Medienspiegel 21. Oktober 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Urteil des Bundesgerichts: Ausschaffungshäftlinge müssen Zugang zum Internet erhalten
Gefängnisse müssen Ausschaffungshäftlingen  Zugang zum Internet gewähren. Das hat das Bundesgericht in einem Fall aus Moutier im Berner Jura entschieden.
https://www.derbund.ch/ausschaffungshaeftlinge-muessen-zugang-zum-internet-erhalten-500271928811
-> Urteil Bundesgericht: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://13-10-2022-2C_765-2022&lang=de&zoom=&type=show_document
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/direktzahlungen-berner-bauern-muessen-beitraege-zurueckzahlen?id=12273493 (ab 01:23)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/auf-dem-simplon-wird-jetzt-doch-keine-panzerpiste-gebaut?id=12273892 (ab 02:18)
-> https://www.watson.ch/schweiz/justiz/145257587-ausschaffungshaft-gefaengnis-muss-zugang-zu-internet-gewaehren


Asylwesen: Kanton eröffnet Anfang 2023 Asylunterkunft im Hotel Gurnigelbad
Der Bund und die Kantone erwarten in den kommenden Wochen und Monaten eine weitere Zunahme von Personen, die in der Schweiz ein Asylgesuch stellen werden. Bereits jetzt nehmen die Flüchtlingsströme aus verschiedenen Ländern stark zu. Die ankommenden Asylsuchenden werden für erste Abklärungen in den Bundesasylzentren registriert und versorgt. Anschliessend werden die Asylsuchenden den Kantonen zugewiesen. Der Kanton Bern rechnet diesen Winter mit über 1000 Personen, die zusätzlich zu den Geflüchteten aus der Ukraine untergebracht werden müssen. Der Kanton hat sich frühzeitig auf die Unterbringung einer steigenden Anzahl Menschen vorbereitet. Er verfolgt das Ziel, die Asylsuchenden und Geflüchteten möglichst in oberirdischen Unterkünften unterzubringen, daher sind auch Umnutzungen von Unterkünften angedacht, die für Geflüchtete aus der Ukraine bereitstehen.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=ef4bd0ca-844f-4b45-916a-39c200180121
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/auf-dem-simplon-wird-jetzt-doch-keine-panzerpiste-gebaut?id=12273892 (ab 03:01)
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/204231/
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/kanton-bern-eroeffnet-asylunterkunft-im-gurnigelbad-148452430



derbund.ch 21.10.2022

Altes Hotel wird umgenutztIm Gurnigelbad sollen Asylsuchende einziehen

Ab Anfang 2023 steht das ehemalige Hotel und Restaurant im Gantrischgebiet als Asylunterkunft zur Verfügung.

Alexandra Elia

Im leer stehenden Hotel-Restaurant Gurnigelbad soll ab Anfang 2023 eine Kollektivunterkunft für Asylsuchende betrieben werden. Das gab der Kanton Bern am Freitagnachmittag in einer Mitteilung bekannt.

Der Kanton Bern bereitet sich auf über 1000 Personen vor, die im kommenden Winter Asyl beantragen werden. Mit den Geflüchteten aus der Ukraine hat das aber nichts zu tun, wie Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion, auf Anfrage unterstreicht. Der Grund sei vielmehr der hohe Zustrom an Asylsuchenden aus verschiedenen Ländern, mit dem das Staatssekretariat für Migration in den nächsten Monaten rechne.

Entsprechend werden die Kantone angehalten, die Zahl ihrer Unterbringungsplätze zu erhöhen. «Wir klären momentan ab, wo wir Unterkünfte schaffen können», so Giebel, «wichtig ist, dass diese möglichst oberirdisch sind.»

Kanton trennt Asylsuchende und Ukrainer

Zu Beginn des nächsten Jahres sollen nun im ehemaligen Hotel und Restaurant Gurnigelbad bis zu 220 Plätze zur Verfügung stehen. Geplant ist der Betrieb vorerst für vier bis fünf Jahre. Das Gurnigelbad liegt in der Nähe von Rüti bei Riggisberg, von Bern bedeutet dies mit dem öffentlichen Verkehr eine ein- bis zweistündige Reise.

Warum wird eine Unterkunft in einem 400-Seelen-Dorf eingerichtet, wenn im Containerdorf Viererfeld in Bern derzeit lediglich rund 60 von 1000 Plätzen belegt sind? Gemäss Giebel wurde das Containerdorf für Personen mit Schutzstatus S – also Ukrainerinnen und Ukrainer – erstellt. Für sie gelten andere Rahmenbedingungen. «Wir wissen auch nicht, wie viele Personen noch aus der Ukraine kommen und wie sich die Fluchtbewegungen entwickeln werden», so Giebel. Der Kanton sei bereits auf der Suche nach zusätzlichen, geeigneten Objekten und bereite sich darauf vor, weitere Kollektivunterkünfte zu öffnen.

Für die Gemeinde Riggisberg bot sich eine gute Gelegenheit, die leer stehende Liegenschaft gemeinsam mit dem Eigentümer als Unterkunft anzubieten. Erste Gespräche mit dem Kanton hätten bereits Anfang dieses Jahres stattgefunden, teilt Gemeindepräsident Michael Bürki (SVP) mit.

Auf Widerstand besser vorbereitet

Die Liegenschaft ist im Besitz der Bernapark AG von Investor Hans-Ulrich Müller. Er hatte das Hotel ursprünglich erworben, um darin eine «sanfte Renovation» vorzunehmen und den Betrieb neu auszurichten. Nun aber wird das geräumte Hotelgebäude vorerst für andere Zwecke genutzt.

Die Unterbringung von Asylsuchenden stiess in der Bevölkerung der Gemeinde Riggisberg nicht immer nur auf Wohlwollen. Im Jahr 2014 wurden in einer Zivilschutzanlage und Truppenunterkunft vorübergehend 150 Plätze eingerichtet, was laut Gemeindepräsident Bürki teilweise Widerstand hervorgerufen habe.

Jetzt sei die Ausgangslage anders. «Damals wurde die Truppenunterkunft genutzt, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dorf befand», so Bürki. «Der Widerstand von damals ist auch auf gewisse kommunikative Fehler unsererseits zurückzuführen», sagt Bürki. Diesmal wollte man es anders machen und habe die Bevölkerung des Dorfes zuerst informiert.

Isolierte Lage hemmt Integrationsmöglichkeiten

Die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Umgebung des Gurnigelbads inmitten einer Waldlichtung dürften eingeschränkt sein. Für Martina Blaser, Leiterin Migration des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) Kanton Bern, ist die Lage für Integrationsmassnahmen nicht ideal. «Die isolierte Lage und die wenigen ÖV-Anbindungen sind objektiv keine gute Ausgangslage für die Integration», so Blaser. Das SRK wird die Kollektivunterkunft als regionale Partnerin des Kantons im Asylwesen leiten.

Wird eine Liegenschaft als Asylunterkunft genutzt, hat das Auswirkungen auch für die Gemeinde. Unter Umständen müssen zusätzliche Kinder eingeschult werden, was auch einen Zusatzaufwand bedeutet. Das SRK plant jeweils im Vorfeld von Eröffnungen Informationsanlässe, einen Tag der offenen Tür und runde Tische, um die Bevölkerung zu sensibilisieren.

Trotz der geografischen Distanz wird es deshalb Kontakte zum Dorf geben. «Die Asylsuchenden müssen sich selbst verpflegen und werden entsprechend in regelmässigen Abständen im Dorf einkaufen gehen», so Gemeindepräsident Bürki. Um eine gewisse Mobilität zu ermöglichen, will der Kanton spezielle Busverbindungen ins Dorf sicherstellen. Die Busse fahren voraussichtlich zweimal am Tag. Einmal ins Dorf, einmal aus dem Dorf.
https://www.derbund.ch/im-gurnigelbad-sollen-asylsuchende-einziehen-498014055610


+++BASEL
Bund schafft 100 weitere Plätze für Asylsuchende in Basel
Der Bund erweitert die Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende in Basel-Stadt. Grund dafür ist die steigende Zahl der Asylgesuche in der Schweiz.
https://telebasel.ch/2022/10/21/bund-schafft-100-weitere-plaetze-fuer-asylsuchende-in-basel/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%202&channel=105100
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/rente-fuer-politische-arbeit?id=12273484 (ab 02:40)
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/migration-unterbringungskapazitaeten-fuer-asylsuchende-in-basel-werden-erweitert-ld.2361547


+++LUZERN
luzernerzeitung.ch 21.10.2022

«Demütigungen und psychischer Druck»: Ukrainerinnen beklagen Missstände im Asylzentrum Marienburg

Bewohnerinnen der temporären Asylunterkunft Marienburg fühlen sich ungerecht behandelt und alleingelassen. Grünen-Kantonsrat Urban Frye verlangt Antworten von der Luzerner Regierung.

Simon Mathis

Markant thront das ehemalige Benediktinerinnenkloster Marienburg über der Gemeinde Wikon. Im März hat der Kanton es gemietet und zu einer temporären Asylunterkunft (TUK) für ukrainische Flüchtlinge gemacht. Zurzeit sind dort etwa 150 Personen einquartiert, bald werden es rund 200 sein. Nun stellt sich heraus, dass in der Marienburg Missmut herrscht: Ein Brief, der von 26 Betroffenen unterschrieben wurde und unserer Zeitung vorliegt, klagt diverse Missstände an.

Im Schreiben ist unter anderem die Rede davon, dass mit Geldbussen «psychischer Druck» auf die Bewohnenden ausgeübt werde. Personen, die ihren Pflichten nicht nachkämen, würde mit einer «Räumung» gedroht. Die Verwaltung weigere sich zudem, eine «Übersetzung der Dokumente ins Ukrainische bereitzustellen». Zudem sei es zu «wiederholten Demütigungen durch direkte und verbale Beleidigungen» gekommen. Im Brief heisst es: «Das ist eine Verstärkung des psychologischen Traumas, das viele Menschen erlitten haben, die Zeugen militärischer Aktionen waren und psychologische Hilfe, Rehabilitation und Erholung benötigen.»

In einem Dokument des Kantons vom Juli, das unserer Zeitung ebenfalls vorliegt, werden mögliche Sanktionen aufgelistet: Kürzung oder Einstellung der Sozialhilfe, Verweigerung der Ausgangsbewilligung oder von individuellem Wohnraum bis hin zu Hausverbot, «falls möglich mit einer vorübergehenden Umplatzierung». Das Dokument hält fest, dass die Kürzung der Sozialhilfe die sogenannte «Nothilfe» nicht beschneiden dürfe. Letztere sichert den Grundbetrag für den Lebensunterhalt, also Nahrung, Kleidung, Obdach und medizinische Versorgung. Laut kantonaler Asylverordnung liegt dieser Betrag bei 10 Franken pro Person und Tag.

Kanton weist Vorwürfe entschieden zurück

Die kantonale Dienstelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) hat Ende August auf die Fragen der Ukrainerinnen reagiert. Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass die DAF zuerst vor Ort Stellung nehmen wollte. Die Betroffenen wollten diese Versammlung per Video aufnehmen, einen Moderatoren einsetzen und die Veranstaltung in englischer Sprache durchführen. Darauf wollte die DAF nicht eingehen, weshalb die Stellungnahme schriftlich erfolgte. Im Dokument wird betont, dass sich die DAF sowie die Mitarbeitenden der TUK Wikon zu jeder Zeit «an die gesetzlichen Vorgaben» hielten: «Ihre Vorwürfe, wir würden willkürlich handeln und das Gesetz verletzen, weisen wir entschieden von uns.»

Der Asylstatus S bedeute «weder eine Gleichstellung mit der Schweizerischen Bevölkerung noch eine Besserstellung anderen Asylsuchenden gegenüber». Die DAF hält fest, dass die Amtssprache des Kantons Luzerns Deutsch sei. Es bestehe kein Anrecht darauf, dass die Behörden ihre Korrespondenz in einer anderen Sprache führen. Dass der Kanton Broschüren sowie einzelne Dokumente auf Ukrainisch übersetzt habe, sei ein «freiwilliges Entgegenkommen».

Die Betroffenen hätten sich unter den Schutz der Schweiz gestellt, was bedeute, «dass Sie die in der Schweiz geltenden Regeln und Gepflogenheiten akzeptieren und sich damit zurechtfinden müssen», heisst es weiter. Auf die Vorwürfe der Demütigungen und des psychischen Druckes nimmt die DAF im Schreiben keinen Bezug.

Frye kritisiert «kalte» Antwort der DAF

Aufmerksam auf die Situation wurde die Organisation ACT212, ein Beratungs- und Schulungszentrum gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung mit Sitz in Bern. «Die Situation in der Marienburg liegt nicht in unserer Kernkompetenz», erläutert Geschäftsführerin Irene Hirzel. Dennoch habe man die Betroffenen beraten. Hirzel hält fest, dass einzelne Massnahmen wie die Streichung von Sozialgelder «sehr fragwürdig» seien. «Es gibt überall einzelne Leute, welche die Situation der Flüchtlinge auszunutzen versuchen.» Es müsse unbedingt garantiert werden, dass es gar nicht erst zu solchen Situationen komme.

Gerne hätte unsere Zeitung mit den Betroffenen gesprochen. Sie fühlten sich jedoch nicht wohl dabei, ihre Geschichte vor der Presse auszubreiten. Ausführlich mit ihnen ausgetauscht hat sich allerdings Kantonsrat Urban Frye (Grüne). Er führt das ukrainische Kulturzentrum Prostir in Reussbühl und hat nun eine dringliche Anfrage zu den Luzerner Asylunterkünften eingereicht. Frye sagt: «Im Gespräch mit den Betroffenen habe ich deutlich gespürt, dass sie komplett verängstigt sind. Der Umgangston in der Marienburg scheint laut und alles andere als herzlich zu sein.»

Er glaubt, dass nicht nur die Bewohnenden gestresst sind, sondern auch das Personal der Asylunterkunft. Die Antwort der DAF nennt Frye «unzureichend und kalt». Das Hauptproblem sieht er in der psychischen Belastung, unter der die ukrainischen Flüchtlinge litten. Man müsse sich vor Augen führen, dass sie aus einem Kriegsgebiet kommen. «Mit etwas Empathie könnte man viele der Regeln erklären, die den Betroffenen nicht einleuchten.»

Im Vorstoss fordert Frye unter anderem, dass die Regierung die Vorwürfe von einer verwaltungsexternen Institution überprüfen lässt. Wegen des hängigen Vorstosses könne die DAF gegenwärtig keine Fragen beantworten, schreibt das Gesundheits- und Sozialdepartement auf Anfrage.

Mischung aus «Abgeschiedenheit und Überforderung»

Auch Nicola Neider ist zu Ohren gekommen, dass die Zustände in der Marienburg problematisch seien. Neider ist die Leiterin des Fachbereiches Migration und Integration der Katholischen Kirche Stadt Luzern. «Mir wurde von Freiwilligen berichtet, dass die Leute im Zentrum in der Marienburg eher unzufrieden sind», sagt sie. Die Atmosphäre sei offenbar schlecht. Ebenfalls erzählt wurde ihr, dass bestimmte Umgangsformen schikanierend seien. Von anderen Luzerner Zentren habe sie keine vergleichbaren Berichte gehört.

Sie hebt allerdings hervor, nie selber in der Marienburg gewesen zu sein, da diese nicht zum Einzugsbereich der Stadtkirche gehöre. Neider sagt: «Ich bin mir sicher, dass die meisten Beteiligten ihr Bestes geben. Aber zurzeit stösst das Asylwesen an seine Grenzen.»

In der Marienburg komme erschwerend hinzu, dass das Zentrum an einem abgeschiedenen Ort liegt. Die zivilgesellschaftliche Hilfsbereitschaft sei zwar auch im Umfeld der Marienburg gross. Aber in der Stadt Luzern sei die Dichte der Organisationen und Hilfestellungen wesentlich höher. Sie geht davon aus, dass die Mischung aus Abgeschiedenheit und Überforderung für die Situation in Wikon verantwortlich sei.

Ein Bonus-Malus-System bei der Ausrichtung der Asyl-Sozialhilfe gehöre bei allen Schweizer Asylzentren zur Tagesordnung und sei gesetzlich abgesichert, sagt Neider. «Und leider auch, dass nicht alle wichtigen Dokumente übersetzt werden.» Eine externe Untersuchung würde Neider begrüssen: «Sie würde Klarheit schaffen – für alle Betroffenen, aber auch für die Betreuerinnen und Betreuer.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/wikon-demuetigungen-und-psychischer-druck-ukrainerinnen-beklagen-missstaende-im-asylzentrum-marienburg-ld.2360721)

-> https://www.zentralplus.ch/gesellschaft/gruene-kritisieren-zustaende-in-asylunterkunft-wikon-2474573/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/willkuer-und-psychischer-druck-in-der-asylunterkunft?id=12273517
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/gefluechtete-in-wikon-beschweren-sich-beim-kanton-148455977


+++SCHWEIZ
Sicherere Fluchtwege? Kritik an SEM-Analyse
Flüchtende sicherer und schneller in die Schweiz aufzunehmen: Dafür haben sich in den letzten Jahren verschiedene Schweizer Organisationen und Gemeinden der Schweiz stark gemacht. Gefordert werden sogenannte komplementäre Zugangswege zur Schweiz. Es handelt sich dabei um sichere und geregelte Wege für die Aufnahme Geflüchteter. Das Staatssekretariat für Migration, kurz SEM, hat dazu eine Analyse in Auftrag gegeben, und kam dabei zu einem positiven Fazit: Die zur Verfügung stehenden Mittel wie Resettlement-Programme, das humanitäre Visum oder der Familiennachzug würden gut angewendet.
https://rabe.ch/2022/10/21/sicherere-fluchtwege-kritik-an-sem-analyse/


+++ÖSTERREICH
Österreich bringt Migranten in Zelten unter – Tagesschau
An der österreichischen Ostgrenze werden täglich mehrere hundert Flüchtlinge aufgegriffen. Weil es nicht genügend Unterkünfte gibt, lässt Österreich Zelte aufbauen. Dagegen gibt es Widerstand in den betroffenen Dörfern.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/oesterreich-bringt-migranten-in-zelten-unter?urn=urn:srf:video:5acd0283-6140-4077-ab4f-33ae4ef3f72c
-> https://www.blick.ch/politik/hohe-zahl-an-migranten-wird-zur-herausforderung-in-oesterreich-muessen-sie-campieren-id17983200.html
-> https://www.srf.ch/news/international/konflikt-in-oesterreich-fluechtlingszelte-sorgen-in-oesterreich-fuer-unmut
-> https://www.blick.ch/politik/hohe-zahl-an-migranten-wird-zur-herausforderung-in-oesterreich-muessen-sie-campieren-id17983200.html


+++MITTELMEER
Ärzte ohne Grenzen darf 300 gerettete Migranten nach Italien bringen
Bei mehreren Einsätzen haben Helfer fast 300 Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet. Nach tagelangem Warten dürfen die Geflüchteten in Süditalien an Land.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-10/migration-fluechtlinge-mittelmeer-italien-aerzte-ohne-grenzen
-> https://taz.de/Geo-Barents-rettet-Menschen-in-Seenot/!5889847/


Yet another tragedy of the coast of Zarzis: the search for truth and justice
The Mediterranean Sea has returned the bodies of the victims of the shipwreck of a boat which left from Zarzis, in the South of Tunisia, in mid-September. The families of the citizens of the city demand dignity for all, practical engagement from the authorities in the search for the remaining bodies missing at sea and for justice to be done.
https://alarmphone.org/en/2022/10/20/yet-another-tragedy-of-the-coast-of-zarzis


+++EUROPA
«Solidarität gibt Kraft»
Am 15.Oktober fanden vor etlichen italienischen Konsulaten und im Lande selbst Proteste statt. Der Fokus lag auf dem unmenschlichen Memorandum zwischen Italien und Libyen, welches für Menschen auf der Flucht einem Todesurteil gleichkommt. Doch es regt sich Widerstand.
https://www.vorwaerts.ch/inland/solidaritaet-gibt-kraft/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
derbund.ch 21.10.2022

Antifa in Bern: Berns berüchtigtste Demo ist zurück

Am Samstag kommt es zur Neuauflage des antifaschistischen Abendspaziergangs. Glaubt man jenen, die dazu aufrufen, soll sich einiges ändern – aber nicht alles.

Cedric Fröhlich

Bern, 1. April 2006. Über der Stadt kreist ein Helikopter der Armee. In den Gassen fliegen Steine, Schachtdeckel und Gummischrot. Die 7. Auflage des antifaschistischen Abendspaziergangs mündet im Fiasko.

72 Festnahmen. Sachschäden von über 100’000 Franken. Dazu Feuer, Scherben und ein zementierter Ruf. Der Kampf gegen alles Faschistoide, er war höchstens noch verschwommen erkennbar, irgendwo zwischen Rauch und Tränengasschwaden. Ging unter in den anschliessenden Debatten über «Saubannerzüge» und «linkes Chaotentum».

Kaum eine Demo hat das Bild von linken Kundgebungen in der Bundesstadt so geprägt wie der antifaschistische Abendspaziergang. Keine brachte Lokalpolitikerinnen, Restaurantbetreiber und Stadtbewohner so zuverlässig gegen sich auf. Dabei endete nicht jeder Spaziergang im Ausnahmezustand.

An diesem Abend gingen in Bern denn auch nicht nur die Schaufenster zu Bruch. Sondern irgendwie auch das Verständnis, das diese linke Stadt für diese sehr linke Demo übrig hatte. 2015 fand die Kundgebung zum bislang letzten Mal statt – 1000 Beamte verhinderten den Aufmarsch auf Geheiss der Stadtregierung.

Wer sich in der autonomen Szene umhört, erfährt, dass in den Anfängen hehre Absichten standen. Und nicht zuletzt auch innere Konflikte zur Gewalt an Abenden wie dem 1. April 2006 führten.

Jetzt schickt sich eine jüngere Generation von Autonomen an, die Kundgebung wiederzubeleben. Am Samstag wollen sie durch Bern ziehen.

Schweres Erbe

Eine Beiz, unweit der Strassenzüge, in denen die Unruhen 16 Jahre zuvor am heftigsten tobten. Drei junge Menschen haben um ein Gespräch gebeten. Sie organisieren die Kundgebung mit. Das ist ungewöhnlich, weil «die Medien» und «die Antifa» sich für gewöhnlich im Minimum argwöhnisch begegnen. Wir wollen die drei Lilo, Peter und Emre nennen und fragen: Wie wird das am Samstag?

«Wir wollen uns lösen vom ‹klassischen› Bild der Antifa», sagt Lilo. Sie meint damit in erster Linie das Bild der schwarz gekleideten, vermummten Menge. Einer Menge, die auf Aussenstehende bedrohlich wirkt.

Dieser neue antifaschistische Spaziergang soll laut Lilo «anschlussfähiger» werden, offener, diverser. Eine Demo für alle, die dem «Erstarken der reaktionären Kräfte im In- und Ausland» etwas entgegensetzen wollten, sagt Lilo.

Peter spricht von den Wahlen in Schweden und Italien, von rechten bis rechtsextremen Ideen, die wieder einsickerten in die Mehrheitsgesellschaft. Dazu: Energiekrise, Corona und Inflation – der Nährboden sei ausgelegt. Reaktionäres Gedankengut biete simple Lösungen für hochkomplexe Probleme. «Unsere Aufgabe ist es, diese Mechanismen zu erklären.»

Zum Klischee der Antifa gehört, dass es die Antifa als homogene Bewegung nicht gibt. Namentlich in den USA deuteten Donald Trump und seine Haussender die Antifa um zu einer Art Kampfbegriff, einer staatsbedrohenden Organisation. Der Wahrheit näher kommt, wer die Bewegung als Mix versteht: aus Anarchistinnen, Punks, Antikapitalisten und ja, auch militanten Kräften.

Lilo sagt es so: «Es gibt dieses sehr bürgerliche Bild der Antifa als Prügeltruppe. Nur entspricht es nicht unserer Realität.» Der Antifaschismus sei in erster Linie eine Haltung, die sich sehr unterschiedlich ausdrücke. «Unser Ziel ist es, diesem Klischee eine bunte, offene Demo entgegenzusetzen.»

Emre ergänzt: «Wenn am Ende 500 Menschen auftauchen und 400 davon vermummt sind, dann haben wir unser Ziel nicht erreicht.»

Nazis in der Bahnhofpassage

Die Anfänge des antifaschistischen Abendspaziergangs gehen zurück auf die späten 1990er-Jahre. Als die Kneipen im Bahnhof noch «Stilbruch» und «Brasserie» hiessen und in denen mitunter rechtsextremes Publikum verkehrte.

«Nazis passten Menschen mit Migrationshintergrund und Linken am Bahnhof ab», erzählt ein linker Insider, ein Mann um Mitte 40, über diese Zeiten. «Wir wollten die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen: ‹Hey, wir kommen nicht mal mehr heil nach Hause.›»

Über die Jahre veränderte sich die Gemengelage auf Berns Strassen – die offene Neonazi-Szene verschwand aus der Stadt. Der Spaziergang transportierte nicht mehr nur die Kernbotschaft: Keinen Fussbreit dem Faschismus. Er richtete sich verstärkt gegen den Kapitalismus, den Staat, das System. Es habe in der Folge immer häufiger Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bewegung gegeben, so der Insider, der die Umzüge einst als Mitglied des «Bündnisses Alle gegen rechts» mitorganisiert hatte. «Darüber, was dieser Anlass eigentlich ist.»

Die einen wollten agitieren, andere eine Hauswand vollsprayen und wieder andere politische Pamphlete auf die Strassen tragen. «Die Flügelkämpfe haben der Bewegung geschadet.» Und hätten letztlich auch in die Strassenschlachten vom Abend des 1. April 2006 geführt. «Für uns war das ein Desaster», so der Insider.

Die Demo am kommenden Samstag tritt ein umstrittenes Erbe an, der Alt-Autonome aber glaubt: «Die neuen Organisatoren machen auf mich keinen unvernünftigen Eindruck.»

Unbewilligt – und jetzt?

Auf einen «sicherheitsmässig heiklen» Abend stellt sich derweil Reto Nause ein. Weil am Samstag auf dem Bundesplatz auch die traditionelle Licht-Show «Rendez-vous» beginnt, droht es eng zu werden im öffentlichen Raum.

Mitte-Politiker Nause ist seit 2009 Stadtberner Sicherheitsdirektor – und kraft seines Amtes Reizfigur in autonomen Kreisen. Festmachen lässt sich das an folgender Tatsache: Die Organisatoren stellen sich auf den Standpunkt, dass es keiner staatlichen Erlaubnis für die Ausübung der Versammlungsfreiheit bedarf. Nause repräsentiert ebendiesen Staat sowie dessen geltende Regeln – zu denen die Bewilligungspraxis der Stadt Bern zählt.

Im Rahmen eines Proseminars an der Juristischen Fakultät der Uni Bern liesse sich vorzüglich darüber streiten. Auf der Strasse macht es die Dinge kompliziert: Welche Route schlägt die unbewilligte Demo ein? Endet sie womöglich bereits auf dem Bahnhofplatz?

Ob und durch welche Gassen die Sicherheitskräfte den Spaziergang «laufen lassen», lässt Reto Nause offen. Nur so viel: Er rechne mit einem grösseren Anlass. Und: «Gewalt können wir nicht tolerieren.»

Die Kantonspolizei lässt über ihre Medienstelle ausrichten, dass man mit einem Aufgebot präsent sein wird. Anders als in anderen Jahren sollen die Wachen im Kanton aber offen bleiben. Ebenso wenig sei Hilfe von ausserkantonalen Polizeikorps beantragt worden.

Das war auch schon anders – etwa am 1. April 2006.
(https://www.derbund.ch/berns-beruechtigtste-demo-ist-zurueck-706285945372)
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/antifa-zieht-am-samstag-durch-bern-was-kommt-auf-die-stadt-zu-148450941



Fleischbranche ist überrascht: Jungpolitiker sucht Markenschutz für den Cervelat
Lukas Paul Spichiger will den Cervelat markenrechtlich schützen lassen. Der oberste Metzger der Schweiz hofft, dass das nicht möglich ist.
https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/jungpolitiker-sucht-markenschutz-fur-den-cervelat-540372
-> https://www.blick.ch/politik/nationalwurst-in-gefahr-juso-will-cervelat-als-marke-schuetzen-lassen-id17982120.html
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/cervelats-was-will-ein-solothurner-juso-politiker-mit-dem-markenschutz-148455072
-> https://www.telem1.ch/aktuell/cervelats-was-will-ein-solothurner-juso-politiker-mit-dem-markenschutz-148454854
-> https://www.20min.ch/story/solothurner-jungpolitiker-will-sich-rechte-an-cervelat-schnappen-229719545246
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/es-geht-um-die-wurst-juso-politiker-will-den-begriff-cervelat-markenrechtlich-fuer-sich-schuetzen-lassen-partei-betont-es-handle-sich-um-eine-one-man-show-ld.2361925


Wer ist Renovate Switzerland? – Echo der Zeit
Sie kleben sich auf Schweizer Strassen fest und setzen sich damit bewusst den wütenden Autofahrerinnen und Autofahrern in den Weg. In den letzten Wochen haben die Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe Renovate Switzerland mit mehreren solchen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Wer steckt hinter Renovate Switzerland, und was fordern sie?
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/wer-ist-renovate-switzerland?partId=12273916


+++KNAST
Schafft den Knast ab
»Abolitionismus« – ein Reader bietet Alternativen zum fatalen Strafsystem
Masseninhaftierungen senken die Kriminalitätsrate nicht, wie das Beispiel überfüllter Gefängnisse in den USA zeigt. Im Knast ist eine Resozialisierung nicht möglich, wie Daniel Loick und Vanessa E. Thompson nachweisen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1167883.literaturbeilage-zur-frankfurter-buchmesse-schafft-den-knast-ab.html


+++BIG BROTHER
Iranischer Geheimdienst vermehrt in der Schweiz aktiv – 10vor10
In der Schweiz lebende Iranerinnen und Iraner, die sich öffentlich politisch äussern, werden vom Geheimdienst der islamischen Republik vermehrt bedroht und eingeschüchtert. Laut Recherchen von «SRF Investigativ» nehmen Spionagetätigkeiten des Irans in der Schweiz zu. Drei Betroffene erzählen.
https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/iranischer-geheimdienst-vermehrt-in-der-schweiz-aktiv?urn=urn:srf:video:c4759643-b534-43c0-9634-ba0bd7bc3047


+++POLICE BE
Kanton Bern: Wettkampf der Sondereinheiten
Diese Woche hat im Kanton Bern ein internationaler Vergleichswettkampf von verschiedenen Sondereinheiten stattgefunden. Der Sieg ging dabei an die GSG 9 der deutschen Bundespolizei. Organisiert wurde der Anlass von der Kantonspolizei Bern.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=0f027326-2af2-4d2b-9369-7e291565e42f


+++RECHTSEXTREMISMUS
Beim Namen nennen!
Soll ein rechtsradikaler Fanatiker, der einen jungen Mann mit einem Messer niedersticht und sich ein Attentat mit einer möglichst hohen Opferzahl zutraut, geschützt werden? Dies, weil er aus «gutem Haus» kommt und seine Eltern bekannt sind? Die Justiz sagt Ja, und tut vieles dafür. Wir sagen Nein.
https://www.vorwaerts.ch/inland/beim-namen-nennen/


Faschist*innen die Anonymität verweigern!
Da war er plötzlich nicht mehr unerkannt, der Faschist, der mir da im Zug gegenüber sass. So ganz ohne Glatze, mit dem Unterleibchen und den kurzen Hosen wäre er mir in der S-Bahn auch gar nicht aufgefallen.
https://www.vorwaerts.ch/inland/faschistinnen-die-anonymitaet-verweigern/


«Reichsbürger» werden in Baselland aktiv – Landeskanzlei reicht Anzeige ein
Der Kanton Baselland sei heimlich privatisiert worden, heisst es auf einer Website von sogenannten Reichsbürgern. Weil sie das Kantonslogo verwenden, hat sich die Landeskanzlei eingeschaltet. Gemeinden werden derweil mit kruden Briefen eingedeckt.
https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/verschwoerungstheorie-reichsbuerger-werden-in-baselland-aktiv-landeskanzlei-reicht-anzeige-ein-ld.2361805


Neonazis stürmten Dragqueen-Lesestunde für Kinder: «Ich war extrem schockiert, dass so etwas mitten in Zürich passiert»
Die Neonazi-Gruppe «Junge Tat» störte am Wochenende eine Vorlesung von Dragqueens für Kinder im Zürcher Tanzhaus. Die Rechtsradikalen hätten sich zuvor unter das Publikum gemischt, heisst es.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuerich-neonazis-stuermten-dragqueen-lesestunde-fuer-kinder-ld.2361521



tagesanzeiger.ch 21.10.2022

Kommentar zu Angriff auf Kinder-Event: Alle brüllen gegen «woke» – aber wo bleibt der Aufschrei, wenn Nazis auftreten?

Neonazis störten in Zürich eine Veranstaltung für Kinder. Die Empörung darüber blieb aus. Das darf nicht sein.

Andreas Tobler

Als am vergangenen Sonntag eine Gruppe Neonazis mit ihren Parolen und Fackeln einen Kindernachmittag im Zürcher Tanzhaus störte, blieb die Empörung aus. Zwar erschienen Berichte im «Tages-Anzeiger» und in der NZZ. Aber es gab keinen Aufschrei. Und dies, obwohl der Angriff sich gegen eine Veranstaltung für 3- bis 10-Jährige richtete. Obwohl die Neonazi-Gruppe auf Telegram eine Gefolgschaft von 6000 Leuten hat. Und obwohl die Gruppierung bereits früher Veranstaltungen störte. Darunter einen Gottesdienst.

Ganz anders war das, als im Juli in einer linken Beiz in Bern das Konzert einer Reggae-Band nach einer Pause abgebrochen wurde. Wegen kultureller Aneignung, wie es heisst.

Von «Woke-Wahnsinn» war nach dem Konzertabbruch die Rede. Einige fürchteten um die Meinungsfreiheit. Nach dem Vorfall im Tanzhaus blieb die Empörung aus. In Leserkommentaren hiess es, Nazis seien zwar nicht in Ordnung, aber die Indoktrinierung von Kindern sei es ebenfalls nicht.
Im Zürcher Tanzhaus findet die Veranstaltungsreihe «Drag Story Time» statt.

Das ist der Vorwurf, der von einigen gegen das Tanzhaus erhoben wird: Hier würden Kinder indoktriniert. Denn im Tanzhaus werden die Kindergeschichten von Dragqueens vorgelesen. Die «Drag Story Time» solle die «Vielfalt der Geschlechter» aufzeigen und dafür sensibilisieren, heisst es dazu auf der Website. «Aktivistische Ideologen» würden heutzutage vor nichts zurückschrecken, auch nicht vor Kindern, kommentierte die «Weltwoche» die Veranstaltung.

Wahrscheinlich gibt es kein einziges Kinderbuch, das nicht für Offenheit und Toleranz wirbt – und deshalb in irgendeiner Form politisch ist. Wer aber in einem Atemzug sagt, Nazis und identitätspolitische Anliegen seien beide nicht in Ordnung, nimmt in Kauf, dass Faschisten und Plädoyers für Offenheit und Toleranz auf eine Stufe gestellt werden. Das ist absurd.

Selbstverständlich darf man identitätspolitische Anliegen kritisieren. Und es soll eine Diskussion darüber geführt werden können. Bloss verhindert dies oft die Empörungsbewirtschaftung von Politikern und Medien. Mit Nazis hingegen muss man über gar nichts diskutieren. Nazis haben nie recht.
(https://www.tagesanzeiger.ch/alle-bruellen-gegen-woke-aber-wo-bleibt-der-aufschrei-wenn-nazis-auftreten-723321672742)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Streit in Querdenker-Szene: Göttinger Rechtsanwalt aus „Corona-Ausschuss“ verbannt
In der Querdenker-Szene brodelt es. Ein Göttinger Rechtsanwalt wird aus dem „Corona-Ausschuss“ verbannt, da er Spendengelder veruntreut haben soll.
https://www.hna.de/lokales/goettingen/goettingen-ort28741/goettingen-streit-querdenker-szene-rechtsanwalt-verbannt-corona-ausschuss-91863592.html


Gefährliche Traumatherapien lösten falsche Erinnerungen aus: Gabriella Hagger wurde von ihrer Tochter des rituellen Kindesmissbrauchs bezichtigt
Babytötungen, Badewannen voller Blut, Massenvergewaltigungen: Mit diesen heftigen Vorwürfen sah sich Gabriella Hagger konfrontiert. Ihrer Tochter wurden in einer Therapie falsche Erinnerungen eingeredet: Erinnerungen an ritualisierte Gewalt, die nie stattgefunden hat.
https://www.blick.ch/video/specials/gefaehrliche-traumatherapien-loesten-falsche-erinnerungen-aus-gabriella-hagger-wurde-von-ihrer-tochter-des-rituellen-kindesmissbrauchs-bezichtigt-id17959334.html


+++HISTORY
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen: Betroffene von früher wollen ihre Geschichte aufarbeiten – auch im Baselbiet (ab 06:42)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/regierungswahlen-evp-tritt-mit-thomi-jourdan-an?id=12273805


+++GASSE
derbund.ch 21.10.2022

Lärmklagen und Polizeieinsätze: Die Parallelwelt am Rande der Lorraine

«Wenn du Probleme hast, ziehe dorthin», sagt ein Bewohner über den Wohnblock am Randweg 21 in Bern. Diese Ausgangslage sorgt für Konflikte im Quartier.

Simone Klemenz, Michael Bucher

Einladend sieht er nicht gerade aus, der Wohnblock am Randweg 21 im Berner Lorrainequartier. Auf dem Vorplatz liegen Zigarettenstummel, leere Flaschen stecken in einem Hochbeet, und an der Betonfassade sind zahlreiche Graffiti angebracht. Der etwas heruntergekommene Betonblock geniesst seit Jahren einen zweifelhaften Ruf. Jüngst fing es im Quartier wieder an zu brodeln. Es geht um überbordende junge Leute, lärmgeplagte Nachbarn und im weitesten Sinne um Gentrifizierung.

In eine der Parterrewohnungen ist im Frühjahr ein Mann eingezogen und mit ihm weitere junge Erwachsene, die stundenlang auf dem Vorplatz laute Musik hören, sich betrinken und Wände besprayen. Es kommt teils auch zu Schlägereien. Oder Nachbarn werden bedroht. So schildern es Anwohnende, die nicht namentlich genannt werden wollen. «Die Männer belasten das ganze Quartier», so eine betroffene Person. «Die Situation ist unzumutbar geworden.»

Immer wieder wurde die Polizei gerufen. Diese bestätigt die Einsätze vor Ort. Da aber keine strafbaren Handlungen hätten festgestellt werden können, sei es bisher zu keinen Festnahmen gekommen. Anwohnende haben auch die zuständige Verwaltung mehrmals kontaktiert, was wiederum darin endete, dass sie an die Polizei verwiesen wurden.

Die Geschichte wiederholt sich

Als einzigen Ausweg sieht eine der befragten Personen nur noch einen Umzug. Und nicht nur sie: In der direkten Nachbarschaft sind zwei weitere Anwohner auf Wohnungssuche. Der Grund: «Als es im Frühjahr wieder lärmig wurde, kamen Erinnerungen hoch», erklärt eine Ausziehende aus dem Nebenhaus, die ebenfalls anonym bleiben will.

Schon vor ein paar Jahren hatte sich am Randweg Vergleichbares abgespielt. Auch damals sei die Situation «sehr schwierig» gewesen. Eine Gruppe junger Männer ging in derselben Parterrewohnung ein und aus, belastete das Quartier mit Lärm, es kam zu gewalttätigen Szenen. Ähnlich wie jetzt scharten sich die Männer um eine Figur: «Der Rebellenführer J war ein Chamäleon – war mal Diplomat, mal Erzieher, mal am Schlichten, mal selber völlig am Ausrasten. Er glaubte an diese kaputten Menschen, die hier verkehrten, die er zu sich einlud.» So beschrieb es damals ein Moderator von Radio Rabe, dessen Studio ebenfalls im Block untergebracht ist, im Blog KulturStattBern.

Die Geschichte des «Rebellenführers» mündete nach zahlreichen Polizeieinsätzen in einer Wohnungskündigung, die er aber nicht akzeptierte. Es kam zum Prozess, erst Monate später war die Wohnung wieder frei. Danach wurde es am Randweg ruhiger. Bis vor ein paar Monaten.

Jugendliche ausser Kontrolle, Polizeieinsätze, flüchtende Nachbarn: Was ist da los, in diesem etwas im Verborgenen gelegenen Winkel der Lorraine?

«Wir leben hier in einer eigenen Welt»

Wer die Liegenschaft am Randweg 21 betritt, findet sich in einer Parallelwelt wieder. Die Namen bei den Türklingeln sind teils handgeschrieben. Ausländische Namen dominieren. Bei Gesprächen wird bald einmal in die englische Sprache gewechselt. «Seid ihr von der Polizei?», das ist eine Frage, die die Journalistin und der Journalist gleich mehrmals gestellt bekommen.

Im Bereich des Hauseinganges ist eine blaue Linie auf den Boden gemalt. Dahinter sitzt ein junger Mann aus Eritrea auf einem Stuhl und schlürft Capri-Sun. Die Trennlinie gelte ihm, sagt er und krempelt sein Hosenbein hoch. Zum Vorschein kommt eine elektronische Fussfessel. Zwei Jahre Gefängnis habe er nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung gekriegt, eines davon abgesessen. Den Rest kann er im Hausarrest verbüssen. Die blaue Linie darf er nur für zuvor vereinbarte Termine wie Arbeit, Einkauf oder Fitness überqueren.

Der vorläufig aufgenommene Eritreer sucht derzeit eine neue Bleibe. Zu laut sei es in letzter Zeit vor dem Block, sagt auch er. Ein Mann aus Kamerun, der seit zehn Jahren dort wohnt, sucht nach Erklärungen: «Viele haben keine Arbeit, sind gestresst und brauchen jeweils etwas Ablenkung.

Der angebliche Rädelsführer der abendlichen Gelage ist nicht da. Er verweile derzeit im Ausland. Das teilt sein Cousin, der währenddessen die Wohnung hütet, mit. Er bestätigt, dass es zu Lärmklagen aus der Nachbarschaft gekommen ist. «Wir schauen, dass es besser wird», versichert er. Der Mann ist um die 20, freundlich und trägt einen grossen Hoodie. Er und sein Cousin haben somalische Wurzeln; das treffe auch auf viele andere der Gruppe zu, die sich regelmässig auf dem Vorplatz versammle. «Viele von uns leben schon lange in der Lorraine», sagt er. Sein Cousin, der trotz mehrmaligen Kontaktversuchen nicht erreichbar ist, besitze den Schweizer Pass.

«Ich fühle mich wohl in dem Block, ich treffe hier auf Leute wie mich.» Das sagt ein Mann aus Tibet, er lebt schon neun Jahre am Randweg 21. «Klar, ein paar Leute sind etwas verrückt. Aber alle verrückten Leute ziehen in die Lorraine», sagt er und lacht. Der Block am Randweg sei weitum bekannt. «Wenn du Probleme hast, ziehe dorthin» – das würden einem selbst Leute in Bümpliz und Ostermundigen raten. Den Eindruck von aussen bestätigt er, wenn er sagt: «Wir leben hier in einer eigenen Welt.»

Der Mann ist derzeit arbeitslos. In der Vergangenheit habe er diverse Jobs gehabt, etwa als Maler oder im Service. Er wohnt in einer Einzimmerwohnung. 800 Franken zahlt er pro Monat. Es ist eine jener Wohnungen, die wohl viele schon mal betrachtet haben. Etwa wenn sie im Zug sitzen, der bloss im Abstand von wenigen Metern an den Zimmern vorbeifährt, und sich fragen, wer dort wohl wohnen mag.

Sanierung steht bevor

Vor Ort zeigt sich: Innerhalb weniger Meter prallen am Randweg Welten aufeinander. Die Reibungen haben sich akzentuiert, seit eine Nachbarliegenschaft vor fünf Jahren gesamtsaniert wurde. In die grösseren und teureren Wohnungen zog dementsprechend eine gehobenere Mieterschaft ein. «Davor war es dort auch laut und wild», meint der Mann aus Tibet.

Alteingesessene Leute, die nach einer Aufwertung aus dem Quartier vertrieben und durch wohlhabendere Mieter ersetzt werden – in der Lorraine ist diese Tendenz beziehungsweise der Kampf dagegen besonders akut. Die Gentrifizierung, wie das Phänomen genannt wird, gehört daher zum Alltag von Julia Rogger. Die Quartierarbeiterin versucht, zwischen den verschiedenen Welten zu vermitteln.

Sie habe in den letzten Monaten viele Rückmeldungen von Anwohnenden erhalten, die sich aufgrund der Partys und der Schlägereien nicht mehr sicher fühlten. Durch die Lärmbelästigungen sei deren Alltag sehr schwierig geworden. Auch für die Familien, die in dem «Problemblock» wohnten, sei die Situation belastend: «Aber wer sich bereits in einer prekären Situation befindet, ist zurückhaltender, sich bei der Verwaltung zu melden.»

Randweg-Bewohner plagen aber auch andere Ängste. «Sie befürchten, dass auch ihre Liegenschaft saniert wird und sie sich die Wohnungen nicht mehr leisten können», sagt die Quartierarbeiterin. Unbegründet ist diese Annahme nicht. Auf Anfrage bestätigt die verantwortliche Verwaltung Privera, dass die Tellco-Anlagestiftung als Eigentümerin beabsichtige, Geld in die Liegenschaft zu investieren. In welchem Umfang, sei aber noch nicht bekannt. Wenn dies nicht die Mieten explodieren lasse und so die Bewohnenden vertreibe, heisse sie die durchaus nötigen Sanierungsarbeiten gut, sagt Rogger dazu.

Private Security wird zur Option

Der Liegenschaftsverwalterin Privera sind die Probleme im Quartier bekannt. Nicht zuletzt, weil sich diesbezüglich auch die Verwaltung des renovierten Nachbarhauses laufend bei ihr meldet. Man habe durchaus gehandelt: «Der beschuldigte Mann wurde von uns kontaktiert und bereits zweimal schriftlich abgemahnt», sagt Mediensprecherin Alisha Held auf Anfrage. Aufgrund mangelnder Beweislage seien solche Situationen immer schwierig. Bessere sich die Situation nicht, so erwäge man aber eine Kündigung. Zudem ist die Verwaltung dabei, Kontrollgänge einer privaten Sicherheitsfirma zu prüfen und zu koordinieren.

Ob diese die Situation entschärfen können, wird sich zeigen. Fakt ist: Für die ausziehenden Anwohnerinnen und Anwohner kommt diese Massnahme zu spät. «Wir haben uns geschworen zu gehen, sollten der Lärm und die Auseinandersetzungen zurückkehren», sagt eine der Anwohnerinnen. Gerade wird ihre Wohnung von einem Reinigungsinstitut geputzt. Danach ist Schlüsselübergabe und das Kapitel Lorraine nach über acht Jahren abgeschlossen. Sie gehe mit Wehmut, sagt sie abschliessend.
(https://www.bernerzeitung.ch/die-parallelwelt-am-rande-der-lorraine-431872883466)