79B
https://netzpolitik.org/2022/polizeilicher-gewahrsam-klimaaktivisten-ohne-gerichtsverfahren-in-haft/?fbclid=IwAR0aUGvroO-qviqXcC2btk8KOZlXK1-tH0amRP6BKs_N5hyI-Fs7K57uZws
https://www.woz.ch/2137/rassismus-in-der-schweiz/wie-tuerkinnen-und-albaner-zu-musliminnen-wurden
Was ist aufgefallen?
Lagebericht aus dem Norden Serbiens
Der Norden Serbiens ist zu einem Hotspot in der europäischen Grenzpolitik geworden. Geflüchtete Menschen versuchen dort, in die EU zu gelangen und treffen auf geschlossene Grenzen und ausbeuterische Schmuggler-Strukturen. Solidarische Kollektive vor Ort versuchen die Menschen in den Squats zu unterstützen.
Ein Bericht von Bl!ndspots
Mehr und mehr Schutzsuchende u.a. aus Syrien, Afghanistan und Burundi versuchen, über den Norden Serbiens die EU zu erreichen. Mit Kroatien, Ungarn und Rumänien grenzt Serbien im Norden gleich an drei EU-Mitgliedstaaten, was die Region in den letzen Jahren zu einem Hotspot der Migration in die EU gemacht hat. Die sogenannte westliche Balkanroute, die entweder über Serbien oder über Bosnien und Herzegowina in die EU führt, ist eine der meistgenutzten Fluchtrouten in die EU. In Serbien ist die Anzahl der People on the Move (PoM) in den letzten Monaten stark angestiegen. Aktivist*innen vor Ort berichten, dass dreimal so viele People on the Move in der Region sind wie im letzten Jahr. Der Anstieg ist unter anderem auf ein neues Visa-Abkommen zurückzuführen. In den vergangenen Monaten schloss Serbien Visa-Abkommen mit Staaten wie beispielsweise Burundi ab, als diplomatischer Dank dafür, dass diese Staaten den Kosovo als unabhängigen Staat nicht anerkennen. Das Abkommen konnten einige Menschen nutzen, um legal nach Serbien einzureisen und sich von dort aus auf den Weg in die EU zu machen. Als Teil ihrer rassistischen Abschottungspolitik hat die EU Druck auf Serbien ausgeübt, diese visafreie Einreise wieder zu beenden.
Viele der People on the Move im Norden Serbiens leben in selbstorganisierten Squats in Grenznähe. In den Squats herrschen miserable Zustände. Der Anstieg der durchreisenden Menschen führt dazu, dass die Squats teilweise überfüllt sind. Bis zu 600 Personen leben in einem besetzten Gebäudekomplex, bzw. in Zelten darum herum. Meist schlafen mehrere Menschen auf improvisierten Betten in einem kleinen Raum. Privatsphäre oder Ruhe gibt es kaum. Die Squats sind meist alte, baufällige Ruinen, die wenig Schutz vor Wind und Kälte bieten. Fliessendes Wasser und Elektrizität gibt es in den meisten Squats nicht. Aufgrund mangelnder Hygiene- und Müllinfrastruktur leiden viele Menschen an Infektionen. Unzureichende Versorung mit Kleidung und Nahrungsmitteln führen zu Unterernährung und erhöhen das Erkrankungsrisiko. Insbesonders im Winter können die Witterungsbedingungen für People on the Move, die in verschmutzen, zugigen Ruinen leben müssen, lebensbedrohlich sein.
Eine Registrierung und damit ein Entkommen aus der Illegalisierung ist in Serbien für People on the Move nicht möglich. Es gibt kein funktionierendes Asylsystem, berichtet eine lokale Aktivistin. Serbien sieht sich als Transit- und nicht als Zielland der Migrationsbewegungen und damit nicht in der Verantwortung, irgendwelche Strukturen für durchreisende Menschen zu schaffen. Die meisten People on the Move möchten tatsächlich nicht in Serbien bleiben – ihr Ziel ist die EU. Die Tatsache, dass sie in Serbien in die Illegalität gezwungen werden und dieser nicht entkommen können, hat trotzdem negative Konsequenzen. People on the Move sind von der öffentlichen Infrastruktur grösstenteils abgeschnitten. Nur schwer und mit der Unterstützung von weissen Supporter*innen werden sie in lokalen, öffentlichen Krankenhäusern behandelt – und dann meist nur unzureichend. Viele Supermärkte dürfen die Menschen nicht betreten, in anderen werden sie erst nach allen einheimischen Kund*innen bedient. Darüberhinaus sind sie aufgrund ihrer Illegalisierung von staatlichen Schutzmöglichkeiten abgeschnitten. Wiederfährt ihnen Gewalt oder anderweitiges Unrecht, können sie nicht auf die Unterstützung staatlicher Behörden zurückgreifen. Als illegalisierte Personen haben sie keine Rechte in Serbien.
Der Ausschluss von jeglicher staatlicher Infrastruktur bedeutet auch, dass viele People on the Move schutzlos gegenüber ausbeuterischen Strukturen sind. Gewaltvolle Schmuggler-Strukturen haben aufgrund der Abhängigkeit der Menschen ein leichtes Spiel. Da viele Lebensmittelgeschäfte People on the Move nicht bedienen und einige der Squats aufgrund der strategisch wichtigen Grenznähe ausserhalb von städtischer Infrastruktur liegen, können ausbeuterische Banden Lebensmittel zu horrenden Preisen innerhalb der Squat-Strukturen verkaufen. Durch Gewaltandrohung und Einschüchterung, auch gegenüber solidarischen Support-Strukturen, versuchen sie die Monopolstellung über lebenswichtige Ressourcen zu verteidigen.
Auch der Grenzübertrittsversuch nach Ungarn wird streng von mitunter sehr gewaltvollen Schmuggler-Strukturen kontrolliert. Wer den Grenzzaun überqueren will, muss ca. 5’000 € an die Schmuggler*innen zahlen, die Leitern zur Verfügung stellen und Fluchtrouten nach Bezahlung zeigen. Ein Schutzsuchender aus Afghanistan erzählte, dass er gar nicht weiss, wie er mit seiner Familie über die Grenze kommt, aber ein “Bekannter” das organisiert. Lokale Supporter*innen berichten, dass Schmuggler-Banden sich die Grenzzaunabschnitte aufgeteilt haben, die sie dann streng kontrollieren. Wer nicht zahlen will, wird verprügelt und/oder anderweitig eingeschüchtert, bis er*sie zahlt. Wer nicht zahlen kann, muss oft Zwangsarbeit verrichten und sich so den Grenzübertritt erarbeiten. Alleinreisende Frauen* sind besonders vulnerabel, erklärt eine serbische Aktivistin. Häufig werden sie von Schmuggler-Strukturen nicht in den Squats, sondern in Hostels untergebracht, wo sie ihren Unterhalt mit Zwangsprostitution erarbeiten müssen. Die Illegalisierung durch den serbischen Staat führt dazu, dass die Frauen* schutz- und wehrlos gemacht werden. Sie wollen um jeden Preis die EU erreichen und in ihrer Verzweiflung sehen sie keinen anderen Weg, als die Ausbeutung über sich ergehen zu lassen, bis die Unterdrücker/Schmuggler sie über die Grenze lassen.
Die Illegalisierung durch den serbischen Staat ist ein Grund für das Ausgeliefertsein der People on the Move. Die Abschottungspolitik der EU ist ein weiterer. Gäbe es sichere Fluchtrouten, z.B. in Form von legalen Fluchtkorridoren oder humanitären Visa für Schutzsuchende, würden sie nicht in die Fänge von ausbeuterischen Strukturen geraten, die sich die Illegalisierung und die unmenschliche Grenzbewachung der EU zu Nutzen machen. Leider ist aufgrund der rechtspopulistischen und konservativen Übermacht in vielen EU-Mitgliedstaaten, sowie der Union selbst, nicht davon auszugehen, dass die allgemeine Migrationspolitik Europas sich in absehbarer Zukunft verbessern wird. Rassismus, Neokolonialismus und kapitalistische Ausbeutung werden aller Vorraussicht nach auch in Zukunft Leitmotive der EU-Migrationspolitik bleiben. Selbst das Ende von menschenrechtswidrigen Grenzschutzmethoden ist nicht absehbar. Pushbacks sind ein normalisierter Teil des EU-Grenzschutzmechanismus geworden. Gewalt von Seiten europäischer Beamt*innen gegenüber Schutzsuchenden ist keine Seltenheit an den EU-Aussengrenzen. Zäune und Mauern werden nicht, wie oft selbsverherrlichend von der EU propagiert, eingerissen – sondern gebaut. All diese Mechanismen spielen den ausbeuterischen Strukturen im Norden Serbiens in die Hände. Gäbe es keinen Zaun an der serbisch-ungarischen Grenze zu überwinden, wäre es schwieriger für Schmuggler-Strukturen, den Grenzübertritt zu beherrschen. Müssten Schutzsuchende keine Angst vor der Gewalt und Erniedrung durch EU-Beamte haben, so würden sie nicht in die “Schutz”-und Geleit-versprechenden Hände von Ausbeutenden getrieben. Die Zwangsprostitution, Zwangsarbeit, Einschüchterungen und Gewaltexzesse in Nordserbien sind Konsequenzen der EU-Migrationspolitik und ihrer rechtswidrigen Grenzschutzmethoden.
Im November 2022 haben sich mehrere solidarische Organisation, die im no-border-Kontext auf der Balkanroute aktiv sind, zusammengeschlossen. In einer gemeinsamen Aktion wurden mehrere Squats winterfest gemacht, Öfen eingebaut und Holz geliefert. Es ist ein Zeichen der Solidarität und soll den Kampf der People on the Move gegen die winterliche Kälte und die Kälte der EU-Migrationspolitik unterstützen.
Mehr Infos über die Aktion findet ihr hier: https://www.instagram.com/blindspots.support/
Transfeindlichkeit als Instrument rechter Hetze
Die transfeindlichen Aussagen von Ueli Maurer bei der Ankündigung seines Amtsrücktritts, die Angriffe von Neonazis auf eine queere Veranstaltung in Zürich und die Positionierung der SVP in der Debatte rund um die Vorfälle sind beispielhaft dafür, dass queere Menschen für rechtspopulistische und faschistische Gruppen eine immer wichtigere Projektionsfläche eines Feindbildes werden. Nicht nur in der Schweiz, auch in Grossbritannien, Deutschland, Polen, Russland, Italien und in den USA wird zunehmend eine rechte Rhetorik gegen queer und die „Gender Ideologie“ verfolgt.
So ist der Angriff auf die „Drag Story Time“ in Zürich kein Einzelfall, sondern eine Kopie von ähnlichen Aktionen in den USA, Kanada oder Grossbritannien. Das Narrativ, das verfolgt wird, wird insbesondere in den heftig geführten Diskussionen in den USA rund um zahlreiche neue LGBTIQ-feindliche Gesetzesvorschläge deutlich:
Die Gesundheitsvorsorge von trans Kindern und Jugendlichen wird eingeschränkt oder kriminalisiert, in Schulen wird Lehrer*innen verboten, über LGBTIQ-Themen zu sprechen, trans Mädchen dürfen nicht am Schulsport teilnehmen. Das Argument zur Verabschiedung dieser neuen Gesetzesentwürfe ist immer der „Schutz der Kinder“. Derselben Logik folgen die Neonazis in Zürich, die die Dragperformer*innen als pädophil und die veranstaltende Person als Verfechterin der familienfeindlichen „Gender Ideologie“ bezeichnen.
Insbesondere transfeindliche Diskurse scheinen zurzeit in der rechten Rhetorik populär zu sein. Hass gegen trans Menschen kann viele verschiedene Akteure hinter einem gemeinsamen Feindbild vereinen. Rechte Gruppierungen, rechtspopulistische Parteien, christlich-fundamentalistische Organisationen, aber auch bürgerlich-konservative oder liberale Milieus und sogar so manche Feminist*innen. Sie sehen trans Menschen als Bedrohung einer bestehenden Ordnung der „traditionellen“ Geschlechterrollen und der „natürlichen“ Vorstellung von Geschlecht, die es zu verteidigen gilt.
Der transfeindliche Diskurs wird von Akteur*innen mit gesellschaftlicher Macht (wie Ueli Maurer, Giorgia Meloni, Alice Schwarzer, J.K Rowling) befeuert und gipfelt in physischen Angriffen auf trans Menschen. Transfeindlichkeit ist ein Instrument rechter Rhetorik, das den unheimlichen Schulterschluss zwischen Feminist*innen, rechten Politiker*innen, und Neonazis ermöglicht und in dem rechte Ideologien verwoben sind. Deshalb: Antifaschistisch heisst queerfeministisch!
https://geschichtedergegenwart.ch/transfeindlichkeit-radikalisierungs-pipeline-der-amerikanischen-rechten/
https://www.gwi-boell.de/de/2022/02/03/die-transnationale-anti-gender-bewegung-europa
Was tut Frontex?
Frontex-Drohnen in Griechenland
In den letzten fünf Jahren hat die EU-Grenzagentur Frontex eine eigene Luftüberwachung mit Flugzeugen und Drohnen aufgebaut. Und informiert damit auch die libysche Küstenwache. Die EU-Grenzagentur besitzt seit einem Jahr eine grosse Drohne des Typ Heron 1, die auf Malta stationiert ist. Mit ihr wird das zentrale Mittelmeer überwacht. Das ohne Personen fahrende Luftfahrzeug stammt vom Hersteller Aerospace Industries aus Israel. Im Sommer 2022 kam eine weitere Drohne für Flüge von der Insel Kreta aus hinzu. Sie dient der griechischen Küstenwache bei ihren Frontex-Missionen.
Die Frontex-Drohnen durften bisher nur in reservierten Lufträumen starten und landen. Nun hat die griechische Luftbehörde jedoch deren Einsatz im ganzen Flugraum genehmigt. Mit ihren Tag- und Nachtsichtgeräten sowie Radargeräten sind die Drohnen bestens ausgestattet zur Meeresüberwachung. Die Bilder werden direkt in den Frontex Hauptsitz nach Warschau geliefert. Und von dort an unterschiedliche Lagezentren der Mitgliedsstaaten der EU. So zum Beispiel nach Italien, das selbst keine Drohnen beherbergt, aber die Informationen trotzdem erhält. Und: Auch die Küstenwachen in Libyen und Tunesien werden so informiert. Dies, so Menschenrechtsorganisationen, ist Beilhilfe zu völkerrechtswidrigen Pushbacks nach Libyen.
Die Fluchtwege über das Mittelmeer und das ionische Meer bei Griechenland sind also für People on the Move auch wegen Frontex kaum mehr zu bewältigen. Auch der Landweg über die so genannte Balkanroute ist durch Überwachung und polizeiliche Grenzgewalt geprägt. Gerade hat die deutsche Bundesregierung erneut Millionensummen für die Grenzschutzbehörden der so genannten Balkanländer gesprochen – im Wissen um die illegalen Pushbacks. Laut TAZ erhalten die Grenzpolizeien der südosteuropäischen Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Moldau, Nordmazedonien und Serbien 2021 und 2022 rund 6,6 Millionen Euro für so genannte polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe. Kroatien, das für seine Pushback-Praxis bekannt ist, erhält rund 200.000 Euro. Welche Projekte damit genau durchgeführt werden, will die Regierung nicht erläutern. Vielleicht aus Angst vor Überwachung der unlauteren Pushback-Praktiken?
https://netzpolitik.org/2022/eu-empfehlung-an-griechenland-frontex-drohne-darf-erstmals-im-zivilen-luftraum-fliegen/
https://taz.de/Pushbacks-an-der-kroatischen-Grenze/!5804286/
Was nun?
Call to Action: Internet Nazifrei
Die Neonazi-Gruppe „Junge Tat“ betreibt ihre Website bei hostpoint.ch. Hostpoint ist das egal und verdient lieber Geld an den Nazis. Ein Aufruf an Homeoffice Antifas – keine Plattform den Faschisten, auch nicht im Internet!
Warum es wichtig ist Neonazis und Rassisten die Plattformen zu entziehen und was ihr tun könnt, lest ihr hier: https://barrikade.info/article/5459
From Tripoli to Geneva: Mobichannel für die Protesttage am 09. und 10. Dezember in Genf
Die Stimmen der „Refugees in Libya“ lauter drehen, das sollen die umfassenden Proteste vor der UNHCR-Zentrale in Genf im Dezember. Aus vielen deutschschweizer Städten sind gemeinsame Anreisen geplant. Hilf mit und bleib informiert über den Telegram-Kanal https://t.me/from_tripoli_to_geneva und http://unfairagency.org/.
Wo gabs Widerstand?
Aktionstage: Break down Climate Walls
Die Klimakrise wird Jahr um Jahr stärker. Waldbrände, Dürren und extreme Hitze kosten Leben, zerstören Lebensgrundlagen und zwingen Menschen zur Flucht. Die Aktionstage schufen pünktlich zum Auftakt der COP in Ägypten Aufmerksamkeit. Auf Vorträge und Diskussionsveranstaltungen folgten spektakuläre Transpiaktionen.
Die Schweiz bekämpfe Migration anstatt der Klimakrise lautete einer der Vorwürfe von „Break down Climate Walls“: „Im Jahr 2020 zahlte die Schweiz 209 Millionen in Fonds ein, die finanzielle Mittel für jene Menschen bereit stellen soll, die schon heute unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden und die Auswirkungen der Krise abmildern sollen. Im selben Jahr investierte sie ein Vielfaches in Abschottung. Rund 449 Millionen war der Schweiz die Aufrüstung der Grenzen wert“. Die Klimakrise sei die Folge kolonialer Ausbeutung: „Der Globale Norden – und mit ihm die Schweiz – befeuert die Klimakrise seit über zweihundert Jahren. Um an Öl, Kohle, Gas und weitere Ressourcen zu kommen, beuten europäische und Schweizer Unternehmen Menschen auf der ganzen Welt aus und zerstören ganze Ökosysteme. Der Reichtum der fossilen Industrie folgt direkt aus der Zerstörung unserer Lebensgrundlage“. Diese kolonialen Machtstrukturen würden durch die Kriminalisierung von Migration weiter gestärkt: „Mit dem Scheinargument der «Sicherheit» trägt die Schweiz die Aufrüstung und Militarisierung der Festung Europa mit und kriminalisiert Migration. Tausende Migrant*innen sterben jedes Jahr auf lebensgefährlichen Fluchtrouten oder werden in menschenunwürdigen Lagern isoliert, misshandelt, zermürbt. Für den Erhalt der finanziellen und politischen Macht der Schweiz und Europas müssen unzählige Menschen leiden. Das Problem heisst Kapitalismus. Die Ursache von Flucht, Klimakrise und der Ausbeutung von Mensch und Natur liegen in unserem globalen Wirtschaftssystem. Um mit Öl, Kohle und Gas Milliarden zu verdienen, vertreibt die fossile Industrie Menschen und zerstört Ökosysteme. Rüstungskonzerne verdienen weiter an der Bekämpfung jener Menschen, die ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden.“
Die Aktionstage stellten folgende Forderungen: (1) Die Umverteilung von Militarisierungs- und Abschottungsgeldern hin zu Investitionen in Klimagerechtigkeit; (2) Sichere Fluchtrouten und das Ende der Kriminalisierung von Migration nach Europa; (3) Als Mitverursacherin der Klimakrise muss die Schweiz schnellstens ihre Emissionen auf Netto Null reduzieren und aufhören, in fossile Energien zu investieren; (4) Die bedingungslose Abschaffung aller Schulden des Globalen Südens und echte Reparationen für den Schaden, den die Schweiz verursacht hat.
https://noclimatewall.noblogs.org/position/
https://www.derbund.ch/aktionsbuendnis-blockiert-bundesamt-fuer-zoll-in-bern-944780313819
Antifa: Gedenken an die Blutnacht von Genf
Am 9. November 1932 schoss die Armee auf eine antifaschistische Demonstration in Genf. Sie tötete 13 Menschen und verletze über 60. Dieses Wochenende – 90 Jahre später – fand eine Demonstration statt, um an die «Blutnacht von Genf» zu erinnern und ein klares Zeichen gegen den Faschismus von heute zu setzen.
Der Demo geht es nicht ausschliesslich um den Prügelfaschismus auf der Strasse. Auch «der staatliche Rassismus, die antisoziale und neoliberale Politik haben echte Auswirkungen auf unseren Alltag und unser Leben und stellen eine weitaus grössere Gefahr dar als die Neonazibanden» schreiben die Organisierenden. «Wie die Genfer Arbeiterklasse in den 1930er Jahren sollten wir uns organisieren, um nicht mehr vor den Bossen zurückzuweichen, um nicht vor den Faschisten die Augen zu senken».
Auch der antifaschistische Abendspaziergang, der vor zwei Wochen durch Bern zog, hatte ähnliche Ziele und schlug ein weit gefasstes Verständnis von Antifaschismus vor. Eine solidarische Kritik erschien im Nachgang, um zu fordern, dass diesen Worte mehr Taten folgen sollten. Wir bringen hier ein paar Ausschnitte daraus: «Wenn wir das Heranwachsen von sozialer Gegenmacht der ausgebeuteten und unterdrückten Klassen in den sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, als den Schlüssel zu gesellschaftlicher Veränderung verstehen, sollte auch klar sein, dass der Kampf gegen eine reaktionäre gesellschaftliche und politische Entwicklung nur zusammen mit den Massen, d. h. zusammen mit einem Grossteil der Menschen geführt werden kann. (…) Demonstrationen und Kampagnen wie der Antifaschistische Abendspaziergang werden von autonomen (Klein-) Gruppen organisiert, anstatt Ausdruck einer breiteren gesellschaftlichen Organisierung zu sein. (…) Kampagnen wie der Antifaschistische Abendspaziergang schaffen es nicht, Ziele und Perspektiven zu formulieren, die über eine reine Reaktion auf eine reaktionäre gesellschaftliche und politische Entwicklung hinausgehen. (…) Zugehörigkeit wird nicht in erster Linie über gemeinsame politische Positionen und Zielsetzungen hergestellt, sondern vielfach über typische Kriterien einer Subkultur und ein militantes Auftreten transportiert Verschlossenheit und kann auf aussenstehende abschreckend oder sogar bedrohlich wirken. (…) Antifaschismus kann vor allem dann erfolgreich sein, wenn er sich auf den Aufbau von sozialer Gegenmacht und eine Immunisierung der Gesellschaft gegen den Faschismus durch Förderung einer linken politischen Vision fokussiert.»
Ein Antifaschismus, der breit verstanden wird, ist gut, doch ersetzt er den klassischen Antifaschismus inklusiver militanter Handarbeit nicht. Das zeigen schon allein all die Ereignisse in der Stadt Lausanne:
Im Januar 2021 verwüsten Faschos eine Metro Haltestelle mit Hackenkreuzen und Tags. Im Juni 2021 entsteht in der Romandie die erste Nemesis-Gruppe. Sie vertreten rassistisch-identitären Pseudofeminismus. Am 21. September 2021 demonstrieren Faschos mit Coronaskeptiker*innen. Sie zeigen antisemitische Schilder und Slogans wie „Alle hassen Kommunisten“. Sie sprühen Hakenkreuze und Davidsterne mit der Aufschrift „ungeimpft“. Am 7. November 2021 findet man in der Stadt Sticker der angeblich aufgelösten Gruppe Résistance helvétique, die dazu aufruft, sich nicht impfen zu lassen, keine Maske zu tragen etc. Am 25. November nimmt die Gruppe Nemesis an der Demonstration zum Internationalen Tag für die Beseitigung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt teil. Zusammen mit mehreren Cis-Männern versuchen sie, mit einem Transparent mit dem rassistischen Slogan „Schweizer Vergewaltiger = Gefängnis; ausländische Vergewaltiger = Abschiebung“ zu marschieren. Am 19. Januar geht der erste Artikel der faschistischen „Satire“-Website, der Hallebarde, online. Am 8. März versucht Nemesis erfolglos, sich erneut in eine Demo einzuschleichen, diesmal anlässlich des Internationalen Tags der feministischen Kämpfe. Am 2. April 2022, während der Demonstration „Gerechtigkeit für Nzoy“, zeigen Neonazis am Rand der Demonstration Hitlergrüsse. Am 18. Juni organisiert die «Hallebarde» ihre erste halböffentliche Veranstaltung in Lausanne. Am 14. Juni 2022 versucht Nemesis, sich mit einem Transparent „Für unsere Mütter, Schwestern und Töchter“ in die feministische Streikdemo einzuschleichen. Am 9. August 2022 wird nach einer „langen Pause“ die Fassade eines selbstverwalteten Raums mit Chrom- und Schwarzspray verwüstet. Das „Anti“ für Antifaschist wird überdeckt, ein keltisches Kreuz überdeckt die Flagge und ein Schriftzug „148“ erscheint. Namen der von der Polizei getöteten Menschen werden überdeckt.
https://renverse.co/infos-locales/article/1932-2022-on-n-oublie-pas-et-on-continue-le-combat-3712
https://renverse.co/infos-locales/article/facho-achete-toi-un-cerveau-retour-sur-des-evenements-lausannois-recents-3756
https://www.20min.ch/video/die-antifa-zieht-bei-gedenkzug-durch-genf-919319770262
https://barrikade.info/article/5439
Was steht an?
UNHCR the unfair Agency
Aufruf nach Genf – Sit-in am 09. und 10. Dezember 2022
Vor einem Jahr haben Tausende von Flüchtlingen mehr als 100 Tage lang vor dem UNHCR-Büro in Tripolis protestiert: ein historischer Akt der Selbstorganisation unter härtesten Bedingungen. Anstatt zuzuhören und sich zu bessern, kritisierte das UNHCR ihren Protest, ignorierte ihre Stimmen und schwieg angesichts der brutalen Räumung und Inhaftierung derjenigen, die ihre Grundrechte einforderten. Trotz der anhaltenden Repressionen und Drohungen bleiben die Forderungen von „Refugees in Libya“ bestehen und ihr Kampf geht in verschiedenen Formen weiter. Um „Refugees in Libya“ in ihrem Kampf zu unterstützen und den Stimmen all jener Gehör zu verschaffen, die von einer Behörde, die sie eigentlich schützen sollte, ignoriert, bestraft und ungerecht behandelt werden, rufen wir zu zwei Aktionstagen vor dem UNHCR-Hauptsitz in Genf, Schweiz, am 9. und 10. Dezember 2022 auf.
http://unfairagency.org/
Nothilfe-Vernetzung Luzern
14.11.22 I 18:30 Uhr I RäZel Luzern
In der Schweiz leben illegalisierte Menschen oftmals unter schwierigen Lebensbedingungen. Aufgrund von Eingrenzungen, abgelegenen Unterkünften, Kontrolle und Repression ist eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben für viele Menschen kaum möglich.
Wir sind eine Gruppe aus Luzern, welche diese Isolation mit regelmässigen Besuchen in den Nothilfeunterkünften durchbrechen möchten. Am Montag, 14. November treffen wir uns in Luzern zu einem Austausch: Wie waren bisherige Besuche? Wie geht es weiter? Wir freuen uns über weitere interessierte Personen – schau doch mal vorbei 🙂
8 Jahre Alarmphone – Buchpräsentation und Infoveranstaltung
15.11.22 I 19:30 Uhr I Zentralwäscherei Zürich
Das Buch „Voices of struggle – 8 years Alarmphone“ erzählt Geschichten aus 8 Jahren kollektivem Widerstand gegen das Grenzregime mit Beiträgen aus unterschiedlichen Regionen, von Senegal bis nach Zürich. Dieses Buch ist den Personen gewidmet die an den Grenzen Angehörige verloren haben, die das Grenzregime überlebt haben, und die immer noch darum kämpfen die unzähligen Grenzen zu überwinden, welche ihnen im Weg stehen. Es gibt Raclette und Solimerch. Kommt vorbei!!
https://zentralwaescherei.space/en/event/213
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Fluchthilfe konkret: Private tun, was der Staat tun sollte
Wie es das PEN-Zentrum schaffte, Dutzende afghanische Intellektuelle zu retten. Eine Erfolgsgeschichte entgegen der Schweizer Asylpolitik.
https://hoerkombinat.podigee.io/s1e19-neue-episode
Die »scheibchenweise« Abschaffung des Flüchtlingsschutzes in Europa
Abseits der öffentlichen Wahrnehmung wird der Abbau des europäischen Asylsystems geplant. Mit neuen Instrumenten wie der sogenannten Instrumentalisierungs- und Screeningverordnung sollen Flüchtlinge massiv entrechtet werden. Damit werden der Zugang zum Recht auf Asyl und das Rechtsstaatlichkeitsprinzip in Europa insgesamt zur Disposition gestellt.
https://www.proasyl.de/news/die-scheibchenweise-abschaffung-des-fluechtlingsschutzes-in-europa/
EU-Empfehlung an Griechenland: Frontex-Drohne darf erstmals im zivilen Luftraum fliegen
Zwei israelische Rüstungskonzerne bieten ihre Langstreckendrohnen in Europa zur Grenzüberwachung an. Neben dem Militär in der Schweiz führt auch die griechische Küstenwache entsprechende Einsätze durch.
https://netzpolitik.org/2022/eu-empfehlung-an-griechenland-frontex-drohne-darf-erstmals-im-zivilen-luftraum-fliegen/