Medienspiegel 25. Oktober 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 25.10.2022

Junge Afghanin im Aargau kritisiert Asylpolitik: «Wünsche mir, dass alle Geflüchteten in der Schweiz wie jene aus der Ukraine behandelt werden»

Die 19-jährige Shakila Ansari ist vor Krieg und Elend aus Afghanistan in die Schweiz geflohen. Sie sagt: «In Afghanistan wäre ich tot.» Heute lebt Ansari im Aargau – und hofft auf einen Dialog zwischen Geflüchteten und Aargauer Politikerinnen und Politikern. Denn: «Wir als Geflüchtete wissen am besten, was in der Schweizer Asylpolitik nicht funktioniert.»

Noemi Lea Landolt

Sie wisse nicht, was und ob es etwas bringen wird, sagt Shakila Ansari. Aber sie will es wenigstens sagen. Sagen, wie ihr Alltag als vorläufig Aufgenommene mit Status F aussieht. Sagen, welche Hürden es gibt. Sagen, was die Politik verbessern könnte. «Viele Politikerinnen und Politiker wissen gar nicht, was ihre Entscheide für uns bedeuten», sagt die 19-Jährige.

Sagen, was sie zu sagen hat, wird Shakila Ansari am Samstag in Aarau. Im Grossratssaal tagt dann das erste kantonale Flüchtlingsparlament. Organisiert haben es der Verein NCBI in Kooperation mit dem Verein Netzwerk Asyl Aargau und dem Ischtar Zentrum für Beratung. Seit Ende August bereiten sich rund 40 Geflüchtete, die im Aargau leben, in fünf Kommissionen und Arbeitsgruppen darauf vor. Jede Kommission präsentiert am Samstag Empfehlungen und Forderungen zu aktuellen Asylthemen.

Anwesend sein werden nebst Regierungsrat Dieter Egli (SP) auch die Grossratsmitglieder Therese Dietiker (EVP), Ignatius Ounde (GLP) und Lea Schmidmeister (SP). Ausserdem sind Pia Maria Brugger, Co-Leiterin des Kantonalen Sozialdienstes, und Fabienne Notter, Geschäftsführerin von Caritas Aargau, vor Ort.

Hürden im Alltag abbauen

Shakila Ansari ist Präsidentin der Kommission zum Status F und Schutzstatus S. Sie ist vor knapp drei Jahren aus Afghanistan geflüchtet. In der Schweiz ist sie vorläufig aufgenommen worden und lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in Bremgarten. Im Moment absolviert sie ein Praktikum als Augenoptikerin in Zofingen. Sie sagt: «Wenn ich wählen könnte, wäre ich schon lange umgezogen.»

Aber Menschen mit Status F dürfen ihren Wohnort nicht selbst wählen. Deshalb pendelt Shakila Ansari jeden Tag insgesamt drei Stunden zur Arbeit und zurück. «Das wollen wir ändern», sagt sie. Am Flüchtlingsparlament werde ihre Kommission unter anderem vorschlagen, dass Personen mit Status F die Möglichkeit haben sollen, den Wohnort zu wechseln, wenn sie einen langen Arbeitsweg haben.

Die Herausforderungen für Personen mit Status F, die ein Praktikum, eine Lehrstelle oder einen Job suchen, beginnen aber schon früher. Auch das hat Shakila Ansari selbst erlebt.

Als sie potenziellen Vorgesetzten an Schnuppertagen erzählte, dass sie einen F-Ausweis habe, hätten viele gar nicht gewusst, was das ist. Manche haben sogar gelacht. «Es wäre deshalb schön, wenn der Kanton Arbeitgebern Informationen zum Status F zur Verfügung stellen würde.» Auch diesen Vorschlag werde ihre Kommission am Samstag einbringen.

In der «Arena» mit Adrian Schoop

Shakila Ansari darf in der Schweiz weder wählen noch abstimmen. Trotzdem will sie in der Politik mitreden, weil sie immer wieder feststellt, dass ihr durch politische Entscheide Steine in den Weg gelegt werden. «Das will ich nicht akzeptieren. Deshalb erhebe ich meine Stimme.» Dass sie sich in der Schweiz politisch äussern kann, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, schätzt die 19-Jährige. «In Afghanistan wäre ich tot.»

Seit sie am 20. Mai 2022 in der SRF-«Arena» zum Schutzstatus S aufgetreten ist, kennen viele das Gesicht der jungen Frau. Sie habe nach der Sendung viele Rückmeldungen bekommen, positive und negative. Manchmal haben sie auch wildfremde Leute auf der Strasse erkannt und angesprochen.
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/arena-zum-schutzstatus-s-junge-gefluechtete-reden-politikern-ins-gewissen

Damals kritisierte sie die Ungleichbehandlung zwischen Ukrainerinnen und Ukrainern und restlichen Geflüchteten. Der AZ sagt sie, sie freue sich, dass die Menschen aus der Ukraine in der Schweiz so unkompliziert und herzlich aufgenommen werden. «Ich möchte nicht, dass man ihnen etwas wegnimmt. Aber ich würde mir wünschen, dass alle Geflüchteten in der Schweiz so behandelt werden.»

Sie sei genauso vor dem Krieg geflüchtet. «Auch in Afghanistan explodieren Bomben und sterben Menschen.» Sie könne nicht zurück. «Als Frau hätte ich dort keine Rechte und keine Zukunft.»

Flüchtlingsparlament ohne SVP und FDP

In der «Arena» eingeladen war auch FDP-Grossrat Adrian Schoop. Er riet Shakila Ansari damals, Durchhaltewille zu zeigen. Er sei sich sicher, dass eine junge Frau wie sie relativ schnell den B-Status erhalten werde. Auf Adrian Schoop angesprochen, muss Shakila Ansari zuerst lachen. Dann seufzt sie tief und sagt: «Er hat mir in der Sendung Antworten gegeben, die mich nicht überzeugt haben.»

Am Samstag wird es – zumindest dann, wenn nur jene Grossratsmitglieder kommen, die in der Medienmitteilung aufgeführt werden – zu keinem Wiedersehen zwischen der jungen Afghanin und dem FDP-Grossrat kommen. Shakila Ansari kann ihre Enttäuschung darüber, dass am Flüchtlingsparlament keine Grossratsmitglieder von der Mitte oder der SVP und FDP anwesend sein werden, nicht verbergen. «Ich fände es wirklich wichtig, dass auch sie hören, was wir zu sagen haben.»

Sie hofft nämlich, dass durch das Flüchtlingsparlament ein Dialog zwischen Geflüchteten und Politikerinnen und Politikern entsteht, und gemeinsam Lösungen gefunden werden können. «Wir als Geflüchtete wissen am besten, was in der Schweizer Asylpolitik nicht funktioniert.»
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylpolitik-erstes-fluechtlingsparlament-im-aargau-ich-wuerde-mir-wuenschen-dass-alle-gefluechteten-in-der-schweiz-wie-jene-aus-der-ukraine-behandelt-werden-ld.2361586)


+++BASELLAND
bzbasel.ch 25.10.2022

Zivilschutzanlage in Allschwil: Asylsuchende beklagen sich über «menschenunwürdige Zustände»

Geflüchtete Männer müssen in beiden Basel ohne Tageslicht auf engstem Raum in unterirdischen Anlagen wohnen. Die Bundesasylzentren haben ihre Kapazitätsgrenzen längst überschritten.

Maria-Elisa Schrade

Ein Video der aktivistischen Gruppe 3 Rosen gegen Grenzen und der Migrantischen Selbstorganisation Rota erregte am Dienstagmorgen auf Twitter viel Aufmerksamkeit: Es zeigt die Unterbringungsbedingungen in einer Zivilschutzanlage in Allschwil, nicht weit vom dort ebenfalls gelegenen Bundesasylzentrum (BAZ) entfernt.

Zu sehen sind Stockbetten, dicht an dicht aneinander gereiht, dazwischen ein paar offene Regalfächer, in denen die Schutzsuchenden provisorisch ihren Besitz verstaut haben. Zusätzliche Matratzen liegen in schmalen Nischen, neben Regalen auf den Böden – es sind nicht genügend Betten vorhanden. Fenster gibt es keine. Etwa 50 Männer leben hier miteinander in einem Raum.

Die Kapazitätsgrenze in den Bundesasylzentren ist erreicht

Eine Person, die im BAZ in Allschwil tätig ist, bestätigt diese Eindrücke und ergänzt: «Viele Leute haben hohes Fieber. Sie können sich in den Mehrbettzimmern nicht distanzieren, deshalb kommt es zu vielen Krankheitsfällen.» Betroffen sind alleinreisende, volljährige Männer. Frauen und Kinder werden nach wie vor direkt in den Bundesasylzentren untergebracht. Doch auch sie müssen zum Teil mit Matratzen auf dem Boden schlafen. Die Kontaktperson berichtet: «Eine junge Mutter hat mit ihren kleinen Kindern eine Woche lang in der Eingangshalle campiert.»

Am selben Tag, an dem das Video der Aktivistinnen und Aktivisten auf Twitter viral geht, teilt auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) offiziell in einer Medienmitteilung mit, dass die Kapazitätsgrenze der BAZ erreicht sei. Um den Asylsuchenden weiterhin einen Unterbringungsplatz gewährleisten zu können, solle daher ein Teil der Asylsuchenden vorübergehend früher an die Kantone verwiesen werden.

Die Verfahrensbeschleunigung des SEM könnte das Problem nur verschieben

Der Leiter des Baselbieter Sozialamts Fabian Dinkel betrachtet dieser Verfahrensbeschleunigung mit gemischten Gefühlen. Er erklärt: «Es besteht die Gefahr, dass das Problem einfach nur von Bundes- auf Kantonsebene verschoben wird.»

Denn der Kanton müsse auch über die nötigen Kapazitäten verfügen. Für die Asylsuchenden könnte der schnellere Wechsel auf Kantonsebene allenfalls einen kleinen Vorteil mit sich bringen. Dinkel glaubt: «Eventuell können wir Personen eher in überirdischen Anlagen unterbringen, als dies zurzeit dem Bund möglich ist.»

Rudolf Illes, Leiter der Sozialhilfe Basel-Stadt, erzählt: «Baselland ist vom neuen Verteilsystem des Bundes stärker betroffen als Basel-Stadt, weil dort ein Ausreisezentrum liegt. Hier befindet sich ein Verfahrenszentrum.»

Soll heissen: Aktuell werden Menschen, die in der Schweiz keinerlei Aussicht auf Asyl haben, in einem 78-stündigen Verfahren abgelehnt und zur Vorbereitung der Ausreise nach Allschwil oder Flumenthal weitergeleitet, wie die Kontaktperson beim BAZ berichtet. Davon betroffen seien vor allem Männer aus Maghreb-Staaten wie Algerien, Marokko oder Tunesien.

Ab nächster Woche sollen laut SEM auch Personen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, frühzeitig in die Kantone austreten. Dann müsse auch Basel innerhalb einer Woche 40 Menschen aufnehmen, sagt Illes. Bislang sei ein solcher Zuwachs über zwei bis drei Monate gestaffelt worden. Dementsprechend angespannt ist auch die Lage im Bundesasylzentrum in Basel-Stadt. So wurde gestern in Kleinhüningen die inzwischen vierte Zivilschutzanlage in der Region durch den Bund in Betrieb genommen.

Die Kontaktperson beim BAZ Allschwil findet: «Zivilschutzanlagen sollten generell nicht zur längerfristigen Unterbringung von Personen genutzt werden, weil sie nicht dafür ausgerüstet sind.»

Sie ist überzeugt: «Niemand würde sich beschweren, wenn es nur um eine Woche ginge. Aber diese Männer wissen nicht, ob sie eventuell zwei, drei Monate hier verbringen müssen. Das ist für die Betroffenen extrem belastend.»

Grossrat Nicola Goepfert verlangt vom Regierungsrat eine Stellungnahme

Auch BastA!-Grossrat Nicola Goepfert ist von diesen Zuständen erschüttert und verlangt vom Basler Regierungsrat eine Stellungnahme zu den Zivilschutzanlagen in Basel-Stadt. Er wirft der Basler Regierung vor, nicht dem eigenen Versprechen nachzukommen, grundsätzlich oberirdische Unterbringungen für Schutzsuchende anzustreben. Er sagt: «Das Wirtschaftsdepartement verweist auf den Bund. Doch ich bin der Meinung, dass der Kanton dafür verantwortlich ist, allen, die hier leben, eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten.»

Eine Nachfrage der bz beantwortet das Departement wie folgt: «Wenn der Grosse Rat die Interpellation von Herrn Goepfert überweist, wird sich der Regierungsrat zu den Fragen äussern – dem können wir seitens Verwaltung nicht vorgreifen.»
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/migration-zivilschutzanlage-in-allschwil-asylsuchende-beklagen-sich-ueber-menschenunwuerdige-zustaende-ld.2363291)

-> https://www.20min.ch/story/absolute-notloesung-so-eng-leben-asylsuchende-in-zivilschutzanlagen-504996373040
-> https://www.blick.ch/schweiz/40-leute-in-einem-raum-ohne-fenster-fluechtlinge-beklagen-prekaere-bedingungen-im-asylbunker-id17993354.html


(FB 3 Rosen gegen Grenzen)
In Basel wurden drei unterirdische Asyl-Bunker wieder geöffnet!
Unter unmenschlichen Bedingungen müssen Migrant*innen dort leben:
In einem Bunker sind über 50 Migrant*innen in einem einzigen Zimmer zum Schlafen untergebracht! Viele Menschen in diesem Bunker sind oder werden krank! Obwohl 3 Menschen gestern Nacht 40 Grad Fieber hatten, mussten Migrant*innen Widerstand leisten, damit sie ins Krankenhaus gebracht werden!

Unmenschliche Bedingungen werden wir nie akzeptieren !
Genug mit den Bunkern!
Gemeinsam gegen das unmenschliche Migrationsregime!

– Dieses Statement wurde von Menschen, die im Bunker leben müssen, verfasst. Solidarisieren wir uns mit Ihnen!!
https://www.facebook.com/watch/?ref=saved&v=1551585361947334
-> https://twitter.com/i/status/1584648270810271744



Basler Zeitung 25.10.2022

Zoff um Basler Asylunterkünfte50 Migranten müssen angeblich ein Zimmer teilen – Bund widerspricht

In den beiden Basel – und nur hier – bringt der Bund Asylsuchende in Zivilschutzanlagen unter. Betroffene klagen über «unmenschliche Bedingungen». Die Situation ist extrem angespannt.

Simon Bordier

Die aktuelle Flüchtlingswelle hat die Region Basel erreicht – und eine Debatte über menschenwürdige Unterbringungsplätze entfacht.

Auslöser sind Foto- und Videoaufnahmen aus der Zivilschutzanlage (ZSA) Hagmatten in Allschwil, die als temporäre Asylunterkunft dient. «Über 50 Migrant*innen sind in einem einzigen Zimmer zum Schlafen untergebracht», schreibt migrantische Selbstorganisation Rota auf dem Netzwerk Instagram.

Dazu hat sie Fotos von einem Raum mit vielen Stockbetten und einzelnen Matratzen am Boden publiziert. In einem Videoclip werden die engen Verhältnisse vor Augen geführt. «Viele Menschen» würden hier «krank», heisst es weiter.
-> Video: https://www.instagram.com/rota_migrant/?utm_source=ig_embed&ig_rid=349551a2-a899-4ec9-932d-b6410c6acb32

Konkret wird ein Vorfall von der Nacht auf Montag angeführt: «Obwohl drei Menschen gestern Nacht 40 Grad Fieber hatten, mussten Migrant*innen Widerstand leisten, damit sie ins Krankenhaus gebracht werden!» Gemäss Rota handelt es sich um Aussagen von Menschen, die in der ZSA leben. Man werde solche «unmenschliche Bedingungen» nie akzeptieren. «Genug mit den Bunkern!» Viele Personen und Organisationen haben die Botschaft im Netz geteilt.

Das sagt der Bund

Das Staatssekretariat für Migration (SEM), das für den Betrieb verantwortlich ist, widerspricht dieser Darstellungsweise. «Wir haben schweizweit eine extrem angespannte Situation», sagt SEM-Sprecher Daniel Bach auf Anfrage. Allerdings sei die ZSA in Allschwil kein «Bunker» und auch nicht überbelegt; die Höchstauslastung von 100 Personen sei noch nicht ganz erreicht.

Die Behauptung, wonach sich 50 Personen ein Zimmer teilen müssten, ist laut Bach falsch. «Die Bewohner werden auf drei Schlafräume verteilt, das entspricht also etwa 30 Personen pro Raum.»

Bach hat die im Netz publizierten Aufnahmen gesehen. «Der Zufall will es, dass in der fraglichen Nacht ein Kollege von mir aus der Presseabteilung in der ZSA in Allschwil anwesend war.» Er habe dabei unter anderem gesehen, wie einzelne Bewohner ihre Matratze aus den Stockbetten genommen und auf den Boden gelegt hätten. «Aus welchen Gründen auch immer.»

Der Kollege habe auch den Vorfall mit den drei fiebrigen Männern mitbekommen – er habe die Ereignisse aber anders in Erinnerung als in den sozialen Medien dargestellt. Demnach hätten sich die Männer zunächst beim Aufsichtspersonal gemeldet. «Man stellte fest, dass es sich um ein medizinisches Problem handelt, bestellte ein Taxi für sie, und dieses brachte sie in die Notfallstation», so Bach.

Krankheitsfälle könne es durchaus geben, zumal viele Migranten eine lange, beschwerliche Reise hinter sich hätten, meint der SEM-Sprecher. Für die Betreuung der Asylsuchenden und die Sicherheit vor Ort wurden die Dienstleister ORS und Securitas engagiert.

ORS versichert auf Anfrage, dass die medizinische Betreuung gewährleistet sei. Im Bundesasylzentrum Allschwil, das neben der ZSA liegt, gebe es tagsüber Sprechstunden. Die Bewohner könnten sich zudem rund um die Uhr an das Betreuungspersonal wenden. Man weise «Kritik an ORS über angebliche Billigung von Unterbringungs­missständen zurück».

Der SEM-Sprecher meint: «Von unmenschlichen Bedingungen kann sicher nicht die Rede sein.» Andererseits sieht auch Bach die unterirdische Beherbergung kritisch. «Es fehlt das Tageslicht, es ist eng und alles andere als komfortabel.»

Zurzeit komme man um diese «Notlösung» aber nicht herum. Die Bundesasylzentren hätten schweizweit etwa 5000 ständige Unterbringungsplätze. Wegen der hohen Zahl neuer Migranten – vor allem Afghanen und Türken – wurden laut Bach kurzfristig mehr als 4000 weitere temporäre Plätze geschaffen. Davon befinde sich lediglich ein Bruchteil, nämlich 400, in unterirdischen Anlagen.

Pikant: Sämtliche 400 Plätze befinden sich in den beiden Basel. Konkret handelt es sich um Zivilschutzanlagen in Allschwil und Arlesheim sowie um die Basler ZSA an der Bonergasse und an der Froburgstrasse.

Dass einzig in den Basler Halbkantonen ZSA offen stehen und überall sonst andere Lösungen – etwa in Form von Mehrzweckhallen – gefunden werden, ist laut Bach «Zufall». Die Asylregion Nordwestschweiz mit den Kantonen Aargau, Solothurn, Baselland und Basel-Stadt weise bereits «viele normale Plätze» auf – 1000 an der Zahl. Die Zusammenarbeit mit Nordwestschweizer Behörden laufe aus Sicht des SEM «gut», versichert er.

Davon zeigen sich indes nicht alle Parteien beeindruckt. Der Basler Basta-Grossrat Nicola Goepfert hat am Dienstag eine Interpellation zum Thema angekündigt: «Wenn das SEM auf mehr Platz angewiesen ist, soll der Kanton menschenwürdige Unterbringungen über Tag zur Verfügung stellen!» Zumal der Regierungsrat schon vor Jahren festgehalten habe, dass Basel-Stadt eine oberirdische Unterbringung anstrebe.

In Allschwil wurde die ZSA durch die Gemeinde dem Bund zur Verfügung gestellt, wie der Kanton Baselland auf Anfrage schreibt. SEM-Sprecher Bach rechnet damit, dass viele Asylsuchende die ZSA «in ein paar Wochen» wieder verlassen können. Sobald nämlich das SEM über das Gesuch eines Asylsuchenden entschieden habe, werde die Person einem Kanton zur Unterbringung zugeteilt.

Um allen Asylsuchenden eine Unterkunft zu garantieren, wird ein Teil der Asylsuchenden früher als bisher an die Kantone zugewiesen, wie das SEM am Dienstag mitteilte.
(https://www.bazonline.ch/50-migranten-in-einem-raum-behoerden-widersprechen-117408660278)


+++LUZERN
Trotz Kritik: Asyl- und Flüchtlingswesen bleibt in kantonaler Hand
Flüchtlinge aus der Ukraine stellen den Kanton Luzern vor grosse Herausforderungen. Grüne, SP und GLP fordern darum einen stärkeren Einbezug von Organisationen und Privaten. Das wird aber nur bei Bedarf passieren, so die Mehrheit des Kantonsrats.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/kanton-luzern-trotz-kritik-asyl-und-fluechtlingswesen-bleibt-in-kantonaler-hand-ld.2363060


Kritik an Unterbringung von Asylsuchenden in Wikon
In der Marienburg im Luzernischen Wikon werden Flüchtende aus der Ukraine untergebracht. Die Zustände dort seien unhaltbar, kritisierten die Grünen im Kantonsrat. Der Regierungsrat wies die Vorwürfe zurück, will sie aber trotzdem untersuchen lassen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/kritik-an-unterbringung-von-asylsuchenden-in-wikon?id=12275689


+++THURGAU
Steckborn rüstet sich für Zunahme von Flüchtlingen, Stadtrat insistiert beim SEM wegen Informationspolitik
Derzeit sind in der Notunterkunft an der Steckborner Talstrasse rund 100 Asylsuchende untergebracht. Wegen der Flüchtlingskrise könnten in nächster Zeit alle 250 Betten genutzt werden, teilt die Stadt Steckborn mit, die seit Jahren vom Bund Beiträge für die Zivilschutzanlage erhält.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/region-frauenfeld/fluechtlingskrise-steckborn-ruestet-sich-fuer-zunahme-von-fluechtlingen-stadtrat-insistiert-beim-sem-wegen-informationspolitik-ld.2362487


+++SCHWEIZ
Sicherere Fluchtwege? Kritik an SEM-Analyse
Flüchtende sicherer und schneller in die Schweiz aufzunehmen: Dafür haben sich in den letzten Jahren verschiedene Schweizer Organisationen und Gemeinden der Schweiz stark gemacht. Gefordert werden sogenannte komplementäre Zugangswege zur Schweiz. Es handelt sich dabei um sichere und geregelte Wege für die Aufnahme Geflüchteter. Das Staatssekretariat für Migration, kurz SEM, hat dazu eine Analyse in Auftrag gegeben, und kam dabei zu einem positiven Fazit: Die zur Verfügung stehenden Mittel wie Resettlement-Programme, das humanitäre Visum oder der Familiennachzug würden gut angewendet.
https://rabe.ch/2022/10/21/sicherere-fluchtwege-kritik-an-sem-analyse/


Bundesasylzentren an Kapazitätsgrenze – frühere Austritte in Kantone nötig
Die Zahl der Asylsuchenden, die ein Asylgesuch in der Schweiz einreichen, bleibt unvermindert hoch. Die Unterkünfte des Bundes sind ausgelastet und verfügen kaum noch über freie Betten. Damit auch weiterhin alle Asylsuchenden aufgenommen, untergebracht und versorgt werden können, nimmt das SEM laufend neue Unterkünfte in Betrieb. Dies reicht aber nicht aus. Um jedem Asylsuchenden einen Unterbringungsplatz in den Bundesasylzentren (BAZ) garantieren zu können, wird ein Teil der Asylsuchenden den Kantonen vorübergehend früher zugewiesen als bisher.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90875.html
-> https://www.derbund.ch/bundesasylzentren-sind-alle-voll-996258648164
-> https://www.20min.ch/story/bundesasylzentren-am-anschlag-jetzt-sollen-die-kantone-helfen-952772714378
-> https://www.blick.ch/politik/kapazitaetsgrenze-erreicht-kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren-id17992078.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/kapazitaetsgrenze-erreicht-kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/in-bundesasylzentren-hats-kaum-mehr-freie-betten-148500006
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/475815098-kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/kaum-mehr-freie-betten-in-bundesasylzentren-66314777
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/bundesasylzentren-stossen-an-kapazitaetsgrenze?partId=12275713
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/bundesasylzentren-voll—kantone-gefordert?urn=urn:srf:video:3d5caa70-6c25-4354-a877-1bdf6d050ba7
-> https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/asylzentren-asylsystem-am-anschlag-bund-setzt-auf-mehrzweckhallen-und-nimmt-kantone-staerker-in-die-pflicht-ld.2363252


+++MITTELMEER
Mehr als 5.600 Migranten starben seit 2021 während ihrer Flucht nach Europa
Laut der UN-Organisation für Migration gibt es unzählige Familien, die nicht wissen, was mit ihren Verwandten passiert ist
https://www.derstandard.at/story/2000140296928/mehr-als-5-600-migranten-starben-seit-2021-waehrend-ihrer?ref=rss
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-10/migranten-flucht-europa-gestorben-iom?wt_zmc=sm.int.zonaudev.twitter.ref.zeitde.redpost.link.x&utm_medium=sm&utm_source=twitter_zonaudev_int&utm_campaign=ref&utm_content=zeitde_redpost_link_x


European non-assistance: how four-year-old Loujin was left to die
In September 2022, after leaving from Lebanon, a boat carrying 60 people reached out to the Alarm Phone. Despite being alerted, various European authorities, including Frontex, failed to act in a swift and coordinated way. Due to their non-assistance, the people were left at sea for several days. This act of non-assistance cost at least two lives: the four-year-old Loujin Ahmed Nasif and an unborn child.
https://alarmphone.org/en/2022/10/25/european-non-assistance-how-four-year-old-loujin-was-left-to-die


Mahnung an Seenotretter: Meloni will keine Migrantenboote in Italien
Italiens neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will mit ihrer Regierung die Ankünfte von Bootsmigranten verhindern. Zudem warnte der Innenminister die Schiffe, die Migranten in Seenot retten.
https://www.baerntoday.ch/welt/meloni-will-keine-migrantenboote-in-italien-148500038


+++EUROPA
EU-Kommission will Einfluss von Frontex im Westbalkan stärken
Immer mehr Migranten kommen über den Westbalkan in die EU. Die Grenzschutzagentur Frontex soll deshalb künftig mehr Beamte in Ländern der Region einsetzen dürfen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-10/migration-eu-kommission-frontex-grenzschutz-westbalkan


+++FREIRÄUME
Berner Frauenhäuser schlagen Alarm – Kanton winkt ab
Es sind happige Vorwürfe an den Kanton Bern. Die Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern und der Verein Solidarité Femmes Biel/Bienne warnen in einer Mitteilung vor einer akuten Notlage. Die kantonalen Frauenhäuser seien stark überlastet und bei den Opferhilfe-Beratungsstellen werde das Geld knapp.
Opferschutz sei eine staatliche Aufgabe, schreiben sie, doch der Kanton Bern nehme seine Verantwortung nicht wahr und gefährde damit die Sicherheit der betroffenen Frauen und Kinder.
https://rabe.ch/2022/10/25/berner-frauenhaeuser-schlagen-alarm-kanton-winkt-ab/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
«Antifaschismus gehört unbedingt in die Mitte der Gesellschaft»
Am Samstag lief seit 2010 erstmals wieder ein Umzug unter dem Motto «Antifaschistischer Abendspaziergang» durch Bern. Die Organisator*innen sind bemüht, ein neues Bild der Bewegung zu zeichnen, doch in der öffentlichen Debatte halten sich die alten Narrative hartnäckig.
https://journal-b.ch/artikel/antifaschismus-gehoert-unbedingt-in-die-mitte-der-gesellschaft/


Gemälde beschmiert: Wie extrem werden die Klima-Aktionen noch?
Klima-Aktivisten provozieren mit Gemälde-Attacken. Soziologe Marko Kovic rechnet zwar nicht mit schlimmeren Protestformen, aber mit neuen Formen von Störungen.
https://www.nau.ch/news/europa/gemalde-beschmiert-wie-extrem-werden-die-klima-aktionen-noch-66313541
-> https://www.nau.ch/news/europa/monets-kartoffelstock-werferin-drohen-vier-jahre-knast-66314690
-> https://www.blick.ch/ausland/angeklagt-in-1296-faellen-jetzt-droht-der-haerdoepfelstock-werferin-knast-id17992684.html


+++PSYCHIATRIE
Die Probleme in der Berner Psychiatrie werden immer grösser
Erst stand das Psychiatriezentrum Münsingen in der Kritik, jetzt die Universitären Psychiatrischen Dienste UPD. Weil das Personal fehlt, sollen die Patientinnen und Patienten leiden, bringen Recherchen der Fernsehsendung Kassensturz ans Licht. Auch zu Fällen von Suizid soll es gekommen sein. (ab 04:03)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/die-probleme-in-der-berner-psychiatrie-werden-immer-groesser?id=12275710
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/vorwurfe-wegen-zu-wenig-personal-auch-an-der-berner-upd-66315115


Pflegenotstand in der Psychiatrie – Schweiz Aktuell
Im letzten November sagte das Schweizer Stimmvolk Ja zur Pflege-Initiative. Der Pflegenotstand besteht jedoch weiter, auch in der Psychiatrie für Erwachsene. Besonders darunter leiden die Patientinnen und Patienten – das Personal schlägt Alarm. Eine ehemalige Patientin der Psychiatrischen Universitätsklinik UPD Bern erzählt von gravierenden Missständen.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/pflegenotstand-in-der-psychiatrie?urn=urn:srf:video:940849c9-fd2f-4f09-9c9d-d8c5f8826932


Wochenlange Zwangsmassnahmen – Psychiatriepflegerinnen und -pfleger im Notfall-Modus
(ab 06:04) Das Pflegepersonal in der Schweizer Psychiatrie schlägt Alarm. Zu wenig Personal, zu viele Patientinnen und Patienten. Der Vorwurf: Ungenügende Betreuung, wochenlange Isolation von Patientinnen, keine ausreichende Überwachung von suizidalen Patienten. Ausserdem: Hummus im Test.
Wochenlange Zwangsmassnahmen – Psychiatriepflegerinnen und -pfleger im Notfall-Modus In der Psychiatrie ist das Pflegepersonal am Anschlag. Die Vorwürfe: keine ausreichende Überwachung von suizidalen Patientinnen und Patienten und verlängerte Zwangsmassnahmen, weil zu wenig Personal für die Betreuung da sei. Die personellen Abgänge in der Pflege sind massiv angestiegen, ganze Psychiatrieabteilungen wurden geschlossen. Der Pflegefachverband fordert einen Rettungsschirm.
https://www.srf.ch/play/tv/kassensturz/video/wochenlange-zwangsmassnahmen—psychiatriepflegerinnen-und–pfleger-im-notfall-modus?urn=urn:srf:video:b964c545-78e3-463d-a2e8-3e452780cae0
-> https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/kassensturz/fachkraeftemangel-psychiatriepflegende-am-anschlag-isolationen-nehmen-zu


Fachkräftemangel – Psychiatriepflegende am Anschlag – Isolationen nehmen zu
Assistenz-Ärzte an der psychiatrischen Uniklinik Bern schlagen Alarm: Gewalt und Notfallsituationen häuften sich.
https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/kassensturz/fachkraeftemangel-psychiatriepflegende-am-anschlag-isolationen-nehmen-zu


Gesundheitsversorgung: Ausdehnung der ambulanten Betreuung in der Psychiatrie
Die psychiatrischen Kliniken stehen aufgrund des Fachkräftemangels unter grossem Druck. Der Kanton Bern hat bereits vor über 10 Jahren durch die Ausbildungsverpflichtung der Leistungserbringer eine erfolgreiche Nachwuchsförderung gestartet. Der akute Fachkräftemangel kann dadurch jedoch nur teilweise abgefedert werden, sodass auch die Psychiatrien von Bettensperrungen betroffen sind. Die Universitären Psychiatrische Dienste Bern (UPD) und die anderen Leistungserbringer des Gesundheitswesens verfolgen bereits heute verschiedene Massnahmen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (z.B. im Skill-Grade-Mix und Förderung von Wiedereinsteigerinnen und –einsteigern).
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=919f7c09-6ef8-4c35-9129-9eba89e58f00
-> https://www.neo1.ch/artikel/ausdehnung-der-ambulanten-betreuung-in-der-berner-psychiatrie


+++BIG BROTHER
Gefahren der automatisierten Gesichtserkennung
Die Nutzung biometrischer Daten vereinfacht den Alltag. Schweizer Forschende haben sich im Auftrag der Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung, TA-Swiss, auch mit der Gefahr des Missbrauchs von Stimm-, Sprach- und Gesichtserkennung auseinandergesetzt.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/gefahren-der-automatisierten-gesichtserkennung?partId=12275734


+++POLIZEI BS
Luzerner Polizei sucht mit umstrittener Kampagne nach Personal
Aktuell sieht man in Luzern Plakate mit Polizistinnen und Polizisten in Vollmontur oder gezückter Waffe. Die Luzerner Polizei sucht damit nach Nachwuchs. Eine linke Gruppierung kritisiert diese Sujets als «Rambo»-Image.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/luzerner-polizei-sucht-mit-umstrittener-kampagne-nach-personal?id=12275017
-> https://www.20min.ch/story/linke-gruppe-wirft-polizeikampagne-rekrutierung-von-rambos-vor-406169038066


+++POLIZEI LU
Luzerner Polizei wirbt mit Gewehr und Sturmhaube – linke Gruppe kritisiert Kampagne scharf
Die Luzerner Polizei sucht mit actiongeladenen Bildern neues Personal – und erntet hierfür Kritik von der linken ausserparlamentarischen Gruppe Resolut. Die Polizei hält dagegen.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/mit-gewehr-und-sturmhaube-linke-gruppe-kritisiert-werbekampagne-der-luzerner-polizei-ld.2363035


+++RASSISMUS
EKR – Struktureller Rassismus: ein ernstzunehmendes Problem
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) veröffentlicht heute die neuste Ausgabe des Tangram. Die Zeitschrift befasst sich diesmal mit strukturellem Rassismus in der Schweiz. Was ist struktureller Rassismus? In welchen Bereichen des Alltags zeigt er sich besonders deutlich? Welches sind die Folgen für die Betroffenen und für die Gesellschaft als Ganzes? Wie lässt sich struktureller Rassismus bekämpfen, wenn das Verständnis dafür bei vielen noch fehlt? Mit dieser Tangram-Ausgabe will die EKR die Öffentlichkeit für ein Phänomen sensibilisieren, das noch immer häufig missverstanden und verharmlost wird.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90856.html


+++RECHTSEXTREMISMUS
Neue Masche von Neo-Nazis: Plötzlich geben sie sich freundlich
Die Winterthurer Neo-Nazi-Gruppe “Junge Tat” hat ein Bekennervideo zu einer Störaktion in Zürich publiziert. Auffällig: Die beiden jungen Männer treten ohne bekannte Neo-Nazi-Symbole auf und geben sich locker und freundlich. Damit wollen sie ein grösseres Publikum ansprechen, sagt der Experte.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/neue-masche-von-neo-nazis-ploetzlich-geben-sie-sich-freundlich?id=12275005


So regiert die Zürcher Politik auf die die Winterthurer Neo-Nazi-Gruppe «Junge Tat». (ab 02:53)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/mann-wegen-mordes-an-obdachlosem-in-zuerich-angeklagt?id=12275197


Winterthurer Neo-Nazi-Gruppe: so reagiert die Politik
Kürzlich hat die Winterthurer Neo-Nazi-Gruppe «Junge Tat» ein Bekennervideo zu einer Störaktion in Zürich publiziert. Die beiden jungen Männer zeigen ihre Gesichter und geben sich freundlich. Wie schätzen Zürcher Sicherheitspolitikerinnen und Politiker diese Entwicklung ein?
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/winterthurer-neo-nazi-gruppe-so-reagiert-die-politik?id=12275677


Polizei hat Ermittlungen gegen Neonazi-Gruppierung «Junge Tat» aufgenommen
Nach der Störung einer Dragqueen-Vorlesestunde für Kinder durch eine Neonazi-Gruppierung laufen nun Ermittlungen gegen diese.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuerich-ermittlungen-gegen-neonazi-gruppierung-junge-tat-ld.2363165


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Komitee um Impfskeptiker Trappitsch lanciert zwei Volksinitiativen
Ein Komitee um den Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch lanciert gleich zwei Volksinitiativen. Es geht um Naturheilkunde und ein Pflichtsparsystem.
https://www.nau.ch/news/schweiz/komitee-um-impfskeptiker-trappitsch-lanciert-zwei-volksinitiativen-66314950
-> https://www.blick.ch/politik/gegen-lockdown-im-internet-corona-skeptiker-unterstuetzen-pornosperren-referendum-id17991599.html


Personen mit «dunkler Persönlichkeit» glauben eher an Fake News als an Fakten
Den Begriff Fake News hört man dieser Tage oft. Doch: Was für Personen schenken diesen mehr Glauben als tatsächlichen Fakten? Würzburger Forschende liefern nun Antworten.
https://www.20min.ch/story/personen-mit-diesen-eigenschaften-glauben-eher-an-fakenews-als-an-fakten-985203020806


Anonyme Website will im Baselbiet Unruhe auslösen
Eine Website, ausgestattet mit dem offiziellen BL-Wappen und -Logo, versucht im Baselbiet mit Verschwörungstheorien Verunsicherung auszulösen. Die Regierung kündigt Strafanzeige an.
https://www.onlinereports.ch/News.117+M5e9ba90ba10.0.html


+++ANTI-WOKE/DREADLOCKSMANIA/WINNETOUWHINING
Rahel El-Maawi: «Nicht kulturelle Aneignung, sondern Rassismus»
Der Ravensburger Verlag hat Bücher über den jungen Häuptling Winnetou zurückgezogen. Im Sommer dominierte die Debatte um abgesagte Konzerte von weissen Reggae Musikern. Die hitzige Diskussion rund um kulturelle Aneignung schade der Aufarbeitung des Rassismus in der Schweiz, sagt Rahel El-Maawi.
https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/rahel-el-maawi-nicht-kulturelle-aneignung-sondern-rassismus?id=12275149


Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst
Ein Gespenst geht um in Europa, ja in der ganzen Welt – das Gespenst der Cancel Culture. Glaubt man diversen Zeitungen, dürfen insbesondere weiße Männer jenseits der vierzig praktisch nichts mehr sagen, wenn sie nicht ihren guten Ruf oder gar ihren Job riskieren wollen. Ist da etwas dran? Oder handelt es sich häufig um Panikmache, bei der Aktivist:innen zu einer Gefahr für die moralische Ordnung stilisiert werden, um ihre berechtigten Anliegen zu diskreditieren?
https://www.suhrkamp.de/buch/adrian-daub-cancel-culture-transfer-t-9783518127940


+++HISTORY
sueddeutsche.de 24.10.2022

Schweizer Ungehorsam

Im Herbst 1987 besetzten Jugendliche die Reitschule in Bern, ein altes Gebäude in der Nähe des Bahnhofs. 35 Jahre später ist klar: Diese Institution hat aus dem dösigen Verwaltungssitz die linkste Stadt des ganzen Landes gemacht.

Von Isabel Pfaff, Bern

Es ist kurz nach Mitternacht, als drei Dutzend vermummte Gestalten ihre Barrikaden anzünden. Die Feuer lodern, schließlich rückt die Polizei an. Es fliegen Steine, Flaschen, Feuerwerkskörper, auch Autos brennen. Vier Stunden später ist die Schlacht vorbei – aber nicht, weil die Polizei sich durchgesetzt hätte, sondern weil die Vermummten sich zurückziehen.

Die Bilanz: zehn verletzte Polizisten, ein Sachschaden von einigen Zehntausend Franken. Am Tag danach – es ist der 19. Mai 2019 – sind die Schweizer Medien voll: mal wieder Randale vor der Reitschule.

Das linke Kulturzentrum in Bern ist so etwas wie ein schweizerisches Christiania, ein Stück Unregierbarkeit inmitten der sonst wohlgeordneten Zentrale der eidgenössischen Politik. Der mit Graffitis übersäte Gebäudekomplex unweit des Bahnhofs gilt als der “prominenteste rechtsfreie Raum der Schweiz” (NZZ) und gehört dennoch zu Bern wie Münster, Bundeshaus und Mandelbärli.

Auch die berüchtigten Ausschreitungen zwischen Polizei und Linksradikalen auf dem Vorplatz gleichen einem gut eingeübten Ritual – alle Jahre wieder, mindestens.

35 Jahre alt wird die Reitschule an diesem Montag. In den drei Dekaden sind ihre Gegner weniger und ihre Befürworter immer zahlreicher geworden, schon allein aus demografischen Gründen: Mehrere Generationen an Aktivisten haben die Reitschule seit ihrer Gründung durchlaufen. Viele gehören heute zur Berner Oberschicht, sind Architekten, bekannte Künstlerinnen, Politiker. Inzwischen besuchen ihre Kinder und Kindeskinder die Reitschule – auch wenn das stete Ärgern der herrschenden Klasse dort weiterhin zum Konzept gehört.

Ein kühler Morgen im Oktober, die Reitschule mit ihren Walmdächern, Türmchen und den bunten Graffitifassaden liegt still da. Fast ein bisschen viel Ruhe für diesen Ort, vorsorglich hat jemand “Fuck the police” auf die Gebäudefront gesprüht. Über dem Tor lädt ein großes Transparent zum “antifaschistischen Abendspaziergang” ein.

Doch das Tor ist noch zu. Johannes Wartenweiler, ein Mann Anfang 60, blauer Parka, gelbe Mütze, hat keinen Schlüssel mehr, aber er weiß, wen er anrufen muss. Ein Bekannter macht auf, sie grüßen sich. Wartenweiler tritt ein und setzt sich vor das noch geschlossene Reitschulrestaurant “Sous le Pont”.

Er hat vor vielen Jahren mal hier im Service gearbeitet. Jetzt schaut er auf den grün bewachsenen Innenhof: Rechts geht’s zum Kino, das er mit aufgebaut hat, und in dem Gebäude links befinden sich die Redaktionsräume vom Megafon, der Hauszeitung der Reitschule. Auch da hat Wartenweiler früher mitgearbeitet.

Ein Reitschüler der ersten Stunde, so nennt man Leute wie ihn in Bern. Ihm ist die Bezeichnung ein bisschen unangenehm, “ich bin ja kaum noch da”. Er arbeitet heute als Gewerkschaftssekretär und sitzt für die Sozialdemokraten im Berner Stadtrat. Seine aktiven Zeiten? Liegen fast 30 Jahre zurück.

Doch Wartenweiler war eben hier, als alles begann. Er gehörte zu den rund 200 Leuten, die am Abend des 24. Oktober 1987 die große Reithalle stürmten. 27 war er damals, formell Student, faktisch Gelegenheitsjobber.

Die Atmosphäre in der Schweiz zu dieser Zeit: immer noch bleiern, besonders für junge Leute mit wenig Geld, ganz besonders im staatstragenden Bern. Es brodelte deshalb in der Stadt, Jugendliche auf der Suche nach Freiräumen und billigen Wohnmöglichkeiten organisierten illegale “Strafbars”, besetzten Häuser, bauten Zeltstädte. Bis die Polizei kam und wieder alles räumte.

Mittendrin in diesen Kämpfen: die fünf Gebäude an der Schützenmatte, Ende des 19. Jahrhunderts tatsächlich als städtische Reitschule erbaut und seit den Sechzigern kaum noch genutzt. 1981 dürfen die rebellierenden Jugendlichen den baufälligen Komplex tatsächlich kurz als Kulturzentrum nutzen, doch das Experiment dauert nicht lang, nach Ausschreitungen und Drogeneskapaden lässt die Stadtregierung das Areal wieder räumen. Aber der Druck nimmt nicht ab.

“Es gab einfach immer diese kulturelle Unrast”, sagt Johannes Wartenweiler, der damals zum engeren Kreis der linksautonomen Berner Szene gehört. “Irgendwann im Sommer 1987 war klar für uns: Die nächste Veranstaltung findet in der Reitschule statt.”

Er selbst hat an jenem Tag Ende Oktober einen eingegipsten Arm, weshalb er zunächst mit einer eher ungefährlichen Aufgabe betraut wird: auf der Post Telegramme an die Medien schicken. Zur gleichen Zeit stoßen seine Mitstreiter das Tor zur großen Reithalle auf. Ein paar Hundert Leute strömen herein, sie haben Transporter mit Getränken dabei, einen Sattelschlepper mit einer mobilen Bühne drauf.

“Das war ja wirklich eine Reithalle vorher”, sagt Wartenweiler, “überall war Dreck und Staub, wir wurde alle braun davon.” Die Bewegten stört das nicht, am Ende sind sie mehr als 1000 Leute, 13 Bands spielen, es wird gefeiert bis fünf Uhr früh.

Was dann folgt, ist die langsame, aber stetige Inbesitznahme des gesamten Reitschulkomplexes durch die subkulturelle linke Bewegung – ein Prozess, der Johannes Wartenweiler zufolge zwar mehrere Jahre dauert, aber letztlich gelingt. “Wir sind ein bisschen unter dem Radar geflogen.”

“Und alles wird subventioniert von der Stadt!”

Die konservativ regierte Stadt ist in dieser Zeit nicht nur mit der Reitschule, sondern auch mit anderen Besetzungen beschäftigt, etwa dem linksautonomen Zeltdorf Zaffaraya am Ufer der Aare. Dessen gewaltsame Räumung lädt die Stimmung in Bern derart auf, dass sich die Stadt nicht an eine zweite Konfrontation heranwagt. “Die Regierung wollte die Reitschule eigentlich nicht zulassen, aber sie war einen Moment lang handlungsunfähig”, sagt Wartenweiler. “Und danach war es eben zu spät.”

Die Reitschüler renovieren, gründen ihre bis heute bestehenden Arbeitsgruppen, realisieren legendäre Konzerte und Ausstellungen. Und dann, 1993, gibt es einen Nutzungsvertrag mit der Stadt, die inzwischen von einer rot-grünen Mehrheit regiert wird. Von da an ist klar: Die Berner Reitschule ist gekommen, um zu bleiben. Nicht zuletzt ihretwegen wird aus Bern, dem einst verschlafenen, bürgerlichen Verwaltungssitz, die linkste Großstadt, die die Schweiz heute zu bieten hat.

Anruf bei Thomas Fuchs, einem langjährigen Stadt- und Kantonspolitiker der rechtskonservativen SVP. Schweizweit ist seine Partei die stärkste politische Kraft, im linken Bern dagegen hat sie es schwer. Als man ihn nach der Reitschule fragt, holt Fuchs tief Luft. “Das ist eigentlich ein rechtsfreier Raum”, schimpft er.

Er redet über die Krawalle auf dem Vorplatz, den Drogenhandel dort, und die Zuflucht, den die Reitschule diesen Leuten bei Razzien bietet. “Und alles wird subventioniert von der Stadt! Die ersetzt der Reitschule sogar die verbrannten Müllcontainer.”

Die Vorwürfe der Bürgerlichen sind fast so alt wie das Kulturzentrum selbst. Was sagen heutige Reitschüler dazu? Treffen mit zwei von ihnen im “Sous le Pont”. Hier gibt es Schnitzel für 19, aber auch ein günstiges “Gassenmenü” für acht Franken, das Publikum ist entsprechend durchmischt.

“Die Reitschule ist auch für uns nur bedingt steuerbar”, sagt David Böhner, ein bedächtiger Mann mit wildem grauen Haar. Seit 1990 ist er in dem Kulturzentrum aktiv, er arbeitet hauptberuflich in der hauseigenen Druckerei. “Hier gibt es kein politisches Programm, einfach ein paar Grundsätze, die in unserem Manifest zusammengefasst sind. Unter diesem Dach versammeln sich sehr verschiedene Leute. Und ja, die Autonomen gehören dazu, schon immer.”

Neben Böhner sitzt Vivianne Jeger, eine junge Frau mit dicker schwarzer Mähne, Theaterwissenschaftlerin und Mitarbeiterin im Tojo, dem Reitschultheater. “Ich denke, alle hier haben mehr oder weniger Probleme mit dem kapitalistischen System”, sagt sie. Trotzdem tue die Reitschule viel dafür, dass es gut läuft zwischen ihr und dem Rest der Stadt. Bei großen Veranstaltungen gebe es zum Beispiel die Vorplatzpräsenz, also Reitschüler, die darauf achten, dass auf dem Vorplatz niemand in Gefahr gerät.

Auch nach den Ausschreitungen im Mai 2019 gab die Reitschule ein Statement heraus, in dem sie sich von der Gewalt distanzierte und berichtete, wie sie die vom Tränengas Vertriebenen zur Sicherheit in die große Halle geleitet hätte.

Alles prima also? Natürlich nicht, das wissen auch Vivianne Jeger und David Böhner. Aber dass man die Reitschule von jeher für die Probleme auf dem Vorplatz, die Drogen und die Gewalt verantwortlich macht, finden sie nicht fair. “Der Vorplatz ist viel mehr als die Reitschule, es ist der Jugendtreffpunkt des gesamten Großraums Bern”, sagt Böhner. Das sei von niemandem zu kontrollieren, auch nicht von der Polizei.

Und was ist mit den Subventionen? Die beiden Reitschüler winken ab. “Die Stadt bezahlt uns das Haus, das stimmt, aber wir erhalten fast keine zusätzlichen Gelder”, sagt Vivianne Jeger. 380 000 Franken, so steht es im aktuellen Leistungsvertrag zwischen Bern und der Reitschule, erhält das Zentrum im Jahr für Miete und einen Teil der Nebenkosten. Für den Rest kommen die Betreiber weitgehend selbst auf. “Eine wichtige Einnahmequelle ist der Alkoholverkauf bei Veranstaltungen”, sagt Böhner.

Für ein autonomes Zentrum klingt das alles ziemlich arriviert. In Frage stellen die Reitschule nur noch wenige, Krawalle hin oder her. Schon sechs Mal haben die Bernerinnen und Berner zwischen 1990 und 2018 über die Reitschule abgestimmt, mal über Sanierungskredite, mal über Versuche der SVP, die Reitschule dichtzumachen. Jedes Mal, und das ist dann selbst für eine rot-grüne Stadt bemerkenswert, ging die Reitschule als Siegerin hervor. Zuletzt betrug die Zustimmung 65 Prozent.

“Fight for your Reit” lautet ein Slogan der Reitschüler. Aber kämpfen müssen sie 35 Jahre nach der Gründung eigentlich nicht mehr.
(https://www.sueddeutsche.de/panorama/schweiz-bern-linke-szene-1.5679883)



Buch «Knabenheim ‹Auf der Grube›»
Das soeben erschienene Buch «Knabenheim Auf der Grube» (2022, Hier und Jetzt) hat eine bewegte Vorgeschichte. Im Jahr 2013 erschien bereits ein Buch über das Knabenheim in Niederwangen bei Bern. Es war den Betroffenen gewidmet, den Knaben, die seit 1825 leidgeprägte Jahre in diesem Heim verbracht hatten. Länger als in anderen Einrichtungen der Schweiz herrschte dort ein autoritärer Anstaltsgeist. Den Kindern und Jugendlichen wurden physische und psychische Verletzungen zugefügt, die sie bis heute prägen.
https://rabe.ch/2022/10/25/buch-knabenheim-auf-der-grube/


Zwangsmassnahmen – Verein will dem Grauen ein Gesicht geben
Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen – ein Verein beleuchtet ein Stück Schweizer Geschichte. 32 Betroffene erzählen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/zwangsmassnahmen-verein-will-dem-grauen-ein-gesicht-geben


Schweizer Kolonialgeschichte – Für Helvetia arbeiteten in Brasilien auch Sklaven
Die Foto-Ausstellung «Helvécia» im ethnografische Museum Genf zeigt eine vergessene Schweizer Kolonialgeschichte.
https://www.srf.ch/kultur/kunst/schweizer-kolonialgeschichte-fuer-helvetia-arbeiteten-in-brasilien-auch-sklaven