Medienspiegel 19. August 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Schulstart für ukrainische Kinder in Burgdorf
Nach den Sommerferien startete diese Woche in Burgdorf für 122 ukrainische Kinder und Jugendliche wieder die Schule. Dafür musste eine ganze Schule aufgebaut werden – an 4 Standorten, mit 11 Klassen und 31 Lehrer:innen. Eine Herausforderung für die Gemeinde.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/schulstart-fuer-ukrainische-kinder-in-burgdorf?urn=urn:srf:video:5c4e0f58-fa82-4f45-872c-f504f82d297a


Steffisburg BE: Altersheim wird zur Unterkunft für Flüchtlinge
Die Besitzinnen des heutigen Alters- und Pflegeheims „untere Mühle“ vermieten das Gebäude dem Kanton. Aktuell gibt es dort 33 Pflegeplätze. Die Gemeinde Steffisburg wehrt sich: Man sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Und das Gebäude eigne sich nicht zur Unterbringung von 164 Menschen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/steffisburg-be-altersheim-wird-zur-unterkunft-fuer-fluechtlinge?id=12240921



bernerzeitung.ch 19.08.2022

Untere Mühle SteffisburgRote Köpfe wegen neuer Kollektivunterkunft

Die Besitzer der Unteren Mühle und der Kanton stellen Steffisburg vor vollendete Tatsachen: 2023 wird eine Kollektivunterkunft für Geflüchtete eröffnet. Der Gemeinderat wehrt sich.

Marco Zysset

Drei Medienmitteilungen von drei Institutionen zum gleichen Thema innerhalb weniger Minuten: ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Beteiligten ein grosses Bedürfnis haben, ihre Sicht der Dinge auf einen Sachverhalt zu schildern, der kritische Stimmen hervorrufen dürfte. Zum Beispiel die Einrichtung einer Kollektivunterkunft für geflohene Menschen in einem Altersheim mitten im Dorf.

So teilten die Direktion für Gesundheit, Soziales und Integration (GSI) des Kantons Bern sowie die Esther-Schüpbach-Stiftung (ESS) und die Stiftung Solina am Donnerstagabend gleichzeitig mit, dass das Altersheim Untere Mühle in Steffisburg aufgegeben wird. Stattdessen betreibt der Verein Asyl Berner Oberland dort ab Anfang 2023 im Auftrag des Kantons eine Kollektivunterkunft für geflüchtete Menschen.

Wenig später tat die Gemeinde Steffisburg kund, der Gemeinderat sei über den «späten Zeitpunkt sowie die Art und Weise der Kommunikation irritiert». Nach der Information weniger als zwei Wochen zuvor habe er «seinen Unmut über das Vorgehen sowie die ungenügende Kommunikation den involvierten Parteien kundgetan».

Information war «nicht ideal»

Was war passiert – und wie konnte es dazu kommen, dass eine Gemeinde, die in der Vergangenheit immer wieder geflüchtete Menschen aufgenommen hat, so vor den Kopf gestossen wird? «Die kurzfristige Information war nicht ideal», sagt Christian Rohr. Er ist Geschäftsleiter von Asyl Berner Oberland. «Aber unter den gegebenen Umständen sahen die Beteiligten schlicht keinen anderen Weg.»

Und eben diese Umstände sind tatsächlich überraschend: Noch diesen März haben die Stiftungsräte der Esther-Schüpbach-Stiftung (ESS) und der Stiftung Solina mit Blick auf ihre Fusion erklärt, alle bestehenden Standorte der fusionierten Stiftung vorderhand weiterzuführen.

Dass nur gut fünf Monate später die Schliessung der Unteren Mühle mit ihren 33 Pflegeplätzen angekündigt wird, begründet Claudio Chiabuschi, Präsident der ESS, wie folgt: «Im Gegensatz zum Standort am Kirchbühl verfügt die Untere Mühle weder über Aussicht noch Umschwung noch Rückzugsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden. Damit punkten wir nicht bei Personen, die einen Pflegeplatz suchen, und schon gar nicht bei Fachkräften, die sich in der Region um eine Stelle bewerben.»

Zu wenig Personal

Zwar bewegt sich die Nachfrage nach Pflegeplätzen gemäss Ciabuschi «fast wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie». Jedoch habe sich die Situation am Arbeitsmarkt deutlich zugespitzt. Es werde immer schwieriger, offene Stellen wieder zu besetzen. «Wenn Stellen über längere Zeit offen bleiben, muss man einen Aufnahmestopp verfügen, damit das Pflegepersonal nicht ausbrennt oder in eine Abwärtsspirale gerät», sagt Chiabuschi.

Auf der Suche nach möglichen anderen Nutzungen für die Liegenschaft kontaktierten die Eigentümer deshalb im Juni den Krisenstab Ukraine des Kantons Bern; worauf «alles sehr schnell» gegangen sei: Kanton und ESS haben einen Mietvertrag ausgehandelt, den die Stiftungsräte von ESS und Solina genehmigten. Und damit das Ende des Standortes Untere Mühle früher als eigentlich angedacht besiegelten.

Platz für fünfmal mehr Menschen?

Am Donnerstag wurden die Angestellten informiert. Während für 18 Personen im Pflege- und Hauswirtschaftsbereich intern Alternativen zur Verfügung stehen, könnten es in den Bereichen Administration und Gastronomie Entlassungen «wohl nicht vermieden werden», sagt Solina-Geschäftsführer Patric Bhend. Für 11 Personen laufe die Suche nach Anschlusslösungen. «Wir kriegten bereits Angebote, die wir nun prüfen», so Bhend. Sicher sei, dass die vier Lernenden alle weiterbeschäftigt werden.

Für die Menschen, die derzeit in der Unteren Mühle leben, würden intern und extern Alternativen gesucht. Mittelfristig gehen die Plätze der Stiftung Solina aber nicht verloren; sie sollen in den angedachten ESS-Neubau am Kirchbühl integriert werden.

Kurzum: Die Untere Mühle wäre in ihrer heutigen Form nicht weiterbetrieben worden. Ziel der neuen Nutzung ist, dass der Verein Asyl Berner Oberland (ABO) ab 1. Januar 2023 eine Kollektivunterkunft für bis zu 164 geflüchtete Menschen betreibt. Ist diese Zahl mit Blick auf die 33 Pflegeplätze nicht etwas hoch? «Nein», sagt ABO-Geschäftsführer Christian Rohr. «Im Gegensatz zur Pflege können wir in einem Zimmer bis zu vier Personen unterbringen.» Trotz des fehlenden Umschwungs sei der Standort ideal, sagt er.

«Er verfügt über Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume und ist nah von Schulen und öffentlichen Gebäuden – was für Menschen ideal ist, deren Integration im Vordergrund steht.» Anders als etwa in einem Rückkehrzentrum würden die Geflüchteten, die künftig in der Unteren Mühle leben, «täglich ein- und ausgehen – zum Beispiel für Sprachkurse oder um zu arbeiten.» Und mit Blick auf die Belegung lässt Rohr durchblicken, dass ABO nicht mit einer ständigen Vollbelegung plant. «Wir gehen im Schnitt von 80 Prozent aus.» Was rund 130 Personen bedeuten würde.

Gemeinderat kündigt Widerstand an

Trotzdem ist der Gemeinderat skeptisch: Gemeindepräsident Reto Jakob (SVP) bestätigt auf Anfrage die Aussage aus der Medienmitteilung vom Donnerstag: «Der Gemeinderat erachtet den vom Kanton Bern ausgewählten Standort für das geplante Asyl- und Integrationszentrum als ungeeignet.»

Zudem stösst dem Rat sauer auf, dass er vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. «Wir finden es daneben, dass die Gemeinde, welche den grossen Teil der Leistungen für die Menschen erbringt, die dort wohnen, nicht involviert wird», sagt Jakob. Er betont zwar: «Wir leisten gerne unseren Teil zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen – wie wir das in der Vergangenheit auch schon getan haben.» Aber den Standort Untere Mühle werde der Gemeinderat zu verhindern suchen. «Dazu werden in den nächsten Wochen Gespräche mit dem Kanton stattfinden.»
(https://www.bernerzeitung.ch/rote-koepfe-wegen-neuer-kollektivunterkunft-158529280780)


+++APPENZELL
Drei-Sterne-Haus wird zum Flüchtlingsheim: Geflüchtete werden in Speicher in einem Hotel untergebracht
Der Appenzellerhof in Speicher wird nicht länger als Hotel genutzt. Darum bringen die Sozialen Dienste im Gebäude nun Geflüchtete unter.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/gefluechtete-werden-im-hotel-untergebracht-ld.2329199


+++LUZERN
Wo Flüchtlinge einen Unterschlupf haben – Libellenhof Luzern: Baugesuch ist eingereicht
Die Wohnbaugenossenschaft Luzern stellt dem Kanton Luzern seit Monaten an der Libellenstrasse rund 80 Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung. Damit könnte bald Schluss sein. Das Baugesuch für das Areal wurde eingereicht.
https://www.zentralplus.ch/wohnen-bauen/libellenhof-luzern-baugesuch-ist-eingereicht-2432301/



luzernerzeitung.ch 19.08.2022

Ukraine-Hilfsorganisation fordert, dass der Kanton Geflüchtete besser unterstützt

Seit knapp vier Monaten bietet das Zentrum Prostir in Reussbühl eine Ruhe-Oase für ukrainische Flüchtlinge. Die Organisation übernimmt immer mehr Aufgaben – und wird auch selbstbewusster.

Simon Mathis

Seit nun schon fast vier Monaten bietet das Kultur- und Begegnungszentrum Prostir geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern einen Treffpunkt im Luzerner Stadtteil Reussbühl. Die ukrainische Hilfsorganisation Prostir ist äusserst aktiv. Wir haben mit dem Mitgründer und Grünen-Kantonsrat Urban Frye über den Stand der Dinge gesprochen.

In der Schweiz tritt das Bewusstsein des Ukraine-Krieges nach und nach in den Hintergrund. Die Spendenbereitschaft und das Engagement scheinen zu sinken. Weshalb spürt Prostir das nicht?

Urban Frye: Das hat vor allem damit zu tun, dass fast alle unsere Aktivitäten von Ukrainerinnen selbst betreut werden, die sich meist von selbst melden. Das bringt die Energie, die notwendig ist, damit auch die Luzerner Bevölkerung nah an uns bleibt. Aber natürlich braucht es auch einen gewissen Draht zu den hiesigen Behörden und Unternehmen. Ihnen gebührt grosser Dank: Praktisch alle Firmen und Organisationen, bei denen wir einen Familienausflug durchführen wollten, haben uns mit offenen Armen empfangen. Auch das Engagement der Künstlerinnen und Künstler ist ungebrochen; sie treten alle kostenlos auf.

Gratis ist der Betrieb eines solchen Zentrums aber sicher nicht.

Nein, unsere Kosten belaufen sich auf etwa 20’000 Franken pro Monat. Ein Grossteil fliesst in die Finanzierung der Anreise. Die meisten unserer Besucherinnen und Besucher müssen das Zentrum in Reussbühl mit dem öffentlichen Verkehr besuchen, der mittlerweile nicht mehr kostenlos ist. Damit die Menschen überhaupt zu uns kommen können, bezahlen wir ihnen die Busbillete. Das sind mehrere tausend Franken jeden Monat. Das ist ein grosses Problem. Ich bin der Meinung, dass die Regierung hier grosszügiger sein könnte.

Wieso ist das nötig?

Ich denke da vor allem an ukrainische Familien, die in der Marienburg in Wikon oder in St.Urban untergebracht sind. Da sie den ÖV selbst zahlen müssen, wird ihnen praktisch verunmöglicht, sich zu bewegen. Auch sie wollen mal in die Stadt, sei es nur zum Schaufensterbummeln. Das gilt natürlich auch für geflüchtete Menschen aus anderen Ländern.

Angefangen hat Prostir als Kulturzentrum. Mittlerweile bietet der Verein Familienausflüge, Deutschkurse, psychologische und ärztliche Beratung, ja sogar einen ukrainischen Coiffeur an. Wie kam es dazu?

Wir bieten einfach das an, was gefragt ist. Übrigens stellen wir zurzeit ein Gastroteam zusammen. Wir haben von der Stadt Luzern einen Stand an der Herbstmesse auf dem Inseli bekommen. Dort wollen wir jeden Tag ukrainische Spezialitäten anbieten.

Sollte die medizinische und psychologische Beratung der ukrainischen Flüchtlinge nicht Sache des Kantons Luzern sein?

Wir haben ein gutes Einvernehmen mit dem Kanton. Regierungsrat Guido Graf hat uns auch schon besucht. Aber manchmal habe ich das Gefühl, für den Kanton ist die Sache erledigt, sobald eine Unterkunft gefunden ist. Doch dann fängt die eigentliche Arbeit erst an. Wir können die Frauen und Kinder nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.

Was wünschen Sie sich vom Kanton?

Das Wichtigste ist, dass die Asylsozialhilfe, aktuell 11,20 Franken pro Tag und Person, erhöht wird. Mit diesem Tagesansatz kann niemand menschenwürdig leben. Zudem sollen den Geflüchteten die ÖV-Kosten zurückerstattet werden. Die Hilfe soll für alle geflüchteten Menschen gelten, etwa auch für jene aus Somalia, Afghanistan und Eritrea – ebenso für Institutionen wie «HelloWelcome». Auch für unser Zentrum wünschen wir uns finanzielle Unterstützung.

Wie viele Menschen erreicht Prostir eigentlich?

Geschätzt gibt es 250 Personen, die uns regelmässig besuchen. Wir veranstalten täglich ein Programm für Kinder. Das schafft grosse Entlastung für die Mütter, die auch einmal ein bisschen Zeit für sich haben wollen. Dort sind im Schnitt etwa 40 Kinder dabei.

Am Samstag findet ein Tag der offenen Tür für die Luzerner Bevölkerung statt. Warum?

Wir wollen unsere Arbeit sichtbarer machen und uns bei den Luzernerinnen und Luzernern bedanken. Die Leute sollen sich mit den Ukrainerinnen austauschen können. Im Zentrum sind aber auch ausserhalb des Besuchstages alle Menschen willkommen; egal, woher sie kommen.

Auch aus Russland?

Natürlich. Der ursprüngliche Impuls von Prostir ging von ukrainischen und russischen Musikstudenten gemeinsam aus. In unseren Häusern leben Studierende aus der ganzen Welt Tür an Tür, auch junge Russen und Ukrainer. Uns alle verbindet die Musik. Und die Tatsache, dass wir den faschistischen Angriffskrieg Putins scharf verurteilen.

Ein Ziel von Prostir ist es, die kulturelle Identität der Ukrainerinnen zu wahren. Warum ist das so wichtig?

Weil die russische Regierung diese Identität attackiert. Die Russifizierung der besetzten ukrainischen Gebiete schreitet voran. Deshalb brauchen die Flüchtlinge einen Ort, wo ihre Kultur nicht in Frage gestellt wird. Das ukrainische Kulturministerium hat uns vor kurzem sogar Bücher für unsere Bibliothek geschickt.

Woher nehmen Sie den langen Atem, der für ein solches Projekt nötig ist?

Ich habe einen zehn Jahre alten Sohn: Jakob. Er hat einen russischen Pass, spricht und liest fliessend Russisch, ist in der russischen Kultur zu Hause. Die Hälfte seiner Familie lebt in Sankt Petersburg. Er soll jeden Tag spüren, dass er und der russische Teil seiner Familie nicht Teil des Krieges sind, sondern wir alle zusammen ein Leben in Frieden miteinander führen wollen.

Hinweis: Tag der offenen Tür an der Staffelnhofstrasse 7 am Samstag, 20. August, 14 bis 19 Uhr. Weitere Infos unter www.prostir.ch
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/ukraine-krieg-kulturzentrum-prostir-fordert-dass-der-kanton-luzern-gefluechtete-besser-unterstuetzt-ld.2329072)


+++SOLOTHURN
Flüchtlinge wohnen in Biberist SO in der Nähe eines Schiessplatzes: «Wir landeten an einem Ort, der uns an all den Schrecken erinnert»
Seit April wohnen die ukrainischen Flüchtlinge Oksana (45) und Yeva (18) Kokhanovska in Biberist SO. Sie kommen trotzdem nicht zur Ruhe: In der Nähe ihrer Asylunterkunft befindet sich ein Schiessplatz. Und die Schüsse lassen die Flüchtlinge den Krieg nie vergessen.
https://www.blick.ch/schweiz/mittelland/solothurn/fluechtlinge-wohnen-in-biberist-so-in-der-naehe-eines-schiessplatzes-wir-landeten-an-einem-ort-der-uns-an-all-den-schrecken-erinnert-id17801201.html


+++ST. GALLEN
St. Galler Gemeinden sollen bei Integration autonomer werden
Der St. Galler Kantonsrat muss sich in der Septembersession mit zwei Gesetzesänderungen befassen: Zum einen sollen die St. Galler Gemeinden mehr Autonomie erhalten bei der Integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen – zum anderen geht es um die Universität St. Gallen.   (ab 01:13)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/st-galler-gemeinden-sollen-bei-integration-autonomer-werden?id=12241044


+++THURGAU
Fall von Rachendiphtherie im Bundesasylzentrum Kreuzlingen
Diphtherie-Ausbruch – Kreuzlingen TG – Im Bundesasylzentrum (BAZ) Kreuzlingen ist ein dritter Fall von Diphtherie aufgetreten. Nach zwei Fällen der harmloseren Hautdiphtherie vor gut einer Woche wurde nun bei einer Person die gefährlichere Rachendiphtherie nachgewiesen.
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/fall-von-rachendiphtherie-im-bundesasylzentrum-kreuzlingen-00191613/


+++ZÜRICH
Über 140 Asyl-Unterkünfte in Wädenswil geplant: SVP wehrt sich.
Über 140 Asyl-Unterkünfte sind in Wädenswil Geplant. SVP Gemeinderätin Regula Hiltebrand wehrt sich – zu kurzfristig seien die Pläne. Sie bemängelt den Standort des geplanten Asylheimes. Einige Anwohner äussern Bedenken, diese kann die SVP Gemeinderätin gut verstehen. SP Gemeinderat Hans Roth sieht beim Standort des geplanten Asylheimes keine Bedenken.
https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/ueber-140-asyl-unterkuenfte-in-waedenswil-geplant-svp-wehrt-sich-00191625/


+++GRIECHENLAND
Drama um Geflüchtete in Griechenland
Vorwürfe wegen Propaganda: Zwischen Fake News und „Bedrohung der nationalen Sicherheit“.
Die Geflüchteten in Griechenland stehen erneut im Fokus internationaler Medien. Nur im Land selbst ist es mitunter schwer, darüber zu berichten. Schuld ist unter anderen der im Herbst 2021 reformierte Artikel 191 der Fake News unter Strafe stellt. Was Fake News sind und was nicht, bestimmt im Zweifel die Regierung.
https://www.heise.de/tp/features/Drama-um-Gefluechtete-in-Griechenland-7237597.html


+++MITTELMEER
Neues Schiff für die Seenotrettung: Humanity 1 heute getauft
Die zivile Seenotrettungsorganisation SOS Humanity hat heute Vormittag im spanischen Vinaròs ihr neues Rettungsschiff Humanity 1 getauft. Es handelt sich um die bisherige Sea-Watch 4, die die Organisation Sea-Watch nach mehr als zwei Jahren erfolgreicher Rettungseinsätze an SOS Humanity übergeben hat. Initiiert und finanziert wurde der Erwerb des ehemaligen Forschungsschiffs Poseidon aus Kiel Anfang 2020 durch das zivilgesellschaftliche Bündnis United4Rescue. Die Humanity 1 soll noch im August in den Rettungseinsatz im zentralen Mittelmeer starten.
https://sos-humanity.org/presse/neues-schiff-fuer-die-seenotrettung-humanity-1-heute-getauft/


+++FREIRÄUME
bernerzeitung.ch 19.08.2022

Jugendclub erneut ausgebremst: Passion Club ist weg – Eröffnung der Tankere verzögert sich trotzdem

Monatelang haben die Betreiber des Passion Club die Räume auf der Berner Parkterrasse nicht verlassen. Jetzt hat die Vermieterin gehandelt.

Claudia Salzmann

Die Sommerferien scheinen die Betreiber des Passion Club zum Handeln animiert zu haben: Das Ausgehlokal auf der Parkterrasse ist nun geräumt. Sie hätten nach einer Mieterstreckung spätestens bis Ende April ausziehen müssen. Dennoch liefen von Mai bis Juli Wochenende für Wochenende die Partys auf der Grossen Schanze weiter, wie man in den Beiträgen des Passion Club auf Instagram sieht. Noch am 17. Juli schrieben die Betreiber dort: «See you later.» Bis später.

Die Liegenschaftsverwaltung Wirz Tanner, die im Auftrag der Grosse Schanze AG die Liegenschaft verwaltet, bestätigt auf Anfrage, dass ein Exmissionsgesuch eingegeben worden sei. Mit solchen Gesuchen können Hauseigentümer an ein Gericht gelangen, wenn ein Mieter über keinen gültigen Vertrag mehr verfügt, sich aber weigert auszuziehen.

«Die Betreiber haben letzten Montag die Schlüssel zum Mietobjekt abgegeben», schreibt Wirz-Tanner-Geschäftsführer Hans Wirz. Das Ganze sei friedlich abgelaufen, und ein Einsatz der Kantonspolizei, wie dies bei Härtefällen der Fall sein könnte, sei nicht nötig gewesen.

10 Jahre langer Zwist

Dieser späte Auszug tangiert auch den Nachfolger: den städtischen Jugendclub Tankere. Dessen Betreiber Tobias Moser und Philippe Eggenschwiler haben ihre Zwischenstation im ehemaligen Club Bonsoir in der Aarbergergasse per Ende Juli verlassen. Die Eröffnung auf der Parkterrasse war ursprünglich für die Clubsaison im Herbst geplant. Nun aber bleiben die jugendlichen Nachtschwärmenden weiterhin monatelang obdachlos, da die Räume in ein Kulturlokal umgebaut werden. Der Umbau starte erst, wenn der bauliche Zustand mit dem Architekten abgeklärt sei, sagt Scarlett Niklaus von der Direktion für Bildung, Soziales und Sport. Zurzeit sei der Stadt noch kein Mietbeginn angekündigt worden. «Wir rechnen mit der Wiedereröffnung im ersten Quartal 2023», sagt Niklaus.

Damit zieht sich ein langwieriges Unterfangen weiter in die Länge. Die Tankere ist ein städtisches Projekt für einen Jugendclub ab 16 Jahren, das seit Jahren vor sich hin dümpelt. Initiiert wurde dieses noch vom verstorbenen Stapi Alexander Tschäppät (SP) im Jahr 2013. Ursprünglich war der Club an der Nägeligasse geplant.

Anwohnende des Altenbergs auf der gegenüberliegenden Aareseite wehrten sich 2018 mit Einsprachen, sodass sich die Stadtbehörden gezwungen sahen, eine neue Lokalität zu finden. Als der Club Bonsoir in der Aarbergergasse seine Schliessung bekannt gab, zog man dort ein.

Die Suche nach einem fixen Standort ging derweil weiter. Das Lokal auf der Parkterrasse, wo es wenig Nachbarschaft hat, schien eine gute Wahl. Für den über zehn Jahre abgeschlossenen Mietvertrag hat das Stadtparlament einen Kredit von 1,8 Millionen Franken bewilligt. Die Jahresmiete beträgt 180’000 Franken, die Liegenschaftsbesitzerin ist die Grosse Schanze AG. Im Verwaltungsrat sitzt unter anderen auch der Stadtpräsident Alec von Graffenried.

Tobias Moser und Philippe Eggenschwiler müssen sich also mit ihrem Verein Tankere gedulden. Eggenschwiler will derzeit keine Angaben zum Projekt machen. Gegenüber dem Onlinemagazin «Hauptstadt» sagte er, dass es neben dem Club ein gastronomisches Angebot und Kulturevents im Lokal geben werde.
(https://www.bernerzeitung.ch/passion-club-ist-weg-eroeffnung-der-tankere-verzoegert-sich-trotzdem-909118153611)


+++GASSE
Von der Vorstadt in die Weststadt: Die Restessbar hat einen neuen Standort gefunden
Der Verein Restessbar Solothurn hat einen neuen Standort für das Verteilen der Lebensmittel gefunden. Die Suche ist aber noch nicht definitiv vorbei.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/stadt-solothurn/food-waste-von-der-vorstadt-in-die-weststadt-die-restessbar-hat-einen-neuen-standort-gefunden-ld.2330402


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Don’t forget Afghanistan – Demonstration im Luzerner Regen für Menschen in Afghanistan
Energiekriese, Ukrainekrieg und Pandemie. Bei all diesen Nachrichten geht es unter, dass auch die Menschen in Afghanistan unter schrecklichen Bedingungen leben müssen. Eine Demonstration wollte in Luzern auf diese Lage aufmerksam machen.
https://www.zentralplus.ch/leben/demonstration-im-luzerner-regen-fuer-menschen-in-afghanistan-2432237/
-> Demo-Medienmitteilung: https://resolut.noblogs.org/post/2022/08/18/erfolgreiche-dont-forget-afghanistan-demo-in-luzern/
-> Demo-Aufruf: https://resolut.noblogs.org/post/2022/08/18/dont-forget-afghanistan/


+++SPORT
Bern/Zeugenaufruf: Tätliche Auseinandersetzung zwischen Fangruppierungen
Am Mittwochabend ist es in Bern zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Fangruppierungen des BSC Young Boys und des RCS Anderlecht gekommen. Unter der Leitung der zuständigen Staatsanwaltschaft sind weitere Ermittlungen im Gang. In diesem Zusammenhang werden Zeugen sowie Video- und Bildmaterial gesucht.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=f1299106-c395-4366-a9d3-882f37ad0c65
-> https://www.bernerzeitung.ch/polizei-sucht-zeugen-nach-schlaegerei-beim-kornhausplatz-888452570122


+++KNAST
derbund.ch 19.08.2022

Eskalation auf dem Thorberg: Insasse schlägt Gefängnis­aufseher k. o.

Im Hochsicherheitstrakt der Berner Strafanstalt hat ein Häftling einen Aufseher attackiert. Der Mann wartete dort auf einen freien Platz in einer geschlossenen Klinik.

Andres Marti

Der Gefangene habe dem Aufseher «eine reingedonnert», sodass dieser hintenüber auf den Rücken gefallen sei. «Dabei ist er heftig mit dem Hinterkopf aufgekommen. Blut ist aus seinen Ohren gelaufen.» So steht es in einem anonym verfassten Brief, den diese Redaktion letzte Woche erhalten hat. Der Gefangene soll danach in Handschellen gelegt und in die Arrestzelle des Thorbergs gesperrt worden sein. Der Aufseher musste laut Brief im Rollstuhl weggebracht werden.

Beim bernischen Amt für Justizvollzug bestätigt man den Vorfall vom 5. August. Warum genau der Insasse zugeschlagen hat, bleibt hingegen weitgehend im Dunkeln. Der wegen schwerer Körperverletzung verurteilte Gefangene befand sich laut der Gefängnisleitung auf dem Spazierhof im Hochsicherheitstrakt und wollte diesen nach Ablauf der Spazierzeit nicht verlassen, sondern verlangte Zigaretten.

Seltener Vorfall

«Als ihm dies für einen späteren Zeitpunkt zugesagt wurde, schlug er einen Sicherheitsmitarbeiter, der das Gespräch mit ihm suchte, unvermittelt nieder. Der Mitarbeiter ging zu Boden und verlor das Bewusstsein», schildert Olivier Aebischer, Kommunikationschef beim Amt für Justizvollzug (AJV), den von Überwachungskameras aufgezeichneten Vorfall. Nachdem der Gesundheitsdienst vor Ort Erste Hilfe geleistet hatte, wurde der Aufseher ins Spital gebracht.

Für den Aufseher ist die Attacke relativ glimpflich verlaufen: Laut Aebischer konnte er nach einer Nacht das Spital wieder verlassen. Seit einer Woche stehe er wieder vollständig im Einsatz. Dass Gefangene Aufseher tätlich angreifen, kommt auf dem Thorberg «äussert selten» vor. «Ein Mitarbeiter, der seit 35 Jahren auf dem Thorberg tätig ist, erinnert sich an keinen vergleichbaren Fall», sagt Aebischer.

Zum Gefangenen können oder wollen die Behörden mit Verweis auf dessen Persönlichkeitsrechte sowie auf das Amtsgeheimnis nicht viel sagen. Da seine Tat ein Offizialdelikt ist, muss er mit einer Anzeige wegen schwerer Körperverletzung rechnen. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

Laut dem anonymen Brief soll es sich um einen 24-Jährigen handeln, der seit vielen Jahren an Schizophrenie leidet. Er sei im Grunde ein «liebä Giel» und nicht aggressiv. Laut dem anonymen Verfasser unterschied sich der Mann im Haftalltag nicht von den anderen Gefangenen.

Arbeit verweigert

Zum Konflikt sei es gekommen, weil der Mann sich geweigert habe, zu arbeiten. «Der arme Kerl musste deshalb in der Justizvollzugsanstalt Bostadel wie auch hier auf dem Thorberg mehrfach in den Bunker wegen Arbeitsverweigerung», heisst es im Brief. Dabei wäre er zum Arbeiten durchaus bereit gewesen. «Halt nur nicht mit Holz – dieses Material hat er verabscheut.»

Statt zu arbeiten, habe sich der Mann lieber «mit religiösen Schriften, Lesen im Allgemeinen» oder «Rappen» beschäftigt. Seit seiner Inhaftierung habe der Gefangene immer wieder die Versetzung in eine Psychiatrie beantragt.

«Der Mann befand sich auf einer Warteliste für einen Platz in einer geschlossenen Klinik und erhielt ambulante therapeutische Begleitung», bestätigt Olivier Aebischer vom AJV. Auch sei es korrekt, dass die Arbeitspflicht auf dem Thorberg grundsätzlich für alle Gefangenen gelte.

Neuausrichtung der Forensik

Laut Aebischer konnte der psychisch kranke Insasse inzwischen in eine geschlossene Anstalt überwiesen werden. Insgesamt verbrachte der Mann sechs Monate auf dem Thorberg.

Der Umgang mit psychisch kranken Straftäter ist aber schon länger ein Thema. Im Mai berichtete diese Zeitung von einem Therapienotstand in Berner Gefängnissen. Mehrere Thorberg-Insassen beklagten sich bei den Bewährungs- und Vollzugsdiensten des Kantons über verzögerte und abgebrochene Therapien und zu wenig oder schlecht ausgebildetes Personal.

Von einem Therapienotstand könne inzwischen nicht mehr gesprochen werden, sagt Aebischer. Die Situation habe sich deutlich entspannt. Aktuell sei auf dem Thorberg niemand auf einer Warteliste für einen Platz in einer geschlossenen Psychiatrie, und die ambulanten Therapien würden durchgeführt. Verbesserungen erhofft man sich beim Kanton zudem mit der geplanten Schaffung einer Universitätsklinik für forensische Psychiatrie inklusive Lehrstuhl.
(https://www.derbund.ch/insasse-schlaegt-gefaengnisaufseher-k-o-834141815463)


+++POLICE BE
GPK lässt neues Polizei-Informatiksystem durchleuchten
Die Finanzkontrolle wird beauftragt, eine Sonderprüfung zum neuen Vorgangsbearbeitungssystem «Rialto» der Kantonspolizei zu starten. Das hat die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates entschieden. Nach Auffassung der Kommission rechtfertigen es sowohl die Vorgeschichte als auch die ersten Erfahrungen der Anwenderinnen und Anwender, dass die GPK überprüfen lässt, was mit den Krediten, welche der Grosse Rat für dieses Projekt gesprochen hat, realisiert worden ist und inwieweit die damals gesetzten Ziele erreicht worden sind. Die Abklärungen der Finanzkontrolle sollen im Frühling 2023 ein Jahr nach Einführung des Systems bei der Kantonspolizei starten.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=92fe7b9e-96c7-421b-a46f-abea5ca8a501
-> https://www.gr.be.ch/de/start/grosser-rat/aktuell.html?newsID=92fe7b9e-96c7-421b-a46f-abea5ca8a501
-> https://www.derbund.ch/finanzkontrolle-prueft-informatikprojekt-der-berner-polizei-935009780907
-> https://www.inside-it.ch/kanton-will-informatikprojekt-der-berner-polizei-durchleuchten-20220819


Wenn die Polizei an den Anschlag kommt
Im Rahmen der Verbundsübung «Fides 22» übten Militär und Polizei diese Woche in Bern den Ernstfall einer terroristischen Bedrohung. Trotz fehlendem Militärspektakel blieb der Protest dagegen nicht aus.
https://journal-b.ch/artikel/wenn-die-polizei-an-den-anschlag-kommt/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/terror-uebung-in-bern-fides-was-die-panzer-vor-dem-bag-hauptsitz-zu-suchen-hatten
-> https://www.derbund.ch/berner-kantonspolizei-und-armee-zufrieden-mit-uebung-fides-608216608705
-> https://www.baerntoday.ch/bern/polizei-und-armee-zufrieden-mit-fides-147570643
-> https://tv.telebaern.tv/telebaern-news/ein-erstes-fazit-polizei-und-militaeruebung-fides-geht-zu-ende-147574579
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/202417/
-> Medienmitteilung Kanton: https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=b67fb140-a5d9-46ea-ad9f-77aa728dcd76



derbund.ch 19.08.2022

Philippe Müller zu «Fides»: «Die Übung war nicht realitätsfremd»

Eine Woche lang probten Polizei und Armee den Krisenfall. Berns Sicherheitsdirektor verteidigt die zurückhaltende Informationspolitik und den Umgang mit scharfer Munition.

Michael Bucher

Am Donnerstagmorgen standen Panzer vor dem BAG-Hauptsitz im Liebefeld. Bernerinnen und Berner berichten von Panzern und bewaffneten Soldaten, die durch ihre Wohnquartiere zogen. Viele fragten sich, was da los ist. Warum wurde nicht besser informiert?

Wir haben sehr wohl informiert, etwa via Mediencommuniqué. Wo genau die Einsätze stattfinden, haben wir aber bewusst nicht preisgegeben, weil die Übung für den Stab und die Truppen ansonsten vorhersehbar und folglich nicht mehr realistisch gewesen wäre.

Trotzdem: Bei jeder kleinen Baustelle werden die Anwohner per Brief informiert. Fahren Panzer durchs Quartier jedoch nicht?

Noch einmal: Wir haben informiert, einfach keine Details. Zudem waren die Panzer ja bloss ein paar Stunden dort, eine Baustelle bleibt oft wochenlang. Und vor dem BAG-Sitz waren die Fahrzeuge niemandem im Weg.

Während der gesamten Verbundübung trugen die Soldaten scharfe Munition auf sich. Ist das mitten in einer belebten Stadt nicht gefährlich?

So aussergewöhnlich ist das nicht. Die Armee hat viele Einsätze mit echter Munition, etwa am WEF in Graubünden, der WTO-Konferenz in Genf oder der Ukraine-Konferenz im Tessin. Auch wenn Soldaten Botschaften in Berner Wohnquartieren bewachen, sind sie bewaffnet. Die Armee ist geübt darin.

Die Frage stellt sich trotzdem: Wo genau liegt bei einer Übung, bei der lediglich die Zusammenarbeit geprobt wird, der Mehrwert, wenn echte Munition benutzt wird?

Die Übung sollte möglichst realistisch durchgespielt werden. Da gehört eben auch der Umgang mit echter Munition dazu. Und dass man an realistischen Orten trainiert und nicht fernab auf einem Übungsgelände.

Armee- und polizeikritische Kreise werfen Ihnen vor, durch die Übung werde mit dem Schlagwort Terrorismus eine diffuse Angst vor einem unsichtbaren Feind erzeugt, um mehr Kontrolle zu rechtfertigen. Was sagen Sie dazu?

Das ist Quatsch. Das zeigt, dass diese Leute keine Ahnung haben, wer und was die Schweizer Armee ist und macht. Sie haben sich auch nie dafür interessiert. Wir haben einzig den Schutz von kritischen Infrastrukturen durch die Armee geübt für den Fall, dass die Polizei nicht mehr in der Lage dazu wäre. Im Übrigen handelt es sich um dieselben Kreise, die auch die Polizei und den Staat per se ablehnen.

Hinter der Grossübung steht das Schreckensszenario eines gross angelegten Terrorangriffs auf die Schweiz. Ist dies nicht ein ziemlich unrealistisches Szenario?

Wir haben das Szenario der schweizweiten Sicherheitsverbundsübung von 2019 übernommen. Die Übung war nicht realitätsfremd. Unser Nachbarland Frankreich hat in jüngster Vergangenheit Ähnliches erlebt. Italien, England und Spanien ebenfalls. Ausserdem war das Szenario dahinter nicht so wichtig. Viel eher ging es darum, die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Armee zu trainieren. Hintergrund könnte auch ein Naturereignis sein.

Die linksextreme Szene kündigte Sabotageaktionen an. Ist es dazu gekommen?

Nein. Wir konnten die Übung durchspielen wie geplant. Es gab lediglich am Sonntag- und Donnerstagabend Demonstrationen mit sehr bescheidener Teilnehmerzahl. Diese behinderten etwa beim Bärengraben den Verkehr, und der von ihnen abgelehnte Staat durfte dann ihre herumliegenden Flyer entsorgen und Sprayereien wegwischen.

Wie viel kostete die Grossübung den Kanton Bern?

Die Soldaten haben die Übung in regulären Wiederholungskursen absolviert. Auch beim Kanton sind keine direkten Kosten entstanden. Die Mannstunden der Polizei gehen auf das Weiterbildungskonto. Die Grundversorgung war jederzeit sichergestellt.



„Fides“: Worum es dabei geht

Vielen dürfte es aufgefallen sein: Diese Woche war die Armeepräsenz in und um Bern erhöht. Der Grund war die Verbundübung «Fides» (lateinisch: Vertrauen) der Kantonspolizei Bern und der Schweizer Armee, bei der die zivil-militärische Zusammenarbeit in einer ausserordentlichen Lage trainiert wurde. An der fünftägigen Übung nahmen rund 550 Einsatzkräfte teil – davon 40 Kantonspolizisten.

Angenommen wurde, dass eine Terrororganisation ausserhalb des Kantons Bern Anschläge verübt hat. Das gab die bernische Sicherheitsdirektion am Freitag unmittelbar nach Ende der Übung in Bern vor den Medien bekannt. In einer derartigen Krisensituation müsste die Berner Kantonspolizei kurzfristig Aufgaben im Objektschutz und der Lagebeobachtung an die Armee abgeben. Im Rahmen von «Fides» schützte folglich die Armee den Sitz des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) im Liebefeld und den Landsitz Lohn des Bundes in Kehrsatz. Auch überwachte sie die Autobahnraststätte Grauholz und das Coop-Verteilzentrum in Riedbach.

Ebenfalls zur Übung gehörte, dass die Armee Magistratspersonen in einem Konvoi vom Flughafen Bern-Belp zum Bundeshaus und dann weiter zum Landsitz Lohn brachte. Das führte am Donnerstag vor dem Bundeshaus zu Militärpräsenz.

Die Verantwortlichen zogen am Freitag eine erste positive Bilanz. Die Übung wird laut dem bernischen Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) noch eingehend analysiert. Christian Brenzikofer, der Kommandant der Berner Kantonspolizei, sprach vor den Medien von einer zweckmässigen und erforderlichen Übung. Er betonte, dass bei solchen Einsätzen die Polizei die Führung innehabe. Die Zusammenarbeit mit der Armee sei sehr gut gewesen. Als «Herausforderung» bezeichnete er, dass Armee und Polizei unterschiedliche Funkgeräte benutzen.

Auch Divisionär Mathias Tüscher, Kommandant der Territorialdivision 1, sprach von einer notwendigen Übung. «Man muss vor der Krise die zuständigen Köpfe kennen», sagte er.  (mib/sda)
(https://www.derbund.ch/die-uebung-war-nicht-realitaetsfremd-904969094768)


+++POLIZEI DE
Bodycams mit Akkuproblemen
Ein Drittel der Bodycam-Akkus müssen bei der Polizei NRW ausgetauscht werden
Akkus der Bodycams bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen blähen sich auf. Ein Drittel muss deshalb ausgetauscht werden. Die Probleme sind erst seit kurzem bekannt.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1166240.polizei-in-nrw-bodycams-mit-akkuproblemen.html


Bodycams richtig einsetzen – oder abschaffen
Polizeiliches Fehlverhalten zeichnen Bodycams nur selten auf. Im Gegenteil verstärken sie einseitig das Machtgefälle zwischen Polizei und Bürgerschaft. Wenn also schon Bodycams eingesetzt werden, dann bitte auch zur Kontrolle der Polizei. Ein Kommentar.
https://netzpolitik.org/2022/polizei-bodycams-richtig-einsetzen-oder-einfach-abschaffen/


Polizist erschießt Teenager:Tödliche Staatsgewalt
Vor 11 Tagen tötete ein Polizist in Dortmund den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé. Wer war der Junge aus dem Senegal? Und wie kam es zu seinem Tod?
https://taz.de/Polizist-erschiesst-Teenager/!5872147/


+++FRAUEN/QUEER
Nationalrats-Kommission für Verbot von Homosexuellen-Therapien – Echo der Zeit
Auch in der Schweiz gibt es sogenannte Therapeuten, die davon überzeugt sind, mit einer Konversions-Therapie eine homosexuelle Person umpolen zu können. In Frankreich sind solche Behandlungen verboten, in Deutschland und Österreich gibt es Teilverbote. Nun hat die Rechtskommission des Nationalrats einen ersten Schritt in Richtung Verbot genommen – sie will primär Kinder und Jugendliche vor solchen Therapien schützen.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/nationalrats-kommission-fuer-verbot-von-homosexuellen-therapien?partId=12241332
-> https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rkn-2022-08-19.aspx
-> https://www.blick.ch/politik/verbot-von-koversionstherapien-politik-will-homo-heilern-den-riegel-vorschieben-id17804587.html



derbund.ch 19.08.2022

derbund.ch 19.08.2022

Verbot von Konversionstherapien: Politik setzt ein Zeichen gegen Homophobie

In freikirchlichen Kreisen gelten Schwule und Lesben als Sünder, die geheilt werden müssen. Die Rechtskommission des Nationalrats hat sich nun deutlich gegen solche Praktiken ausgesprochen.

Alessandra Paone

Für Renato Pfeffer war es eine unglaubliche Erleichterung, ein Befreiungsschlag, als er vor zehn Jahren in den Spiegel schauen und sagen konnte: «Ich bin schwul – und ich akzeptiere mich so, wie ich bin.» Gleichzeitig brach für ihn aber auch eine Welt zusammen. «Mir wurde bewusst, dass ich sehr viel Zeit damit verbracht hatte, etwas aufzubauen, was nun plötzlich in sich zusammenfiel», sagt er. Das sei nicht ganz einfach gewesen.

Zehn Jahre lang besuchte Pfeffer eine Konversionstherapie, die ihm helfen sollte, seine Homosexualität zu überwinden. Konversionstherapien sind Umpolungs- oder Bekehrungsversuche, die vor allem im freikirchlichen Umfeld stattfinden. Dort vertritt man die Haltung, dass sich jeder seine sexuelle Orientierung selbst aussuchen könne, Homosexualität frei wählbar und daher heilbar sei. Schwule und Lesben gelten in diesen Kreisen als Sünder, die man zu ihrem Besten vom falschen Weg abbringen muss.

Heute ist Pfeffer 37 Jahre alt, schwul, Pfarrer und Gemeinderat in seiner Wohngemeinde im zürcherischen Richterswil. Vom freikirchlichen Umfeld hat er sich abgewandt – nicht ganz freiwillig: Nach seinem öffentlichen Outing auf Facebook wurde Pfeffer sofort von allen Ämtern innerhalb der Gemeinde entbunden. Er verlor viele seiner damaligen Freunde. «Es war für sie schwierig, zu verstehen, dass sich christlicher Glaube und Homosexualität nicht widersprechen», sagt Pfeffer.

Nachbarländer haben bereits Verbote erlassen

Als Mitglied der Organisation Zwischenraum versucht Pfeffer, Menschen zu helfen, die wie er gespalten waren und auf Heilung hofften, ihren Platz im Leben zu finden. Er unterstützt auch die Bestrebungen in den Kantonen Waadt, Genf, St. Gallen, Bern oder Basel-Stadt, Konversionstherapien zu verbieten. «Das Beste, was passieren könnte, wäre ein Verbot solcher Praktiken auf nationaler Ebene», sagt er. So wie beispielsweise in Deutschland, Frankreich oder Österreich.

Pfeffers Wunsch könnte schon bald in Erfüllung gehen. Die Rechtskommission des Nationalrats spricht sich mit 16 zu 6 Stimmen gegen 1 Enthaltung deutlich für ein schweizweites Verbot von Konversionstherapien an Minderjährigen und jungen Erwachsenen aus, wie sie am Freitag mitgeteilt hat. Wer gegen das Verbot verstösst, soll strafrechtlich belangt werden. Die Person muss zusätzlich mit dem Entzug der Berufsbewilligung oder einem Arbeitsverbot rechnen. Die Kommission beantragt allerdings eine gewisse Zahl von Ausnahmen, etwa für medizinisch indizierte Massnahmen zur Geschlechtsangleichung und für Therapien von strafrechtlich relevanten Sexualpräferenzen.

Den Ausschlag zu diesem Beschluss haben drei parlamentarische Initiativen gegeben, mit denen sich die Kommission an ihrer Sitzung vom Donnerstag befasst hat. Diese wollen allesamt Massnahmen verbieten, die eine Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks zum Ziel haben.

Die Verfasser sind die beiden Baslerinnen Sarah Wyss (SP) und Katja Christ (GLP) und der Zürcher Angelo Barrile (SP). Die drei Nationalräte haben ihre Vorstösse zugunsten einer Kommissionsmotion zurückgezogen.

Gute Chancen im Nationalrat

«Das ist grandios», sagt Sarah Wyss. Und sei mehr, als sie erwartet habe. Sie habe befürchtet, dass die Kommission das Verbot nur auf Minderjährige beschränken würde. Dass dieses nun auch für junge Erwachsene gelten solle, sei ein Meilenstein. Wyss hatte in ihrem Vorstoss ein generelles Verbot gefordert.
Die Basler Sozialdemokratin rechnet nicht mit grossem Widerstand im Nationalrat. Der «konservative» Ständerat bereite ihr mehr Sorgen, sagt sie.

Gegen ein Verbot dürften vor allem konservative Kreise sein. In Basel-Stadt etwa lehnte David Trachsel, Grossrat und Präsident der Jungen SVP Schweiz, ein Verbot von Konversionstherapien ab, weil es Homosexuelle diskriminieren würde. Der Bundesrat nahm zuletzt vor zwei Jahren Stellung zu den Konversionsmassnahmen und hielt fest, dass ein Verbot mit der aktuellen Gesetzgebung nicht möglich sei. Denn Homosexualität sei keine Krankheit und das Behandeln einer Nicht-Krankheit an und für sich kein Straftatbestand.

Renato Pfeffer ist zuversichtlich, dass die Antwort des Bundesrats diesmal positiv ausfallen wird. Das Thema habe in den letzten Jahren an Brisanz gewonnen und werde immer wieder von den Medien aufgegriffen, sagt er. Wyss sieht das ähnlich: «Dass die Nachbarländer bereits Verbote erlassen haben und verschiedene Kantone es fordern, könnte die Entscheidung des Bundesrats, aber auch des Parlaments beeinflussen», sagt sie.

Pfeffer ist überzeugt: Ein gesetzliches Verbot führt auch dazu, dass die Hürde für eine Therapie viel grösser wird. Zudem könnten die Opfer der Konversionstherapie gegen Therapeuten klagen. Er sagt: «Leider sprechen nur die wenigsten darüber, was sie erlebt haben – und das wäre für die Verarbeitung sehr wichtig.»
(https://www.derbund.ch/politik-setzt-ein-zeichen-gegen-homophobie-388568111403)


+++DREADLOCKMANIA
Dreadlock-Musiker entschuldigt sich für «Faschismus»-Kritik bei Bar
Nachdem sein Konzert in einer Zürcher Bar abgesagt wurde, übte der Musiker Mario Parizek scharfe Kritik an den Betreibern. Einen Teil nimmt er wieder zurück.
https://www.nau.ch/news/schweiz/dreadlock-musiker-entschuldigt-sich-fur-faschismus-kritik-bei-bar-66246246


Ösis motzen über Zürcher Konzert-Absage von Dreadlock-Wiener
Die Zürcher Bar «Gleis» hat Anfang Woche den Auftritt eines Wiener Musikers abgesagt – wegen seiner Dreadlocks. In Österreich versteht man den Wirbel nicht.
https://www.nau.ch/news/schweiz/osis-motzen-uber-zurcher-konzert-absage-von-dreadlock-wiener-66246233


+++RECHTSPOPULISMUS
„Cancel Culture“ à la NZZ…

nzz.ch 19.08.2022

Die linke Szene in Bern hat ihr wahres, totalitäres Gesicht gezeigt

Es ist richtig, dass Polizei und Armee gemeinsam trainieren. Die Kritik an der Anti-Terror-Übung «Fides» war völlig überzogen – und sie erhielt im Vorfeld zu viel Aufmerksamkeit.

Georg Häsler, Bern

Angesagt war der grosse Krawall, doch passiert ist: nichts. Die Kantonspolizei Bern und die Armee haben diese Woche ungestört das Szenario im Fall einer Terrorlage geübt. Radschützenpanzer standen vor dem Bundesamt für Gesundheit, Soldaten kontrollierten die Personalien der Bundesangestellten, und als Höhepunkt trainierten die Infanteristen gemeinsam mit der Berner Sondereinheit Enzian.

Am anderen Ende der Stadt demonstrierte eine Mini-Gruppe Linksradikaler, ausgerüstet für den grossen Kampf gegen die «bewaffnete Armee» eines «patriarchalen Staates». Auf dem Twitter-Kanal mit bloss 135 Followern feierten die Drahtzieher Sachbeschädigungen und Schmierereien. Die Bilder der maskierten jungen Leute, die meisten von ihnen Männer, verschwanden relativ schnell wieder vom Netz.

Von der eigentlichen Übung bekamen sie nichts mit. Die linksradikalen Aktivisten aus dem Umfeld der Berner Reitschule protestieren lieber unter sich. Entsprechend realitätsfremd war ihre Kritik. Von Aufstandsbekämpfung war die Rede. Polizei und Militär seien darauf ausgerichtet, «die herrschenden Verhältnisse zu verteidigen –wenn nötig mit tödlicher Gewalt», heisst es auf der Homepage der Gruppierung.

Professionelle Leistung der Bürger in Uniform

Das Narrativ der «patriarchalen Polizei», das einige versprengte Extremisten pflegen, schien die öffentliche Diskussion über «Fides» zu dominieren. Die Berner Medien berichteten zunächst vor allem über die Protest- und Krawallaufrufe. Die «Wochenzeitung» sprach gar von «Festspielen gegen den Terror». Es brauchte schliesslich den Mut der Verantwortlichen, gegen die Bedenken der internen Leisetreter die Übung wie geplant durchzuziehen.

Konkret wurde die Zusammenarbeit von Miliztruppen mit der Kantonspolizei trainiert. Dabei geht es zuerst um die gegenseitigen Absprachen und eine gemeinsame Sprache. Welche Leistung kann die Truppe zugunsten des zivilen Partners überhaupt erbringen? Im konkreten Fall von «Fides» überprüften Polizei und Militär die Entschlüsse in der Realität.

Dies ist dringend nötig. In einer besonderen Lage sind die kantonalen Polizeikorps und auch der Zoll personell rasch am Anschlag. Dies hat auch die Pandemie gezeigt, als der Grenzschutz von Militärangehörigen unterstützt worden ist. Von den Bürgerinnen und Bürgern in Uniform wird dann eine professionelle Leistung erwartet. Es wäre unverantwortlich, mögliche Fehlerquellen nicht im Vorfeld zu erkennen.

Gerade wenn der Staat Zähne zeigen muss, liegen keine Unsicherheiten drin. Im Zentrum steht der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Auch die Gegenseite muss sich auf den Rechtsstaat verlassen können. Die Kantonspolizei Bern hat einige Erfahrung mit solchen Situationen. Erst im vergangenen Herbst wurde sie von den Corona-Skeptikern aufs Äusserste herausgefordert und behielt trotz allen Provokationen das Augenmass.

Die Definitionsmacht von Extremisten ist zu überdenken

Diesmal kam der Diktaturvorwurf an die Behörden nicht aus der «Schwurblerecke», sondern vom anderen Ende der politischen Skala. Les extremes se touchent. Die linksextreme Szene der Bundeshauptstadt hat nach der Pandemie-Zwangspause wieder einmal ihr wahres, totalitäres Gesicht gezeigt. In den Schweizer Städten werden solche Auswüchse als Lifestyle toleriert.

Doch der bevorstehende Krisenwinter mit möglicher Energieknappheit und x-ter Corona-Welle im Doppelpack sollte Grund genug sein, die eigenen Stereotypen infrage zu stellen. Die Sicherheitskräfte sind Teil der demokratischen Ordnung, keine Selbstläufer. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Staat und seinem Gewaltmonopol ist das eine, gesellschaftliche Spaltungsversuche sind das andere.

Letztlich spielt die durchaus salonfähige Diskreditierung von Polizei und Armee der hybriden Kriegsführung autoritärer Staaten in die Hände. Linke und rechte Parteien, aber auch die Medien müssen die Definitionsmacht extremer Minderheiten im öffentlichen Diskurs überdenken. Sollen sie doch treicheln und lärmen, aber nicht die Parolen und Schlagzeilen bestimmen.
(https://www.nzz.ch/meinung/die-linke-szene-in-bern-hat-ihr-wahres-gesicht-gezeigt-ld.1698806)


+++RECHTSEXTREMISMUS
Andrew Tates Profile gelöscht: Instagram schmeisst Frauenhass-Influencer von Plattform
Auf Instagram und Tiktok verbreitete Andrew Tate seine frauenfeindlichen Videos. Jetzt hat Meta reagiert und den ehemaligen Kickboxer von seinen Plattformen verbannt.
https://www.blick.ch/ausland/andrew-tates-profile-geloescht-instagram-schmeisst-frauenhass-influencer-von-plattform-id17804975.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Desinformation: Facebook sperrt Impfgegner-Gruppe von Robert Kennedy Jr. dauerhaft
Der Neffe des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy betrieb reichweitenstarke Social-Media-Konten, die Falschinformationen über Impfungen verbreiteten
https://www.derstandard.at/story/2000138384610/desinformation-facebook-sperrt-impfgegner-gruppe-von-robert-kennedy-jr-dauerhaft?ref=rss


Solidaritätsaktion für Massnahmen-Gegner: Luzerner Kantonsgericht von Besucherandrang überrumpelt
40 Massnahmen-Gegner haben diese Woche unangemeldet gefordert, einer Verhandlung am Kantonsgericht Luzern beiwohnen zu können. Dies sorgte kurzzeitig für Chaos – und wirft grundsätzliche Fragen auf.
https://www.zentralplus.ch/justiz/luzerner-kantonsgericht-vom-besucherandrang-ueberrumpelt-2432185/


+++HISTORY
Hörspiel über die Macht und Arbeit der Polizei: Die Polizey
Friedrich Schiller beschreibt um 1800 „die Polizey“ als eine von Verschwörung und Verbrechen geprägte Institution. Auch heute beobachten wir Skandale und Ungereimtheiten im Polizeiapparat. Wo steht unser „Freund und Helfer“?
https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-polizey-100.html


„Ein Trauma, das bis in die Gegenwart reicht“
Vor 30 Jahren griffen Neonazis ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter*innen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen an – unter dem Beifall Tausender. Die Polizei griff nur zögerlich ein. Die Perspektive der Betroffenen wird bis heute weitgehend ignoriert.
https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/deutschland-rassismus-neonazis-pogrom-rostock-lichtenhagen



1992 veröffentlichten ¬Advanced Chemistry »Fremd im eigenen Land«
DIE MENSCHENANZÜNDERJAHRE
1992 kam es in ganz Deutschland zu rechtsextremen Übergriffen und Morden, nicht nur in Rostock-Lichtenhagen. Die HipHop-Band Advanced Chemistry veröffentlichte damals ihr rassismuskritisches Lied »Fremd im eigenen Land« – ein bis heute in seiner Radikalität seltenes Stück.
(Von Vojin Saša Vukadinović, jungle.world 18.08.2022)

32 Jahre nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten firmiert die Ära, die unmittelbar folgte, unter dem das Richtige meinenden, aber untertreibenden Begriff »Baseballschlägerjahre«. Mit Blick auf das Ausmaß rechtsextremistischer Gewalt, die damals bundesweit zu verzeichnen war, treffen »Menschenabstecherjahre« und »Menschenanzünderjahre« den damaligen politischen Zustand des Landes schon eher.

Als im August 1992 ein »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« grölender Mob die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen in Anwesenheit von Polizei und Feuerwehr sowie Tausenden Beifall klatschender Zuschauer in Brand setzte, gingen die Bilder davon um die Welt. Dass die rund 100 vietnamesischen Bewohner des sogenannten Sonnenblumenhauses nicht lebendigen Leibes verbrannten, war einzig dem Umstand geschuldet, dass sie den verriegelten Zugang zu einem anderen Gebäudeteil aufbrechen und von dort entkommen konnten.

Rostock-Lichtenhagen und die deutsche Gesellschaft

Ohne Pathos lässt sich festhalten, dass kaum ein in Deutschland lebender migrantischer und/oder jüdischer Mensch, der damals alt genug war, um zu begreifen, was sich abspielte, diese Szenen vergessen haben wird. Dass es sich um eine Zäsur handelte, hat sich bis heute allerdings noch nicht einmal unter Linken als Erkenntnis durchgesetzt, vom Rest der deutschen Gesellschaft ganz zu schweigen. An das Pogrom wird diesen Sommer zwar von der Stadt Rostock mit zahlreichen Veranstaltungen erinnert, nicht aber auf ¬Bundesebene. Das wäre jedoch schon deshalb geboten, weil die Umzin¬gelung des »Sonnenblumenhauses« keinesfalls ein auf Rostock beschränktes Problem war, sondern der Höhepunkt einer gesellschaftlichen Entwicklung, die Rassismus und Antisemitismus mit mörderischem Selbstbewusstsein hervortreten ließ.

Rostock vorangegangen war etwa der Brandanschlag auf eine Asyl¬bewerberunterkunft in Lampertheim, bei dem im Januar 1992 eine dreiköpfige Familie aus Sri Lanka ums Leben kam. Im Mai belagerte ein Mob eine Woche lang ein Sammel¬lager für Flüchtlinge im Mannheimer Stadtteil Schönau. In Mölln wurden bei einem Brandanschlag im November drei Angehörige einer türkischen Familie ermordet, darunter zwei Kinder. Der Pressesprecher von Bundeskanzler Helmut Kohl begründete dessen Abwesenheit von der Trauerveranstaltung mit den Worten, ein »Beileidstourismus« sei zu vermeiden.

1992: rassistische und antisemitische Gewalt in ganz Deutschland

Neben diesen bekannten Tatorten kam es 1992 auch in Saal, Güstrow, Wismar, Lübbenau, Eisenhüttenstadt und Quedlinburg zu Ausschreitungen, an denen sich teils mehrere hundert Rechtsextremisten beteiligten. In Magdeburg überfielen Neonazis eine Geburtstagsfeier und verletzten den 23jährigen Punk Torsten Lamprecht so schwer am Kopf, dass dieser kurz darauf starb. Das gesamte Jahr über wurden fast im gesamten Bundesgebiet zahlreiche Brandanschläge auf Asylbewerberheime verübt. Hunderte Gräber auf jüdischen Friedhöfen in Berlin, Kiel, München, Rhens und Wuppertal sowie in zahlreichen anderen Städten wurden ¬geschändet, die einstigen »jüdischen Baracken« in der Gedenkstätte Sachsenhausen bei einem Brandanschlag schwer beschädigt.

Zahlreich waren auch die Opfer rassistischer und antisemitischer Morde, die Rechtsextremisten verübten: Blanka Zmigrod, Kellnerin und Überlebende der Shoah, in Frankfurt am Main erschossen; Ingo Finnern, obdachloser Sinto, ins Flensburger Hafenbecken gestoßen; Nguyễn Văn Tú, Vertragsarbeiter, in Berlin erstochen; Sadri Berisha, Bauarbeiter, in Ostfildern-Kemnat mit einem Baseballschläger totgeprügelt; Silvio Meier, Antifaschist, in Berlin-Friedrichshain erstochen; Bruno Kappi, sehbehinderter Arbeiter, in Siegen totgeprügelt; Şahin Çalışır, Auszubildender, auf der Autobahn bei Meerbusch vor ein Auto getrieben.

1993: faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl

Apologeten aus der sogenannten »Mitte der Gesellschaft« versuchten damals, die Gewalt darauf zurück¬zuführen, dass die Zahl derer, die in Deutschland Asyl beantragten, 1992 unter anderem infolge des Bürgerkriegs im zerfallenen Jugosla¬wien einen Höchststand erreicht hatte. Zu verstehen sind diese Taten ¬jedoch nur vor dem Hintergrund der verdrängten NS-Vergangenheit, der jahrzehntelangen bundesdeutschen Abwehr der Einsicht, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein, und dem allgemeinen Wiedervereinigungstaumel. Befeuert wurde die zugehörige Stimmung von der damals ¬regierenden CDU/CSU – die migrationspolitische Linie und Rhetorik mancher ihrer Mitglieder lässt nicht wenige AfDler von heute wie Softies aussehen – sowie von der parteiübergreifenden Asyldebatte, die 1993 zur faktischen Beseitigung des Grundrechts auf Asyl führte.

Bis heute ist der Beitrag der DDR zu dieser Entwicklung tabuisiert, der von autoritärer Sozialisierung über staatlich institutionalisierten Antizionismus und die unentwegte Rede von »Völkern«, die in »befreundete« und »nichtbefreundete« unterteilt wurden, bis zur konkreten Beihilfe reichte. Belegt sind etwa Stasi-¬Kontakte zur neonazistischen Hepp-Kexel-Gruppe, die zu Beginn der achtziger Jahre Sprengstoffanschläge im Westen verübte, als im Osten die neo¬nazistischen Aktivitäten und Gewalttaten bereits zunahmen, was in ¬einem sich für »antifaschistisch« haltenden Staat allerdings nicht sein durfte und deshalb offiziell beschwiegen wurde.

Rechtsrock: der hässliche Soundtrack zur gesamtdeutschen Pogromzeit

Den hässlichen Soundtrack zur gesamtdeutschen Pogromzeit besorgte eine Band aus dem Stuttgarter Speckgürtel. 1990 hatten die Rechtsrock-Vorturner Noie Werte ihr erstes Album »Kraft für Deutschland« ver-öffentlicht, das mit Liedern auf¬wartete, die Titel wie »Zusammenhalt«, »Deutscher Junge«, »Mein Land« und »Rudolf Heß« trugen. Die Dankesliste der LP endete mit einer Zeile für diejenigen, »die mit uns im Kampf stehen für ein freies Deutschland ohne Immigranten und Rotfront!«; mehr als zwei Jahrzehnte später, 2011, sollte bekanntwerden, dass der NSU in Frühversionen seines Bekennervideos Musik von Noie Werte verwendet hatte.

Wer im Spätsommer 1992 das Radio anmachte, blieb zwar vom indi¬zierten Schund jener Band verschont, wurde dafür jedoch mit dem Song ¬einer anderen Stuttgarter Gruppe beschallt, die gänzlich unbekümmert über »Die da!?!« scherzte – womit irgendeine Frau gemeint war, die es den Fantastischen Vier angetan hatte. Dass in jenen Monaten ein blödelndes und betont apolitisches Stück derartige Popularität ¬genoss, gibt Auskunft über den kollektiven Gemütszustand, der in Deutschland herrschte.

»Fremd im eigenen Land«: das wichtigste Lied dieser Jahre

An die Wirklichkeit gemahnten derweil andere.
»Nach der vierten Krawallnacht rechnet die Polizei mit weiteren rechtsradikalen Ausschreitungen in Rostock. Die Stadt sei inzwischen ein Sammelplatz für Rechtsradikale aus dem ganzen Bundesgebiet geworden, sagte ein Polizeisprecher. In der Nacht war es wieder zu schweren Krawallen vor dem inzwischen geräumten Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen gekommen…«

Diese Worte eines Radionachrichtensprechers leiten »Fremd im eigenen Land« von Advanced Chemistry ein. Es handelt sich nicht nur um das wichtigste Lied dieser Band und der Frühphase des Raps in deutscher Sprache, sondern jener Jahre als solcher.
-> https://www.youtube.com/watch?v=HhsEcPiRKrU

Das 1987 in Heidelberg gegründete Trio, bestehend aus Torch (Frederik Hahn), Linguist (Kofi Yakpo) und Toni-L (Toni Landomini), war eine der ersten auf Deutsch reimenden HipHop-Formationen überhaupt und rappte sich in seinen Anfangsjahren vor allem durch die Jugendzentren der alten Bundesrepublik. Dass sie 1992 einen Song parat hatte, der die gesellschaftspolitische Realität in Deutschland so gekonnt einfing und sie mit sich selbst konfrontierte, war Resultat ihres Könnens, ihres Desinteresses am Kommerz, vor ¬allem aber ihres politischen Bewusstseins, auch als deutsche Staatsbürger auf Rassismus reagieren zu müssen.

Die zentrale Zeile des Songs lautet: »Nicht anerkannt, fremd im eigenen Land/Kein Ausländer und doch ein Fremder«, was in dieser Deutlichkeit noch nie zuvor zu hören gewesen war. Zweimal unterbricht den Sprechgesang ein Ausschnitt der damaligen Titelmusik von »Spiegel TV«, »Mobile Unit« der Synthie-Pioniere George Fenton und Ken Freeman von 1980, was sich wie eine ironische Anspielung darauf anhört, dass Advanced Chemistry den gehaltvolleren Beitrag in dieser Angelegenheit ablieferten. Dazwischen wurden dumme Fragen eingestreut, die jedes migrantische Individuum kennt – »Gehst du mal später zurück in ¬deine Heimat?« –, sowie die all¬tägliche Dummheit paraphrasiert: »Ein echter Deutscher muss so ¬richtig deutsch aussehen.« Den kaustischen Abschluss besorgt die ¬Stimme des Nachrichtensprechers vom Anfang: »Das Wetter: heiter bis wolkig, ¬Temperaturen morgen bis 34 Grad …« Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass im Radio »Die da!?!« folgte.

Wie Atari Teenage Riot: bereit, sich auf das Schlimmste einzustellen

Auf »Fremd im eigenen Land« konnten sich auch Punks und andere unerschütterliche Anhänger von -Gitarrenmusik einigen. Der Track war schlichtweg zu wichtig und die Zeit zu mies, als dass subkulturelle Distinktion entlang von Genregrenzen zu wahren gewesen wäre. Hervorzuheben ist auch das in Heidelberg gedrehte Video, in dem neben der Band eine große Zahl ausgelassener, zumeist junger migrantischer ¬Menschen zu sehen ist, was in einer Zeit, in der diese vorwiegend als ¬Objekte skandalisierter Berichterstattung oder kulturalistischer ¬Aufmachung zu Fernsehpräsenz gelangten, eine wohltuende Bild¬störung war.

An Bereitschaft, sich auf das Schlimmste einzustellen, mangelte es gleichwohl nicht – »keiner macht den Faschos den Garaus«, rappte Torch. Das hatten Advanced Chemistry mit ¬einer Berliner Band gemeinsam. Atari Teenage Riot, gegründet 1992, hatten bereits in ihrer Frühzeit ein Instrumentalstück namens »Hetzjagd auf Nazis!« im Repertoire, das 1995 auf ihrem Debütalbum auftauchen sollte; die einzigen Worte, die darauf zu hören waren, lauteten: »Der neunte Schuss ging sauber durch die Stirn.« Während die politisch Rat¬losen der Gegenwart, die für den Neonazismus immer noch keine substantielle Erklärung vorgelegt haben, unentwegt verkünden, alles müsse »intersektional« gedacht werden, verschwendeten weder Ad¬vanced Chemistry noch Atari Teen¬age Riot je eine Zeile auf ihre Gruppenzusammensetzung, weil sie ¬einfach getan haben, was sie tun -wollten, in Konstellationen, die für sie das Nächstliegende waren und die keinerlei Begründung brauchten.

Heutzutage, wo sich zum nach wie vor existenten Rechtsrock gesellschaftlich akzeptierte Formen musikalisch verpackter Menschenverachtung gesellt haben und die Oral¬apostel des deutschsprachigen Gangsta-Rap die Ohren mit vulgärstem Schrott malträtieren, zeigt sich, was auch zur rassistischen Realität dieses Landes gehört: Migrantische Männer haben Erfolg, wenn sie auf dumm und gewalttätig machen, also dem rassistischen Zerrbild entsprechen. Anerkennung für intelligente künstlerische Verarbeitungen der Wirklichkeit ist folglich rar geworden. Dreist nannte der Rapper Fler sein 2008 erschienenes drittes Album »Fremd im eigenen Land«. Das war weder Anspielung noch ¬Aneignung, sondern die impertinente Umkehrung dessen, was die Ur¬heber dieses Titels gemeint hatten.

Die Toten, Schwerverletzten und Traumatisierten der frühen neunziger Jahre mahnen derweil noch immer. Solange es kein offizielles bundesweites Gedenken an die Pogrome, die Morde und die Anschläge von 1992 gibt, kommt »Fremd im eigenen Land« diese Rolle zu. Advanced Chemistry für dieses gewichtige Stück Zeitgeschichte zu danken, ist 30 Jahre später das mindeste.
(https://jungle.world/artikel/2022/33/die-menschenanzuenderjahre)