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+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 14.10.2022
Die Plätze werden verdoppelt: Das Bundesasylzentrum bringt der Polizei mehr Arbeit
In den militärischen Hallen an der Ländistrasse werden neu bis zu 440 Männer einquartiert. Vor wenigen Tagen nahm die Polizei drei tatverdächtige Algerier fest, die fernab der Unterkunft Autos aufbrachen. Eigentlich würde der Betrieb des Zentrums Mitte 2023 auslaufen, doch für das Staatssekretariat für Migration ist die Nutzungsverlängerung bereits eine Option.
Claudia Meier
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) verdoppelt die Unterbringungskapazität im Bundesasylzentrum (BAZ) in den militärischen Hallen in Brugg. Ab dem 1. November werden die bisher 220 genutzten Plätze in Absprache mit dem Kanton Aargau und der Stadt Brugg bis Ende März 2023 auf 440 erhöht.
Das BAZ an der Ländistrasse ist seit dem 30. November 2020 in Betrieb. Das SEM benötigte damals wegen der Massnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie zusätzliche Aufnahmekapazitäten. Aktuell sind die BAZ zu über 80 Prozent belegt. Vor diesem Hintergrund muss das SEM seine Unterbringungskapazitäten schweizweit erhöhen, so auch in Brugg.
Zweimal am Tag wird warmes Essen angeliefert
Wie bis anhin werden Männer untergebracht, die sich in einem laufenden Asylverfahren befinden. Die Betreuung der BAZ-Bewohner sowie die Sicherheitsaufgaben nehmen laut SEM weiterhin die Firma ORS respektive die Securitas AG wahr. Gestern Donnerstag waren 172 Männer im BAZ Brugg einquartiert. Unter ihnen ist kein Ukrainer.
Auf die Frage, wie Raum für die zusätzlichen Bewohner geschaffen wird, antwortet SEM-Sprecher Samuel Wyss: «Im Obergeschoss wird die Halle rechts als weiterer Speisesaal und Aufenthaltsraum nutzbar gemacht.»
Baulich sei die Anlage bereits bei der Eröffnung für rund 500 Personen konzipiert worden. Die Betten seien vorhanden. Neu werden sie auf zwei Etagen verteilt. Das nötige Bettmaterial (Matratzen und Bettwäsche) werde aus dem SEM-Lager nachgeliefert.
Für die Verpflegung wird zweimal täglich warmes Essen von der SV Group, die im Fachhochschulcampus Brugg-Windisch kocht, angeliefert. Die Bäckerei Sonnenland aus Windisch liefert das Brot.
Die BAZ-Plätze werden der Stadt Brugg angerechnet
Die Verdoppelung der Unterbringungskapazität im BAZ Brugg hat Auswirkungen auf den Aargau. Pia Maria Brugger Kalfidis, Leiterin des Kantonalen Sozialdienstes, erklärt: «Durch die Aufstockung auf 440 Plätze im BAZ Brugg muss der Kanton 88 Personen weniger von der regulären Zuweisung mit Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen im Aargau unterbringen.»
Die Plätze des BAZ werden der Stadt Brugg bei der Aufnahmepflicht angerechnet. Will heissen: Die Stadt Brugg muss dadurch weniger Personen in ihre Asylstrukturen aufnehmen und durch den Sozialdienst betreuen.
Auch wenn der Betrieb im BAZ von einer Gruppe mit Vertretern des Kantons, der Stadt, der Armee und weiteren Partnern eng begleitet wird, läuft nicht alles rund. Der SEM-Sprecher sagt: «In den vergangenen sechs Monaten war die Stimmung relativ ruhig.»
Es habe vereinzelt Delikte wie Diebstähle ausserhalb des BAZ gegeben sowie Drogenkonsum (Marihuana), renitentes Verhalten oder dass Bewohner alkoholisiert aus dem Ausgang zurückgekehrt seien. Samuel Wyss fügt an: «Bei einer höheren Belegung des Zentrums gibt es erfahrungsgemäss auch eher mehr Polizeieinsätze.»
Algerier vom BAZ brachen im Fricktal Autos auf
Seit einiger Zeit gibt es im Aargau wieder vermehrt Meldungen von nächtlichen Autoaufbrüchen. Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei (Kapo) Aargau, sagt: «Die langjährige polizeiliche Erfahrung zeigt, dass diese Delikte – soweit sie geklärt werden können – häufig auf das Konto nordafrikanischer Asylbewerber gehen.»
Ein Beispiel dafür sei eine Serie vom 1. Oktober in Gipf-Oberfrick mit einem halben Dutzend Fällen. Die betroffenen Autos waren an verschiedenen Adressen vor Wohnhäusern abgestellt. Entwendet wurden etwa eine teure Winterjacke und Bargeld. Noch am gleichen Samstag nahm die Kapo zwei Algerier im Alter von 19 und 36 Jahren fest, die im BAZ Brugg untergebracht waren, wie Graser bestätigt.
Ebenfalls dieser Unterkunft zugewiesen sei der Algerier gewesen, den die Stadtpolizei Baden am 28. September in Vogelsang auf der Fahndung nach einem versuchten Einschleichediebstahl und einer Autoaufbruchsserie im Reusstal festgenommen hatte.
In beiden Fällen eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung. In diesen Verfahren, die noch pendent sind, sei Untersuchungshaft beantragt und bewilligt worden, sagt Sprecher Adrian Schuler von der Oberstaatsanwaltschaft.
In der Nachbarschaft wird der BAZ-Betrieb, der bis Mitte 2023 vorgesehen war, kritisch beobachtet. Je nach Migrationslage wird das SEM mit Kanton und Stadt über eine Nutzungsverlängerung diskutieren.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/brugg-die-plaetze-werden-verdoppelt-das-bundesasylzentrum-bringt-der-polizei-mehr-arbeit-ld.2358542)
+++APPENZELL
Ehemaliges Internat bleibt bis 2023 Flüchtlingsunterkunft (ab 02:31)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/esther-friedli-will-nicht-in-den-bundesrat?id=12269911
+++SCHWEIZ
Irreguläre Migration und Ukraine: Bundesrätin Keller-Sutter am Treffen der Schengen-Innenminister
Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat am 14. Oktober 2022 in Luxemburg am Treffen der Schengen-Innenministerinnen und -Minister teilgenommen. Im Zentrum der Gespräche standen die Migrations- und Sicherheitslage im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine sowie die irreguläre Migration über die Balkanroute. Die Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) setzte sich für eine enge Abstimmung unter den europäischen Partnerländern ein.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90710.html
Migration über Balkanroute – Serbien gleicht Visapolitik an die EU an – Schweiz erfreut
Bundesrätin Karin Keller-Sutter ist erfreut, dass Serbien seine Visapolitik an jene des Schengenraums angleichen will.
https://www.srf.ch/news/international/migration-ueber-balkanroute-serbien-gleicht-visapolitik-an-die-eu-an-schweiz-erfreut
Sicherheit in Europa, Migration, bilaterale Beziehungen: Staatssekretärin Livia Leu führt politische Konsultationen mit der Türkei
EDA-Staatssekretärin Livia Leu hat am 14. Oktober 2022 den türkischen Vize-Aussenminister Faruk Kaymakci zu politischen Konsultationen empfangen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die bilaterale Zusammenarbeit und Wirtschaftsbeziehungen sowie die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine, Migration und die Menschenrechte.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90708.html
Zweiter Schweizer Beitrag, Rahmenkredit Migration: Bundesrätin Keller-Sutter unterzeichnet das erste Umsetzungsabkommen mit Griechenland
Der zweite Beitrag der Schweiz an bestimmte Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) dient namentlich dazu, Projekte und Programme in Ländern zu finanzieren, die einem hohen Migrationsdruck ausgesetzt sind. Bundesrätin Karin Keller-Sutter und der griechische Minister für Migration und Asylwesen, Notis Mitarachi, haben am 14. Oktober 2022 in Luxemburg ein Abkommen zur Umsetzung einer solchen bilateralen Zusammenarbeit unterzeichnet. Der Beitrag der Schweiz zur Unterstützung von Projekten und Programmen im Migrationsbereich in Griechenland beläuft sich auf 40 Millionen Franken.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90703.html
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luzernerzeitung.ch 14.10.2022
Ohne Eltern geflüchtet: Deutlich mehr unbegleitete Minderjährige ersuchen in der Schweiz um Asyl
Im laufenden Jahr haben bereits rund 50 Prozent mehr unbegleitete Minderjährige ein Asylgesuch gestellt als im ganzen Jahr 2021. Die meisten kommen aus Afghanistan. Die Zunahme stellt die Behörden vor Probleme.
Maja Briner
Für Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Eltern geflüchtet sind und hier ein Asylgesuch stellen, gibt es ein bürokratisches Kürzel: UMA werden sie genannt, kurz für «unbegleitete minderjährige Asylsuchende». Sie gelten als besonders verletzlich und schutzbedürftig.
Ihre Zahl ist zuletzt markant gestiegen: 1474 unbegleitete Minderjährige haben im laufenden Jahr ein Asylgesuch gestellt, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage mitteilt. Das sind fast 50 Prozent mehr als im ganzen letzten Jahr (989).
Hinzu kommen zusätzlich die Schutzsuchenden aus der Ukraine, die kein Asylverfahren durchlaufen und daher separat erfasst werden. Laut SEM beantragten bisher 933 unbegleitete Minderjährige den Status S.
Die unbegleiteten Minderjährigen haben oft eine traumatische Flucht hinter sich. Sie brauchen auch aufgrund ihres Alters besonderen Schutz und Betreuung. Für die Behörden ist das eine Herausforderung – und das in einer Zeit, die an Herausforderungen alles andere als arm ist. Das SEM rechnet damit, dass die Schweiz dieses Jahr insgesamt 80’000 bis 85’000 Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen wird. Je nach Situation bei Wintereinbruch könnten auch mehr zur Flucht gezwungen sein.
Daneben steigen auch die Asylzahlen. Gerade über die sogenannte Balkanroute kommen wieder mehr Menschen – darunter auch unbegleitete Minderjährige. Steigt ihre Anzahl, trifft dies zunächst den Bund, weil er sich in der ersten Zeit um die Asylsuchenden kümmert, bevor diese den Kantonen zugewiesen werden.
Betreuungsschlüssel «nicht vollständig eingehalten»
Aktuell sind laut SEM rund 650 UMA in den Bundesasylzentren registriert. Bei weiteren rund 500 werde derzeit überprüft, ob sie unter 18 Jahre alt sind. Wegen der gestiegenen Zahlen braucht es mehr Personal, doch dieses ist rar: Es sei derzeit schwierig, qualifiziertes Betreuungspersonal auf dem Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Das bestätigen auch verschiedene Kantone.
Die Folge: Der in den Bundesasylzentren vorgesehene Betreuungsschlüssel – ein Sozialpädagoge pro 15 UMA – kann wegen des Fachkräftemangels «nicht vollständig eingehalten» werden, wie das SEM einräumt.
Bei den unbegleiteten Minderjährigen, die in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, handelt es sich laut SEM in der grossen Mehrheit um afghanische Staatsbürger. Gut zwei Drittel der UMA sind zwischen 16 und 18 Jahren alt. Zwei Prozent sind jünger als 13 Jahre.
Die Ukraine: «Unbegleitet» – aber nicht alle sind allein
Neben den UMA kommen auch unbegleitete minderjährige Schutzsuchenden aus der Ukraine in die Schweiz. Darunter sind grössere Gruppen an Waisenkindern, die gemeinsam untergebracht wurden. Fast ein Drittel ist jünger als 13 Jahre. Sie sind nur kurze Zeit in den Bundesasylzentren.
Die Ausgangslage bei Minderjährigen aus der Ukraine sei oft anders als bei den UMA, heisst es aus dem Kanton Waadt. «Ein hoher Anteil der Minderjährigen, die ohne Eltern aus der Ukraine in den Kanton Waadt kommen, werden von einem Angehörigen begleitet, der nicht formell ihr gesetzlicher Vertreter ist», sagt Sprecher Frédéric Rouyard. Daher würden sie zusammen mit dem Angehörigen untergebracht in einem Ort, der sich für Familien eigne – und nicht in einer speziell für UMA eingerichteten Unterkunft.
Auf dem Papier gelten sie dennoch als «unbegleitet», wenn weder die Eltern noch ein enger Verwandter oder eine Person, die eine Vollmacht der Eltern hat, mit dabei ist.
Kantone unter Druck – und ein Zürcher Problem
Die steigende Anzahl an UMA setzt die Kantone unter Druck, wie sich etwa am Beispiel des Thurgaus zeigt. Die Zahlen verdreifachten sich innert eines Jahres beinahe. Vorübergehend würden selbstständige unbegleitete Minderjährige in Erwachsenenunterkünften untergebracht, heisst es aus dem Kanton. Zusätzliche geeignete UMA-Unterkünfte würden gesucht.
Andere Kantone erklären auf Anfrage, die Zahl der UMA steige bei ihnen ebenfalls, die geeignete Unterbringung und Betreuung sei bisher aber gewährleistet – trotz Fachkräftemangels. So schreibt etwa der Aargau, aktuell könne die Betreuung in allen Unterkünften sichergestellt werden. Ähnlich klingt es aus Solothurn und Zug.
Probleme räumt der Kanton Zürich ein. Hier machte das Asylzentrum Lilienberg Schlagzeilen, in dem rund 90 UMA untergebracht sind: Eine externe Analyse kam vergangene Woche zum Schluss, die soziale und pädagogische Betreuungssituation sei «besorgniserregend». Unter anderem sei das Zentrum überbelegt. Das soll sich ändern – es braucht also anderswo mehr Plätze.
Stefan Roschi, Direktor der Asylorganisation Zürich, sagte diese Woche in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger», vorübergehend würden unbegleitete Minderjährige in Durchgangszentren untergebracht, die nicht auf deren Betreuung ausgelegt sind. Man versuche möglichst schnell, zusätzliche spezialisierte Plätze für Minderjährige aufzubauen.
(https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/migration-ohne-eltern-gefluechtet-deutlich-mehr-unbegleitete-minderjaehrige-suchen-in-der-schweiz-asyl-ld.2357824)
+++EUROPA
EU-Asylpolitik: Nancy Faeser fordert von Serbien striktere Visaregeln
Die Fluchtbewegung über die Balkanroute sorgt für Streit zwischen Serbien und der EU. Aus der FDP kommt die Forderung nach einem Stopp der Beitrittsverhandlungen.
https://www.zeit.de/politik/2022-10/serbien-visa-politik-kritik-balkanroute-faeser-fdp
-> https://taz.de/EU-Innenministertreffen-in-Luxemburg/!5885228/
-> https://www.jungewelt.de/artikel/436662.eu-grenzregime-serbien-soll-abschotten.html
EU-Innenminister:innen beraten über Balkanroute – Tagesschau
Am Treffen der EU-Innenminister:innen in Luxemburg ist das wichtigste Thema die hohe Zahl von Flüchtlingen, die via der Balkanroute in die EU kommen. Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter fordert, dass Serbien seine Visapolitik verschärft.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/eu-innenministerinnen-beraten-ueber-balkanroute?urn=urn:srf:video:5f9290c6-c3a1-4dad-9966-50ad17768b5f
Zunehmende Migration auf der «Westbalkanroute» – Tagesschau
gelangen täglich illegal über die sogenannte «Westbalkanroute» in die Europäische Union. Österreich ist besonders von dieser Situation betroffen und fordert jetzt einen besseren Schutz der EU-Aussengrenze.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/zunehmende-migration-auf-der-westbalkanroute?urn=urn:srf:video:a6ebee8e-e0c6-46e7-94ec-69723c74c7bf
Frontex: EU-Antibetrugsbehörde bestätigt schwere Vorwürfe
Über ein Jahr hat das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegen die europäische Grenzschutzbehörde Frontex ermittelt. Im geheim gehaltenen Bericht wird bestätigt, dass die Frontex-Führung schwere Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat. Der Bericht wurde unter anderem mit der Online-Zeitung «Republik» geteilt, welche diesen analysiert hat.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/frontex-eu-antibetrugsbehoerde-bestaetigt-schwere-vorwuerfe
+++FREIRÄUME 1
ajour.ch 14.10.2022
Juso droht mit dem Referendum gegen das Gesundheitszentrum hinter dem Bieler Bahnhof
Die Bieler Jungsozialisten fordern, dass das AJZ das Gebäude hinter dem Bahnhof nutzen kann, bis der Chessu fertig umgebaut ist.
Lukas Hafner
An der Aarbergstrasse 72 ist der Bau eines Gesundheitszentrums geplant. Aktuell befindet sich an dieser Stelle das Gebäude des ehemaligen X-Projects, das während den Umbauarbeiten des Gaskessels für Veranstaltungen des autonomen Jugendzentrums genutzt wird. Auch das Kollektiv Ensemble Stark ist in diesem Gebäude zu Hause. Geht es nach den Plänen der Stadt, wird es 2023 abgerissen. Der neue Chessu kann aber erst im Herbst 2023 eröffnet werden.
Deshalb fordert die Juso Biel, dass der Bau des Gesundheitszentrums nach hinten verschoben wird und das Gebäude bis zur Wiedereröffnung des Gaskessels als Provisorium für die Chessu-Veranstaltungen genutzt werden kann.
Kultur werde an den Rand der Gesellschaft getrieben
Die Juso Biel lässt in ihrem Communiqué verlauten, man bedauere, dass die Stadt ihr Versprechen gegenüber dem AJZ für eine Übergangslösung nicht einhalte. Es sei kein neues Phänomen, dass Kultur und Freiräume in einer gewinnorientierten Gesellschaft an den Rand getrieben würden. «Es kann doch nicht sein, dass der Gemeinderat aufgrund einer Terminkollision zwei so wichtige Kulturinstitutionen ein Jahr lang pausieren oder gar ganz über den Haufen werfen will und dies, trotz mehrfacher Hilfezusicherung der Stadt», wird Nina Schlup, Stadträtin der Juso, im Communiqué zitiert.
Referendum als Option
In den Augen der Juso wird die ehrenamtliche Arbeit in Biel zu wenig wertgeschätzt. Die von den Bauplänen betroffenen Organisationen seien durch ihre Freiwilligenarbeit für die Qualität einer lebenswerten Stadt wichtig. Der Gemeinderat erkenne diesen Wert aber nicht an, sagt Siri Ryser, Vorstandsmitglied der Bieler Jungsozialisten.
Wenn der Gemeinderat die begangenen Fehler nicht behebe, werde es im Stadtrat keine Unterstützung vonseiten ihrer Partei geben. Bei einer allfälligen Annahme des Projekts will die Juso «die Option eines Referendums prüfen».
(https://ajour.ch/story/juso-droht-mit-dem-referendum-gegen-das-gesundheitszentrum-hinter-dem-bieler-bahnhof/33869)
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Schwieriges Verhältnis mit der Stadt Biel: Kulturzentrum Schlachthof fordert einfachere Zusammenarbeit
Der Schlachthof in Biel wurde vor 30 Jahren geschlossen. Seit der Schliessung wird das Areal zwischengenutzt und es ist ein Kulturzentrum entstanden. Die Interessengemeinschaft vom Zentrum hat aber immer wieder Probleme mit der Verwaltung von der Liegenschaft, welche über die Stadt Biel läuft. Das Verhältnis ist schwierig: Projekte werden erschwert oder können gar nicht umgesetzt werden. Jetzt wird ein runder Tisch gefordert, nicht zuletzt, weil der ehemalige Schlachthof ab nächster Woche unter Denkmalschutz steht.
https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/schwieriges-verhaeltnis-mit-der-stadt-biel-kulturzentrum-schlachthof-fordert-einfachere-zusammenarbeit-148365569
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Höhere Steuern und mögliche Enteignung: SP entwirft Massnahmenkatalog gegen Leerstände in Luzern
Nicht nur Hausbesetzern sind die leeren Häuser in Luzern ein Dorn im Auge, sondern auch der städtischen SP. In einem Postulat schlagen sie der Stadt einen Massnahmenkatalog vor, der dies verhindern soll. Und es in sich hat.
https://www.zentralplus.ch/wohnen-bauen/sp-entwirft-massnahmenkatalog-gegen-leerstaende-in-luzern-2470481/
+++GASSE
«Etwas zu essen zu kriegen, ist das kleinste Problem»
Das Wetter lädt aktuell nicht dazu ein, draussen zu verweilen. Doch Obdachlosen bleibt keine Wahl. Einer davon ist der 71-jährige René aus Basel.
https://telebasel.ch/2022/10/14/etwas-zu-essen-zu-kriegen-ist-das-kleinste-problem
+++DEMO/AKTION//REPRESSION
tagesanzeiger.ch 14.10.2022
Nächste Aktion von Klimaaktivisten: Aktivisten blockieren Utoquai – zwei kleben sich fest
In Zürich haben sich sieben Mitglieder von Renovate Switzerland auf die Strasse zwischen Bellevue und Utoquai gesetzt. Nach 40 Minuten war es vorbei.
David Sarasin, Lisa Aeschlimann
Sieben Aktivistinnen und Aktivisten setzen sich am Freitagmorgen um 7.45 Uhr beim Utoquai auf die Strasse. Mit orangen Leuchtwesten und grossen Transparenten blockieren sie die Strasse zwischen Bellevue und Opernhaus. Es sind Mitglieder von Renovate Switzerland – dieselben, die bereits letzten Samstag die Hardbrücke blockierten.
Ein Chaos wie damals gibt es aber nicht. Autofahrerinnen und -fahrer hupen zwar wütend, die meisten können aber auf der Strasse wenden und einen Umweg nehmen. Die Polizei ist bereits zu Beginn der Aktion vor Ort: Als die Aktivistinnen auf die Strasse marschieren, wartet ein Kastenwagen beim nächsten Rotlicht.
Sie diskutiert mit den Aktivisten und trägt fünf von ihnen weg. Um 8.15 Uhr sitzen nur noch zwei Mitglieder dort: Sie haben sich am Boden festgeklebt.
Weitere Einsatzkräfte regeln den Verkehr am Bürkliplatz, wo die Autos stehen. Das Gebiet ist mittlerweile grossräumig abgesperrt. Um die Festgeklebten hat die Polizei einen Korridor gebildet, durch den die Autos fortkommen. Kurz nach 8.30 Uhr sind auch die beiden Verbliebenen losgelöst und weggetragen worden.
Die Blockierer erhalten eine Wegweisung für 24 Stunden, sie müssen mit einer Anzeige rechnen.
Die Sprecherin von Renovate Switzerland sagt im Nachgang, sie hätte sich «mehr Spannung» erhofft – also mehr und härtere Diskussionen zwischen den Mitgliedern und Autofahrenden.
Ihr Ziel: Alle Gebäude sollen saniert werden
Renovate Switzerland ist eine Bewegung «des zivilen Widerstands», wie sie sich selbst auf der Website nennt. Beteiligt sind «gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen und Hintergründe», die mittels Strassenblockaden und anderer gewaltfreier Aktionen auf ihr Anliegen aufmerksam machen wollen. In der Schweiz sind laut Website rund 70 Personen aus verschiedenen Lebensbereichen und mit unterschiedlichen Erfahrungen an der Organisation der Kampagne beteiligt.
Ihr erklärtes Ziel: Sie wollen, dass alle Gebäude in der Schweiz saniert werden. Dies sei eine der wesentlichen Massnahmen, wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen wolle. Derzeit seien eine Million Häuser «dringend renovierungsbedürftig». Doch davon werde pro Jahr nur ein Prozent renoviert. «Beim derzeitigen Tempo wird es 100 Jahre dauern, um den gesamten Gebäudebestand der Schweiz zu sanieren», schreiben die Aktivisten auf ihrer Website.
Die Mehrheit kommt von Extinction Rebellion
Die Kampagne Renovate Switzerland macht derzeit mit Aktionen in der ganzen Schweiz auf sich aufmerksam. So klebte sich beispielsweise eine Professorin aus Protest in Bern an eine Strasse.
Die Bewegung setzt sich zu einem grossen Teil aus Mitgliedern der weltweit agierenden Aktivistengruppierung Extinction Rebellion (XR) zusammen. XR hat weltweit mit teils illegalen Aktionen für Aufsehen gesorgt. So hat der Schweizer Ableger im vergangenen Jahr an vier folgenden Tagen in Zürich die Kreuzung Bahnhof-/Uraniastrasse blockiert.
In Lausanne versperrten Aktivistinnen 2019 eine Brücke, in Zürich färbten sie im gleichen Jahr die Limmat mit fluoreszierender Farbe giftgrün ein. Weltweit sorgte die Gruppe schon mit der Sabotage von Strassen und Flughäfen für Aufsehen. Die Aktionen sollen dadurch einen Diskussion eröffnen, so die Mitglieder der Bewegung. Das Ziel sei es, die Politik zum Handeln zu bewegen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/aktivisten-blockieren-utoquai-zwei-kleben-sich-fest-979688038011)
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nzz.ch 14.10.2022
Aktivisten blockieren die Bellerivestrasse im Morgenverkehr – in Zürich gehören unbewilligte Kundgebungen zum Alltag
Selbst kleine Demos können grosse Kosten verursachen.
Matthias Niederberger
Freitagmorgen, kurz vor 8 Uhr: Auf der Bellerivestrasse in Zürich geht ausgerechnet im Stossverkehr, wenn Tausende Autos das Nadelöhr vor dem Bellevue passieren, nichts mehr. Aktivistinnen und Aktivsten der Organisation Renovate Switzerland blockieren die Strasse am Utoquai. Zwei Personen haben sich am Boden festklebt.
Die Stadtpolizei Zürich ist kurze Zeit später vor Ort, wie sie in einer Mitteilung schreibt. Polizisten fordern die Aktivsten auf, die Blockade zu beenden und die Örtlichkeit für den Verkehr freizugeben. Die beiden Festgeklebten werden durch die Sanität von der Fahrbahn gelöst. Sämtliche Protestierenden, zwei Frauen und fünf Männer, werden für weitere Abklärungen in eine Polizeiwache gebracht und wegen verschiedener Tatbestände angezeigt. Nach etwas mehr als einer halben Stunde rollt der Verkehr wieder.
Bei Renovate Switzerland handelt es sich um die gleiche Organisation, die bereits am vergangenen Samstag die Fahrbahn der Zürcher Hardbrücke blockiert hatte. Die Aktivsten hatten sich ebenfalls auf dem Asphalt festgeklebt.
Max Voegtli, 29 Jahre alt, kaufmannischer Angestellter, auf der Strasse für #RenovateSwitzerland in #Zürich. Verfolgen Sie die Fotos und Videos über https://t.co/OX3awAi6Gd. pic.twitter.com/7hD6WOvZSt
— Renovate Switzerland (@Renovate_CH) October 14, 2022
Renovate Switzerland versteht sich nach eigenen Angaben als Teil eines internationalen Netzwerks des zivilen Widerstands, wie es auf der Website heisst. Beteiligt seien gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger, die mit Strassenblockaden auf ihr Anliegen aufmerksam machen wollen. Der Bundesrat müsse eine Mobilisierung der Gesellschaft zur thermischen Renovation von Gebäuden anordnen – als ersten logischen Schritt, um aus den fossilen Energien auszusteigen und den ökologischen Wandel einzuleiten.
Sowohl die Kundgebung auf der Hardbrücke als auch jene auf der Bellerivestrasse waren nicht bewilligt. Das ist in Zürich nichts Aussergewöhnliches: Regelmässig finden hier unbewilligte Kundgebungen statt. Bekanntestes Beispiel ist die «Critical Mass», eine Velodemonstration, die immer am letzten Freitag im Monat durchgeführt wird. Hunderte Velofahrerinnen und Velofahrer bringen dann jeweils den Verkehr zum erliegen. Eine von der FDP angeforderte Auswertung ergab, dass jeweils bis zu 20 000 Pendlerinnen und Pendler betroffen sind.
Nicht bewilligte Veranstaltungen erfordern meist den Einsatz der Polizei. Die Stadtpolizei Zürich gibt keine Auskunft darüber, wie viele Polizisten am Freitagmorgen am Utoquai im Einsatz waren. Auch was die Kosten eines solchen Einsatzes betrifft, hält sie sich bedeckt.
Bis Anfang Oktober fanden in Zürich 71 Demonstrationen und 166 Kundgebungen statt. 28 Demonstrationen und 15 Kundgebungen waren nicht bewilligt.
Unbewilligte Kundgebungen verursachen hohe Kosten
Stephan Iten sitzt für die SVP im Zürcher Gemeinderat. Als Mitglied der parlamentarischen Sicherheitskommission schätzt er die Kosten, die bei einer Räumung entstehen, auf rund 100 000 Franken. Allfällige Sachschäden seien in dieser Schätzung noch nicht einbezogen.
Iten und die SVP stört, dass die Steuerzahler für diese Kosten aufkommen müssen. Die Junge SVP der Stadt Zürich hat vor kurzem die «Anti-Chaoten-Initiative» lanciert. Sie fordert unter anderem, dass Organisatoren von illegalen Kundgebungen oder Veranstaltungen künftig zur Kasse gebeten werden.
Stephan Iten sind die regelmässig stattfindenden unbewilligten Kundgebungen ein Dorn im Auge. Er sagt: «Mit solchen Aktionen verärgert man nur die Leute und erreicht sonst gar nichts.» Strassenblockaden wie jene am Freitagmorgen am Utoquai würden nicht nur den Privatverkehr behindern, sondern auch grosse Kosten für das Gewerbe verursachen. Das könne nicht das Ziel sein, egal, welche Ideologie man verfolge. Iten empfiehlt den Aktivistinnen und Aktivisten: «Geht in die Politik und packt die Probleme dort an.»
Sowohl auf der Bellerivestrasse als auch auf der Hardbrücke löste die Stadtpolizei die nicht bewilligten Kundgebungen von Renovate Switzerland rasch auf. Für Stephan Iten ist das einzig richtige Weg. Er ist zufrieden mit dem Einsatz der Polizei. Die nächste Kundgebung dürfte bald folgen.
(https://www.nzz.ch/zuerich/renovate-switzerland-blockiert-bellerivestrasse-in-zuerich-ld.1707375)
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-> https://www.20min.ch/story/klimaaktivisten-blockieren-utoquai-270753887836
-> https://www.blick.ch/schweiz/verkehrschaos-in-zuerich-klimaaktivisten-kleben-sich-am-utoquai-auf-die-strasse-id17961364.html
-> https://www.watson.ch/!584440657
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/42-prozent-mehr-konkurse-im-kanton-zuerich?id=12269917 (ab 04:40)
-> https://twitter.com/Renovate_CH
-> https://www.flickr.com/photos/195030052@N04/sets/72177720302890368/
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/klimaaktivisten-blockieren-utoquai-148365281
-> https://www.telem1.ch/aktuell/klimaaktivisten-blockieren-utoquai-148365272
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/mehrere-blockaden-deshalb-gehen-klimaaktivisten-so-radikal-vor-66303345
-> https://www.blick.ch/schweiz/sitzblockade-auf-schweizer-strassen-wer-steckt-hinter-renovate-switzerland-und-was-wollen-sie-id17963767.html
-> https://www.blick.ch/politik/politik-setzt-forderungen-schon-um-radikale-klima-aktivisten-rennen-offene-tueren-ein-id17963797.html
-> https://www.blick.ch/community/klimawahnsinn-oder-berechtigte-aktion-das-meint-die-community-zu-den-klebenden-klimaaktivisten-was-diese-leute-machen-ist-nur-kontraproduktiv-id17963315.html
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/aktivisten-drohen-mit-noch-mehr-klebe-action-148366614
+++SPORT
derbund.ch 14.10.2022
Proteste im WankdorfYB-Fans zeigen der Liga die Rote Karte
Künftig soll in der Super League mit Playoffs gespielt werden. Jetzt wehren sich die YB-Fans. Auch Sicherheitsdirektor Reto Nause ist angesäuert.
Claudia Salzmann
Schon auswärts in Luzern vor zwei Wochen protestierten die mitgereisten YB-Fans mit einem Banner: «Vernunft beweisen, Playoffs überdenken.» Sie äusserten damit ihren Unmut über die geplante Modusänderung, welche die Swiss Football League (SFL) im Frühling beschlossen hatte. Ab nächster Saison wird die Super League um zwei Teams aufgestockt. Nach 22 Runden werden die Teams in zwei Gruppen aufgeteilt: Diejenigen mit weniger Punkten spielen in der Abstiegsrunde, die Teams in der oberen Hälfte um den Meisterpokal. (Wie künftig in der Super League gespielt werden soll, lesen Sie hier.)
An der ausserordentlichen Generalversammlung im Mai stimmten die Clubs ab. Diejenigen, die im jetzigen Spielmodus reelle Chancen auf den Titel und Europacup-Plätze haben, waren dagegen. So auch YB-Vertreter Christoph Spycher. Eine Mehrheit der kleineren Clubs befürwortete derweil den neuen Modus.
Am letzten Samstag vor der Partie gegen den FC St. Gallen wurde der Fanprotest aufs ganze Wankdorf ausgeweitet. Nicht mehr nur die organisierten Fans, auch alle anderen Sektoren und sogar die gegnerischen Fans machten mit. Zum Anpfiff zeigten sie mit roten A4-Blättern dem SFV die Rote Karte. Für einmal waren sich die YB-Fans und die mitgereisten FC-St. Gallen-Anhänger einig und skandierten abwechselnd: «Scheiss Playoffs, scheiss Playoffs.»
Die Swiss Football League (SFL) beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit einem Moduswechsel. Meistens verschwanden die Ideen so schnell, wie sie aufgetaucht waren. Nicht so dieses Mal, fiel auch Luca Nicolai auf. Er ist seit 2008 Vorstandsmitglied im Fanlokal Halbzeit im Breitenrainquartier. «Als kurz vor der GV im Mai von einer Änderung des Spielmodus die Rede war, ging plötzlich alles rassig. Das klingt verdächtig nach einem Schnellschuss.» Er tut diesen Entscheid als Affekthandlung ab, die ohne Alternative und ohne Zustimmung der Fans gefällt worden sei.
Bei Fussballspielen der Super League ist auch Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause gefordert. «Die Modusänderung würde eine permanente Finalissima erzeugen», sagt der Mitte-Gemeinderat. Playoff-Spiele würden deutlich mehr Emotionen als ein einfaches Meisterschaftsspiel mit sich bringen. Diese Erfahrungen machte er mit Eishockeypartien, wo bereits seit 1986 im Playoff-Modus gespielt wird, aber deutlich weniger Polizeipräsenz nötig ist. «Beim SC Bern fährt die Kantonspolizei seit vier bis fünf Jahren nur die Grundversorgung hoch.» Vergleichen könne man die Sportarten nicht.
Steuerzahlende beruhigt Nause mit dem vorhandenen Abgeltungsmodell: Die Sicherheitskosten sind an effektiv geleistete Arbeitsstunden gekoppelt und würden mit YB abgerechnet. Die Rechnung könne man nicht auf einzelne Partien herunterbrechen und werde einmal pro Jahr gemacht. «Eine grosse Rolle spielt, ob YB in der Champions League ist. Und auf wen sie dort treffen», sagt er.
Gleiches gelte auch in der Super League: Anstatt zweimal pro Saison würde YB bis zu sechsmal die gleiche Mannschaft empfangen, Cupspiele sind da noch nicht einmal eingerechnet.
«Die Situation wäre unberechenbar. Und es ist für die Polizei eine Herausforderung, mit wenig Vorlauf ein entsprechendes Aufgebot zu planen», sagt Reto Nause. Gerade in Bern, wo allwöchentlich Demonstrationen, sonstige Veranstaltungen oder Staatsbesuche stattfinden. «Wir sind noch immer Bewilligungsbehörde und für die reibungslosen Abläufe verantwortlich.»
Reto Nause betont sein oberstes Ziel: die Fans im Perimeter Wankdorf Bahnhof zum Stadion zu begleiten. «Wir wollen möglichst keine Fanmärsche durch die Stadt. Das bringt unnötiges Risiko mit sich.»
Wie die Fans war auch die Kantonspolizei im Vorfeld bei den Diskussionen nicht involviert. «Planen wir Behörden Änderungen, dann wollen immer alle eingeladen sein und mitreden. Wir haben aus den Medien von der Modusänderung erfahren», empört sich der Sicherheitsdirektor.
Lukas Meier von der Berner Fanarbeit ist etwas diplomatischer, aber auch er ist irritiert über das Vorpreschen. «Das Vorgehen ist absolut befremdend. Sicherheitsaspekte und der Dialog wurden immer betont. Und jetzt kommt dieser einseitige Entscheid aus heiterem Himmel, der weitreichende Konsequenzen hat», sagt Meier.
Zwar wirke der Entscheid der Mitglieder der Generalversammlung auf Papier demokratisch, jedoch sei dieser in einer Blase gefällt worden. «Alle Schweizer Fankurven sind geschlossen dagegen. Auch die meisten Anhänger und Zuschauer, mit denen ich geredet habe, unterstützen diese Änderung nicht.»
Ihm sei bewusst, dass es nicht nur in der Super League zuletzt oft an Spannung gemangelt habe. In Deutschland wird mit dem FC Bayern München das ewig gleiche Team Meister, auch in der Schweiz sei es schon spannender gewesen. «Es ist immer schwieriger für die Kleinen, an die Honigtöpfe zu kommen.» Aber mit den Playoffs künstlich Spannung erzeugen zu wollen, findet er stossend.
Zurück ins Fanlokal Halbzeit: Luca Nicolai hat sich mit diversen Modusänderungen auseinandergesetzt. Wenn es unbedingt ein neuer Modus sein müsste, wäre ihm die schottische Variante am sympathischsten. Dort spielen Teams dreimal gegeneinander. Die Final- und Abstiegsrunden werden auf ein Minimum reduziert, und am Schluss ist der Erste Meister, die Teams dahinter spielen europäisch ohne Playoffs.
Doch auch da: «Ein Team spielt somit zweimal auswärts, das Losglück entscheidet also doch auch mit», gibt er zu bedenken. Der sportliche Wettbewerb müsse immer über die ganze Spielzeit im Vordergrund stehen. «Dabei muss jedes Spiel gegen jeden Gegner gleich viel zählen», sagt Nicolai.
Dachverband ruft zum Podium
Die Brisanz zeigt sich auch mit einer Medienmitteilung des Fandachverbands Ostkurve, der ausnahmsweise Stellung bezieht: Er kritisiert die Unattraktivität der ersten 22 Runden im neuen Modus. Und wirft Fragen auf: «Sind die Playoffs effektiv ein finanzieller Mehrwert für die Vereine? Sind Playoffs mit Leistungssport zu vereinbaren? Diese Fragen wollen sie am kommenden Montag in einer Podiumsdiskussion im Wankdorfstadion klären.
Die SFL begründe die Playoffs mit Planungssicherheiten und wirtschaftlichen Interessen, so Luca Nicolai vom Fanlokal Halbzeit. Dabei gehe es den meisten CEOs der Clubs schlicht um die Events und das Verkaufen von Werbung. Nicolai bilanziert: «Wir werden diese Entscheidung nicht einfach so hinnehmen. Wir kämpfen weiter.»
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Podiumsdiskussion zur geplanten Ligareform: Montag, 17. Oktober, Valiant Lounge im Wankdorf. Ab 19 Uhr Türöffnung. Gäste: YB-CEO Wanja Greuel, Fanarbeiter Lukas Meier, Mämä Sykora vom Fussballmagazin «Zwölf» und ein Vertreter der Ostkurve. Eintritt frei.
(https://www.derbund.ch/yb-fans-zeigen-der-liga-die-rote-karte-573677831455)
+++POLIZEI DE
Die Gefahr überforderter Wachhunde
Eine Berliner Polizeistudie betrachtet strukturellen Rassismus in der Behörde und weist auf fehlende Alternativen in Krisensituationen hin
Allein 2022 sind in Deutschland sechs Menschen in psychischen Notsituationen nach einem Polizeieinsatz gestorben. Dass die Behörde mit sozialen Problemlagen überfordert ist, zeigt auch die Berliner Polizeistudie.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1167691.polizeigewalt-die-gefahr-ueberforderter-wachhunde.html
+++RECHTSPOPULISMUS
Nutzt ein serbischer Nationalist die Schweiz für Propaganda?
Der serbisch-nationalistische Regisseur Boris Malagurski tourt mit seinem neuen Film ab heute durch die Schweiz. Nach der Intervention bosnischer Aktivist:innen wurden bereits zahlreiche Aufführungen abgesagt. Unsere Recherche.
https://www.swissinfo.ch/ger/boris-malagurski_nutzt-ein-serbischer-nationalist-die-schweiz-fuer-propaganda-/47978824
Angst vor Demos: Umstrittene serbische Filmvorführung in Bolligen abgesagt
Ein serbischer Dokumentarfilm würde «Gräueltaten verharmlosen», monieren bosnische Vereine. Nach Beschwerden wurde ein Filmanlass in Bolligen dieses Films abgesagt. Auch anderswo stehen Vorstellungen auf der Kippe.
https://www.baerntoday.ch/bern/region-bern/umstrittene-serbische-filmvorfuehrung-in-bolligen-abgesagt-148358168
JSVP zahlt Anwälte für «Gender-Gaga» an Uni
Die Junge SVP will dem «Gender-Gaga» mit Gratis-Anwälten entgegentreten, sollten Unis die Noten kürzen, wenn in Prüfungen nicht gegendert wird.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/jsvp-zahlt-anwalte-fur-gender-gaga-an-uni-66304595
+++RECHTSEXTREMISMUS
„Durch das Cover eines vulgären Ballermann-Hits auf seiner Handorgel erreichte Adrian „Adi“ Zurkirchen auf TikTok gerade viel Aufmerksamkeit, was wiederum Beachtung bei Medien und Radiosendern mit sich zog.
Zurkirchen hat neben seiner musikalischen, auch eine andere Seite. Wir wurden bereits um 2007 auf ihn aufmerksam, als er als Kranzträger des Neonaziaufmarsches in Sempach in Erscheinung trat. 2009 konnten wir seine Teilnahme am Aufmarsch in Sempach ebenfalls dokumentieren.
An aufkommenden Coronamassnahmen-Protesten war Zurkirchen 2021 zurück im Fokus (wie hier 2021 in Luzern).“
Mehr: https://twitter.com/antifa_bern/status/1580988706131185665
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/wolhuser-begeistert-mit-jodel-version-von-layla-148075793
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tagblatt.ch 14.10.2022
Der Amokfahrer und Thurgauer Neonazi rastet nach Gerichtsanhörung aus: Jetzt muss er in Turin einsitzen
Der «Schweizer Rambo» hat nach seinem Gerichtstermin am Dienstagnachmittag fünf Polizisten aus dem Gefängnis in Verbania angegriffen und verletzt. Die italienischen Behörden verlegten ihn deswegen in die psychiatrische Abteilung eines Turiner Gefängnisses. Die Schweizer Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen ihn.
Tobias Hug
Der 31-jährige in Weinfelden wohnhafte Neonazi macht nach seiner Verhaftung am vergangenen Samstag erneut Schlagzeilen. Wie die italienische Zeitung «La Stampa» berichtet, kam es am Dienstagnachmittag nach der gerichtlichen Anhörung im Gefängnis von Verbania zu wüsten Szenen: Gabriel G.* griff fünf Gefängnispolizisten an und verletzte diese.
Vicente Santilli, Regionalsekretär einer autonomen Gewerkschaft von Gefängnisbeamten, sagt zu «La Stampa»: «Das Schlimmste konnte abgewendet werden, aber sie wurden verletzt und mussten ins Krankenhaus.» Nach diesem erneuten Gewaltausbruch wurde der Verhaftete ins Gefängnis «Lorusso Cutugno» nach Turin verlegt, wo es eine spezielle psychiatrische Abteilung für Gefangene gibt.
Schneise der Zerstörung
Die Gerichtsanhörung selbst war zuvor erfolglos verlaufen. G. blieb beim Verhör stumm und beantwortete keine an ihn gerichteten Fragen, obwohl er offenbar Italienisch verstanden haben soll. Die Ermittler haben das Schweizer Konsulat benachrichtigt, aber bisher hat sich kein Familienmitglied oder Anwalt des Angeklagten gemeldet, um ihn zu unterstützen. Ein Verteidiger von Amts wegen wurde ihm daraufhin gestellt. Gemäss «La Stampa» ist G. ursprünglich aus Montreux im Kanton Waadt in den Thurgau gezügelt.
Kameraaufzeichnungen belegen, dass der Schweizer bereits am Samstagmittag des 8. Oktobers über Cannobio nach Italien eingereist ist. Kurz nach 18 Uhr raste er über die Staatsstrasse SS33 entlang des Westufers vom Lago Maggiore. Dabei machte er regelrecht Jagd auf andere Autofahrer und versuchte, diese zu rammen oder von der Strasse abzudrängen. Bei dieser halsbrecherischen Fahrt beschädigte er 15 Autos. Vier Personen, darunter eine Mutter mit ihrem kleinen Mädchen, erlitten einen leichten Schock.
-> https://youtu.be/X7GwoDRrDOw
Menschen und Fahrzeuge mit Gewehr bedroht
Anschliessend lenkte er seinen schwarzen VW Golf bei Meina auf eine Tankstelle. Bilder der dortigen Überwachungskamera zeigen, wie er mit nacktem Oberkörper einen alten Schweizer Armeekarabiner der Marke Schmidt Rubin K31 samt aufgestecktem Bajonett im Anschlag hat und auf Autos und Menschen zielt.
Anschliessend setzte er seine Amokfahrt fort, bis er vor der Stadt Stresa die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und an einer Leitplanke zum Stehen kam. Als die Carabinieri den Schweizer festnehmen wollen, bedrohte er auch sie mit dem geladenen Karabiner. Nachdem er sich mit mehreren bewaffneten Polizisten konfrontiert sah, gab er auf und warf sein Gewehr zu Boden. Um etwa 20 Uhr konnten Carabinieri von Verbania Gabriel G. verhaften.
Nazi-Devotionalen im Auto und Kokain im Blut
In seinem Auto fanden die Beamten nebst 45 Patronen des Kalibers 223, drei gestohlene Nummernschilder sowie ein Banner mit Hakenkreuz und Reichsadler. Eine kurze Überprüfung ergab, dass G. bei den Schweizer Behörden als mehrfach vorbestraft verzeichnet und als Neonazi aktenkundig ist.
Im aktuellen Fall seiner Amokfahrt wird wegen illegalen Besitzes und Tragens einer Waffe, schwerer Bedrohung, Körperverletzung und Widerstand gegen Beamte gegen ihn ermittelt. Die Staatsanwältin Olimpia Bossi sagt zu «La Stampa»: «Es ist klar, dass er in keiner Weise mit diesem Gewehr nach Italien hätte einreisen dürfen.» Leutnant James Lui, Kommandant der Polizeistation von Stresa, ergänzt: «Wir stehen in Kontakt mit dem internationalen Zentrum für polizeiliche Zusammenarbeit in Chiasso.»
Auch in der Gefängniszelle, in welche er nach seiner Verhaftung von Samstag auf Sonntag gebracht worden war, soll der Amokfahrer weitergewütet haben. Im Krankenhaus von Verbania ergab ein Drogentest, dass er unter dem Einfluss von Kokain stand.
Staatsanwaltschaft ordnete Hausdurchsuchung an
Bereits am Montag wurde von der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen eine Hausdurchsuchung am Wohnort des Beschuldigten durchgeführt. Laut Patrick Müller, stellvertretender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen, wurden dabei Beweismittel sichergestellt. Er sagt: «Die Kantonspolizei wertet die Ergebnisse der Hausdurchsuchung zurzeit aus. Unsere Informationslage ist dünn, da wir den aktuellen Stand der Dinge aus dem Prozess in Italien aus dem ‹Blick› entnehmen müssen.»
Gemäss Staatsanwaltschaft soll es im Jahre 2016 zu einem Prozess gegen Gabriel G. vor dem Bezirksgericht Frauenfeld gekommen sein. Tatsächlich: Laut dem damaligen Urteil wurde G. unter anderem wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung, Vergehen gegen das Waffengesetz, der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Sachbeschädigung angeklagt. G. wurde damals mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten belegt, welche jedoch «zu Gunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben» wurde. Ausserdem zog das Gericht den beschlagnahmten Teleskop-Schlagstock zur Vernichtung ein.
* Name der Redaktion bekannt.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kanton-thurgau/amoknazi-angeklagter-thurgauer-neonazi-rastet-nach-gerichtsanhoerung-aus-jetzt-muss-er-in-turin-einsitzen-ld.2358793?mktcid=smch&mktcval=twpost_2022-10-14)
+++FREIRÄUME 2
hauptstadt.be 14.10.2022
Kurz vor dem Start ausgebremst
Obwohl ein Mädchenhaus in der Region Bern von der Kantonsregierung zunächst als notwendig eingestuft wurde, wird das Projekt nicht vorangetrieben. Warum?
Von Jana Leu (Text) und Danielle Liniger (Fotos)
Wenn Frauen häusliche Gewalt erleben, finden sie Schutz in einem Frauenhaus. Ein Mädchenhaus ist das Pendant dazu für junge Frauen und Mädchen. 14 bis 20-Jährige finden an einem sicheren und insbesondere anonymen Ort Schutz vor psychischer, physischer und sexueller Gewalt. Während eines Aufenthaltes von bis zu drei Monaten erhalten die jungen Frauen professionelle 24-Stunden-Betreuung und die in einer Krisensituation nötige Tagesstruktur.
Das bisher einzige Mädchenhaus der Schweiz befindet sich in Zürich. In Bern existieren zwar drei anerkannte Frauenhäuser, ein schützendes Haus für Mädchen unter 18 Jahren fehlt aber – obschon der Bedarf mehrfach ausgewiesen worden ist. Zum Beispiel im 2021 veröffentlichten Bericht zur «Bedarfsabklärung für Schutzplätze von gewaltbetroffenen Mädchen» des Eidgenössischen Büros für Mann und Frau.
Auf diesen Bericht stützte sich der Bundesrat, als er im Juni 2022 ein Postulat der Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen (SP) beantwortete. Die Zahl der Gewaltstraftaten an jungen Frauen in der Schweiz hat zwischen 2012 und 2020 gemäss den Expert*innen um ein Viertel zugenommen. Deshalb empfiehlt der Bericht klipp und klar, «die Zahl der Schutzunterkünfte für Mädchen und junge Frauen zu erhöhen». Explizit auch im westlichen Teil der Schweiz, zu dem der Kanton Bern gehört.
Eine Sache der Kantone
Die Verantwortung dafür, Plätze zu schaffen und die Finanzierung sicherzustellen, weist der Bund den Kantonen zu. Im Kanton Bern hatte die Regierung zu diesem Thema schon zuvor überraschend klar Stellung genommen.
In der Antwort auf einen Vorstoss der damaligen Grossrätin Beatrice Stucki (SP) sprach der Regierungsrat 2019 von einer «vorhandenen Versorgungslücke», die ein Mädchenhaus «optimal schliessen» würde, weil «sowohl der nötige Schutz als auch die unabdingbare engmaschige 24-Stunden-Betreuung für Mädchen und junge Frauen sichergestellt wäre». Die Schaffung eines Mädchenhauses mit cirka sieben bis zehn Plätzen würde dazu beitragen, hielt der Regierungsrat weiter fest, «den aktuell kritisch hohen Auslastungsgrad der bestehenden Frauenhäuser auf ein vertretbares Niveau zu senken».
Das Pilotprojekt in Biel
Zu dieser positiven Einschätzung durch den Regierungsrat führte unter anderem die Erfahrung aus einem Pilotprojekt für ein Mädchenhaus in Biel. Während der Projektphase von acht Monaten fanden sieben junge Frauen im Alter von 18 bis 20 Jahren Schutz vor psychischer, physischer und sexueller Gewalt. Durchgeführt hat das Pilotprojekt der Verein MädchenHouse desFilles Biel-Bienne. Den Standort wählte der Verein aufgrund der Zweisprachigkeit. Zwar war die Laufdauer des Projekts von Anfang an begrenzt, das Ziel jedoch sollte ein nahtloser Übergang in eine feste Struktur sein. Das geschah so nicht. Nach den acht Monaten stand trotzdem fest: Das Projekt war ein «Erfolg». Der Bedarf für ein Mädchenhaus in Bern scheint nachgewiesen.
Melanie Hiltbrand, Co-Präsidentin des Vereins MädchenHouse desFilles Biel-Bienne, kennt die Bereiche Schutzunterkünfte für Gewaltbetroffene und Krisenintervention schon lange. Sie erzählt, dass viele Leute, die im Opferschutzbereich arbeiten, der Meinung sind, dass es neben dem Mädchenhaus in Zürich eine zweite Institution in der Schweiz brauche. Gestützt auf den Auswertungsbericht des Vereins MädchenHouse desFilles Biel-Bienne sei «auch der Kanton Bern nach zwei Jahren zu diesem Entschluss gekommen», sagt Hiltbrand.
Nachdem der Regierungsrat 2019 eine «vorhandene Versorgungslücke» ausgewiesen hatte, kam die konkrete Planung eines kantonalen Mädchenhauses beinahe zustande. Der Verein MädchenHouse desFilles Biel-Bienne wurde daraufhin aufgrund seiner Erfahrungen gar zu einem Projektplanungsgespräch bei der zuständigen Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) geladen. Doch dann reichte unter anderem die ehemalige Stiftungsrätin für Opferhilfe Vania Kohli (damals BDP) Ende 2019 im Grossen Rat eine Motion für eine kantonale Opferhilfestrategie ein. Die Sitzung mit dem Verein wurde abgesagt. Die konkrete Umsetzung eines Mädchenhauses in Bern wurde fürs Erste ad acta gelegt.
Melanie Hiltbrand versteht den abrupten Richtungswechsel nicht. Im Kanton Bern besteht «ein Bedarf von rund vier bis fünf Schutzplätzen», hält der Gesamtbericht der Opferhilfestrategie fest. «Zuerst kam der Regierungsrat zum Schluss, dass es sieben bis zehn Plätze braucht. Ein Jahr später waren es noch vier Plätze in bestehenden Frauenhäusern.» Das sind zwei bis drei Plätze weniger als es 2019 der Regierungsrat in seiner Antwort auf den Vorstoss von Beatrice Stucki vorschlug.
Hiltbrand erkennt in der Opferhilfestrategie des Kantons unter anderem eine wirtschaftliche Argumentation. «Dass Opferschutz kein gewinnbringendes Thema ist, ist klar. Warum es kein Mädchenhaus gibt, liegt nicht daran, dass es keines braucht, sondern weil es kostet», sagt sie. Zudem sei «Opferschutz keine Privatsache, die durch private Spenden finanziert werden soll, sondern eine Verantwortung der Gesellschaft», fügt Hiltbrand hinzu.
Es soll übersichtlich bleiben
Die zuständige Direktion von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) schreibt auf Anfrage, dass die Abklärung für Schutzplätze von gewaltbetroffenen Mädchen «einen Bedarf von vier bis fünf Plätzen» ergeben habe. Für die Schaffung und den Betrieb eines reinen Mädchenhauses wären aus wirtschaftlichen Gründen mehr Plätze nötig gewesen.
Die GSI möchte laut ihrer Darstellung auch darum auf ein Mädchenhaus verzichten, weil sie eine «übersichtliche Opferhilfelandschaft» anstrebe. «Es sind daher möglichst wenig zusätzliche Strukturen aufzubauen», schreibt GSI-Sprecher Gundekar Giebel. «Da sich die Schutzhäuser im Kanton Bern (Frauenhäuser und Männerhaus) mit der Thematik der häuslichen Gewalt bestens auskennen, liegt es nahe, dass sie ihre Angebote auf Kinder und junge Erwachsene ausbauen könnten.»
Die Häuser sind voll
So einfach umzusetzen ist die Idee des Kantons aber nicht. «Das Problem ist, dass im Kanton Bern alle Frauenhäuser voll sind. Wir müssen teils Frauen in Hotels unterbringen», so Marlies Haller, Geschäftsführerin der Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Derzeit liege der Auslastungsgrad bei 90 Prozent. Gemäss der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) ist eine Auslastung von 75 Prozent optimal, damit Spielraum besteht, auch im Notfall eine Frau mit Kindern aufnehmen zu können.
Hinzu kommt, dass in Frauenhäusern die passenden Strukturen für Mädchen fehlen. «Wir hatten auch schon junge Frauen bei uns, aber sie haben sich nicht wohl gefühlt. Es braucht eine zielgruppenorientierte Struktur und die richtigen Bewilligungen», sagt Haller. Kein Frauenhaus im Kanton Bern habe das derzeit.
Dem stimmt auch Melanie Hiltbrand vom Verein MädchenHouse desFilles Biel-Bienne zu. «Mit 16 Jahren steht man an einem anderen Punkt im Leben als mit 30. Die minderjährigen Mädchen brauchen eine Tagesstruktur, die Frauenhäuser nicht bieten, weil sie schlichtweg nicht darauf ausgerichtet sind.» Hinzu kommt, dass die Betreuung in der Nacht nicht gewährleistet werden kann.
Das Hauptproblem seien die fehlenden Ressourcen und der zeitgleich steigende Bedarf, sagt Marlies Haller. Die Stiftung für Gewalt an Frauen und Mädchen hat ihre Einschätzung zur Opferhilfstrategie des Kantons publiziert. Darin beurteilt sie unter anderem die angestrebte Kostenneutralität, welche Teil der geplanten Strategie ist, als unrealistisch. Gemäss dem Kanton sollen «Neuerungen, Innovationen und Optimierungsmassnahmen auf Kostenneutralität hin ausgerichtet werden».
Marlies Haller ist der Meinung, dass die Entwicklungen der Kriseninterventions-Angebote nicht miteinbezogen wurden. «Wenn man qualitativ gute Arbeit machen will, geht das nicht ohne finanziellen Mehraufwand. Die Zahl der Anfragen steigt. Ohne zusätzliche Plätze weiss ich nicht, wo wir diese Menschen unterbringen sollen», sagt sie.
Zürich hat es zustande gebracht
Auch das bisher schweizweit einzige Mädchenhaus in Zürich hatte zu Beginn Finanzierungsschwierigkeiten. Es wurde 1994 als Projekt aus dem Frauenhaus Zürich heraus gegründet und ein Jahr ohne jegliche Unterstützung geführt, erzählt die heutige Leiterin Dorothea Hollender.
Im darauffolgenden Jahr wurde das Projekt vom Bund als Heim anerkannt, seither wird es vom Kanton sowie von Spenden finanziell getragen. Damals sei die Gründung des Hauses zwar begrüsst worden, Subventionsbeiträge wurden von Stadt, Kanton und Bund aufgrund der damaligen Sparpolitik aber abgelehnt, schrieb der Tages-Anzeiger im Gründungsjahr des Mädchenhauses.
Nur fünf Jahre danach sagte die damalige Teamleiterin und Sozialpädagogin Eveline Jordi zur NZZ, «dass das Mädchenhaus heute so notwendig ist wie zum Zeitpunkt seiner Eröffnung. Nach wie vor sei das Schutzbedürfnis gross, und sexueller Missbrauch, Tätlichkeiten sowie psychische Übergriffe auf Mädchen und junge Frauen seien eine Realität.» Dieser Realität begegnen Mädchen und junge Frauen auch heute noch.
Wie geht es in Bern weiter? Der Verein MädchenHouse desFilles Biel-Bienne und die Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern in Bern versuchen nach wie vor, Einfluss auf die finale Erarbeitung der kantonalen Opferhilfestrategie zu nehmen. «Es gibt einige fachliche Probleme», erklärt Marlies Haller von der Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern.
Aber die Möglichkeiten seien begrenzt. «Wir haben uns mit verschiedenen politischen Menschen ausgetauscht, jetzt gibt es fast keinen Weg mehr, den wir noch gehen könnten», gibt Melanie Hiltbrand vom Verein MädchenHouse desFilles Biel-Bienne zu bedenken. Der Regierungsrat hätte entschieden, dass man etwas tun soll. «Dann hat man diese Entscheidung durch eine Hintertür ausgebremst und jetzt heisst es: ‹Wir machen es, aber anders.› Und dieses ‹Anders› ist nicht genug.»
(https://www.hauptstadt.be/a/maedchenhaus-bern)