Themen
- Wahlkampf in Italien: rechte Parteien instrumentalisieren Ankünfte in Lampedusa
- Update zu Europas Politik der Auslagerung ihrer Aussengrenzen
- WHO-Studie belegt Migration als Gesundheitsrisiko
- Europäische Unterstützung für Libyen
- Frontex finanzierte nachweislich Pushbacks und zog Überwachungsflugzeuge ab
- Statement der Brasserie Lorraine zur Diskussion um kulturelle Aneignung
- Programm No Fides
Was ist neu?
Wahlkampf in Italien: rechte Parteien instrumentalisieren Ankünfte in Lampedusa
Anstatt nachhaltige Lösungen für die überfüllten Asyllager auf Lampedusa zu suchen, wird das Leid der Menschen gegen sie verwendet und für den Wahlkampf ausgenutzt.
Durch Klimakrise, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg wird die Not der Menschen im globalen Süden verstärkt und Fluchtbewegungen nehmen zu. Und aufgrund der momentanen relativen Windstille auf dem Mittelmeer versuchen viele Menschen die Überfahrt. Innerhalb der letzten Woche kamen sechs Boote mit insgesamt 291 Menschen in Lampedusa an: ein Boot mit 20 Ägypter*innen an Bord, eines mit 22 Menschen aus der Elfenbeinküste und Kamerun, eines mit 67 Menschen aus der Elfenbeinküste und Ägypten, sowie ein Boot mit 20 Menschen aus Tunesien und erneut eines mit 18 Menschen aus Tunesien. Die Boote waren in Skhira, Sfax und Kenkennah (Tunesien) und Abu Kammash (Libyen) gestartet.
Vor Kalabrien hatten ein Handelsschiff und die italienische Küstenwache zusätzlich ein Fischerboot mit insgesamt 674 Menschen an Bord aus Seenot gerettet. Einige Menschen waren schon ins Wasser gefallen und für fünf Personen an Bord kam jede Rettung zu spät: sie verdursteten auf der Überfahrt. Auch die zivilen Seenotrettungseinsätze gehen weiter: Bis zu 439 Personen befinden sich noch an Bord der Sea Watch 3, 387 Personen an Bord der Ocean Viking, sowie 189 Personen an Bord der Geo Barents. Sie warten alle auf einen Hafen.
Fast 2’000 Menschen befanden sich in den Auffanglagern, die für 350 Menschen ausgelegt sind.
600 wurden daraufhin nach Porto Empedocle gebracht, jeweils 150 auf zwei Fähren untergebracht.
Es sind aber nach wie vor über tausend Menschen in Lampedusa und die Lager bleiben überfüllt.
Während zwar ein vorübergehender EU-weiter Umverteilungsmechanismus geschaffen wurde, um Länder wie Italien, Spanien und Zypern zu entlasten, bleibt die Zahl lächerlich gering: 8’000 Menschen sollen in aufnahmebereite Staaten gebracht werden. Die Prozesse sind langsam und bürokratisch. Die Frage, ob Menschen in Länder ihrer Wahl gehen können, in denen bspw. Verwandte leben oder sie Sprachkenntnisse haben, ist zu bezweifeln.
Anstatt die Bedingungen vor Ort an die voraussehbaren Veränderungen in den Flucht- und Migrationsbewegungen anzupassen, stürzen sich die italienischen Parteien auf das Thema Migration und instrumentalisieren es für den anstehenden Wahlkampf. Denn im September wird nach dem Rücktritt Draghis neu gewählt und die neo-faschistische Partei Fratelli d’Italia unter Giorgia Meloni, die rechte Partei Lega unter Matteo Salvini und die christlich-konservative Partei Forza Italia unter Silvio Berlusconi liegen in den Umfragen vorne.
Salvini kündigte nun an, nach Lampedusa zu fahren und wird die Bilder für seinen Wahlkampf missbrauchen. Seine Forderungen alle anlandenden Boote zu blockieren, sowie hunderttausende Menschen abzuschieben, befeuern den Wahlkampf, sind aber nicht nur unzulässige rechte Hetze, sondern auch unrealistisch. Und selbst wenn seine rechte Hetze vor allem lose Versprechungen beinhaltet, schafft sie ein Klima von Angst, Brutalität und Gewalt. Seine rassistischen Äusserungen zu Abschottungspolitik bilden ausserdem den Nährboden und dienen als Rechtfertigung für weitere Entrechtungen von Menschen mit Migrationsgeschichte. Auch Giorgia Meloni schlägt in die gleiche Kerbe und postete Fotos von Menschen, die nach Italien emigriert sind und denen Gewaltverbrechen vorgeworfen werden und forderte deren Ausweisungen. Damit hält sie eine einseitige Erzählung am Leben, die sie für ihren rassistischen Wahlkampf nutzt. Wenn im September ein rechtes Bündnis die Wahlen gewinnt, dann gute Nacht, Italien. Geht dagegen auf die Strassen!
https://www.sicilianews.it/migranti-in-mille-sulle-navi-delle-ong-si-svuota-lhotspot-di-lampedusa/
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-07/mehr-migranten-italien-mittelmeer-tote
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/italien-salvini-verspricht-blockade-illegaler-migration-18200576.html
https://www.jungewelt.de/artikel/431303.eu-grenzregime-notstand-in-lampedusa.html
https://ristretti.org/migranti-espulsioni-e-piu-agenti-salvini-e-la-campagna-delle-promesse-a-vuoto
Update zu Europas Politik der Auslagerung ihrer Aussengrenzen
Die Externalisierung der europäischer Aussengrenzen ist ein zentraler Bestandteil der tödlichen EU-Migrationspolitik. Die EU, ihre Mitgliedstaaten und andere europäische Länder schliessen mit Nicht-EU-Ländern Abkommen zur Migrationskontrolle ab. Jedes Jahr werden neue Abkommen geschlossen, wie zum Beispiel das jüngste Abkommen zwischen Grossbritannien und Ruanda. Diese Abkommen sind ein wichtiges Mittel, um Menschen daran zu hindern, nach Europa zu gelangen: durch Abschreckung vor der Reise, Repression unterwegs und Abschiebung derer, die doch ankommen. Gleichzeitig investiert die EU zunehmend in politische Interventionen in Nicht-EU-Staaten wie dem Senegal und in den Ausbau der Frontex-Präsenz ausserhalb des Schengenraums.
Marokko: Überwachungstechnologien von der EU
Seit Jahren arbeiten die EU-Staaten eng mit der marokkanischen Regierung zusammen im Kampf gegen Migration. Brüssel überweist der Führung in Rabat jedes Jahr viele Millionen Euro, damit diese Menschen an der Flucht nach Europa hindert. Recherchen zeigen nun, dass die EU in ihrer Kooperation mit Marokko noch weiter geht als bislang bekannt: Brüssel stellt den marokkanischen Behörden Überwachungstechnologie zur Verfügung, mit der auf sämtliche Daten von Mobiltelefonen zugegriffen werden kann (mit Mitteln aus dem Afrika-Nothilfefonds). Wie Aktivist*innen und kritische Jouralist*innen in Marokko berichten, werden diese Technologien unter anderem zur Überwachung ihrer Telefone genutzt. Einmal mehr unterstützt die EU anti-demokratische Regime, um ihre Politik der Abschottung durchsetzen zu können.
https://www.spiegel.de/ausland/marokko-wie-die-eu-rabats-ueberwachungsapparat-aufruestet-a-d3f4c00e-4d39-41ba-be6c-e4f4ba650351
Brüssel: Screening-Verordnung
Im Rahmen des «New Pact on Migration and Asylum», die eine sog. Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zum Ziel hat, entschied der Rat der Europäischen Union am 10. Juni 2022 über die sog. Screening-Verordnung. Diese beinhaltet folgendes: Alle asylsuchenden Menschen sollen direkt nach Aufgriff an der Grenze eines europäischen Mitgliedstaates für fünf bis zehn Tage für ein Screening festgesetzt werden und für diesen Zeitraum als «nicht eingereist» gelten. Auf Basis der Informationen, die in dem kurzen Screeningverfahren erhoben werden, soll dann entschieden werden, welches Verfahren sich dem anschliesst: Das normale Asylverfahren oder das Asylgrenzverfahren, in dem die Person weiterhin als «nicht eingereist» gilt. Diese Fiktion des Nicht-Einreisens würde konkret bedeuten, dass die geflüchteten Personen unter haftähnlichen Bedingungen in Grenzregionen ausharren müssten. Zudem könnte die Praxis der Pushbacks verstärkt und als legal ausgelegt werden.
https://www.proasyl.de/news/systematische-haft-an-den-aussengrenzen-bundesregierung-muss-dies-verhindern/
Warschau: Frontex plant Einsätze in Senegal und Mauretanien
Frontex plant den Einsatz von «Schiffen, Überwachungsausrüstung und operativen Aufgaben» im Senegal und in Mauretanien. Bislang konnte Frontex nach einer Gesetzesreform ab 2019 nur in Drittländern tätig werden, wenn diese eine gemeinsame Grenze mit einem EU-Mitgliedstaat haben. Doch es ist nicht das erste Mal, dass Mandate von Frontex einfach ausgeweitet werden, wie die NGO StateWatch durch die Analyse von zwei Aktionsdateien («actions files») von Frontex feststellen konnte. Darin werden vier Aufgabenbereiche benannt und besprochen, wie Frontex und die lokalen Behörden bei der Bekämpfung der Migration zusammenarbeiten könnte. Mehr dazu hier: https://www.infomigrants.net/en/post/42166/frontex-planning-operations-in-senegal-and-mauritania-claims-ngo
Diese anhaltenden Externalisierungsbemühungen führen zu Lagern in sogenannten Hotspots, willkürlichen Inhaftierungen, Pushbacks, Abschiebungen und gefährlicheren Routen. Es ist diese Politik, die verantwortlich ist für Tausende von Toten, für das Sterben an den Grenzen, in den Lagern, auf den Fluchtrouten. Was bedeutet das für antirassistische Kämpfe? Was können wir dieser Politik entgegensetzten, wie uns organisieren? Wie können wir die europäische Politik der Externalisierung ins Visier nehmen, die darauf abzielt, Migration zu stoppen?
Was ist aufgefallen?
WHO-Studie belegt Migration als Gesundheitsrisiko
Die WHO hat ihren ersten Weltbericht zur Gesundheit von Geflüchteten und Migrant*innen veröffentlicht und zeigt den grossen Einfluss von Flucht und Migration auf die Gesundheit auf. Schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen wirken sich negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden aus und führen zu einem oft viel schlechteren Gesundheitszustand als in der lokalen Bevölkerung.
Aktuell sind eine Milliarde Menschen weltweit auf der Flucht, das entspricht jeder achten Person. Es ist zu erwarten, dass es durch militärische Konflikte, den Klimawandel oder zunehmende Ungleichheit immer mehr Menschen werden. Die Beziehung zwischen Gesundheit und Migration ist komplex und dynamisch. Die Gesundheit kann sich verbessern, wenn Menschen aus einer Konfliktsituation in eine friedliche ziehen oder aus einem Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit in ein Gebiet mit besser bezahlter, sicherer Arbeit. Die Gesundheit kann sich jedoch in den verschiedenen Phasen von Flucht und Migration auch verschlechtern, beispielsweise durch die Unterbrechung einer Behandlung oder fehlenden Zugang zu Gesundheitsleistungen.
Es gibt zahlreiche Einflussfaktoren auf die Gesundheit: Dazu gehören individuelle Merkmale und Verhaltensweisen, das soziale und wirtschaftliche Umfeld, die physische Umwelt (z.B. sauberes Wasser und saubere Luft, gesunde Arbeitsplätze, sichere Häuser, sowie Lebensmittel und Ernährung). Diese Einflussfaktoren wirken sich auf Menschen in den verschiedenen Phasen ihrer Vertreibung und Migration unterschiedlich aus. Zum Beispiel spielt die physische Umwelt wie der Zugang zu Wasser, Sanitäranlagen, Unterkunft und Ernährung in der Regel während des Migrationsprozesses eine grosse Rolle. Andere Einflussfaktoren wie Einkommen und Bildungsniveau gewinnen meist nach der Ankunft im Zielland an Bedeutung, können aber auch bereits die Entscheidung einer Person beeinflussen, überhaupt zu migrieren. Gender hat während des gesamten Migrationsprozesses und darüber hinaus starke Auswirkungen auf alle Lebensbereiche.
Wenngleich die Motivation für Migration, der Ablauf und das Ankommen sehr unterschiedlich und die Einflussfaktoren auf die Gesundheit sehr vielschichtig sind, kommt die Studie zum Schluss, dass Geflüchtete und Migrant*innen in den meisten Fällen einen schlechteren Gesundheitsstatus haben als die lokale Bevölkerung in den untersuchten Ländern. Das ist nicht erstaunlich, wenn man die Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler Migrant*innen betrachtet. Viele Geflüchtete und Migrant*innen verrichten besonders gefährliche und fordernde Jobs ohne angemessenen sozialen und gesundheitlichen Schutz oder Massnahmen zur Arbeitssicherheit. Sie nehmen im Vergleich zu Nicht-Migrant*innen seltener Gesundheitsdienste in Anspruch und erleiden häufiger Arbeitsunfälle.
Hindernisse beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen können durch den Migrationsstatus verstärkt werden. Zu den häufigsten Hindernissen gehören institutionelle und administrative Barrieren, Sprache und Kultur, Diskriminierung, Transport und finanzielle Faktoren. Hinzu können die Angst vor Inhaftierung und Abschiebung kommen. In vielen Regionen fehlt es an Gesundheitsdiensten, die auf die speziellen Bedürfnisse von Geflüchteten und Migrant*innen zugeschnitten sind. Nicht-übertragbare Krankheiten wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck sind eine zunehmende gesundheitliche Belastung. Sie bleiben oftmals lange nicht diagnostiziert und entsprechend auch nicht behandelt. Krebs wird oft erst später diagnostiziert, da der Zugang zu Präventionsmassnahmen schlechter ist. Psychische Probleme, der Anpassungsstress an eine neue Umgebung, Arbeitslosigkeit und Traumata können zu einem Anstieg des Substanzkonsums beitragen. Depressionen und Angstzustände können in verschiedenen Phasen der Vertreibungs- und Migrationserfahrung eine grosse Rolle spielen. Psychische Gesundheitsprobleme treten häufiger auf als bei nicht-migrierten Menschen.
Insgesamt fehlt es laut der Studie an verlässlichen Daten. Migrant*innen sind in den Gesundheitserhebungen der meisten Länder unsichtbar, wodurch ihre Bedürfnisse in der Gestaltung von Gesundheitsdiensten kaum berücksichtigt werden. Es ist politischer Wille nötig, angemessene Gesundheitsdienste für alle zugänglich zu machen. Die WHO-Studie bezieht sich kaum auf europäische Länder. Dass die Ergebnisse auch auf die Schweiz zutreffen, lässt ein Beispiel aus Winterthur vermuten. Vergangene Woche suchte eine Sexarbeiterin aus Polen mit starken Schmerzen Hilfe am Empfang des Notfallzentrums des Kantonsspitals – und wird unbehandelt wieder weggeschickt. Sie kann keine Krankenkassenkarte vorweisen und auch kein Depot von 500 Franken hinterlegen. Erst nach einer Intervention durch die Anlaufstelle Isla wird sie behandelt.
Europäische Unterstützung für Libyen
Die deutsche Regierung entlarvt ihre Scheinheiligkeit in der Zusammenarbeit mit Libyen. Die italienische Regierung bildet einen Pakt mit Erdogan und erlässt ein Dekret, um migrationsbezogene Informationen geheim zu halten.
Die Beziehung von Europa zu Libyen ist doppelbödig: nach vorne hin inszenieren sich viele europäische Regierungen als Beschützer*innen der Menschenrechte, indem sie die gewaltvollen Praktiken der zwei kämpfenden libyschen Regierungen und der Milizen verurteilen. Dass gerade der Umgang mit flüchtenden und migrierenden Menschen in Libyen eine Katastrophe ist, ist bekannt und wird regelmässig durch unabhängige Untersuchungen und Befragungen belegt: Massive Gewaltanwendung und Folter, Menschenhandel, Versklavung, Zwangsprostitution, Vergewaltigungen und Morde sind nur ein Teil der alltäglichen Gewalt in libyschen Internierungslagern. Deswegen forderte z.B. die heutige deutsche Innenministerin Annalena Baerbock (Grüne) noch 2018 in der Opposition den sofortigen Stopp der Zusammenarbeit mit der sog. libyschen Küstenwache. Diese hat mit mehreren europäischen Regierungen und mit der europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex Abkommen, gemäss denen sie Menschen, die über das Mittelmeer flüchten, abfangen und zurück nach Libyen schleppen. Dies wird einerseits durch Gelder (ca. 500 Millionen Dollar seit 2015), Ausrüstung und die Ausbildung der sog. libyschen Küstenwache durch europäische Behörden ermöglicht, andererseits durch das Schaffen und Anerkennen der sog. libyschen Such- und Rettungszonen (SAR), die weit bis vor die Küsten Europas reicht. Verschärft wird dies durch die Überwachungsflüge von Frontex, deren Mittelmeer-Missionen IRINI und THEMIS die Koordinaten von Booten mit geflüchteten Menschen direkt an die sog. libysche Küstenwache durchgeben. Ein Lieferdienst zurück in die Hölle, bezahlt mit EU-Geldern. 200 Millionen jährlich sollen laut internen Berichten innerhalb der nächsten Jahre nach Nordafrika fliessen. Doch Macht korrumpiert: denn kaum bilden die Grünen einen Teil der Regierung, erkennen sie die libysche SAR an. Und auch wenn sich die Bundesregierung von einer Zusammenarbeit mit der sog. libyschen Küstenwache losgesagt hat, hat die Bundespolizei diesen Sommer weiterhin mehrere Treffen mit der libyschen Seepolizei, der GACS durchgeführt. So bleiben die Aussagen gegen eine Zusammenarbeit mit Libyen blosse Lippenbekenntnisse.
Und während sich die deutsche Regierung nur auf dem Papier von den Machenschaften in Libyen distanziert, versucht die italienische Regierung mit mehreren Massnahmen ihre Kontrolle in Libyen zu erweitern, die Arbeit auszulagern und gleichzeitig durch neue verschärfte Gesetzesentwürfe diese Machenschaften der Geheimhaltung zu unterwerfen.
Zuerst hatte sich der ehemalige italienische Premierminister Mario Draghi (parteilos) noch während seiner Amtszeit mit dem türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdogan getroffen, ihm sein Vertrauen ausgesprochen und ihm in Libyen alle Befugnisse eingeräumt, auch in der Migrationsbekämpfung. Wiederholt drückten die italienischen Minister*innen bei ihrem Ankara-Besuch die „tiefe Freundschaft“ zwischen den beiden Ländern aus und die geplante Festigung ihrer „militärischen Beziehungen“. Das ist auf mehreren Ebenen skandalös.
Einerseits sind diese Worte ein Hohn für all die regierungskritischen Stimmen in der Türkei, die im Keim erstickt, bekämpft, zensiert und ins Gefängnis gesteckt werden. Es ist ein Hohn für die Menschen in Rojava, die unter dem türkischen Angriffskrieg leiden. Es ist ein Hohn für die Kurd*innen, die mit dem Beitritt von Schweden und Finnland in die NATO nun endgültig ans Messer geliefert werden. Und nicht zuletzt ist es ein Hohn für die Menschen im zerrütteten Libyen, die nun mit der militärischen und diplomatischen Übermacht der Türkei umgehen müssen. Es ist nicht das erste Mal, dass EU-Länder mit dem autoritären Regime in der Türkei Deals abschliessen und dafür Ohren und Augen verschliessen gegenüber Menschenrechtsverletzungen oder z.B. einer Invasion.
Und nun startet die italienische Regierung mit gezielten Gesetzesentwürfen unter dem Vorwand der „nationalen Sicherheit“ auch noch einen Angriff auf Informations- und Pressefreiheit. Bereits im März 2022 unterzeichnete Innenministerin Luciana Lamorgese ein entsprechendes Dekret.
Es beinhaltet die Geheimhaltung von Informationen zu grenzübergreifender Sicherheitszusammenarbeit, zwischenstaatlichem „Grenz- und Einwanderungsmanagement“, Kooperationen und technischer Vereinbarungen zwischen Militär und Polizei, sowie der vagen Formulierung von „Problemen in Grenzgebieten“. Sogar wenn italienische Behörden mit Frontex zusammenarbeiten, darf die ohnehin schon vollkommen intransparente Agentur keine Informationen mehr dazu herausgeben. Im Juli hatten italienische Journalist*innen vergeblich versucht, Informationen über die Ausrüstung der sog. libyschen Küstenwache zu erlangen. Die Zentraldirektion für Einwanderung und Grenzpolizei, die dem von Lamorgese geführten Innenministerium untersteht, hatte im vergangenen Jahr mehrere Schiffe und Technik zur Meeresüberwachung nach Libyen geschickt. Diese sollten für eine mobile Seenotleitstelle verwendet werden. Die EU hatte für deren Einrichtung über 60 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Abgesehen davon, dass eine EU-finanzierte Seenotleitstelle in Libyen an sich schon problematisch ist, können anscheinend weder die EU-Kommission, noch der EU-Rat mitteilen, wo diese Leitstelle sein soll, was dafür spricht, dass die Mittel zweckentfremdet wurden oder versandet sind. Aufgrund des neuen Gesetzes wird die Aufklärung darüber, wohin diese Gelder geflossen sind, erschwert. Auch EU-Organe profitieren von dem italienischen Gesetz: so z.B. die Agentur für Verteidigungsindustrien AID, die für für die Verwaltung der EU-Gelder an Libyen zuständig ist.
Luisa Izuzquiza von Frag den Staat kommentierte gegenüber netzpolitik.org: „Immer wieder und in zunehmendem Masse verweigern europäische Regierungen und Institutionen den Zugang zu migrationsbezogenen Informationen. Die Absicht ist klar: Sie wollen sich davor schützen, für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das italienische Geheimhaltungsdekret ist eine schwere Eskalation und muss sofort aufgehoben werden“.
https://netzpolitik.org/2022/geheimsache-grenzueberwachung-italien-schraenkt-informationsfreiheit-drastisch-ein/https://digit.site36.net/2022/07/26/secret-border-surveillance-italy-drastically-restricts-freedom-of-information/
https://www.antimafiaduemila.com/home/terzo-millennio/256-estero/90897-patto-d-acciaio-italia-turchia-accordi-su-migranti-sicurezza-difesa-e-roma-pronta-a-intervenire-a-fianco-di-erdogan.html
https://www.haz.de/politik/libyen-linke-carla-buenger-kritisiert-bundespolizei-treffen-mit-libyscher-seepolizei-KPD5BVKDCRG4VE5R2JWMDA5BWY.html
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165683.migrationspolitik-ein-kurswechsel-der-keiner-ist.html
https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/seenotrettung-libyen-kuestenwache-101.html
Was tut Frontex?
Frontex finanzierte nachweislich Pushbacks und zog Überwachungsflugzeuge ab
Der bisher unter Verschluss gehaltene OLAF-Bericht, welcher belegt, dass Frontex zu jeder Zeit von den Pushbacks in der Ägäis wusste, liegt nun endlich vor. Er ist zwar noch nicht öffentlich einsehbar, liegt aber der Zeitung Spiegel vor.
Der Untersuchungsbericht der EU-Antibetrugsagentur Olaf ist geheim. Europaabgeordnete können ihn nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen einsehen. Normale Bürgerinnen und Bürger dürfen ihn nicht lesen. Auf 129 Seiten ist dokumentiert, wie die EU-Grenzschutzagentur Frontex in die illegalen Machenschaften der griechischen Küstenwache verwickelt war: Die Grenzbeamt*innen setzen in der Ägäis Menschen systematisch antriebslos auf dem Meer aus – entweder in wackeligen Booten oder auf aufblasbaren Rettungsinseln. Die Ermittler*innen werteten private E-Mails und WhatsApp-Nachrichten von Fabrice Leggeri, dem ehemaligen Chef der Grenzschutzagentur, und seinem Team aus. Dem Frontex-Verwaltungsrat blieb nach der Lektüre des Untersuchungsberichts keine andere Wahl, als Leggeri zum Rücktritt zu drängen. Aber was der Bericht zusammengetragen hat, ist so brisant, dass es weit über Leggeri hinausreicht. Die EU versucht deshalb seit Monaten, den Bericht unter Verschluss zu halten.
Der OLAF-Bericht weist die griechischen Menschenrechtsverletzungen detailliert nach. Sie belegen, dass Frontex früh von ihnen wusste. Anstatt die Pushbacks zu verhindern, vertuschten Leggeri und seine Leute sie. Sie belogen das EU-Parlament und verschleierten, dass die Agentur einige Pushbacks sogar mit europäischem Steuergeld unterstützte. Fast alles von dem, was die OLAF-Ermittler*innen Frontex vorwerfen, lässt sich anhand eines einzigen Pushbacks erzählen. In den frühen Morgenstunden des 5. August 2020 zog die griechische Küstenwache ein aufblasbares Boot mit Menschen auf der Flucht hinter sich her. Etwa 30 Geflüchtete sassen darauf. Eigentlich hätte die Küstenwache die Menschen sicher an Land bringen und ihnen die Möglichkeit geben müssen, einen Asylantrag zu stellen. Doch stattdessen schleppten sie die Menschen in Richtung Türkei.
Bei Frontex konnte man den Pushback live mitverfolgen. Ein Frontex-Flugzeug streamte die Situation in die Zentrale nach Warschau. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Frontex-Leute längst, was passieren würde. Sie kannten die Bilder von den ausgesetzten Geflüchteten in der Ägäis, ein interner Bericht hatte explizit vor den griechischen Pushbacks gewarnt. Die Küstenwache bringe die Passagiere in »Lebensgefahr«, notierte ein Beamter. Solche Ereignisse wiederholten sich. »Es wird immer schwieriger, damit umzugehen«. Die Vorfälle stellten ein »riesiges Reputationsrisiko« für die Agentur dar. Die Frontex-Chefs, so die Ermittler*innen, verhinderten, dass der Pushback untersucht wurde. Stattdessen zogen sie die Flugzeuge ab, die im Auftrag von Frontex in der Ägäis patrouillierten. Offiziell hiess es, sie würden im zentralen Mittelmeer gebraucht. Tatsächlich wollte Frontex offensichtlich vermeiden, weitere Menschenrechtsbrüche aufzuzeichnen.
Der OLAF-Bericht zitiert ausserdem Mitarbeitende, die gegen Leggeri aussagen. Und sie fanden eine handschriftliche Notiz vom 16. November 2020. »Wir haben unser FSA vor einiger Zeit zurückgezogen, um nicht Zeugen zu werden …«, steht dort. FSA steht für »Frontex Surveillance Aircraft«. Die EU-Agentur, die immer wieder scheinheilig betont, dass sie Menschenrechtsverletzungen verhindern würde, schaute bewusst weg. Der Bericht zeigt zudem, wie Frontex in mindestens sechs Fällen europäische Steuergelder einsetzte, um die Pushbacks zu finanzieren. Am Vorfall vom 5. August beispielsweise war das griechische Küstenwachenschiff CPB 137 beteiligt. Die Agentur hatte die Mission des Bootes kofinanziert. Die Behördenleitung wusste genau, wie heikel das war – und verschwieg das bei allen nachfolgenden Nachforschungen des Parlaments und des Verwaltungsrats.
Die internen Chatverläufe von Frontex sagen viel über die politische Haltung bei Frontex aus: Frontex solle in Taxi-Unternehmen für Migrant*innen verwandelt werden, fürchtete die Behördenleitung schon 2018. Die aktuelle EU-Kommission war Leggeri und seinem Team suspekt. Sie stehe aufseiten der NGOs, heisst es in den Nachrichten. Später lästert das Führungsteam der Agentur über die »Dummheit« einiger Kommissionsvertreter*innen. Als Innenkommissarin Ylva Johansson auf Twitter die Integration von Eingewanderten in der EU bewirbt, heisst es: »Es ist alles gesagt«. Lieblingsfeind der Frontex-Leitung war die Menschenrechtsbeauftrage Arnaez. Sie wird in den Nachrichten mit dem Diktator Pol Pot verglichen, einem kommunistischen Massenmörder. Die Grundrechtsbeauftagte bringe ein Terrorregime im Stile der »Roten Khmer« über die Agentur, heisst es. Nicht nur Leggeri behinderte Arnaez‘ Arbeit. In einem Meeting warnte ein Frontex-Mitarbeiter: Die Grundrechtsbeauftragten seien »keine echten Frontex-Kollegen«.
Die neue Frontex-Interimschefin Aija Kalnaja würde das alles gern so schnell wie möglich hinter sich lassen. Entscheidend sei, sagt sie, dass die Grenzschutzagentur nie wieder in eine solche Situation komme. Dabei macht Frontex weiter wie bisher: Fast jeden Tag, das zeigen Videos und Zeug*innenaussagen, kommt es in der Ägäis zu neuen Pushbacks. Und noch immer arbeitet Frontex mit der griechischen Grenzwache eng zusammen, unterstellt seine Beamt*innen gar ihrem Kommando. Den OLAF-Bericht hat Kalnaja nach eigenen Angaben bis heute nicht gelesen, dabei offenbart er gleich eine ganze Reihe von strukturellen Problemen, die wenig mit Leggeri, sondern vielmehr mit der ganzen Agentur zu tun haben: So setzt offenbar die griechische Grenzwache die Frontex-Beamt*innen unter Druck, falls sie mutmassliche Rechtsbrüche melden wollen. Immer wieder verschweigt die Grenzwache zudem ankommende Boote, in der entsprechenden Frontex-Datenbank vermerken sie diese »ghost landings« nicht.
Kalnaja wäre nach den Frontex-Regularien verpflichtet, eine Operation zu beenden, wenn es zu »schwerwiegenden und anhaltenden Grundrechtsverletzungen« kommt. Der Olaf-Bericht lässt keinen Zweifel daran, dass das in der Ägäis der Fall ist. Kalnaja aber denkt nicht daran, ihre Beamt*innen zurückzuziehen – sie will sogar noch mehr Mitarbeitende in die Ägäis schicken. Das Frontex-Management sei der »festen Überzeugung«, dass die Agentur ihre Präsenz im Land verstärken sollte, heisst es auf SPIEGEL-Anfrage. Der Untersuchungsbericht bringt auch die EU-Kommission in Bedrängnis. Sie überweist jedes Jahr Millionen Euro nach Athen. Das Geld ist zweckgebunden, es soll dafür eingesetzt werden, die Migration zu managen. Aber es ist nicht dafür gedacht, Menschen in antriebslosen Rettungsinseln auf dem Meer auszusetzen. Die EU-Innenkommissarin Johansson trägt die politische Verantwortung für Frontex. Unter der Aufsicht der Sozialdemokratin ist die Gewalt an den EU-Aussengrenzen eskaliert. Johansson hat die griechische Regierung zwar öffentlich aufgefordert, die Pushbacks zu unterlassen. Geholfen hat das aber nicht. Bisher schreckt sie davor zurück, Athen das Geld zu kürzen. Auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland hat die Kommission nicht eingeleitet.
Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass es mehr braucht als Enthüllungen. Diese Arbeit ist zwar wichtig, doch in diesem Fall haben viele politische Entscheidungsträger*innen von dieser Gewalt gewusst und sie bewusst ignoriert und somit gestärkt. Es braucht mehr als das. Es braucht ausserparlamentarischen Druck auf Institutionen wie Frontex oder das EU-Parlament, in welcher Form auch immer.
Was schreiben andere?
Statement der Brasserie Lorraine zur Diskussion um kulturelle Aneignung
Unsere social media Kanäle werden zurzeit geflutet mit Kommentaren, die teilweise massiv rassistisch sind und keinen Beitrag leisten zu einer konstruktiven Diskussion. Wir haben nicht die Kapazität, diesen Diskurs angemessen zu moderieren, weshalb wir uns entschieden haben, unsere Profile vorübergehend zu deaktivieren. Die angekündigte öffentliche Podiumsdiskussion wird zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, um der Dynamik und dem Ausmass der Diskussion gerecht werden zu können.
Wir stehen nach wie vor geschlossen hinter dem Entscheid, das Konzert nach Rücksprache mit der Band abzubrechen. Es war nie in unserem Interesse, Menschen zu diskreditieren oder ihnen das Recht an einer Leidenschaft abzusprechen. Jedoch entspricht es unserer tiefen Überzeugung, rücksichts- und verantwortungsvoll zu handeln. Dazu gehört, alle Stimmen zu hören, auch diejenige der Minderheit. Wir glauben nicht, dass wir als Gesellschaft weiter kommen können, wenn sich die Meinung der Mehrheit über diejenige der Minderheit hinwegsetzt, ohne einander zuzuhören.
Offensichtlich ist die Thematik der Kulturellen Aneignung von grosser gesellschaftlicher Relevanz und Aktualität. Uns ist bewusst, wie aufgeladen und emotional das Thema ist. Umso wichtiger erscheint es uns, wird darüber gesprochen. Die Art und Weise, wie der öffentliche Diskurs nun aber geführt wird, erstaunt uns und macht uns betroffen.
Anstelle von Sensationsberichten und reisserischen Headlines wünschen wir uns eine differenzierte und konstruktive Auseinandersetzung mit einer hochkomplexen Thematik, auf deren Fragen auch wir keine abschliessenden Antworten haben. Wir verstehen unser Handeln aber auch immer als Versuch, einer gesellschaftlichen und strukturellen Problematik mit einem inklusiven Bewusstsein zu begegnen. Was ist falsch daran, Rücksicht zu nehmen auf Menschen, die ihr Unwohlsein äussern? Auf Menschen, die unter dem strukturellen Rassismus in diesem Land leiden und auf diejenigen, die sich mit ihnen solidarisieren?
All Jenen, die jetzt nach Bevormundung schreien, von Cancel Culture und von einer Diktatur der superwoken Minderheit über eine Mehrheit reden, möchten wir entgegnen: Eine Gesellschaft, die keine Rücksicht nimmt auf die Stimmen von Minderheiten, eine Gesellschaft, in der das Unwohlsein von Menschen nicht wahrgenommen wird und eine Gesellschaft, in welcher die Lautesten diejenigen sind, die am meisten gehört werden, ist zum Scheitern verurteilt.
Wir gehen nicht unter in den Niederlagen, sondern in den Auseinandersetzungen, die wir nicht führen.“
Was steht an?
Programm No Fides
Rassistische Polizeigewalt im Fall Oury Jalloh
Fr. 12. August 2022, 20 Uhr im Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Rollstuhlgängig)
Vor 17 Jahren wird der Asysuchende Oury Jalloh in einer Einzelzelle auf dem Polizeirevier in Dessau auf brutalste Weise ermordet.
Was folgt ist eine unglaubliche Geschichte von Täter:innenschutz, Vertuschung und Repression gegen die Aktivist:innen, welche die Aufklärung des Falles fordern.
Mitglieder der „Initiative Oury Jalloh“ sprechen über ihre jahrelange Arbeit, ihre Kampagne und ihre Erfahrungen mit den gewaltausübenden Institutionen. Der Fall zeigt beispielhaft welche Funktionen Polizei und Justiz in unserem System einnehmen, wer geschützt wird und welche Personen von Polizeigewalt betroffen sind und wie sich die Institutionen selbst vor Kritik und der Konfrontation mit ihrer eigenen Gewalt zu schützen versuchen.“
https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
Ein Blick auf die Militarisierung der EU-Aussengrenzen
Fr. 13. August 2022, 14 Uhr im Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Rollstuhlgängig)
Europa führt einen Krieg gegen Migration. Doch was bedeutet das in der Praxis? Dieser Input gibt einen Blick auf die Militarisierung der Migrationsrouten rund ums Mittelmeer aus Perspektive von Alarm Phone und widerständigen Zusammenschlüssen wie NoFrontex und AbolishFrontex. Dabei zeigt ein Blick auf unterschiedliche Routen, dass dafür unterschiedliche Strategien angewendet werden. In der Ägäis, zwischen Griechenland und der Türkei entstand in den letzten Jahren ein immer öffentlicher sichtbares Gewaltregime in Form von Pushbacks und verbunden mit massiver Gewalt, ausgeführt von der griechischen Küstenwachen mit Unterstützung von Frontex und vor den Augen der Nato. Auch im zentralen Mittelmeer zwischen Libyen und Italien finden systematische Pushbacks statt. Dafür rüstet Europa unter dem Deckmantel der libyschen Küstenwache lokale Milizen auf und aus. Und im westlichen Mittelmeer wird die Kooperation mit Marokko intensiviert – das gipfelte jüngst im Massaker vor Melilla. Die Entwicklung ist verbunden mit Prozessen der Militarisierung und mit einer Brutalisierung der Debatte: Migration gilt als militärische Bedrohung, der mit Aufrüstung in Europa und weit darüber hinaus begegnet wird. Zentral dabei ist Frontex, die militarisierte Grenzschutzagentur der EU, an der auch die Schweiz beteiligt ist. Ihre Verbindungsstelle liegt in Bern, beim Bundesamt für Zoll und Grenzssicherheit. Von dort aus wird Grenzschutzpersonal entsandt, aber dorthin fliesen auch Informationen, beispielsweise durch das Frontex-Überwachungsnetzwerk Eurosur, welches mittels Drohnen, Kameras, Überwachungszeppelinen, Flugzeugen und sogar eigenen Satelliten Daten zu Migrationsbewegungen sammelt und ihre Mitgliedstaaten verteilt
Von Terrorismus und Gefährder*innen – Gegen wen richten sich die neuen Antiterrorgesetze?
Sa. 13. August 2022, 17 Uhr im Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Rollstuhlgängig)
Mit «Fides» proben Armee und Polizei das Szenario einer langanhaltenden «terroristischen Bedrohung«. Die Militärübung reiht sich damit in den grassierenden Sicherheitswahn ein. Denn die Antiterrorgesetze in den USA, in Westeuropa und seit Kurzem auch in der Schweiz ermöglichen der Justiz mehr und mehr Massnahmen zur Kontrolle und Bestrafung, und bauen den Überwachungsstaat immer lückenloser aus.
Was steckt hinter den Diskursen rund um «Terrorismus» und «Gefährder:innen»? Wie sind diese Begriffe entstanden? Wen bedrohen die neuen Schweizer Antiterrorgesetze? Und welche Entwicklungen lassen sich in anderen Ländern – wie etwa der USA – beobachen, wo Antiterrorgesetze schon länger in Kraft sind?
Militär, Männlichkeit und Militanz
Sa. 13. August 2022, 20 Uhr im Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Rollstuhlgängig)
Wie haben sich militarisierte Männlichkeiten herausgebildet und wie hängen diese mit militarisierten Gesellschaften und mit Nationalismus zusammen? Diesen Fragen werden wir zusammen nachgehen. Viel wichtiger jedoch soll in einem zweiten Schritt reflektiert werden, wie diese toxischen Männlichkeiten in antiautoritären Strukturen reproduziert werden. Wie äussern sich diese und was genau beinhaltet einen radikalen Bruch mit solchen Männlichkeiten? Wie kommen wir dorthin?
Demonstration gegen Polizeigewalt, Militarisierung und Überwachung
Besammlung am So. 14. August um 15 Uhr auf der Schützenmatte, Bern.
Aufruf
„Balkanroute“: Racial Profiling und Polizeigewalt gegen die soziale Bewegung der Migration
Mo. 15. August 2022, 19 Uhr im Brasssäli, Quartiergasse 17, 3013 Bern (Rollstuhlgängig)
„Wir sind hier, weil ihr dort wart“ Migration kann als eine alltägliche Praxis der Wiederaneignung gelesen werden. Gegen diese soziale Bewegung schottet sich die Festung Europa ab. Der Input bietet einen Einblick zur aktuellen Lage auf der sogenannten Balkanroute. Dort reagieren lokale Grenzpolizist*innen und Frontex mit illegaler entrechtender Grenzgewalt auf Migrant*innen. Ausgangslage für den Input ist Solidaritätsarbeit vor Ort, um die Bewegungsfreiheit aller Migrant*innen zu unterstützen.
Critical Mass (Velodemo)
Di. 16 August 2022, 19 Uhr Thunplatz, Bern
Wir nehmen uns mit unseren Velos, Rollerblades, Trottinets und sonstigen Lieblingsfahrzeugen die Strasse. Mit dem Fahrtwind in den Haaren bringen wir Leben und vielleicht ein bisschen Verkehrschaos in die Strassen des Botschaftsviertel – und drüber hinaus, schliesslich sind wir schnell und wendig.
Neues Polizeigesetz des Kanton Bern (Vortrag und Diskussion mit dem AntiRep Bern)
Mi. 17. August 2022, 19:30 Uhr Kino Reitschule, Bern
„Gefahrenabwehr“ ist in der Schweiz in erster Linie Aufgabe der Polizei. Welche Aufgaben – ausserhalb der Aufklärung von Straftaten – dies umfasst, wie diese umgesetzt werden dürfen und welche Kompetenzen die Polizei dadurch hat, ist in den kantonalen Polizeigesetzen geregelt. Mit dem neuen Polizeigesetz des Kantons Bern, welches am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, wurden diese Möglichkeiten einmal mehr ausgebaut.
Was hat sich mit dem neuen Polizeigesetz geändert? Was darf die Polizei und auf welche gesetzlichen Grundlagen kann sie sich in ihrem Handeln überhaupt berufen? Um diese Fragen geht es in diesem Überblick zum neuen Polizeigesetz.
Räuber*innen & Poli Spiel
Do. 18. August 2022, 19 Uhr Falkenplatz , Bern
Bringt lustige Gadgets für einen dynamischen Verlauf des Abends.
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
https://taz.de/Debatte-weisser-Feminismus/!5867137/
https://www.br.de/mediathek/podcast/zuendfunk-generator/so-schwarz-bist-du-doch-gar-nicht-die-afrodeutsche-poetin-may-ayim/1859920
https://www.dailymail.co.uk/wires/ap/article-11038465/A-new-Libyan-force-emerges-accused-abusing-migrants.html