Medienspiegel 7. November 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++SCHWYZ
Können im Kanton Schwyz Industrie- und Gewerberäume für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden? Die Mitte will eine entsprechende Auskunft der Regierung. (ab 01:24)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzerner-regierung-sieht-sich-durch-neue-steuerstatistik-bestaerkt?id=12282565


In Galgenen sind die Vereine verärgert
Kurz vor Wintereinbruch stehen in Galgenen mehrere Vereine ohne Trainingshalle und Probelokal da. Dies berichtet der Bote der Urschweiz. Die Gemeinde benötigt Platz für Geflüchtete und stellt die Vereine deshalb vor die Türe.
https://www.tele1.ch/nachrichten/in-galgenen-sind-die-vereine-veraergert-148664729


+++SCHWEIZ
Basel: Darum stoppt Schweiz Flüchtlinge an Grenze nicht
Die französische Polizei wirft Flüchtlinge in Basel aus dem TGV. Die Schweiz wird kritisiert, weil man die Menschen nicht stoppt. Ein Beamten-Insider klärt auf.
https://www.nau.ch/news/schweiz/basel-darum-stoppt-schweiz-fluchtlinge-an-grenze-nicht-66320883


Die Schweiz und Nordmazedonien schliessen eine Migrationspartnerschaft ab
Die Schweiz und Nordmazedonien sind nunmehr durch eine Migrationspartnerschaft miteinander verbunden. Bundesrätin Keller-Sutter und der Innenminister von Nordmazedonien, Oliver Spasovski, haben am 7. November 2022 in Bern ein entsprechendes Memorandum of Understanding unterzeichnet. So hat die Schweiz inzwischen mit vier Ländern des Westbalkans Migrationspartnerschaften abgeschlossen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-91243.html
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/bern-und-skopje-vereinbaren-eine-migrationspartnerschaft-66330000
-> https://www.blick.ch/politik/absichtserklaerung-bern-und-skopje-weiten-zusammenarbeit-in-migrationsfragen-aus-id18031405.html
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/schweiz-schliesst-migrationspartnerschaft-mit-nordmazedonien?partId=12282592
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/migrations-und-aussenpolitik-migrationspartnerschaften-kaum-genutzt-und-doch-sehr-nuetzlich


Über 70’000 Ukraine-Flüchtlinge beantragten Status S
Über 70’000 Menschen sind bisher vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Schweiz geflüchtet und haben den Schutzstatus S beantragt. Bis am Montag gewährten die Bundesbehörden 67’621 Personen von ihnen diesen Schutzstatus.
https://www.toponline.ch/news/detail/news/ueber-70000-ukraine-fluechtlinge-beantragten-status-s-00198060/


«Apropos» – der tägliche Podcast: Wieso fliehen gerade so viele Menschen durch die Schweiz?
Seit einiger Zeit passieren auffallend viele geflüchtete Menschen die Ostgrenze der Schweiz. Ihr Ziel ist Frankreich oder England, die Schweiz ist nur ein Durchgangsland. Die Behörden stellt das vor ein Dilemma.
https://www.derbund.ch/wieso-fliehen-gerade-so-viele-menschen-durch-die-schweiz-268657557704


+++DEUTSCHLAND
Fluchtroute über den Balkan: Pushbacks von Ampel mitfinanziert
Die Regierung unterstützt Grenzpolizeien der Balkanstaaten mit viel Geld. Deswegen fordert die Linke Offenlegung durch die Bundesinnenministerin.
https://taz.de/Fluchtroute-ueber-den-Balkan/!5890399/


+++ITALIEN
Seenotrettung von Geflüchteten – Schiff weigert sich, Italien zu verlassen, bis alle von Bord sind
Die verbleibenden 35 Männer sollen das Boot verlassen dürfen. Das hat der Kapitän der «Humanity 1» gefordert.
https://www.srf.ch/news/international/seenotrettung-von-gefluechteten-schiff-weigert-sich-italien-zu-verlassen-bis-alle-von-bord-sind


Hilfsorganisation SOS Humanity will italienischen Staat verklagen
Italiens Behörden haben dem Kapitän angeordnet, den Hafen von Catania mit 35 Geretteten an Bord wieder zu verlassen. Laut der NGO verstößt der Beschluss gegen das Menschenrecht
https://www.derstandard.at/story/2000140593113/hilfsorganisation-sos-humanity-will-italienischen-staat-verklagen?ref=rss


Seenotretter bringen auf Sizilien weitere Geflüchtete an Land
In Catania hat ein Großteil der Menschen an Bord der „Geo Barents“ italienischen Boden betreten dürfen. Weitere Rettungsschiffe warten weiter auf die Erlaubnis.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-11/mittelmeer-seenotrettung-migranten-sizilien-catania
-> https://www.nau.ch/news/europa/seenotretter-bringen-weitere-migranten-in-sizilien-an-land-66329367
-> https://www.jungewelt.de/artikel/438312.italienisches-grenzregime-italien-macht-dicht.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168288.italien-italien-selektiert-schutzbeduerftige.html
-> https://taz.de/Rettungsschiffe-von-NGOs/!5890372/
-> https://www.derstandard.at/story/2000140612738/fluechtlinge-auf-ngo-schiffen-vor-sizilien-duerfen-weiter-nicht-an?ref=rss


Italiens Umgang mit Flüchtlingen auf privaten Rettungsschiffen – 10vor10
Über 200 Flüchtlinge harren seit über einer Woche auf privaten Rettungsschiffen vor Catania auf Sizilien aus, die neue italienische Regierung von Giorgia Meloni verweigert die Einreise. An Land dürfen nur besonders Hilfsbedürftige, allen voran Frauen und Kinder – kaum Männer. Mit Einschätzungen von SRF-Korrespondentin Simona Caminada
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/italiens-umgang-mit-fluechtlingen-auf-privaten-rettungsschiffen?urn=urn:srf:video:fa1bfa71-d072-4b81-85f6-08830e60a2dd


+++MITTELMEER
Voices of Struggle
8 Years Alarm Phone
Eight years ago, on 11 October 2014, we launched the Alarm Phone, a hotline for people in distress at sea. Since then, our shift teams are available 24/7 and have assisted about 5.000 boats in distress along the different maritime routes to Europe – the Mediterranean Sea, the Atlantic to the Canary Islands, and since 2022 also across the Channel, from France to the UK.
“Voices of Struggle” is the title of this anniversary publication and we hope that the voices of the people on the move become amplified and widely listened to. We dedicate this booklet to those who lost loved ones at the borders, to those who survived the border regime, and to those who are still struggling to overcome and subvert the many borders in their way.
We have fought for eight years.
We will continue.
We will never give up.
https://alarmphone.org/en/campaigns/voices-of-struggle


+++EUROPA
Die »scheibchenweise« Abschaffung des Flüchtlingsschutzes in Europa
Abseits der öffentlichen Wahrnehmung wird der Abbau des europäischen Asylsystems geplant. Mit neuen Instrumenten wie der sogenannten Instrumentalisierungs- und Screeningverordnung sollen Flüchtlinge massiv entrechtet werden. Damit werden der Zugang zum Recht auf Asyl und das Rechtsstaatlichkeitsprinzip in Europa insgesamt zur Disposition gestellt.
https://www.proasyl.de/news/die-scheibchenweise-abschaffung-des-fluechtlingsschutzes-in-europa/


+++SYRIEN
Ärzte ohne Grenzen: Unmenschliche Zustände in syrischem Lager Al-Hol
Die Hilfsorganisation verurteilt insbesondere die Lebensbedingungen für Kinder. Das Lager habe sich zu einem „Freiluftgefängnis“ entwickelt
https://www.derstandard.at/story/2000140592349/aerzte-ohne-grenzen-unmenschliche-zustaende-in-syrischem-lager-al-hol?ref=rss
-> https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/syrien-gefluechtetenlager-al-hol?


+++GASSE
Aufdringliche Mickey-Mäuse nutzen Herbstmesse zum Betteln
Die Herbstmesse lockt viele Leute in die Stadt. Bettelnde, als Mickey Maus verkleidete Menschen nutzen das und gehen Passanten aufdringlich an.
https://telebasel.ch/2022/11/07/aufdringliche-mickey-maeuse-nutzen-herbstmesse-zum-betteln


+++DEMO/AKTIOIN/REPRESSION
Klima-Aktionen in Bern: Personen seilen sich mit Transparent an Bürogebäude ab
Im Rahmen der Aktionstage «Break down Climate Walls» hat ein gleichnamiges Bündnis für Montag mehrere Aktionen in Bern geplant.
https://www.derbund.ch/aktionsbuendnis-blockiert-bundesamt-fuer-zoll-in-bern-944780313819
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/aktivistinnen-und-aktivisten-seilen-sich-an-buerogebaeude-ab-148659679
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/arbeitslosenzahlen-im-kanton-bern-aussergewoehnlich-tief?id=12282394 (ab 04:05)
-> https://twitter.com/NoClimateWalls
-> https://twitter.com/klimastreik
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/894764641-aktivisten-blockieren-bundesamt-fuer-grenzschutz



hauptstadt.be 07.11.2022

Die Klimakrise macht nicht an den Landesgrenzen Halt

Am Montag machten Aktivist*innen in Bern auf die Verknüpfung von Klima- und Migrationspolitk aufmerksam. Ein Augenschein an den drei Aktionsplätzen.

Von Florian Wüstholz (Text) und Manuel Lopez (Bilder)

Kurz vor 6 Uhr morgens gibt es am Montag am Haupteingang des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) kein Durchkommen. Zwei Aktivist*innen haben sich an einem Dreibein in vier Metern Höhe befestigt und planen nicht, freiwillig wieder herunterzukommen. Darunter ist der Durchgang mit Stacheldraht und Absperrband versperrt. Einige Tafeln warnen vor der «Festung Europa». Am Boden leuchten gelbe Graffiti: «Klimaschutz = Fluchtgrund» oder «Klimagerechtigkeit = Bewegungsfreiheit».

«Ihr seid hier am falschen Ort», nervt sich ein BAZG-Angestellter, bevor er sich zwischen dem Stacheldraht einen Weg zum Eingang sucht. «Geht doch besser beim Bundeshaus demonstrieren.»

Die Aktivist*innen des Kollektivs «Break Down Climate Walls» sehen das anders. Als institutionelle Schnittstelle zur europäischen Grenzschutzagentur Frontex sei das BAZG mitverantwortlich für «Gewalt, Elend und Tod an den europäischen Aussengrenzen», erklären sie.

Rechtzeitig zum Auftakt der 27. Klimakonferenz in Ägypten wollte das Kollektiv mit mehreren direkten Aktionen auf das Missverhältnis zwischen Klimaverantwortung und Abschottungspolitik aufmerksam machen. Während die Schweiz 450 Millionen Franken pro Jahr für den Grenzschutz ausgibt, fliessen nur 209 Millionen Franken in Klimaschutzprojekte. Damit ist die Schweiz keine Ausnahme: International investieren Länder im Schnitt fast zweieinhalb Mal so viel in den Grenzschutz wie in den Klimaschutz, wie ein Bericht des «Transnational Institute» vom Oktober 2021 nachweist.

Frontex ist den Aktivist*innen dabei ein besonderer Dorn im Auge. Seitdem das Referendum gegen die Beteiligung an der Finanzierung im Mai an der Urne gescheitert ist, unterstützt die Schweiz die Grenzschutzagentur bis 2027 mit jährlich 61 Millionen Franken. «Der Kampf gegen Menschen, die vor Krieg, Unterdrückung und Armut flüchten, ist Europa mehr Wert, als der Kampf gegen die Zerstörung unser aller Lebensgrundlagen», schreibt «Break Down Climate Walls» entsprechend in einer Mitteilung.

Nach etwa 20 Minuten entfernen eingerückte Kantonspolizisten den Stacheldraht. Angestellte bekommen von den Aktivist*innen Flyer in die Hand gedrückt, während einige die Protestaktion aus dem Bürofenstern beobachten. Zwei Stunden später fährt ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr vor und die beiden Aktivist*innen werden mit einer automatischen Drehleiter aus ihren Konstruktionen geholt und der Polizei übergeben – wo ihre Personalien aufgenommen und sie kurze Zeit später wieder freigelassen werden.

In die Flucht getrieben

Ebenso gesittet geht es dann einige Stunden später an der Seilerstrasse 4 zu und her. Dort unterhält der israelische Rüstungskonzern Elbit Systems eine Schweizer Niederlassung. Um 11 Uhr seilten sich zwei Aktivist*innen von der Dachterrasse bis zum dritten Stock ab, um ein oranges Transparent mit der Aufschrift «Hier profitiert Rüstungskonzern Elbit von Abschottung & Klimazerstörung» auszurollen.

Der Grund: Die Schweiz kaufte bei Elbit Systems jüngst für 300 Millionen Franken sechs Hermes-900-Drohnen. Mit diesen 17 Meter breiten und 9 Meter langen unbemannten Flugzeugen lässt sich die Schweizer Grenze rund um die Uhr aus der Luft überwachen. Andere Hermes-900-Drohnen waren bis zu einem Absturz auf Kreta Anfang 2020 auch für Frontex und die EU im Einsatz.

Ein grosser Teil der Millionen, welche jährlich in den Grenzschutz investiert werden, fliesst direkt an Rüstungskonzerne wie Elbit Systems oder die deutsche Rheinmetall. Sie stellen nebst Drohnen auch weitere ausgefeilte Überwachungstechnologien her, mit denen Grenzschutzbehörden zum Beispiel im Mittelmeergebiet Flüchtende aufspüren und aus der EU zu drängen. Diese illegalen «Pushbacks» wurden von Frontex finanziert und vertuscht, wie der geheime «OLAF-Bericht» zeigt.

Dabei dürften in Zukunft noch mehr Menschen den Weg nach Europa suchen. Dass die Klimakrise viele in die Flucht treibt, ist international bekannt: In Ostafrika verursachen jahrelange Dürren und Krieg Hunger, in Südafrika und Pakistan überfluteten Extremniederschläge ganze Landstriche. Und auch die Länder am Mittelmeer gehören zu den empfindlichsten Regionen der Welt, wenn Temperatur und Meeresspiegel weiter ansteigen.

So kritisieren die Aktivist*innen des Kollektivs, dass Europa als Antwort auf diese Entwicklung nicht mit aller Vehemenz die Klimaerhitzung bekämpfe und Verantwortung übernehme, sondern die eigenen Grenzen weiter militarisiere und abschotte. «Die Folgen der Klimarkrise sind Jahr für Jahr stärker spürbar. Gleichzeitig militarisiert Europa ihre Grenzen, baut Mauern, schottet sich ab. Davon profitiert die Rüstungsindustrie und die Situation der Geflüchteten verschlimmert sich massiv», sagt Lisanne Dichter vom Kollektiv.

Eine halbe Stunde später – die Bilder sind geschossen, die Videos im Kasten – wird das Transparent wieder aufgerollt und zusammengepackt. Just in diesem Moment trifft die Polizei doch noch ein und nimmt die Personalien der Aktivist*innen auf.

Historische Verantwortung übernehmen

Dass weder das BAZG noch Elbit Systems die volle Verantwortung tragen, ist auch dem Kollektiv bewusst. So geht es zum Abschluss des Aktionstags doch noch zum Bundeshaus. Diesmal seilen sich vier Aktivist*innen von der Bundesterrasse ab und bringen ein dreissig Meter breites Transparent an: «Klimakrise bekämpfen statt Migration».

Damit soll die politische und finanzielle Verantwortung reicher Staaten wie der Schweiz hervorgehoben werden. Diese haben überproportional viel zur Klimaerhitzung beigetragen, während ärmere Staaten überproportional stark unter den Folgen leiden. Gemessen an der historischen Verantwortung für die Klimaerhitzung sowie den finanziellen Möglichkeiten, müsste die Schweiz eigentlich viel mehr unternehmen. Das zeigen Berechnungen, welche das internationale Forschungsinstitut «Stockholm Environment Institute» im Rahmen des «Climate Equity Reference Project» durchgeführt hat.

Diese Ungerechtigkeit ist eigentlich auch ein Thema an der 27. Klimakonferenz in Scharm asch-Schaich, wo unter anderem die Finanzierung von Ausgleichszahlungen für Klimafolgeschäden in besonders betroffenen Ländern diskutiert werden soll.

Die Aktivist*innen von «Break Down Climate Walls» erhoffen sich von diesen Diskussionen jedoch nicht allzu viel – finden sie doch unter der Obhut eines Militärregimes statt, in dem Aktivist*innen gefoltert und ermordet wurden und es rund 60000 politische Gefangene gibt.
(https://www.hauptstadt.be/a/die-klimakrise-macht-nicht-an-den-landesgrenzen-halt)



Wut auf Klima-Aktivisten: «Wir bekommen täglich Hassmails und Drohungen wegen Strassenblockaden»
Klima-Aktivisten blockieren Strassen und verärgern Verkehrsteilnehmende. Nach einem Vorfall in Deutschland steigt die Wut in der Bevölkerung.
https://www.20min.ch/story/wir-bekommen-taeglich-hassmails-und-drohungen-wegen-strassenblockaden-269264544942
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/klimaaktivismus-die-protestformen-selbst-muessen-angepasst-werden


Kampf gegen Critical Mass: FDP in der ideologischen Sackgasse
Der monatliche Velo-Umzug ist der städtischen FDP ein Dorn im Auge. Doch die Forderung nach einer Bewilligungspflicht bringt nichts und zeigt, wie sich die Partei in der Verkehrspolitik in einer ideologischen Sackgasse befindet. Ein Kommentar.
https://tsri.ch/zh/kampf-gegen-critical-mass-fdp-in-der-ideologischen-sackgasse.0P8TioWm4VwGxyJP


Protesttage auf dem Bau: Romandie
In der Romandie haben insgesamt über 7000 Bauarbeiter ihre Arbeit niedergelegt und in den fünf Städten Delémont, Freiburg, Genf, La Chaux-de-Fonds und Lausanne ihren Protest kundgetan. Sie wehren sich gegen die völlig überrissenen Forderungen der Baumeister nach 12-Stunden-Arbeitstagen und einer 58-Stunden-Woche.
https://www.unia.ch/de/aktuell/aktuell/artikel/a/19487
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/mont-blanc-bruecke-blockiert-westschweizer-bauarbeiter-legen-arbeit-nieder



Trotz EWZ-Ultimatum – linksautonome Besetzer brunchen mit Kafi und Gipfeli
Seit einer Woche wird ein EWZ-Gebäude an der Limmat besetzt. Das EWZ reichte Anzeige ein und stellte den Aktivisten ein Ultimatum bis Montagmorgen. Davon lassen sich diese nicht beeindrucken.
https://www.20min.ch/story/trotz-ewz-ultimatum-linksautonome-besetzer-brunchen-mit-kafi-und-gipfeli-589440992106
-> https://twitter.com/zureich_rip/status/1589512980684750848
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/ultimatum-fuer-hausbesetzer-abgelaufen-148664466



tagesanzeiger.ch 07.11.2022

EWZ-Gebäude in Zürich: Besetzer lassen Ultimatum verstreichen

Die alte EWZ-Halle am Zürcher Letten hätte heute um 10 Uhr geräumt werden sollen. Das ist noch nicht geschehen. Auch die Polizei ist noch nicht ausgerückt. Dafür gibt es Solidarität mit der Aktion.

Martin Huber

Vor dem EWZ-Kesselhaus an der Wasserwerkstrasse 101 in Zürich-Wipkingen wartete am Montag kurz vor 10 Uhr alles auf die Ankunft der Polizei. Doch diese liess sich trotz des Ultimatums, welches das EWZ den Besetzerinnen und Besetzern gestellt hatte, vorerst nicht blicken. Bis 10 Uhr hätten die Aktivisten das besetzte Gebäude an der Limmat räumen sollen.

Schon am frühen Morgen hatten sich etwa 50 Sympathisanten zu den Aktivisten gesellt, es gab Kaffee und Gipfeli. Auch in der Nachbarschaft solidarisiert man sich mit der Besetzung des Gebäudes. «Für autonomen Kulturraum» ist auf einem Transparent zu lesen, das an einer Hauswand vis-à-vis dem Kesselhaus hängt.

«Wir wollen bleiben und hoffen darauf, dass wir mit der Stadt in einen Dialog treten können», sagten Aktivisten vor Ort. Sie sind davon überzeugt, dass ein Kompromiss möglich ist und dass eine Räumung voreilig wäre.

Das Ultimatum hatte das städtische Elektrizitätswerk als Eigentümer den Linksautonomen am vergangenen Donnerstag gestellt. Diese hatten die seit längerem leer stehende Halle auf dem Kraftwerksareal Letten vor einer Woche in Beschlag genommen. Die Linksautonomen haben angekündigt, dass sie «nicht freiwillig rausgehen» werden.

Daraufhin reagierte das EWZ mit einer Strafanzeige gegen unbekannt wegen Hausfriedensbruch und stellte den Besetzern das Ultimatum. Damit hätte die Stadtpolizei die Möglichkeit, das Gebäude zu räumen.

Die Stadtpolizei und das EWZ wollten sich am Montagmittag auf Anfrage nicht zum weiteren Vorgehen äussern.

Reaktion auf Räumung des Koch-Areals

Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen in der EWZ-Halle einen Ort für «unkommerzielle Kultur und politischen Austausch» einrichten, wie sie mitteilten. Die Besetzung ist eine Reaktion auf die in diesem Winter geplante Räumung des seit Jahren besetzten Koch-Areals in Albisrieden, wo eine neue Wohnüberbauung entstehen soll.

EWZ meldet Sicherheitsbedenken an

Das EWZ nannte vergangene Woche drei Gründe für die Strafanzeige und das Ultimatum an die Besetzer. Erstens seien das Kraftwerk und das Unterwerk Letten Bestandteil der Stromversorgung der Stadt. In der Besetzung des ehemaligen Kesselhauses sieht das EWZ «eine mögliche Gefährdung der Stromversorgung». Zweitens sei das Kesselhaus, das derzeit sporadisch als Lager genutzt wird, einsturzgefährdet. Wenn etwas passiert, haftet das EWZ.

Drittens befindet sich der Gebäudekomplex im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung. Nach aktuellen Plänen soll die Halle an die Stadt übergehen, sobald der EWZ-Neubau Herdern fertig ist. Eine Delegation des Stadtrats ist daran, eine künftige Nutzung zu definieren.

AL fordert Verzicht auf Räumung

Unterstützung erhalten die Besetzerinnen und Besetzer inzwischen von der Alternative Liste. Diese fordert den Stadtrat auf, die Strafanzeige zurückzuziehen, die polizeiliche Räumung zu unterlassen und den «konstruktiven Dialog» mit den Besetzern zu suchen – diese seien dafür bereit, schreibt die AL in einer Mitteilung.

Die «unkommerzielle Nutzung des Kesselhauses» solle bestehen bleiben. Dort könne ein wertvoller kultureller und sozialer Treffpunkt entstehen.

Weiter kündigte die AL politische Vorstösse an. So will sie wissen, weshalb das EWZ das Gebäude als einsturzgefährdet bezeichnet, obwohl dies laut AL gar nicht der Fall sei. Zudem will sie dem Stadtrat die Frage stellen, «warum die Stadt das historische Gebäude offenbar vergammeln liess».

Die AL hegt ausserdem Zweifel daran, dass die Besetzung das Elektrizitätswerk Letten und damit die Elektrizitätsversorgung der Stadt beeinträchtige. «Dies würde das Durchbrechen durch zwei Wände und darauffolgende Manipulationen der Anlagen des Elektrizitätswerks bedingen», heisst es in dem Communiqué. «Wäre dies tatsächlich im Interesse der Besetzer:innen, so könnten sie sich über die Fenster des Generatorenhauses mit deutlich weniger Aufwand Zugang verschaffen.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/polizei-laesst-ultimatum-verstreichen-460111754159)



nzz.ch 07.11.2022

Heute Montag müssen die Besetzer das baufällige EWZ-Gebäude an der Limmat verlassen – doch sie haben nicht vor zu gehen

Vor dem besetzten Haus in Zürich haben sich am Montagvormittag gegen hundert Personen versammelt. Die Polizei hat das Kesselhaus noch nicht geräumt.

Matthias Niederberger

Auf dem Platz vor dem Kesselhaus, das direkt an der Limmat liegt, haben sich am Montagvormittag gegen hundert Personen versammelt. Sie wollen ein Zeichen setzen, wehren sich dagegen, dass das kürzlich von Autonomen besetzte Gebäude geräumt wird.

Eigentlich hätten die Besetzerinnen und Besetzer das alte EWZ-Gebäude um 10 Uhr verlassen müssen. Laut den Besetzern befinden sich aber weiterhin Personen in dem Gebäude. Die Polizei ist nicht vor Ort. Ob und wann sie das Gebäude räumen wird, ist nicht bekannt.

Der Widerstand zeigt sich bis jetzt von der gemütlichen Seite: Leute aus der Besetzerszene und Sympathisanten frühstückten am Montag gemeinsam vor dem besetzten Gebäude. Es gab Kaffee, Tee und Brötchen. Die Stimmung unter den Besuchern ist eher entspannt als angespannt.

Immer wieder ist der «Dialog mit einem Backstein» aus Lautsprechern zu hören. Es handelt sich um einen zehnminütigen, fiktiven Dialog, der die Situation aus Sicht der Besetzer wiedergibt. Darin werden unter anderem der FDP-Stadtrat Michael Baumer und der EWZ-Mediensprecher Harry Graf parodiert.

Auf die Frage der NZZ, wie sie gegenüber der Polizei auftreten werden, sagen zwei Besetzer: «Unsere Reaktion hängt davon ab, wie die Polizei auftreten wird.» Klar ist: Sie wollen das Gebäude nicht verlassen.

Zuerst besetzt, dann angezeigt

Am Sonntag vor einer Woche besetzten mehrere Dutzend Personen ein Gebäude des EWZ. Das sogenannte Kesselhaus liegt an der Wasserwerkstrasse 101, direkt an der Limmat. Zuletzt wurde es vom EWZ als Zwischenlager für Material genutzt. Seit 2019 steht das Gebäude leer.

Laut den Hausbesetzern hat es die Stadt Zürich verschlafen, etwas Sinnvolles aus dem Gebäude zu machen. Deshalb habe man die Sache selbst in die Hand genommen. Neu soll das Kesselhaus ein Ort für unkommerzielle Kultur sein.

Dass im Kesselhaus fortan Veranstaltungen stattfinden, kommt für das EWZ allerdings nicht infrage. Am Freitag hat die Eigentümerin eine Strafanzeige gegen die Besetzer des Kesselhauses an der Wasserwerkstrasse eingereicht.

Das Unternehmen sieht in der Besetzung des ehemaligen Kesselhauses eine mögliche Gefährdung der Stromversorgung. Es gehört zum Gebäudekomplex des Kraftwerks und Unterwerks Letten, welches das EWZ zur versorgungsrelevanten Infrastruktur der Stadt Zürich zählt.

Da sich das Kesselhaus in einem baufälligen Zustand befinde, könne zudem die Sicherheit der Besetzer nicht gewährleistet werden, teilte der Stromversorger mit. Aus diesen Gründen habe man Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Hausfriedensbruch eingereicht.

Ausserdem steht das Kesselhaus unter Denkmalschutz. Es wurde 1986 ins Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung aufgenommen. Laut dem Zürcher Amt für Städtebau wurden die Gebäude rund um das Kraftwerk Letten Ende des 19. Jahrhunderts erstellt. Es dürfen nicht ohne weiteres Veränderungen vorgenommen werden, wie es die Besetzer angekündigt haben.

Besetzung des Koch-Areals soll 2023 enden

Die Autonomen begründen die Besetzung damit, dass in Zürich autonome Kulturräume fehlten. Mit der angekündigten Räumung des Koch-Areals gehe der grösste autonome Freiraum der Schweiz verloren. Gleichzeitig betont die Gruppe, dass die Aktion kein Racheakt sei.

Das Koch-Areal an der Grenze von Zürich Altstetten und Albisrieden ist seit 2013 besetzt. Bald wird es von der Stadt neu überbaut. Es sollen 325 gemeinnützige Wohnungen für 900 Personen, ein Quartierpark und Gewerbeflächen entstehen. Die Besetzung des Areals endet gemäss dem Zürcher Finanzdepartement im Februar 2023. Dann könnte es geräumt werden.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-besetzer-muessen-das-ewz-gebaeude-am-montag-verlassen-ld.1710724)



nzz.ch 07.11.2022 (18.00 Uhr)

«Nur weil ein Gebäude leer steht, kann man es nicht einfach besetzen» – während sich die FDP ärgert, verteidigt die AL die Autonomen

Am Montag hätten die Besetzer das alte Kesselhaus in Zürich verlassen müssen – doch sie haben nicht vor zu gehen.

Matthias Niederberger

Auf dem Platz vor dem Kesselhaus haben sich am Montagvormittag gegen hundert Personen versammelt. Sie wollen ein Zeichen setzen, wehren sich dagegen, dass das kürzlich von Autonomen besetzte Gebäude wie angekündigt geräumt werden soll.

Die meisten Leute vor Ort fallen nicht auf. Viele tragen Schwarz. Aus den Boxen dröhnt eine Coverversion des bekannten Pop-Songs «Supergirl». 9.00 Uhr: Es gibt Kaffee und Gipfeli.

Eigentlich hätten die Besetzerinnen und Besetzer das baufällige Haus um 10 Uhr verlassen müssen. Laut den Besetzern befinden sich aber weiterhin Personen in dem Gebäude. Die Polizei ist nicht vor Ort. Ob und wann sie das Gebäude räumen wird, ist nicht bekannt.

Am Sonntag vor einer Woche besetzten mehrere Dutzend Personen das Gebäude, das zum Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) gehört. Das sogenannte Kesselhaus liegt an der Wasserwerkstrasse 101, direkt an der Limmat. Zuletzt wurde es vom EWZ als Zwischenlager für Material genutzt. Seit 2019 steht das Gebäude leer. Am vergangenen Freitag hat die Eigentümerin eine Strafanzeige gegen die Besetzer des Kesselhauses an der Wasserwerkstrasse eingereicht. Sie hätten das Gebäude am Montag verlassen müssen. Das taten sie bis Redaktionsschluss nicht.

Der Widerstand zeigt sich am Montagmorgen von der gemütlichen Seite: Leute aus der Besetzerszene und Sympathisanten frühstücken gemeinsam vor dem besetzten Gebäude. Die Stimmung unter den Besucherinnen und Besuchern ist eher entspannt als angespannt.

    Blendende Stimmung vor dem Kesselhaus. Kommt vorbei! #alleswirdbesetzt https://t.co/35SZWVbtnv pic.twitter.com/NbKSubl923
    — zureich.rip (@zureich_rip) November 7, 2022

Immer wieder ist der «Dialog mit einem Backstein» aus Lautsprechern zu hören. Es handelt sich um einen zehnminütigen, fiktiven Dialog, der die Situation aus Sicht der Besetzer wiedergibt. Darin werden unter anderem der FDP-Stadtrat Michael Baumer und der EWZ-Mediensprecher Harry Graf parodiert.

Auf die Frage der NZZ, wie sie gegenüber der Polizei auftreten wollten, sagen zwei Besetzer: «Unsere Reaktion hängt davon ab, wie die Polizei auftreten wird.» Klar ist: Die Besetzer haben nicht vor, das Gebäude zu verlassen.

Am Geländer neben dem Kesselhaus und am Lettenviadukt hängen Transparente. Auf einem steht: «Energie = Masse in Bewegung». Von «Masse» kann nach der Mittagspause nicht die Rede sein. Zwar halten Autonome und Sympathisanten die Stellung, aber es sind viel weniger als noch am Vormittag.

AL ist gegen die Räumung, was die FDP empört

Die Besetzung beschäftigt auch die Politik. Am Freitag forderte die Alternative Liste (AL) den Stadtrat auf, die Strafanzeige gegen die Besetzer zurückzuziehen, die polizeiliche Räumung zu unterlassen und den konstruktiven Dialog mit den Besetzern zu suchen.

Geht es nach der AL, soll die Stadt die notwendigen Instandhaltungsarbeiten am Gebäude gemeinsam mit den Besetzern vornehmen – oder gleich von den Besetzern selbst vornehmen lassen. Dass das Gebäude einsturzgefährdet sei, stuft die AL als Falschmeldung ein.

Das Argument, das Gebäude sei denkmalgeschützt, lässt die AL nicht gelten. Die Stadtverwaltung habe das Kesselhaus bis anhin verlottern lassen. Was den Denkmalschutz betreffe, sei die Anlage bei den Besetzern in besseren Händen.

Përparim Avdili, Präsident der FDP Stadt Zürich, hat kein Verständnis für diese Argumentation. Es sei völlig absurd, dass sich die AL auf die Seite von illegalen Besetzungen stelle, obwohl sie bis vor kurzem noch im Stadtrat vertreten gewesen sei. «Die AL ist offenbar nicht mehr an demokratischen Prozessen interessiert.»

Laut Avdili hat der Stadtrat die Besetzungen in Zürich zu lange toleriert und goutiert. Das Argument, das Kesselhaus sei zu lange leer gestanden, lässt Avdili nicht gelten: «Nur weil ein Gebäude leer steht, kann man es nicht einfach besetzten.»

Avdili fordert, dass das Gebäude geräumt wird. Die Räumung solle Signalwirkung haben, aber gleichzeitig verhältnismässig sein.

Das Kesselhaus als Ort für unkommerzielle Kultur

Geht es nach den Hausbesetzern, hat es die Stadt Zürich verschlafen, etwas Sinnvolles aus dem Kesselhaus zu machen. Deshalb habe man die Sache selbst in die Hand genommen. Neu soll das vom EWZ nicht mehr gebrauchte Gebäude ein Ort für unkommerzielle Kultur sein. Diese Woche sind mehrere Veranstaltungen geplant, etwa ein Karaoke-Event oder ein Fussballturnier.

Dass im Kesselhaus Veranstaltungen stattfinden, will das EWZ nicht tolerieren. Es sieht in der Besetzung des ehemaligen Kesselhauses eine mögliche Gefährdung der Stromversorgung. Das Haus gehört zum Gebäudekomplex des Kraftwerks und Unterwerks Letten, welches das EWZ zur versorgungsrelevanten Infrastruktur der Stadt Zürich zählt.

Da sich das Kesselhaus in einem baufälligen Zustand befinde, könne zudem die Sicherheit der Besetzer nicht gewährleistet werden. Aus diesen Gründen habe man Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Hausfriedensbruchs eingereicht.

Das Kesselhaus steht unter Denkmalschutz. Es wurde 1986 ins Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung aufgenommen. Laut dem Zürcher Amt für Städtebau wurden die Gebäude rund um das Kraftwerk Letten Ende des 19. Jahrhunderts erstellt. Es dürfen nicht ohne weiteres Veränderungen vorgenommen werden, wie es die Besetzer angekündigt haben.

Das Koch-Areal an der Grenze von Zürich Altstetten und Albisrieden ist seit 2013 besetzt. Bald wird es von der Stadt neu überbaut. Es sollen 325 gemeinnützige Wohnungen für 900 Personen, ein Quartierpark und Gewerbeflächen entstehen. Die Besetzung des Areals endet gemäss dem Zürcher Finanzdepartement im Februar 2023. Dann könnte es geräumt werden.

Die Autonomen begründen die Besetzung des Kesselhauses in erster Linie damit, dass in Zürich autonome Kulturräume fehlten. Mit der angekündigten Räumung des Koch-Areals gehe der grösste autonome Freiraum der Schweiz verloren. Gleichzeitig betont die Gruppe, dass die Aktion kein Racheakt sei.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-besetzer-muessen-das-ewz-gebaeude-verlassen-ld.1710724)


+++REPRESSION DE
Debatte über »Letzte Generation«: Ampelpolitiker lehnen verschärftes Strafrecht für Klimaaktivisten ab
Die Union fordert härtere Strafen für Klimaaktivisten – und spricht mit markigen Worten von Inhaftierungen. Bei Vertretern von Grünen, FDP und SPD regt sich Widerstand.
https://www.spiegel.de/politik/letzte-generation-ampel-politiker-lehnen-verschaerftes-strafrecht-fuer-klima-aktivisten-ab-a-20dac87d-c126-4290-9df1-e9c2c0d65d9b
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-11/klimaaktivisten-strafrecht-union-ampel-letzte-generation
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168306.letzte-generation-rufe-nach-mehr-repression-bei-strassenblockaden.html
-> https://taz.de/Union-vs-Letzte-Generation/!5890404/


«Radikaler Protest will und muss immer anecken»: Warum die Kleber gar nicht so extrem sind
Der heutige Klimaprotest sei extremistisch? Keineswegs, sagt Historiker Alexander Sedlmaier. Vielleicht würde er in 100 Jahren sogar mit Gedenktafeln geehrt.
https://www.watson.ch/!744907584


Klebeaktionen der »Letzten Generation«: »Das schafft Aggressionen«
Die Klimabewegung »Letzte Generation« hat angekündigt, ihren Protest auszuweiten – trotz wachsender Kritik. Dabei schließt sie auch die Blockade von Flughäfen nicht mehr aus. Eindrücke aus Berlin und Amsterdam.
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/klimaprotest-von-letzte-generation-das-schafft-aggressionen-a-93b6ef5b-c3e6-46d4-b916-83e50e0c4be0?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss


Polizeilicher Gewahrsam: Klimaaktivisten ohne Gerichtsverfahren in Haft
Klimaaktivisten sollen in Bayern durch Präventivgewahrsam an ihren Blockaden gehindert werden. Das Polizeiaufgabengesetz, das eine solche Präventivhaft erlaubt, gehört reformiert. Denn niemand sollte wochen- oder gar monatelang ohne ein Gerichtsverfahren in Haft verschwinden, egal wie störend politische Aktionen auch sein mögen. Ein Kommentar.
https://netzpolitik.org/2022/polizeilicher-gewahrsam-klimaaktivisten-ohne-gerichtsverfahren-in-haft/


SPD kritisiert „Alarmismus“: Justizminister hält Terroranklagen gegen Klima-Aktivisten für möglich
Im Streit über die Öko-Proteste der „Letzten Generation“ fordert Hessens Justizminister Poseck eine härtere Gangart. Dass er Terror-Vorwürfe ins Spiel bringt, nennen Kritiker „populistisch“ und „alarmistisch“.
https://www.hessenschau.de/politik/letzte-generation-hessischer-justizminister-haelt-terroranklagen-gegen-klima-aktivisten-fuer-moeglich-v1,poseck-strafen-last-generation-100.html


+++KNAST
Untersuchungshaft: so «offen» wie möglich, so «geschlossen» wie nötig
Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) hat in den vergangenen Jahren intensiv an der Reform der Untersuchungshaft gearbeitet. An der Jahresmedienkonferenz vom Montag blickten Justizdirektorin Jacqueline Fehr, Roland Zurkirchen, Direktor der Untersuchungsgefängnisse Zürich (UGZ) und Mirjam Schlup, Amtsleiterin von JuWe, auf die Fortschritte zurück, die in den Zürcher Untersuchungsgefängnissen umgesetzt werden konnten. Der Anlass fand im Gefängnis Pfäffikon statt, das es beim Prison Achievement Award unter die Top 5 geschafft hat.
https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/medienmitteilungen/2022/11/untersuchungshaft-im-kanton-zuerich-so-offen-wie-moeglich-so-geschlossen-wie-noetig.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/kanton-zurich-modernisiert-untersuchungshaft-66329975
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/kanton-zuerich-sieht-weiteres-verbesserungspotenzial-bei-u-haft?id=12282556 (ab 03:51)
-> https://www.toponline.ch/news/detail/news/kanton-zuerich-modernisiert-untersuchungshaft-00198075/
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/reform-der-zuercher-untersuchungsgefaengnisse-148664503


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Gemeinderatsantwort auf Motion Martin Krebs (SP)/Rolf Zbinden (PdA)/Luzius Theiler (GPB-DA)/Christa Ammann (AL): Stand- und Durchgangsplätze für Fahrende – Proaktives Vorgehen des Gemeinderates der Stadt Bern (PDF, 209.9 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-7-november-2022/motion-krebs-stand-und-durchgangsplatze-fur.pdf/download


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Sea Watch 5 startet Einsatz, No Border Team braucht Spenden, Junge Tat markiert Präsenz
https://antira.org/2022/11/07/sea-watch-5-startet-einsatz-no-border-team-braucht-spenden-junge-tat-markiert-praesenz/


+++RECHTSPOPULISMUS
Gemeinderatsantwort auf Interpellation Fraktion SVP (Alexander Feuz/Janosch Weyermann/Thomas Glauser): Was gelten für baurechtliche und energierechtliche Vorschriften im Bereich der Reitschule und der Schützenmatt? Werden diese durchgesetzt? (PDF, 21.5 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-7-november-2022/interpellation-fraktion-svp-was-gelten-fur.pdf/download



derbund.ch 07.11.2022

Hass im Netz: Anonyme Drohungen gegen Jürg Halter

Der Berner Autor und Künstler wird auf Twitter angegriffen – für seine Ausstellung in Zürich hatte die Galerie sogar Personenschutz angestellt.

Jessica King

«Fuck Slogans» hiess die Ausstellung des Berner Autors und Künstlers Jürg Halter, die in Zürich Ende Oktober die Finissage feierte. Speziell am Event war: Vor der Türe der Galerie standen zwei Personenschützer. Wie Halter auf Facebook öffentlich macht, gab es im Vorfeld in den sozialen Medien Drohungen von anonymen Accounts gegen ihn und seine Kunst. In der letzten Woche der Ausstellung hätten zwei junge Männer zudem unabhängig voneinander die Ausstellung besucht und verdächtige Fragen gestellt: Ob man einfach so Zugang zu den Räumen habe? «Die Bedrohung wurde realer», schreibt Halter.

Nachdem die Galerie Stephan Witschi die Polizei informiert hatte, habe diese laut Halter bestätigt, dass solche Abklärungen vor Ort oft geschehen, wenn «in extremistischen Kreisen» ein Angriff auf eine Person oder eine Veranstaltung geplant sei. Daraufhin stellte die Galerie zwei Personenschützer an – «um mich, das Publikum, die Galerie und die Bilder zu beschützen».

Hass in den sozialen Medien

In einem längeren Post ortet Halter zwei Gründe, die zu den anonymen Drohungen geführt haben. Einerseits ein Interview in der «Aargauer Zeitung», in dem er unter anderem eine übersteigerte Identitätspolitik thematisiert, auf radikale Transaktivisten und Feminismus eingeht und die Spaltung in der Gesellschaft kritisiert. Andererseits ein spezifisches Bild in der Ausstellung. Auf dem in weiss gehaltenen Bild steht oben «LGBTQIA + CDEFHJKMNOPRSUVWXYZ», darunter eine Linie, nochmals darunter das Wort «Human». Nach eigenen Aussagen wollte Jürg Halter damit zeigen, dass Menschen «zusehends an erster Stelle das betonen, was uns trennt, anstatt zuerst das, was uns eint». In den sozialen Medien jedoch wurde es auch als queerphob kritisiert.

Es ist das erste Mal, dass Jürg Halter solche anonymen Drohungen öffentlich macht. Im Vorfeld wurde er aber immer wieder in den sozialen Medien angegriffen. Im Interview mit der «Aargauer Zeitung» im September sagte er noch, er lasse sich dadurch nicht beeindrucken: Die primitivsten Beleidigungen erhalte er von anonymen Accounts. Viele Menschen, die in den sozialen Medien aktiv seien, hätten nichts mehr als dieses Ventil. Personenschutz habe er letztmals vor 15 Jahren benötigt, als er als Kutti MC in Basel auftrat.
(https://www.derbund.ch/anonyme-drohungen-gegen-juerg-halter-836474724616)
-> https://www.20min.ch/story/berner-kuenstler-braucht-personenschuetzer-bei-ausstellung-788503646290



nzz.ch 07.11.2022

«Ich frage mich, was ist das Ziel solcher Hasskampagnen? Mich einzuschüchtern? Mich fertigzumachen? Täter zu ermutigen?»

Der Berner Schriftsteller und Künstler Jürg Halter wird im Netz von Linksextremen beschimpft und bedroht. Für seine Ausstellung in Zürich brauchte er Personenschutz. Hier wendet er sich an die, die ihm drohen wollen.

Jürg Halter

Ich möchte eine persönliche Geschichte erzählen, die leider repräsentativ für eine gefährliche Entwicklung steht, die uns alle betrifft.

Am 22. Oktober befand ich mich mit sehr unterschiedlichen Menschen in Zürich in einem Raum. Vor der Türe standen zwei Personenschützer. Es war die Finissage meiner Ausstellung «Fuck Slogans» in der Galerie Stephan Witschi, und im Vorfeld hatte es in den sogenannt sozialen Medien Drohungen von anonymen, offensichtlich Linksextremen gegen mich und meine Kunst gegeben. Es wurde dazu aufgerufen, die Finissage zu «besuchen», zu «stören». Als dann in der letzten Ausstellungswoche zwei junge Männer unabhängig voneinander die Galerie besuchten und einen Galeriemitarbeiter nach Zugängen zu den Räumen fragten («Kommt man da einfach so rein?»), wurde die Bedrohung realer.

Die Galerie informierte die Polizei, und diese bestätigte, dass solche «Abklärungen» vor Ort oft geschähen, wenn in extremistischen Kreisen ein Angriff auf eine Veranstaltung, auf eine Person geplant werde. Die Galerie engagierte dann zwei Personenschützer, um mich, das Publikum, die Galerie und die Bilder zu beschützen, falls es zu einem Angriff käme.

Was war der Auslöser für diese anonymen Drohungen? Einerseits offenbar ein Interview in der «Aargauer Zeitung», indem ich linke, schwarz-weiss denkende, übersteigerte Identitätspolitik kritisierte, von der rechte und rechtsextreme Parteien zunehmend profitierten, und ich erklärte, wie mir diese anhaltende Spaltung oder besser gesagt Zersplitterung der Gesellschaft Angst macht. Andererseits ein Bild, das in der Ausstellung hing. Ein Bild, auf dem steht: «LGBTQIA + CDEFHJKMNOPRSUVWXYZ», darunter eine angedeutete Linie, dann das Wort «Human». Mit dem Bild «Human» wollte ich zeigen, dass wir Menschen zusehends an erster Stelle das betonen, was uns trennt, anstatt zuerst das, was uns eint, obwohl das doch eigentlich viel mehr wäre.

Ein anonymer Account hat dann zum «Human»-Bild, als ich es auf Instagram veröffentlichte, geschrieben, dass dieses «queerphob» sei und es kein Wunder sei, dass mich Leute «haten». Dass dieses Bild bei queeren Menschen, die die Ausstellung besuchten, viel Zustimmung erfuhr und im Allgemeinen gute und konstruktive Diskussionen auslöste, sei hier nur nebenbei erwähnt.

Gegen jegliche Form von Hass

Seit je stehe ich für Minderheiten und die Vielfalt ein. Was unter anderem auch heisst, dass ich mich gegen radikalisierte Teile von Minderheiten äussere, die wiederum gegen andere Minderheiten hetzen oder die sogenannte Mehrheitsgesellschaft pauschal verteufeln. Ich stehe gegen jegliche Form von Hass ein. Dagegen sind natürlich alle links- und rechtsextremen Fundamentalisten, die Hetze, wenn sie die «richtige» Person trifft, für angemessen halten.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich von Linksextremen im Netz anonym bedroht, beschimpft oder verspottet werde, da ich neben rechter und neoliberaler auch linke Doppelmoral thematisiere. Sachkritik ist leider die Ausnahme. Auch zum oben erwähnten Interview fand ich kaum sachliche Kritik, für die ich aber immer offen bin und bereit, darüber zu diskutieren.

Dass einige dieser unsachlichen, verächtlichen, beleidigenden Tweets und Posts gegen mich teilweise von jungen SP- oder Juso-Mitgliedern, ein paar linksidentitären Journalisten und ein paar wenigen Künstlern und Aktivistinnen gelikt werden, halte ich für besonders bedenklich. Aber auch das ist nicht neu. Klar, Häme und Spott gehören dazu, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Und das tue ich als Künstler schon seit vielen Jahren. Mit Häme und Spott kann ich also umgehen. Mit der konkreten Drohung ging es nun aber einen Schritt weiter.

Zuletzt hatte ich vor zirka 15 Jahren, unter meinem damaligen Künstlernamen Kutti MC, bei einem Konzert in der Kaserne in Basel, Personenschutz, weil ich von Rechtsextremen bedroht wurde. Anonyme Morddrohungen erhielt ich letztmals vor einem Jahr von rechtsextremen Verschwörungstheoretikern. Ich möchte an der Stelle an den Artikel 21 in unserer Bundesverfassung erinnern: «Die Freiheit der Kunst ist gewährleistet.» Offenbar ist dieser Artikel manchen nicht mehr viel wert, wenn es um Kunst geht, die nicht die eigene Ideologie repräsentiert oder diese kritisiert.

Zum Glück ist an der Finissage nichts passiert. Aber als die Menschen, die die Finissage besuchten, erfuhren, weshalb da Personenschützer am Eingang stehen, waren alle entsetzt über diese Drohungen. Noch mehr, als sie die «Gründe» dafür vernahmen. Dass ein sehr diverses Publikum, sich unter anderem zusammensetzend aus Menschen muslimischen, jüdischen, christlichen Glaubens, politisch verfolgten Menschen mit Fluchtgeschichte, Atheisten, Homosexuellen und Kindern, sich im Jahre 2022 im weltoffenen Zürich in einer solchen Situation befinden musste, ist alarmierend. Und das eine Woche nach der schändlichen, transfeindlichen Störaktion der rechtsextremen Jungen Tat, während einer Vorlesung von Dragqueens für Kinder in Zürich.

Aufruf zu Toleranz, Anstand und Vielfalt

Ich setze Links- und Rechtsextremismus nicht gleich. Aber sie bedingen und bestärken einander, sind sich strukturell ähnlich. Beide sagen: Wir haben die ganze Wahrheit auf unserer Seite, entweder bist du zu 100 Prozent für uns oder, wenn du uns schon nur in Teilen kritisiert, bist du unser Feind. Beide betreiben anonyme oder manchmal auch offene Hetzkampagnen, beide sind gewaltbereit, beide verachten, aus unterschiedlichen Gründen, die Meinungsfreiheit und Menschen, die nicht genauso denken wie sie selbst.

Ein grosses Problem ist, dass sich manche Linke nicht klar von Linksextremen abgrenzen, und sie also indirekt legitimieren, ihnen Raum geben. Das kennt man auch von Rechten und Konservativen, die sich nicht klar gegen Rechtsextremismus abgrenzen. Diese Abgrenzung und das Einstehen für Toleranz, Anstand und Respekt ist aber nötiger denn je und nennt sich Zivilcourage.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga sagte bei ihrer Rücktrittsankündigung letzte Woche: «Bei vielen Auftritten haben wir heute Personenschutz. Und alle müssen sich bewusst sein, dass wenn der Ton rauer wird, das sich auch auswirkt auf das Klima in diesem Land.» So ist es; Taten gehen immer «raue» Worte voraus. Das wissen wir aus der Geschichte. Und leider zunehmend auch wieder aus der Gegenwart.

Ich frage mich, was ist eigentlich das Ziel solch toxischer Kampagnen? Mich einzuschüchtern? Mich fertigzumachen? Täter zu ermutigen? Andere dadurch abzuschrecken, öffentlich zu ihrer Meinung zu stehen? Mich zum Schweigen zu bringen?

Es macht mich, ehrlich gesagt, mehr traurig als wütend. Auch wenn es viele Menschen gibt, die mich unterstützen und die Entwicklung unserer Gesellschaft ähnlich besorgt zur Kenntnis nehmen, fühle ich mich manchmal ziemlich alleine. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen öffentlich für Toleranz, Anstand, Vielfalt, die Meinungsfreiheit und gegen Hetze und Fundamentalismus, egal von welcher Seite, einstehen.

Jürg Halter ist Schriftsteller, Spoken Word Artist und Künstler. Zuletzt erschienen «Gemeinsame Sprache» (Dörlemann, 2021) und «Erwachen im 21. Jahrhundert» (Zytglogge, 2018)
(https://www.nzz.ch/feuilleton/juerg-halter-der-berner-schriftsteller-antwortet-seinen-hatern-ld.1711043)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Internet Nazifrei
Die Neonazi-Gruppe „Junge Tat“ betreibt ihre Website bei hostpoint.ch. Hostpoint ist das egal und verdient lieber Geld an den Nazis. Ein Aufruf an Homeoffice Antifas – keine Plattform den Faschisten, auch nicht im Internet!
https://barrikade.info/article/5459


+++FUNDIS
«Alles ein Werk Satans»: Männer bedrohen LGBTIQ-Aktivistin und Mitgründerin von QueerTG
Kürzlich nahm Eva Büchi, Lehrerin und LGBTIQ-Aktivistin, an einer Podiumsveranstaltung an der PH Thurgau teil. Eine Gruppe Männer störte sich am Diskussionsthema «Feminisierung der Schulen» und bedrohte die LGBTIQ-Aktivistin nach der Veranstaltung.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/bezirk-kreuzlingen/thurgau-alles-ein-werk-satans-maenner-bedrohen-lgbtiq-aktivistin-und-mitgruenderin-von-queertg-ld.2369411?mktcid=smch&mktcval=twpost_2022-11-07
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/angriff-auf-lesbische-lehrerin-im-thurgau-148664673


+++HISTORY
nzz.ch 07.11.2022

Die «Genfer Blutnacht» – vor 90 Jahren erschoss die Armee 13 Zivilisten

Im November 1932 demonstrierten Linke und Gewerkschaften gegen eine faschistische Versammlung. Dann intervenierte das Militär. Ein Blick zurück.

Matthias Venetz

9. November, im Gemeindesaal von Plainpalais, Kanton Genf. Die Faschisten der Union nationale inszenieren eine «öffentliche Anklage» gegen zwei linke Grössen der Genfer Politik. Gegen die beiden Sozialistenführer Léon Nicole und Jacques Dicker. Vor dem Gebäude demonstrieren rund 8000 Menschen gegen die Versammlung der Faschisten.

Am Ende des Abends sind 13 Menschen tot und 65 verletzt. Unter ihnen unbeteiligte Passanten. Nur 3 der Opfer gehören einer linken Partei an. Warum ist das geschehen?

Die kurze Antwort lautet: Weil der Genfer Staatsrat 600 Rekruten einer Lausanner Infanterieschule anforderte, um die öffentliche Ordnung zu sichern, und ihr Kommandant den Schiessbefehl erteilte.

Eine Antwort, die den Ereignissen gerecht werden will, muss länger sein.

«Revolutionsköche»

Genf ist zu Beginn der 1930er Jahre ein Brennpunkt der Schweizer Politik. Die Wirtschaftskrise erfasst den Kanton mit voller Wucht. Die Arbeitslosenzahlen steigen rasant. Die Arbeitskämpfe werden wieder so heftig ausgetragen wie zu Beginn des Jahrhunderts. Sozialisten und Freisinnige kooperieren nicht mehr wie in den ruhigeren Jahren zuvor.

1930 geht die SP als Siegerin aus den kantonalen Wahlen hervor. Die Partei wird mit 37 Sitzen stärkste Kraft im Parlament. Die Regierungsbeteiligung bleibt ihr aber verwehrt. Das führt zu einer Radikalisierung der Arbeiterbewegung. Auch im rechten Lager gewinnen extreme Kräfte an Gewicht.

Seit Beginn der 1930er Jahre sammelt Georges Oltramare, der von Mussolini finanziell unterstützt wird, rechtsextreme Kräfte in der Union nationale. Er propagiert eine Neuordnung der Gesellschaft, hetzt gegen Juden, Freimaurer und die Demokratie.

Oltramare zieht mit seinen Anhängern, die Baskenmützen und graue Hemden tragen, durch die Genfer Strassen. In Anlehnung an die italienischen Faschisten wird er 1933 gemeinsam mit Deutschschweizer Frontisten zum «Marsch auf Bern» aufrufen.

Trotz ihren extremen Positionen bieten sich den Fronten in den 1930 Jahren Anknüpfungspunkte bei den bürgerlichen Parteien. Sie werden mitunter sogar Bündnispartner, etwa in Genf. Die Angst vor einem sozialistischen Umsturz ist weit verbreitet.

Auch deswegen lässt der Staatsrat die faschistische Union nationale an diesem 9. November gewähren. Die Sozialisten haben zuvor vergeblich versucht, die Veranstaltung durch den bürgerlichen Staatsrat verbieten zu lassen. Doch der Staatsrat beruft sich auf die Versammlungsfreiheit. Die Linksparteien und die Gewerkschaften rufen zur Gegendemonstration auf.

Als die Behörden merken, dass die verfügbaren Polizeikräfte nicht ausreichen, fordern sie die Hilfe der Armee an.

Die Stimmung vor dem Gemeindesaal Plainpalais ist angeheizt. Die Demonstranten drängen die aufgebotenen Soldaten zurück. Es sind junge Rekruten einer Infanterieschule in Lausanne. Es ist ihre sechste Ausbildungswoche. Auf Befehl der Offiziere formieren sich die Rekruten neu, stellen Maschinengewehre auf und legen ihre Karabiner an. Dann, um 21 Uhr 34, der Schiessbefehl. Ohne Vorwarnung. Sperrfeuer, 12 Sekunden lang.

Tags darauf trifft der katholisch-konservative Bundespräsident Giuseppe Motta, der mit Mussolini sympathisiert, in Genf ein. Die Schuld an den Ereignissen gibt er den Linken, die er als «Revolutionsköche» bezeichnet.

Kampf um Deutungshoheit

Damit beginnt der Kampf darüber, wie das Ereignis zu interpretieren sei.

Das «Journal de Genève» schreibt, dass der Sozialist Nicole das Blut zu verantworten habe, dass Nicole «Herr der Strasse» habe sein wollen, dass die Soldaten ihre Pflicht «vollumfänglich» erfüllt hätten und dass Nicole persönlich verantwortlich sei für die Toten.

Der «Bund» versucht, die Rolle von Opfern und Tätern umzukehren. Er schreibt, dass die Demonstranten zuerst Gewalt angewandt und einigen Soldaten die Zähne eingeschlagen hätten. Noch vor den Schüssen. Am Ende des Berichts heisst es, dass die Ereignisse in Genf keine Auswirkungen auf die Börsen gehabt hätten.

Ähnlich äussert sich die NZZ. Sie schreibt, die Demonstranten hätten zuerst geschossen, und die Soldaten hätten sich bloss gewehrt. Unter Berufung auf die Aussagen eines Obersts schildert die NZZ die Ereignisse als einen «sorgfältig» vorbereiteten Umsturzversuch.

Die damaligen Schuldzuweisungen in der bürgerlichen Presse sind von der historischen Forschung inzwischen widerlegt. Die Demonstranten haben nicht geschossen. Sie haben keinen Revolutionsversuch gestartet, sie haben die Eskalation nicht geplant. Doch das Narrativ eines linken Umsturzes hatte damals Tradition. Bereits den Landesstreik vom November 1918 deuteten die Bürgerlichen als Putschversuch.

Unschuldig verurteilt?

Die Genfer Blutnacht hat ein juristisches Nachspiel. Achtzehn Personen werden angeklagt, sieben von ihnen wegen Anstiftung zum Aufruhr verurteilt. Der Prominenteste ist Léon Nicole, der Anführer der Genfer Sozialisten. Er ist bereits am Tag nach der «Blutnacht» verhaftet worden. Im Mai 1933 verhängt das eidgenössische Schwurgericht eine sechsmonatige Gefängnisstrafe gegen ihn.

Doch schon im November 1933, kurz nach der Entlassung aus dem Gefängnis, feiert Nicole einen Triumph. Gemeinsam mit drei weiteren Sozialisten wird er in die Genfer Kantonsregierung gewählt. Das ist eine Schweizer Premiere. Nicole orientiert sich in der Folge immer mehr an der Sowjetunion und wird 1939 aus der SP ausgeschlossen, weil er den Hitler-Stalin-Pakt befürwortet hat.

Die «Genfer Blutnacht» ist im kollektiven Gedächtnis Genfs und der Linken bis heute präsent. Auch diesen November – neunzig Jahre danach – finden wieder Gedenkveranstaltungen statt. 2016 hat das Genfer Kantonsparlament mit grosser Mehrheit eine Standesinitiative beschlossen. Diese forderte vom Bundesparlament die Rehabilitierung der sieben verurteilten Demonstranten. Sie seien Freiheitskämpfer gegen den Faschismus gewesen. Im National- und im Ständerat wurde zwar Verständnis für die damaligen Beweggründe der Demonstranten geäussert, aber das Begehren wurde dennoch abgelehnt: Das Gerichtsurteil von 1933 sei «nach den Regeln des Rechtsstaats korrekt zustande gekommen», man wolle nicht nachträglich in die Gewaltenteilung eingreifen.

Der Einsatz der Armee in der «Genfer Blutnacht» war die letzte von insgesamt zehn Bundesinterventionen in der Schweiz. Seither haben Schweizer Soldaten nicht mehr auf Demonstranten geschossen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/genfer-blutnacht-von-1932-als-die-armee-13-zivilisten-erschoss-ld.1710758)