Medienspiegel 28. September 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Abgewiesende Asylsuchende neu in Bellelay
Neues Rückkehrzentrum für abgewiesene Asylsuchende in Bellelay. Es stellt sich die Frage, ob dieses besser ist als das alte in Biel. (ab 05:41)
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2022-09-28



ajour.ch 28.09.2022

Asylpolitik: Naima Chouaf fühlt sich nun sicherer: «Bellelay ist besser als Bözingen»

Nach der Verlegung von Biel nach Bellelay hat sich der Alltag von Naima Chouaf verbessert. Aber ihre Einsprache gegen die Ausweisung mache keine Fortschritte, klagt die Marokkanerin.

Alexandre Wälti/pl

«Wir sind in Bellelay besser untergebracht und leben wenigstens zwischen richtigen Mauern.» Sie fühle sich hier sicherer, da es keine alleinstehenden Männer mehr vor Ort gebe, sagt Naima Chouaf, während sie sich einen Kaffee zubereitet. Sie, ihr Mann und ihre beiden Töchter teilen sich seit Ende Juli eine Wohnung mit einer anderen Familie abgewiesener Asylsuchender.

Derzeit beherbergt die Einrichtung in Bellelay, die von der privaten Firma ORS Group betrieben wird, 23 Menschen, ausschliesslich Familien. Die Aufnahmekapazität beträgt 30 Personen. Es handelt sich um die französischsprachigen Bewohner des ehemaligen Rückkehrzentrums Bözingen – eines Containerdorfs. Die neue Lösung ist vorläufig auf drei Jahre befristet. Wenn der Kanton die Nutzung verlängern will, muss er einen Antrag auf Umzonung des Geländes stellen. Auf Anfrage von «Tele Bielingue» gibt die kantonale Sicherheitsdirektion keine weiteren Details bekannt: «Fragen Sie bei der Gemeinde Saicourt», so die Antwort.

Das ehemalige Personalgebäude der psychiatrischen Klinik sei «viel sauberer», sagt die Marokkanerin, die nun am Tisch sitzt. Ein Blumenstrauss in der Mitte des Raumes, mehrere Kochtöpfe auf einem roten Schrank, weisse Vorhänge mit gewellter Bordüre und ein warmer Toaster zeugen von einem bescheidenen Zuhause. «Hier haben wir auch ein Gemeinschaftsbad und können die Tür während des Duschens schliessen, was in Bözingen nicht der Fall war. Wir haben auch ein kleines Wohnzimmer, in dem wir mit den Kindern spielen können», fährt die Mutter fort.

«Mitten im Nirgendwo»

Auch wenn die Stimmung im neuen Rückkehrzentrum besser als im Containerdorf von Bözingen ist, beklagen sich die Menschen über die Abgeschiedenheit der Anlage. Dazu erklärt Naima Chouaf: «Um Einkäufe zu erledigen, müssen wir uns gut organisieren, denn die öffentlichen Verkehrsmittel sind rar. Wir wohnen ja  weit entfernt von den grösseren Orten in der Umgebung.»

Andere Stimmen drücken ihren Unmut noch schärfer aus: «Wir haben das Gefühl, von der Gesellschaft ausgegrenzt und mitten im Nirgendwo weggesperrt zu sein», sagt eine andere Frau. Und die Bewohner müssten das Personal jedes Mal fragen, ob sie die Gemeinschaftsräume innerhalb des Zentrums nutzen dürfen.

Fahren bald mehr Busse?

Markus Gerber, Gemeindepräsident von Saicourt, würde «mittelfristig eine Erhöhung der Bustakte für die Asylsuchenden, aber auch im weiteren Sinne für die Entwicklung des Standorts Bellelay befürworten». Entsprechende Gespräche seien bereits im Gange. Er fügt hinzu, dass die untergebrachten Personen «bereits in der Schule direkten Kontakt mit der Bevölkerung haben und einige von ihnen jeden Mittwoch den kleinen Biomarkt in Bellelay besuchen, um sich auszutauschen».

Die Betreibergesellschaft ORS sei sich dieser Bedenken bewusst und tue ihr Bestes, um die Situation zu verbessern. «Wir organisieren zum Beispiel Lebensmittellieferungen aus der Gemeinde Champion, um der isolierten Lage des Heims besser gerecht zu werden», sagt Lutz Hahn, Kommunikationsverantwortlicher von ORS. Zudem seien weitere Verbesserungen geplant, wie die Zurverfügungstellung eines Fitness- und des grossen Gemeinschaftsraums. Die Organisation Save The Children werde die Zentrumsbetreiber bei der Gestaltung der gemeinsam genutzten Räume beraten, «damit sich die Familien dort so wohl wie möglich fühlen», sagt Lutz Hahn.

Gesuch um Bleiberecht liegt in Bern

Auch andere Nichtregierungsorganisationen fungieren als Bindeglied zwischen den Asylsuchenden und der Bevölkerung. Diese Unterstützung kommt auch der Familie von Naima Chouaf zugute: «Meine Töchter setzen mithilfe eines Vereins ihren Musikunterricht fort», freut sich die Mutter.

Der Schulbesuch der Kinder ist für die Familien ein zentrales Anliegen. «Es gibt keine Schule in unmittelbarer Nähe des Zentrums, aber die Busfahrpläne sind auf den Unterricht abgestimmt», sagt die 40-Jährige. Sie freut sich, dass ihre beiden kleinen Töchter den Unterricht lieben, «viel Spass mit den anderen Schülern» hätten, und dass die Lehrerinnen «wirklich sehr gastfreundlich» seien.

In der Gemeinde Saicourt teilt Bürgermeister Markus Gerber diese Einschätzung: «Bisher läuft die Integration in die Klassen ziemlich gut. Es gibt keine Störungsmeldungen aus der Bevölkerung. Wir tauschen uns alle zwei Monate mit dem Kanton und den anderen Verantwortlichen in Bellelay aus.»

Naima Chouaf, die jeden Tag von denselben drei ORS-Mitarbeitern, die bereits in Biel tätig waren, und einem Nachtwächter betreut wird, trinkt ihren Kaffee aus und spricht von einer «relativen Stabilität». Seit ihrer Ankunft in der Schweiz im Jahr 2016 hat sie siebenmal das Flüchtlingszentrum gewechselt. Nun sei sie «müde, von einem Ort zum anderen zu ziehen». Auf eine Antwort auf ihre Einsprache gegen die Ausweisung wartet sie immer noch.
(https://ajour.ch/story/naima-chouaf-f%C3%BChlt-sich-nun-sicherer-bellelay-ist-besser-als-b%C3%B6zingen/30477)


+++SCHWEIZ
Haben russische Deserteure Anspruch auf Asyl?
Russland zieht Soldaten ein. Können russische Kriegsdienstverweigerer in westliche Staaten fliehen? SRF hat mit einem Professor für Migrationsrecht gesprochen.
https://www.swissinfo.ch/ger/asyl-schweiz-voelkerrecht-_haben-russische-deserteure-anspruch-auf-asyl-/47935822


Schweiz und Österreich vereinbaren Aktionsplan gegen irreguläre Migration
Die Schweiz und Österreich arbeiten enger zusammen, um die irreguläre Migration wirksam einzudämmen. Darauf haben sich der österreichische Bundesinnenminister Gerhard Karner und Bundesrätin Karin Keller-Sutter am 28. September 2022 bei einem Arbeitstreffen in Zürich geeinigt. Der Aktionsplan sieht gemeinsame migrationspolitische Initiativen auf europäischer Ebene sowie eine engere bilaterale Zusammenarbeit vor.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-90515.html
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/zusammenschluss-gegen-illegale-einwanderung-148149894
-> https://www.20min.ch/story/lage-auf-balkanroute-ist-dramatisch-schweiz-beschuldigt-serbien-749126064037
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/fokus-aktionsplan-mit-oesterreich-gegen-irregulaere-migration?urn=urn:srf:video:c6846e3e-88b5-4b04-afc0-0a9dc691592b
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/keller-sutter-zu-aktionsplan-bei-dieser-migration-haelt-sich-die-begeisterung-sehr-in-grenzen


+++BALKANROUTE
Mehr Migration auf der Balkanroute: Erst nach Serbien und dann in die EU
Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2022 deutlich gestiegen – die meisten Menschen kamen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak über die sogenannte Balkanroute. Woran liegt das?
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/migration-balkanroute-101.html


+++GRIECHENLAND
Migrations- und Asylpolitik der EU:Freiheitsentzug als Programm
2020 brannte das griechische Flüchtlingslager Moria ab. Die EU versprach einen Neustart und ließ neue Camps bauen. Wie leben die Ankommenden dort?
https://taz.de/Migrations–und-Asylpolitik-der-EU/!5880241/


Geflüchteter als Schmuggler verurteilt
In Griechenland erhält 58-jähriger Iraner 18 Jahre Haft für das Fahren eines Schlepperautos
Der 58-jährige Iraner Homayoun Sabetara wollte 2021 zu seinen Töchtern nach Deutschland ziehen. Der Versuch endete in Griechenland in Untersuchungshaft und in einer Haftstrafe von 18 Jahren.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1167287.griechenland-gefluechteter-als-schmuggler-verurteilt.html


+++MITTELMEER
Fast 400 aus Seenot gerettete Menschen in Süditalien eingetroffen
Ein Zehntel der Geretteten waren unbegleitete Minderjährige. Die Hälfte der Menschen wurde jeweils von Frontex und der italienischen Küstenwache gerettet
https://www.derstandard.at/story/2000139519168/fast-400-aus-seenot-gerettete-menschen-in-sueditalien-eingetroffen?ref=rss


+++DROGENPOLITIK
Pilotprojekt in Zürich: Cannabis-Versuch droht Verzögerung – wegen Pestiziden im Gras
In der Studie sollen 2100 Probanden legal Cannabis beziehen können. Nun gibt es Probleme mit dem Lieferanten.
https://www.tagesanzeiger.ch/cannabis-versuch-droht-verzoegerung-wegen-pestiziden-im-gras-649284753701


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Häuserkämpfe aufkochen! [Zürich]
Seit 2013 ist das Koch Areal in Zürich Altstetten besetzt – und seitdem ist es der Versuch einer konkret gelebten Utopie. An keinem anderen Ort in dieser Stadt treffen politischer Widerstand, Gegenkultur und Lebensentwürfe unterschiedlichster Art so konzentriert aufeinander. Das Kochareal ist ein unkommerzielles Epizentrum von selbstbestimmter kultureller und politischer Organisation in Zürich und über die Stadt hinaus. Ein Raum, in dem Kultur, Zusammenwohnen und Gemeinschaft frei von ihrer ökonomischen Verwertbarkeit ausprobiert werden – selbstorganisierte Wohn-Communities leben neben und mit Projekten mit öffentlichem Anspruch. Auf dem Areal befindet sich eine, sich immer weiter entwickelnde, solidarische Infrastruktur mit Bar- und Konzertraum, Kino, (Sieb-)Druckerei, Velowerkstatt, Grossküche, Trainingsraum und vielem mehr. Das Koch ist ein Ver_Lernraum, ein Ort an dem Wissen geteilt und vielfältige radikalpolitische Praxis organisiert wird. Über 100 Menschen leben hier mit ihren unterschiedlichsten Ansprüchen und Perspektiven und im ständigen Verhandeln der Möglichkeiten und Grenzen solidarischer Gemeinschaften.
https://enough-is-enough14.org/2022/09/28/haeuserkaempfe-aufkochen-zuerich/


fight4rojava: AXA in Zürich eingeschlagen
Im Rahmen der internationalen Aktionswoche gegen die Unterstützung des türkischen Faschismus durch den AXA Konzern, haben wir diesen heute auch in seiner Niederlassung an der Limmatstrasse in Zürich mit Hammer und Spraydose besucht.
https://barrikade.info/article/5401


Anti-Regierungsproteste vor iranischer Botschaft in Bern – Echo der Zeit
Mahsa Aminis Tod bewegt die ganze Welt. Die 22-jährige Iranerin wurde Anfang September festgenommen, wegen eines Verstosses gegen die Kleidervorschriften. Später starb sie in Polizeigewahrsam. Seither gibt es weltweit Proteste – auch in der Schweiz. Seit Tagen gehen immer wieder Exil-Iraner auf die Strasse, so auch am Mittwoch vor der iranischen Botschaft in Bern.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/anti-regierungsproteste-vor-iranischer-botschaft-in-bern?partId=12262033


+++POLICE BE
Polizeigesetz soll den aktuellen Anforderungen angepasst werden
Das seit 2020 geltende Polizeigesetz hat sich bewährt. Die effizientere Zusammenarbeit zwischen Kantonspolizei und Gemeinden brachte administrative Erleichterungen. Insbesondere im sich rasch wandelnden Bereich der polizeilichen Massnahmen hat sich jedoch vereinzelt Aktualisierungsbedarf ergeben. Diesen will der Regierungsrat mit einer Teilrevision des Polizeigesetzes beheben. Die Vernehmlassung zur Gesetzesanpassung dauert bis am 6. Januar 2023.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=4c038693-abef-43e2-93ed-f131cb3e9a73
-> Vernehmlassungsunterlagen: https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=1ad0c79b0abe4ebfb4361f0e011522c3
-> https://www.derbund.ch/aufnahme-funktion-von-bodycams-wird-gesetzlich-geregelt-157405976927
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/polizeigesetz-im-kanton-bern-soll-erneut-ueberarbeitet-werden?id=12261847
-> Interview mit Regierungsrat Müller (ab 06:55): https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/der-kanton-bern-in-100-jahren-mit-palmen-und-ohne-co2?id=12262009



derbund.ch 28.09.2022

Damit «Hotspots» sicherer werden: Kanton Bern will rot-grünen Städten Videoüberwachung aufzwingen

Es gehe ihnen um weniger Bürokratie, sagen die Befürworter. Kritiker sprechen hingegen von einem Angriff auf die Gemeindeautonomie.

Andres Marti

Der bürgerliche Kanton will rot-grün regierte Städte wie Bern und Biel künftig zwingen können, «Hotspots» mit Videokameras zu überwachen. Dies zeigt die Lektüre des Vorschlags zur Revision des Polizeigesetzes, den die kantonale Sicherheitsdirektion am Mittwoch in die Vernehmlassung geschickt hat. In der Mitteilung des Kantons zur Vernehmlassung wird der umstrittene Artikel allerdings mit keinem Wort erwähnt.

Konkret soll die Sicherheitsdirektion bei «erhöhter Gefahrenlage» und gegen den Willen der Gemeinde an öffentlichen Orten selber eine Videoüberwachung anordnen können. Vorausgesetzt, eine Gemeinde bleibt trotz «entsprechender Empfehlung» untätig. Die Kosten für die aufgezwungene Videoüberwachung sollen der Gemeinde in Rechnung gestellt werden.

Die geplante Gesetzesänderung geht auf eine Motion zurück, die vor einem Jahr eine bürgerliche Mehrheit im Kantonsparlament überwiesen hat. Nun will die Sicherheitsdirektion den umstrittenen Gesetzesartikel im Rahmen einer Teilrevision des seit 2020 geltenden Polizeigesetzes umsetzen.

Kanton spricht von «Einzelfällen»

Kanton und Gemeinden seien gemeinsam für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verantwortlich, heisst es bei der Sicherheitsdirektion. Zwar bleibe es «grundsätzlich» in der Kompetenz der Gemeinden, an öffentlichen Orten Videoüberwachung einzusetzen.

Allerdings könne es «in Einzelfällen» vorkommen, «dass eine Gemeinde auch trotz einer Empfehlung keine Videoüberwachung anordnet und auch von anderen Massnahmen absieht». In solchen Fällen erscheint es der Sicherheitsdirektion «sinnvoll», wenn der Kanton «ersatzweise» in eigener Kompetenz eine Videoüberwachung anordnen kann.

Doch wo sind diese Fälle? Wo sind die untätigen Gemeinden mit ihren Hotspots, die sich den Empfehlungen der Polizei widersetzen? Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) räumt auf Anfrage ein, dass ihm zurzeit keine Orte bekannt seien, bei denen dieser Gesetzesentwurf zur Anwendung kommen könnte. Das könne sich aber auch wieder ändern.

«Auch mir sind derzeit keine Hotspots bekannt», sagt Francesco Rappa (Mitte), der Vater des umstrittenen Vorstosses. Warum dann überhaupt diese Gesetzesänderung? «Es geht mir darum, dass die Gemeinden darauf hingewiesen werden können, wenn es Probleme gibt», so Rappa. Die Sicherheit dürfe nicht aufgrund bürokratischer Zuständigkeitsfragen leiden.

Von einer Einschränkung der Gemeindeautonomie will Rappa nichts wissen: Niemand habe die Absicht, eine Gemeinde zu übergehen. Erst wenn die Gemeinde untätig bleibe und es zu einer Häufung von Delikten komme, könne der Kanton ohne Zustimmung der Gemeinde aktiv werden.

Rappa betont, dass es sich bei seinem Vorstoss keineswegs um einen Reitschule-Vorstoss handle. Die Ausschreitungen und die Diskussionen um eine Videoüberwachung der Schützenmatte seien schon eine Weile her.

Kritik an der Gesetzesänderung kommt dennoch und von linker Seite: «Es ist mit Blick auf die Gemeindeautonomie demokratiepolitisch unverständlich, dass es zulässig sein soll, dass der Kanton Gemeinden zu einer Videoüberwachung zwingen kann», sagt Dominic Nellen, SP-Stadtrat und Vorstandsmitglied der Demokratischen Juristinnen und Juristen (DJ).

Angriff auf linke Städte?

Wie viele Linke lehnen auch die DJ eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum generell ab. Sie schaffe keine Sicherheit und sei ein Eingriff in die Grund- und Persönlichkeitsrechte aller, sagen sie. Klar ablehnend äusserte sich vor einem Jahr auch der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr (SP). Regierungsrat und Parlament würden die Gemeindeautonomie «eiskalt» einschränken.

Fehr ist zudem überzeugt, dass es sich bei diesem Vorstoss um einen «Angriff auf links-grün regierte Städte» handelt. Im Berner Gemeinderat wollte sich vor Abschluss der Vernehmlassung niemand öffentlich zu den Änderungen äussern.

Und was sagt der Gemeindeverband? Präsident Daniel Bichsel (SVP) äussert sich diplomatisch: «Nicht ganz unproblematisch», sei der Eingriff des Kantons in die Gemeindeautonomie, so Bichsel, Gemeindepräsident in Zollikofen. In den Gemeinden dürften nur gewählte Behörden eine Videoüberwachung anordnen, gibt Bichsel zu bedenken.

«Es ist für die Legitimation des neuen Gesetzes nicht gerade förderlich, wenn nun einfach eine Stelle in der Sicherheitsdirektion die Gemeinden zwingen kann, ein bestimmtes Areal mit Kameras zu überwachen.» Wenn schon, dann müsste der Entscheid vom gesamten Regierungsrat gefällt werden, so Bichsel. Obwohl in der SVP, hat er sich im Kantonsparlament während der Abstimmung zur Motion enthalten.
(https://www.derbund.ch/kanton-bern-will-gemeinden-videoueberwachung-aufzwingen-940582869173)


+++RECHTSPOPULISMUS
Nach Konzertabbruch: «Komplett absurd» – Brasserie Lorraine wirft Armeeangehörige in Uniform raus
Nach dem Konzertabbruch wegen Rastas bei Weissen hat die Brasserie Lorraine Angehörige der Armee aus dem Lokal geworfen. Uniformen seien nicht erwünscht, heisst es.
https://www.20min.ch/story/komplett-absurd-brasserie-lorraine-wirft-armeeangehoerige-in-uniform-raus-644747609779
-> https://www.20min.ch/story/toleranz-und-respekt-gehen-da-voellig-den-bach-runter-211022662849
-> https://www.derbund.ch/brasserie-lorraine-will-fuenf-soldaten-nicht-bedienen-301953707554
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/brasserie-lorraine-schmeisst-armeeangehoerige-raus-148139866
-> https://www.watson.ch/schweiz/armee/314147255-uniformierte-unerwuenscht-brasserie-lorraine-wirft-armeeanghoerige-raus
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/nach-rasta-eklat-sorgt-berner-beiz-schon-wieder-fuer-aerger-brasserie-lorraine-schmeisst-armeeangehoerige-in-uniform-raus-id17916208.html
-> https://weltwoche.ch/daily/auf-das-rasta-gate-folgt-armee-affront-in-der-brasserie-loraine-sind-nicht-nur-rasta-frisuren-verboten-sondern-auch-uniformen/
-> https://www.watson.ch/!549424606
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/armeeangehoerige-werden-in-der-brasserie-lorraine-nicht-serviert-148150489
-> https://www.baerntoday.ch/bern/diskriminierung-fuer-svp-freier-markt-fuer-gruene-die-reaktionen-zum-soldaten-rauswurf-148150935
-> https://www.20min.ch/story/ignoranz-gegenueber-buergerinnen-und-buergern-in-uniform-ist-eine-schande-655297110944


+++RECHTSEXTREMISMUS
Hammerskins in Osteuropa – Umstrittene Brüder
Anfang der 1990er Jahre schlossen sich auch in Osteuropa Neonazis zusammen, um mit eigenen Chaptern Teil der «Hammerskin Nation» (HSN) sein zu können. Vor allem die Mitglieder der Bruderschaft in Tschechien und in der Slowakei pflegten damals engen Kontakt zu den Hammerskins in Westeuropa, die wiederum regelmäßig an Konzerten in den Statten der ehemaligen Sowjet-Zone teilnahmen. Aufgrund einer chauvinistischen Haltung und da man glaubte, dass Chapter in Osteuropa nicht zu kontrollieren sein würden, wurden diese noch vor der Jahrtausendwende aus der HSN verbannt. Heute existiert kein vollwertiges Chapter östlich von Oder und Neisse. Das östlichste, aktive Chapter der HSN in Europa ist das der «Hungarian Hammerskins». Einzelne Neonazis durften sich aber ab 2012 der Unterstützungsstruktur «Crew 38» anschließen, die bis heute in Moskau und St. Petersburg aktiv ist.
https://exif-recherche.org/?p=9760



luzernerzeitung.ch 28.09.2022

Putins berüchtigte Biker-Gang: Propaganda mitten auf dem Gotthard – wie kann das sein?

Botschafter von Russland und Belarus feiern mit der Biker-Gang «Nachtwölfe» am Urner Suworow-Denkmal. Der Anlass von vergangenem Samstag wird in Russland propagandistisch ausgeschlachtet.

Benjamin Rosch

Die russische Botschaft in Bern kann zufrieden sein. Innert kurzer Zeit sind ihr gleich zwei Erfolge in der weltweiten Propagandaschlacht gelungen. Erst neulich konnte sie ein Foto von Bundespräsident Ignazio Cassis verbreiten, der an der Seite des russischen Aussenministers Sergei Lawrow in die Kamera grinst. Und jetzt das: Vergangenen Samstag hielten der russische Botschafter Sergei Garmonin und sein belarussisches Pendant eine patriotische Gedenkfeier ab, flankiert von internationalen Vertretern der berüchtigten Biker-Gang «Nachtwölfe» sowie Repräsentanten der russisch-orthodoxen Kirche – mitten in der Schweiz.

Die russische Nachrichtenagentur TASS nahm die Meldung dankbar auf, schrieb von einer Feier, die trotz Widerstand der Schweizer Behörden habe stattfinden können. «Russkiymir» titelte keck: «Die Schweiz feiert den Jahrestag der Alpenüberquerung der Armee von Alexander Suworow». Das russische Aussenministerium teilte einen Tweet dazu. Was war geschehen?

Merz mit Medwedew

Seit September 1898, dem hundertsten Jahrestag der Schlacht in der Schöllenenschlucht, erinnert das Russendenkmal an General Alexander Suworow, der im zweiten Koalitionskrieg die Franzosen unter grossen Verlusten geschlagen hatte. Das riesige Kreuz war schon in seiner Entstehung ein Politikum. Der Bundesrat sah es aus Gründen der Neutralität nicht gerne, dass ausgerechnet am Gotthard eine fremde Macht ihrem Feldherrn gedenken wollte. Indem man das Kreuz den toten Soldaten widmete, fand man einen Kompromiss.

Die Erinnerungskultur insbesondere an kriegerische Auseinandersetzungen hat einen hohen Stellenwert in einem Land, dessen immense Verluste auf dem Feld eine Konstante in der Geschichte bedeuten. 2009 war es der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew, der einen Kranz vor das Kreuz bei Andermatt legte, zusammen mit Bundesrat Hans-Rudolf Merz.

Behörden und Botschaft suchen einen Weg

Dieses Jahr stand der Gedenktag freilich unter anderen Vorzeichen. Als die Urner Behörden von einer möglichen Gedenkfeier der russischen Botschaft in Bern – Eigentümerin des Denkmals – Wind bekamen, standen sie vor einer schwierigen Frage. Wie soll das stattfinden? «Vor dem Hintergrund des aktuellen kriegerischen Konflikts in der Ukraine habe ich das Gespräch mit der russischen Botschaft und dem Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) gesucht», erzählt Gustav Planzer, stellvertretender Kommandant der Urner Kantonspolizei. «Als Resultat der Gespräche wurde die Gedenkzeremonie in einem kleinen, privaten Rahmen durchgeführt. Die Gedenkzeremonie musste im Vergleich zu anderen Jahren personell, zeitlich und inhaltlich stark redimensioniert werden.»

Die Kantonsbehörden bemühten sich, den Ball flach zu halten. Von der Regierung nahm niemand am Anlass teil, lokale Medien, sonst regelmässig zu Gast an der Feier, wurden nicht informiert. So klein sei die Feier gewesen, dass es nicht einmal mehr eine Bewilligung brauchte. Sicherheitskräfte waren vor Ort, aber wohl, weil «völkerrechtlich geschützten Personen besondere Schutzmassnahmen gewährleistet werden müssen», wie Planzer erklärt. Schutz für die Diplomaten aus Russland und Belarus also.

Ganz anders hatte das noch im Frühling ausgesehen, als eine russische Gedenkfeier im Friedhof Hörnli in Basel stattfand: Dutzende Beamte in Vollmontur riegelten den ganzen Friedhof ab. Grund für die Vorsorge war unter anderem ein Aufmarsch der Nachtwölfe, die nationalistische Biker-Gang von Putins Gnaden. Während des offiziellen Teils der Feier mussten die Biker draussen warten.

Ein Totenkopf-Helm mit dem weissen «Z»

Auch am vergangenen Samstag kreuzten die Nachtwölfe auf. Der russische Botschafter verbreitete Bilder, auf denen er sich mit deren Schweizer Anführer Artjom S. sowie anderen in Szene setzt. Wie die Nachtwölfe auf Facebook schrieben, soll es sich um ein internationales Treffen gehandelt haben, mit Vertretern von Chaptern etwa aus Serbien, Montenegro oder Deutschland. Das deutet auf gute Vernetzung hin: Das Schweizer Chapter sei noch relativ jung und auch nicht sehr gross, schreibt das Fedpol. Man gehe von einer einstelligen Mitgliederzahl aus, «die in der Schweiz bisher aus polizeilicher Sicht unauffällig geblieben ist».

Dass es beim nationalistischen Stelldichein nicht nur um Positionsbezug für vergangene Kriege ging, beweist hingegen ein anderes Foto: Darauf posieren die Rocker hinter einem behelmten Totenkopf mit weissem «Z» auf der Stirnseite – dem Symbol von Putins Ukraine-Invasion. Das Foto dürfte im Kontext des Rockertreffens entstanden sein. In Telegram-Chats verbreiteten sich Bilder des Schweizer Treffens um den Globus.

Eine Ikone für den «Freund der Russen»

Obwohl die Urner Regierung dieses Jahr der Schöllenenschlucht fernblieb: Mindestens ein Schweizer war vor Ort und das in prominenter Rolle. Ferdinand Muheim, ehemaliger Gemeindepräsident von Andermatt, Ex-Verwaltungsrat des Eishockey-Clubs Ambri Piotta und selbst ernannter Freund der Russen, durfte die Wertschätzung der Föderation entgegennehmen. Für seine Verdienste im Rahmen der Suworow-Stiftung wurde er im Kreis eines orthodoxen Vikars gar mit der Ikone eines russischen Admirals geehrt. Es war nicht die erste Würde für den Träger des Lenin-Ordens und des «Orden der Freundschaft», angeordnet von Putin persönlich.

Muheim wollte sich auf Anfrage nicht zur Veranstaltung äussern, am Telefon gibt er sich kurz angebunden: Die Medien hätten schon genug kaputtgemacht. Gut möglich, dass Muheim auf vergangenen Frühling anspielt. Eigentlich als Ehrengast am Zürcher Sechseläuten geladen, wurden ihm seine Verbindungen in Russlands Elite nach einem NZZ-Artikel zum Verhängnis: Kurzerhand lud die Zunft zur Schneidern Muheim wieder aus. Dabei hatte sich Muheim vom russischen Kriegstreiben distanziert.

EDA verweist auf Verantwortung des Kantons

Schmallippig fällt auch die Antwort des Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf einen Fragenkatalog dieser Zeitung aus. Ein Sprecher bestätigt den Kontakt mit den Urner Behörden. Dort liege auch die Verantwortung: «Der Entscheid zur Durchführung des Anlasses lag beim Kanton. Die Kantonsbehörden haben angeordnet, dass die Zeremonie mit Einschränkungen durchgeführt werden soll.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/gedenkfeier-putins-beruechtigte-biker-gang-propaganda-mitten-auf-dem-gotthard-wie-kann-das-sein-ld.2350317)
-> https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/uri/botschafter-war-auch-dabei-putins-nachtwoelfe-feiern-vor-denkmal-mitten-in-der-schweiz-id17918276.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Apple wirft russisches Facebook und alle VK-Apps aus dem App Store – das sind die Folgen
Der russische Techkonzern hat den Rauswurf bestätigt. Die Folgen für die russischen Apple-Nutzerinnen und -Nutzer sind potenziell gravierend. Betroffen sind aber auch Demokratiefeinde im Westen.
https://www.watson.ch/!981587468


+++ANTI-WOKE/DREADLOCKSMANIA/WINNETOUWHINING
Zurich Film Festival zeigt «Der junge Häuptling Winnetou» – Tagesschau
Obschon der Film «Der junge Häuptling Winnetou» in anderen Ländern eine Debatte zu kultureller Aneignung und Rassismus ausgelöst hat, entschied das Zurich Film Festival, ihn trotzdem zu zeigen.
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/zurich-film-festival-zeigt-der-junge-haeuptling-winnetou?urn=urn:srf:video:54f039e9-bada-4937-adb6-b3d7a6a5c16a


+++HISTORY
Provenienzforschung: Bei diesem Juwel ist die Schweiz sehr vergesslich
Viele Werke im Museum «Am Römerholz» hat der Sammler Oskar Reinhart während oder unmittelbar nach der NS-Zeit erworben, unter teils zweifelhaften Umständen. Trotzdem geht der Bund als Eigentümer davon aus, dass alle Objekte unbedenklich sind.
https://www.woz.ch/2238/provenienzforschung/provenienzforschung-bei-diesem-juwel-ist-die-schweiz-sehr-vergesslich


Dunkles Kapitel der Geschichte endlich aufarbeiten: Zürcher Stadtrat will Opfer der Sozialbehörden entschädigen
Wer vor 1981 Unrecht durch die Zürcher Sozialbehörden erfahren hat, soll mit 25’000 Franken entschädigt werden. Opfer von Fremdplatzierungen oder sogenannter Nacherziehung kämen etwa infrage, teilte der Stadtrat mit. Zudem werde dieses dunkle Kapitel historisch aufgearbeitet.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zwangsmassnahmen-dunkles-kapitel-der-geschichte-endlich-aufarbeiten-zuercher-stadtrat-will-opfer-der-sozialbehoerden-entschaedigen-ld.2350885
-> https://www.zsz.ch/25-000-franken-fuer-jedes-opfer-der-sozialbehoerden-191995131346
-> https://www.stadt-zuerich.ch/sd/de/index/ueber_das_departement/medien/medienmitteilungen_aktuell/2022/september/220928a.html


«Sie trugen nichts als Algen»
Im Kunstmuseum Thurgau werden Fotographien von Schweizer Psychiatrien zwischen 1880 und 1935 gezeigt. Die Fotos wurden von Ärzten gemacht und zeigen, wie psychisch kranke Menschen behandelt worden sind.
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/sie-trugen-nichts-als-algen-00194935/