Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
Keine weiteren Fälle: Diphtherie-Erkrankte in Berner Asylzentrum sind wohlauf
Den acht Personen, die im Bundesasylzentrum (BAZ) in Bern an Rachendiphtherie erkrankt sind, geht es weiterhin gut. Alle anderen Personen dürften das Zentrum verlassen.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/diphtherie-erkrankte-in-berner-asylzentrum-sind-wohlauf-147381259
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/909233546-diphtherie-erkrankte-in-berner-asylzentrum-sind-wohlauf
-> https://www.derbund.ch/diphtherie-erkrankte-in-berner-asylzentrum-sind-wohlauf-700860458521
+++SCHWEIZ
Frontex: Amtlich bestätigte Verbrechen
Laut internationalen Medien belegt ein Bericht der EU-Antibetrugsbehörde krasse Rechtsverstösse von Frontex. Vertreter:innen von Schweizer Behörden haben schon vor der Abstimmung davon gewusst.
https://www.woz.ch/2231/frontex/amtlich-bestaetigte-verbrechen
Sensibilisierung für Geflüchtete im Bundeslager der Pfadis
30’000 Jugendliche sind derzeit im der Region Goms, im Kanton Wallis im Bundeslager der Pfadfinder*innen. Mittendrin bietet das Team für die Jugendbildung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) Workshops zur Sensibilisierung gegenüber geflüchteten Menschen an. Das Angebot wird von vielen Gruppen genutzt.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/sensibilisierung-fuer-gefluechtete-im-bundeslager-der-pfadis
+++ÖSTERREICH
„Zu viele Nachrichten“: Telegram sperrt Wiener Flüchtlingshelferin aus ihren eigenen Chats aus
Die Plattform lässt Tanja Maier nur mehr eingeschränkt mit Geflüchteten kommunizieren. Diese warten auf ihre Lebensmittelkarten
https://www.derstandard.at/story/2000138065021/zu-viele-nachrichten-telegram-sperrt-wiener-fluechtlingshelferin-aus-ihren-eigenen?ref=rss
+++ITALIEN
Aufnahme von Migranten: Italien meldet Hilfe aus Paris und Berlin
Knapp zwei Monate ist die Vereinbarung alt: Italien, Teile der EU und drei andere Staaten wollen die Aufnahme Geflüchteter ausgewogener aufteilen als bisher. Nun scheint tatsächlich etwas in Bewegung zu kommen.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/italien-solidaritaetsmechanismus-101.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
1. Mai 2022 Zürich: Erste Infos
Am 1. Mai 2022 gab es einen starken revolutionären Block am Morgen und am Nachmittag eine kämpferische Demo in Zürich.
Die Bullen verschicken nun erste Verzeigungsvorbehalte und Fragebögen. Wir sagen euch wie ihr darauf reagieren könnt: Erst mal nichts tun! Es wird keine negativen Auswirkungen haben. Am besten behältst du den Brief einfach zuhause auf.
Wir werden uns sicher nochmals mit mehr Infos rausgehen, sobald es weitergeht. Wir waren gemeinsam auf der Strasse und werden uns auch gemeinsam wehren!
Solidarische und kämpferische Grüsse
Dä Zämeschluss
https://barrikade.info/article/5299
Zürich: Mercedes Benz sabotiert
Kein Warten auf Tag X: Kampf dem türkischen Faschismus und seinen Unterstützer:innen! Hoch die internationale Solidarität!
https://barrikade.info/article/5324
Seit Monaten unbewohnt: Credit Suisse lässt 13 Wohnungen in der Neustadt leer
Am Kauffmannweg in Luzern stehen seit Monaten 13 Wohnungen leer. Solche Leerstände werden in Luzern nicht gern gesehen. Zuletzt brachte die Besetzung an der Bruchstrasse das Thema auf.
https://www.zentralplus.ch/wohnen-bauen/credit-suisse-laesst-13-wohnungen-in-der-neustadt-leer-2421371/
+++KNAST
Weber ist draussen
Nach mehr als sechs Jahren hinter Gittern ist Cannabis-König Yuma Weber wieder auf freiem Fuss – aber ganz losgelassen hat ihn die Strafjustiz noch nicht.
https://www.republik.ch/2022/07/29/update-weber-ist-draussen
+++BIG BROTHER
Predator von Cytrox: Rücktritte nach Trojaner-Skandal in Griechenland
Der griechische Geheimdienst hat mindestens einen Journalisten ausgespäht, nun trat dessen Chef zurück. Außerdem gab heute der Generalsekretär des Ministerpräsidenten sein Amt auf. Die Affäre reicht bis auf EU-Ebene.
https://netzpolitik.org/2022/predator-von-cytrox-ruecktritte-nach-trojaner-skandal-in-griechenland/
+++FRAUEN/QUEER
Sexistisch, homophob und obszön: Frauenfussball-Direktorin erhält üblen Hass-Brief
Die SFV-Frauenfussball-Direktorin teilt auf Twitter einen Brief, dessen Verfasser dem Frauenfussball offenkundig ablehnend gegenübersteht – und die Gürtellinie regelmässig unterschreitet.
https://www.tagblatt.ch/news-service/sport/fussball-sexistisch-homophob-und-obszoen-frauenfussball-direktorin-erhaelt-ueblen-hass-brief-ld.2325093
+++RECHTSEXTREMISMUS
Urteil gegen Alex Jones: Er leugnete einen Amoklauf – jetzt muss er dafür zahlen
Mit seiner Medienplattform verbreitete Jones Lügen über das Massaker an der Sandy-Hook-Schule in den USA. Nun wurde er verurteilt, unter anderem, weil er von seinem Anwalt getäuscht wurde.
https://www.tagesanzeiger.ch/dieser-rechte-hetzer-wurde-fuer-seine-verschwoerungstheorien-bestraft-951490830465?utm_source=twitter&utm_medium=social-ed&utm_campaign=ta_ed_9_eng_som_int_usa_FREE_TA_2022-jul&utm_content=link
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-08/usa-verschwoerungstheorien-alex-jones-entschaedigung?utm_referrer=https%3A%2F%2Ft.co%2F
-> https://www.derstandard.at/story/2000138053706/verschwoerungstheoretiker-muss-schadenersatz-in-millionenhoehe-zahlen?ref=rss
-> https://www.srf.ch/news/international/gerichtsentscheid-in-texas-verschwoerungstheoretiker-alex-jones-muss-millionen-strafe-zahlen
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/d98783c9-babe-43cc-999e-fdf41d281113
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Von Beruf Putin-Fan: Russlands „West-Journalisten“ | Fake News | ARTE
Die russische Doschd-Redaktion – derzeit im Exil in Georgien – betreibt seit 2018 den erfolgreichen YouTube-Channel „FAKE NEWS“. Jede Woche wühlt sich das Team hier durch Stunden an russischen Staats-News und Propaganda-Shows, und zerrupft sogfältig jede einzelne Lüge, bis auch der letzte Putin-Propagandist nackt dasteht. In dieser Folge zeigt Masha, wie man Karriere als „Experte“ für Deutschland, Island oder die USA in Russland macht.
https://www.youtube.com/watch?v=9uK7gvFLsHo
+++RASSISMUS
derbund.ch 05.08.2022
Kultur und Rassismus: Zeit, über die wahren Probleme zu reden
Seit einigen Tagen debattieren wir über kulturelle Aneignung und landen am Ende doch bloss bei der Frage, ob wir jetzt noch Pizza essen dürfen oder nicht. Das reicht nicht.
Ane Hebeisen
Als am Abend des 18. Juli die Reggae-Band Lauwarm darüber informiert wurde, dass sie ihr Konzert in der Brasserie Lorraine nicht fortsetzen dürfe, glaubten einige Besucherinnen und Besucher des Lokals noch, es sei wieder einmal einem lärmsensiblen Nachbarn geschuldet, dass hier Livemusik verhindert wird.
Die wahren Verantwortlichen des Konzertabbruchs lehnten sich vermutlich zufrieden zurück, im festen Glauben, gerade einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Welt geleistet zu haben. Eine Band, die sich eine fremde Musik zu Eigen macht, mitsamt ihrer Symbolik, reproduziere kolonialistisches Ausbeuter-Gebaren, so ihre Idee. Also sollten die Frevler gefälligst den Nachhauseweg antreten.
So absurd die ganze Aktion erscheinen mag, so abwegig ist der Gedanke über kulturellen Kolonialismus nicht. Beispiele, in denen die Vereinnahmung einer minderprivilegierten Kultur tatsächlich Grenzen des Anstands überschritten und ausbeuterische Züge angenommen hat, gibt es einige.
Als etwa im Juni 1958 ein gewisser João Gilberto mit einer vollkommen neuen Musik durch die Clubs von Rio zog und überall Staunen und Begeisterung auslöste, ahnte er nicht, was mit seiner Bossa nova nur einige Jahre später geschehen sollte. Bald sprach sich in den Jazz-Kreisen der USA nämlich herum, dass in Brasilien eine Musik entstanden sei, die an Coolness kaum zu überbieten war, und so enterten die Superstars des Jazz die Clubs um die Copacabana, um sich musikalisch inspirieren zu lassen und bald auch, um die so eigentümlich groovenden Musiker in amerikanische Tonstudios zu locken.
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Und auf einmal wurde die Bossa nova mit Grammys überhäuft: Das Album «Getz/Gilberto» machte die Musik aus Rio weltweit bekannt. Verdient daran haben vor allem die amerikanischen Verlage.
Quelle: Youtube
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Doch die Ausbeutung geschah hier weniger auf künstlerischer Ebene. Im Gegenteil. Die neuen Kollaborationen führten dazu, dass die Bossa nova bald auf der ganzen Welt ein Publikum fand und sich künstlerisch weiterentwickelte. Es waren die amerikanischen Verlage, die mit Dollarnoten wedelnd die Musiker, die noch nie etwas von Urheberrechten gehört hatten, überredeten, ihnen die Songrechte für ein lächerliches Entgelt abzutreten. João Gilberto starb 2019 hoch verschuldet in Rio.
Kulturelle Plünderungen
Man könnte auch all die sogenannten World-Music-Produzenten erwähnen, die in den Achtzigerjahren afrikanische Musiker in ihre Studios einfliegen liessen, deren Lieder für die westlichen Hörgewohnheiten mittels Digitalsynthesizer aufpolierten, dafür mit güldenen Schallplatten überhäuft wurden und sich als Retter der Dritten Welt aufspielten. Etwas verwerflicher war da schon das Gebaren von Boney-M.-Erfinder Frank Farian, der Songs aus Jamaika oder Tunesien coverte, ohne bei den Verwertungsgesellschaften die wahre Urheberschaft anzugeben. Alles passiert. Alles beklagenswürdig.
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Die Melodians sollen von Frank Farian erst als Urheber des Stücks «By the Rivers of Babylon» eingesetzt worden sein, nachdem sie Widerspruch angemeldet hatten.
Quelle: Youtube – https://youtu.be/BXf1j8Hz2bU
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Doch man könnte nun sagen: Wenn die Welt lieber Paul Simons «Graceland»-Album hört statt Miriam Makebas Debüt, wenn sie sich lieber mit Blues-Samples aufgehübschte Billig-Tracks von Moby zu Gemüte führt anstatt der sagenhaften Originale der Sängerin Vera Hall, wenn die Welt lieber Brazilectro statt Jorge Ben, lieber Rolling Stones statt Muddy Waters hört; wenn die Welt also lieber Fischstäbchen isst als richtigen Fisch, dann soll es halt so sein. Der Markt regelt schliesslich, was Populär- und was Nischenmusik ist.
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Bei dieser Frau bediente sich Moby für «seinen» grössten Hit: Vera Hall.
Quelle: Youtube – https://youtu.be/r9SENzRLk_M
Fischstäbchenmusik: Die Version von Moby.
Quelle: Youtube – https://youtu.be/z3YMxM1_S48
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Doch diese Erklärung greift selbstredend zu kurz. Aus den Marketingkassen der Plattenfirmen wurde über Jahre nur das gefördert, von dem man annahm, dass es dem weissen, wirtschaftlich potenten Publikum gefällt. Dass da zuweilen nicht nur Ignoranz, sondern auch rassistische Motive eine Rolle gespielt haben könnten, lässt die Geschichte des Musiksenders MTV vermuten, der sich in seinen Anfängen standhaft weigerte, Musik von Schwarzen zu spielen. Er knickte erst ein, als die Plattenfirma CBS den Sender unter wüsten Androhungen nötigte, das teuer bezahlte Video von Michael Jacksons «Billie Jean» zu senden.
Flucht in die Symbolik
Hinter der Aktion in der Brasserie steckt der vage Gedanke, dass es einer historischen Ungleichheit in der Verteilung von Macht geschuldet ist, dass wir hier grossmehrheitlich Fischstäbchenmusik zu hören bekommen und dass die grössten Blues- oder Rock-’n’-Roll-Stars Weisse waren, obwohl die Musik aus einer schwarzen Szene erwuchs. Auch diese Einschätzung ist richtig, doch die Methoden, dies zu beklagen oder an heutigen Missständen etwas zu ändern, sind von fast schon beleidigender Lächerlichkeit. Und sie zeigen auf, in welch wunderlicher Blase sich die Rassismus-Debatte mittlerweile abspielt. Es scheint, dass man sich lieber in Symbolik flüchtet, statt die wahren Probleme zu benennen und zu adressieren. Mit dem Ergebnis, dass nun die halbe Schweiz darüber diskutiert, ob es schon kulturelle Aneignung, ja womöglich bereits rassistisch ist, wenn ein Appenzeller Pizza isst. Die Absicht, die Menschen für die täglichen Unannehmlichkeiten Musikschaffender aus anderen Kulturen zu sensibilisieren, hat man hoffnungslos verspielt.
Wird es irgendeinem Musiker auf Jamaika einen Vorteil bringen, wenn einer Berner Reggae-Band ein Auftrittsverbot erteilt wird? Nein. Wird es eine afrikanische Künstlerin kümmern, dass derselben Berner Reggae-Band untersagt wird, Rastalocken oder afrikanische Textilien zu tragen? Nein. Wird mit Interventionen wie jener in der Brasserie Lorraine auch nur im Ansatz irgendeine rassistische Ungerechtigkeit kompensiert oder verhindert? Nein. Ist es der Rassismus-Diskussion förderlich, sich in solchen Nebenschauplätzen zu verzetteln? Zur Hölle, nein.
Denn dass die Schweiz ein strukturelles Rassismusproblem hat, das auch bis in die Kultur züngelt, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten wollen. Wer daran zweifelt, frage bei Personen nach, deren Name auf «ic» endet und die sich gerade auf Wohnungssuche befinden, oder bei einer afrikanischen Band, die ihre Musik gern ins Schweizer Radio bringen möchte.
Letzten November veröffentlichte der Bund eine Studie, in der erhoben wurde, wie es in diesem Land um die Toleranz gegenüber Migrantinnen und Migranten steht. Die Erkenntnisse waren einigermassen erschreckend: 41 Prozent der hiesigen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund fühlt sich durch Personen mit einer anderen Sprache, Staatsangehörigkeit, Religion oder Hautfarbe «gestört». In der Deutschschweiz trifft dies auf 37 Prozent der Gesamtbevölkerung zu.
Was also sollte uns eher umtreiben? Die paar Weltverbesserungsfantasten, die sich angesichts einer bleichgesichtigen Reggae-Band «unwohl» fühlen? Oder jeder dritte Deutschschweizer, der sich durch eine ihm fremde Kultur «gestört» fühlt?
Der eurozentrische Blick
Wo also ansetzen, damit aus einem «Stören» eine «Neugier» wird? Wo beginnen, damit sich die Situation des jamaikanischen Reggaemusikers, der afrikanischen Künstlerin, der musizierenden Diaspora wirklich verbessert und marginalisierter Musik der eingeforderte Respekt und die nötige Aufmerksamkeit entgegengebracht werden?
Beginnen wir bei den Strukturen der Musikindustrie: Denn Tatsache ist, dass diese – und mit ihr die ganze Wahrnehmung von Musik – seit Jahrzehnten von (meist männlichen) Meinungsmachern der Ersten Welt dominiert wird. Hier sitzt das Geld, hier sitzt die Macht, also wird auch diese (vornehmlich weisse) Klientel bevorzugt bedient. Hört man sich das Tagesprogramm eines Schweizer Radiosenders an, wird man – neben lokalen Phänomenen – grossmehrheitlich auf Musik aus Nordamerika oder Europa stossen. Afrikanische, karibische, asiatische oder schon nur osteuropäische Klänge gibt es hier kaum zu hören. Die einzige Ausnahme bildet der boomende Reggaeton, der sich von einer rauen Nischenmusik zu einem von amerikanischen Produzenten schablonenartig vervielfältigten Massenphänomen entwickelt hat.
Vor 35 Jahren kreierten Marketing-Verantwortliche englischer Plattenfirmen den Begriff World Music, der alles schubladisieren sollte, was in den Ohren des Westlers exotisch klingt und nicht ins gemeine angloamerikanische Pop-Rock-Schema passte. In dieser Schublade wird es bis heute verstaut. Verschickt eine schweizerisch-türkische Disco-Band ihre Musik an ein hiesiges Radio, erhält sie die Rückmeldung, man werde es der World-Music-Expertin weiterleiten, falls denn überhaupt noch eine solche angestellt ist. Dass man mit ungeläufigeren Klängen auch mal das Tagesprogramm bereichern könnte, diese Idee existiert in den Köpfen der Entscheidungsträger nicht. Es gilt, die Durchhörbarkeit nicht zu «stören»: Auf diese Tradition der kulturellen Ghettoisierung hinzuweisen und bei den Verantwortlichen sanften Druck auszuüben, zeitigte vermutlich mehr Wirkung, als wenn man an einem Berner Reggae-Konzert den Aufstand übt.
Dieser eurozentrische, westliche Blick auf die Popmusik hat sich nicht nur im Radio, sondern auch in allen anderen Medien verfestigt. Vergleicht man die beliebten Jahresbestenlisten einschlägiger europäischer Musikmagazine oder Zeitungen, stellt man zwar eine erstaunliche Einhelligkeit fest, was die Musik der Stunde ist. Genauso eindeutig ist aber auch das Verdikt, dass Musik aus anderen Kulturkreisen in den Augen und Ohren der westlichen Musikredaktoren keine Relevanz besitzt. Doch wie soll derartiger Musik Respekt gezollt werden, wenn sie nirgendwo hörbar wird?
Das Streaming verschlimmert die Situation
Als Band aus dem globalen Süden an eines der grossen Schweizer Festivals gebucht zu werden, ist heute nahezu unvorstellbar, es sei denn, man ist bei einem der raren Labels unter Vertrag, die auch in der Indie-Szene Ansehen geniessen. Ausserdem darf man keine Probleme mit dem Visum verursachen und sollte deshalb mit Vorteil gerade in Europa stationiert sein. Kommt hinzu, dass in der postpandemischen Ära niemand mehr das Risiko eingehen will, eine Band zu buchen, die auf dem hiesigen Markt noch nicht etabliert ist, geschweige denn eine siebenköpfige Gruppe aus Afrika einfliegen zu lassen und sich damit das ökologische Karma zu versauen.
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Der Nigerianer Seun Kuti konnte einst bloss deshalb eine USA-Tournee spielen, weil sich Barack Obama persönlich um sein Visum kümmerte.
Quelle: Youtube – https://youtu.be/4YKBvMmgmuI
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Und wer glaubte, dass die neue Streaming-Welt, die den grenzenlosen Musikkonsum propagiert, die Lage für Musikschaffende aus anderen Kulturen verbessern würde, hat sich gründlich getäuscht. Wer in einer anderen Sprache als Englisch singt, wird vom Algorithmus sogleich zum Exoten gemacht, der es bestenfalls auf irgendwelche Nischen-Playlists schafft. Wer zudem vornehmlich in seinem Heimmarkt auffällige Erfolgszahlen ausweist, wird von den Diensten als «lokales Phänomen» kategorisiert und wird den Sprung in die grosse weite Streaming-Welt kaum schaffen.
Es gibt also genügend strukturelle Probleme, über die endlich mal gesprochen werden sollte, anstatt die Energie in Debatten über harmlose Gartenkonzerte verpuffen zu lassen. Der gut gemeinte Wunsch einer woken weissen Minderheit, die farbige Gesellschaft vor etwas schützen zu wollen, was diese in der Mehrheit selbst gar nicht als grundlegendes Problem begreift, kehrt sich für die betroffenen People of Colour ins Negative: Es lässt sie dastehen wie unselbstständige Sensibelchen. Oder wie der schwarze Intellektuelle John McWhorter kürzlich in einem Vortrag sagte, «wie dumme Babys». Wie sagte Tucholsky doch so schön: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.
(https://www.derbund.ch/das-gegenteil-von-gut-ist-gut-gemeint-590083221027)