Medienspiegel 17. Oktober 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++GRAUBÜNDEN
Ukraine-Krieg: Besuch bei einer Geflüchteten (ab 04:35)
https://www.suedostschweiz.ch/sendungen/rondo-news/rondo-news-17-10-22


+++LUZERN
200 Asylbewerber werden bald auf dem Waffenplatz Emmen untergebracht
Die Asylzahlen steigen derzeit wieder rasch an. Der Bund rüstet dazu auf dem Waffenplatz Emmen die Mehrzweckhalle zu einer Unterkunft um.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/emmen-200-asylbewerber-ziehen-bald-auf-den-waffenplatz-emmen-ld.2359798


+++ÖSTERREICH
Waldhäusl: Keine Zelte und zusätzlichen Quartiere für Asylwerber in Niederösterreich
Die Aufnahmequote sei de facto erfüllt, Bevölkerung und finanzielle Mittel des Landes nicht weiter belastbar, behauptet der Landesrat. In der Steiermark sind ebenfalls keine Zelte geplant
https://www.derstandard.at/story/2000140038877/waldhaeusl-keine-zelte-und-zusaetzliche-quartiere-fuer-asylwerber-in-niederoesterreich?ref=rss


Erste Zelte für Geflüchtete könnten zu Autobahnblockade führen
Für den Nationalfeiertag wurden in Oberösterreich Protestmaßnahmen angekündigt. In Tirol sucht man nach Alternativen zu den Zelten
https://www.derstandard.at/story/2000140038877/erste-zelte-fuer-gefluechtete-koennten-zu-autobahn-blockade-fuehren?ref=rss


+++GRIECHENLAND
Rätsel um nackte Migranten – Rendez-vous
Griechenland wirft der Türkei vor, sie habe 92 Männer ohne Kleider und Gepäck über den Grenzfluss Evros gejagt. SRF-Faktenchecker kommen zum Schluss, dass es einen solchen Vorfall tatsächlich gab. Die Türkei dementiert und sagt, die griechische Polizei habe die Migranten ausgezogen und geschlagen. Wer sagt die Wahrheit?
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/raetsel-um-nackte-migranten?partId=12270757
-> https://www.spiegel.de/ausland/griechenland-tuerkei-frontex-bestaetigt-vorfall-mit-dutzenden-nackten-migranten-a-ca907792-ee3a-43cc-a7a2-c208705f1d4a
-> https://www.nau.ch/news/europa/frontex-bestatigt-grenzzwischenfall-mit-nackten-migranten-66307041
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/frontex-bestaetigt-migranten-wurden-nackt-ueber-grenze-getrieben,TKVtVyn
-> https://www.srf.ch/news/international/migration-in-die-eu-wer-ist-fuer-den-skandal-am-evros-verantwortlich


Pushbacks als Regelfall
Unter den Augen der EU-Grenzschutzagentur Frontex verletzte Griechenland systematisch die Menschenrechte Asylsuchender
Der Rücktritt des Frontex-Direktors im Frühjahr 2022 war nur die längst überfällige Konsequenz einer aus dem Ruder gelaufenen Grenzpolitik der EU.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1167766.pushbacks-in-der-aegaeis-pushbacks-als-regelfall.html


+++MITTELMEER
Mittelmeer: Ärzte ohne Grenzen rettet mehr als 200 Migranten aus Seenot
Die Menschenrechtsorganisation berichtet von mehreren Einsätzen innerhalb weniger Tage. Viele der Flüchtlinge sind minderjährig, einige hätten Verletzungen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-10/mittelmeer-fluechtlinge-seenot-rettung-libyen-aerzte-ohne-grenzenn


+++EUROPA
Projekt von Sea-Watch: Eine App für das Recht auf Asyl
Das Projekt „Claim Asylum EU“ soll Menschen helfen, die in der Europäischen Union Schutz suchen. Nötig ist dies, weil die Grenzbehörden an den EU-Außengrenzen massenhaft internationales Recht brechen. Ein Interview mit Mareike Ippen.
https://netzpolitik.org/2022/sea-watch-eine-app-fuer-das-recht-auf-asyl/


Vertreibung als Waffe? Wie Flüchtlinge Teil der Kriegsführung werden
Vika ist mit ihrem vierjährigen Sohn aus Tschernihiv geflohen und lebt jetzt in Deutschland. „Mein Leben ist am 4. März zu Ende gegangen“, erzählt sie, „als mein Haus verbrannt ist. Da gibt es nichts mehr.“ Viermal ist sie innerhalb der Ukraine umgezogen – doch irgendwann ging es auch dort nicht mehr. Nun lebt sie in Deutschland und ist auch hier schon etliche Male umgezogen, auf der Suche nach Sicherheit. Vika ist eine von Millionen Flüchtenden aus der Ukraine, die in die EU gekommen sind. Der UNHCR spricht von der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Angriff Russlands auf die ganze Ukraine ist eine Zeitenwende auch im Hinblick auf die Themen Flucht und Vertreibung.
https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/vertreibung-als-waffe-video-102.html


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
ajour.ch 17.10.2022

Illegale Landbesetzung: Fahrende haben VIP-Parkplatz verlassen: Aufatmen beim EHC Biel

Fast anderthalb Monate hielten Fahrende aus Frankreich den Parkplatz nördlich der Tissot Arena besetzt. Jetzt sind sie weitergezogen.

Lino Schaeren

Sie waren vor allem ein grosses Ärgernis für den EHC Biel: Die Fahrenden, die während rund sechs Wochen den Parkplatz nördlich der Tissot Arena illegal besetzt hielten. Die Gruppe aus Frankreich machte es sich auf dem Aussenparkfeld bequem, auf dem der EHC Biel normalerweise an seinen Heimspielen die VIP-Gäste parkieren lässt. Während die Konzessionsnehmerin für den Parkplatz, die Innoland AG, offenbar lange etwas hilflos zusah, polterte man beim Eishockeyverein: Die Fahrenden müssen endlich weg!

Und siehe da: Offenbar am Freitag hat die Gruppe mit ihren rund 20 Wohnwagen das Gelände verlassen – nachdem sie gegenüber der At-Home Régie Immobilière SA angekündigt hatte, bereits Anfang Oktober von dannen ziehen zu wollen. Die At-Home betreibt das Parkfeld im Auftrag der Innoland AG. Vorausgegangen waren eine Strafanzeige gegen die Fahrenden sowie eine zivilrechtliche Anzeige; letztere zielte darauf ab, den Platz polizeilich räumen zu können.

Doch soweit ist es nun nicht gekommen. Es passt ins Bild solcher Landbesetzungen: Die Fahrenden kennen die Schweizer Gesetzgebung genau und wissen, wann ihnen ernsthaft Ungemach droht. So verlassen sie das besetzte Land meist erst kurz bevor eine Räumung durchgesetzt werden könnte. So offenbar auch in diesem Fall geschehen.

Dass die Fahrenden das Feld geräumt haben, sorgt beim EHC Biel für Aufatmen. Geschäftsführer Daniel Villard ist froh, konnte der VIP-Parkplatz im Heimspiel vom Sonntagabend gegen Ambri Piotta wieder genutzt werden. Er hofft nun, dass die Verantwortlichen bei Innoland und At-Home dafür sorgen, dass der Parkplatz nördlich der Tissot Arena besser gesichert wird, um Landbesetzungen künftig zu verhindern.
(https://ajour.ch/story/fahrende-haben-vipparkplatz-verlassen-aufatmen-beim-ehc-biel/34605)


+++FREIRÄUME
Verantwortung nicht wahrgenommen: Kanton Bern soll Frauenhäuser finanziell stärker unterstützen
Wegen akutem Platzmangel im Hotel anstatt im Frauenhaus: Der Kanton Bern steht in der Kritik, weil er trotz steigender Nachfrage nicht mehr Mittel sprechen will.
https://www.derbund.ch/kanton-bern-soll-frauenhaeuser-finanziell-staerker-unterstuetzen-310334490913
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/kanton-bern-soll-frauenhaeuser-finanziell-staerker-unterstuetzen-148392833


+++GASSE
Wird die Kleinbasler Klybeckstrasse zum Drogen-Hotspot?
Die Klybeckstrasse im Kleinbasel ist bekannt dafür, dass dort Drogen verkauft und konsumiert werden. Einzelne Geschäfte sagen nun, das Problem habe sich seit der Pandemie verschärft. Die Basler Polizei teilt diese Ansicht nicht. Es gäbe bisher nicht mehr Drogendelikte und Beschwerden von Anwohnern.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/wird-die-kleinbasler-klybeckstrasse-zum-drogen-hotspot?id=12270547


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
SP-Nationalrat Molina wird wegen Demo-Teilnahme gebüsst
Weil er an einer unbewilligten Demo teilgenommen hat, wird Nationalrat Fabian Molina verurteilt. Er muss eine Busse von 300 Franken zahlen.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sp-nationalrat-molina-wird-wegen-demo-teilnahme-gebusst-66307045


Vermietung des besetzten Hauses wäre wohl möglich: Kellerstrasse: ein unnötiger Leerstand
In der Stadt Luzern ist ein Haus besetzt, das seit über vier Jahren leer steht. Grund für den Leerstand ist ein Erbstreit. Recherchen von zentralplus zeigen: Rechtlich wäre eine Vermietung möglich. Die Frage ist: Wie ist der Zustand des Hauses an der Kellerstrasse?
https://www.zentralplus.ch/wohnen-bauen/kellerstrasse-ein-leerstand-ohne-not-2470245/


Über 2000 Bauarbeiter protestieren im Tessin – Schweiz aktuell
Der Streit um die Erneuerung des Landesmantelvertrags zwischen den Baumeistern und der Gewerkschaft Unia dauert an. In Bellinzona streikten deshalb rund 2000 Bauarbeiter.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/ueber-2000-bauarbeiter-protestieren-im-tessin?urn=urn:srf:video:e7a77458-3f7e-49c2-9da2-23f67f59974f


Berufung: Andrea Stauffacher im Hauptanklagepunkt freigesprochen
Die Zürcher Linksaktivistin Andrea Stauffacher ist im Berufungsprozess freigesprochen worden. Der Grund sind fehlende Beweise.
https://www.nau.ch/news/schweiz/berufung-andrea-stauffacher-im-hauptanklagepunkt-freigesprochen-66307222
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/urteil-berufungsprozess-linksextremistin-andrea-stauffacher-freigesprochen-ld.2359847
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/universitaet-zuerich-will-lehrstuhl-fuer-gendermedizin?id=12270937 (ab 04:48)
-> https://www.tagesanzeiger.ch/ein-sieg-des-rechtsstaats-425415359993



tagesanzeiger.ch 17.10.2022

Gericht heisst Berufung gutAnschlag auf türkisches Konsulat: Andrea Stauffacher freigesprochen

14 Monate Gefängnis wegen einer Sprengstoffattacke: So lautete das erste Urteil. Nun wurde es gekippt. Dabei half der Zürcher Kommunistin ausgerechnet ihr linksradikaler Hintergrund.

Pascal Unternährer

An einem Holzstab fanden die Ermittler DNA-Spuren von Andrea Stauffacher. Das war der einzige handfeste Hinweis, dass die bekannte Zürcher Kommunistin an einer Tat am 18. Januar 2017 beteiligt gewesen sein könnte. Gefunden wurde der Stab, der als Abschussvorrichtung für Feuerwerkskörper dient, beim türkischen Generalkonsulat in Zürich, und zwar nach einer Attacke mit zwei «Horror-Knall-Raketen» sowie 36 Schüssen aus einer Feuerwerksbatterie auf das Gebäude.

Dem Einzelrichter der Strafkammer am Bundesstrafgericht in Bellinzona genügten die DNA-Spuren am Stab, um Stauffacher im November 2021 zu 14 Monaten Gefängnis zu verurteilen. Tatbestand: «Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht». Die Freiheitsstrafe sollte die Frau wegen der vielen Vorstrafen absitzen.

Als weitere Indizien erwähnte der Richter neben der politischen Gesinnung der Beschuldigten als Exponentin des linksradikalen Revolutionären Aufbaus ein Bekennerschreiben ebendieses Aufbaus, das nach dem Vorfall im Internet aufgetaucht ist. Zudem sei Stauffacher eine offensichtliche Kritikerin der Politik des türkischen Staats und habe das spanische Generalkonsulat in Zürich im Jahr 2002 auf ähnliche Art angegriffen.

Im Zweifel für die Angeklagte

Stauffacher ging in Berufung und gewann, wie am Montag bekannt wurde. Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts hat die heute 72-Jährige wegen ungenügender Beweise in dubio pro rea (im Zweifel für die Angeklagte) freigesprochen, wie die Kammer mitgeteilt hat. Die ausführliche schriftliche Begründung liegt noch nicht vor.

Die Indizien seien «in ihrer Gesamtheit nicht (…) rechtsgenüglich, um eine Tatbeteiligung der Beschuldigten zu beweisen – auch nicht im Sinne einer Unterstützung oder Beratung der Täterschaft», wie die Berufungskammer in der Medienmitteilung schreibt.

Gesinnung ist kein Beweis

Bezüglich DNA-Spur wäre, so das Gericht, auch ein anderer Hergang denkbar. Und da half Andrea Stauffacher ausgerechnet ihr linksradikaler Hintergrund: Da Stauffacher in diesen Kreisen verkehre, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie mit einem solchen Holzstab unabhängig vom verübten Anschlag in Kontakt gekommen sein könnte, schreibt das Gericht.

Für die verwendete Abschussvorrichtung wäre auch nicht zwingend spezielles Know-how nötig gewesen, über das nur sie verfügen würde, heisst es weiter. Allein die politische Gesinnung der Beschuldigten, ihre Stellung als Exponentin des Revolutionären Aufbaus, ihr Verhalten im Verfahren oder ihre Vergangenheit erlaubten es beweisrechtlich nicht, ihr die strafrechtliche Verantwortung für die Verfehlungen ihrer Gesinnungsgenossen aufzuerlegen, schreibt das Gericht. Es fehle somit «an den rechtsgenüglich notwendigen Beweisen für einen Schuldspruch».

Aufbau kritisiert Justiz

Die Berufungskammer erinnert auch daran, dass die Bundesanwaltschaft (BA) die Ermittlungen genau aus diesen Gründen eingestellt und auf eine Anklage verzichtet hatte. Da aber das türkische Generalkonsulat intervenierte und die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts diesem recht gab, musste die BA Anklage erheben.

In einem Beitrag auf seiner Website kritisiert der Revolutionäre Aufbau, dass es überhaupt zum Prozess kam und dass das erstinstanzliche Urteil politisch gewesen sei. Der Aufbau schreibt von einem «Schulterschluss zwischen dem türkischen Staat, welcher als treibende Kraft den Prozess überhaupt erst erzwang, und dem Schweizer Staat, welcher diesen Impuls willkommen aufnahm».

Das Urteil der Beschwerdekammer ist noch nicht rechtskräftig, ein Weiterzug ans Bundesgericht ist noch möglich.

Urteil CA.2022.4 vom 12. Oktober 2022 (noch nicht publiziert)
(https://www.tagesanzeiger.ch/andrea-stauffacher-im-fall-tuerkisches-konsulat-freigesprochen-494798502490)



nzz.ch 17.10.2022

Beweislage für Anschlag auf türkisches Konsulat genügt nicht: Andrea Stauffacher ist vom Bundesstrafgericht freigesprochen worden

Die Berufungskammer kippt das erstinstanzliche Urteil gegen die Zürcher Linksextremistin. Zupass kommt ihr dabei auch ihre Gesinnung.

Fabian Baumgartner

Es war der 18. Januar 2017, als plötzlich Raketen durch die Dunkelheit zischen und an der Fassade des türkischen Generalkonsulats in Zürich abprallten. Eine Scheibe ging bei dem Anschlag zu Bruch, die Täterschaft flüchtete. Sachschaden: 1200 Franken.

Nach der Tat tauchte ein Bekennerschreiben aus linksextremen Kreisen auf. Und an einem Holzstab der Geschosse fanden die Ermittler DNA-Spuren einer der Justiz bestens bekannten Person. Von Andrea Stauffacher, der ewigen Revolutionärin und bekannten Exponentin des revolutionären Aufbaus Schweiz.

Übernamen hat die 72-Jährige viele, die meisten sind eher wenig schmeichelhaft. «Krawall-Grosi», «Oldtimer des Klassenkampfs», «gefährlichste Frau der Schweiz»: Seit über fünfzig Jahren kämpft Stauffacher für die kommunistische Revolution.

Aber auch mit Raketen gegen missliebige Konsulate? Die DNA an dem Holzstab war der einzige handfeste Hinweis dafür, dass die Zürcher Linksextremistin an der Tat beteiligt war. Gedient hatte der Stab als Abschussvorrichtung für die Feuerwerkskörper.

Eine Beweislage, die selbst der Staatsanwalt des Bundes als etwas dürftig bezeichnete. Doch die Erstinstanz am Bundesstrafgericht in Bellinzona erachtete dies in Kombination mit weiteren Indizien als genügenden Nachweis für eine Tatbeteiligung Stauffachers. Es verurteilte sie im November 2021 zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten.

Straftatbestand: Gehilfenschaft zur Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht. Die Freiheitsstrafe fiel wegen der vielen Vorstrafen unbedingt aus. Das Fazit des Gerichtsvorsitzenden lautete damals: «Dieser Angriff ist verwerflich und nicht zu entschuldigen.»

Als weitere Indizien erwähnte der Richter auch den bekannten Modus Operandi, der die Handschrift des Revolutionären Aufbaus trug. Die Sozialpädagogin war bereits wegen eines ähnlichen Angriffs auf das spanische Generalkonsulat von 2002 rechtskräftig verurteilt worden. Zudem sei Stauffacher eine offensichtliche Kritikerin der Politik des türkischen Staats, hielt das Gericht fest.

Auch alternative Szenarien denkbar

Doch nun kommt es anders: Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts hat das erstinstanzliche Urteil gekippt und Andrea Stauffacher vom Vorwurf der Gehilfenschaft zur Verübung eines Sprengstoffdelikts freigesprochen – und zwar in dubio pro reo aufgrund einer ungenügenden Beweislage.

Wie das Gericht in einer Mitteilung festhält, reichen aus Sicht der Berufungskammer die von der Bundesanwaltschaft gesammelten Indizien nicht aus, um Stauffacher eine Beteiligung an der Tat nachzuweisen. Laut dem Gericht sind auch andere, alternative Szenarien denkbar. Gerade weil Stauffacher in linksradikalen Kreisen verkehre, könne sie mit dem Holzstab auch unabhängig vom verübten Anschlag in Kontakt gekommen sein.

Für die verwendete Abschussvorrichtung sei auch nicht zwingend spezielles Know-how nötig gewesen, über das nur die 71-Jährige verfüge. Alleine ihre politische Gesinnung, ihr Verhalten im Verfahren und ihre Vergangenheit erlaubten es nicht, ihr die strafrechtliche Verantwortung für die Verfehlungen ihrer Gesinnungsgenossen aufzuerlegen. «Insgesamt fehlt es somit an den rechtsgenüglich notwendigen Beweisen für einen Schuldspruch», hält die Berufungskammer fest.

Ein politisches Urteil?

Die Berufungskammer weist in ihrem Urteil auch darauf hin, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen der schwierigen Beweislage zunächst einstellen wollte. Das türkische Generalkonsulat liess dies aber nicht auf sich sitzen. Gleich zweimal reichte es Beschwerde ein. Beim zweiten Mal klappte es, die Bundesanwaltschaft musste schliesslich Anklage erheben.

Ein Umstand, den die Verteidigung Stauffachers dazu veranlasste, von einer politisch motivierten Anklage zu sprechen. Mit ähnlichem Inhalt meldete sich am Montag auch der Revolutionäre Aufbau zu Wort. Auf ihrer Website hielten die Linksextremisten fest, man habe Stauffacher erstinstanzlich ohne handfesten Beweis verurteilt, der Entscheid sei deshalb politisch getrieben gewesen. «Damit wurde der Schulterschluss zwischen dem türkischen Staat, welcher als treibende Kraft den Prozess überhaupt erst erzwang, und dem Schweizer Staat, welcher diesen Impuls willkommen aufnahm, konkret.»

Abgeschlossen ist der Fall mit dem Urteil vom 12. Oktober noch nicht. Gegen den Entscheid der Berufungskammer kann noch Beschwerde vor Bundesgericht erhoben werden. Einzig die erstinstanzlich in einigen Nebenpunkten ausgefällten Schuldsprüche hat Andrea Stauffacher akzeptiert. Sie wurde dafür mit einer Geldstrafe und einer Busse bestraft.

Urteil CA. 2022. 4 vom 12. 10. 22, noch nicht rechtskräftig.
(https://www.nzz.ch/zuerich/anschlag-auf-tuerkisches-konsulat-freispruch-fuer-linksextremistin-ld.1707766)


+++RECHTSPOPULISMUS
Gefälschtes Bild: Frank Urbaniok setzt Putin in Versammlung von Pro Schweiz
Der Verein Pro Schweiz hielt ein Treffen ab. Psychiater Frank Urbaniok erstellte daraus eine Fotomontage mit Kremlchef Wladimir Putin. Die Forderungen nach Neutralität des Vereins ähnelten jenen der russischen Botschaft, so Urbaniok.
https://www.baerntoday.ch/schweiz/frank-urbaniok-setzt-putin-in-versammlung-von-pro-schweiz-148391878


SBB muss wegen Graffiti-Vandalen Ticket-Preise erhöhen
Der Zürich HB ist erneut Opfer einer Sprayer-Attacke geworden. Die Kosten dafür trägt die Kundschaft der SBB. Sachschäden führen zu höheren Ticketpreisen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/sbb-muss-wegen-graffiti-vandalen-ticket-preise-erhohen-66302426


+++RECHTSEXTREMISMUS
tagblatt.ch 17.10.2022

Reichsbürgeranlass in Uzwil: Vertreter des «Königreichs Deutschland» veranstalten einen Vortrag über die Gemeinwohl-Strukturen in ihrem Fantasiestaat

Vertreter aus der deutschen Reichsbürgerbewegung haben in Uzwil eine Veranstaltung organisiert. Das «Königreich Deutschland» ist ein fiktiver Staat in Sachsen-Anhalt. Dessen selbst ernannter König ist mehrfach vorbestraft.

Enrico Kampmann

Gemäss dem Recherchekollektiv «Element» fand am Samstagabend in Uzwil ein Vortrag von Vertretern des Reichsbürgerscheinstaates «Königreich Deutschland» (KRD) statt. Element informierte auf Twitter über mehrere geplante Veranstaltungen des KRD in der Schweiz.

Gemäss Element ist das KRD «mit Neonazis und Querdenkern vernetzt» und hat unter anderem auch Kontakte in der rechts-esoterischen Anastasia-Bewegung. Der Bildungsrat des Kantons St. Gallen bewilligte dieses Jahr eine Schule in Uznach, die mit der Anastasia-Sekte in Verbindung stehen soll.

Selbsternannter «König von Deutschland»

Das KRD beschreibt sich auf seiner Website als «Vereinigung freiheitsliebender und gemeinwohlorientierter Menschen». Es stehe für einen «Neuanfang des deutschen Staates» und biete «praktische Lösungen für alle aktuellen systemischen, menschlichen und gesellschaftlichen Probleme». Das KRD sei eine «Basisdemokratie in Verbindung mit einer Räterepublik und einem repräsentativen ­König».

Der selbst ernannte «König» des Fantasiestaates, der sich in Sachsen-Anhalt befindet, ist Peter Fitzek. Dieser ist mehrfach vorbestraft, unter anderem weil er jahrelang eine eigene Bank und mehrere – nicht zugelassene – Versicherungen betrieb. Aufgrund seiner Aktivitäten wird Fitzek vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet.

In Uzwil ist nicht Fitzek als Redner aufgeführt, sondern einer der «lizenzierten» Vortragsredner des KRD. In dessen Vorträgen geht es gemäss der KRD-Website nebst einer «kurzen Darlegung der aktuellen Situation und dem nötigen Wandel» unter anderem darum, den Anwesenden die im KRD bereits bestehenden «Gemeinwohl-Strukturen» näherzubringen. Ziel sei es, zu zeigen, wie man «eine freie Zukunft mit lebenswerten Perspektiven» aufbaut. Eine Zukunft, «in der sich alle frei entwickeln, in ihre volle Schöpferkraft und persönliche Entfaltung gelangen können».

Gemäss dem Recherchekollektiv Element ist die Vortragsreihe eine Geschäftsidee des Esoterik-Unternehmers Marco Rossi. Rossi organisiert unter anderem die «Wohlfühltage» in der Messe Luzern. Dort sollte diesen September auch Peter Fitzek als Referent auftreten, was für einigen Wirbel in der Region sorgte. Allerdings teilten die Veranstalter wenige Tage vor seinem Auftritt via Facebook mit, dass der Auftritt abgesagt sei.

Polizei bekam nichts mit

Ob der Vortrag in Uzwil tatsächlich stattgefunden hat, ist unklar. Der genaue Ort wurde nur den angemeldeten Personen kurz vor Veranstaltungsbeginn mitgeteilt. Die Kantonspolizei sagt auf Anfrage, dass sie in diesem Zusammenhang keinen Einsatz gehabt und keine anderen Auffälligkeiten in Uzwil beobachtet habe. Und ohnehin ist es fraglich, ob sie etwas hätte unternehmen können.

So wie im vergangenen Juni, als die Kantonspolizei St.Gallen ein Konzert eines rechtsextremen Netzwerks in Kaltbrunn verhindert hatte. Das Verbot konnte dank des vor zwei Jahren neu geschaffenen Nachtrags Artikel 50quarter zum Polizeigesetz ausgesprochen werden. Dieser wurde als Reaktion auf einen ähnlichen Vorfall im Kanton St.Gallen im Sommer 2020 in Kraft gesetzt.

Im Oktober 2016 pilgerten über 5000 Rechtsextreme aus halb Europa nach Unterwasser für ein Rechtsrock-Konzert. Es handelte sich um einen der grössten Neonazi-Aufmärsche, der je in der Schweiz stattfand.

Doch die Hürden, Veranstaltungen im öffentlichen Raum zu verbieten, sind hoch. Dies kann nur geschehen, wenn diese «nicht mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung vereinbart werden können und dadurch das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung massgeblich beeinträchtigen». Auf privatem Grund sind die Anforderungen für ein entsprechendes Verbot nochmals erheblich strenger.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/reichsbuerger-reichsbuergeranlass-in-uzwil-vertreter-des-koenigreichs-deutschland-veranstalten-in-uzwil-einen-vortrag-ueber-bereits-bestehende-gemeinwohl-strukturen-in-ihrem-fantasiestaat-ld.2359362)


+++HISTORY
Die Hexe muss sterben
Die Schweiz, insbesondere die Westschweiz, erlebte eine der grausamsten Hexenverfolgungen Europas. Der Film «Die Hexe muss sterben» zeigt die Mechanismen einer höllischen Justiz auf, die Tausende von Männern, Frauen und Kindern auf den Scheiterhaufen brachte.
https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/die-hexe-muss-sterben?urn=urn:srf:video:42b5af68-926c-432b-8af1-f5de72aad33e&aspectRatio=16_9



ajour.ch 17.10.2022

Wie der Kanton Bern Hexen verfolgte

Eine Sonderausstellung zum Thema Hexen will Mythen entlarven.

Pia Scheidegger

Auf einem Scheiterhaufen brennen Menschen, ihre Gesichter sind schmerzverzerrt. Mitten in einem Raum im Museum Langenthal türmen sich Zeichnungen von Frauen und Männern, die von Flammen umgeben sind. «Nur als Vorwarnung: Das ist keine schöne Ausstellung», sagt Jana Fehrensen. «Das alles», die Museumsleiterin deutet auf die Illustrationen, «hat nichts mit Harry Potter oder Bibi Blocksberg zu tun, sondern ist ein Einblick in ein dunkles Kapitel der Berner Geschichte.» Am 14. Oktober startete die Sonderausstellung zum Thema Hexen.

Während Jahrhunderten war Europa im «Hexenwahn». Auf der verzweifelten Suche nach Erklärungen für den Ausfall der Ernte, die Krankheit einer nahestehenden Person oder den Tod des eigenen Kindes waren «Hexen» willkommene Sündenböcke – auch im Kanton Bern. Durch die Hexenverfolgung starben in und um Bern rund 10’000 Personen. Allein im Oberaargau gab es um das Jahr 1600 rund zwanzig öffentliche Hinrichtungen.

Die Ausstellung im Museum Langenthal erzählt anhand der Zeichnungen Hexenprozesse sowie einzelne Schicksale aus der Region nach. Museumsleiterin Jana Fehrensen will damit aber nicht nur einen wenig beachteten Teil der Geschichte beleuchten, sondern auch Bezüge zur Gegenwart schaffen: «Ich hoffe, die Besuchenden realisieren, dass die Hexenverfolgung bis heute ihren Einfluss hat.»

Eine Hexe ist ihrer Meinung nach eine Frau, die durch Wissen oder Vermögen über sich selbst bestimmen kann. «Das wird auch in der Gegenwart teilweise noch geächtet, das stelle ich in all den Debatten zum Thema Verschleierung oder auch zum Thema Abtreibung fest», sagt Fehrensen.

Damals, in der frühen Neuzeit, fielen immer wieder Personen aus den gleichen Gruppen der Hexenverfolgung zum Opfer. «Aus diesem Grund assoziieren wir Hexen noch heute oft mit Klischees», sagt Beat Gugger. Er hat die Ausstellung kuratiert und versucht damit unter anderem, gewisse Stereotypen auszumerzen. Wir haben drei herausgepickt:

Wenn in einem Dorf die Kuh plötzlich keine Milch mehr gab, richtete sich der Zorn des Volkes auf die alleinstehenden Frauen – damals meist Witwen. Sie wurden beschuldigt, gefoltert und als Hexen hingerichtet. Sie waren einfache Opfer, da sie keinen männlichen Schutz hatten. «Aus diesem Grund hat man bis heute noch das Gefühl, Hexen seien ältere Frauen gewesen, doch das stimmt so nicht ganz», sagt Gugger. Auch Hebammen seien damals oft dem Hexenwahn zum Opfer gefallen. «Kam die Mutter oder das Kind bei der Geburt ums Leben, konnte es sein, dass Hebammen beschuldigt und als Hexen hingerichtet wurden.»

Heute ist die allgemeine Meinung, dass damals nur Frauen wegen Hexerei hingerichtet wurden. Das stimmt laut Gugger aber nicht. Ein Grossteil, rund zwei Drittel aller Verfolgten, waren zwar Frauen. Doch ein Drittel der Gejagten waren Hexer und Zauberer – meist waren dies in der Realität politisch anders denkende Männer. «Soweit wir aus den Quellen wissen, waren im Oberaargau im Vergleich zu anderen Gebieten in der Schweiz jedoch auffallend wenige Opfer männlich», sagt Gugger. Sämtliche Hinrichtungen rund um 1600 betrafen Frauen.

Die fliegende Gestalt auf dem Besen

Warum wird die Hexe bis heute in der Popkultur mit Besen und Zauberstab dargestellt? «Oft hatten die verfolgten Frauen irgendein Wissen, das dem Volk nicht passte», sagt Gugger. Beispielsweise wussten sie viel über Kräuter und deren Heilwirkung. Man nimmt an, dass diese Kräuter teilweise psychedelisch waren und Halluzinationen auslösten. «Die Menschen erzählten sich dann alles Mögliche, sie hätten eine Frau auf einem Besen herumfliegen sehen zum Beispiel.»

Die Sonderausstellung im Museum Langenthal dauert bis zum 12. Februar. In dieser Zeit finden auch Anlässe rund um das Thema Hexen statt. Am 17. Oktober hält der ehemalige Pfarrer und Langenthaler Stadtchronist Simon Kuert einen Vortrag zu den Hexen aus dem Oberaargau, im November können Interessierte selbst einen Kräuterkurs mit einem Drogisten besuchen, und im Dezember zeigt das Kino Scala den Film «Anna Göldin – Letzte Hexe».
(https://ajour.ch/story/wie-der-kanton-bern-hexen-verfolgte/34487)