Medienspiegel 19. Juli 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++UNGARN
Nicht wirklich willkommen: Ukrainische Geflüchtete in Ungarn
Ungarn ist für seine brutale Politik gegenüber Schutzsuchenden bekannt. Die Geflüchteten aus der Ukraine werden zwar besser behandelt. Doch die nicht wirklich guten Bedingungen lassen den Schluss zu, dass es der Regierung recht ist, dass viele Ukrainer*innen in andere Länder weiterfliehen. Ein Bericht über Ukrainer*innen in Ungarn.
https://www.proasyl.de/news/nicht-wirklich-willkommen-ukrainische-gefluechtete-in-ungarn/


+++SPANIEN/MAROKKO
Flucht in spanische Exklave: Prozess nach Ansturm auf Melilla
In Marokko stehen 33 Menschen vor Gericht. Sie und Hunderte andere hatten versucht, den Grenzzaun zur Exklave Melilla zu überwinden.
https://taz.de/Flucht-in-spanische-Exklave/!5865515/


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Neue Standplätze für Fahrende in Wädenswil und Thalwil?
Die Planungsgruppe Zimmerberg hat die beiden neuen Standorte im Auftrag des Kantons gesucht. In den beiden betroffenen Gemeinden stössen die Vorschläge jedoch auf Kritik.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/neue-standplaetze-fuer-fahrende-in-waedenswil-und-thalwil?id=12224704


+++KNAST
My name is Brian: the prisoner whose treatment put Switzerland on trial
Swiss tabloids portray Brian Keller as a monster called ‘Carlos’. UN torture experts say he has been traumatised by isolation and systemic racism
https://www.theguardian.com/world/2022/jul/19/brian-keller-switzerland-prisoner-isolation-racism


Ventilatoren und frisches Wasser für Gefängnisinsassen in Genf
Das veraltete Genfer Gefängnis Champ-Dollon hat wegen der Hitzewelle verschiedene Vorkehrungen getroffen. Alle Zellen sind mit Ventilatoren ausgestattet worden.
https://www.nau.ch/news/schweiz/ventilatoren-und-frisches-wasser-fur-gefangnisinsassen-in-genf-66225941


+++BIG BROTHER
Gefangen in der Schleuse
Theoretisch ist die Nutzung des automatisierten Gesichtsscanners am Flughafen Zürich freiwillig. Doch unsere Autorin machte bei ihrer Ankunft eine andere Erfahrung.
https://www.republik.ch/2022/07/18/ctrl-alt-r-gefangen-in-der-schleuse


+++POLIZEI LU
Bei einer Verfolgungsjagd bei Willisau am Montag kam es Seitens der Luzerner Polizei zu einer Schussabgabe – nun untersucht die Aargauer Kantonspolizei als externe Institution die Hintergründe. (an 06.05)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/der-fcl-vor-dem-saisonstart-diesmal-soll-alles-anders-werden?id=12225064


+++RECHTSEXTREMISMUS
«Das hat in Zürich keinen Platz» – Kleber wirbt für Neonazi-Shop
In Zürich Wiedikon wurden mehrere Aufkleber gesichtet, die rechtsextremes Gedankengut verbreiten. Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus ist empört.
https://www.20min.ch/story/das-hat-in-zuerich-keinen-platz-kleber-verweisen-auf-neonazi-shop-760297758857
-> https://twitter.com/__investigate__/status/1547857315918860290


Rechtslibertäre träumen von staatenlosen Privatstädten in Unternehmerhand
Gegen Staat, für Kapital
Rechtslibertäre Ökonomen und Aktivisten propagieren sogenannte Privatstädte, in denen die Besitzenden ohne staatliche Kontrolle die Regeln machen sollen. In diesen »anarchokapitalistischen« Netzwerken finden sich auch extrem Rechte und Verschwörungstheoretiker.
https://jungle.world/artikel/2022/28/gegen-staat-fuer-kapital



bzbasel.ch 19.07.2022

Pnos-Aktivist Tobias Steiger kämpft gegen die Auflösung der Partei – und gleichzeitig gegen Vorwürfe des Kokainkonsums

Als Chef der rechtsnationalen Partei Pnos sorgte Tobias Steiger schweizweit für Schlagzeilen. Nun wird er beschuldigt, unter Kokaineinfluss gefahren zu sein. Das Verfahren könnte auch seine politische Karriere beeinflussen.

Patrick Rudin

Um die «Partei national orientierter Schweizer» (Pnos) ist es in den vergangenen Monaten ruhig geworden: Im Februar gab die Parteileitung etwas verklausuliert die eigene Auflösung der Strukturen bekannt. Es solle etwas Neues entstehen, hiess es.

Der ehemalige Basler Pnos-Präsident Tobias Steiger will diese «widerrechtliche Auflösung» aber nicht akzeptieren, dies wäre nämlich Sache der Mitgliederversammlung gewesen. Im Mai 2022 scheiterte eine entsprechende Schlichtungsverhandlung. So erhielt Steiger, wie von der Zivilprozessordnung vorgesehen, die sogenannte Klagebewilligung. Allerdings gilt sie nur drei Monate lang. Steiger bestätigt auf Anfrage, dass die Frist in der zweiten Augustwoche abläuft.

2021 wegen Rassendiskriminierung verurteilt

Für die Finanzierung des Prozesses sammelt Steiger seit einigen Monaten Spendengelder. Seinem Gedankengut bleibt er dabei treu: Der letzte Themenlink vom April auf seiner neu gegründeten Facebook-Seite lautet «Geheimwissen der Waffen-SS und der Tempelritter».

Rechtsradikale und insbesondere judenfeindliche Parolen sind für ihn nichts Neues. Wegen einer Rede auf dem Basler Messeplatz im November 2018 – besser bekannt ist die Gegendemonstration «Basel Nazifrei» – sowie diverser anderer Veröffentlichungen erhielt er schliesslich einen Strafbefehl wegen mehrfacher Rassendiskriminierung. Dieser ist im Oktober 2021 rechtskräftig geworden. Ähnliche Entgleisungen führten vor sieben Jahren bereits dazu, dass er seinen Posten als Präsident der Dornacher SVP-Sektion räumen musste.

Videoaufnahmen als Beweismittel

Was bisher nicht bekannt war: Gegen Tobias Steiger läuft seit einiger Zeit im Kanton Baselland ebenfalls ein Verfahren wegen Rassendiskriminierung. Dort geht es allerdings zusätzlich um eher skurrile Vorwürfe: In seinem Geschäft für Sicherheitstechnik in der Basler Steinenvorstadt zeichnen mehrere Überwachungskameras das Geschehen auf, eine Kamera ist auch auf den benachbarten Birsig-Parkplatz gerichtet.

Im Juli 2021 reichte Steiger die Aufnahmen den Behörden als Beweismittel ein: Spätnachts quetschten sich rekordverdächtige sieben Personen in seinen knapp viersitzigen BMW-i8-Sportwagen und mit den Aufnahmen wollte Steiger beweisen, dass nicht er in jener Nacht am Steuer gesessen sei.

Strafverfahren ist noch hängig

Videoüberwachungen von Privaten auf öffentlichem Grund sind zwar vielerorts üblich, aber nicht erlaubt. Deshalb waren die Aufnahmen gegen den Fahrer auch nicht verwertbar, zumal der 43-jährige Lenker jener Nacht geständig war: zu viel Alkohol, ein wenig Kokain und keinen Führerschein. Wegen der Fahrweise soll es allerdings unterwegs einen Fahrerwechsel gegeben haben, entsprechend wird auch gegen Steiger wegen Strassenverkehrsdelikten und Betäubungsmittelkonsum ermittelt. Für ihn gilt wegen des laufenden Verfahrens die Unschuldsvermutung.

Die Ironie der Geschichte: Die Pnos forderte bislang, auch jeglichen Eigenkonsum von Drogen hart zu bestrafen.

Zur Videoüberwachung betont Steiger auf Anfrage, auch wenn die Aufnahmen vor Gericht nicht als Beweis taugten, so seien sie doch starke Indizien. «Diese Kamera auf dem Parkplatz ist eine von vielen Kameras, die wir haben, um deren Funktion unseren Kunden vorführen zu können. Die Aufzeichnungsdauer ist kurz, und es ist als ‹videoüberwacht› angeschrieben. Sehr oft bezieht die Polizei Aufnahmen von unseren Kameras oder von unseren Kunden.»

Zum laufenden Strafverfahren gegen ihn äussert sich Steiger nicht. Auch die Behörden geben inhaltlich keine Auskunft. «Es stehen noch Untersuchungshandlungen aus, die wir kontinuierlich vorantreiben, die aber praxisgemäss auch einige Zeit in Anspruch nehmen», erklärt Michael Lutz von der Baselbieter Staatsanwaltschaft auf Anfrage.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/strafverfahren-pnos-aktivist-tobias-steiger-kaempft-gegen-die-aufloesung-der-partei-und-gleichzeitig-gegen-vorwuerfe-des-kokainkonsums-ld.2318837?mktcid=smch&mktcval=twpost_2022-07-19)


+++RECHTSPOPULISMUS
aargauerzeitung.ch 19.07.2022

«Linke Lehrer»: Diese drei Aargauer Kanti-Schüler haben Politiker in der halben Schweiz in Aktivismus versetzt

Sie haben mit ihrer Maturaarbeit dafür gesorgt, dass die Aargauer Kantonsschulen auf ihre politische Neutralität untersucht werden. In weiteren Kantonen ist die Idee deponiert – ebenfalls wegen der Badener Maturaarbeit. Wer die Verfasser sind und was sie mit Nationalrätin Ruth Humbel zu tun haben.

Eva Berger

Die Aargauer Kantonsschulen werden im kommenden Herbst und Winter vom Meinungsforschungsinstitut Sotomo auf ihre politische Neutralität untersucht. Den Auftrag dazu hat dem Regierungsrat das Kantonsparlament mit der Überweisung eines Vorstosses von Adrian Schoop (FDP) gegeben.

Er hatte ihn zusammen mit drei Maturanden verfasst, die im letzten November an der Kanti Baden eine Arbeit mit dem Titel «Politische Neutralität im Unterricht» eingereicht hatten. Diese war zum Schluss gekommen, die Mittelschulen hätten einen Linksdrall.

Der Aargauer Vorstoss hat Parlamentarierinnen der Nachbarkantone inspiriert. Ähnliche Anliegen wurden von Bürgerlichen in Baselland und Solothurn eingereicht, begründet werden sie vorab mit dem Vorgehen im Aargau und den Ergebnissen aus der Badener Maturaarbeit.

Die Parlamente haben noch nicht darüber befunden. Die Aargauer Studie könnte auf den Kanton Zürich ausgeweitet werden, schlagen seit Donnerstag vergangener Woche zudem drei Zürcher SVP-Kantonsräte vor. Auch sie nehmen explizit Bezug auf die Maturaarbeit.

Kritik von SP-Präsident Wermuth

Andere hatten am Beschluss des Aargauer Grossen Rats weniger Freude. In der Debatte stellte sich die linke Minderheit dagegen, die Mitte war gespalten. Kurz nach der Überweisung kritisierte der Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth öffentlich Bildungsdirektor Alex Hürzeler (SVP), weil der Regierungsrat den Vorstoss ebenfalls befürwortete. Der SP-Co-Präsident sieht darin einen Angriff der Bürgerlichen auf die freie Bildung.

Selten erfährt eine Maturaarbeit dermassen viel Aufmerksamkeit. Das wissen auch ihre Verfasser Mick Biesuz, Jan Suter und Fabian Zehnder. Die Arbeit habe sich gelohnt, das sei erfreulich, sagt der 20-jährige Biesuz. Er ist derzeit in der Rekrutenschule in Bière – Artillerie. Für die Zeitung hat er nur am Wochenende Zeit, aber er hat die Öffentlichkeitsarbeit für die drei Maturanden übernommen. Die anderen beiden stünden nicht so gerne im Rampenlicht, sagt er.

Es mache stolz, dass Bürgerliche in anderen Kantonen die Problematik aufgegriffen haben. «Für die Partei ein Thema zu prägen, ist schön», so Biesuz, Zuspruch gebe es von Jungfreisinnigen aus der ganzen Schweiz. Viel Lob komme auch aus dem persönlichen Umfeld, Gegenwind dafür von links und vor allem in den sozialen Medien. «Ist das Satire?», fragte beispielsweise jemand auf Twitter.

Untersuchen statt vermuten

Nein, Satire sei ihre Untersuchung sicher nicht, sagt Biesuz. Schon in der Bezirksschule hätten er, Zehnder und Suter bemerkt, dass der Unterricht nicht immer politisch neutral sei, das habe sich in der Kanti fortgesetzt. Sie wollten es also genauer wissen und haben es zum Thema ihrer Maturaarbeit gemacht. Biesuz sagt: «Vorher haben es alle nur vermutet. Die Arbeit gibt eine Grundlage, es ernsthaft zu diskutieren.»

Das Resultat der Untersuchung der drei Maturanden ist unter anderem, dass an den Aargauer Kantonsschulen 40 Prozent des Unterrichts von den Schülerinnen und Schülern als «eher links» wahrgenommen werden. Die Schule werde weiter nicht als Ort angesehen, an dem man offenkundig seine politische Meinung äussern kann. Das wurde vor allem von Umfrageteilnehmenden bemerkt, die sich selber als «eher rechts» einstufen. 530 Kantonsschülerinnen und -schüler wurden befragt.

Ruth Humbel im Bus begegnet, Bundeshaus-Einladung folgte

Politisch neutral sind Biesuz, Suter und Zehnder auch nicht, seit fünf Jahren gehören sie den Aargauer Jungfreisinnigen an. Das war eigentlich Zufall: Auf dem Heimweg nach Birmenstorf von der Badenfahrt haben die damals 15-Jährigen im Bus politisiert. Nationalrätin Ruth Humbel hatte den gleichen Weg und hörte mit. «Wir kamen ins Gespräch und wurden von ihr ins Bundeshaus eingeladen», sagt Biesuz.

Die Abstimmung über die AHV2020 stand bevor, die FDP lehnte die Vorlage ab, Humbels Partei, die damalige CVP, war dafür. «Die Argumente der Freisinnigen haben uns am meisten überzeugt», sagt Mick Biesuz. Statt der CVP traten er und seine Kollegen also dem Freisinn bei.

Dass drei Jungfreisinnige in ihrer Maturaarbeit eher zum Schluss kommen könnten, ihre Schule sei zu links als zu rechts, sei nicht erstaunlich, wurde in der Debatte im Aargauer Grossen Rat bemerkt. «Wir waren unvoreingenommen, oder haben es zumindest versucht», sagt Mick Biesuz. Das Resultat hätte genauso gut ein anderes sein können, meint er.

Umstrittene Themen nicht als Tatsachen verkaufen

Wirklich überrascht hat es ihn aber nicht, verschiedene Beispiele liessen längst vermuten, dass die Schulen einen Linksdrall haben. «Wenn beim Thema Klimawandel im Unterricht das Wirtschaftswachstum als Antagonist dargestellt wird, ist das ideologisch», sagt Biesuz.

Auch dass eine Geschichtslehrerin den Schweizer Sitz im Uno-Sicherheitsrat als sehr wichtig und richtig angepriesen habe, passe nicht in einen politisch neutralen Unterricht: «Das ist umstritten und darf nicht ohne weiteres als gut oder schlecht thematisiert werden.» Jede Lehrperson dürfe ihre politische Meinung haben. Wird diese geteilt, müsse sie aber auch als solche deklariert sein, findet der Jungfreisinnige.

Mick Biesuz stört sich denn auch am Vorwurf von links, man wolle mit dieser Untersuchung die Meinungsbildung in der Schule beschneiden oder Lehrpersonen den Mund verbieten. Mick Biesuz sagt:  «Niemand will eine Gesinnungskontrolle durchführen. Es geht darum, was im Unterricht passiert.»

Zur Kritik von Cédric Wermuth findet der Rekrut: «Es scheint, als habe er die Maturaarbeit gar nicht gelesen. Es ist nicht förderlich, wenn ein Parteipräsident irreführende Aussagen macht. Es geht uns nicht ums Parteibüechli.»

Aargauer Grosser Rat 2024 als Ziel

Sein eigenes aber ist Mick Biesuz wichtig. Er hat eine politische Karriere im Sinn. Er werde auf der Liste der Jungfreisinnigen für den Nationalrat kandidieren, stellt er in Aussicht. Ernsthafter bereitet er sich auf die kantonalen Wahlen vom Herbst 2024 vor, da ist Erfolg realistischer.

Gerne würde der heute 20-Jährige für die FDP in den Grossen Rat einziehen. «Die Legislative interessiert mich sehr. Da strebe ich ein Amt an.» In der Familie liegt das nicht, sein Bruder, ebenfalls ein Jungfreisinniger, und er seien dort die Einzigen mit Parteizugehörigkeit.

Vermutlich werde er aber bis im nächsten Sommer vor allem mit dem Militär beschäftigt sein, glaubt er. Danach wird Mick Biesuz in St.Gallen Wirtschaft und Recht studieren. «Es ist vielleicht ein Klischee für einen Jungfreisinnigen. Aber es ist das, was ich machen will», sagt er.

Es gab immerhin einen Fünfer

Dann werde er auch keine methodischen Fehler mehr in Arbeiten machen, ist er überzeugt. Stichprobengrösse, Fragestellungen und Methode der Badener Maturaarbeit wurden im Aargauer Grossen Rat kritisiert. Biesuz nimmt es gelassen: «Wir waren Maturanden, keine Wissenschaftler. Diese Arbeit hatte nie den Anspruch, auf Universitätsniveau zu sein», sagt er.

Aber man habe damit etwas erreicht, mindestens die Aargauer Kantonsschulen werden jetzt wissenschaftlich auf ihre politische Neutralität überprüft. Andere könnten folgen. Und überhaupt: So schlecht sei die Arbeit zumindest auch aus Sicht der Lehrerin nicht gewesen: Mick Biesuz, Jan Suter und Fabian Zehnder erhielten dafür die Note 5. Also «gut».
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/maturaarbeit-linke-lehrer-diese-drei-aargauer-kanti-schueler-haben-politiker-in-der-halben-schweiz-aktiv-werden-lassen-ld.2318752)