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+++BERN
Linke Motion fordert Aufmachung des Containerdorfs Viererfeld für alle Flüchtlinge
Der Krieg in der Ukraine hat dafür gesorgt, dass die Unterkünfte so voll sind wie noch nie. Auch im Kanton Bern wird die Situation langsam eng. Darum fordert nun eine linke Motion im Berner Stadtrat, dass das Containerdorf Viererfeld für alle Flüchtende geöffnet wird. Bis jetzt stand es nur für ukrainische Flüchtlinge offen.
https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/linke-motion-fordert-aufmachung-des-containerdorfs-viererfeld-fuer-alle-fluechtlinge-148548480
-> https://www.baerntoday.ch/bern/viererfeld-soll-auch-fuer-asylsuchende-geoeffnet-werden-148543893
-> Motion: https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=55e622efbe4e49808a5a23ac4c98c1c6
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hauptstadt.be 28.10.2022
«Die Menschen sind einfach da»
Die Berner Gemeinderätin Franziska Teuscher möchte ein städtisches Ausweispapier, eine City Card, einführen, die auch Sans-Papiers erhalten können. Kann das funktionieren?
Von Jürg Steiner (Text) und Silja Elsener (Illustration)
Endlich, muss man sagen, bleibt es nicht mehr nur bei der Ansage. Letzte Woche teilte die Berner Stadtregierung mit, dass sie einen Projektierungskredit von 120’000 Franken bewilligt hat, um die Einführung eines städtischen Ausweises für alle, unabhängig von ihrem rechtlichen Aufenthaltsstatus, voranzutreiben.
Nach der Projektarbeit soll klar sein, wie eine Stadtberner City Card aussehen, wie sie eingeführt und was sie kosten würde. Anfang 2024, sagt die zuständige Gemeinderätin Franziska Teuscher (Grünes Bündnis), will sie die weiteren politischen Schritte zur Einführung des Ausweises aufgleisen.
Die City Card hat – nach dem Anstoss durch die Beratungsstelle für Sans-Papiers und der Plattform «Wir alle sind Bern» – eine jahrelange Karriere in städtischen Strategiepapieren hinter sich. Zuerst fand sie sich als Punkt 13 im «Schwerpunktplan Integration 2018 bis 2021» wieder, der Gemeinderat war «bestrebt», sie einzuführen. Im neuen «Schwerpunkteplan Rassismus und Migration 2022 bis 2025» figuriert die City Card bereits als Ziel Nummer zwei auf der Prioritätenliste: «Die Stadt Bern führt einen digitalen Ausweis für alle Bewohner*innen der Stadt ein.»
(Bild: Silja Elsener)
Instrument progressiver Städte
Jetzt also wirds konkret: Die rot-grüne Stadtregierung ist entschlossen, den migrationspolitischen Spielraum auf ihrem Gemeindeterritorium soweit als möglich zu erweitern. Salopp gesagt: Die City Card soll die Realität der anwesenden Sans-Papiers – Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus – akzeptieren und die Stadt als Ort der Offenheit und der Solidarität positionieren. Womit sie allerdings gleichzeitig politischen und behördlichen Widerstand auslöst.
Die Soziologin Sarah Schilliger, die am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern arbeitet, setzt sich seit Jahren mit migrationspolitischen Initiativen in Städten auseinander. In einer vor wenigen Wochen veröffentlichten Vorstudie fächert sie zusammen mit den Jurist*innen Alexandra Büchler und Florian Weber Chancen und Hindernisse für die Umsetzung einer City Card in Bern auf.
Weltweit treiben progressive Städte die Idee einer Urban Citizenship voran, um sich der häufig konservativeren Ausrichtung der nationalen Politik entgegenzustellen. Ein bekanntes – und von der Berner Stadtregierung 2019 während der letzten Legislaturreise besuchtes – Beispiel ist die sizilianische Stadt Palermo. Sie setzt als «Stadt der Zuflucht» ein aktives Zeichen gegen die restriktive italienische Einwanderungspolitik. «Wer nach Palermo kommt, ist Palermitaner», deklarierte der frühere Stadtpräsident Leoluca Orlando das Credo von Palermo.
Die City Card ist ein mögliches Instrument, um Urban Citizenship konkret werden zu lassen. Sie funktioniert als städtische Identitätskarte, die laut Sarah Schilliger «Stadtbewohner*innen unabhängig von Nationalität und Aufenthaltsstatus Zugang zu städtischen Dienstleistungen gewährt und als Ausweisdokument gegenüber Behörden dient».
New York vergibt seit 2015 City Cards. In der Schweiz gibt es erst zaghafte Ansätze: Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich haben im Mai dieses Jahres die Idee, eine City Card einzuführen, hauchdünn angenommen.
Berner Migrationspolitik
Ist Bern bereit dafür? Zweifellos ist die Stadt Bern ein interessanter Fall. Einerseits hat sie seit 2008 keine eigene Polizei mehr, sondern kauft diese Leistungen bei der Kantonspolizei ein. Folge: Die Stadt kann patrouillierenden Kantonspolizist*innen nicht vorschreiben, welche Art Ausweis sie anzuerkennen haben.
Andererseits verfügt die Stadt Bern in der Migrationspolitik auch über eigene Kompetenzen im Ausländerbereich. Bern hat mit der städtischen Fremdenpolizei eine eigene Migrationsbehörde, die selbständig über Aufenthalt und Niederlassung ausländischer Personen entscheiden kann, ohne dass jedoch Bundes- oder Kantonsrecht ausser Kraft gesetzt würde.
Praktisch bedeutet das: Der Stadt steht bei Härtefällen ein gewisser Handlungsspielraum offen. So etwa bei lange hier anwesenden, erwerbstätigen Sans-Papiers oder abgewiesenen Asylsuchenden, die nicht zurückgeschafft werden können. Oder zusätzlich bei Personen, welche während ihres Aufenthaltes Opfer von Menschenhandel oder Ausbeutung wurden.
Alexander Ott leitet die Fremdenpolizei seit Jahrzehnten, unter ihm hat sich mit den NGOs im Migrationsbereich – der Beratungsstelle für Sans-Papiers etwa – eine pragmatische Zusammenarbeit etabliert. Ott selber fasst die Praxis auf Anfrage so zusammen: «Wir prüfen Härtefälle individuell, einzelfallbezogen und situationsgerecht, also gesamtheitlich.» Gesamtheitlich heisst, etwa der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die allermeisten Sans-Papiers arbeiten, finanziell unabhängig und nicht strafrechtlich verzeichnet sind, also vor Ort eine Nachfrage befriedigen. «Die Menschen sind einfach da, auch wenn sie es nicht sein dürften», sagt er. Es nütze nichts, davor die Augen zu verschliessen.
Aufenthaltsstatus wird nicht tangiert
Fällt die City Card in Bern deshalb auf besonders fruchtbaren Boden? Nicht unbedingt. Das arbeitet Sarah Schilliger in ihrer Vorstudie heraus: Eine City Card kann kantonales oder nationales Recht nicht übersteuern. Der Aufenthaltsstatus eines*r Sans-Papiers bleibt irregulär, auch wenn er*sie sich mit einer städtischen City Card ausweist, die über die Aufenthaltsberechtigung keine Auskunft gibt. Das bedeutet: Die permanente Angst, von der Polizei kontrolliert und vielleicht sogar zwangsausgeschafft zu werden, nähme die City Card den Sans-Papiers nicht.
Trotzdem sieht die Wissenschaftlerin Schilliger in einer City Card Sinn und Potenzial. Unter der Bedingung, dass man den bisher forcierten engen Fokus, der sich auf den rechtlichen Spielraum für Sans-Papiers konzentrierte, ausweite. Es sei wichtig, hält Schilliger in der Vorstudie fest, dass die Idee der City Card in der breiten Stadtbevölkerung Fuss fasse und nicht bloss als Ausweis für Sans-Papiers verstanden werde.
«Wer in Bern lebt, ist Berner*in und hat gleichberechtigten Zugang zu städtischer Infrastruktur – das ist ein starkes Statement für eine lebendige städtische Demokratie. Und es wirkt den Ausschlüssen und Stigmatisierungen entgegen, die insbesondere Menschen ohne Schweizer Pass häufig in ihrem Alltag erleben», führt Schilliger aus. Die City Card stärke «das Gefühl, als Mitbürger*in anerkannt zu werden und Teil der Stadtbevölkerung zu sein».
Von Bedeutung sei dies nicht nur für die migrantische Bevölkerung, sondern auch für trans-, inter- oder non-binäre Personen, die mit der City Card ihre eigene Geschlechtsidentität wählen könnten. «Mit der City Card wäre es möglich, sich gegenüber städtischen Behörden auszuweisen, ohne dass ständig der ausländerrechtliche Status, die Herkunft, die Geschlechtsidentität oder andere sensible Merkmale offengelegt werden müssten.»
So argumentiert auch die zuständige Gemeinderätin Franziska Teuscher «Die City Card ist ein wichtiges Symbol einer Stadt für alle», hält sie auf Anfrage fest. «Jede Person kann sich mit der City Card ausweisen und hat so die Sicherheit, dass im Kontakt mit der Behörde keine weiteren sensiblen Personendaten nachgefragt werden.» Das sei heute für Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus genauso ein Problem wie für ausländische Personen generell oder Menschen mit nonbinärer Geschlechtsidentität.
Heftige Debatte
«Wir alle, mit unseren unterschiedlichen Identitäten, verschiedenen Aufenthaltsstati und Hintergründen zeigen mit der City Card, dass wir eines gemeinsam haben: unser Lebensmittelpunkt ist Bern», sagt Teuscher. Daher sollten alle so verstandenen Stadtberner*innen «als gleichwertige Bürger*innen denselben Zugang zur Behörde haben und miteinander die Stadt gestalten können».
Das gelte eben auch für Sans-Papiers, findet Teuscher. Als Stadt zeige Bern mit der City Card, dass Sans-Papiers zu Bern und zum städtischen Alltag gehörten. «Wir nutzen die City Card als Instrument, um Sans-Papiers über ihre Rechte, die sie haben, zu informieren. Und wir geben Sans-Papiers etwas in die Hand, das sie bestärkt, ihre Rechte wahrzunehmen».
Sie sei gespannt, sagt Teuscher, wie sich die Debatte um die City Card in den kommenden Monaten entwickle. Kritik wird kommen. Das steht ausser Zweifel. Der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) hat schon öffentlich klar gemacht, wie wenig er von der Idee hält.
Auch Tobias Frehner, Präsident der Berner Jungfreisinnigen, positioniert sich als entschiedener Gegner. Die City Card sei «der Versuch, das demokratisch abgesegnete Ausländerrecht auf kommunaler Ebene zu unterlaufen», hält er auf Anfrage fest. Sie löse kein einziges Problem, im Gegenteil, die City Card fördere sogar Schwarzarbeit und die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte, weil sie eine Scheinlegalität für Sans-Papiers suggeriere.
Zudem sei der Zugang zu allen staatlichen Leistungen, die auf universalen Menschenrechten gründen, heute schon gewährleistet, namentlich in den Bereichen Bildung und Gesundheit.Die Stadt versuche eine eigene Migrationspraxis zu schaffen, indem sie mit der City Card gegen Bundesrecht verstosse, sagt Frehner..
Franziska Teuscher entgegnet, dass Sans-Papiers mit der City Card «einen Identitätsbeleg erhalten, der ihnen Sicherheit und Selbstvertrauen geben soll». Kritiker*innen müssten zur Kenntnis nehmen, «dass wir die City Card so konzipieren, dass sie nicht gegen geltendes Recht verstösst.» Die City Card sei Teil der Art und Weise, wie die Stadt ihre Aufgaben erfülle und für die städtische Bevölkerung arbeite.
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«Hauptsachen»-Talk im Progr: Ein Ausweis für alle Städter*innen?
Am Donnerstag, 3. November, 19.30 Uhr, findet der zweite «Hauptsachen»-Talk, eine Kooperation zwischen der «Hauptstadt» und dem Kulturhaus Progr, statt. Das Thema: Braucht und will Bern einen Ausweis für alle Städterinnen? In Bern leben rund 1000 Sans-Papiers. Könnte die Stadt das Leben dieser Menschen verbessern, wenn sie mit der City Card eine eigene Identitätskarte einführt? Wir diskutieren Pro und Contra einer fortschrittlichen Migrationspolitik auf städtischer Ebene mit einer ehemaligen Sans-Papiers, der Soziologin Sarah Schilliger und dem Co-Leiter des Polizeiinspektorats, Alexander Ott. Moderation: Jürg Steiner, Journalist «Hauptstadt».
(https://www.hauptstadt.be/a/city-card)
+++BASELLAND
SEM-Chefin Christine Schraner Burgener äussert sich zur Situation im Asylzentrum Allschwil (02:23)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/conference-league-fcb-muss-um-weiterkommen-zittern?id=12277063
+++LUZERN
Luzern hat zurzeit noch Reserveplätze für Geflüchtete
Sollten jedoch mehr Leute in der Schweiz Schutz suchen, als der Bund berechnet habe, könnte es noch vor Ende Jahr eng werden. So die Auskunft der Luzerner Dienststelle für Asyl und Flüchtlinge, nachdem das Kantonsgericht den Bau einer Containersiedlung in Meggen gestoppt hat.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzern-hat-zurzeit-noch-reserveplaetze-fuer-gefluechtete?id=12277087
Nach Vorwürfen der Grünen: Asylzentrum Marienburg: Graf verteidigt den Kanton Luzern
Guido Graf zeigt sich betroffen über die Kritik der Grünen am Asylzentrum Marienburg. Laut ihm könne es der Kanton niemandem recht machen. Der Kanton Luzern hat dennoch eine Untersuchung in Auftrag gegeben.
https://www.zentralplus.ch/politik/asylzentrum-marienburg-graf-verteidigt-den-kanton-luzern-2479615/
Luzerner SVP-Parteichefin sorgt sich um Gleichbehandlung von Flüchtlingen mit Schutzstatus S und restlicher Bevölkerung
Angela Lüthold hat beim Regierungsrat eine Dringliche Anfrage eingereicht. Sie fordert Antworten auf Fragen rund um die Handhabung von Personen mit Schutzstatus S.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/ukrainekrieg-luzerner-svp-parteichefin-sorgt-sich-um-gleichbehandlung-von-fluechtlingen-mit-schutzstatus-s-und-restlicher-bevoelkerung-ld.2365138
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tagblatt.ch 28.10.2022
Mehr als 100’000 Geflüchtete, Afghanen im Hungerstreik, fieberhafte Suche nach Betten: Das sagt die oberste Migrationschefin zur angespannten Lage
Seit dem Zweiten Weltkrieg habe es nie mehr so eine Flüchtlingswelle gegeben, sagt Christine Schraner Burgener. Die Staatssekretärin für Migration erklärt, was der Bund unternimmt, damit in der Schweiz keine Geflüchteten unter freiem Himmel schlafen müssen.
Kari Kälin
Anfang Oktober spitzte sich die Lage im Bundesasylzentrum Chiasso zu. Etwa drei Dutzend unbegleitete minderjährige Asylsuchende aus Afghanistan, Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara, fühlten sich bedrängt von anderen afghanischen Asylsuchenden – von Paschtunen, der grössten Volksgruppe im Land. «Ich wurde mit dem Tod bedroht», sagte ein 16-Jähriger dem Radio und Fernsehen der italienischen Schweiz. Und es ertönten Klagen über die überfüllte Unterkunft.
Das explosive Gemisch aus ethnischen Spannungen und hoher Belegung mündete in einen Hungerstreik der Hazara. Nach wenigen Tagen beendeten sie den Protest. Sie wurden schliesslich auf andere Zentren verteilt, laut NZZ «unter Beachtung der ethnischen Zugehörigkeit».
Der Vorfall in Chiasso wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Situation in den Bundesasylzentren. Wie stark diese ausgelastet sind, führte das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Donnerstag Medienvertretern bei einem Rundgang durch die Asylunterkunft in Zürich selber vor. Im Normalbetrieb ist sie für 350 Personen konzipiert, aktuell beherbergt sie 536. Im Innenhof spielen Jugendliche Volleyball, ein Vater beruhigt sein Kleinkind, andere tippen auf dem Smartphone – all das passiert auf kleinem Raum.
Die engen Verhältnisse haben mit dem gestiegenen Migrationsdruck zu tun. Eine Situation wie jetzt habe es nie mehr gegeben seit dem Zweiten Weltkrieg, sagte Staatssekretärin Christine Schraner Burgener. Zum einen treibt Wladimir Putin mit seinem Krieg gegen die Ukraine Millionen in die Flucht. Zum andern strömen vor allem über die Balkanroute mehr Menschen nach Westeuropa.
Zu wenig Personal für die Betreuung
In der Schweiz stellen derzeit pro Woche rund 800 Personen ein Asylgesuch, im Oktober werden es deutlich mehr als 3000 sein. Der Bund rechnet bis Jahresende mit bis zu 24’000 Gesuchen, wie Schraner Burgener sagte. Konzipiert sind die Bundesasylzentren zwar für bis zu 24’000 Gesuche pro Jahr, allerdings bloss für bis zu 2500 in Spitzenmonaten. Kurzum: Das Asylsystem ist am Anschlag.
Zusätzlich zu den regulären Gesuchen gehen beim SEM pro Woche rund 600 Schutzstatus-Gesuche von Menschen aus der Ukraine ein. Das SEM geht davon aus, dass bis Ende Jahr rund 80’000 bis 85’000 Ukrainerinnen und Ukrainer in die Schweiz fliehen.
Unter dem Strich werden 2022 voraussichtlich mehr als 100’000 Personen in die Schweiz geflüchtet sein. Zum Vergleich: Im Jahr 2015, beim Höhepunkt der Migrationswelle, registrierte der Bund etwa 40’000 Asylgesuche. Ein wichtiges Ziel des Bundes lautet deshalb: Es darf nicht so weit kommen, dass Migranten im Freien übernachten müssen.
David Keller, Leiter Krisenstab Asyl beim SEM, verhehlte nicht, dass es an Personal mangelt – zum einen für die Betreuung der Asylsuchenden, zum anderen für die Bewältigung der Gesuche. Dank diverser Massnahmen ist es dem Bund gelungen, aktuell 1800 Gesuche pro Monat abzuschliessen – im Frühling waren es noch 1300. Zudem wurden in den letzten Wochen 80 zusätzliche Personen zur Durchführung von Asylverfahren rekrutiert. Auch konnten die für die Betreuung zuständigen Organisationen 250 zusätzliche Fachkräfte einstellen. Das genügt aber nicht. So hat es derzeit zum Beispiel ein Viertel zu wenig Sozialpädagogen für unbegleitete Minderjährige.
Zusätzliche Plätze auf dem Glaubenberg
Derweil sucht der Bund fieberhaft nach weiteren Unterkünften. In Zusammenarbeit mit der Armee hat das SEM in den letzten Wochen und Tagen Hunderte neue Plätze unter anderem in Mehrzweckhallen geschaffen. Am Donnerstag vermeldete Schraner Burgener den neuesten Erfolg: Beim Bundesasylzentrum auf dem Glaubenberg, einem Naherholungsgebiet im Kanton Obwalden auf etwa 1500 Metern über Meer, gibt es 270 zusätzliche und damit insgesamt 640 Betten.
Ab Dezember wird auch die Kaserne in Bülach bezugsbereit sein. Insgesamt verfügt das SEM in seinen Asylstrukturen derzeit über etwa 9500 Plätze. Es sollen noch mehr werden. Ausgelegt sind Bundesasylstrukturen eigentlich nur für 5000 Plätze.
Durch den grossen Andrang hat der Bund am Donnerstag damit begonnen, Asylsuchende schon vor der üblichen Frist von 140 Tagen an die Kantone zu überweisen. In einem ersten Schritt handelt es sich um Personen mit Wegweisungsentscheid. Ab nächster Woche kommen solche hinzu, bei denen das Verfahren noch läuft. Schraner Burgener hofft, dass sich die Lage im Winter wieder etwas entspannt. Dass es zu weiteren Zwischenfällen wie dem Hungerstreik in Chiasso kommt, hält die oberste Asylchefin für durchaus möglich: Mehr Menschen auf beschränktem Raum berge auch mehr Konfliktpotenzial.
(https://www.tagblatt.ch/schweiz/asyl-mehr-als-100000-gefluechtete-afghanen-im-hungerstreik-fieberhafte-suche-nach-betten-das-sagt-die-oberste-migrationschefin-zur-angespannten-lage-ld.2364740)
+++ZENTRALSCHWEIZ
Zentralschweizer Kantone von Bundes-Asylentscheid gefordert
Aufenthaltsräume werden zu Schlafsälen umfunktioniert und i den Schlafsälen gibt es mehr Betten. Die Mehrheit der Asylzentren des Bundes sind voll, übervoll. Und dies viel früher als gedacht. Seit gestern ist klar, jetzt sind die Kantone gefordert. Aber wie sieht es in der Zentralschweiz aus? Ist man bereit?
https://www.tele1.ch/nachrichten/zentralschweizer-kantone-von-bundes-asylentscheid-gefordert-148548196
+++ZÜRICH
Gym raus, Betten rein – so voll ist es im Bundesasylzentrum
Die Betten stehen eng aneinandergereiht, im Innenhof ist die Geräuschkulisse laut. Im Bundesasylzentrum Zürich wohnen derzeit weit mehr Menschen als vorgesehen.
https://www.20min.ch/story/gym-raus-betten-rein-so-voll-ist-es-im-bundesasylzentrum-277950233632
+++SCHWEIZ
Asylpolitik im Fokus
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates hat sich an ihrer Sitzung vertieft mit den Herausforderungen im Migrationsbereich, insbesondere im Asylberiech, in den kommenden Monaten und Jahren befasst.
Themen: Steigende Asylgesuche – Härtefallgesuche – Weigweisungspraxis –
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-n-2022-10-28.aspx
Jugendliche auf der Flucht – Ihre Kindheit haben sie in Afghanistan zurückgelassen
Immer mehr unbegleitete minderjährige Asylsuchende kommen in die Schweiz. Den Behörden mangelt es an Betreuungspersonal: Ein Viertel der benötigten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen fehlt bereits.
https://www.srf.ch/news/schweiz/jugendliche-auf-der-flucht-ihre-kindheit-haben-sie-in-afghanistan-zurueckgelassen
Repression regierungskritischer Menschen in Iran
Nach der mutmasslichen Tötung einer jungen Frau wegen Verstosses gegen die Kleidervorschriften wird der Iran von landesweiten Protesten und der brutalen Gewalt durch die Sicherheitskräfte erschüttert. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) beobachtet die aktuelle Lage in Iran mit Besorgnis.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/repression-regierungskritischer-menschen-in-iran
Asylsystem am Anschlag: Politik zeigt sich besorgt über Entwicklung
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nie mehr so eine Fluchtbewegung gegeben. Nun geraten die Schweizer Behörden langsam an den Anschlag. Besorgt zeigt sich die Politik über die Entwicklung, verzichtet vorerst aber auf Massnahmen.
https://www.tagblatt.ch/news-service/inland-schweiz/migration-asylsystem-am-anschlag-politik-zeigt-sich-besorgt-ueber-entwicklung-ld.2364989
+++DEUTSCHLAND
Die Nacht von Farmakonisi: »Wir bleiben an der Seite der Betroffenen – das ist unsere DNA«
Im Januar 2014 sterben elf Menschen im Schlepptau der griechischen Küstenwache vor der Insel Farmakonisi. Die Überlebenden klagen an, doch wenig passiert. Erst 2022 verurteilt der Menschenrechtsgerichtshof Griechenland in allen zentralen Punkten. Der Fall zeigt, wie PRO ASYL mit seinen Partner*innen jahrelang um Gerechtigkeit kämpft.
https://www.proasyl.de/news/die-nacht-von-farmakonisi-wir-bleiben-an-der-seite-der-betroffenen-das-ist-unsere-dna/
+++ITALIEN
50 Prozent mehr Migranten in Italien als 2021
Die Migrationsströme aus Libyen, Tunesien und der Türkei haben stark zugenommen. Die neue Regierung unter Giorgia Meloni will Überfahrten verhindern
https://www.derstandard.at/story/2000140359168/50-prozent-mehr-migranten-in-italien-als-2021?ref=rss
+++MITTELMEER
Eine weitere Tragödie vor der Küste von Zarzis: auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit
Mitte September werden an der Küste Tunesiens bei Zarzis die Leichen von Opfern einer weiteren Schiffskatastrophe im Mittelmeer geborgen. Die Familien der Ertrunkenen und Bürger*innen der Stadt Zarzis kämpfen für Menschenrechte und fordern ein verbindliches Engagement der Behörden, um die anderen vermissten Toten zu bergen – sie verlangen Recht und Gerechtigkeit.
https://www.borderlinesicilia.it/de/news/eine-weitere-tragoedie-vor-der-kueste-von-zarzis-auf-der-suche-nach-wahrheit-und-gerechtigkeit/
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
#MullahsCiao: Es braucht vielfältigere breitere Mobilisierungen gegen das Regime im Iran
Heute fand in Bern auf dem Bundesplatz eine Demonstration gegen das Mullah-Regime statt. Die Proteste im Iran mobilisieren weiterhin – auch in der Schweiz. Heute mobilisierten sich vorwiegend monarchistische Gruppen, die sich positiv auf die Zeit vor dem Mullah-Regime beziehen. Ebenfalls stark mobilisieren sich Kurd*innen. Jedoch bleibt für Solidarität auf den Strassen weiterhin viel Raum.
https://migrant-solidarity-network.ch/2022/10/28/mullahsciao-es-braucht-vielfaeltigere-breitere-mobilisierungen-gegen-das-regime-im-iran/
+++JUSTIZ
nzz.ch 28.10.2022
Ein Zürcher Richter kündet an, Klimaaktivisten konsequent freizusprechen, und bringt damit die Staatsanwälte gegen sich auf
Eine absurde Justizgeschichte.
Linda Koponen
Klimaaktivisten, die sich mit Sekundenkleber am Asphalt festkleben oder auf der Fahrbahn ein Picknick veranstalten, können in Zürich dieser Tage Glück oder Pech haben. Pech, wenn sie von der Polizei festgenommen und per Strafbefehl verurteilt werden. Glück hingegen, wenn sie Einsprache erheben und vor dem Einzelrichter Roger Harris landen.
Glück hatte etwa eine 46-jährige Übersetzerin, die sich am 19. September vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten musste. Sie hatte sich am 5. Oktober 2021 um 13 Uhr mit anderen Aktivisten der Bewegung Extinction Rebellion auf die Rudolf-Brun-Brücke gesetzt und war trotz Abmahnung der Polizei auf der Strasse geblieben. Die Klimarebellen hatten vor der illegalen Aktion angekündigt, Zürich lahmzulegen. Der Verkehr musste wegen der Blockade umgeleitet werden, die Frau wurde um 13 Uhr 30 von der Polizei abgeführt und verbrachte danach zwei Tage in Haft.
Die Staatsanwaltschaft verlangte, wie es in solchen Fällen üblich ist, einen Schuldspruch wegen Nötigung. Die Beschuldigte habe zahlreiche Verkehrsteilnehmende dazu gezwungen, ungewollt einen Umweg einzuschlagen oder im Stau zu stehen und Zeit zu verlieren und ihre Pläne zu ändern.
Prozesse gegen Klimaaktivisten sind am Zürcher Bezirksgericht mittlerweile zur Routine geworden. Wöchentlich finden mehrere Verhandlungen statt, von den Richtern hagelt es Schuldsprüche. Mit Ausnahme von Roger Harris.
Urteil vor der Verhandlung gefällt
Als Harris am 19. September nach einer halbstündigen Urteilsfindung in den Saal zurückkehrt und den Entscheid verkündet, bricht unter den Aktivistinnen und Aktivisten im Saal der Jubel los. So schildert es eine Journalistin der «Republik», die als einzige Medienvertreterin vor Ort ist, in einem Artikel. Harris spricht die Beschuldigte frei. Statt der von der Staatsanwaltschaft geforderten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 100 Franken erhält sie eine Prozessentschädigung und 600 Franken für die zwei Tage, die sie in Haft verbringen musste.
Den Freispruch begründet Harris mit mangelnden Beweisen. Am besagten Tag war die Polizei zwar mit einem Grossaufgebot vor Ort. Es wurden fleissig Fotos gemacht. Es wurde ein Rapport geschrieben. Nur: Gemäss dem Urteil sind die Bilder unkommentiert, und es fehlen Metadaten, die zeigen, wann und wo die Fotos aufgenommen wurden. Den Polizeirapport bezeichnet Harris im Urteil als «blosses Behauptungspapier», das den angeklagten Sachverhalt nicht rechtsgültig zu beweisen vermöge.
Obwohl in den Medien breit über die Demonstration berichtet wurde, ist für Harris fraglich, ob sie überhaupt stattgefunden hat: «Es lässt sich nicht erstellen, dass sich eine grössere Anzahl von Personen am 5. Oktober 2021 an der Uraniastrasse 1 / Rudolf-Brun-Brücke versammelt und die Fahrbahn blockiert hat, so dass der Verkehr umgeleitet werden musste und Verkehrsteilnehmer dadurch zu einem unfreiwilligen Verhalten bestimmt wurden.» Erst recht lasse sich nicht nachweisen, dass sich die Beschuldigte strafbar gemacht habe.
Im Gerichtssaal sagt Richter Harris laut der «Republik» noch etwas anderes – etwas, das aufhorchen lässt: Er kündigt an, Klimaaktivisten fortan konsequent freizusprechen. Er sei nicht mehr bereit, «friedliche Demonstranten» schuldig zu sprechen und solche staatlichen Strafaktionen zu unterstützen. Jeder habe das Recht, gewaltfrei zu demonstrieren. Eine derartige Nutzung des öffentlichen Bodens sei schlicht hinzunehmen. Nur bei Gewalt müsse eingegriffen werden.
Sein Urteil, so scheint es, hatte der Richter bereits vor der Verhandlung gefällt.
Unbefangenheit infrage gestellt
Früher hat Richter Harris Klimademonstranten in ähnlichen Fällen wegen Nötigung verurteilt. Er machte aber bereits bei anderen Verhandlungen deutlich, dass er durchaus Sympathie für die Anliegen der Aktivisten hege. Gleichzeitig stellte er auch klar, dass er als Richter dem Gesetz verpflichtet sei. Und laut der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Fernziel des Nötigungsaktes, auf die Klimaproblematik aufmerksam zu machen und eine Verbesserung der Klimapolitik zu erreichen, nicht relevant.
Vielleicht sehe die Rechtsprechung in zehn Jahren ja anders aus, wenn die Sommer noch heisser und die Umweltprobleme noch grösser würden, sagte Harris bei einer Verhandlung im August 2021. Vorerst gebe es aber andere geeignete Mittel als eine Blockade, um auf die Umweltproblematik aufmerksam zu machen.
Roger Harris – Mitglied der Mitte-Partei, Vizepräsident der Sozialbehörde seiner Wohngemeinde und Stiftungsrat zweier Institutionen, die sich für benachteiligte Kinder und Chronischkranke einsetzen – ist für seine soziale Ader bekannt. Vor Gericht zeigt er gerne auch einmal Verständnis für die Beweggründe der Beschuldigten. Am 19. September sei er jedoch zu weit gegangen, findet die Staatsanwaltschaft.
Erich Wenzinger, der Mediensprecher der Oberstaatsanwaltschaft, schreibt: «Aufgrund von Äusserungen des genannten Richters bei einer Urteilseröffnung im Zusammenhang mit Aktionen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten stellt sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft bei zukünftigen Urteilen dieses Richters die Frage, ob er noch unbefangen urteilen kann.»
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl hat in zwei laufenden Verfahren, bei denen Harris die Verfahrensleitung innehaben sollte, je ein Ausstandsbegehren gestellt. Nach der Strafprozessordnung muss eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand treten, wenn sie befangen sein könnte.
Bei beiden Verfahren wurde durch Harris bereits ein Verhandlungstermin angesetzt. Ob er tatsächlich über die Fälle urteilen kann, ist aber noch offen. Das Verfahren ist vor Obergericht hängig. Laut Obergericht wurde ein Zwischenentscheid angefochten. Roger Harris war für die NZZ nicht erreichbar.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-richter-will-klimaktivisten-konsequent-freisprechen-ld.1709490)
+++KNAST
derbund.ch 28.10.2022
Freiheiten im Gefängnis: «Was wir jetzt fordern für Verwahrte, ist kein Luxus»
Laut einem neuen Bericht der nationalen Folterkommission sollen verwahrte Menschen Haustiere oder Internetzugang erhalten. Geht das nicht zu weit? Die Autoren nehmen Stellung.
Roland Gamp
Sie haben monatelang Akten von Verwahrten studiert und sie auch in den Anstalten besucht. Wie geht es diesen Personen?
Regula Mader: Diese Menschen waren froh, dass sich überhaupt jemand für sie interessiert und nachfragt. In der Regel sind Verwahrte sehr einsam und haben nur noch wenige Kontakte zur Aussenwelt. Viele resignieren, weil ihnen eine Zukunftsperspektive fehlt. Dann erscheinen Probleme, die uns klein vorkommen, plötzlich ganz gross.
Können Sie ein Beispiel geben?
Regula Mader: Ein Verwahrter in einer Zürcher Justizvollzugsanstalt (JVA) hat einen Teil seiner Scheibe mit Papier abgeklebt, weil ihn die Sonne blendete. Dies wurde ihm verboten mit der Begründung, das gehe nicht, weil sonst alle ihre Zelle umgestalten würden. Für uns mag das banal sein. Aber für ihn war dieser Entscheid sehr einschneidend, weil er in seinen sowieso schon sehr beschränkten Freiheiten noch mehr eingeschränkt wurde.
Leo Näf: Die Welt dieser Personen wird mit der Zeit immer kleiner. Sie sind sehr fremdbestimmt, können nichts selbst entscheiden. Darum sind vermeintliche Kleinigkeiten so wichtig. Wenn jemand eine Kaffeemaschine in der Zelle haben darf, kann das einen sehr positiven Einfluss auf ihn und seine Entwicklung haben. Darum sind wir der Meinung, dass mehr Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung zugelassen werden sollte.
Sie schlagen in einem neuen Bericht eigene Möbel vor, ein Haustier oder Spielkonsolen. Steht das einem Schwerverbrecher wirklich zu?
Regula Mader: Die Delikte dieser Personen sind schwerwiegend, das müssen wir nicht diskutieren. Diese Menschen haben viele Opfer hinterlassen. Zentral ist jedoch: Wenn sie die Verwahrung antreten, haben sie ihre Strafe abgesessen. Jetzt, in der anschliessenden Verwahrung, ist die Situation anders. Verwahrte Personen leben in einem gesicherten Rahmen – aber ihnen sollten die gleichen Dinge zustehen wie uns auch. Dazu gehört auch das eigene Mobiltelefon. Oder dass man seine Zelle selbst möblieren kann. Grundrechte gelten für alle Menschen.
Das klingt angesichts der schweren Taten nach einem luxuriösen Leben.
Leo Näf: Beim Wort «Luxus» zucke ich immer zusammen. Wer das behauptet, müsste mal einen Monat in den Vollzug. All die Einschränkungen, die Fremdbestimmung, die die Menschen dort erleben, kann man sich nicht vorstellen. Das, was wir jetzt fordern für Verwahrte, ist kein Luxus. Nochmals: Diese Menschen haben ihre Strafe bereits verbüsst, und die Freiheit wird vielen voraussichtlich bis ans Lebensende entzogen. Sie haben ein Anrecht darauf, in der Verwahrung möglichst normal leben zu können.
Viele Verwahrte sind Sexualstraftäter. Ist der Zugang zum Internet und zu Pornografie da nicht gefährlich?
Regula Mader: Dieses Thema hat tatsächlich zu grossen Diskussionen geführt. Je nach Delikt, welches eine Person begangen hat, kann der Zugang zum Internet gezielt beschränkt werden; dies ist technisch möglich. Man kann also den Internetzugang so einschränken, dass verbotene Inhalte nicht abrufbar sind, so wie man es zum Beispiel bei den eigenen Kindern auch machen kann. Unsere Forderung gilt dabei nicht nur für Verwahrte. Auch im Normalvollzug ist der Internetzugang aus unserer Sicht dringend zu prüfen. Wie soll ich mich sonst um einen Job bewerben, wenn ich in einem halben Jahr wieder entlassen werde?
Leo Näf: Der Sicherheitsgedanke steht hier dem Gedanken der Wiedereingliederung entgegen. Als Direktor des Massnahmenvollzugszentrums Bitzi hatte ich Menschen, die nach 30 Jahren vom geschlossenen in den offenen Vollzug versetzt wurden und nicht wussten, was ein Autogurt ist und wie man sich anschnallt. Stellen Sie sich vor, wie Verwahrte heute noch draussen zurechtkommen könnten, ohne ansatzweise die digitale Welt zu kennen.
Dass Verwahrte online gehen können, dürfte in der breiten Bevölkerung trotzdem ziemlich unpopulär sein.
Leo Näf: Das öffentliche Bild von Verwahrten wird geprägt von einigen wenigen Fällen, die sehr grausam waren. Aber darunter dürfen nicht alle leiden. Verwahrte haben keine Lobby. Wir sprechen von insgesamt rund 100 Personen. Unser Ziel ist, dass man ihre Anliegen im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Vollzugsplanung ernsthaft mit einbezieht unter Wahrung der Sicherheitsbedürfnisse.
Regula Mader: Das Thema ist auch politisch emotional besetzt. Gerade bei Verwahrten wird die Sicherheit sehr hoch gewichtet, und es gilt eine restriktive Praxis; Vollzugslockerungen stehen kaum zur Diskussion. Niemand will Verantwortung tragen, wenn ein Straftäter rückfällig wird. Ich möchte jedoch betonen, dass die Grundrechte auch für Verwahrte gelten, so wie für alle anderen Menschen auch.
Sie kritisieren, dass die Menschenrechte teils nicht eingehalten würden. Wie reagieren die Kantone auf diese Kritik?
Regula Mader: Die Stellungnahmen der Kantone sind gemischt. Dass Verwahrte mehr Möglichkeiten wie zum Beispiel Zugang zum Internet erhalten sollen, wird im Grundsatz nicht bestritten. Viele Kantone sind bereits daran, entsprechende Massnahmen auszuarbeiten. Andere sind der Meinung, dass gewisse Vorschläge der Kommission kaum umsetzbar sind in der Praxis.
Sie fordern eigene Spezialabteilungen für Verwahrte, auch grössere Zellen. Wer soll das bezahlen?
Regula Mader: Am Ende wird es eine Frage des politischen Willens sein, was umgesetzt wird und was nicht. Aber wir sehen, dass Spezialabteilungen ein Anliegen der Vollzugsanstalten selbst sind. Die JVA Solothurn hat gezeigt, dass solche Spezialabteilungen machbar sind; andere JVAs sind daran, Spezialabteilungen aufzubauen.
Leo Näf: Ausserdem zahlen nicht allein die Kantone, der Bund übernimmt bei solchen Projekten 35 Prozent der Baukosten. Ich kann mir vorstellen, dass das Gewähren von mehr Selbstständigkeit und mehr Gruppenleben sich positiv auf den Vollzugsalltag auswirkt und die Leute zufriedener macht. Es ist möglich, dass dadurch der psychiatrische und sonstige Betreuungsaufwand kleiner wird. Das ganze System der Strafen und des Strafvollzugs muss überdacht werden. So werden nach wie vor viele Kurzstrafen stationär verbüsst, obwohl es alternative Möglichkeiten gäbe. Dies kostet unsere Gesellschaft ebenfalls sehr viel und hat nicht die gewünschten gesellschaftlichen Konsequenzen.
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Vom Polizeiposten bis zu Asylzentren
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) überprüft regelmässig Einrichtungen, in denen die Freiheit eingeschränkt wird. Das können neben Gefängnissen auch Polizeiposten oder Asylzentren sein. Die Mitglieder werden jeweils vom Bundesrat eingesetzt. Regula Mader ist aktuell Präsidentin der NKVF. Die Rechtsanwältin war einst Regierungsstatthalterin von Bern, CEO der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern sowie Direktorin des Schlossgartens Riggisberg. Kommissionsmitglied Leo Näf ist ehemaliger Jugendanwalt und leitete früher das Massnahmenzentrum Bitzi in St. Gallen.
(https://www.derbund.ch/was-wir-jetzt-fordern-fuer-verwahrte-ist-kein-luxus-663347310760)
+++POLICE BE
Postulat David Böhner (AL): Wiedereinführung der Stadtpolizei
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=b153e440cb0a4295a45cc27d4675b604
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ajour.ch 28.10.2022
Bei unbewilligten Demonstrationen: Biel will Polizeikosten nicht auf Veranstalter überwälzen
Kommt es bei unbewilligten Kundgebungen zu Gewalt, sollen die Veranstaltenden nicht zur Kasse gebeten werden: Biel will die gesetzliche Möglichkeit zur Kostenüberwälzung nicht anwenden.
Lino Schaeren|Jérôme Léchot
Kommt es bei einer unbewilligten Demonstration zu Gewalt gegen Personen oder Sachen, können Gemeinden Kosten für den Polizeieinsatz den Veranstaltenden und den Personen, die Gewalt angewendet haben, in Rechnung stellen. So will es das kantonale Polizeigesetz, das 2020 in Kraft getreten ist und das 2019 in der Volksabstimmung auch im rot-grünen Biel mit grosser Mehrheit angenommen wurde. Die sogenannte Kostenüberwälzung ist umstritten: Linke Parteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen hatten sich bis vor Bundesgericht gegen den neuen Gesetzesartikel gewehrt – ohne Erfolg.
Da es sich im Polizeigesetz um eine Kann-Formulierung handelt, entscheiden jedoch die Gemeinden, ob die Möglichkeit zur Kostenüberwälzung zur Anwendung kommt. Und hier haben linke Bieler Parlamentsmitglieder nach der Annahme des Gesetzes 2019 angesetzt: Sie forderten, dass Biel auch künftig bei Veranstaltungen mit ideellem, politischem oder nicht kommerziellem Charakter auf eine Weiterverrechnung von Polizeikosten verzichtet.
Die Begründung: Wenn Organisatoren und Teilnehmerinnen von politischen Demonstrationen künftig das Risiko eingehen, für Polizeikosten von bis zu 30 000 Franken aufkommen zu müssen, würden die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit massiv eingeschränkt. Das sei rechtsstaatlich «höchst problematisch», schrieben die Urheberinnen Lena Frank (Grüne) und Glenda Gonzalez Bassi (PSR) sowie Urheber Peter Heiniger (PdA). Erstere beiden wurden kurz darauf in den Gemeinderat gewählt und beobachteten die Debatte im Parlament im Januar 2020 gewissermassen von der Gegenseite aus.
Kaum Kundgebungen in Biel
Denn die Stadtregierung hatte den Vorstoss 2019 noch vor dem Exekutiveintritt von Frank und Gonzalez Bassi abschlägig beantwortet, hielt fest, dass sie die im kantonalen Gesetz vorgesehenen Strafen für verhältnismässig hält. Sicherheitsdirektor Beat Feurer (SVP) hält zudem rückblickend fest: «Wir hielten diese Einschränkung auch deshalb für unnötig, weil es in Biel noch gar nie zu einer Kundgebung kam, für welche die Kostenüberwälzung infrage gekommen wäre.» Genau deshalb, argumentierte die linke Stadtratsmehrheit, spreche jedoch nichts dagegen, diese Weiterverrechnung auszuschliessen.
Entsprechend wurde der Gemeinderat überstimmt: Der Stadtrat hat die Motion gutgeheissen und die Regierung mit der Umsetzung beauftragt. Diese trägt dem jetzt Rechnung, indem sie eine Revision des Ortspolizeireglements vorschlägt. Darin soll verankert werden, dass Biel vollständig auf die Anwendung der Artikel im Polizeigesetz verzichtet, welche die Überwälzung von Polizeikosten ermöglichen. Möglich ist das, weil es sich bei den neuen Artikeln im kantonalen Polizeigesetz um sogenanntes dispositives Recht handelt: Die Gemeinden sind nicht zwingend daran gebunden, müssen sie nicht anwenden. Der Stadtrat wird sich im November mit dem Ortspolizeireglement befassen.
Olivier Wächter, ehemaliger Polizist und SVP-Stadtrat, würde diesen expliziten Verzicht auf eine Kostenüberwälzung gerne wieder streichen. Und er bemüht folgende Analogie: Sportclubs würden auch in die Verantwortung genommen, wenn ihre Fans Polizeieinsätze auslösten. Wächter: «Es gibt keinen Grund, dass Organisatoren von Demonstrationen anders behandelt werden.» Es sei eine Aufgabe der Organisatoren von Demonstrationen, dass ihr Sicherheitsteam gewaltbereite Demonstrierende von ihrer Demonstration fernhalte.
Anders sieht das der Fraktionspräsident der SP Levin Koller: «Als Veranstalterin oder Veranstalter kann man trotz aller präventiven Massnahmen und Aufrufe nicht ausschliessen, dass eine Gruppe gewaltbereiter Leute eine Demo crasht und einen Polizeieinsatz auslöst.» Und da sei es falsch, wenn die Polizeikosten in einem solchen Fall auf Veranstalterinnen und Veranstalter übertragen würden. Aber er möchte festgehalten haben: «Als SP, als demokratische Partei, setzen wir auf gewaltlose Mittel, um politische Veränderungen herbeizuführen. Wir wollen gewaltfreie Demonstrationen.»
So wie die Mehrheitsverhältnisse im Bieler Stadtrat liegen, wird das revidierte Ortspolizeireglement in Biel angenommen. Damit wird die Gemeinde Biel auch dann kategorisch auf eine Kostenüberwälzung verzichten, wenn es an einer Demonstration zu Gewalt kommt. Es dürfte die erste Gemeinde sein, die von einer solchen vom Kanton bereitgestellten Möglichkeit explizit keinen Gebrauch machen will.
Luzern als Vorreiter
So will Biel etwa deutlich weiter gehen als die Stadt Bern. Diese hatte sich bereits im Oktober 2021 mit dem Thema auf Reglementsebene befasst. Während in Biel die Diskussion aufgrund der seltenen illegalen Demonstrationen höchst theoretischer Natur ist, war die Debatte in Bern hitzig und chaotisch.
Kein Wunder, zieht die Bestimmung doch in erster Linie auf die Bundesstadt ab, in der es regelmässig zu unbewilligten Demonstrationen kommt. Die politische Debatte im Stadtparlament fiel zudem in eine Zeit, in der Corona-Massnahmengegner praktisch wöchentlich unbewilligt durch Bern zogen. Die Berner Stadtregierung stellte damals erstmals in Aussicht, Polizeikosten auf die Demonstrierenden überwälzen zu wollen. Der Stadtrat schob dem, anders als jetzt in Biel vorgesehen, keinen endgültigen Riegel: Er schränkte die Möglichkeit der Weiterverrechnung im Kundgebungsreglement zwar ein, ermöglichte es jedoch im Grundsatz, bei illegalen Demonstrationen die Organisatorinnen und die Täter zur Kasse zu bitten, sollte es zu Ausschreitungen kommen.
Der Kanton Bern ist mit seiner Gesetzgebung, welche die Kostenüberwälzung ermöglicht, kein Einzelfall. Den Anfang machte der Kanton Luzern, der diese Möglichkeit bereits vor einigen Jahren in einem neuen Gesetz vorgesehen hat. Auch damals wurde beim Bundesgericht Beschwerde dagegen erhoben. Dieses urteilte 2017 jedoch, dass Kostenüberwälzungen bei Kundgebungen mit Gewaltausübung im Grundsatz möglich sind.
2020 wurde das im Urteil mit Bezug auf den Kanton Bern noch einmal bestätigt: Anders als die Bieler Motionärinnen und Motionäre ist das Bundesgericht nämlich der Meinung, dass die Kostenüberwälzung verhältnismässig anwendbar und mit der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit vereinbar sei. Dem Beispiel von Luzern sind etliche weitere Kantone gefolgt und haben ihre Polizeigesetzgebung angepasst – darunter auch der Kanton Bern.
(https://ajour.ch/story/bei-unbewilligten-demonstrationen-biel-will-polizeikosten-nicht-auf-veranstalter-berwlzen/36764)
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ajour.ch 28.10.2022
Rechtsexperte zum Berner Polizeigesetz: «Es liegt auf jeden Fall ein Spannungsverhältnis vor»
Biel sei seines Wissens die erste Gemeinde, die Kostenüberwälzungen kategorisch ausschliessen will, so Rechtsexperte Patrice Zumsteg.
Jérôme Léchot
Patrice Zumsteg, das kantonale Polizeigesetz sieht die Möglichkeit vor, dass Demonstrierende zahlen müssen, falls es zu Ausschreitungen kommt. Wird damit nicht ein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäusserung geritzt?
Es liegt auf jeden Fall ein Spannungsverhältnis vor. Das ist aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte klar. Der Staat muss bei der Kostenüberwälzung Zurückhaltung ausüben, wenn es um die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit geht – unabhängig davon, ob das zum Beispiel Bewilligungsgebühren für eine Demonstration sind oder eben diese Kostenüberwälzung bei Polizeieinsätzen. Für Letzteres hat das Bundesgericht eine Obergrenze von 30 000 Franken als zulässig erachtet. Und es hat gleichzeitig festgehalten, dass es immer einen individuellen Schuldnachweis braucht; dass man nicht einfach Demonstrationsteilnehmende in Solidarhaft nehmen kann.
Eine wichtige Klausel ist: Die Überwälzung kommt nur zustande, wenn eine Demonstration unbewilligt war und es zu Gewalt kommt. Inwiefern wird das Recht auf Demonstration gemindert, wenn keine Bewilligung vorliegt?
Es wird gar nicht gemindert. Da ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ganz klar. Der Umstand allein, dass eine Demonstration nicht bewilligt wurde, ist kein Grund, um sie aufzulösen. Es müssen noch andere Rechtsverstösse dazukommen.
Damit wären wir bei der Gewalt.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts sagt dazu seit jeher: Demonstrationen, die gezielt zum Mittel der Gewalt greifen, können sich nicht auf den Schutz der Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit berufen.
Die Person, die Gewalt ausübt, macht sich ja strafrechtlich schuldig und zivilrechtlich anklagbar – weshalb braucht es diese zusätzliche Möglichkeit im Polizeigesetz?
Das Motiv dahinter ist klar: Es soll davon abhalten, dass man Gewalt ausübt an Demonstrationen. Das ist ein berechtigtes öffentliches Interesse. Nebst dem Grundrecht auf freie Meinungsäusserung und Versammlung gibt es auch eine Eigentumsgarantie der Eigentümer von Liegenschaften und eine Wirtschaftsfreiheit der Gewerbetreibenden, die ihr Schaufenster flicken müssen. Da muss der Staat einen Ausgleich finden, und die Variante, für die sich Bern, aber auch Luzern entschieden haben, wurde vom Bundesgericht geprüft und in diesem Punkt als zulässig deklariert. Ob man diesen Rahmen ausschöpfen will, ist eine politische Frage. Da es im Kanton Bern ein Referendum zum Polizeigesetz gab, kann man sagen: Das Gesetz ist auch demokratisch einwandfrei legitimiert.
Nun greift das Polizeigesetz auch, wenn «Gewalt an einer Sache» ausgeübt wird – man könnte also auch für eine Renovate-Switzerland-Demo mit Klebstoff die Kosten für einen Polizeieinsatz überwälzen?
In der Theorie. Aber in der Praxis haben wir nicht unbegrenzte polizeiliche Ressourcen, und das ist auch richtig so, sonst würden wir in Nordkorea leben. Die Polizei muss schauen, die drängendsten Probleme zu lösen. Wenn an einer Demo ein Kleber auf einem teuren Auto landet, dann ist das nicht das grosse Problem der Polizei.
Besonders umstritten ist, dass nicht nur die Gewalttäter selbst, sondern auch die Organisatorinnen einer unbewilligten Demonstration zur Kasse gebeten werden können. Was, wenn sich plötzlich der Schwarze Block unter die Demonstrierenden mischt?
Wenn es wirklich so ist und der Schwarze Block von aussen kommt, dann kann das den Organisatoren auch nicht vorgeworfen werden. Nach Bundesgericht ist es erforderlich, dass sie absichtlich oder grobfahrlässig gegen eine Bewilligung verstossen.
Nun möchte Biel explizit und kategorisch auf eine solche Überwälzung der Kosten verzichten – kann die Gemeinde das überhaupt?
Im kantonalen Polizeigesetz ist vorgesehen, dass man diese Kosten überwälzen kann, aber nicht muss. Im Kanton Bern erbringt die Kantonspolizei für das ganze Kantonsgebiet Leistungen, die sie dann den Gemeinden verrechnet. Es steht also im Ermessen der Gemeinde, ob sie Einsätze weiterverrechnen will.
Wenn die Kosten nicht weitergereicht werden, muss sie dann die Gemeinde selbst tragen?
Ja. Es liegt in der Verantwortung der Gemeinde, von der Möglichkeit der Überwälzung auf die Verursacherinnen Gebrauch zu machen – oder eben auch nicht.
Gibt es andere Gemeinden, die die kantonal vorgesehene Überwälzung von Kosten ausschliessen?
So eine kategorische Regel auf gesetzlicher Stufe wäre mir nicht bekannt.
Gibt es schon Fälle, in denen eine solche Kostenüberwälzung stattgefunden hat?
Im Kanton Bern ist mir nichts bekannt, und auch sonst weiss ich das gerade nicht. Das müsste man wohl erst rechtssoziologisch untersuchen. Man könnte in Luzern, wo die Regelung schon etwas länger gilt, nach zum Beispiel zehn Jahren untersuchen, wie sich das neue Polizeigesetz ausgewirkt hat. Zum Beispiel mit weniger Sachschäden oder einem Beitrag zu den Polizeikosten – oder ob es vor allem Symbolpolitik war. Eine Regelung, die nur zu bürokratischem Aufwand führt, könnte man dann auch wieder streichen.
Inwiefern meinen Sie bürokratischen Aufwand?
Sie müssen herausfinden, wer was getan hat. Dann diese Personen suchen, ihnen unter Umständen Betreibungen nachschicken. Wenn das für 200 Franken Busse geschieht, verpufft dabei viel Geld. Aber das ist eher meine politische Meinung als eine juristische Einschätzung.
(https://ajour.ch/story/rechtsexperte-zum-berner-polizeigesetz-es-liegt-auf-jeden-fall-ein-spannungsverhltnis-vor/37153)
+++POLIZEI ZH
Das neue Polizei- und Justizzentrum in der Stadt Zürich ist offiziell eingeweiht worden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/das-datencenter-in-dielsdorf-steht-kurz-vor-der-eroeffnung?id=12277927
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/600-millionen-investition-zurich-weiht-neues-polizeizentrum-ein-66317924
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/polizei–und-justizzentrum-zuerich-eingeweiht?urn=urn:srf:video:ab1b7cf7-17c5-4f1b-a0b5-fad95b339732
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/polizei-und-justizzentrum-zuerich-eingeweiht-00197293/
-> https://tv.telezueri.ch/news/pjz-offiziell-eingeweiht-148548656
-> https://www.20min.ch/story/umstrittenes-polizei-und-justizzentrum-nach-20-jahren-planung-eroeffnet-663426371657
+++RASSISMUS
Sticken gegen Rassismus
Die brasilianisch-schweizerische Künstlerin Eva De Souza war im Oktober Resident im antirassistischen community center „Living Room“ in Bern. De Souza stickt, um Gewalterfahrungen zu verarbeiten. Indem sie Geschichten auf Stoff aufnäht, klagt sie gegen eine Gesellschaft, die Gewalt als Teil von sich akzeptiert.
https://daslamm.ch/sticken-gegen-rassismus/
+++RECHTSPOPULISMUS
Aktivistinnen überfahren? Schweizer Comedian Zeki polarisiert mit diesem Video
Ob beim sich Festkleben auf Strassen oder beim Bilder-Bewerfen in Museen – in den letzten Wochen häuften sich Meldungen von Klima-Aktivisten, welche mit speziellen Aktionen auf ihr Anliegen aufmerksam machen wollen. Ihre Methoden polarisieren: Während für einige der Zweck die Mittel heiligt, argumentieren viele, dass Aktivisten mit solchen Aktionen dem Verständnis für den Klimaschutz nur schaden würden.
https://www.watson.ch/schweiz/leben/979050883-aktivistinnen-ueberfahren-schweizer-comedian-zeki-polarisiert-mit-video
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/komiker-zeki-uberfahrt-in-scherz-video-aktivisten-und-erklart-sich-66317937
+++RECHTSEXTREMISMUS
„#Thread – Seit Tagen zweifeln Leute hier an, dass es sich bei der «Jungen Tat» um Neonazis handelt. Ein ausführlicher Thread für alle Skeptiker, Verharmloser und Leugner.“
https://twitter.com/FabianEberhard/status/1585867168977141760
-> https://twitter.com/FabianEberhard/status/1585674404213755904
Aktionen der «Jungen Tat» – Die Judo-Strategie der neuen Rechtsextremen
Die Gruppe kommt trotz rassistischer Hochglanz-Propaganda und aggressiver Störaktionen immer wieder davon. Wieso?
https://www.srf.ch/news/schweiz/aktionen-der-jungen-tat-die-judo-strategie-der-neuen-rechtsextremen
Wir veröffentlichen, was der Verfassungsschutz 120 Jahre geheim halten wollte
Die Geschichte des NSU ist auch eine Geschichte der jahrelangen Vertuschung beim Verfassungsschutz. FragDenStaat und das ZDF Magazin Royale veröffentlichen jetzt Geheimdokumente, die vielleicht nur deshalb geheim sind, weil sie ein schlechtes Licht auf den Verfassungsschutz werfen: Hier sind die „NSU-Akten“.
https://nsuakten.gratis/
-> Die „NSU-Akten“: https://fragdenstaat.de/dokumente/234186-abschlussbericht-zur-aktenpruefung-im-lfv-hessen-im-jahre-2012/
-> https://exif-recherche.org/?p=10370
Anzeige zeigt Wirkung: «Reichsbürger» streichen den Baselbieterstab
Auf der Website basel-land.info werden krude Verschwörungstheorien verbreitet – unter dem offiziellen Emblem des Kantons Baselland. Doch nun hat die anonyme Urheberschaft eingelenkt.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/verschwoerungstheorie-anzeige-zeigt-wirkung-reichsbuerger-streichen-den-baselbieterstab-ld.2365210
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
„1/ (Extrem) massnahmekritische Kreise, hier am Beispiel der
@Weltwoche, dominieren die (Online-)Diskussion rund um Corona-Massnahmen und Covid-Impfungen. Ihre erfolgreiche Taktik: Sie Fluten die Debatte mit rekursivem Bullshit.“
https://twitter.com/marko_kovic/status/1585917256810172418
+++HISTORY
«Nylon und Napalm» – heikle Firmengeschichte der Ems-Chemie – Schweiz Aktuell
Die Historikerin Regula Bochsler bringt in ihrem Buch «Nylon und Napalm» ein unrühmliches Kapitel der Geschichte der heutigen Ems-Chemie ans Licht. Nach dem 2. Weltkrieg hat die Firma mit ehemaligen Nazis zusammengearbeitet und unter anderem Brandwaffen entwickelt und produziert.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/nylon-und-napalm—heikle-firmengeschichte-der-ems-chemie?urn=urn:srf:video:c1995e5d-0028-4c1d-94cf-ed50c28353b1